Endosymbiontentheorie von Katta (RuffyxNami) ================================================================================ Kapitel 13: Und samstags kam Nami... ------------------------------------ Obwohl es Samstagmorgen war, öffnete ich pünktlich mit den ersten Sonnenstrahlen die Augen. Sogar noch bevor mein Weckton überhaupt losschrillte, was mit einem Wunder gleichzusetzen war. Oft hatte ich es bezweifelt, doch das war für mich der Beweis, dass eine innere Uhr tatsächlich existierte. Oder es war bloß die nicht abflauende Freude Nami zu sehen. Anstatt mich wie sonst noch einmal herumzudrehen und weiterzuschlafen, stand ich ohne Umschweife auf, zog mich an und ging in die Küche, wo ich zwei Scheiben Toast in den Toaster schob. Ich war gerade mit dem Frühstück fertig, als ich die Tür vom Schlafzimmer hörte und kurz darauf leise Schrittchen. „Luffi“, hörte ich Titi rufen, die auf mich zu gestürmt kam, nachdem ich mich irritiert herumgedreht hatte. „Guten Morgen.“ „Prinzessin, wie bist du raus gekommen?“, fragte ich sie, während sie auf meinem Schoss saß und die Toastkrümelchen mit den Fingern aufheben wollte. „Bin geklettert“, berichtete sie stolz, steckte den Finger in den Mund und sah mich mit großen Augen an. „Fhüüstück!“ „Du willst Frühstück? Was denn Toast oder Brei?“ Sie überlegte kurz. „Blei!“ Warum fragte ich überhaupt? Sie entschied sich immer für die Gläschen. Ich setzte sie kurz ab, holte eines der Fruchtgläschen aus dem Schrank, kratzte den Inhalt mit einem Plastiklöffel in einer Schüssel und stellte sie ihr mitsamt Löffel hin, bevor ich sie wieder auf den Schoss nahm. „Guten Appetit, Prinzessin“, sagte ich und durch wuschelte ihr Haar, während sie den Löffel ergriff und konzentriert probierte mehr Brei in ihren Mund zu transportieren als fallen zu lassen. Sie verweigerte konsequent jedes meiner Angebote, ihr zu helfen. „Nein, Luffi, alleine essen!“, wiederholte sie energisch und schob sich den Löffel in den Mund, während sie es nur zu ließ, dass ich ihr Gesicht mit einem Taschentuch sauber wischte. Es dauerte seine Zeit, bis sie fertig war. Doch ich blieb die ganze Zeit über geduldig und ließ sie alleine machen. Krass, welche Schritte sie in einem Jahr gemacht hatte. Auch, wie sich ihre Sprache entwickelt hatte, das R fiel ihr zwar immer noch schwer, aber einige Wörter klappten bereits wunderbar. Der Löffel lag keine Minute neben der Schüssel, als sie von meinem Schoss krabbelte und zu Karuhs Käfig im Wohnzimmer rannte. Sie deutete darauf, sah zu mir und sagte „Duuuuh, Fhüstück!“ „Willst du Karuh das Frühstück geben?“ „Ja.“ „Na gut“, sagte ich, ging zu ihr und nahm die Box mit dem Körnerfutter vom Fensterbrett, um es ihr zu reichen. Natürlich hielt ich es noch mit fest, es war ja noch viel zu schwer für sie. Ich öffnete den Käfig und zeigte ihr, wie sie das Futter in die Schale schütten musste. Karuh piepste freudig auf und flatterte mit den Flügeln. Es war einige Zeit her, dass er herumgeflogen war und Ace und Vivi schliefen beide noch. „Titi, was meinst du? Sollen wir Karuh ein bisschen fliegen lassen?“, fragte ich sie, woraufhin die braunen Augen zu glitzern begannen. „Oh ja!“, freute sie sich. „Gut, dann lassen wir den Käfig jetzt offen, machen alle Türen zu und lassen ihn ein bisschen fliegen, und wenn er wieder in den Käfig geht, kann er ja frühstücken, okay?“ Sie nickte und beobachtete mit Begeisterung, wie der gelbe Kanarienvogel auf die Stange der Öffnung hüpfte, zwitscherte und kurz mit dem Schnabel durch sein Gefieder strich, bis er losflog. Zum Glück hatte ich gerade noch die Tür zum Schlafzimmer schließen können, denn Karuh kam mir wie ein Kamikazeflieger entgegen. Ich mochte gar nicht daran denken, wie Ace ausgerastet wäre, wenn der Vogel in sein Zimmer gekracht wäre. Bestimmt hätte er ihn gepackt und geröstet. Er beschwerte sich ja schon über das Piepsen von Karuh bei Vivi. „Das stört mich beim Zocken!“, wurde er nicht müde zu wiederholen, was sie bloß amüsierte. Den Vogel hatte sie schon ewig, er hatte bereits einige Jahre auf dem Buckel und da würde sie sich gewiss nicht wegen so einer Banalität von ihrem geliebten Haustier trennen. Fasziniert folgte Titi dem Vogel mit den Augen und zuckte zusammen, als er auf ihrem Kopf landete. „Luffi, guck ma!“, rief sie und versuchte Karuh auf ihrem Kopf zu erspähen. „Nicht bewegen“, ermahnte ich sie, schlich mich an und bot Karuh meinen Zeigefinger als Sitzstange an, woraufhin er rüber hüpfte, sodass ich ihn Titi zeigen konnte. „Streck mal deinen Arm aus.“ Vorsichtig kam sie dem nach und quiekte überrascht auf, als er von meinem Finger auf ihren Arm wechselte. „Ganz ruhig bleiben“, sagte ich, hielt ihre Hände und lächelte, als Karuh sich putzte. „Guck mal, Karuh vertraut dir, Titi. Komm, wir gehen ganz langsam zum Käfig und setzen ihn wieder rein.“ Fröhlich piepend hüpfte Karuh in den Käfig und steckte das Köpfchen in die Futterschale, um kurz darauf, die leeren Schalen fallen zu lassen. „Duuuh.“ „Guten Morgen, ihr zwei“, begrüßte Vivi uns, gähnte und strich sich durch die Haare, bevor sie auf uns zu kam. „Ah, ihr habt Karuh schon gefüttert? Das ist ja lieb von euch.“ „Luffi hat Fhüstück gemacht“, sagte Titi, nachdem Vivi sie auf die Wange geküsst hatte. „Blei.“ „Echt? Er ist ja ein richtiges Goldstück“, sagte Vivi lächelnd und legte mir die Hand auf die Schulter. „Dankeschön, dass du dich um sie gekümmert hast. Ich hab gar nicht mitbekommen, wie sie rausgegangen geschweige denn aus dem Bett geklettert ist.“ „Ich war auch noch nicht lange wach, da ist sie schon in die Küche gekommen.“ „Hm“, stutzte Vivi, verschränkte die Arme vor der Brust und kniete sich zu Titi. „Vielleicht bist du ja jetzt alt genug, dass wir das Gitter abmachen können. Dann musst du auch nicht mehr klettern.“ Titi erzählte ihr freudestrahlend, wie Karuh durch den Raum geflogen war, während ich mich langsam ins Badezimmer verdrückte, um mich fertigzumachen. Nach einer Katzenwäsche inklusive Zähneputzen verließ ich das Bad wieder und ging in mein Zimmer, um mein Zeug zusammenzusuchen. Mein Herzklopfen wurde wieder stärker, meine Gedanken kreisten nur noch um Nami. Bald würde ich sie wieder sehen, sie wieder berühren können, den ganzen Tag mit ihr verbringen. „Du willst schon weg?“, fragte mich Vivi, als ich aus dem Zimmer kam. Ich nickte und fügte im Kopf bereits eine Ausrede zusammen, doch alles, was sie sagte, war: „Dann wünsche ich dir einen schönen Tag!“ Sie lächelte und Titi winkte mir zum Abschied, bis ich die Wohnungstür hinter mir schloss. Statt den Weg zu Nami zu laufen, beschloss ich die U-Bahn zu nehmen, die um einiges schneller war als ich zu Fuß. Immerhin wohnte Nami in einem anderen Viertel der Stadt. Ohne das rege Gedränge des Berufsverkehrs erkannte ich die Haltestation kaum wieder. Es waren so wenig Leute dort, dass man beinahe von leer sprechen konnte und auch der kurz darauf ankommende Zug war in seiner Gästezahl leicht zu überblicken. Wahrscheinlich war ich deshalb so kopflos in die Linie hereingestürmt, was prompt mit einem Zusammenstoß endete. „Hast du keine Augen-“, herrschte mich eine Frauenstimme an, die schlagartig verständnisvoll klang. „Ruffy, du bist es!“ Ich wagte es kaum, aufzusehen. Hancock. „Hallo Hancock“, konnte ich gerade noch sagen, bevor sich die automatische Tür schloss und der Zug sich in Gang setzte, obwohl sie noch ein paar Mal den Knopf gedrückt hatte. Sie wedelte mit den Armen, als wollte sie mir irgendwas sagen, doch ich zuckte bloß die Schulter und schüttelte den Kopf. Was ging nur in dieser Frau vor? Das war ja schon beinahe unheimlich, dass ich immer in sie hinein rannte. Wenigstens war ich dieses Mal schnell von ihr losgekommen, kaum auszudenken, wenn sie mich festgenagelt – oder wenn Nami uns wieder zusammen gesehen hätte. Erleichtert ließ ich mich auf einem Platz sinken, obwohl ich eh in drei Stationen wieder aussteigen musste. Aber das hatte mir schon einen kleinen Schock verpasst. Ich kramte mein Handy aus der Hosentasche. Hey Nami, Ich bin gleich bei dir :) Ruffy Ich kam nicht mal dazu, es wieder wegzustecken, als ich bereits eine Antwort erhielt. Bis später :-* Lächelnd betrachtete ich das Display. Ich hatte es schwarz auf weiß, ihre Worten von gestern klangen mir noch immer in den Ohren und trotzdem fühlte sich das alles wie ein Traum an, ein verflucht schöner Traum, aus dem ich fürchtete, jeden Moment aufzuwachen. Das musste wohl Liebe sein, kein Wunder, dass die Menschen süchtig nach ihr waren, wie Junkies nach Meth. „Hey Ruffy“, begrüßte Nami mich keine Sekunde, nachdem ich geklingelt hatte, schenkte mir eine Umarmung und zog mich in ihre Wohnung. „Und worauf hast du Lust? Wollen wir etwas unternehmen oder willst du erst mal hier bleiben?“ Bis zu dieser Frage hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, hatte ich bloß die Zeit mit Nami verbringen wollen, doch in dem Moment, als sie mich fragte, kam mir die Idee. Grinsend erfasste ich ihre Hand und zog sie förmlich mit mir. Es grenzte an ein Wunder, dass sie es nebenbei noch schaffte, ihre Stiefeletten anzuziehen und sich ihre Handtasche zu schnappen. „Wo willst du hin, Ruffy?“, fragte Nami überrascht, versuchte mit mir Schritt zu halten und aufgrund des Weges, den ich einschlug, zu deuten, wohin die Reise gehen könnte. „Du wirst es gleich sehen“, sagte ich ihr und merkte, wie sehr ich sie damit folterte, während wir in die nächste Seitenstraße einbogen und uns immer weiter vom Stadtkern mit all seinen Geschäften, der Hektik und dem Lärm entfernten. Von hier an schien sie die Orientierung zu verlieren, immer und immer wieder blickte sie zu den Seiten, begutachtete staunend die alten Bauwerke und konnte scheinbar gar nicht glauben, dass es auch so einen Teil in dieser Stadt kam. „Guck mal da vorne, Nami!“ Ihre Augen folgten meinem Finger, der auf ein über und über mit Efeu bewachsenen Haus zeigte, das vor uns auftauchte, und begannen zu strahlen. Sie sah so niedlich aus und für einen Moment hatte ich komplett vergessen, was das letzte Jahr zwischen uns vorgefallen war. „Das ist ja schön“, staunte sie, als wir vor dem Haus zum Stehen kamen, „aber du wolltest mir doch nicht nur das zeigen, oder, Ruffy?“ Ich verneinte, führte sie hinter mir her, bis wir auf eine brusthohe Mauer trafen, hinter der zahlreiche Bäume zu erkennen waren, öffnete das alte verschnörkelte Eisentor und bat Nami einzutreten, woraufhin sie verstand, wo wir uns gerade befanden. „Der botanische Garten?“, murmelte sie, lächelte und wirkte dennoch verwirrt über meine Ortswahl. Um ehrlich zu sein, weshalb es mich aufgerechnet hier gezogen hatte, weiß ich auch nicht genau. Vielleicht war es die Stille, die Ruhe und die schönen Pflanzen, die so arten- und zahlreich wie sonst nirgends in dieser Stadt hier vertreten waren. Vielleicht war es aber das Gefühl, das ich jedes Mal hatte, wenn ich dort gewesen war. Das Gefühl von innerer Sicherheit und großer Zufriedenheit, das ich gerade nach dem letzten Sommer so dringend gebraucht hatte. Ich zeigte Nami die verschiedenen Pflanzen, die man hier kaum zu Gesicht bekam, in anderen Ländern jedoch maßgeblich das Naturbild prägten. Besonders die Vertreter aus dem tropischen Regenwald versetzen sie in Staunen. „Findest du es nicht auch faszinierend, dass wir alle die Geschlechtsorgane von Pflanzen so schön finden?“ Sie sah von den Blumen auf, musterte mich, während ihr Gesichtsausdruck von irritiert zu wütend wechselte, und wollte soeben etwas einwenden, hatte den Mund bereits geöffnet, doch unterließ es dann mit einem Seufzen und schüttelte den Kopf. Nami war bereits aus der Schule solche Fragen von mir gewohnt und diese war noch eine der harmlosesten gewesen. Zunächst hatten wir eine ganze Weile die diversen Lilienarten des Gartens betrachtet, die vor allem durch ihre farbenfrohen Blüten zu gefallen wussten, später waren es die unterschiedlichsten fleischfressenden Pflanzen, deren Bezeichnung allein Namis Neugier geweckt hatte und die uns festhielten. Wie gespannt sie dabei zugesehen hatte, als ich mit meinem Finger nur vorsichtig und flüchtig über die Venusfliegenfalle gestrichen war und diese sich daraufhin so schnell geschlossen hatte. Kaum zu glauben, dass eine Pflanze eine verhältnismäßig so schnelle Reaktion besaß. „Uiui“, hatte sie gequietscht, war leicht zusammengezuckt und hatte die Hände vor den Mund gepresst. „Hehe, Lysop hat einmal seinen Finger länger auf der Pflanze gehabt. Du hättest mal sein Gesicht sehen sollen, als sein Finger von den Klappen eingeschlossen war.“ Nami lachte. „Er hat bestimmt gedacht, dass er jetzt gefressen wird.“ Ich stimmte in ihr Lachen mit ein. „Genau so war es auch.“ So schnell, wie es gekommen war, verschwand Namis Lächeln auch und der Hirschkäfer, der aus einer der großen Blüten gekrabbelt kam, war nicht unschuldig daran. Sichtlich angewidert und erschrocken hatte sie einen Satz zurückgemacht, sich hinter mir versteckt und laut auf gequietscht, als ich ihr den Käfer unter die Nase gehalten hatte. So ein Prachtstück war es wert von oben bis unten, begutachtet zu werden. „Wow, hast du schon mal so einen Großen gesehen? Und wie der schimmert!“ Meine Faszination für den Käfer teilte Nami nicht im Geringsten und schien sich ernsthaft zu fragen, warum ich mich so ausgiebig damit beschäftigte. Das war nicht der erste Vorfall dieser Art. Schon in der Schule waren zahlreiche Begegnungen mit Insekten derartig verlaufen. Nami hatte immer mit Ekel und Angst reagiert, während ich mich gar nicht hatte sattsehen können. Insekten hatten mich mein Leben lang begeistert, sei es sie zu beobachten, sie zu sammeln oder sie zu fangen. Ihre Farben- und Formenvielfalt, die Tatsache, dass sie überall zu finden waren und ihre unglaubliche Anpassungsfähigkeiten gehörten wohl mit zu den Hauptgründen, weshalb ich sie so mochte und waren mit einer der Ausschlaggeber gewesen, weshalb ich mich für diesen Studiengang entschieden hatte. „Bitte, Ruffy, tue ihn weg!“, kreischte Nami, verkrallte sich in meinem Shirt und presste ihren Kopf gegen meinen Rücken, als ich ihr den Käfer erneut zeigen wollte und er prompt losflog, geradewegs auf sie zu. „Ihhh!“ „Du stellst dich aber an. Es ist doch nur ein kleiner Käfer“, lachte ich und kassierte kurz darauf eine Kopfnuss und wütendes Gefauche, dennoch konnte ich ihr nicht böse sein. So war Nami eben, aufbrausend und temperamentvoll. Und genau das reizte mich so an ihr. Den botanischen Garten verband ich, seit ich das erste Mal da gewesen war, mit positiven Gefühlen, doch an diesem Tag hatte dies eine enorme Verstärkung erlebt. Die ganzen Blumen und Bäume mit Nami zu betrachten, während wir die einzigen Menschen dort waren, war so unglaublich gewesen und konnte lediglich von dem Kuss getoppt werden, mit dem sie sich bei mir bedankt hatte, nachdem ich ihr verbotenerweise eine der Stargazer-Lilien gepflückt hatte. Für diese Belohnung würde ich es wieder tun. Und selbst wenn ich diese Filme nie gemocht hatte, es war ein unbeschreibliches Gefühl selbst einmal Teil einer solchen Kitschszene zu sein. Ich wünschte mir, sie würde niemals enden. Mittlerweile war ich süchtig nach dem Rausch, den Gefühlen und der Nähe. Es schien zu stimmen, ertrug man eine Menge Leid, bekam man schließlich die Belohnung dafür. Und meine war zuckersüß, ließ mich zunehmend vergessen. Was ein kurzer Augenblick ausmachen konnte, ich würde es nicht glauben, hätte ich es nicht selbst erlebt. Namis Umarmung lockerte sich, sie öffnete langsam die Augen und blickte mir tief in die Augen, sagte jedoch nichts als wolle sie selber jeden Eindruck einfangen – und den Moment nicht zerstören. Einige Augenblicke hatte wir einfach so beisammengestanden, bis das Knurren meines Magens mich in Verlegenheit brachte. „Zeit für's Mittagessen. Oder was sagst du?“ Ich fuhr mir durchs Haar, senkte den Blick und hörte bereits Namis genervtes Stöhnen, doch stattdessen zuckte sie die Schultern, nickte und sagte: „Lass uns was essen.“ Wir mussten nicht lange suchen, bis wir ein Restaurant fanden, wobei Restaurant großzügig formuliert war, Sushikarussell passte definitiv besser. Wenn ich da allein an die ganzen Schnörkel und Bahnen dachte, die die Häppchen auf den kleinen Tellern von der Küche ausgehend zurückzulegen hatten. Interessiert und skeptisch wirkte Namis Blick, als sie die Achterbahn für Sushirollen betrachtete, deren Weg einmal den Raum entlang fuhr und schließlich an dem Loch in der Plastikfassade hängen blieb, das sich genau an unserem Tisch befand und dazu diente, sich selber zu bedienen. „Das ist echt krass“, flüsterte sie, nahm einen Schluck von dem Tee, den die Kellnerin uns zuvor gebracht hatte, und traute sich gar nicht anzufangen. „Ich wohn ja jetzt schon eine Weile in der Stadt, aber so war ich noch nie essen.“ „Hm? Wusstest du nicht, dass es so was gibt, Nami?“, fragte ich sie, wickelte die Stäbchen aus der Serviette und schüttete Sojasoße in eine kleine leere Schale. Sie schüttelte den Kopf und grinste. „Nicht dass es so was auch in Restaurants gibt, ich dachte, das gäbe es nur in dieser einen Spielshow. Weißt du, welche ich meine?“ Es dämmerte mir und ich konnte nicht anders als zu lachen, während ich mich an die Abende erinnerte, an denen ich diese Sendung mit Dadan und Ace im Fernsehen gesehen hatte. Die Kommentare der beiden dazu waren meistens besser und lustiger gewesen, als das Programm an sich und vor allem Dadan wollte einfach nicht verstehen, dass man für so etwas Tolles auch noch so ein hohes Preisgeld bekam. „Ja klar weiß ich das. Wie könnte man so eine Sendung auch je vergessen?“, sagte ich, nahm den ersten Teller vom Band und gab ihn Nami, bevor ich einen für mich runter nahm. „Aber sag mal, Nami, wäre das nicht auch eine Idee für dein Restaurant?“ Sie lachte laut auf, bevor sie ohne Vorwarnung die Augen zusammenkniff, sich dichter zu mir beugte und flüsterte: „Nur über meine Leiche! Ist dir überhaupt bewusst, was für ein Verlustgeschäft das hier ist? Ein Abend damit und dich als Gast und ich kann das Kazaguruma schließen, Ruffy.“ „Ach, jetzt übertreibst du aber“, scherzte ich und verstummte, als ich ihr finsteres Gesicht sah. Beim Geld hörte die Freundschaft auf und Nami lebte diese Weisheit wie keine Zweite. Zum Glück beruhigte sie sich auch immer schnell, sodass wir das Essen nicht mit betretenem Schweigen verbringen mussten, sondern teilweise in Erinnerungen an die Schule schwelgten und teilweise über die aktuellen Dinge unseres Lebens sinnierten. Bevor Nami mich über den wahren Umfang ihres Jobs aufgeklärt hatte, hatte ich immer angenommen, dass sie wie Vivi auch die acht bis zehn Stunden mit Bedienen verbrachte und in ruhigen Momenten durchatmen konnte, doch dem war definitiv nicht so. Da sie Teilhaberin des Ganzen war, hatte sie zudem noch die Aufgabe den Dienstplan einzuteilen, sich um die Getränkebestellungen zu kümmern und Buchhaltung zu machen, wobei ich der festen Ansicht war, dass gerade Letzteres ihr am meisten Spaß machte. „Eigentlich dürfte ich dir das gar nicht sagen, aber Vivi ist die Einzige, die ich nicht dazu zwinge ihr Trinkgeld mit der Küche zu teilen“, flüsterte sie hinter vorgehaltener Hand und tunkte das Makiröllchen in die Soße. „Mehr als den Mindestlohn könnte ich ihr auch gar nicht bezahlen, aber ich weiß ja, wie dringend sie auf das Geld angewiesen ist.“ Ich schwieg und stierte auf den leeren Teller vor mich, der schon eine ganze Weile so da lag. Mein Magen meldete sich erneut und auch Nami blickte suchend um sich. „Warum kommt denn gar nichts mehr bei uns vorbei?“, fragte sie und erkannte, dass das ganze Band keinen einzigen Teller mehr trug. „Höh, das kann doch nicht sein. Ich hab immer noch Hunger!“ Wir hatten uns kaum auf die Suche nach dem Grund gemacht, als der Übeltäter plötzlich sogar namentlich erwähnt wurde. „Bonney, jetzt nimm verdammt noch mal den Kopf daraus!“, brüllte ein rothaariger Typ mit Fliegerbrille im Haar, dessen Lippen schwarz geschminkt waren, und probierte eine pinkhaarige Frau, deren Kopf halb auf dem Sushiband lag, davon wegzuziehen. „Lass mich los, Kid“, keifte sie, nachdem sie sich von dem Band hatte lösen können, und schob sich sogleich die nächste Ladung rein. Sie schien seine Vorliebe für seltsame Lippenbemalung zu teilen, denn sie hatte bloß die Mitte von Ober- und Unterlippe rot geschminkt, was in meinen Augen beides ziemlich seltsam aussah. Die hinzugekommene Kellnerin versuchte ebenfalls sie aus dem Ding zu zerren, während ihr rothaariger Begleiter diese lautstark wegen des vergessenen Sakes zusammenstauchte. Die Kellnerin wusste offensichtlich nicht mehr, wo ihr der Kopf stand, denn mal redete sie auf die pinkhaarige Frau ein und mal entschuldigte sie sich bei dem Typ, dessen einziger Beitrag zur Sache sein lautes Organ war. „Das ist ja wohl die Höhe!“ Nami kochte und ihr Gesicht lief rot an. Das verhieß nichts Gutes und zugleich fieberte ich dem Vulkanausbruch entgegen, als sie ruhig vom Tisch aufstand, auf die beiden zu stöckelte und sie zunächst freundlich begrüßte, ehe es aus ihr herausbrach: „Für wen zum Teufel haltet ihr beiden euch eigentlich? Du hör auf hier herumzuschreien und trichter deiner Freundin lieber mal etwas Benehmen ein! Und entschuldige dich gefälligst bei der Kellnerin für dein grobes Verhalten. Und du“, Nami packte die pinkhaarige Frau an ihren Hosenträgern, „Du nimmst gefälligst deinen Schädel und deine Haare aus dem Essen, da kriegt man ja Plaque bei dem Anblick! Nimm dir wie jeder anständige Mensch einen Teller und das war's! Verdammt, ich hab doch nicht dafür bezahlt, dass du hier die Küche leer fressen kannst, verstanden?!“ Der Rothaarige wollte irgendwas einwenden, sein saures Gesicht sprach Bände, ebenso wie das seiner Freundin, doch beide wichen zurück, als Nami sich erneut umdrehte, die Faust gehoben hatte und einen Ausdruck in den Augen hatte, der Luzifer persönlich das Blut in den Adern gefrieren lassen würde. Dann wandte sie sich an die Kellnerin, die der Szene mit tellergroßen Augen und ungläubigem Blinzeln beigewohnt hatte. „Lassen Sie sich so was bloß nicht bieten. Kunden haben sich auch entsprechend zu benehmen“, sagte Nami ruhig, schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln und kam zurück an den Tisch. „So, jetzt müsste hier wieder was vorbeikommen.“ „Miss, ich möchte Ihnen vielmals danken“, die Kellnerin war ihr gefolgt und verbeugte sich vor Nami, „Bitte, Ihr Essen und das Ihres Begleiters gehen auf mich!“ „Das ist aber nett von Ihnen, vielen Dank“, flötete Nami überglücklich, die Hände wie zum Gebet gefaltet, „Aber ich hab das doch gerne gemacht. Kann ja nicht angehen, dass Sie für dieses unmögliche Verhalten geradestehen müssen.“ Die Kellnerin nickte dankbar und nahm ihre Arbeit wieder auf, während Nami ihr kurz nachsah und sich schließlich an mich wandte: „Du gibst ihr ein fettes Trinkgeld, verstanden?“ Dagegen hatte ich keine Einwände und selbst wenn, ich hätte sie gegen Nami eh nicht durchsetzen können. Nachdem wir das Restaurant verlassen hatten, schmiegte Nami ihren Kopf an meine Brust, legte die Arme um mich und nuschelte: „Wollen wir zu mir gehen?“ Das musste sie mir nicht zweimal sagen, ich ignorierte die abfälligen und befremdlichen Blicke der Passanten, beugte mich zu ihr runter und küsste sie leidenschaftlich,bevor wir uns auf den Weg zu ihr machten. Den Rest des Nachmittags verbrachten wir mehr nackt als angezogen, was nicht zuletzt Namis stürmischen Angriff auf meine Person zu verdanken war. Kaum dass die Tür ihrer Wohnung ins Schloss gefallen war, hatte sie mich angesprungen und sogleich voll in Beschlag genommen. Und wieder hatte mein Blut pulsiert, mein Kopf das Denken aufgegeben und meinen Instinkten vollen Lauf gelassen. Wie hätte ich Nami auch widerstehen können? Sie war schon so lange fester Bestandteil meiner Sehnsüchte und Wünsche, das Erste, an das ich morgens dachte und das Letzte, das mich vor dem Schlafen einholte. Ich weiß nicht, ob man dabei schon von Liebe sprechen konnte, aber ich wollte sie schon jetzt nie wieder loslassen, bekam nur bei dem Gedanken an sie Schmetterlinge im Bauch – die ich lange Zeit für ein fieses Gerücht gehalten hatte! - und wollte am liebsten Tag und Nacht mit ihr verbringen. Besser konnte ich es nicht beschreiben, es gab schlicht keine Worte, die dieses Gefühl erfassen konnten, das mich beherrschte, wenn Nami in meiner Nähe war oder mich gar küsste. Keine Droge der Welt vermochte so viel Oxytocin in meinem Körper auszuschütten, wie sie. Ich war süchtig nach dem Rausch, den sie mir verschaffte, wollte, dass er niemals zu ende ging... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)