Snowflakes von abgemeldet (Adventskalender 2012) ================================================================================ Kapitel 2: Kein Superheld ------------------------- Leise pfeifend kam er um die Ecke und trat einen kleinen Kieselstein vor sich her, als wäre er ein Ball. Matt kam gerade von einem Abend bei Arthur. Merkwürdig genug, dass ein Schüler mit dem Bibliothekar der Schule seine Freizeit verbrachte, was auch nicht besser wurde, wenn man der Sohn des Direktors war. Aber das waren beides Fakten, die den jungen Rotschopf nicht kümmerten. Die meiste Zeit über war es ihm egal, was andere über ihn dachten oder wie andere ihn sahen, er hatte seine Freunde – Leute die zu ihm hielten, was brauchte er mehr? So schritt er langsam durch die dunklen Straßen, als er zwei Schemen sah. Zuerst wollte er weitergehen, doch je näher er an das vermeintliche Paar herankam, desto mehr wurde ihm klar, wen er da vor sich hatte – zumindest kannte er eine von beiden. It's hard to fight these feelings, when it feels so hard to breathe I'm caught up in this moment, caught up in your smile Zwar nicht besonders gut und er wusste nicht einmal viel über sie. Vielleicht gerade eine Handvoll Fakten, kaum mehr, aber das änderte an dem, was er sah. Es wirkte kaum so, als würde ihr gefallen, wie der Andere sie anfasste, wie seine Blicke sie gierig auffraßen, als wäre er ein Raubtier und sie das arme Opferlamm. Etwas stieg in Matt auf, dass er nicht kannte, es raubte ihm den Atem, besonders als er das traurige, fast entsetzte Lächeln sah, welches aus den meisten Gesichtern eine Fratze gemacht hätte, nicht jedoch aus ihrem. Ihres sah aus wie ein Gemälde, wie eine düstere, von Leid geplagte Mona Lisa. I've never opened up to anyone So hard to hold back when I'm holding you in my arms We don't need to rush this, let's just take it slow Sollte eine solche Szene nicht eigentlich lauter sein? Die Nacht jedoch schien so still wie selten. Niemand sagte etwas, auch Autos waren nicht zu hören. Es schien fast, als würde die Welt den Atem anhalten und sehen, was geschehen würde, wie die Szene weiterging. Matthews blasse Miene wurde ausdruckslos und leer, während seine Hand sich um einen herumliegenden Stein schloss. „Hey!“, rief er und durchbrach die fast vollkommene Stille. Doch es war nicht wie in den Filmen, wo dann meist wieder die Geräusche einsetzten – nein, stattdessen schien es als würde er ignoriert! Die Helden seines Lebens – egal ob Ash Ketchum, Yami oder Batman – hätten sicher eine mehr oder weniger perfekte Lösung erdacht, sein Hirn jedoch schien den Dienst quittiert zu haben. Stattdessen holte er aus und warf den Stein auf den Typen. Just a shot in the dark that you just might Be the one I've been waiting for my whole life Es war egal, ob er traf oder nicht. Hauptsache er traf nicht Ivy. Genau so hieß sie. Sie war die Freundin von Q und sie hatten sogar schon miteinander geredet. Die Gespräche und vor allem ihr freies, fröhliches Lachen erklangen in seinen Erinnerungen, als er mit der Hand nach ihr griff und sie zu sich zog – weg von dem Monster. Er sah sich nicht noch einmal um. Es ging nicht darum, ob das Monster erlegt und geschlagen war – das hier war kein Anime, in dem der Held jedes epische Battle gewann; kein Cartoon, in denen der Böse mehr einstecken konnte als der personifizierte Teufel. Es war die Realität und die sollte man nicht unterschätzen. Also rannte er, mit ihr im Schlepptau. Es war nicht heldenhaft, das war ihm bewusst. Doch während sie in die nächste Gasse einbogen, zog er sie trotzdem an sich und spürte, wie seine Miene wieder weich wurde, sein Herz wieder auftaute, denn er wusste: Sie war in Sicherheit. I know that if we give this a little time It'll only bring us closer to the love we wanna find It's never felt so real, no, it's never felt so right Erst nach einer weiteren Abbiegung ließ er zu, dass sie langsamer wurden und schließlich stehen blieben. Seine Augen suchten die ihren, aber Worte kamen keine. Nichts konnte ausdrücken, was er gerade gesehen hatte, wie sein Herz erstarrt war und er gewusst hatte, dass er ihre einzige Rettung sein könnte. Er hatte nicht nachgedacht, hatte es nicht gekonnt, aber tief in seinem Inneren hatte er die Wahl gehabt. Matt wusste, dass er sie auch sich selbst hätte überlassen können, aber er hätte es nicht ertragen, wenn sie ihr Lächeln und das freche Glitzern in ihren Augen verloren hätte. Just a kiss on your lips in the moonlight Just a touch of the fire burning so bright No, I don't want to mess this thing up I don't want to push too far Wenn dies ein Märchen wäre, ein Cartoon oder eine Verfilmung, da war Matt sich sicher, dann wäre jetzt der Zeitpunkt an dem er sie zu sich ziehen und sie ihn küssen würde oder er sie, aber auf jeden Fall sie beide einander. Die fiktionalen Personen Matthew und Ivy würden sich davon nicht schockieren und beeinflussen lassen, was eben geschehen war, sondern sich dem Moment hingeben – dem Gefühl, dass sich auf dem Grund seines Magens meldete. Schnell unterbrach er den Augenkontakt und räusperte sich. Erneut ermahnte Matt sich, dass das hier die Realität war. Noch nie war er mit einem Mädchen zusammen gewesen, nicht einmal richtig geknutscht hatte er, da würde er das hier nun nicht so nutzen wie Spiderman. Außerdem sah er ihr an – er spürte es an ihrem zitternden Körper – wie sehr der Vorfall sie mitnahm. Nein, er war einer der Guten. No, I don't want to say goodnight I know it's time to leave But you'll be in my dreams Tonight, tonight, tonight Stumm zog er seine Jacke aus und hängte sie um die schlanken Schultern des Mädchens. Klar, er war nicht dumm. Matt wusste, dass ihr Zittern nicht von der äußeren Temperaturen kam, aber es ging um die Geste, darum dass er es gemerkt hatte und helfen wollte – auch wenn er nicht wusste, wie er es anstellen sollte. Als ihm bewusst wurde, dass er wirklich keine Ahnung hatte, errötete er leicht und senkte erneut den Blick. „Ich bring‘ dich nach Hause…“, murmelte er leise. Er bezweifelte, dass ihr groß nach Reden zu Mute war, ihm jedenfalls fiel kein beiläufiges Small Talk-Thema für den kurzen Weg ein. Es wäre ihm falsch vorgekommen zu fragen, ob sie die Hausaufgaben gemacht hatte und lächerlich zu fragen, wie es ihr ging, wo er es doch sah. An dem Zaun vor ihrem Haus blieb er stehen und steckte seine Hände in die Hosentaschen. Oh, let's do this right with just a kiss goodnight With a kiss goodnight, kiss goodnight “Hör zu, das eben-”… leise und schüchtern schien ihre Stimme und gab ihr etwas so zerbrechliches, als wäre sie aus Porzellan. Er verstand nicht wieso, aber diese offensichtliche Schwäche die sie umgab, ließ sein Herz fast brechen, dass er sich schüchtern vorbeugte und mit seinen rauen Lippen kurz ihre Wange streifte. „Keine Bange, das bleibt unter uns, wenn du es willst.“ In derselben Sekunde, in der er sie berührte, schwor er sich: Sollte so etwas sich wiederholen, würde er den Kerl nicht nur mit einem Stein bewerfen, sondern sehen, was seine Boxkünste außerhalb des Ringes anrichten konnten, wo niemand sagte, wann es genug war. Es würde auf sie achten, das versprach er sich, als er den Kuss beendete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)