Mein Held von --kiba-- ================================================================================ Kapitel 14: 14. Kapitel ----------------------- Es müssen bestimmt schon zwanzig Minuten vergangen sein, seit Tobi den Aufenthaltsraum verlassen hat. In diesen zwanzig Minuten habe ich mich kein Stück vom Boden gerührt. Es ist, als wenn ich festgewachsen bin. Als ob ich festgefroren wäre, so kalt wie mir ist. Wie ein Häufchen Elend hocke ich an der Wand, die Beine eng an mich gezogen und den Kopf auf meine Hände gestützt. Er ist so schwer. Alles ist schwer. Mein Kopf, mein Körper, meine Augenlider. Ich will sie nicht öffnen, will mich nicht der kalten und brutalen Realität stellen die ich sehen werde. Ein leerer Raum. Kein bester Freund, kein Leon..was auch immer wir sind oder waren. Verdammt, warum fühlt es sich nur so an, als ob ich alles zerstört hätte. War es Tobis Blick? Verwirrt und unsicher. So überhaupt nicht er. Oder war es die Ohrfeige, die meine Wange immer noch heiß brennen lässt? Er hat mich noch nie geschlagen. Er hasst Gewalt. Wozu habe ich ihn getrieben mit meiner Anschuldigung? Aber ist es das denn? Ist es nicht vielmehr eine Tatsache? Für mich klang die Nachricht auf dem Anrufbeantworter zweifellos nach dem Versuch etwas zu vertuschen. Und was sollte Tobi sonst zu vertuschen haben? Er hatte mir klar gemacht, dass er scharf auf Leon ist und hat es nicht einmal versteckt, als diese nette kleine SMS kam. Da waren ihm meine Gefühle auch egal. Ging ja nur um mich und um mein kleines beschissenes Herz, das niemanden hineinlässt. Ich bin ja nur was fürs Bett. Super, dann kann Leon mich ja jetzt auch abhaken und sich anderen Männern widmen denen er seine Fürsorge hinrotzt. Ich werde nicht mehr in den Genuss kommen. Und kommen..ja, das ist auch so etwas, das ich mit ihm abhaken kann. Gott, dieser Sex. Dieser verdammt gute Sex, der keine vierundzwanzig Stunden her ist und für meinen Geschmack viel zu schnell zu ende war. Das war ein ganz neues Level. Intensiv, pur, rein. Nicht zu vergleichen mit den Nummern, die ich sonst schiebe. Und diese Augen. Leons Augen sind faszinierend wenn er erregt ist. Ich wusste nicht, dass Augen so schwarz werden und gleichzeitig glühen können. Verzweifelt trommle ich mit beiden Fäusten gegen meinen Kopf. Diese scheiß Bilder sollen da endlich raus. Ich will nicht daran denken, wie unglaublich einzigartig es mit Leon war. Damit mache ich es mir nur noch schwerer um mit all dem Mist abzuschließen. Wenn ich doch nur genau wüsste, was zwischen Tobi und Leon passiert ist. Die beiden haben mich so verständnislos angesehen, das passt einfach nicht. Ich könnte schreien! Aber gerade, als ich den Mund aufmache und meiner Wut freien Lauf lassen will wird die Tür geöffnet. Ich hebe müde den Kopf und erkenne Bill, meinen Chef. Der sieht erst mich an, dann zu dem zerschlagenen Glas inklusive Wodka-Pfütze. Eine Braue hebt sich, bevor er wieder mich fixiert. "Kai sagte mir, dass ich dich hier finden werde.." sagt er im scharfen Ton, der gar nicht typisch für ihn ist. Bill ist ein herzensguter Mensch, der auf seine Jungs aufpasst und sie eher verhätschelt. Viel zu gut für diese Welt. "Du wirst das Chaos hier beseitigen und dann Lars wieder unterstützen.." er deutet mit dem Finger auf die Scherben, anschließend hinter sich zur Tür. "..und nach deiner Schicht will ich deinen Arsch in meinem Büro sehen Joshua." Ohne weitere Erklärungen oder einen Abschied, zieht Bill die Tür zu und lässt mich allein. Ich zucke zusammen. Joshua. Mein voller Name. Keine Abkürzung, keine Verniedlichung. Einfach Joshua. So nennt er mich nie. Ich sitze tief in der Scheiße. Einen Augenblick gebe ich mir noch, bevor ich mich erhebe und nach einem Lappen suche mit dem ich den Wodka vom Boden wischen und die Scherben aufheben kann. Diese wenigen Worte haben gereicht, um meinen Kopf etwas frei zu pusten. Ich habe Pflichten zu erfüllen und die muss ich endlich wieder ernst nehmen. Auch wenn dieser Job Spaß macht, es ist dennoch ein Job. Und den habe ich ziemlich vernachlässigt. Zuhause kann ich immer noch über mein miserables Leben nachdenken aber jetzt muss ich arbeiten. So habe ich etwas, auf das ich mich konzentrieren kann. Lars sieht mich nur kurz an, als ich hinter die Theke trete, bedient aber gleich den nächsten Gast und kümmert sich nicht weiter um mich. Das habe ich auch gar nicht anders verdient. Es fühlt sich falsch an, als ich mir ein Lächeln aufzwinge und ebenfalls Gäste bediene. Aber das ist mein Problem. Das muss ich mit mir klären und kann das nicht an anderen auslassen. Das habe ich in den letzten Wochen genug getan. Wieso habe ich mich nur so verändert? Nach einer Weile arbeite ich aber wieder routiniert. Verteile Getränke, scherze mit Gästen und wippe leicht im Takt der Musik. Nur die Shots, zu denen ich eingeladen werde, lehne ich dankend ab. Ich sollte besser nüchtern sein, wenn ich noch zu Bill gehe. Ich glaube, wenn ich betrunken dort auftauche, kann ich mich gleich von meinem zweiten und somit letzten Job verabschieden. Es ist bereits vier Uhr als Lars und ich die Theke aufgeräumt haben und uns eher zurückhaltend eine gute Nacht wünschen. Seufzend ergebe ich mich meinem Schicksal und steure die hinteren Räumlichkeiten an, wo Bill sein Büro hat. Zögernd klopfe ich an und trete ein. Mein verlegenes Lächeln vergeht mir aber, als sich unsere Blicke treffen und mir klar wird, wie ernst Bill ist. Er bietet mir den Stuhl vor seinem Schreibtisch an auf dem ich schnell Platz nehme. Nervös reibe ich meine Handinnenseiten zwischen meinen Beinen gegeneinander, auf die ich starre. "Joshua, das war das zweite Mal, dass du Lars an der Haupttheke allein gelassen hast.." sagt er bestimmt und vorwurfsvoll. Ich muss kurz überlegen und ziehe die Brauen zusammen. Das zweite Mal? Endlich hebe ich meinen Kopf und sehe Bill direkt in die Augen. "Das stimmt nicht. Beim letzten Mal sollte ich Pause ma.." "Halt die Klappe!" fährt er mich an. "Ich will keine Ausreden hören..und du weißt, das es welche sind." Sofort senkt sich mein Blick wieder reumütig. Ich höre, wie Bill tief durchatmet. "Ich weiß wie du arbeitest und ihr verlasst nie während eurer Pausen die Theke. Also verkauf mich bitte nicht für blöd." Er klingt enttäuscht. Vorsichtig schiele ich hoch zu ihm und sehe wie er sich mit zwei Fingern über den Nasenrücken reibt. Er seufzt. "Joshi, das mit dem Unfall ist tragisch und ich habe dir selbst überlassen, wann du wieder arbeiten möchtest. Aber wenn du dich für eine Schicht eintragen lässt, erwarte ich auch, dass du sie durchziehst." sagt er weitaus milder und versöhnlicher und lehnt sich dabei langsam zurück in seinen Ledersessel. "Kai hat mir erzählt, dass du dich mit Tobi gestritten hast. Und dass er zweimal einen Kerl rausschmeißen sollte, den er nicht kannte. Möchtest du mir freiwillig erzählen, was passiert ist oder muss ich nachhelfen?" Ich schlucke hart. Ob er ein nein akzeptiert? Allerdings kenne ich sein 'nachhelfen'. Unschlüssig, was ich tun und wie ich ihm meine Situation erklären soll, fällt mein Blick links neben mir auf die geschlossene Türe, in der Bill sein Studio hat. Bevor ich da nachher in den Seilen hänge erzähle ich lieber alles. Aber wie soll ich anfangen? So vieles ist passiert und so vieles hat sich verändert. "Du bist mein bester Mann hier und das weißt du. Du mit deinen bescheuerten Spielen, die mich irgendwann noch ins Grab bringen werden..oder in den Knast." er lacht leise. Und ich muss auch lachen. Im Laufe der Jahre habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, Freitags Trinkspiele mit den Gästen zu veranstalten. Eigentlich geht es nur darum, so viele Shots wie möglich an die Leute zu bringen und nebenbei noch Spaß zu haben. Bill findet zwar nicht jedes Spiel gut, aber er profitiert davon und lässt mir freie Hand. Er hat sogar eine riesige Tafel über der Haupttheke anbringen lassen als ich ihn darum bat. Es wäre wirklich schade um den Job. Sehr schade. Nervös kaue ich mir auf der Unterlippe herum, immer noch unentschlossen, wie genau ich das alles erklären soll. Ich fasse die letzten Wochen knapp in meinem Kopf zusammen und plötzlich ist es ganz einfach. "Ich habe mich in den Kerl verknallt, den Kai raus werfen sollte..und Tobi hat mit ihm gevögelt. Das ist alles." sage ich und bin richtig stolz auf mich. Das war easy. Kurz und knapp und auf den Punkt. Auch wenn es verdammt wehtut es laut zu hören. So viel Kummer in einem Satz verpackt. Bill sieht nicht sehr überzeugt aus und rutscht seitlich auf seine Armlehne, eine Hand nachdenklich unter sein Kinn gestützt. "Also willst du mir nicht sagen, was mit dir ist?" fragt er enttäuscht und erntet von mir einen irritierten Blick. "Was? Aber..das habe ich dir doch gerade gesagt Bill!" wehre ich mich und bin überrascht, dass er mir das nicht glaubt. Ist es nicht plausibel? Sein kurzes Lachen trieft nur so vor Sarkasmus. "Komm schon Joshi..du und verliebt.." er winkt ab. "..du fickst doch alles, was nach drei noch im Club ist.." behauptet Bill und versetzt mir damit einen Stich, der es in sich hat. Es trifft mich so hart, dass ich mich in den Stuhl zurück drücke und für einen Moment nicht atmen kann. Bin ich so krass? Kann sich nicht einmal Jemand, der mich so verdammt lange kennt wie Bill, vorstellen, dass ich Gefühle habe oder entwickeln kann? Völlig perplex kralle ich meine Finger in die Knie und drehe den Kopf weg. Ich will nicht, dass Bill mich heulen sieht. Aber genau das passiert jetzt. Heiße Tränen sammeln sich hinter meinen Augen. Ich beiße die Zähne zusammen, bemühe mich gefasst zu bleiben aber das war ein zu harter Tag. Erst die Enttäuschung mit Leon, dann Tobis Auftritt im Club. Ich bin nicht aus Stein und irgendwann ist es auch mir zu viel. Bevor sich die ersten Tränen aus meinen Augen lösen, höre ich Bill aufstehen. Er kommt um den Schreibtisch herum zu mir, hockt sich vor mir hin und zieht mich in seine Arme. "Joshi, hey..es tut mir Leid." flüstert er mir ins Ohr und drückt mich fest an sich. Und genau das habe ich gebraucht, damit ich einen Heulkrampf bekomme. Eine Umarmung und nette Worte. Klasse Bill! Ganze zehn Minuten kann ich weder reden, noch richtig atmen. Alles bricht aus mir heraus, all die angestaute Wut und Enttäuschung will ausgerechnet im Büro meines Chefs raus und ich bin zu schwach um mich noch dagegen zu wehren. Anscheinend glaubt die ganze Welt, dass ich nur dafür existiere, die Beine breit zu machen. Niemand glaubt, dass ich zu mehr fähig bin. Gefühle, Liebe, alles Fremdworte für das kleine Bückstück Joshua. Als ich mich endlich wieder fange, löst sich Bill etwas von mir und streicht mir über die nasse Wange. "Dich hats ja richtig erwischt Joshi.." haucht er und lächelt mich warm an. Ich nicke stumm. Nur weil ich nicht mehr heule, kann ich noch lange nicht wieder reden. "Und Tobi hat trotzdem mit ihm geschlafen?" fragt er skeptisch nach und sieht mich ebenso an. Wieder nicke ich. Dann aber kommt mir der Gedanke wieder in den Sinn, der mich die ganzen letzten Stunden beschäftigt hat. Was genau bedeutet Tobis Nachricht auf dem Anrufbeantworter? Klar, im ersten Moment ist es mehr als eindeutig. Aber seine und Leons Reaktionen passen nicht. Vielleicht kann Bill mir ja helfen durchzublicken. Dafür muss er aber alles wissen. Nach weiteren fünf Minuten befinde ich mich für fit genug und fange an, ihm von dem letzten Tag zu erzählen. Ich beschreibe ihm auch Tobis und Leons erste Begegnung in meiner Wohnung. Ich versuche mich an alles zu erinnern, was zwischen den Beiden und Tobi und mir vorgefallen ist. Was gesagt wurde, wie der Videoabend verlaufen war. Bill hört aufmerksam zu und nickt hin und wieder. Er macht sich wirklich Gedanken dazu und fragt immer mal nach, wenn er was nicht versteht. Als ich schließlich die Nachricht auf dem Anrufbeantworter aufsage, sieht er abwesend an mir vorbei auf irgendeinen imaginären Punkt. Er gibt sich wohl gerade die größte Mühe verschiedene Optionen durchzugehen. Seufzend hebt sich sein Blick. "Wenn ich Tobi nicht kennen würde, könnte ich das auch so sehen..aber er kennt dich doch viel besser. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er nicht erkannt hat, was du für Leon empfindest. Immerhin ist er der einzige von uns allen, der dir immer das große Glück vorhergesagt hat. Wäre es nicht dumm, sich dann dazwischen zu stellen?" fragt er letztendlich und winkt mit seiner Hand ab. "Joshi, du solltest mit ihm reden. Egal, wie toll Leon zu sein scheint aber willst du für irgendein dahergelaufenen Mann deinen besten Freund aufgeben?" Diese Frage hat es in sich. Weil ich die Antwort schon kenne. "Auf keinen Fall." sage ich kopfschüttelnd. Ich werde Tobi niemals aufgeben. Egal, wie ich es machen werde aber es wird sich niemals etwas oder jemand zwischen uns stellen. Das habe ich in meiner Wut nur nicht sehen wollen. Ich glaube fest daran, dass er mir vielleicht irgendwann verzeiht und wir wieder normal miteinander umgehen können. Wenn Leon keine Rolle mehr in unserem Leben spielt, dann.. Fuck, mein Herz setzt aus an das ich mir greife. Schon der Gedanke daran, ihn nicht mehr sehen zu können, reißt mich auseinander. Bill ist alarmiert und steht von seinem Sessel auf. "Geht es dir gut?" fragt er sehr besorgt und will zu mir stürzen, doch ich hebe abwehrend die Hände. "Ja, alles bestens." sage ich lächelnd und stehe auf. "Ich bin nur müde." antworte ich schnell. Nicht überzeugt und mit skeptisch angezogener Augenbraue mustert mich mein Chef, nickt aber. "Na gut..aber versprich mir, dass du mit Tobi reden wirst. OHNE gleich wieder auszurasten." streng verzieht Bill das Gesicht, zwinkert mir aber gleich darauf zu. "Ich werde dir ein Taxi rufen. Warte eben.." Grinsend nicke ich und greife schon nach der Türklinke, als er mich nochmal zurückruft. Mit dem Telefon in der Hand deutet er mir an zu bleiben. Als er auflegt nickt er zum Ausgang. "In drei Minuten bringt dich ein Wagen nach Hause. Bezahlt ist schon.. und jetzt raus mit dir.." er fuchtelt übertrieben mit den Armen herum und macht mir deutlich, dass ich mich beeilen soll. Und diese Chance nutze ich. Keine Minute später stehe ich draußen vor dem Club und warte leicht frierend auf das angekündigte Taxi, das überpünktlich um die Ecke fährt und vor mir anhält. Zuhause setze ich meinen Plan um, zu duschen und mit noch feuchtem Haar ins Bett zu gehen. Entgegen meiner Befürchtung nicht schlafen zu können, bin ich schon nach wenigen Minuten tief weggeschlummert. Vielleicht hilft es ja doch, über Gefühle zu reden und dem allen Luft zu machen. Dann hätte diese dämliche Zeitschrift doch Recht behalten. Und ja, ich lese in der Bravo auch manchmal mehr als nur den Test. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)