MSTory 6: Silent Müll von abgemeldet (MSTing zu 'Monster with a Heart.?') ================================================================================ Epilog: Stadt der Alpträume --------------------------- Lange nachdem sich der Staub in Silent Hill gelegt hat, blitzt in einem in tiefste Dunkelheit gehüllten Gang, irgendwo in einem der oberen Geschosse des Alchemilla Hospitals, das es nie gegeben hat, ein gelbes Licht auf. Ratternder, über Minuten beständig anschwellender Maschinenlärm verhallt in der Finsternis. Bald leuchten weitere Lämpchen auf, wirken wie die Augen eines Raubtieres; als würde die Wand des Gebäudes selbst, beseelt von unwirklichem Eigenleben, einen Blick in die Dunkelheit vor sich riskieren. Nachdem das Poltern und Scheppern abrupt verstummt sind, tönt eine Klingel durch den Gang, und als sich kurz darauf die Tür des Fahrstuhls langsam öffnet, beginnen vereinzelte Neonröhren aufzuflackern, knacken spitz und surren monoton. Quietschender, metallischer Lärm verhallt zwischen den schmucklosen Betonwänden, als schließlich ein Krankenbett aus dem Fahrstuhl herausgeschoben wird, uralt und verrostet, blutbesudelt und verdreckt. Darauf liegt etwas, das auf den ersten Blick wie eine Mumie wirkt und sich auf den zweiten als am ganzen Körper bandagierte Person entpuppt. Einzig ihre dann und wann müde blinzelnden Augen und wie unter Krämpfen zuckende Mundwinkel, gerade so unbedeckt von den blutigen Verbänden, verraten, dass die Person tatsächlich lebt. Am Fußende des Bettes sitzt ein Mädchen im blauen Schulkleid; das lange, rabenschwarze Haar fein gekämmt und über ihre Schultern fallend. Als schließlich der Pyramid Head, welcher das Bett schiebt, und eine im gemessenen Abstand folgende Frau im schwarzen Lederoutfit, mit vielen Piercings im Gesicht, aus dem Fahrstuhl hervorgetreten sind, schließt sich die Tür wieder surrend. „Arme Alessa...“, wispert das Mädchen mit sanfter Stimme, schwanger vor Bedauern und Mitgefühl. „Ich weiß, du musst dich ausruhen. Du hast so viel durchgestanden.“ Die Mumie antwortet ihr nicht, blickt starr, beinahe apathisch, zur Decke empor, während sie dahingeschoben werden, sich langsam der zweiflügeligen Tür am anderen Ende des kurzen Gangs nähern. Steriles Licht spiegelt sich in Alessas Augen, die hinter Verbänden aufblitzen, wann immer sie an einer flackernden Neonröhre vorbeikommen. „Aber was ich dir gleich zeigen werde, wird dir bestimmt gefallen. Richtward hat uns nämlich ein kleines Geschenk hinterlassen.“ Das Mädchen kichert; ein Laut, der leise und bedrohlich verhallt. „Unseren Deus ex Machina hat er natürlich gestohlen. Er ist mit ihm verschmolzen. Aber das weißt du ja bereits“, erzählt das Mädchen weiter, klingt beinahe trotzig, während sie spricht. „Die Organisation kann sich nicht erklären, wie er das zustande gebracht hat. Es interessiert mich aber auch nicht. Wir brauchen den Deus ex Machina nicht.“ Mittlerweile sind sie der Tür sehr nahe. Der Pyramid Head hält im Schritt inne, und noch fast in der gleichen Sekunde verstummen die quietschenden Räder und scheppernden Metallstangen. Das Mädchen braucht einen Moment, ehe es seinen Blick von Alessa abwenden und zu der ganz in schwarz gekleideten Frau sehen kann, die, langsam hin und her zappelnd wie eine unsicher gehaltene Marionette, dem Pyramid Head folgt. Bizarres Geflüster ist zu hören, verklingt sekundenlang im von beständig flackernden Lampen in fahles Licht und tiefste Dunkelheit getauchten Gang. Dann geht ein Ruck durch Sophia, die von einer Sekunde auf die andere in größte Eile zu verfallen scheint, torkelnd an ihnen vorbeihastet und zu der Tür eilt, um sich dann plump gegen sie zu werfen, mit ihrem zuckenden, ungelenkten Körper die Flügel aufzustoßen. Der Lärm verrosteter Türangeln bricht sich Bahn, während dichter Nebel in den Flur sickert, geboren aus der endlosen Nacht, die außerhalb des Gebäudes herrscht. Sophia torkelt unbeholfen weiter nach draußen, verliert schließlich ihr Gleichgewicht und fällt auf das Dach darnieder, um reglos liegen zu bleiben. Langsam setzt sich der Pyramid Head wieder in Bewegung, schiebt Alessas eiserne Barke hinaus. Das Mädchen sieht wieder auf die blut- und eitergetränkte Mumie herab. „Weißt du denn, dass Richtward, als er unsere Kräfte kontrolliert hat, sehr viele Menschen in unsere Stadt gebracht hat, Alessa?“, fragt sie, mit einer Stimme, welcher der eines neugierigen Mädchens so verblüffend ähnlich ist, dass selbst dem geübtesten Zuhörer nicht bewusst werden würde, dass dort etwas gänzlich anderes auf dem Bett sitzt und spricht. „Es sind hunderte gewesen! Während du geschlafen hast, habe ich sie schon fortgebracht. Das musste ich tun; ich hatte es Golden versprochen. Ohne sie hätten wir dich nie befreien können, also halte ich mein Wort natürlich...“ Als sie schließlich mittig auf dem von einer Glocke aus weißen Schleiern umwaberten Dach sind, löst sich das Mädchen in einer fließenden, fast verspielt wirkenden Bewegung vom Bett. Während es bereits zum Sims des Daches schlendert, nimmt der Pyramid Head seine klobigen Finger von den Griffen, umrundet das Bett mit wuchtvollen Schritten und greift nach Alessa. Ächzende Laute voller Schmerz und Qual dringen aus ihrer trockenen Kehle, als sie emporgehoben wird, und kaum dass der Pyramid Head auch nur seine massigen Arme unter sie schiebt, fährt das Mädchen so schnell herum, dass sein Haar sich bauscht. „Sei vorsichtig, du Narr!“, schreit sie so laut, dass es schallend nach allen Richtungen in den Gassen der Stadt verklingt. Ohne danach auch nur einen Atemzug zu nehmen, spricht sie viel sanfter weiter: „Ich weiß, du möchtest in deinem Bett liegen bleiben, Alessa. Aber ich verspreche dir, das wird dir gefallen! Du wirst sehen!“, ruft sie energisch. Als der Pyramid Head Alessa zum Rand des Daches trägt, wirkt sie fast wie ein zu groß geratenes, bizarres Baby, welches zusammengekauert und ohne jede Regung in seinen Armen liegt. Mit jedem Schritt dringen Geräusche in Alessas Ohren, gedämpft durch dicke, blutverkrustete Mullbinden, doch langsam immer lauter werdend, je näher sie dem Abgrund kommen. „Die Menschen, die Richtward in unsere Stadt gebracht hat, waren alle unrein, musst du wissen“, erzählt das Mädchen schließlich, klingt, als würde es die eigene Mutter belehren wollen. Langsam kommt Bewegung in die mumifizierte Alessa, die schwer und müde ihren Kopf zu wenden beginnt. Sekunden vergehen, ehe ihre blutunterlaufenen Augen auf den Platz vor dem Krankenhaus blicken, erhellt vom Licht antiker Straßenlaternen, welches sich tausendfach im dichten Nebel bricht, ihn wie ein gewaltiges, schlohweißes Gespenst wirken lässt, welches sich durch die Gassen zieht. Die Stadt ist voller Alpträume. Unzählige Gestalten drängen sich dicht an dicht, ringen um Platz für ihre Körper, einer deformierter und unwirklicher als der andere, den sie nicht vorfinden. Selbst weit hinten, wo der Nebel so dicht wird, dass er undurchdringlich wirkt, winden sich noch verzerrte Silhouetten auf und ab. „Da sie nicht rein waren, sind natürlich auch ihre Sünden, Laster und dunklen Geheimnisse in unsere Stadt gekommen“, säuselt das Mädchen nach einer Weile. „Einige von ihnen sind sehr mächtig. Ich freue mich schon darauf, sie dir später vorzustellen, nachdem du dich ausgeruht hast.“ Sie blickt in Alessas wie tot wirkendes, sich ihr um ein My zuwendendes Gesicht, als würde sie auf eine Antwort warten. Sekunden des Schweigens verstreichen, nur durchbrochen von schlüpfrigen, ungelenken Schritten, die tausendfach durch die Gassen hallen und den gedämpften Geräuschen der Kreaturen, die sich stöhnend, ächzend und gurgelnd umeinander balgen. „Richtward wusste, dass das passieren würde. Welchen Grund sollte er sonst gehabt haben, so viele Menschen herzuholen? Glaubst du vielleicht, dass er geplant hat, die MSTing-Organisation mit dieser Armee anzugreifen? Als er hierher kam, hasste er die MSTing-Sues und wollte sie vernichten!“ Alessa antwortet nicht, sieht noch für einen Moment in das unschlüssige Gesicht des Mädchens, das plötzlich nickt, als habe es verstanden, obwohl es nie etwas gehört hat. „Natürlich. Eigentlich ist es auch egal. Der alte Mann ist fort und wird uns hoffentlich nie wieder besuchen“, murmelt sie mit verlegener, tiefer Stimme. Sie wendet sich ab, um den Blick ihrer dunklen Augen einmal mehr über die Straßen schweifen zu lassen. „Nevan und die anderen MSTing-Sues sind bestimmt froh, uns zu ihren Verbündeten zählen zu können. Nachdem ich die Essenz des anderen Dämonen in mich aufgenommen habe, bin ich mächtiger denn je, und obendrein gebieten wir nun über mehr Kreaturen als je zuvor!“ Sie fährt mit wehendem Kleid herum und eilt zu Alessa und dem Pyramid Head. „Und mehr noch: Der Avatar des Elypsion hat ein ganzes Viertel des realen Silent Hill zerstört und damit so viel Aufruhr in der Welt der Menschen verursacht, dass bald noch mehr von ihnen zu uns kommen werden! Polizisten, neugierige Jugendliche und Agenten, vielleicht sogar eine Armee... Sie werden herausfinden wollen, was in Silent Hill geschehen ist.“ Der Dämon kichert, hebt einen Arm und greift zärtlich nach einer von Alessas geschwollenen, bandagierten Händen. „Wenn sie kommen, ziehen wir aus jedem einzelnen von ihnen die Boshaftigkeit heraus...“ Das Mädchen hält inne … und sieht Alessa von einer Sekunde auf die andere so streng und fordernd an, als würde sie nicht zögern, sie anzuschreien, sollte ihr die Antwort auf ihre noch ungestellte Frage nicht gefallen. „Freust du dich denn, Alessa?“, will der Dämon schließlich wissen. Alessas Blick verliert sich erneut in der Ferne, wo etwas Riesenhaftes, menschlich Wirkendes mit donnernden Schritten zwischen den Häuserzeilen dahinwandelt, mit einem langen Schnabel und bizarren, dünnen Arme, welche so lang sind, dass sie den Boden berühren. Dinge fliegen über das Dach des Krankenhauses hinweg, die spastisch zuckend ihre vielen Flügel schlagen und nichts ähneln, das jemals die Lüfte der realen Welt bereist hat. Als dann zum ersten Mal seit langer Zeit eine Regung in Alessas Gesicht aufblitzt, kichert das Mädchen: Sie lächelt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)