Hell called Home von Raschka ================================================================================ Kapitel 1: Spuren des Lebens ---------------------------- Aryns weiche Lippen rissen mich aus dem Schlaf - ein sanftes Erwachen. Ich spürte wie sie lächelte, als sie murmelte: "Aufwachen...du Morgenmuffel." Ich schlug die Augen auf und blickte von unten zu ihr herauf. Meine beste Freundin war gekleidet wie immer: Tanktop im Army-Style, schwarze Hose, Springerstiefel. Ihr typisch schiefes Lächeln und ihren schwarzen Zylinder mit dem roten Band hatte sie ebenfalls aufgesetzt, ihre blauen Haare wirr wie jeden Tag seit ich sie kannte. Sie hatte sich bereits umgedreht und sammelte meine Bücher und Hefte ein, ein schwieriges Unterfangen angesichts des Chaos und der Schulbriefe. Meine Antwort war ein Schulterzucken. Aryn drehte sich zu mir um, warf mir den Rucksack zu und holte sich eine Zigarette aus dem Sakko, das sie trug. "Weißt du, an der Schule giltst du als Legende...verdammt hast du ein Feuerzeug?...seit Wochen fehlst du, allerdings weder Attestpflicht, noch Schulverweis..." Sie deutete auf den Papierstapel auf meinem Schreibtisch. Ich ignorierte ihn weiterhin und richtete mich langsam auf, gleichgültig packte ich mir einen Eiskaffee aus meinen Mini-Kühlschrank. Fliegen...das wäre noch eine Art Freiheit... "Sie sollten dir eher schreiben, wenn du da bist...Ach, ich hatte vergessen, was für ein großer Morgenmuffel du bist. Andere brauchen Crystal Meth, du Koffein", seufzte sie und gab den Versuch auf, ihre Zigarette anzuzünden. Achtlos warf sie sie in den Papierkorb und schnappte mir den Kaffee weg. Ich protestierte nicht , sondern stand langsam auf, während ich meine Sachen zusammensuchte. Schwarzes Oberteil mit Karomuster, Jeans mit Nietengürtel, Boots, Ledermantel, Halsband. Die Rasierklinge daran funkelte im Sonnenlicht. Rote Tränen, silberne Tränen... Ferne Erinnerung. Meine beste Freundin stieg bereits aus dem Fenster auf unser Garagendach, von dort sprang sie und rollte sich beim Aufprall auf dem Rasen ab. Ich folgte langsamer und kletterte das Rosengitter hinunter, meine turnerischen Talente waren miserabel. Aryn hatte auf mich gewartet und den Kaffeebecher bereits entsorgt. Sie hakte sich bei mir unter, so als ob sie mich von einer Flucht abhalten wollte. Eine erfolglose Flucht vor der Realität. Die Busfahrt über schwieg Aryn und bot mir einen ihrer Kopfhörer an. Subway to Sally und Bullet for my Valentine wechselten sich ab, als Aryn durch ihre Playlist wanderte und auch abwechselnd Skillet, Lord of the Lost und noch andere Metal-Bands einfließen ließ. Wie jeden Tag sah ich aus dem Fenster und betrachtete das Geschehen um mich herum. Leben, an dem ich nie teilnehmen könnte... Es war ein kalter, regnerischer Tag, grau in grau, gewöhnlich und hässlich. Meine Freundin rümpfte die Nase angesichts des Wetters, als wir ausstiegen, und beeilte sich, in das Schulgebäude zu kommen, wobei sie mich noch immer hinterherschleifte. Dabei redete sie die ganze Zeit auf mich ein. "Viel passiert seit du nicht mehr kommst. Neue Unterstufenschüler - darf ich mal - mhmm...Elly ist verwiesen worden und...Alexander geh mir aus dem Weg, ach übrigens, das ist unser neuer Schüler, Alexander - Jinx - Jinx - Alexander", plapperte sie, während sie sich zielstrebig durch die Gänge schlängelte und einem Kursmitglied das Feuerzeug aus der Hand nahm, um sich endlich eine Zigarette anzünden zu können. Danach behielt sie es und ließ es in ihrer Tasche verschwinden. Alexander, der uns verschmitzt anlächelte, trat beiseite und schließlich erreichten wir den Kursraum, wo Aryn ihre Tasche auf ihren Platz warf und sich auf die Fensterbank setzte. Ich folgte ihrem Beispiel. Während sie aus dem Fenster starrte und ihre Zigarette rauchte, betrachtete ich ohne besonderes Interesse Alexander, der noch immer auf dem Flur stand und sich mit einer Schülerin aus einem anderen Kurs unterhielt. Zugegeben, er sah gut aus, verdammt gut. Die dunkelbraunen Haare, blaue Augen, schwarzes Oberteil, dunkelblaue Jeans und Sneakers. Als er den Arm hob, um die Schülerin zum Abschied zu umarmen, sah ich Silberringe an seiner Hand aufblitzen und mehrere Lederarmbänder. Er drehte sich um und bemerkte mich, wie ich mit meiner besten Freundin auf der Fensterbank saß. Er lächelte schief und ging zu seinem Platz. Ich wandte mich wieder ab und begegnete Aryns amüsiert funkelnden Blick aus ihren grünen Augen. Sie schnippte die Zigarette durch den Fensterspalt und spottete: "Verliebt? Ist ja mal ganz was neues an dir." Ich zuckte mit den Schultern. Es ist alles aus Eis... Mein Herz schlägt schon lange nicht mehr. "Er ist keine Frau." Sie lachte und schwang sich von der Fensterbank, dann drehte sie sich wieder zu mir um. Ihr Tonfall war neckend. "Oh gut, dass du das bemerkst...Und Lyn?" Erneut zuckte ich mit den Schultern. Vielleicht war es nicht richtig, doch eigentlich war ich nur mit Lyn zusammen, weil sie es so wollte. Gefühle hatte ich nicht für sie. Wenn ich ehrlich war, klammerte sie mir zu viel, so wie alle meine Ex-Freundinnen außer Aryn. Aber Aryn war Aryn. Lyn hingegen...ich war froh, dass sie nicht auch noch auf meine Schule ging, obwohl ich ohnehin kaum erschien. Ich hatte nicht die Möglichkeit, etwas zu erwidern, denn in dem Moment betrat unser Lehrer das Klassenzimmer, gefolgt von einer Schar Schüler, die eilig Platz nahmen. Ich erhob mich langsam, genau meine Freundin neben mir. Ein Raunen ging durch den Raum, als wir uns ebenfalls setzten. Fast hätte ich gelächelt, aber eben nur fast. Wir hatten wohl Kultstatus an unserer Schule. Etwas widerwillig bemerkte ich, dass Alexander neben mir saß, allerdings fing Aryn am anderen Ende des Raumes an, mich per Zeichensprache vom Unterricht abzulenken. Ich konnte dem Unterricht nicht wirklich folgen - ich versuchte es auch gar nicht erst. Auch die Lehrer hatten es aufgegeben, Erwartungen an mich zu stellen und mich in das Thema zu involvieren. Ich erschien, sie ließen mich in Ruhe und knapp die Versetzung schaffen, obwohl mich das kaum interessierte. Aryn hingegen hatte ganz andere Wege, die absolute Ablenkung auszugleichen: Kaum jemand wusste es, aber Aryn schrieb in jeder Klausur ausschließlich sehr gut (plus). Die Lehrer verzweifelten regelrecht, dass sie jedoch keinerlei Bestrebungen zeigte, freiwillig am Unterricht teilzunehmen und dadurch ihren Notendurchschnitt drastisch zu verbessern. Sie setzte viel lieber auf Autorin. Ich hoffe, du benutzt sie nur als Kette, bedeutete sie mir lautlos. Es bleiben Narben...für die Ewigkeit... Hosted by Animexx e.V. 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