Mein Held von --kiba-- ================================================================================ Kapitel 16: 16. Kapitel ----------------------- Schon seit über zehn Minuten tigere ich vor Leons Haus auf und ab. Sein Auto steht vor der Garage, also muss er da sein. Seit ich Tobi gestern versprochen habe, mit Leon persönlich zu reden bin ich nervös. Während meiner Schicht habe ich ständig die Bestellungen verwechselt, geschlafen habe ich auch kaum und vom Essen will ich gar nicht erst anfangen. Ich habe gerade mal vier Tassen Kaffee heute herunter bekommen. Kurz hatte ich überlegt mir etwas Mut anzutrinken aber Leon glaubt sowieso schon, dass ich ein Alkoholproblem habe, der hätte sich nur wieder Sorgen gemacht. Seufzend bleibe ich zum gefühlt hundertsten Mal vor seiner Haustüre stehen und rede mir ein, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt zum klingeln wäre. Nur um gleich wieder ein paar Schritte weiter zu gehen. Verdammt, ich muss das hinter mich bringen! Es ist zum verrückt werden. Es kann doch nicht so schwer sein, einem Mann zu sagen, dass man ihn nicht mehr sehen will. Ich will mein altes Leben zurück und dazu gehört er nun mal nicht. So hart es klingt, Leon ist ein Störfaktor. Wieder versuche ich es und stelle mich vor die Haustüre. Diesmal schaffe ich es sogar, meinen Arm zu heben und den Finger auf die Klingel zu legen. Und auf einmal höre ich das Bimmeln. Scheiße, ich habe es wirklich getan. Ich habe geklingelt! Dabei bin ich noch nicht soweit. Ich weiß nicht, was ich ihm sagen soll. Panisch überlege ich, ob es eine Fluchtmöglichkeit gibt. Ich sehe mich hektisch um und spiele tatsächlich mit dem Gedanken in die Büsche zu springen. Bevor ich eine andere Möglichkeit finde öffnet sich die Türe. Leon sieht mich teils überrascht, teils fragend an. Aber glücklich scheint er nicht zu sein. Er wirkt irgendwie betreten. Ob er etwas ahnt? „Joshua, komm doch rein..“ bittet er wie immer freundlich und tritt einen Schritt zurück um mir Platz zu machen. Ich nicke dankbar und betrete das Haus. Die Diele lasse ich schnell hinter mir und stehe kurz darauf mitten im Wohnzimmer. Ist das ein geeigneter Ort für so ein Gespräch? Oder macht sich die Küche dafür besser? Gibt es überhaupt eine Ortsempfehlung für einen derartigen Anlass? Vielleicht sollte ich mal einen Brief an Dr. Sommer schreiben und die Bravo um einen Tipp bitten. Wäre mal was neues. Und nützliches. Eine Hand, die sich an meinen Oberarm legt, holt mich zurück ins Hier und Jetzt und ich erschrecke leicht. „Was?“ frage ich unsicher und sehe Leon an, der sich vor mich gestellt hat. „Ob du etwas trinken möchtest habe ich gefragt.“ wiederholt er die Frage und erhält ein Kopfschütteln. „Nein, danke.“ antworte ich leise. Ein Getränk wäre total falsch. Dann müsste ich ja aus reiner Höflichkeit so lange bleiben, bis ich ausgetrunken habe und wer weiß, wie lange Leon mich noch im Haus haben will wenn er hört was ich zu sagen habe. Zuhause werde ich noch genug trinken. Hochprozentiges. Um das alles zu vergessen. „Komm, wir setzen uns.“ bittet er und zieht mich mit sich in Richtung Couch doch ich bleibe stehen und schiebe seine Hand von meinem Arm. „Nein, ich stehe lieber. Ich werde auch nicht lange bleiben.“ den letzten Satz habe ich nur mit geschlossenen Augen über meine Lippen gebracht. Wie soll das denn werden, wenn ich jetzt schon dermaßen fertig bin. Jemand muss mir in den Magen getreten haben, so wie der sich anfühlt. Leon verschränkt die Arme vor der Brust und ich fühle regelrecht, wie mich sein Blick durchbohrt. „Leon, ich will mich bei dir entschuldigen. Weil in den letzten Wochen einiges schief gelaufen ist und vieles davon bin ich Schuld.“ Ich bin so feige. Ich kann ihm nicht einmal in die Augen sehen. Ich starre auf den Boden und versuche unauffällig die schwitzigen Hände an meiner Jeans abzuwischen. Der Anfang ist ja nicht schlecht. Ich glaube zwar, dass mein Herz gleich aus der Brust springt und ich mich übergeben muss aber sonst läuft es super. „Und damit ich mich nicht länger wie ein Vollidiot benehme, ist es besser, wenn wir uns nicht mehr sehen.“ sage ich und ziehe die Luft scharf ein. Diese Worte tun so verdammt weh. Weil sie nicht das sind, was ich will. Aber das, was gut für mich ist. Abstand und Normalität. Eine Weile bleibt es still zwischen uns. Ich traue mich nicht Leon anzusehen. Ich weiß nicht, wie er mich ansieht, aber glücklich wird es nicht sein. Er räuspert sich. „Dann beendest du das zwischen uns also.“ Das ist keine Frage, eher als Fakt. Und ich kann nichts anderes tun als zu nicken. Weil mein Herz so scheiße weh tut. Wieder kommt diese beklemmende Stille im Raum auf. Niemand sagt etwas. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Und ich habe eine Mordswut auf mich. Weil ich solche Dinge immer verkacke. Weil es nicht in meiner Natur liegt mit einem anderen Menschen glücklich werden zu können. Weil ich für so was nicht gemacht bin. „Okay..das muss ich akzeptieren.“ sagt Leon und selbst ein Trottel wie ich kann hören, dass er verletzt ist. Dafür muss ich ihn nicht ansehen. Er ist enttäuscht von mir. Tja, das bin ich auch. „Es tut mir Leid.“ presse ich zwischen meinen Lippen noch heraus. Mehr kann ich nicht sagen denn ich spüre, wie sich Tränen in meinen Augen sammeln die auf keinen Fall raus dürfen. Ich habe nicht das Recht zu flennen. Ich bin es, der die Schuld an allem trägt und Leon weh tut. Mir allein ist diese Situation zu verdanken. Er atmet laut und tief durch. „Du solltest jetzt besser gehen.“ Gott, ich kann heraushören, wie schwer ihm das hier fällt. Ich wünschte, es wäre anders. Nickend drehe ich mich um und will das Haus verlassen, da hält er mich zurück. „Warte eben.“ bittet er mich und lässt mich für einen Moment stehen. Dann sehe ich den Grund dafür und hasse mich gleich ein wenig mehr. „Nimm dein Rad mit, dann musst du deswegen nicht nochmal herkommen.“ er lächelt gequält. Völlig überfordert hebe ich die Hände und winke ab. „Das kann ich nicht annehmen. Ich..“ sage ich mit brüchiger Stimme. Was für ein Arschloch müsste ich sein, ein teures Geschenk von dem Mann anzunehmen, mit dem ich gerade Schluss mache? „Doch, bitte. Ich möchte, dass du es nimmst. Es ist dein Rad.“ Zögernd greife ich nach dem Lenker. Es fühlt sich so falsch an. Leon lächelt. Aber das ist nur aufgesetzt. Es erreicht seine schönen Augen nicht. Keine Fältchen bilden sich und rahmen diese wunderschönen dunklen Augen ein. Traurig senke ich den Blick wieder. „Danke.“ hauche ich und gehe los. Jeder Schritt ist so unendlich lang und schwer. Ich bewege mich wie in Zeitlupe. Damit ich von dem Gefühl schön lange etwas habe, das sich zentnerschwer auf meine Schultern legt. Ich bin ein Arschloch. Ein feiges, ignorantes Arschloch. Ich habe uns nicht einmal eine Chance gegeben. Nur, weil wir einen turbulenten Start zusammen hatten. Weil wir von einem Chaos ins nächste gestürzt sind und wir nie die Möglichkeit hatten, einen gemeinsamen Alltag aufzubauen. Ohne Hindernisse und Missverständnisse. Weil ein Autounfall einfach keine Grundlage für eine Beziehung ist. Und obwohl ich es Leon verdammt schwer gemacht habe, hat er sich nicht zurückgezogen. Er hat sich immer bemüht auf meine Wünsche einzugehen und versucht mir das Leben zu vereinfachen. Er hat mir nicht nur das Fahrrad repariert, er hat sich Zeit genommen und war einkaufen. Hat sich Gedanken gemacht, was mir schmecken könnte und sich nach einem langen Arbeitstag in meine Küche gestellt und gekocht. Hat mich zum Arzt gefahren und mich im Krankenhaus besucht. Er hat mir gezeigt, dass ich nicht nur aus Stein bin. Dass ich Gefühle habe. Gefühle, die ich jetzt nicht zeigen darf. Ohne ein weiteres Wort schiebe ich mein Bike aus dem Wohnzimmer und versuche vergeblich ein zweites Mal das Haus zu verlassen. Wieder ist es Leon, der mich bittet zu warten. Ich halte das nicht aus. Ich will endlich hier weg und atmen können. Mit zusammengepressten Lippen wende ich mich ihm zu und schaue auf Leons Hand die er mir entgegenhält. „Die ist eben erst geliefert worden. Nimm sie mit. Ich habe es nicht mehr geschafft sie dran zu machen.“ Ich starre auf die kleine rote Klingel in seiner Hand. Das Superman-Logo. Das ist zu viel. Mein Widerstand bricht. Und plötzlich kann ich nicht mehr. So viel gutes habe ich nicht verdient. Die Tränen schießen wie auf Kommando in meine Augen und bahnen sich heiß den Weg über meine Wangen. Meine Schultern beben. Ich schluchze laut. Und endlich wage ich den Blick in Leons Augen. Es bringt eh nichts mehr zu leugnen, dass mich das hier kalt ließe. Verzweifelt erwidere ich seinen Blick. „Ich kann das nicht..“ flüstere ich heiser. Ich kann diesen Mann nicht gehen lassen. Er ist das Beste, was mir je passiert ist. Ich werde mir das nie verzeihen, wenn ich jetzt gehe und uns aus meinem Leben streiche. Uns. Er und ich, das bedeutet doch etwas. Und wer weiß was wir zusammen noch sein können. Ich muss ihm das sagen. Dass ich jetzt nicht gehen kann. Dass es mir das Herz bricht, wenn ich diese Chance nicht nutze. Die wohl letzte Chance die wir haben. Er versteht das allerdings falsch und drückt mir die Klingel in die Hand. „Es sind nur zwei Schrauben..“ sagt er mit feuchten Augen und ist mindestens genauso verwirrt wie ich. Und er macht sich Sorgen um mich, das kann ich in seinem Gesicht lesen. Wie ich vor ihm stehe und heule. Wie mein Körper vor Verzweiflung zittert. Meine schnelle Atmung. Alles Dinge um die er sich sorgt. Ich lasse die Klingel einfach zu Boden fallen die sich mit einem hellen Pling bedankt. Es interessiert mich nicht. Ich habe wichtigere Dinge im Kopf, die nicht mehr warten können. Die endlich gehört werden müssen. „Ich bin ein Idiot..“ sage ich leise, hypnotisiert von Leons Augen die traurig auf mir ruhen. „..ich komm her und sage dir, dass ich dich nicht mehr sehen will..dabei merk ich nicht mal, dass ich gerade dabei bin, das Beste wegzuschmeißen was mir je passieren wird.“ ich schüttle den Kopf über mich selbst. Ich war so blind. „..seit du mich von der Straße gekratzt hast kann ich nur noch an dich denken. Egal, was ich mache, überall bist du. Und jetzt stehe ich hier und heule weil ich dich einfach nicht verlieren will.“ ich breche ab um nach Luft zu schnappen. Überrascht über meine eigenen Worte weiten sich meine Augen. Habe ich das wirklich gerade laut gesagt? Ich drehe den Kopf weg, bin schockiert und gleichzeitig erleichtert. Jedenfalls kann ich mir nicht mehr vorwerfen nicht über meine Gefühle gesprochen zu haben. Vorsichtig wage ich wieder einen Blick in Leons Augen. Und da sind sie. Die kleinen Falten, die beweisen, dass das Lächeln echt ist. Voller Wärme sieht er mich an, greift nach meiner Hand und zieht mich zu sich. Ich komme mir nervös und ängstlich vor. Vielleicht, weil ich mich geöffnet und verletzbar gemacht habe. Aber das ist mir egal. Das Risiko bin ich bereit einzugehen wenn ich dadurch noch ein wenig mehr Zeit mit diesem Mann verbringen kann. Mit dem Mann, der mich in Wärme und Vertrautheit einhüllt und mich ansieht, als wenn ich etwas Kostbares wäre. Ein Schatz. Seine Lippen treffen auf meine und ich schwöre, ich kann mein Herz explodieren fühlen. Wie ein Blitz zuckt diese Berührung durch meinen Körper, verdrängt alle Zweifel und Gedanken. Nichts ist mehr da, das mich warnt oder beschützen will. Ich bin ihm verfallen. Mit Haut und Haaren. Mit Körper und Geist. Da ist nur noch Leon, der mich eng an sich gedrückt hält und mir das Gefühl gibt, mich nie mehr los zu lassen. Und ich will das. Will von ihm gehalten und geküsst werden. Von mir aus auf Ewig. Um uns herum herrscht Stille. Nur unser beider Atem ist zu hören. Wir liegen nackt auf seinem Bett, eng aneinander geschmiegt und genießen die Anwesenheit des jeweils Anderen. Meine Hand ruht auf seiner Brust, ein Bein liegt müde über seinem. Seine Hand streichelt zärtlich über meinen Rücken und sendet wohlige Schauer durch meinen Körper. Den Abend habe ich mir ganz anders vorgestellt. Nicht mal ansatzweise so schön und, trotz meines Gefühlsausbruchs, weitaus weniger peinlich. Als wir endlich unseren Gefühlen freien Lauf gelassen haben, landeten wir relativ schnell im Bett. Kaum hatten wir uns die Kleidung vom Leib gerissen fielen wir übereinander her und verschlangen uns regelrecht. Wir konnten es keine Sekunde mehr ohne einander aushalten und wälzten uns durch die Laken. Leidenschaft, Sehnsucht, Hoffnung, alles haben wir geteilt. Kurz bevor wir endlich wieder vereint waren sah er mir in die Augen und gestand mir seine Liebe. Und ich kann mich nicht mehr daran erinnern jemals so glücklich gewesen zu sein. Dieses heiße Gefühl in mir je so intensiv gespürt zu haben. Liebe. Es war so wundervoll, so mitreißend, so überwältigend ..bis er in mich eindrang und ich plötzlich und viel zu früh kam. So etwas peinliches ist mir in meiner gesamten Schwulenlaufbahn noch nie passiert. Ausgerechnet bei Leon nach einem solch harten Tag muss ich natürlich zu früh kommen. Ich wollte sterben. Aber Leon war wie immer ein Gentleman. Er hat sich nichts anmerken lassen. Selbst, als ich ihn bat einfach weiterzumachen, verneinte er und meinte, dass wir noch oft genug dazu kämen. „Wir haben alle Zeit der Welt..“ sagte er lächelnd und küsste mich. Und er hat mich überzeugen können. Ich habe ihm geglaubt. Eine ganze Weile haben wir nur dagelegen, uns geküsst und gestreichelt. Haben die Vertrautheit genossen, mit der wir uns berührten. Und jetzt liegen wir hier. Arm in Arm. Es ist so schön. Unbeschreiblich. Ich ziehe kleine Kreise mit dem Finger über Leons Brust der das zufrieden brummend kommentiert. Träge hebe ich den Kopf und küsse ihn. Ich kann nicht lange ohne seine Lippen, dafür bin ich schon zu süchtig. Seine Hand streicht tiefer und legt sich auf meinen Po über den seine Finger hauchzart tanzen. Ich grinse leicht in den Kuss als meine Hand nach unten streichelt und kein Geheimnis aus ihrem Ziel macht. Aber Leon ist schneller und stoppt mich. „Ich muss morgen früh raus, lass uns das auf ein andermal verschieben.“ bittet er und grinst dann ebenfalls. „..außerdem siehst du ziemlich müde aus..mein kleiner Schnellspritzer.“ sagt er keck und zwickt mir in den Po. Zuckend winde ich mich aus seiner Umarmung und muss das Gesagte erst einmal verdauen. Er nimmt es mir also doch übel. Kein Wunder, ich wäre auch enttäuscht. Mit zusammengezogenen Brauen bleibe ich neben ihm liegen und überlege fieberhaft, wie mir das passieren konnte. Ich bin doch kein pubertärer Schuljunge mehr, der seinen Penis nicht unter Kontrolle hat. Ich spüre einen Stupser an meiner Seite der mich zwingt den Kopf zu drehen. Leon hat sich etwas aufgerichtet und sieht mich ernst an. „Hör auf so zu gucken Joshua..ich weiß, dass du dich gerade wieder wegen irgendetwas fertig machst also lass das.“ sagt er streng und legt seine Hand auf meinen Bauch. „Hör zu..Ich sehe es als ein Kompliment an, dass es für dich anscheinend genauso schön ist wie für mich. Das ist doch was gutes..“ erklärt er sich und bringt mich dazu zu nicken. Genau so ist es. Die Gefühle, über die andere so locker reden können und mir so schwer fallen, die zeige ich halt. Und in diesem Moment war das wohl wie eine Art Erwiderung auf seine Worte. Worte, die mir eine angenehme Gänsehaut bescheren wenn ich an sie denke. Ohne mir weiter Vorwürfe zu machen lasse ich mich an Leons Seite ziehen und schließe die Augen. Ich sollte weniger nachdenken. Das bringt nur Chaos in unser Leben und das hat uns die gemeinsame Zeit schon genug begleitet. Doch bevor ich uns schlafen lasse, fällt mir noch etwas ein. Das hat mich schon seit gestern akut gestört und ich habe Angst, dass ich es bis morgen vergessen habe. Wieder hebe ich den Kopf, aber ausnahmsweise nicht um Leon zu küssen. Ich will ihn etwas fragen, was ich schon längst hätte tun sollen. „Kann ich deine Nummer haben?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)