LuckySTRIKE von irish_shamrock (One in a million) ================================================================================ Kapitel 1: FIRST ACT -------------------- LuckySTRIKE FIRST ACT Your body rocking, keep me up all night - One in a million, my lucky strike Eleganz heißt nicht, ins Auge zu fallen, sondern im Gedächtnis zu bleiben. G I O R G I O. – A R M A N I. Vom Jäger – zum Gejagten Welch ein Ansehen Marcus Flint doch genoss, trotz seines eher eigenwillen Erscheinungsbildes. Er war groß, stark und mit Muskeln beinahe übersät, auch wenn diese bisweilen unter der Schuluniform oder dem Quidditch-Trikot verschwanden. Als Kapitän und Jäger der Hausmannschaft von Slytherin, hatte er einen gewissen Ruf zu verlieren. Das Image, das ihm und seinen Gefährten anhaftete, war unter den Schülern ebenso berüchtigt wie wahrhaftig, wenn man dem Gerede der Mädchen Glauben schenkte. Doch die Zeiten, in denen er Quaffles durch die Lüfte warf, sich mit jungen Frauen vergnügte und nicht selten mit einem dicken Schädel aus dem Schlaf erwachte, waren, zu seinem Bedauern, längst vorbei. Zwar traf man ihn nicht selten in einer vertrauten Runde an, doch auch hier, im Gespräch mit seinen engsten Freunden, waren diese erquickenden Momente nicht mehr, als bloße Erinnerungen. Hogwarts, der Sündenpfuhl, das Sodom und Gomorrha seiner Schulzeit, hatte auch jetzt, nach etlichen Jahren, nichts von seinem Charme eingebüßt. Knarrende Türen, Treppen und Betten. Nicht, dass es ihm graute, an diesen Ort zurückzukehren, sei es auch nur für das profane Klassentreffen oder um denen, die ihr Leben bei der großen Schlacht ließen, zu gedenken. Eher war dem jungen Mann nicht wohl bei dem Gedanken daran, jenen Geschöpfen zu begegnen, die einst seine Gunst genossen, nur um dann, kurz darauf, hinaus auf den kalten Gang befördert zu werden. Es war kein Geheimnis, dass er einem verbeulten Ball ebenso schnell hinter her jagte, wie den Röcken der Schülerinnen, die dann, nach einer unvergesslichen Nacht, damit prahlten und nicht mit Details geizten, um ihresgleichen untereinander auszustechen. Aber eine Reputation schenkte keine Wärme, sie nahm dich, nach einem miesen Spiel, nicht in den Arm oder lauschte den, meist etwas unter der Gürtellinie angesiedelten, Schimpftiraden und stimmte den gewählten Worten anstandslos zu. Willige Mädchen waren ebenso leicht zu finden, wie zu lenken. Und stieß man auf Widerstand, so wählte man die schönsten Bekundungen, die einem über die Zunge rollten, ob diese nun der Wahrheit ebenbürtig waren, oder dem Sprecher einen Krampf bescherten. Eine Verschwendung von Kraftreserven, doch davon ablassen kam für beide Parteien nicht infrage. Nun, dann und wann, wenn die jungen Herren vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum saßen und sich an den Geschichten labten, die ihnen freiheraus zugetragen wurden, kam auch ein Marcus Flint nicht umhin sich zu fragen, ob all das Fleisch, wenn es freiwillig vor einem her spazierte, den Jäger nicht allmählich träge und faul werden ließ? Welches Raubtier gab sich schon damit zufrieden, wenn die Beute an die Pforte klopfte, um Einlaß bettelte und dann ohne Blessuren aus dem Kampf hervorging? Höflichkeit hatte noch nie zu den Stärken seines besten Freundes Adrian Pucey gehört, als dieser, ungehalten und herzhaft gähnend erklärte, dass er zu der einleuchtenden Erkenntnis gekommen sei, ihm wäre die Lust an der Lust vergangen. Ungläubiges Schnauben machte sich unter den Jungen breit und auch das Werfen mit Kronkorken, von denen bereits eine beachtliche Anzahl um sie herum verteilt lag, schien Adrian nicht von seiner Meinung abzubringen. Johlend und grölend machten ihm seine Kameraden verständlich, seine Aussage nicht zu teilen und als ihm ein Korken beinahe ins Auge flog, hob Adrian beschwichtigend die Hände und knurrte eine verbitterte Entschuldigung. „Warum willst du unbedingt etwas daran ändern?“, fauchte ihm Charles Warrington entgegen und erntete von den übrigen Mitgliedern ihres kleinen, internen Clubs, brummende Zustimmung. Neben dem Schütteln der Häupter, dem missbilligenden Schnalzen mit den Zungen und dem verdrehen der Augen, blickte Adrian Pucey schuldbewusst seinem Freund entgegen, der beharrlich schwieg. Auch in seinem letzten Jahr hatte Marcus Flint ein ums andere Mal die Ausmaße ihres Handels zu spüren bekommen. Und als er und seine Begleiter die Schule verließen, zogen sie eine blutrote Spur gebrochener Herzen hinter sich her. Geändert hatte sich jedoch nichts dergleichen. „Flint“, mit einem kräftigen Schlag auf das massige Kreuz, begrüßte ihn sein alter Kamerad Adrian, dessen Gesicht ein breites Grinsen zierte. „Klassentreffen, Jahrgangstreffen... Ist doch beinahe jedes Jahr das Gleiche! Apropos: Wo warst du überhaupt die letzten Male? Ich hätte deine Unterstützung gebraucht!“ Die anklagenden Worte seines besten Freundes wiegelte Marcus mit einer saloppen Handbewegung und einem Brummen ab. Doch Puceys Frage war nicht unbegründet, schließlich hatte er sich bis dato erfolgreich vor einem Zusammenkommen der alten Bekannten drücken können. Erneut wallte der Fluchtinstinkt in ihm auf, je näher sie der Großen Halle kamen. Fünf, verdammte, Jahre war er mit heiler Haut davon gekommen und nun hatte man ihn, wortwörtlich, gezwungen, den Weg nach Schottland auf sich zu nehmen. Zwar hatte er die Prüfung zum Apparieren beim ersten Mal bestanden und es war auch jetzt kein Problem für ihn, innerhalb eines Wimpernschlages vor die Tore des Schlosses zu reisen, doch wenn es ihm möglich war, umging er diese magenverstimmende Art der Fortbewegung. Aber der morsche Stil seines Besens hätte einen Flug bei weitem nicht mehr heil überstanden und wäre noch während des Fluges in tausend Splitter zerfallen. Eine Anreise mit dem Zug kam für ihn nicht infrage, denn es war nicht standesgemäß, entsprach nicht der Etikette und schadete seinem Ruf. Also nahm er das Übel auf sich, verließ das wohlige Herrenhaus im walischen Haverfordwest, und apparierte vor das große Eisentor, welches nach wie vor mit Flüchen und Schutzzaubern gesichert wurde. Dass sich bereits eine Schar Hexen und Zauberer davor versammelt hatten, ließ ihm genügend Zeit, den Blick über die Menge schweifen zu lassen. Marcus war bekannt, dass in jedem Jahr diese Art der Zusammenkunft zelebriert wurde, seit der Großen Schlacht und dem Sturz des dunklen Lords. Nachweise, dass auch seine Familie etwas zum Geschehen beigetragen hatte, gab es nicht. Denn wie ein Großteil der Zauberer und Hexen, hielten sich die Flints aus den Angelegenheiten, zur eigenen Sicherheit, heraus. Es mussten schließlich nicht noch mehr Monster auf die Welt losgelassen werden. Seine Miene verdunkelte sich kaum merklich, als er einen der Weasley-Zwillinge entdeckte, der das Johnson-Mädchen an der Hand hielt. Fred oder George Weasley ließen sich nur schwer von einander unterscheiden, doch ihm war zugetragen worden, dass einer von ihnen sein Leben im Kampf gelassen hatte. Doch wo Angelina Johnson auftauchte, da war auch diese nervige Alicia Spinnet nicht weit. Und wo Spinnet herum geisterte, folgte meist auch Katie - „ich schmettere dir den Quaffel in die Magengrube“ - Bell. Die drei Top-Jägerinnen Gryffindors, zumindest zu seiner Zeit, und tatsächlich, etwas mittelgroßes, blondes stand mit dem Rücken zu ihm und schien sich ebenso suchend umzublicken, wie er es tat. Unfassbar! War der schmächtige, lange Kerl etwa Oliver Wood, der da wie ein Schatten an ihrem Hintern klebte? Der erfolglose, bei „Eintracht Pfützensee“ spielende Wood? Kopfschüttelnd besah sich Marcus den kläglichen Versuch des jungen Mannes, dessen Hand immer wieder abgewiesen wurde. Die Masse setzte sich plötzlich in Bewegung und noch immer unterlag er dem Versuch, sich einfach davonzustehlen, schließlich war es kalt, nass und verschneit. Die Behaglichkeit des Weihnachtsfestes war längst nicht mehr zu spüren, denn das Wiedersehen mit den alten Freunden, Kameraden und Widersachern wurde auf den achtundzwanzigsten Dezember verlegt, mit der plumpen Begründung, dass arbeitstätige Hexen und Zauberer die nötige Zeit, wenn nicht sogar Urlaub hatten, um dem Spektakel beiwohnen zu können. Während Pucey ungehalten von seinem Leben erzählte (Details, die Marcus bei weitem nicht so unbekannt waren, wie Adrian ihm weismachen wollte), fixierte der Flint´sche Spross weiterhin die Gruppe, die vor ihnen her schritt. Wie zu Schulzeiten hingen die Flaggen der jeweiligen Häuser gut sichtbar über den Tischen der Großen Halle. Die langen Tafeln, auf denen bereits Krüge und Becher standen, sahen noch genauso aus, wie er es in Erinnerung hatte. Doch was waren schon fünf, sechs oder sieben Jahre? Noch immer litt das Schloss unter den Auswirkungen des Krieges. Hier und da waren noch hiesige Löcher in die dicken Mauern geschlagen, Treppen zerstört und Lehrräume beschädigt. So sehr es die alte McGonagall auch versuchte, gegen einige Bänne und Zauber musste selbst die rüstige Hexe kapitulieren, waren diese bereits zu lange aktiv (Jahrhunderte, wenn er sich nicht irrte) und ließen sich nur schwer entfernen oder gar erneuern. Es überraschte ihn, dass so wenige es für nötig hielten, um denen zu Gedenken, die gestorben waren. Doch dieser Gedanke wich abrupt der Einsicht, dass er es, bis vor wenigen Minuten, ebenso gehandhabt hatte. Ein paar Gesichter, die er flüchtig kannte, oder zu kennen glaubte, ließen sich an den Tischen und auf den Bänken nieder. Gemurmel echote und hallte von den Wänden wieder, während sich Freunde in die Arme fielen, in Lachen oder Tränen ausbrachen oder sich lauthals über Anwesende ausließen. Neben Charles Warrington, der, wie er berichtete, Lehramt studierte, und Terence Higgs, der bereits verheiratet war und ein Vermögen in irgendwelchen Aktien gemacht hatte, prahlte Adrian Pucey mit einem hohen Amt im Ministerium, das er inne hatte. Marcus stattdessen war nicht daran gelegen, seine Karriere für aller Ohren auszubreiten. Dass auch er einem ehrbaren Beruf nachging, stand außer Frage, schließlich musste man schon früh seinen Lebensunterhalt bestreiten. Dank seiner Schlagkraft und der Wendigkeit auf einem Besen, verdiente er beachtliche Summen als Star-Jäger bei den Torquay-Thunderbirds, einer der aufstrebenden Quidditch-Mannschaften der letzten Jahre. Jedoch beschränkten sich seine Partien nur auf die Hauptsaison, denn seine eigentliche Tätigkeit war die eines Botschafters für magische Spiele im europäischen Raum und Nordamerikas. Ein Grund mehr, dass es ihm widerstrebte, tagtäglich apparieren zu müssen. Die Rede von Professor McGonagall war, zur Freude aller, von kurzer Dauer. Die alte Hexe wirkte ausgemergelt und mit den Jahren mehr und mehr gebrechlich. Wie viele Jahre diese Frau schon auf dem Buckel hatte, darüber konnte man nur spekulieren. Doch das Gerücht hielt sich hartnäckig, dass sie unmittelbar auf etwas zwischen 80 und 103 zu ging. „In ein paar Jahren bin ich Schulleiter!“, prophezeite Charles Warrington beharrlich, doch daran schien nur er selbst festzuhalten. „Deine Fachrichtung?“, mit einem Nicken in Warringtons Richtung, lenkte Marcus den Fokus auf seinen alten Klassenkameraden. „Zaubertränke, Astronomie und Verwandlung“, erwiderte Charles mit einem breiten Grinsen. Auch ihm war durchaus bewusst, dass man nur sehr wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten gehabt hatte und nun mauserte er sich bereits zum pseudo-Schulleiter. Ein jeder von ihnen hatte es irgendwie vollbracht, einige Sprossen der Karriereleiter zu erklimmen, doch das Laster des Vergnügens haftete noch immer an den jungen Männern. Eher unfreiwillig wurde Marcus dieser Tatsache Zeuge, als eine junge Frau an ihnen vorüber ging und sich nicht unweit von ihnen am Tisch niederließ. „Behaltet eure Finger bei euch!“, knurrte Terence Higgs ungehalten, als er die gaffenden Blicke seiner Freunde registrierte. „Wieso?“, eine vorhersehbare Aussage, die über Lippen von Adrian Pucey holperte. „Au, Higgs!“ „Lasst die Finger von meiner Frau!“, zischte dieser und bedachte jeden von ihnen mit einem drohenden Blick. Es war mehr als Offensichtlich, dass es noch immer Familien gab, die Wert auf Traditionen legten, denn Terence Higgs und Daphne Greengrass waren wohl der beste Beweis. „War das deine Idee?“, verlangte Adrian zu wissen und konnte ein gehässiges Grinsen nicht unterdrücken. „Was glaubst du?“, zischte Terence, doch plötzlich zeigte sein Gesicht ein um Abbitte flehendes Lächeln, als er in die Richtung der blonden, jungen Dame blickte. Ein abfälliges Schnalzen mit der Zunge folgte, ebenso schüttelte ein Großteil der Gemeinschaft die Köpfe, und das Grinsen auf Puceys Gesicht wurde, wenn dies überhaupt noch möglich war, noch um einiges breiter. „Du stehst ja total unter der Fuchtel“, feixte Adrian und schlug sich, unter schüttelnden Bewegungen seines Körpers, mit beiden Händen auf die Knie. Das Gerede schien gar kein Ende zu nehmen, denn nicht einmal, als das Essen aufgetragen wurde, hielten es Higgs und Pucey für nötig, ihren Kabbeleien Einhalt zu bieten. Erst eine Ermahnung, ausgehend vom Tisch an dem die Lehrkräfte saßen, veranlasste beide dazu, die gegenseitigen Sticheleien zu beenden und ihren Zank auf sich beruhen zu lassen. Unweigerlich erinnerte Marcus diese Art von Streit an die Jahre, hier, auf Hogwarts. Täglich stritt sich irgendjemand, man jagte sich Flüche auf den Hals oder verhexte Speisen und Getränke und ergötzte sich an dem nachfolgenden Leid des Geschädigten. Da die Slytherins meist nur unter sich waren und keinen Wert auf den Austausch mit den anderen Schülern der übrigen Häuser legten (es sei denn, es stand ein Spiel gegen die Schlangen bevor), erschöpfte und ermüdete Marcus die Berichterstattung seiner Freunde, die auch zu dieser Zeit nichts anderes zum Besten gaben, als Prahlerei, Prunk und Protz und Bettgeschichten. Eine knappe Entschuldigung murmelnd, erhob er sich vom Tisch, nachdem das Bankett eröffnet und die Speisen vertilgt worden waren. Die winterliche, kalte Luft brannte in seinen Lungen. Marcus war froh, dieser merkwürdigen Stimmung zu entkommen, die ihm beinahe die Kehle zuschnürte. Wiedersehensfreude, Bedauern, Heiterkeit, Angst und Schmerz waren Empfindungen, die er, wenn möglich, umging. „Lass mich in Ruhe!“, eine Frauenstimme zog unweigerlich sein Interesse auf sich. „Aber Katie, ich...“, haspelte jemand erwidernd, doch ein schnaufender Laut suggerierte, dass ein Gegenwort nicht von Nöten schien. Wutschnaubend stiefelte die junge Frau den Korridor entlang und steuerte geradewegs auf die große Pforte zu, die den Eingang nach draußen markierte. Noch hatte sie, in ihrer Raserei, keine Notiz von ihm genommen. Erst, als sie einen Schritt nach draußen trat und ein merkwürdige Klicklaut ertönte, wandte sich das Mädchen, mit einem halb verschreckten Ausdruck auf dem Gesicht, zu ihm um. Während Marcus versuchte, die Zigarette, die zischen seinen Lippen klemmte, zu entzünden, vernahm er nur ein frustriert klingendes Schnalzen mit der Zunge. Zwar bekam der Glimmstängel seine volle Aufmerksamkeit, doch Marcus bemerkte sehr wohl, dass die junge Frau die Augen verdrehte, den Kopf schüttelte und die Hände in die Hüften stemmte, ehe er ihre gemurmelten Worte vernahm. „Na toll!“, knurrte sie und konnte selbst nicht beurteilen, ob es an der Szene lag, die sie so eben bühnenreif beendet hatte, oder etwa an dem hochgewachsenen Mann, der ihr auf recht ungute Weise in Erinnerung rief, sie einmal bei einem Spiel brutal vom Besen geworfen zu haben. „Bell“, brummte er und inhalierte genüsslich den Geschmack, ehe beißender Qualm kringelnd in die eisige Abendluft aufstieg. Dass sie empört nach Luft schnappte, überraschte ihn kaum, doch er würde keinen Streit vom Zaun brechen, wenn sie ebenso wenig tat. Ein Blick, der ihm Abscheu garantierte, zierte ihr leicht von der Kälte gerötetes Gesicht, während Katie Bell schützend die Arme vor der Brust verschränkte, um Abwehr und Distanz zu signalisieren. Der scharlachrote Rollkragen Pullover hätte an der einstigen Jägerin Gryffindors nicht besser aussehen können. Wie damals hatte sie ihre blonde Mähne in einen Zopf gebändigt. Die dunkle Jeans und die Winterstiefel bewiesen einmal mehr ihren Hang zur Pragmatik. Im Gegensatz zu ihren ehemaligen Mitstreiterinnen, Spinnet und Johnson, die ihre Weiblichkeit, trotz des aggressiven und derben Sports, stets zu betonen wussten, gab Katie nur wenig auf diese Art von Anbiederung. Ihr Blick war suchend, vielleicht aber auch zögernd, doch genauer wollte sich Marcus nicht weiter mit ihr befassen. Die Auseinandersetzung mit Wood (eine Schlussfolgerung seinerseits), sollte nicht länger im Fokus seines Interesses stehen, und doch schien ebendiese Differenz wie eine schwere, dunkle Wolke direkt über ihren Köpfen zu schweben. „Krieg ich einen Zug?“, zu seiner Verblüffung trat die junge Frau, mutig und selbstbewusst, auf ihn zu und bat ihn um eine Zigarette. „Ist die Letzte.“, murmelte Marcus wahrheitsgemäß und ärgerte sich, nicht vorher noch in irgendeinem Muggel-Kiosk eine neue Packung erstanden zu haben. „Ist mir egal!“, beharrte Katie weiter und wirkte plötzlich nervös, da ein angespanntes Zittern vor ihr ausging. Einen letzten, tiefen Zug später, reichte er ihr den kümmerlichen Rest der Zigarette und beobachtete jede Bewegung ihrerseits. Mit der unerschütterlichen Initiative einer Löwin, nahm sie den Glimmstängel entgegen, klemmte ihn sich zwischen die Lippen, schloss die Augen und zog kräftig daran. Schweigend ergab sie sich dem Laster, ebenjener Schwäche, die sie nur überkam, wenn sie sich ärgerte. Mit einem Ratschen trat sie die Zigarette aus und blies den Rauch durch die Nase. „Danke“, entkam es ihr, „das habe ich gebraucht.“ „Hab ich gemerkt.“, erwiderte Marcus nüchtern und zuckte mit den Schultern. „Normalerweise rauche ich gar nicht.“, gestand sie, doch dem jungen Mann schien nur wenig an ihrer Beichte gelegen. Er wusste nicht, ob er auf ihre belanglos klingende Aussage antworten, oder diese einfach mit einem Zucken der Schultern quittieren sollte. Stattdessen schwieg er und taxierte die zarte Gestalt aus seinen dunklen Augen heraus. So, wie Katie vor ihm stand, wirkte sie weder schwach, noch sonderlich darauf bedacht, sich verteidigen zu müssen. Ihre Haltung spiegelte Neutralität wider. Die junge Frau versuchte nicht einmal, ihn mit feindseligen Blicken zu provozieren. Die Jahre mussten auch der mutigen Katie Bell einiges abverlangt haben, denn das Wiedersehen beider glich einem Zusammentreffen zweier Fremden, die nichts gemein hatten, außer der Leidenschaft am Quidditch und dem Laster des Rauchens. Die einstige Hassliebe, die sie (unweigerlich) verband, schien mit der Zeit verflogen und verpufft zu sein, wie ein schlecht gebrauter Trank. „Und, Flint?“, merkte Katie plötzlich, und zu seiner Verwunderung, an, nickte ihm auffordernd zu und ließ nicht davon abbringen, den kümmerlichen Rest des Qualms in die kalte Luft entweichen zu lassen. Offenbar war die junge Frau auf ein belangloses Gespräch erpicht, und Marcus ertappte sich dabei, dem bevorstehenden Spektakel so schnell, wie es ihm möglich war, zu entkommen. Doch da sie ihm weder feindselig, noch überschwänglich freundlich gegenüberstand, legte er seinen Fluchtinstinkt für den Hauch eines Wimpernschlages ab. „Kinder?“, holperte es augenblicklich über ihre Zunge. Verblüfft und irritiert entfloh dem hochgewachsenen Mann ein hüstelndes Räuspern. So direkt hatte er das junge Fräulein gar nicht mehr in Erinnerung. „Nein“, brachte Marcus und erneutem Krächzen hervor. „Du, Bell? Vielleicht mit Wood?“ Doch Katie schüttelte so vehement das blonde Haupt, dass der einstige Slytherin beinahe glaubte, sie erleide ein Schädelhirntrauma. Die protestierende Erwiderung, die sich in ihre Zunge brannte, verließ jedoch mit keiner Silbe ihren Mund. „Arbeit?“, dass Miss Bell auf solch penetrant wirkende Art und Weise an seinen Nerven kratzte, ließ ihn für einen kurzen Moment die Lippen verziehen. „Natürlich“, beharrte er mit ruhiger Stimme und nickte, um seiner Aussage mehr Ausdruck zu verleihen. Marcus war sich zu hoher Wahrscheinlichkeit sicher, dass Katie sehr wohl wusste, was er beruflich tat und welchen Umgang er pflegte, deshalb überraschte ihn ihre nächste Frage umso weniger. „Allein?“, welchen Nutzen sie auch immer aus dieser Inquisition zog, es war ihm ein Rätsel, doch Frauen konnten, und um die Erkenntnis graute es ihm, aus dem kleinsten Anhaltspunkt bereits so viele Informationen ziehen und sich Zusammenhänge erreimen, dass die Herren meist wie vor den Kopf geschlagen den Worten lauschen und eine Rechtfertigung parat haben mussten. Dennoch, ein schiefes Lächeln umspielte seine Lippen, als er mit dem Kopf schüttelte. „Ja oder nein?“, beharrte sie ungeniert weiter und es fehlte beinahe nicht mehr viel, und sie würde sich vor ihm aufbauen, die Hände in die Hüften gestemmt und mit einem Blick bedenkend, der ihn in die Enge trieb. „Interessiert, Bell?“, spie er stattdessen aus und aus dem Lächeln wurde ein verschwörerisches und herausforderndes breites Grinsen. „Nicht einmal annähernd, Flint!“, mit Gelassenheit und Genugtuung in der Stimme, verneinte sie sein Angebot. Doch der Ausdruck auf ihrem Gesicht, die zusammengepressten Kiefer, die Röte, die ihren bleichen Hals und die rosafarbenen Wangen erfasste um diese nur noch mehr zum leuchten zu bringen, verrieten ihm viel mehr, als Katie beabsichtigt hatte. Ihr Gespräch wurde jedoch jäh von einem lauthals durch die Gänge gebrülltem Rufen seines Names unterbrochen. „Hey Marcus, wo warst du, Mann?“, Adrian Pucey blickte irritierend von Marcus zu Katie, als er seinen „verschollenen Freund“ fand. „Bell? Bist du das?“ Katies Antwort auf die unnütze Bemerkung des jungen Mannes war nur ein verächtliches Schnauben, sowie das Verdrehen der blauen Augen. „Pucey, richtig?“, nuschelte sie und verbarg ihr Desinteresse nicht einmal. Ein gehässiges Grinsen zierte plötzlich Marcus´ Lippen, denn Miss Bell hatte nichts von ihrem Biss verloren. Doch Adrian schien auch jetzt noch nicht viel von dem Mädchen zu halten, stattdessen nickte er auffordernd und Marcus trabte, mit den Händen in den Hosentaschen, hinter ihm her. Verwundert dreinblickend blieb Katie zurück. „Bell? Marc, bist du krank?“, eine erhobene Augenbraue und der ungläubige Ausdruck auf Puceys Gesicht verrieten, dass er argen Zweifel am Verstand seines Freundes hegte. „Und wenn schon? Wir haben nur geraucht.“, erwiderte Marcus und tat seine Erklärung mit einem Zucken der Schultern ab. „Geraucht? Ehrlich, Flint. Das war Bell. Unattraktiv, flachbrüstig, burschikos, aufsässig und brutal.“, erläuterte Adrian und schüttelte den Kopf, als hätte er seinen besten Freund in flagranti mit der Schulkrankenschwester erwischt. „Das sagst du nur, weil sie dich hat abblitzen lassen.“, ein schiefes Grinsen zierte Marcus´ Lippen. „Es ist zwar nicht zu übersehen, dass sie sich gemausert hat, aber... trotzdem, wie alt war sie? Dreizehn, vierzehn? Auf jeden Fall nicht ansprechend genug, dass man sich über sie hätte Gedanken machen müssen, Marcus.“, fiel ihm Adrian ins Wort und schien dessen letzten Satz mit Absicht zu überhören. „Trotzdem warst du wütend und hast drei Wochen lang geschmollt.“, erinnerte ihn Marcus erneut an den vergeblichen Versuch, das Mädchen als Hogsmead-Begleitung ins Dorf zu schleppen. „Du weißt doch selbst, dass es damals nur darum ging, wer es schaffen würde, dass sich die kleine, burschikose und sture Katie Bell überhaupt überreden lässt. Ich habe verloren. Nur deshalb habe ich „geschmollt“ und so getan, als wäre ich wegen ihrer Abfuhr gekränkt.“, erläuterte Adrian und verzog pikiert sein Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. „Du Imp“, feixte Marcus ungehindert und schlug dem jüngeren auf die schmächtigen Schultern. Schallend lachend betraten beide erneut die Große Halle und verschwendeten keinerlei Gedanken mehr an den verpatzten Besuch im letzten Schuljahr, geschweige denn an die junge Frau, die nur wenige Meter hinter ihnen her ging und jedes Wort mit angehört hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)