Ein ungewöhnlicher Mitbewohner von Darklover ================================================================================ Kapitel 1: 1. Kapitel --------------------- Die Wohnung war perfekt. Jeden Morgen den Emily hier aufwachte, sah sie sich erst einmal strahlend in ihrem Schlafzimmer um. Es war hell, mit hoher Decke und einem großen Fenster, das auf die Straße hinaus ging. Aber es war trotzdem nicht zu laut und vor allem gab es keine Nachbarn, die einem aus einem halben Meter Abstand beim Umziehen zusehen konnten. Emily schlug die Decke zurück und stellte die Füße auf den kalten Holzboden. Sie würde sich noch einen Teppich besorgen müssen. Denn mit Hausschuhen kam sie aus irgendeinem Grund nicht zurecht. Die blieben immer irgendwo in der Wohnung liegen und Emily konnte sie auf jeden Fall dann nicht finden, wenn sie sie suchte. Heute sollte ein weiterer möglicher Mitbewohner kommen. "Ja, Mitbewohner." Emily rollte mit den Augen. Was hatte sie sich dabei nur gedacht, ihn überhaupt kommen zu lassen? Sie wollte eine Mitbewohnerin. Kein Mann sollte auch nur einen Fuß in diese Wohnung setzen, wenn Emily es verhindern konnte. Zumindest nicht allzu bald. Und er sollte schon gar nicht hier wohnen. Das hatte sie auch in die Anzeige geschrieben. Und doch hatte sich dieser Kerl irgendwie unter die Bewerber gemischt und sollte heute vormittag vorbei kommen. Bereits unter der Dusche grummelte Emily vor sich hin. Dann hätte sich das gleich erledigt, nur mit einem Handtuch oder Unterwäsche bekleidet durch die Wohnung zu laufen. Eigentlich sollte sie ihn anrufen und sofort absagen. Sie würde ihn sowieso nicht nehmen. Sie stand schon mit einer großen Tasse Tee in der großen und leider noch ungemütlichen Küche und wollte gerade seine Nummer ins Telefon eingeben, als es an der Tür klingelte. "Nein!", entkam es ihr und resignierend stellte sie die Tasse auf dem Küchentisch ab. Na gut, dann würde sie ihm kurz das Zimmer und die Wohnung zeigen und ihn dann wegschicken. Das konnte ja nicht allzu lange dauern. Adrian betrachtete sich noch schnell im Spiegel, um sein Aussehen zu überprüfen. Er kam gerade von einer Nachtschicht und war noch zu überdreht, um jetzt ans Schlafen zu denken. Außerdem hatte er einen Termin vereinbart, um an diese wahnsinns Wohnung heran zu kommen. Zwar hat es in der Anzeige geheißen 'ausschließlich Frauen', aber er suchte schon seit Wochen eine passende Wohnung in der Gegend. Leider war das die Einzige, die auch nur annähernd in Betracht kam. Darum hatte er sich auch nicht von der Anzeige abschrecken lassen. Er musste sein Glück einfach versuchen und verdammt, er würde alles dafür geben! Kurz strich er sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er war so froh, wenn die Woche um war, dann konnte er sich die Farbe wieder heraus waschen. Aber was tat er nicht alles für seinen Job. Wenigstens passte das Blauschwarz perfekt zu seinen türkisfarbenen Huskyaugen. Allerdings ließ es seinen hellen Teint noch heller wirken. Aber da er ohnehin meistens Nachts tätig war, störte ihn das wenig. Schnell zog er sich noch frische Klamotten an. Eine enganliegende Bluejeans, Boxershorts von Calvin Klein, ein rotes Hemd von Esprit und dazu noch teure Nikeschuhe. Er schob sich noch sein Portmonee in die hintere Hosentasche, schnappte sich sein Handy und die Schlüssel und stürmte dann auch schon aus der Wohnung. Er wollte nicht zu spät kommen. Draußen zerzauste der Wind ihm seine langen Haare, also band er sie sich schnell mit einem Haargummi im Nacken zusammen, so dass er ein winziges Schwänzchen hatte. Natürlich reichte das nicht für seine Stirnfransen, aber die konnte er sich immer noch hinter die Ohren klemmen. Ab in die nächste Bahn und schon wenige Minuten später stand er vor dem Haus, das er hoffentlich bald bewohnen würde. Sportlich wie er war, nahm er die Treppen mit Leichtigkeit und drückte auch schon auf die Türklingel, ohne überhaupt aus der Puste zu sein. Er setzte ein strahlendes Lächeln auf, als sich die Tür öffnete und ihm ein eher mürrisches Gesicht entgegen blickte. Was ihn kein bisschen demotivierte. Er konnte einfach nicht. „Guten Morgen. Ich bin Adrian.“, stellte er sich vor und streckte seine Hand aus. „Ich bin gekommen, um mir die Wohnung anzusehen.“, schob er noch mit einem weichen Tonfall nach. Hoffentlich schlug die Brünette ihm nicht gleich wieder die Tür vor der Nase zu. "Hi. Ich bin Emily." Oh nein, Italo-Verschnitt. Auch das noch. So sah er ja ganz ok aus, mit guten Klamotten, aber die Haare... Egal, er kam ja ohnehin nicht in die engere Wahl. "Ja, wegen der Wohnung..." Emily hielt ihm die Tür auf. Immerhin hatte sie den Termin ausgemacht. Da konnte sie ihn jetzt nicht im Hausflur stehen lassen. Einzelne Holzdielen knarzten unter ihren Schritten. "Ich hatte ja schon in die Anzeige geschrieben, dass ich eigentlich eine weibliche Mitbewohnerin suche...." Sie wollte nicht weiter darauf eingehen, aus welchen Gründen das so war. Wenn er nachfragen sollte, würde sie ihm schon irgendetwas erzählen können. Emily schob die Tür hinter ihrem Besucher zu und blieb dann etwas unschlüssig stehen. Er sah sie mit einem begeisterten Lächeln an. Dabei hatte er die Wohnung noch gar nicht gesehen. Irgendwie sah er auch ein wenig fertig aus. Gepflegt, ja. Aber irgendwie müde und ziemlich blass. Hoffentlich war er nicht drogenabhängig oder sowas. "Ja, ok. Sie können sich umsehen. Aber wie ich schon sagte, eine Frau wäre mir lieber." Sie machte mit ihm einen kleinen Rundgang, zeigte ihm das Wohnzimmer, das ebenfalls auf die Straße hinaus zeigte. Das Bad und die Küche, die beide noch relativ leer aussahen, da sich Emily erst einmal um ihr Zimmer gekümmert hatte und schließlich das freie Zimmer, das ihrem gegenüber lag und für ihre Mitbewohnerin gedacht war. Es war unwesentlich kleiner als Emilys Zimmer, denn sie wollte den größeren Anteil der Miete bezahlen und auch Hauptmieterin bleiben. Außerdem gefiel ihr der Schnitt des größeren Zimmers ausnehmend gut. Es hatte einen kleinen Erker, in den sie viele Kissen gestapelt hatte, um dort lesen zu können. Auch das zeigte sie dem Kerl mit einer kurzen Handbewegung. "Das ist mein Zimmer." Nach diesem kurzen Kommentar sah sie ihn an und verschränkte ungewollt die Arme vor der Brust. Mit ihrer strengen Frisur sah sie älter aus, als sie eigentlich war. Bloß ihre Augen verrieten ihr wirkliches Alter. Vor allem, wenn sie lachte. Was war er doch froh, dass sie ihn nicht gleich durch die Tür hinaus beförderte. Immerhin betonte sie immer wieder, dass ihr eine Mitbewohnerin – mit Betonung auf das '-in' am Schluss – lieber wäre. Es war daher sehr nett von ihr, ihn überhaupt herum zu führen. Die Wohnung selbst war zwar noch etwas kahl und leer, aber sie hatte großes Potential. Außerdem gefielen ihm die hohen Räume und der knarrende Holzboden unter seinen Füßen. Er hatte diese neuen Fertigbauwohnungen noch nie gemocht. Lieber war ihm da der alte Stil. Das strahlte wenigstens noch Würde aus und eine gewisse Heimeligkeit. Ihr eigenes Zimmer hatte sie sehr schön hergerichtet. Weshalb er sich fragte, wieso der Rest noch so kahl und unfertig aussah. Entweder war sie selber erst vor kurzem hier eingezogen, oder es mangelte ihr an Geld. Wobei das gleich erklären würde, wieso sie sich eine Mitbewohnerin suchte. Geld hatte er, daran sollte es also nicht scheitern. Nur sie machte auf ihn den Eindruck, als wäre der Richterspruch über ihn schon verhängt worden und sie wäre nur noch nett zu ihm, damit er möglichst bald einen Abgang machte. Aber so leicht, würde er sich nicht abfertigen lassen. Immerhin wollte er diese Wohnung, jetzt da er sie gesehen hatte, mehr noch denn je. Sie war perfekt! „Wie hatten Sie sich das mit dem Möblieren vorgestellt? Darf man sich daran gleich mit beteiligen, oder wollen Sie das lieber alles selber bezahlen? Ich meine, was die Gemeinschaftsbereiche angeht?“ Er ging zu einem der großen Fenster hinüber und strich bewundernd über den Rahmen, ehe er den Ausblick genoss. „Was veranlasst Sie eigentlich dazu, nur Frauen als Mitbewohnerinnen zu nehmen? Natürlich kann ich mir diverse Gründe vorstellen, aber ich würde gerne Ihren hören, wenn Sie es mir gestatten.“ Er sah sie über die Schultern hinweg an. Gott, wenn er müsste, er würde sich sogar als schwul ausgeben, nur damit er hier bleiben dürfte. Immerhin hatte er sowieso nicht vor, Frauen hier anzuschleppen. Auch ein Grund, wieso er umziehen wollte. Die Reihenfolge seiner Fragen überraschte Emily. Hatte sie denn nicht ausreichend gezeigt, dass sie die Wohnung eigentlich nicht an ihn vergeben wollte? Doch die zweite Frage hakte nach. Also sagte sie ihm den erstbesten Grund, der ihr einfiel und der auch noch der Wahrheit entsprach. "Wissen Sie, ich wohne hier allein und kenne die Bewerber nicht persönlich. Als Frau werde ich mir keine potentielle Gefahr freiwillig ins Haus holen." Sie hob eine Augenbraue, was ihren kalten Blick noch unterstrich. Das war vielleicht ein wenig zu direkt ausgedrückt, aber so war es nunmal. Natürlich wollte ihr nicht jeder Kerl, der hier wohnen wollte auch etwas tun, aber man wusste es eben nicht. "Außerdem kann man sich unter Frauen gelöster bewegen. Ich möchte mich in meiner eigenen Wohnung nicht verschämt im Bad verstecken, wenn ich mir mal die Fußnägel lackiere." Blödes Beispiel. Wann tat sie sowas schon? Aber sie war sich sicher, dass er den Wink verstand. Um nicht völlig fies bei ihm rüberzukommen - immerhin hatte er ihr nichts getan - schob sie noch die Antwort auf seine erste Frage nach. "Aber ja, ich würde die Kosten für die Wohnzimmer- und Küchenmöbel teilen. Oder jeder kauft ein Stück. Falls die Wohnung wieder aufgelöst wird, kann man ablösen oder sein eigenes Zeug wieder mitnehmen." So hatte sie es beim letzten Mal auch gemacht, weswegen sie sich die Miete hier für die ersten paar Wochen auch allein leisten konnte, wenn es sein musste. Sollte sie niemand anderen für das zweite Zimmer finden. Innerlich seufzte sie auf. Die bisherigen Bewerberinnen waren völlig daneben gewesen. Entweder offensichtliche Partygirls, die mitten in der Nacht besoffen und mit mindestens einem Kerl im Schlepptau nach Hause kamen oder überkandidelte Büroangestellte, die sich mich gerümpfter Nase die hohen Decken ansahen und beschlossen, dass sie nicht so viele Heizkosten zahlen wollten. Praktisch musste es sein, schön kam an zweiter Stelle. Sie blieb stumm und fragte ihn nichts. Es war ihr völlig egal, was er beruflich machte. Aber offensichtlich verdiente er gut. „Ja, Ihre Bedenken kann ich mir sehr gut vorstellen. Wenn ich eine Frau wäre, würde es mir gewiss auch so ergehen. Manchen Männern kann man wirklich nicht trauen.“ Er wusste, wovon er sprach, immerhin arbeitete er nicht gerade in einem Kindergarten. Manche Männer waren echte Schweine und deshalb verstand er sie nur zu gut. Der zweite Grund war sogar noch besser, was aber wirklich ein Problem darstellte. Ihm persönlich machte es nichts aus, sich halbnackt vor anderen zu bewegen. Immerhin gehörte das zu seinem Beruf, aber bei ihr war das deutlich etwas anderes. Welche Frau rannte schon gerne nur in Unterwäsche vor einem fremden Mann herum? Eigentlich hätte er sich jetzt schon geschlagen geben müssen, weil das ein Argument war, das er nicht widerlegen konnte. Wenn sie das so empfand, war nichts daran zu ändern. Fieberhaft suchte er nach einer Lösung, während er die hohen Decken bewunderte, die so viel Platz und Freiraum zu schaffen schienen. Hier konnte man wirklich einmal richtig aufatmen, ohne dass einem gleich die Decke auf den Kopf fiel. Er seufzte in Gedanken, ehe er sich wieder mit einem freundlichen Lächeln zu Emily umwandte. „Was wäre, wenn ich Ihnen sage, dass ich ohnehin nicht an Frauen interessiert bin? Ich kann Ihnen versprechen, dass ich sicherlich nie eine Frau hier anschleppen werde. Außerdem neige ich dazu, meine Ruhe zu genießen, wenn ich zuhause bin.“ Was klar war, weil er nach jeder Nachtschicht erst runter kommen musste und dann nur noch seine Ruhe haben wollte. „Nachts arbeite ich meistens, weshalb ich sicher keine Partys bis in die frühen Morgenstunden schmeißen werde. Falls das auch eine Sorge von Ihnen sein sollte.“ Er strich sich die Haare zurück und zog dabei den Haargummi heraus, den er sich um das Handgelenk legte. Immerhin herrschte hier kein Wind, der ihm seine Frisur versaute. Nachdenklich strich er sich das Haar wieder in Form, während er sich überlegte, wie er sie noch weiter überzeugen konnte. „Ich wäre bereit Ihnen die Miete für ein halbes Jahr im Voraus zu bezahlen.“ Schlug er schließlich vor. Er würde auch für ein ganzes Jahr im Voraus bezahlen, wenn er diese Wohnung bekam, aber er setzte lieber erst einmal klein an. Er interessierte sich nicht für Frauen? Sollte das eine Ausrede sein oder hieß das...? Noch einmal sah sie ihn sich genau an. Seine perfekt sitzenden Klamotten. Die für ihre Meinung ein wenig zu stylischen Haare, die er sich mit eingeübter Geste zurück strich. Wenn er nicht diesen Mafiosolook gehabt hätte, wäre er wirklich ganz hübsch. "Hmm..." Immerhin würde wahrscheinlich jeder sagen, dass er ein ruhiger Mitbewohner war. Wer gab schon an, dass er bis spät in die Nacht Partys feierte und alle möglichen Alkoholflaschen in der Wohnung herum liegen ließ? "Und was arbeiten Sie?" Nachtschicht. Das konnte alles Mögliche sein. Emily wusste auch, dass das recht viel Geld einbrachte. Wenn er ihr die Miete für ein halbes Jahr vorstrecken wollte, musste er wirklich Einiges auf der hohen Kante haben. Falls er tatsächlich schwul sein sollte, hätte sie sich das Zusammenwohnen durchaus vorstellen können. Warum nicht? Sie hatte noch nie mit Schwulen näher zu tun gehabt als Freunde von Freunden. Aber zumindest müsste sie sich keine Sorgen wegen irgendwelcher Übergriffe oder starrender Blicke machen. Aber sie konnte ihn doch jetzt nicht noch einmal fragen. Was war das denn für ein Kriterium? Wieder sah sie ihn prüfend an. Von den schwarzen Haaren über die teuren Klamotten bis hinunter zu den ebenso teuren Schuhen. "Hören Sie...", es war nur ein Versuch. Immerhin konnte sie ihn immernoch rauschmeißen, wenn es nichts werden sollte. "Heute kommen noch zwei Interessentinnen vorbei." Sie sah ihm in die hellblauen Augen. "Sollten die nichts sein, werde ich mich bei Ihnen melden. Ist das in Ordnung?" Natürlich hoffte sie auf die beiden Frauen, die sich für heute noch angemeldet hatten. Aber er war ihr nicht unsympathisch. Sie schenkte ihm ein kleines Lächeln und als er begeistert zustimmte, verabschiedete sie sich mit einem Händedruck und einem weiteren Lächeln an der Tür. Offenbar hatte sie irgendetwas umgestimmt, was er gesagt hatte, denn sie wirkte plötzlich nicht mehr gar so abweisend. Ob es die Andeutung war, er sei schwul, oder das Geld, ihm konnte es egal sein. Hauptsache seine Chancen hatten sich erhöht. Auf ihre Frage hin, was er denn arbeite, antwortete er ganz gelassen. „In der Unterhaltungsbranche.“ Das sagte er jedem, der ihn danach fragte. So kamen keine dummen Sprüche oder anzügliche Spötteleien. Außerdem sahen ihn dann die meisten Leute schräg an und stuften ihn automatisch einen Rang hinunter, was die Gesellschaftshierarchie anging. Auf solche Dummheiten konnte er getrost verzichten. Darum hatte er auch seinen ganzen Exfreundinnen schließlich verschwiegen, als was er genau arbeitete, denn meistens sahen sie ohnehin nur seinen Körper und nicht den Menschen dahinter. Ein Grund mehr, wieso er schon seit mehr als einem Jahr auf der Soloschiene fuhr. Er hatte diese oberflächlichen Weiber so satt! Allerdings schob er diesen Gedanken beiseite und bedankte sich schon mal herzlich für die Chance, die Emily ihm gelassen hatte. Beschwingt und mit einem Lächeln auf den Gesicht, fuhr er wieder nach Hause, duschte sich ausgiebig, nahm noch ein Müsli zu sich, ehe er in sein Bett fiel und die nächsten Stunden restlos erledigt durchpennte. Da er sein Handy auf Vibration gestellt hatte, konnte es ihn auch nicht wecken. *** Die beiden waren schrecklich gewesen. Wieder eine Partygöre und ihre Freundin. Eigentlich wollten sie sich das Zimmer teilen, was Emily aber nicht wollte. Also zogen sie kichernd wieder ab. Emily wartete noch ein paar Stunden und rief dann bei Adrian an. Es klingelte ungefähr zehn Mal. Dann meldete sich die Mailbox. "Hallo. Hier spricht Emily Grayson. Sie waren heute wegen der Wohnung hier." Eine kleine Pause. "Wenn Sie möchten können Sie das Zimmer haben..." Wieder eine Pause, in der sie den Höhrer vom Ohr weghielt und mit der freien Hand in der Luft herum fuchtelte. Was tat sie hier denn bloß? Sie hatte sich doch geschworen: Keine Männer! "Ja... Melden Sie sich doch so bald wie möglich bei mir. Sie könnten nächste Woche schon einziehen." Mit einer kurzen Verabschiedung legte sie auf und schlug sich dann den Telefonhörer einmal gegen die Stirn. Kapitel 2: 2. Kapitel --------------------- Nachdem Adrian seine tägliche Dosis Schlaf bekommen und sich einen frischen Salat gemacht hatte, zog er sich Joggingsachen an, um seine tägliche Runde zu laufen. Erst danach checkte er seine Anrufe und die Mailbox, da er in dieser Zeit einfach seine Ruhe haben wollte. Das waren Tagesabschnitte, bei denen er nur ungern etwas dazwischen kommen ließ. Doch als er Emilys Nachricht hörte, wäre ihm beinahe das Handtuch von den Hüften gerutscht, da er so schnell wieder von seiner Couch aufgesprungen war. Sofort wählte er ihre Nummer und sagte ihr zu. Sie machten sich noch einen Termin aus, wann genau er mit den Möbeln kommen konnte und er gleich den Mietvertrag unterschreiben durfte. Danach legte er auf und ließ sich wieder auf die Couch fallen. „Glückwunsch, du hast so eben eine weibliche Mitbewohnerin bekommen, die dich für einen Homo hält.“ Er seufzte. Egal. Das würde er schon irgendwie hinbekommen. Er war nur froh, dass er nicht mehr so weit zur Arbeit musste. Alles andere war im Augenblick zweitranging, immerhin gewann er so am Tag etwas Zeit hinzu. *** Am nächsten Freitag stand er pünktlich vor Emilys Tür. Dieses Mal mit beigefarbener Hose, einem weißen Baumwollhemd und roten Haaren. Die schwarze Farbe hatte er sich endlich herauswaschen können, nachdem die Gothic-Woche im Club „Shadow“ vorüber war. In einer Stunde würden die Möbelpacker kommen, sofern er sie anrief, dass alles klar ging. Er wollte sich seiner Sache noch nicht zu sicher sein, immerhin hatte er den Mietvertrag noch nicht unterschrieben. Ein Grund mehr, wieso er seine alte Wohnung noch nicht gekündigt hatte. Zwar war er guter Dinge, aber er war auch vorsichtig. Kurz checkte er noch sein Aussehen. Er hoffte zumindest, dass er schwul genug aussah, auch wenn er das normalerweise ohnehin als Kompliment auffassen würde. Immerhin wussten die meisten homosexuellen Männer sehr wohl, wie man sich herrichtete. Davon konnten sich viele Heteros noch ein Stück abschneiden. Er klingelte. Emily war so gut wie auf dem Weg zur Arbeit. Sie trug eine graue Stoffhose, ein einfarbiges Twinset und unauffälligen Schmuck. Adrian war glücklicherweise pünktlich. Sie würden den Mietvertrag unterschreiben und dann konnte sie ihm gleich den Schlüssel geben. Er hatte sie schon vorgewarnt, dass er gleich die Möbel anliefern lassen wollte. Heute bekam sie also ihren neuen, schwulen Mitbewohner. Irgendwie freute sie sich darauf, hoffte aber gleichzeitig, dass er einfach ein netter, unkomplizierter Kerl war. Als sie die Tür öffnete sah sie ihn mit völliger Verblüffung an. Er musste es sein. Wer sollte sonst um die ausgemachte Uhrzeit vor der Tür stehen? Aber sicher war sie sich nicht. Er sah sehr viel weniger blass aus. Die roten Haare mussten seine Originalfarbe sein. Das sah sehr viel natürlicher aus als das Schwarz. Trotzdem konnte sie nicht anders als ihn zu fragen. „Adrian?“ Sein Grinsen war Antwort genug. „Entschuldigung, aber Sie sehen … anders aus.“ Sie lächelte und bat ihn in seine neue Wohnung. „Kommen Sie rein.“ Als er ihr in die Küche folgte, wo sie den Vertrag auf dem Tisch liegen hatte, fügte sie hinzu: „Und ich bin Emily. Ich denke wenn wir zusammen wohnen, können wir Du zu einander sagen.“ Adrian war keinen Moment lang überrascht, dass Emily zweimal hinsehen musste, bis sie ihn wieder erkannte. So war es ihm auch ergangen, als er sich zum ersten Mal mit den schwarzen Haaren gesehen hatte. Das stand ihm nicht wirklich, außer er würde sich als Gruftie wohlfühlen und da er das natürlich nicht tat, hatte er die Zeit über einfach versucht seine schwarzen Haare zu ignorieren. Immerhin musste er sich selbst nicht ständig im Spiegel betrachten und was die anderen von ihm hielten, war ihm in den meisten Fällen ohnehin egal. Er lächelte also nur und trat dann ein. Natürlich gab er ihr vollkommen recht damit, sich zu duzen, jetzt wo sie schon bald Mitbewohner sein würden, wäre alles andere ein bisschen schräg gewesen. Umso erleichterter war er daher auch, als Emily ihm den Mietvertrag zeigte und er ihn sich gründlich und in aller Ruhe durchlesen konnte. Adrian war gleich mit dem Inhalt einverstanden, immerhin war der Vertrag besser aufgesetzt, als sein letzter. Darum unterzeichnete er ihn auch mit Freuden und einer schwungvollen Unterschrift. Wieder warf Emily einen interessierten Blick zu ihm hinüber, während er den Vertrag durchlas und ihn schließlich unterschrieb. Das Rot stand ihm wirklich wesentlich besser. So sah er nicht mehr so blass und noch dazu nicht so sehr nach Mafioso aus. Als er zu ihr aufsah lächelte sie und stand auf. Mit einer weiten Geste schloss sie die Schränke in der Küche alle ein. „Ich hatte nicht vor Geschirr und Besteck und solche Sachen doppelt zu kaufen. Wenn das ok für dich ist. Lebensmittel müssen wir natürlich nicht teilen. Such dir einfach Schränke aus. Es sind noch viele leer.“ Im Bad zeigte sie ihm auch die leere Spiegelschrank-Seite und eine Schublade, die er haben konnte. Dann stand sie etwas unschlüssig im Flur herum und drückte ihm den Wohnungsschlüssel in die Hand. “Ok, ich muss dann leider auch schon los zur Arbeit. Wahrscheinlich bin ich gegen sieben heute Abend wieder da.“ Sie griff sich ihre Tasche und die graue Jacke und sah sich noch einmal zu ihm um. Ihr Zimmer hatte sich vorsichtshalber heute abgesperrt. Gar nicht wegen Adrian, als vielmehr wegen der ganzen Leute, die wohl mit den Möbeln hier heute durchlaufen würden. Nachdem die Formalitäten erledigt waren, zeigte Emilyi ihm, wo er seine Sachen einräumen konnte. Sogar im Bad hatte er seine eigene Seite. Es war zwar ein etwas seltsames Gefühl, so etwas Privates wie ein Badezimmer mit einer fremden Frau zu teilen, aber das würde sich mit der Zeit sicher geben. Außerdem würden sie sich vermutlich ohnehin nicht blockieren, denn wenn sie jetzt zur Arbeit musste, hatte sie offenbar einen ganz anderen Tagesrhythmus als er. Was aber in den meisten Fällen so war. Immerhin galt er nicht umsonst als Nachtaktiv. „Also, dann wünsche ich dir noch einen schönen Arbeitstag. Und danke noch mal, dass ich hier bleiben darf.“ Wie sehr ihn das freute, musste er ihr hoffentlich nicht auch noch sagen. Seine Augen strahlten ohnehin schon wie wild und er konnte sein Lächeln gar nicht mehr abschrauben. Wahnsinn‼ Einfach nur Wahnsinn‼ Adrian brachte Emily noch zur Tür, ehe er sein Handy zückte und alles für die Umsiedelung in die Wege leitete. Da ihm die Möbel in seiner alten Wohnung nicht gehörten, da er sie hatte mit mieten müssen, hatte er sich kurzerhand entschlossen, einen Sprung ins nächste Möbelparadies zu machen und sich eine komplette Zimmerausstattung zu suchen. Er hatte zwar bei seinem ersten Besuch nicht die Maße seines Zimmer nehmen können, aber Augenmaß musste einfach reichen und er wollte ohnehin kein zu voll gestopftes Schlafzimmer haben. Darum lieferten die Möbelpacker eine halbe Stunde später ein Futonbett, Regale, eine Couch, einige Kartons mit seinen Habseligkeiten, einen großen Kleiderschrank und ein paar Zimmerpflanzen. Bei dem großen Kleiderschrank halfen sie ihm dabei, diesen zusammen zu bauen, da er das alleine und mit nur zwei Händen unmöglich hätte schaffen können. Als die Männer abgezogen waren, baute Adrian zuerst seine Anlage auf dem Boden auf, um Musik zu haben, während er sein Zimmer einrichtete. Da Emily gesagt hatte, sie würde erst so um sieben kommen, hatte er auch kein schlechtes Gewissen, die Musik so weit aufzudrehen, dass sie angenehm durch die ganze Wohnung hallte. Zuerst kam das Bett dran, dann die Regale. Während er die weiße Couch an die richtige Stelle schob, und er seine vielen Bücher einräumte, bewegte sich sein Körper automatisch zum Takt der Musik, ohne dass er es großartig bemerkte. Rhythmus lag ihm einfach im Blut. Der große hölzerne Kleiderschrank mit der Spiegelfront war einfach ein Traum. Er konnte seine Hemden hinein hängen, hatte genug Platz für seine Shirts, Jeans, Shorts, Socken, Anzüge, Sportkleidung, Schuhe und sogar noch Raum für Schachteln mit Dingen darin, die er nicht allzu oft brauchte. Als er mit Auspacken halbwegs fertig war, brachte er erst einmal den Müll hinunter, um sich dann um diverse Kleinigkeiten kümmern zu können. Er fand relativ schnell Emilys Staubsauger, mit dem er einmal durch die ganze Wohnung düste, bis auf ihr Zimmer natürlich. Im Badezimmer legte er seine roten Hand- und Badetücher zu den ihren, stellte eine elektrische Zahnbürste, Zahnpasta, Zahnseide, Aftershave, Rasierer und Klingen, Haargel, Duschgel, Shampoo und eine Schachtel Heißwachs, in den für ihn bestimmten Freiraum, womit auch schon alles vollgeräumt wäre. Für seine Haarbürste fand sich auch noch einen Platz und den Rest würde er einfach in seinem Zimmer lassen. Ein neuer Songtitel begann in einem rhythmischen Beat loszulegen, worauf hin Adrian sofort wieder in Tanzstimmung kam, während er seine Kleidung neu zusammen legte und in den Schrank sortierte. Er war absolut glücklich. *** Emily saß an einem großen weißen Tisch. Über ihr flackerte eine helle Lampe. Mit einem genervten Seufzer stand sie auf und knipste sie aus. So konnte sie an diesem Ding nicht arbeiten. Die Farben des Sarkophags waren so verblasst und abgesplittert, dass sie extrem aufpassen musste nicht mehr zu ruinieren, als es die Zeit schon getan hatte. Aber dafür brauchte sie ordentliches Licht. Mit einer Hand zog sie sich die Brille von der Nase und legte sie auf dem Tisch ab. Die Atemmaske ließ sie über ihrem Mund. Die Kopflampe lag in einer Schublade. Sie sah immer lächerlich damit aus, weswegen sie sie auch so selten aufsetzte, aber wenn es nun mal nicht anders ging. Ihr Atem unter dem weißen Stoff war heiß und sie strich sich mit dem behandschuhten Handrücken eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor sie die Lesebrille wieder aufsetzte. Mit dem Skalpell drückte sie einen Farbsplitter auf das antike Holz zurück. Er brach nicht ab, also würde sie ihn wieder anbringen. Das war wesentlich besser als die Originalfarben durch neue zu ersetzen. Es machte zwar auch viel mehr Arbeit, aber Emily war Perfektionistin. Und das nicht nur in ihrem Beruf. In der Mittagspause saß sie im Hof des Museum auf einer Bank und aß einen Bagel mit Sprossen und Frischkäse. Sie dachte an Adrian und was er wohl gerade in der Wohnung machte. Sie war gespannt darauf, wie ihre gemeinsame Wohnung am Ende aussehen würde. Emily stand auf kleine Dekoelemente. Vor allem, wenn sie buntes Licht in die Zimmer warfen. Das würde mit Adrians … geschliffenem Stil vielleicht nicht zusammen passen. Aber man konnte sich ja immer irgendwie einigen. Als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte, schreckte sie hoch und sah sich um. Wen sie sah und wer sich im nächsten Moment neben sie auf die Bank setzte, gefiel ihr allerdings überhaupt nicht. „Hallo Brad.“ „Na, Sonnenschein?“ Emily hasste es, wenn er sie so nannte. Sie waren Kollegen und nicht Kindergärtner und Kind. Dieser Kerl versuchte sie schon so lange zu einem Date zu überreden, dass sie es völlig leid war, immer wieder abzulehnen. Sie mochte weder seine Art noch ihn selbst. Deshalb packte sie auch ihre Sachen zusammen und stand überstürzt auf. „Brad, ich muss zurück. Der Pharao wartet auf sein Bett.“ „Ach, komm schon, der kann noch warten.“ Er lief ihr hinterher. Emily war schon sauer genug, dass sie ihren Bagel nicht hatte aufessen können, aber das war zu viel. Sie drehte sich noch einmal um, wodurch Brad beinahe über sie stolperte. Er legte eine Hand auf ihren Oberarm, den Emily aber zurück zog. Das hinderte Brad allerdings nicht daran, so nah vor ihr stehen zu bleiben, dass sie das Gefühl hatte, er würde sie trotzdem berühren. „Nein, kann er nicht. Brad, ich hab zu tun. Schönen Nachmittag.“ „Stell dich doch nicht so an, Mauerblümchen.“ Sie ließ ihn stehen und verschwand in ihrem Labor. Am liebsten hätte sie die Tür zugeschlossen, aber das wäre doch übertrieben gewesen. *** Abends steckte sie den Schlüssel ins Schloss, während sie ihre Aktentasche und eine große Einkaufstüte auf dem anderen Arm balancierte. Beinahe wäre ihr die Tüte herunter gefallen, als die Tür aufschwang. Emily kickte ihre Schuhe in die Ecke unter der Garderobe und rief ein kurzes ‚Hallo’ in die Wohnung. Dann brachte sie die Tüte in die Küche. Adrian hatte gerade das Etikett der letzten Zimmerpflanze – ein Ficus – abgenommen, als er Emily nach Hause kommen hörte. Sofort stellte er die Anlage ab und kam dann mit einem Lächeln zu ihr. „Hi.“, begrüßte er sie und nahm ihr die schwere Einkaufstüte ab, um sie auf die Arbeitsfläche der Küche zu stellen. Bestimmt hätte sie das auch alleine geschafft, aber wenn er schon mal die Hände frei hatte... „Hast du Lust auf einen Tee? Ich wollte mir gerade einen machen.“ Er hatte noch einen von seiner letzten Wohnung mitgebracht, aber morgen würde er ebenfalls einkaufen gehen müssen, da er so gut wie nichts zum Essen daheim hatte. Da er aber ohnehin in zweieinhalb Stunden zu seiner Arbeit musste, hatte er nicht vor, jetzt noch etwas zu essen. Auf vollen Magen konnte er sich nicht gut bewegen. Während Emily also erst einmal ankam, stellte er schon mal heißes Wasser auf. Er musste zwar noch etwas herum suchen, da ihm alles noch nicht so vertraut war, aber schließlich fand er auch zwei Becher und Löffel. Der Zucker musste auch hier irgendwo sein. „Wie war dein Tag?“ Er wollte nur nett sein, darum hoffte er, dass seine Frage nicht zu aufdringlich war. Immerhin, das war nun erst das dritte Mal, dass sie sich sahen. Aber gerade am Anfang einer neuen Bekanntschaft, konnte er nur schwer schweigen. Es war etwas anderes, wenn man sich schon besser kannte. „Tee klingt super, danke.“ Sie entschuldigte sich kurz, bevor sie in ihr Zimmer ging und sich bequemere Klamotten anzog. Eine schwarze Leinenhose und einen dünnen, rosa Pullover. Zu Hause fühlte sie sich gern wohl. Das hieß nicht, dass sie im Schmuddellook herum lief, aber eben auch nicht geschniegelt und gebügelt. Sie kam gerade rechtzeitig in die Küche zurück, um Adrians Frage zu hören. „Mein Tag? Ganz ok, würde ich sagen.“ Das stimmte zwar, war aber kein besonders guter Anfang für eine Unterhaltung. „Und deiner? Hast du dich ein wenig einrichten können?“ Auf dem Weg in die Küche hatte sie keinen Blick in sein Zimmer geworfen. Sie wollte nicht zu neugierig wirken, auch wenn sie es durchaus war. Es interessierte sie sehr, wie er sich eingerichtet hatte. Immerhin hatte er wohl bereits all seine Möbel anliefern lassen. Ihr fiel etwas ein, das sie eigentlich erst später hatte fragen wollen. Aber eigentlich war es egal wann. Also sah sie ihn mit einem Lächeln an und nahm die dampfende Tasse Tee entgegen. „Danke.“ Währned sie in das heiße Getränk pustete, kam ihr der Gedanke, dass sie sich irgendwie immer noch nicht ganz daran gewöhnen konnte, dass er seine Haarfarbe derart krass geändert hatte. Warum wohl das Schwarz? „Ich habe mir überlegt, morgen nach Möbeln für das Wohnzimmer zu sehen. Nur ein wenig durch die Möbelhäuser laufen. Hast du vielleicht Lust mitzukommen?“ Wahrscheinlich hatte er schon etwas vor. Immerhin war es sehr kurzfristig. Aber sie wollte das Wohnzimmer endlich gemütlich gestalten. Im Moment standen nur ein alter Sessel und der Fernseher in dem großen Raum. Nicht sonderlich einladend. Adrian reichte ihr den fertigen Tee hinüber und schnappte sich danach gleich seine eigene Tasse, während er sich gegen die Theke lehnte. „Als du rein kamst, bin ich gerade mit Einziehen fertig geworden. Ich bin recht zufrieden. Allerdings muss ich mich bald für die Arbeit fertig machen.“ Er nahm einen vorsichtigen Schluck von dem heißen Getränk und lächelte sie dann begeistert an. Möbelhäuser liebte er. Er mochte das Schmöckern und Stöbern total. Vor allem, weil er ja im Geiste an seinem eigenen Haus plante und somit sich schon gerne Ideen und Anregungen suchte. „Ja, ich würde sehr gerne mitkommen. Ich habe morgen den ganzen Nachmittag Zeit. Wenn es dich nicht stört, dass ich danach auch noch schnell in den Supermarkt muss.“ Adrian rührte in seiner Tasse herum und betrachtete zugleich Emilys Kleidung, die sie sich gerade übergezogen hatte. Sah sehr gemütlich aus und doch nicht schlabberig. Soweit er das beurteilen konnte, hatte diese Frau Stil. Zwar nicht im Sinne von aufgetakelt, aber angemessen, obwohl die strenge Frisur sie irgendwie älter wirken ließ, als sie vermutlich war. Wie sie wohl mit offenen Haaren aussah? Ach ja - Adrian ermahnte sich. Eigentlich musste er jetzt ja langsam in den schwulen Modus umschalten. Nur war die Frage, was dabei das angemessene Maß war und was übertrieben? Vielleicht sollte er sich einfach ganz normal verhalten. Immerhin konnte man einem Mann in den meisten Fällen nicht gleich an der Nasenspitze ansehen, dass er sich für andere Männer interessierte. Lediglich die Frauengeschichten musste er weglassen. Da ihm das aber sogar ganz recht war, dürfte das keine allzu schwere Aufgabe sein. „Nein, gar kein Problem. Wir können mein Auto nehmen.“ Sie dachte nicht, dass sie sofort irgendwelche riesigen Möbel kaufen würden. Und falls dieser glückliche Fall doch eintreten sollte, konnte sie die Sachen liefern lassen. In ihren Mini würden sie auf jeden Fall nicht mehr als ein paar Kleinigkeiten hinein bekommen. Mal von Adrians Einkauf abgesehen. In der Stadt war der kleine Wagen einfach praktisch. Parkplätze waren einfacher zu finden, aber wenn es um Transporte ging, ließ der kleine Flitzer zu wünschen übrig. „Freut mich, dass dir das Zimmer gefällt.“ Sein freudiges Lächeln sprach dafür, also nahm sie es an. Sie mochte sein Lächeln. Und sie fühlte sich recht wohl mit ihm. Der Tee war eine gute Idee gewesen. Aber bald musste er zur Arbeit. Entertainment hatte er gesagt. Das konnte viel heißen. Wenn er ihr mehr erzählen wollte, würde er das sicher freiwillig tun. Er schien ja nicht gerade auf den Mund gefallen zu sein. „Wann passt es dir denn Morgen? Ich will dich ja nicht um deinen Schlaf bringen.“ Das wollte sie wirklich nicht. Die Situation machte sie ein wenig nervös. Sie hatte noch nie mit einem Fremdem zusammen gewohnt. Sie wollte, dass sie sich beide gut verstanden. Aber verbiegen wollte sie sich auch nicht. Sie würden das schon hinbekommen. Emily war sich sicher, dass sie einfach nur nett sein musste. Damit hatte sie absolut kein Problem. Wahrscheinlich würde es sie trotzdem irritieren, wenn er irgendwann einen ‚Freund’ mit nach Hause brachte. Sie lächelte in sich hinein. Sie hatte ein Auto? Sowas war wirklich sehr praktisch. Immerhin war er es schon lange leid, seine ganzen Einkäufe vom Supermarkt bis in seine Wohnung zu schleppen. Hier würde das jetzt kein Problem sein, da es zentraler lag und er zu den Geschäften nicht lange brauchte, aber in seiner alten Wohnung, war das nervenaufreibend gewesen. Apropos, er würde morgen seinen ehemaligen Vermieter anrufen müssen, damit er ihm die Kündigung mitteilte. Zwar hatte er drei Monate Kündigungsfrist, aber ihm war es egal, dass er in diesem Zeitraum für zwei Wohnungen zahlen musste. Hauptsache der Stress und der Zeitdruck ließen nach. Darum war er ja so scharf auf dieses Zimmer gewesen. Allerdings war er nie auf die Idee gekommen, sich selbst ein Auto zu kaufen. Er verdiente zwar genug Geld, um es sich leisten zu können, aber lange nicht genug, um es gleich Bar zu bezahlen und mit den Leasingraten wollte er sich nicht herum schlagen müssen. Da zahlte man gleich eine ganze Menge mehr drauf, als das Auto ursprünglich eigentlich gekostet hätte. Außerdem sparte er ohnehin auf etwas anderes. „Also, wenn du nichts dagegen hast, dann morgen so gegen ein Uhr.“ Dann hatten sie genug Zeit, bis er wieder zur Arbeit musste. Immerhin herrschte am Wochenende im Club Vollbetrieb, weshalb er gerade dann drei Nächte hindurch arbeiten musste. Ansonsten hatte er immer einen freien Tag dazwischen. „Wie hättest du eigentlich die ersten sechs Monatsmieten? Bar oder auf dein Bankkonto überwiesen?“ Er wollte das Geschäftliche gleich regeln, damit sie diesen Teil abhaken konnten. „Klar, ein Uhr passt mir.“ Sie hatte am nächsten Tag nicht viel vor. Zu den Möbelhäusern zu fahren war ihr einziger Plan gewesen. Und wenn Adrian gleich mitkam musste sie nicht jemand anderen anrufen, um irgendetwas auszumachen. Julie würde sicher gern mitkommen, aber sie hatte Emily bereits in der vergangenen Woche abgesagt. Sie war zu beschäftigt, sich an ihren neuen Freund zu krallen. „Oh, wenn es für dich ok ist, kannst du das Geld überweisen. Ich schreibe dir die Bankverbindung auf.“ Adrian trank seinen Tee zu ende, spülte die Tasse aus und stellte sie auf die Abtropffläche. „Leg mir den Zetteln einfach hin, ich werde das dann gleich morgen erledigen. Aber wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss mich noch fertig machen.“ Er schenkte ihr noch einmal ein mehr als zufriedenes Lächeln. Bis jetzt war es sehr angenehm gewesen, sich mit ihr zu unterhalten. Wenn das so weiter ging, würde das sicher ein ruhiges Zusammenleben sein. Ob sie einen Freund hatte? Die Frage stellte sich ihm plötzlich ganz willkürlich. Na ja. Wenn einmal ein anderer Mann als er durch die Wohnung tigerte, würde er es wissen. Sein erster Weg führte ins Badezimmer, wo er kurz aber ausgiebig duschte, sich die Haare wusch und dann föhnte. Während er sich rasierte, überlegte er sich schon einmal, welches Programm heute für ihn anstand. So weit er sich erinnern konnte, war er für einen der Käfige eingetragen. Was hieß, dass er mehr oder weniger selbstständig Performance machen konnte, ohne dass man ihn dabei großartig störte. Die vielen Blicke war er schon lange gewohnt und da er ja im Käfig war, musste er sich nicht vor übereifrigen Frauen in Acht nehmen, die gerne mal seinen hauchdünnen Tanga zur Seite schoben, um doch mehr von ihm erhaschen zu können, als er für gewöhnlich zu bieten hatte. Immerhin zogen sie sich im „Shadow“ nicht vollständig aus. Was er auf keinen Fall vergessen durfte, war sein Bodyglitter. Das Zeug war zwar etwas schwer wieder abzukriegen, aber der Effekt war enorm. Und darauf kam es ja schließlich an. Eine gute Show was alles in seinem Beruf. Wer das nicht bringen konnte, hatte schon verloren. Noch immer in Gedanken versunken, band er sich schließlich ein Handtuch um die Hüften, schnappte sich seine Klamotten und marschierte in sein Zimmer zurück. Er warf die Sachen erst einmal auf die Couch, da er sich morgen nach einem eigenen Wäschekorb umsehen würde. Das Handtuch hängte er über einen leeren Kleiderständer, während er nackt vor seinem Kleiderschrank stand und sich etwas passendes heraus suchte. Kurzentschlossen schnappte er sich eine ausgewaschene Jeans, ein schwarzes Shirt und ein hellblaues Hemd darüber. Dazu passende Socken und Schuhe und er war fertig. Immerhin ging er zur Arbeit, da musste er sich nicht übermäßig auftakeln. Als er aus seinem Zimmer trat, ließ er die Tür offen. „Also, ich bin dann mal weg. Wünsch dir noch einen schönen Abend“, teilte er ihr mit und war dann auch schon zur Tür hinaus. Als Adrian ins Bad ging um sich zu duschen blieb Emily in der Küche sitzen und nippte weiter an ihrem Tee. Dann ging sie zur Spüle hinüber, zog einen kleinen Block und einen Stift aus der Schublade und kritzelte ihre Bankverbindung auf einen Zettel, den sie einfach an den Kühlschrank heftete. Gerade als die Wohnungstür hinter Adrian ins Schloss fiel klingelte das Telefon. „Ja, hallo?“ Emily meldete sich nicht mit ihrem Namen. Ihre Nummer war nicht im Telefonbuch. Das hatte sie nur einmal gemacht und der einzelne Frauenname hatte irgendwelche Kerle auf den Plan gerufen, die sich gern in eine Leitung stöhnen hörten. „Hey! Hier ist Julie!“ Die begeisterte Stimme hatte auch auf niemand anderen schließen lassen. „Hey. Wie geht’s?“ Emily trug das Telefon in ihr Zimmer und machte es sich in dem Erker zwischen den vielen Kissen gemütlich. Ein Gespräch mit Julie dauerte für gewöhnlich etwas länger. „Oh, mir geht’s sehr gut. Weswegen ich dich anrufe…“ Noch dazu kam Emily selten dazu bei diesen Gesprächen viel beizutragen. Also hörte sie zu und sprach ab und zu ihre Begeisterung aus. „Ins Shadow?“ Emilys Überraschung war nicht gespielt. Von dem Club hatte sie bis jetzt nur gehört. Sie war nicht diejenige, die sich gern halbnackte Tänzer ansah. Vielleicht war sie auch einfach zu prüde. „Ja, Emily, das war total heiß!“ An die Aussage schloss sich ein Quietschen und dann hysterisches Gekicher an. „Du hättest dabei sein sollen. Wir wollen heute wieder hin. Kommst du mit?“ „Ähm… Ich…“ Sie hatte keine Lust. Das war wirklich nicht ihr Ding. Sie ging gern in Bars, aber ein Stripclub? „Die ziehen sich nicht ganz aus. Mach dir also nicht ins Höschen. Komm schon!“ „Ich weiß nicht. Du weißt doch, das ist nicht so mein Ding. Ich…“ „Aber die haben Ladysnight am Montag. Da musst du nichtmal Eintritt zahlen. Da gibt’s dann keine Ausrede mehr, verstanden?“ Emily rollte mit den Augen. Oh doch, es würde eine geben. Sie hatte immerhin drei Tage Zeit, um sich eine zu überlegen. „Wie ist eigentlich die Wohnung? Hast du jemanden gefunden?“ Als Emily Julie von Adrian erzählte hörte sie wieder ein Quietschen in der Leitung. „Ein Kerl?! Meine Liebe, sehr gute Entscheidung. Auch wenn er sicher ein BWL-Student ist, der mit Karohemd und Pullunder rumläuft, so wie ich deine Auswahlkriterien kenne.“ „Nein, tut er nicht.“ Ganz im Gegenteil. Dass er schwul war, band sie Julie nicht sofort auf die Nase. Das würde wahrscheinlich bloß bewirken, dass Julie am nächsten Morgen mit überwältigender Neugier vor der Tür stand. Nach einer weiteren halben Stunde war das Gespräch zu Ende. Emily machte sich bettfertig und las noch eine weitere Stunde, bevor sie das Licht ausknipste. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie es war, die ganze Nacht zu arbeiten. Das hätte sie wahrscheinlich innerhalb von einer Woche völlig fertig gemacht. „Hey, Claire! Ich hab gehört, das ist heute dein letzter Arbeitstag?“ Adrian begrüßte seine langjährige Kollegin mit einem Kuss auf beide Wangen und einer kurzen Umarmung. Sie war gerade von einem Auftritt zurück in die Umkleideräume gekommen, wo sie sich auch für gewöhnlich alle herrichteten. Adrian glitzerte bereits mit feinstem Goldschimmer überzogen überall an seinem durchtrainierten Körper, hatte sich aber im Augenblick einen schwarzen Morgenmantel übergeworfen. Die schöne Brünette mit den braunen Augen lächelte ihn herzlich an. „Ja, mein Mann lag mir schon seit Wochen in den Ohren, dass ich nur noch Privatvorstellungen geben soll und zwar bei uns Zuhause.“ Sie schüttelte lächelnd den Kopf, als sie offenbar an eines der Gespräche mit ihrem frisch gebackenen Ehemann erinnert wurde. „Na, ich hoffe doch, dass er dir dann auch extra Trinkgeld gibt.“ „Das und mehr.“ Ein zweideutiges Grinsen erschien auf ihrem Gesicht, ehe sie ihm einen Knuff in die Seite gab. „Na los, mach die Ladys glücklich. Die Bude ist gerammelt voll und will unterhalten werden.“ Sie schob ihn ein Stück in die Richtung, aus der sie gerade gekommen war und gab ihm noch einen Klaps auf den Hintern. „Man sieht sich, Adrian.“ „Auf jeden Fall. Ruf mich an, wenn du mal jemanden zum Quatschen brauchst.“ Er winkte ihr zu und legte den Morgenmantel ab. „Mach ich.“ Sie lächelte, da sie beide wussten, dass sie das nicht tun würde. Sie hatte ihr Leben vollkommen im Griff, selbst wenn sie gerade nur im String durch die Gegend lief. Ihr Ehemann hatte großes Glück und sie mit ihm. Noch immer mit einem Lächeln auf den Lippen, stellte er sich hinter einen der Vorhänge, der die vielen kleine Gänge zum Clubbereich verbergen sollte, die zu je einer Plattform, einem Käfig oder einer Stange führten. Die Hauptbühne hatte einen extra Eingang, aber die war auch viel größer. Das Lächeln verschwand schließlich von seinen Lippen, als er sich auf den hämmernden Beat konzentrierte, der kaum gedämpft zu ihm hindurch drang. Schon spürte er die aggressiven Bässe in jedem Bereich seines Körpers. Er war bereit. Adrian wartete noch den richtigen Takt ab, ehe er mit geschmeidigem Gang den kleinen Steg entlang ging, um zu seinem Käfig zu gelangen. Das Kreischen um ihn herum wurde lauter, als man ihn entdeckte und schon spürte er die ersten Fingerspitzen über seine Haut streifen, aber noch war die Menge beherrscht und kurz darauf war er im Käfig sicher, auch wenn er an diesem Ort nur noch mehr zur Schau gestellt wurde. Etwas, dass ihn schon lange nicht mehr nervös machte. Es war sein Leben. Kaum dass er in seinem Wohlfühlbereich war, begann er zu tanzen wie ein Gott. Mit dem Glitter überall auf dem Körper, dem schwarzen Tanga aus Samt und den wechselnden Lichtverhältnissen über ihm, sah er auch tatsächlich wie nicht von dieser Welt aus. Alles nur Show, wie er wusste, denn man hatte seine Umgebung auf die Vorteile seines Körpers abgestimmt. Vor allem seine leuchtend blauen Huskyaugen dominierten sein Erscheinungsbild immer wieder so sehr, dass viele Frauen versuchten, einen Blick von ihm zu erhaschen. Ab und zu schenkte er ihnen diesen Genuss, aber meistens, konzentrierte er sich vollkommen auf seine geschmeidigen Bewegungen. Und nach mehr als einer Stunde des Tanzes, fühlte er sich tatsächlich berauscht und zugleich elektrisiert wie eine Raubkatze im Käfig, die von unzähligen Augenpaaren angestarrt wurde. Wenn er tanzte, dann war er nicht mehr er selbst. Er konnte von seiner Persönlichkeit ablassen und sein, was er schon immer sein wollte. Zärtlich, sinnlich, dominant, aggressiv, düster, mysteriös, aber vor allem das verführerische Versprechen purer Erotik. *** Emily hörte die Tür, als Adrian nach Hause kam. Die Dielen knarrten unter seinen Schritten und sie schlug die Augen kurz auf. Sie wusste nicht warum, aber es machte sie trotz allem nervös, einen Mann in der Wohnung zu haben. Noch dazu einen, der um - sie sah auf den Wecker in Würfelform, der auf ihrem Nachtkästchen stand - der um fünf Uhr morgens nach Hause kam. Sie zog sich die Decke bis zur Nasenspitze hoch und entspannte sich erst wieder, als sie ihn nach der Dusche in seinem Zimmer verschwinden hörte. Bestimmt würde sie sich bald daran gewöhnen. Er war auch nicht laut, aber die Wände waren nicht besonders dick. Kapitel 3: 3. Kapitel --------------------- Als er zum ersten Mal nach der Arbeit in sein neues Zuhause kam, kribbelte es regelrecht in seinem Bauch. Nicht nur, dass diese Nacht einfach der totale Hammer für ihn gewesen war, wie eigentlich fast jede Nacht, nein, Adrian hatte sich auch schon die ganze Zeit auf diese Wohnung gefreut. Als er hinter sich die Haustür schloss, sperrte er wieder ab und ging dann ohne Umschweife ins Badezimmer. Zwar hatte er schon im Club geduscht, um den Großteil des Glitters wieder abzubekommen, aber die hier brauchte er jetzt dringend, um sich zu entspannen und von seinem Trip runterzukommen. Adrian musste bei dem Gedanken schmunzeln, während er sich entkleidete. Wenn man ihn so denken hörte, konnte man meinen, er wäre jede Nacht auf Drogen. Aber das was er konsumierte, war absolut legal. Tanzen brachte ihn in Euphorie, machte ihn unglaublich glücklich und belebte ihn auf eine Weise, wie es sonst nichts auf der Welt konnte. Genau aus diesem Grund hatte er diesen Job, nicht weil er das Geld brauchte, auch wenn es sich gut anfühlte, sich darum keine Sorgen machen zu müssen, nein, er brauchte diesen Kick. Es hätte ihm auch schon gereicht, ein paar Abende in irgendeiner Disco abzuhängen, um sich die Seele aus dem Leib zu tanzen. Aber wenn er für etwas, das ihm so großen Spaß machte, auch noch Geld bekommen konnte, wäre er dumm gewesen, das nicht anzunehmen. Jetzt allerdings unter der Dusche, war er einfach nur froh, dem Lärm entkommen zu sein und in sein frischbezogenes Bett fallen zu können. Was er auch schon kurze Zeit später tat. *** Emily erwachte erst vom leisen Piepsen ihres Weckers. Er leuchtete in bunten Farben, bis sie einmal darauf klopfte und sich dann aufsetzte. Es war relativ dunkel im Zimmer. Als sie die Gardinen ein Stück aufzog, konnte sie auch sehen warum. Es schüttete wie aus Kübeln und der Himmel war dunkelgrau. Emily sprang nur kurz unter die Dusche und zog sich dann die Sachen vom letzten Abend über. Dann ging sie in die Küche und setzte Kaffee auf. Da er erst so spät nach Hause gekommen war, nahm Emily nicht an, dass Adrian bald am Frühstückstisch auftauchen würde, aber trotzdem machte sie eine ganze Kanne Kaffee und ging nach unten, um die Zeitung zu holen. Eine Weile saß sie am Küchentisch und las die neuesten Nachrichten. Da die Schlagzeilen aber im positivsten Sinne deprimierend genannt werden konnte, ließ sie es bald wieder bleiben und setzte sich in den alten Sessel im Wohnzimmer vor den Fernseher. Sie stellte ihn sehr leise, um Adrian nicht aufzuwecken. Außerdem sah sie sich sowieso mehr im Zimmer um, als auf den Bildschirm. Ihr war noch nicht ganz klar, wie sie den Raum am liebsten gestaltet hätte. Natürlich ein großes Sofa, auf dem man gemütlich sitzen und Fernsehen konnte. Außerdem einen Tisch und ein Regal für Fernseher und Stereoanlage. Ein Bücherregal? Es war schwer zu sagen, was sie alles hinein stellen sollten. Immerhin hatte jeder die meisten seiner Sachen in seinem Zimmer. Sie würde einfach mit Adrian darüber reden, wenn er wach war. Auf jeden Fall wollte sie ein buntes Lichtspiel für das große Fenster. Und dabei würde sie sich nicht reinreden lassen. Sie schmunzelte in ihre Kaffeetasse, als sie daran dachte. Adrian wachte vom Geruch frischen Kaffees auf. Wenn es um Geräusche ging, schlief er wie ein Stein, selbst wenn jemand neben ihm staubsaugte. Immerhin musste er einen so festen Schlaf haben, wenn er am Tage das nachholen wollte, was er in der Nacht versäumte, aber bestimmte Gerüche nahm er dafür umso deutlicher wahr. Also rieb er sich kurz die Augen und setzte sich dann auf. Es war noch relativ früh am Morgen, er hatte nur wenige Stunden geschlafen. Aber der Gedanke daran, heute einen freien Tag zu haben, da er für heute Abend frei bekommen hatte, machte ihn mit einem Schlag putzmunter. Sein Chef verlangte dafür, dass er am Montag da war, weil sie da wieder einmal Ladysnight hatten und es sich keiner der männlichen Tänzer leisten konnte zu fehlen. Immerhin bedeutete das meist einen fetten Bonus. Also stand er schließlich auf, zog sich eine schwarze Seidenshort an – er liebte luftdurchlässige Stoffe – und kam dann ins Wohnzimmer geschlendert, während er seine Frisur zu bändigen versuchte, die in alle Richtungen abstand. „Guten Morgen.“, begrüßte er seine frischgebackene Mitbewohnerin und schnupperte dann noch deutlicher. Er hatte sich also nicht geirrt, was den Geruch anging. „Hey, darf ich mir auch einen Kaffee nehmen?“ Das wäre jetzt genau das Richtige, um in die Gänge zu kommen. Schön, wenn er mal wieder einen Tag so früh angehen konnte. Emily erschrak fast, als Adrian in der Wohnzimmertür auftauchte. Sein Zimmer lag direkt daneben. Trotzdem wunderte sie sich, dass sie ihn nicht gehört hatte. „Guten Morgen. Klar, ich hab mehr gemacht.“ Sie sah kurz an ihm herunter. Er schien auf jeden Fall kein Problem damit zu haben, halbnackt herum zu laufen. „Milch ist im Kühlschrank.“, rief sie ihm noch hinterher, als er sich auf den Weg in die Küche machte. Er konnte es sich auf jeden Fall leisten nur in Shorts herum zu laufen. Daran bestand kein Zweifel. Aber Schwule achteten ja angeblich meistens auf ihren Körper. Wahrscheinlich sollte sie sich etwas von seinen Essgewohnheiten abschauen. Emily war zwar keinesfalls übergewichtig, aber sie machte sich nur selten die Mühe, etwas Gesundes für sich selbst zu kochen. Stattdessen aß sie einfach weniger. Vielleicht konnte sie Adrian fragen, ob sie eine Art Kochplan erstellen sollten. Ihr wäre es lieber gewesen für zwei Leute zu kochen. Das machte ihr mehr Spaß. Aber sie würde erstmal abwarten. Immerhin hatte sie einen völlig anderen Tagesablauf. Vielleicht würden sie sich gar nicht oft zu Gesicht bekommen. Im nächsten Moment klingelte es an der Tür. So früh am Morgen vermutete Emily bloß den Postboten. „Hast du was bestellt?“, fragte sie mit einem Blick in die Küche, als sie zur Tür unterwegs war. Als sie durch den Spion sah, war sie mehr als überrascht. „Julie?“ Sie hatte kaum die Tür geöffnet, als ihre Freundin in der Wohnung stand. Und nicht allein. Sie hatte eine riesige Orchidee in den Händen, die sich Emily entgegen streckte und sofort anfing zu sprechen. „Hey! Sorry, dass ich schon so früh vorbei schneie. Luke hat mich mit einem Wochenendtrip überrascht und ich wollte vorher noch hier vorbei, um dir die Pflanze zu geben.“ Außerdem wollte sie sich ihren Mitbewohner ansehen. Das musste Julie aber nicht sagen, denn es war Emily ohnehin klar. Julie knuffte Emily in die Schulter. „Keine Sorge, bin gleich wieder weg. Luke wartet im Auto.“ Trotzdem zwinkerte sie Emily zu und sah sich neugierig in der Wohnung um. Anscheinend hatte sie Adrian in der Küche gehört, denn sie steuerte geradewegs darauf zu. Emily konnte nicht anders als hinterher zu laufen. Beinahe wäre sie gegen Julie geprallt, die im Türrahmen stehen geblieben war. „Hi!“ „Adrian, das ist eine Freundin von mir. Julie.“ Julie schüttelte Adrians Hand und hatte irgendwie einen seltsamen Blick aufgesetzt. Im nächsten Moment erklärte sie warum. „Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.“ Lächelnd folgte er dem Kaffeegeruch bis zu seinem Ursprung. Zwar hätte er dabei auch bei Emilys Tasse landen können, aber er hatte schließlich doch den Weg in die Küche eingeschlagen. Gerade als er nach einer eigenen Tasse im Schrank griff, läutete es an der Tür. Seltsam, so früh am Samstagmorgen? Das gleiche schien auch seiner Mitbewohnerin durch den Kopf zu gehen, denn sie fragte ihn, ob er was bestellt habe. Daraufhin konnte er nur den Kopf schütteln und sich frischen, heißen Kaffee einschenken. Die Stimmen im Flur sagten ihm schon Mal, dass es sich nicht um den sexy Postboten handeln konnte. Er grinste. Vermutlich eine Freundin. Adrian schenkte sich Milch und Zucker ein, ehe er sich in der Tasse rührend umdrehte und so früh am Morgen schon angestarrt wurde. „Hi!“, lächelte er Emilys Besuch zu, streckte ihr die Hand entgegen, ehe er einmal von seinem Kaffee nippte. Genau richtig. Obwohl er sich unter diesem seltsamen Blick von „Julie“ unwohl fühlte, zeigte er es nicht, sondern lehnte sich stattdessen lässig gegen die Küchenanrichte. Wäre doch gelacht, wenn eine Frau ihn so früh am Morgen schon aus der Fassung brachte. Was bei ihren nächsten Worten beinahe auch passiert wäre. Immerhin meinte sie in diesem seltsamen Tonfall, er würde ihr bekannt vor kommen. Tja, das konnten so einige Ladys in dieser Stadt behaupten. Aber kaum eine war dabei, die ihn einmal in „Zivil“ gesehen hatte. Also nippte er noch einmal seelenruhig an seinem Kaffee und meinte dann leichthin: „Ich wohne schon seit Jahren in dieser Stadt, fahre fast täglich mit der Bahn, kaufe nur hier in der Gegend ein. Schon möglich, dass wir uns schon einmal über den Weg gelaufen sind.“ Auch wenn sie ihm absolut nicht bekannt vorkam. „Möchten Sie auch einen Kaffee?“, bot er ihr schließlich an. „Nein, nein, sicher nicht beim Einkaufen oder so was…“ Julie starrte Adrian derartig an, dass es Emily fast peinlich war. Sie winkte wegen des Kaffees ab und grübelte weiter. Julie sah verdammt gut aus. Klein, zierlich, blond, mit dunklen Augen. Sie schleppte auch immer wieder neue Freunde an, die sie dann nach ein paar Tagen oder Wochen entsorgte. Dann kam sie meistens zu Emily und heulte sich aus, bis der nächste vor der Tür stand. Man konnte es bildlich sehen, als in Julies Hirn die Glühbirne anging. Sie grinste breit und sah dann Emily an. „Ja, genau. Mensch, in normalem Licht hätte ich dich fast nicht erkannt.“ Ihr Grinsen wurde noch breiter und sie sah einmal an Adrian hinauf und hinunter. Am liebsten hätte Emily sie aus der Küche geschoben. „Nein, kein BWLer, da hast du Recht. Mann, hättest du halt was gesagt.“ Emily verstand kein Wort von dem, was Julie von sich gab. Dementsprechend sah wohl auch ihr Gesichtsausdruck aus. „Ach, komm schon. Du hättest mir sagen können, dass du deswegen gestern nicht mitgekommen bist. Wäre schon ein bisschen seltsam gewesen, oder?“ Von der Straße her war nachdrückliches Hupen zu hören. Luke schien nicht gerade geduldig zu sein. In dieser Straße um diese Uhrzeit am Samstag so ein Theater zu machen, war ziemlich dreist. Warum klingelte er nicht einfach? „Oh, hört sich so an, als müsste ich los.“ Mit einer kurzen Verabschiedung und einem überbreiten Grinsen für Adrian flitzte Julie in den Flur und zur Tür hinaus. Bevor sie die Treppen hinunter rannte umarmte sie Emily noch und flüsterte ihr mit einem Zwinkern zu. „Am Montag kommst du dann aber mit. Er ist echt gut!“ Er lächelte immer noch, obwohl seine Augen kalt wie Eiskristalle wurden, als seine Tarnung offensichtlich aufgeflogen war. Zum Glück schien Emily nicht zu verstehen, was ihre Freundin meinte, aber er kapierte durchaus. Was ihn verdammt sauer machte. Das war sein erster Tag in dieser Wohnung. Sein erster Tag überhaupt mit einer Mitbewohnerin und eigentlich hatte der Tag auch hervorragend angefangen, aber nein, diese Frau musste ihm mit ihren Worten so derartig in die Eier treten, dass er beinahe die wenigen Schlückchen Kaffe wieder hervor gewürgt hätte. Obwohl er solche Blicke gewöhnt war, fühlte er sich unter der Musterung von Julie vollkommen entblößt. Als hätte er noch nicht einmal seine eigene Haut an, was ebenfalls nicht zur Förderung seiner guten Laune beitrug. Du hast den Mietvertrag unterschrieben. Sie kann dich nicht gleich wieder rausschmeißen. Er redete sich in Gedanken gut zu, dabei die Panik unterdrückend, die ihn vermutlich erst recht verraten hätte. Doch anstatt nun zu hyperventilieren oder sich mit Daumen und Zeigefinger den Ansatz seines Nasenrückens zu massieren, lächelte er noch charmanter Emilys Freundin zu, die dank des ungeduldigen Hupens endlich einen Abgang machte. Er mochte sie schon jetzt kein Bisschen. Immer noch verwirrt, schloss Emily die Tür hinter ihrer Freundin. Die Pflanze hatte sie immer noch in der Hand, als sie wieder in die Küche kam. „Kannst du mich erleuchten? Ich hab keine Ahnung, was sie meint. Woher kennt ihr euch denn?“ Emily war schon immer ein neugieriger Mensch gewesen, aber weniger aufdringlich als Julie es war. Sie stellte die Orchidee in die Spüle und wässerte sie, schnitt die Plastikfolie ab und stellte sie anschließend auf die Fensterbank neben den kleinen Kasten mit frischen Gewürzen. Als er schließlich mit seiner Mitbewohnerin wieder alleine in der Küche stand, fiel es ihm schwer, die ruhige und gelassene Fassade aufrecht zu erhalten. Es wäre aber unfair Emily gegenüber gewesen, seine schlechte Laune jetzt an ihr auszulassen. Immerhin konnte sie absolut nichts dafür und trotz allem freute er sich ja immer noch auf ihren Ausflug am Nachmittag. Also trank er mit großen Zügen seinen Kaffee leer und machte sich mit den Worten: „Ich kenne sie nicht.“, auf den Weg in sein Zimmer, um sich die Sportsachen überzuziehen. Keine fünf Minuten später hatte er sich seinen Schlüssel geschnappt und verließ die Wohnung, nachdem er Emily mitgeteilt hatte, er würde eine Runde Joggen gehen. Oh, er würde mehr als das. Normalerweise ging er am Wochenende nicht zum Training. Aber heute war ihm einmal verdammt danach, seine Muskelpartien lechzen zu hören. Emily hatte ihm verwundert hinterher gesehen, aber nichts weiter dazu gesagt. Vielleicht hatte Julie sich auch geirrt. Immerhin gehörte sie nicht zu den hellsten Birnen im Laden. Was sie gesagt hatte, ließ vermuten, dass sie meinte, Adrian würde in diesem Club arbeiten. Im Shadow. Würde zumindest seine Nachtschichten und den Job im ‚Entertainment’-Business erklären. Die nächste Tasse Kaffee lang versuchte Emily zu entscheiden, ob sie das stören würde, wenn es der Wahrheit entsprach. Ja, der Job gefiel ihr nicht. Exotischer Tänzer. Aber das bedeutete ja nicht, dass er ein schlechter Mensch war, Drogen nahm oder Ähnliches. Das hoffte sie zumindest. Und gestern Nacht war er nicht mit einem anderen Kerl nach Hause gekommen, um lauten Sex im Flur zu haben. Also würde Emily wieder erstmal abwarten. Vielleicht irrte sich Julie ohnehin. *** Als Adrian von seinem Training nach Hause kam, war er wieder bester Laune. Krafttraining war für ihn schon immer ein absoluter Entspannungsfaktor gewesen, auch wenn man das körperlich nicht unbedingt behaupten konnte. Aber zumindest ließ es ihn geistig ruhig werden, während seine Muskelpartien brannten und um ihr Leben schwitzten. Er duschte sich noch ausgiebig und zog sich dann eine unauffällige Jeans an – er liebte diese Hosen einfach – dazu das schwarze Shirt von gestern und darüber noch eine Karamellfarbene Lederjacke. Pünktlich wie immer stand er bei Fuß, als ihr Ausflug los gehen konnte. Um kurz vor eins zog sich Emily für ihren kleinen Ausflug um. Adrian war vor kurzem nach Hause gekommen. Er war völlig durchnässt gewesen, denn draußen regnete es immer noch. Naja, das hatte sicher zumindest den Vorteil, dass das Möbelhaus nicht total überfüllt sein würde. Sie würden sich also in aller Seelenruhe umsehen können. „Fertig?“, fragte sie unnötiger Weise, denn pünktlich um ein Uhr stand Adrian im Flur und wartete offensichtlich darauf, dass sie losfuhren. Der Wagen stand nur einen Block weiter, den sie im Sprint hinter sich brachten. Der Regen prasselte auf das Dach des Minis mit der Englischen Flagge nieder und Emily machte die Heizung und die Lüftung an, da die Scheiben sofort beschlugen. Während der Fahrt versuchte Emily Adrians Geschmack ein wenig auszukundschaften. „Hast du dir schon Gedanken gemacht? Was würdest du außer einer Couch und Fernsehmöbeln fürs Wohnzimmer besorgen?“ Sie hätte auch über den Vorfall heute Morgen sprechen können, aber dazu hatte offensichtlich Adrian wie auch sie keine Lust. An Julie gewöhnte man sich entweder oder man ließ es bleiben. Sie war nur irgendwie an Emily hängen geblieben. Sie wussten beide nicht recht warum. Da es draußen noch immer regnete, mussten sie sich beeilen, zu ihrem Wagen zu kommen. Umso angenehmer war es, als schließlich die Wärme der Heizung den Wageninnenraum erfüllten und er gedankenverloren aus dem Fenster starren konnte. Das machte er auch immer in der Bahn, im Bus, im Zug, eigentlich überall, wo er darauf wartete von einem Ziel zum anderen zu kommen. Da er dabei für gewöhnlich alleine war, schreckte er leicht zusammen, als Emily das Wort an ihn richtige. Er hatte sich zwar noch nicht so richtig Gedanken über das Wohnzimmer gemacht, da er sowas meistens erst entschied, wenn er eine Auswahl an Möbel vor sich hatte, dennoch sollte er ihr eine Antwort geben. „Wie wäre es mit ein paar Regalen, wo wir Grünpflanzen hin stellen könnten. Das macht den Raum gleich viel lebendiger. Was hältst du eigentlich von Barhockern für die Küchentheke?“ Im Grunde war es ihm relativ egal, wie der gemeinsame Wohnbereich aussah. Wenn sie nur das nahmen, was Emily gefiel, würde es ihm sicher auch gefallen, denn ihr Zimmer hatte sehr gemütlich auf ihn gewirkt. „Hast du eigentlich etwas gegen Fische?“, fragte er plötzlich aus einer geistigen Eingebung heraus. Er wollte schon immer ein Aquarium in einem seiner Regale im Wohnzimmer stehen haben. Seit er von Zuhause weg war, vermisste er immer wieder den beruhigenden Anblick seiner teuren Zierfische, die er als Kind besessen hatte. Das mit den Barhockern war eine gute Idee. Genauso wie die mit den Grünpflanzen. Allerdings musste Emily ihm etwas gestehen. „Ich bin nicht sonderlich gut mit Pflanzen, muss ich zugeben. Ich strafe sie meistens mit Ignoranz und das funktioniert, solange ich nicht völlig vergesse, sie zu gießen.“ Also würde auch das mit den Fischen zu seinem Bereich gehören. Sie wollte keine Verantwortung für die Tiere übernehmen. Aber wenn Adrian sich damit auskannte hatte sie sicher nichts dagegen. Das sagte sie ihm auch. Nach einer kurzen Fahrt durch den dichten Verkehr kamen sie auf den großen Parkplatz des Möbelhauses an. Es war, wie erwartet, wenig los. Die wenigen Leute, die dort umerhgingen, waren meistens Pärchen. Der einzige Grund, warum Emily sich in Möbelhäuser manchmal unbehaglich fühlte. All dieses Glück machte sie eifersüchtig und unglücklich. Zumindest war sie heute nicht ganz allein hier. Auch wenn ihre Begleitung nicht ihr Freund, sondern ihr schwuler Mitbewohner war, der vielleicht in einem Stripclub sein Geld verdiente. Sie schnappten sich eine große Tasche und folgten den Pfeilen auf dem Boden in die Wohnzimmerabteilung. Die ersten paar Ausstellungsstücke trafen überhaupt nicht Emilys Geschmack. Sie waren schwer und dunkel, wie in einem alten Adelshaus, in dem man Leichen im Keller fand. Bei den dunklen Metallleuchten an der Decke schauderte Emily fast. Auf der Couch, die ihr auf den ersten Blick gefiel, saß gerade ein hübsches Mädchen von ungefähr 18 Jahren und redete begeistert auf ihren Begleiter ein. Der zog sie nach einer halben Minute hoch und drückte ihr einen Kuss auf, als wären überhaupt keine Menschen im Umkreis von zehn Kilometern. Emily sah zu Boden, als sie ein schmerzhaftes Ziehen in der Herzgegend verspürte. Sie ignorierte es und ging zu einem Regal hinüber, das ihr zwar nicht gefiel, aber zumindest von der Szene ablenkte. Außerdem stand ein grüner Bilderrahmen darauf, von dem sie die Nummer auf einen kleinen Zettel in ihrer Tasche schrieb, um ihn später bei den Kleinteilen mitzunehmen. Emily hasste es sich schlecht zu fühlen, wenn andere Menschen frisch verliebt waren und das in der Öffentlichkeit zeigten. Sie wollte nicht eifersüchtig sein. Und trotzdem konnte sie nichts dagegen tun. Die ersten Gegenstände in der Möbelabteilung erinnerten ihn an sein Elternhaus. Nein, danke. Er ging weiter und sah sich interessiert bei den Sofas um. Natürlich fiel ihm auch das Pärchen auf, dass hier öffentlich knutschte, im Geiste meinte er auch zu ihnen, sie sollten sich vielleicht zu den Betten verziehen, aber im Grunde kümmerten sie ihn wenig, also konzentrierte er sich wieder auf die Möbel. Ein rotes Sofa mit großen Polstern lachte ihm munter zu und er ließ sich kurzerhand einfach darauf fallen, um es auszuprobieren. Dabei konnte er schon beinahe seine Hüftknochen knirschen hören. Sofort kam er wieder auf die Beine und schenkte dem harten Möbelteil einen Blick, als hätte es ihn persönlich beleidigt, ehe er sich beschwingt einem anderen Modell zuwandte. Lindgrün, nicht unbedingt seine Lieblingsfarbe, aber es war ein sehr schöner Farbton und vor allem sah es nicht nur weich und kuschelig aus, es fühlte sich auch so an. Vielleicht etwas zu weich. Wenn man darin zu lange saß, könnte man Gefahr laufen, davon gefressen zu werden. Also schnell zum nächsten. Adrian wurde es nicht müde, sich immer wieder auf verschiedene Ausführungen von diesem beliebten Mobiliar zu setzen, obwohl er dabei Emily fast vergaß. Allerdings sah er immer mal wieder hoch, um zu sehen, ob sie schon weiter gegangen war, damit er sie nicht aus den Augen verlor. Schließlich blieb er auf einem fliederfarbenen Teil sitzen, dass sowohl nett zu seinem Hintern war, aber auch etwas für den Rücken bot. Und bei intensiverer Überprüfung stellte er fest, dass es auch eine hervorragende Federung hatte. Nicht dass er das einmal ausprobieren würde, aber wenn schon testen, dann richtig. Emily sah Adrian eine Weile beim Testen der Sofas zu. Er schien das ziemlich ernst zu nehmen und ließ sich fast auf jedes der ausgestellten Modelle fallen, um dann von den meisten mit einem unzufriedenen Gesichtsausdruck wieder aufzustehen. Am Ende schien er aber doch mit einem ziemlich großen, fliederfarbenen Sofa zufrieden zu sein. Zumindest blieb er dort länger sitzen und hoppelte ein wenig darauf herum. Emily wollte gar nicht so genau wissen, was er da genau testete. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Gefällt es dir? Es ist ziemlich groß.“ Das war die Wahrheit. Aber es würde auf jeden Fall trotzdem in ihr Wohnzimmer passen. Und gemütlich sah es auch aus. Ohne dabei den Eindruck zu machen, den Betrachter erschlagen zu wollen. Die Farbe machte viel aus und würde mit den dunklen Holzdielen sicher gut zusammen passen. Sie ließ sich auf einer Ecke des Sofas nieder. Ein wenig von Adrian entfernt. Er war anscheinend ein Tester, auf den man sich verlassen konnte. Es fühlte sich weder zu hart, noch zu weich an. Außerdem waren die großen Kissen durchaus Emilys Fall. Auf das Monstrum von Couch konnten sie sich bestimmt einigen, aber zuerst wollte Emily die restlichen Möbel zusammen suchen. Sie sollten ziemlich unauffällig sein, um den Raum mit dem Sofa nicht völlig zu verstopfen. Sie gingen weiter zu den Regalen, wo sie sich relativ schnell auf weiße, halbhohe Modelle einigten, die man ebenfalls mit ein paar Schubladen kombinieren konnte. Emily packte ein paar bunte Kugeln und einen großen Holzteller in ihre Tasche. „Couchtisch?“ Es war eine allgemeine Frage. Wollten sie überhaupt einen haben? Wenn ja, was für einen? Emily hatte sich schon ziemlich auf das große Fliedersofa eingeschossen, aber dazu würde wahrscheinlich sehr wenig passen. „Vielleicht etwas mit Glas?“ Allerdings würden sie dann ständig die Platte abwischen müssen. Gerade vollkommen im Testrausch vertieft, zuckte er zusammen, als er schließlich Emilys Stimme hörte. Sofort musste er lächeln. Er hatte sich verliebt. Das Teil war einfach genial. Sogar groß genug, um seine langen Beine zu beherbergen, wenn er einmal alleine auf der Couch herum lenzte. Er wollte es haben, war aber durchaus ihrer Meinung, sich erst einmal noch andere Möbelstücke anzusehen, ehe sie sich endgültig entschieden. Die Regale waren hell und freundlich. Aber auch praktisch und solide. Adrian war sofort mit ihnen einverstanden. Das mit dem Couchtisch würde allerdings kniffelig werden. Dass sie einen brauchten, stand für ihn nicht einmal zur Debatte. So oft wie er alles mögliche dort ablegte, während er sich in der Nähe befand, wäre es geradezu ein Sakrileg, keines zu besitzen. „Also mir würde der da drüben sehr gut gefallen.“, meinte er, ehe er sich auch schon auf den Weg zu besagtem Teil begab. „Das Milchglas zeigt nicht gleich alle Flecken und das fein geschwungene Untergestellt aus lackiertem Edelstahl, sieht weder zu modern, noch zu pompös aus. Außerdem hat er noch eine praktische Ablage darunter. Für Fernsehzeitschriften oder so.“ Er war auch nicht zu groß oder zu klein, sonder würde sich geradezu schlicht in alles integrieren. Allerdings war Adrian sehr darauf erpicht auch Emilys Meinung zu dem Tisch zu hören. Immerhin musste er ihnen ja beide gefallen. Emily sah sich den Tisch genau an. Das Metallgestell gefiel ihr nicht vom Fleck weg. „So wie du das beschreibst, könnte man meinen, du arbeitest hier.“, sagte sie lachend. Der Tisch gefiel ihm wohl ziemlich gut. „Um ehrlich zu sein, kann ich mir nicht vorstellen, dass er besonders gut zu den Regalen passt. Aber vielleicht können wir irgendetwas besorgen, das auch ein wenig Metall hat und dem Tisch ein wenig ähnelt. Dann passt es zusammen.“ Sie überlegte kurz. „Vielleicht ein Pflanzenregal oder sowas?“ Es würde gut neben die Regale und neben das große Fenster passen, ohne den Raum völlig zu verstopfen. Die Idee gefiel ihr. War bloß die Frage, ob und wo sie so etwas her bekamen. Sie beschlossen, mit der Entscheidung bezüglich des Tisches noch etwas zu warten, und sich erst einmal weiter in dem Möbelhaus umzusehen. Außerdem musste hier irgendwo das hauseigene Restaurant sein. Adrian hatte einen Bärenhunger und heute noch nichts gegessen. Als er es erblickte, berührte er Emily kurz am Arm, um darauf aufmerksam zu machen. „Hättest du Lust, mit mir etwas zu essen? Ich lade dich ein.“ Er lächelte sie mit dem Enthusiasmus eines Hungernden an, der es kaum noch warten konnte, das Buffet zu stürmen. „Klar, gerne.“, beantwortete sie seine Frage. Sie hatte auch ziemlichen Hunger. Außerdem gehörte es zu einem Besuch im Möbelhaus fast dazu, dass man im Restaurant einen Zwischenstopp einlegte. Emily stellte sich mit dem roten Plastiktablett bei den Theken an und überflog erst einmal das Angebot. Es gab natürlich Salate und Sandwiches. Aber nachdem es schon Nachmittag war und sie noch nicht viel gegessen hatte, war ihr mehr nach etwas Warmem. Sie entschied sich schließlich für Fisch auf Reis und einen kleinen Beilagensalat. Das war nicht allzu teuer und die Portion war wirklich riesig. Sie würde auf jeden Fall satt werden. Dazu nahm sie sich noch einen Apfelsaft und wartete auf Adrian, der sich wohl noch nicht zu einer Entscheidung durchgerungen hatte. Emily stand an der Kasse und warf ihm ein Lächeln zu. Bis jetzt machte er wirklich einen netten Eindruck. Wenn das so weiter ging, würden sie sicher längere Zeit miteinander auskommen. Als er schließlich zahlte konnte sie einen Blick auf seinen Ausweis werfen und war überrascht. „Du bist ja jünger als ich.“, stellte sie überrascht fest, als sie dabei waren, sich einen freien Tisch zu suchen. Die Auswahl am Buffet war einfach zu groß, als dass er sich gleich hätte entscheiden können. Was ihm seine Wahl wirklich schwer machte. Doch schließlich, als Emily schon zu Ende gewählt hatte und er noch immer ein leeres Tablett vor sich her trug, entschloss er sich für den Lachssalat mit der herrlichen Yoghurt-Dill-Soße. Es war eine riesige Portion, also würde er sicher einiges daran zu tun haben. Dazu nahm er sich schließlich auch noch ein Stück Himbeerkuchen und einen Orangensaft pur. Bei der Kassa zahlte er schnell, ehe er auf ein paar freie Tische direkt neben einer großen Fensterfront zusteuerte. Ihre Feststellung über sein Alter überraschte ihn etwas. Er hatte sich bisher noch gar keine Gedanken darüber gemacht, da er so etwas auch für unwichtig hielt. Dennoch interessierte es ihn nun brennend, wie alt sie selbst war. Sie sah nicht wirklich merklich älter als er selbst aus. „Schade, dass ich keinen Blick in deinen Ausweis werden darf. Dann wären wir im Moment gleich schlau.“ Er lächelte sie an und zog die durchsichtige Folie von seiner Schüssel. „Stört es dich denn, dass ich jünger bin?“ Um wie viel auch immer? Er nahm einen großen Schluck von seinem Saft, immerhin hatte das intensive Sofatesten ihn doch ganz schön durstig gemacht. „Außerdem, wie heißt es doch so schön: Jüngere Männer tun Frauen gut. Selbst wenn wir nur zusammen wohnen.“ Er zwinkerte ihr lächelnd zu, und schob sich ein Stück Lachs in den Mund, woraufhin er einen Moment lang genießend das Gesicht verzog. Das war einfach göttlich! „Nein, es stört mich nicht. Es sind auch nur zwei Jahre.“ Aber irgendwie hatte sie nicht erwartet, dass er jünger war als sie selbst. Mit dem nächsten Kommentar hätte er sie beinahe verunsichert. Das hätte sich beinahe nach einer Anmache angehört, wenn sie nicht gewusst hätte, dass er schwul war. Trotzdem sah sie ihn etwas skeptisch über ihren Tellerrand hinweg an, als er ihr zuzwinkerte. Ihr Fisch war ziemlich gut. Nicht zu trocken und die Sauce mit dem Reis war auch lecker, aber einfach viel zu viel für sie. Sie aßen eine Weile schweigend vor sich hin, aber dann gewann ihre Neugier die Oberhand. „Sag mal, das ist vielleicht eine sehr persönliche Frage so ins Blaue… Aber hast du eigentlich einen Freund?“ Sie wollte nur wissen, ob sie wohl demnächst ein knutschendes Pärchen in ihrer Küche vorfinden würde. Ein männliches Pärchen. „Ich hab nichts dagegen, wenn er vorbei kommt und über Nacht bleibt oder so.“ Natürlich hatte sie nichts dagegen. Immerhin wohnten sie nur zusammen und sie hatte ihm nicht in sein Privatleben hineinzureden. Aber sie wollte, dass er sich keine Gedanken darüber machte, dass er seinen Freund nicht mitbringen konnte. Immerhin gab es in ihrem Leben auch jemanden, der vielleicht… Sie lächelte und sah ihn an, während sie auf ihre Antwort wartete. Dabei sah sie neidisch auf sein Kuchenstück. Sie hätte sich auch etwas Süßes zum Dessert nehmen sollen. Aber eigentlich hatte sie nichts angelacht. Vielleicht würde sie sich nachher ein paar Kekse mitnehmen, die es am Ende der Runde ebenfalls zu kaufen gab. Im Moment trank sie ein wenig von ihrem Apfelsaft, der ihr Verlangen nach etwas Süßem zumindest für kurze Zeit stillte. Sie war also achtundzwanzig. Ein gutes Alter. Fand er. Überhaupt war Mittezwanzig ein sehr gutes Alter. Man war weder zu jung, noch zu alt. Einfach in der Blüte seiner Jahre. Und er genoss diese Zeit mehr, als man sich vielleicht bei ihm vorstellen konnte. Auf ihre Frage hin runzelte er kurz verwirrt die Stirn. Natürlich hatte er einen Freund. Sogar mehrere. Sein bester Kumpel Tyson würde sicher auch bald bei ihm anfragen, wann er denn die neue Bude betrachten dürfe. Als Emily allerdings dann auch noch hinzufügte, dass sein Freund auch ruhig über Nacht bleiben könne, begriff er erst. Scheiße, er hätte sich fast verraten, hätte er zu schnell darauf geantwortet. Am Ende hätte sie ihn für einen Typen gehalten, der mehrgleisig fuhr. „Ich bin seit einiger Zeit solo.“, antwortete er schließlich ruhig. Dann musste er sie nicht gleich noch mehr belügen. Die Lüge mit dem Schwulsein reichte ihm schon. Er war eigentlich ein ehrlicher Mensch. „Und du? Gibt es da etwas, das ich wissen sollte? Nicht, dass ich aus Versehen einmal einen Kerl verprügel, weil der sich mitten in der Nacht an unserem Kühlschrank bedient. Eine kleine Vorwarnung, wäre also nett.“ Er lächelte immer noch. Ihm war es überhaupt nicht peinlich über solche Sachen zu sprechen. „Hast du heute Abend eigentlich schon was vor? Oder hättest du Lust, dich mit mir vor die Glotze zu hängen? Ich hätte mal wieder richtig Lust auf einen DVD-Abend und da ich heute frei hab, würde ich dieses Defizit gerne einmal nachholen. Vielleicht sogar schon auf unserer neuen Couch?“ Noch ehe Emily auf irgendeine der Fragen antworten konnte, machte es aus seiner Hose ein Geräusch, als würde ein Blitz einschlagen und dann ging auch schon der Song ‚We will rock you‘ von Queens los. Mit entschuldigender Geste griff er nach seinem Handy und hob ab. „Ja?“ Er hatte die Nummer vorher geprüft. Unbekannt. Also konnte es keiner sein, den er kannte. Am anderen Ende der Leitung war ohnehin eine Frau. Mit konzentrierter Miene stocherte er mit der Gabel in seinem Salat herum, während er aufmerksam zuhörte, hier und da zustimmte und dann für Dienstag Abend einen Termin um Acht Uhr im MoonDance-Restaurant ausmachte. Eines der absoluten Luxusrestaurants bei denen die Speisekarten grundsätzlich in einer anderen Sprache geschrieben waren. Schließlich verabschiedete er sich noch höflich lächelnd und legte wieder auf. Er stopfte das Handy in seine Hosentasche zurück und richtete seine volle Aufmerksamkeit wieder auf Emily. So als wären sie gerade nicht gestört worden. „Was wolltest du gerade antworten?“ Emily hatte gerade den Mund geöffnet, um ihm zu antworten, als sein Handy losging. Sie wäre beinahe zusammen gezuckt, aber heutzutage war man es ja wirklich gewohnt, dass die interessantesten Melodien plötzlich von irgendwoher erschallten, um dann mit einer Antwort auf den Anruf abgebrochen zu werden. Angestrengt versuchte sie dem Gespräch nicht zu lauschen, sondern stocherte in den Überresten ihres Mittagessens herum. Sie nahm noch eine winzige Portion Fisch auf die Gabel und steckte sie sich in den Mund. Wenn Essen vor ihr stand konnte sie meistens nichts übrig lassen. Vor allem, wenn es so lecker war. Dabei war sie schon lange voll. Man traute ihr gar nicht zu, dass sie derartige Mengen verdrücken konnte, aber das tat sie auch nicht oft. Lächelnd ließ sie die Gabel wieder sinken, als Adrian sie ansprach. „Also zu dem Kerl, der vielleicht unseren Kühlschrank ausräumt… Ja, da ist jemand, der vielleicht mal über Nacht bleibt, aber das kommt äußerst selten vor.“ Das war noch untertrieben. Die Beziehung, die eigentlich gar keine war, lief nach seinem Zeitplan. Das hieß, dass Emily sprang, wenn Zach pfiff. Deshalb kam er auch fast nie bei ihr vorbei, sondern sie fuhr zu ihm. Sie wusste, dass es Blödsinn war, aber sie war schwach und ließ sich immer wieder von ihm einwickeln. „Und wegen des DVD-Abends. Klar, ich bin dabei.“ Die Vorstellung heute schon gemütlich auf ihrem neuen Sofa zu sitzen und sich einen Stapel DVDs anzusehen war genau das, was sie wollte. „Ich mag gemütliche Abende. Stell dir vor, ich haben sogar Popcorn zu Hause.“ Bei dem Gedanken ein eingerichtetes Wohnzimmer zu bekommen, wurde sie ganz aufgeregt und strahlte ihn an. „Dann iss noch deinen Kuchen und wir bestellen unsere Couch.“ Bei dem ‚unsere’ musste sie lachen. Das hörte sich verdammt gut an. „Allerdings müssen wir uns auf Filme einigen. Hast du DVDs? Bei mir sieht’s da leider schlecht aus, aber ich bin Mitglied in einer Videothek. Wir könnten auch auf dem Rückweg was holen.“ Gut, also falls einmal ein Kerl wirklich in der Nacht den Kühlschrank plünderte, würde er zuerst Fragen stellen, bevor er ihn auf die Matte warf. Das Adrian nämlich dazu in der Lage war, wussten die Wenigsten. Aber er hatte schon sehr früh, gezwungenermaßen Selbstverteidigung gelernt. Allerdings hatte er zu diesem Mittel schon sehr lange nicht mehr greifen müssen und dafür war er dankbar. Da er im Moment keinen rechten Appetit mehr auf den Himbeerkuchen hatte, immerhin aß er auch seinen Salat nicht zu Ende auf, packte er sich ihn in Folie ein und nahm in kurzerhand einfach mit. Zusammen mit dem Popcorn heute Abend, würde sich sicher noch Platz dafür finden. Also standen sie beide auf, um ihr neues Baby zu bestellen und es liefern zu lassen. Er freute sich schon wahnsinnig auf den heutigen Abend. Lange her, dass er so etwas das letzte Mal gemacht hatte. Ansonsten war er meistens unterwegs. Was ihn wieder auf die Filmfrage brachte. Natürlich hatte er viele verschiedene DVDs, bestimmt würde da auch etwas für sie dabei sein. Aber was sahen sich Homosexuelle an? Brokeback Mountain? Den Film hatte er zwar auch, aber nur weil es ihn interessiert hatte, wie sich die zwei Heteroschauspieler in diesem Film anstellten. Er musste zugeben, sie haben ihre Sache sehr gut rübergebracht. Ein ernsthafter Film mit einem harten Ende. Aber sicherlich keiner seiner Lieblinge. „Du könntest dir ja mal meine DVD-Sammlung ansehen. Steht im Regal direkt neben meinem Bett.“ Damit sie aber auch gleich eine ungefähre Vorstellung davon hatte, was alles so im Angebot stand, begann er ihr gleich ein paar Filme aufzuzählen. „Terminator 1-3, Blade 1-3, Der Sternwanderer, V wie Vendetta, Leon - Der Profi, Girls Next Door, Brokeback Mountain…“ Das musste er jetzt einfach noch anfügen. „Pretty Woman“ Den hatte er von seiner Exfreundin, zusammen mit: „Findet Nemo.“ Pech, wenn sie ihren Plunder bei ihm hatte liegen lassen. "Love Vegas, Das fünfte Element, Die Mumie, Sin City..." Wenn sie noch mehr hören wollte, würde sie sich wirklich seine Sammlung ansehen müssen. Das waren längst noch nicht alle. Wieder hob sie ihre Augenbraue. Das hörte sich nach einer großen DVD-Sammlung an. Wenn auch nicht nach einer Sammlung, die sie bei einem Schwulen erwartet hatte. Wahrscheinlich verschwieg er ihr ein paar seiner DVDs. Sofort dachte sie an Pornos, die er unter dem Bett versteckte, ließ den Gedanken dann aber fallen. Das ging sie überhaupt nichts an. Außerdem war einer ihrer absoluten Lieblingsfilme in seiner Sammlung, den sie schon ewig nicht mehr gesehen hatte. „Du hast den ersten Terminator? Cool, den würde ich gern mal wieder sehen.“ Begeistert schlenderten sie zusammen zum nächsten Kundenberater und bestellten ihre Couch und die Regale. Die Couch war noch am selben Tag lieferbar. Die Regale leider nicht, dafür konnten sie aber den Couchtisch gleich mit dem Auto mitnehmen. Emily kaufte noch ein paar Kerzen, den grünen Bilderrahmen und zwei Postkartensets, die sie an ihr Regal in ihr Zimmer hängen wollte. Sie zeigten Paisley-Muster und die andere Sammlung fünf verschiedene Gummienten in knalligen Farben. Emily hatte vor sie im Bad aufzuhängen, aber da würde Adrian sicher ein Wörtchen mitzureden haben. Außerdem warfen sie mehr oder weniger planlos Dinge für die Küche in ihre große Plastiktüte. Dabei waren ein Korkenzieher, ein Messerblock und ein paar Schneidebretter. Dinge die man eben so brauchte und andere Kleinigkeiten. In der Abteilung mit den kleinen Einzeldingen kam Emily sowieso immer in den totalen Kaufrausch. Bei den Tassen stoppte sie sich selbst nur unter großem Kraftaufwand. Sie mochte unterschiedlich geformte und gemusterte Tassen. Früher hatte sie einmal Teedosen gesammelt, von denen sie aber nur noch wenige benutzte. Irgendwann gab man wohl die meisten Sammelleidenschaften auf. Am Ende teilten sie die Rechnung und Emily zahlte ihre paar Kleinigkeiten extra. Auch Adrian packte sich noch so Einiges ein, während sie durch das Möbelhaus schmökerten. Darunter wären: ein Wäschekorb, neue Kleiderbügel, ein Bonsaibäumchen und - worauf er am aller meisten stolz war, weil es sicherlich seiner Tarnung sehr diente - auch noch ein großes Poster in schwarzweiß mit einem nackten Mann darauf, der sich auf einem weißen Schaffell räkelte und dieser die Beine so gekonnt platziert hatte, dass man seiner Fantasie freien Lauf lassen musste, wenn man sich seinen Intimbereich vorstellen wollte. Aber oft war weniger mehr. Das kannte er nur zu gut und gerade wenn der Geist nur inspiriert wurde, anstatt auf nackte Tatsachen hingewiesen zu werden, war das Erlebnis umso eindrucksvoller. Außerdem gefiel Adrian der Schwarzweißstil des Bildes. Er hätte es sich zwar niemals gekauft, wenn Emily nicht dabei gewesen wäre, aber irgendwie machte es auch Spaß, einmal etwas so Merkwürdiges zu tun, wie das Bild eines nackten Mannes zu kaufen. Kapitel 4: 4. Kapitel --------------------- Nach einem kurzen Zwischenstopp im Supermarkt flitzten sie in Emilys Mini zurück nach Hause. Die Couch sollte in einer Stunde geliefert werden und bevor sie eintraf wollten sie noch den Couchtisch zusammenbauen. Das gestaltete sich nicht so einfach, denn die Beschreibung war nur auf Französisch. Fast wie in schlechten Geschichten. Aber die Bilder halfen ihnen so weit, dass irgendwann eine annehmbare Version ihres neuen Tisches vor ihnen in dem leeren Wohnzimmer stand. „Gute Entscheidung. Hier gefällt er mir besser als im Möbelhaus.“ Als die Möbelpacker das Monster von Couch in den dritten Stock schleppen mussten, taten sie Emily wirklich leid. Es war ein wirklich harter Job. Noch dazu bei diesem Wetter. Aber als die Couch dann in der Mitte des großen Raumes stand, freute sich Emily fast ein Loch in den Bauch. Das Teil war schon verdammt riesig, aber passte genauso gut zu den dunklen Dielen, wie sie vermutet hatte. Kaum dass die Männer draußen waren, ließ Emily sich auf die Couch fallen und zog den Couchtisch, den sie mit Adrian zusammengebaut hatte, in Position. „Perfekt.“ Leider standen der Fernseher und der DVD-Player immer noch auf dem Fußboden. Aber er war groß genug, dass sie das Bild ohne Probleme von ihrem neuen Sofa aus sehen konnten. Nachdem er die Einkäufe im Kühlschrank verstaut hatte, half er seiner Mitbewohnerin dabei, den Couchtisch zusammenzubauen. Die Beschreibung war auf Französisch, was eigentlich kein Problem für ihn darstellte, immerhin hatte er diese Sprache einmal lernen müssen und konnte sie auch jetzt noch recht fließend, aber das gehörte definitiv in den Bereich seines anderen Jobs und somit trennte er das strickt von seinem Privatleben. Also stellte er sich dumm, prüfte dafür aber genau die Bilder, bis sie den Kampf gegen das gläserne Ungetüm gewonnen hatten und auch schon die Möbelpacker herbei rückten. Er beneidete sie wirklich nicht um den Job, weswegen er ihnen auch ein Trinkgeld zusteckte, als er sie zur Tür begleitete. Zufrieden mit dem Ergebnis des heutigen Tages, setzte er sich kurz zu Emily, die noch ein letztes Mal den Couchtisch verschob, so dass er nun absolut am richtigen Platz stand. „Dem kann ich nur zustimmen. Wie wär’s, du machst Popcorn und ich lege schon mal die DVD ein?“ Er lächelte sie zufrieden an, ehe er auch schon aufstand. Erst aber zog er sich bequemere Sachen an. Eine kurze Hose die ihm nur knapp über die Knie ging und ein schlabber Shirt, das ausnahmsweise einmal nicht eng an seinem Körper anlag. Danach suchte er Terminator Teil 1 heraus und legte ihn ein. Mit der Fernbedienung in der Hand ließ er sich am einen Ende der Couch nieder und schaltete auf Pause, als der Film gerade am Anfang begann, bis seine Mitbewohnerin sich zu ihm gesetzt hatte. Emily machte eine große Schüssel voll Popcorn und eine Kanne Tee, die sie auf den neuen Couchtisch stellte. Zur Sicherheit legte sie einen Korkuntersetzer darunter, damit sie nicht gleich ein paar Stunden nach dem Einkauf einen Sprung in die Glasplatte machte. Mit den Tassen verfuhr sie genauso und stellte noch die Schüssel mit Popcorn daneben, bevor sie noch einmal in ihr Zimmer lief, um ein Kissen und eine große Decke zu holen und sich umzuziehen. Wieder zog sie die schwarze Leinenhose an und ein Shirt. Allerdings dicke Socken dazu, weil ihr sonst schnell kalt werden würde. Die Decke brachte sie nicht grundlos mit ins Wohnzimmer. Sie hatten den Film wirklich schon ewig nicht mehr gesehen. Vor allem die Eingangsszene gefiel ihr, in der beide Besucher nackt in dieser Energiekugel ankamen. „Arnold Schwarzenegger ist doch nichts im Vergleich zu dem Guten.“ Es war nicht wirklich eine Frage, aber es war ihre Meinung. Emily mochte muskelbepackte Männer nicht, die vor Steroiden kaum mehr laufen konnten. Sie hatte das Poster gesehen, dass Adrian sich im Möbelhaus gekauft hatte. Wenn das sein Typ war, würden sie sich bestimmt nie in den Weg kommen. Noch nicht einmal, wenn es um einen Schwarm ging. Emily konnte mit dunkelhaarigen Latino-Verschnitten nichts anfangen. Männer durften für sie nicht zu glatt sein, um ihr Interesse zu erregen. „Ja, da hast du recht. Kyle Reese find ich fiel schärfer, vor allem mit der Frisur. Ich kann mir echt nicht vorstellen, wie das damals In sein konnte.“ Außerdem mochte er diese Muskelberge auch nicht. Ein Grund wieso er es mit dem Training bei sich selbst nicht übertrieb. Ein paar gut gebaute Konturen ja, aber keine überzüchteten Berge. Darauf konnte er getrost verzichten. Allerdings gefiel ihm in diesem Film Sara Conner am Besten. Doch das sprach er natürlich nicht laut aus. Denn vor allem in der Intimszene zwischen den beiden, kam sie wirklich gut rüber. Aber schließlich war der Film vorbei, der sexy Vater von John Connor tot und die Maschine zu Schrott verarbeitet. Da läutete bei Emily auch schon ihr Handy und er stellte den Fernseher auf lautlos, ehe er schließlich einfach gleich aufstand und die DVD heraus holte. Als der Held im Sterben lag knabberte Emily das Popcorn in sich hinein. Die Geschichte mit dem Photo hatte sie schon oft zu Tränen gerührt. Aber diesmal konnte sie sich zusammenreißen. Immerhin wollte sie vor Adrian nicht anfangen zu heulen. Noch dazu bei einem Film wie Terminator. Plötzlich klingelte ihr Handy auf dem Boden, wo sie es an das Ladekabel angeschlossen hatte. Es war auf lautlos geschaltet, aber Emily sah das Licht angehen und das Gerät nervös auf den Dielen hüpfen. Sie entschuldigte sich kurz, aber der Film war sowieso zu Ende. Adrian drehte netterweise die Abspannmusik herunter, als Emily den Anruf entgegen nahm. Ihre Gesprächsführung war genauso kurz gehalten wie seine. Nur ein paar Bestätigungen, ein Blick aus dem Fenster. Es schüttete immer noch. Außerdem war es gemütlich in der Wohnung und sie hatten noch viele DVDs zur Auswahl. “Kannst du nicht einfach herkommen? ... In ein paar Stunden wäre auch ok. Ich kann auf dich warten…“ Mit enttäuschtem Gesichtsausdruck legte sie auf. Anstatt allerdings das Handy wieder auf den Boden zu legen, zog sie das Kabel heraus und legte es neben sich auf die Couch. Dann sah sie Adrian mit einem kleinen Seufzer an. „Hast du Lust auf Wein?“ „Gerne. Willst du dir den zweiten Teil anschauen, oder hast du etwas anderes im Sinn?“, fragte er sie mit einem Kopfnicken auf die DVD in der Hand. Was ihn aber eigentlich interessierte, war der Anruf. Irgendwie hatte sie nicht gerade glücklich gewirkt und auch jetzt schwebte da eine undefinierbare Schwingung in der Luft. Ob das dieser Kerl gewesen war, den er nicht verprügeln durfte, wenn der an sein Essen wollte? Emily sah ihn mit einem halbherzigen Lächeln an. „Nein, ich hab nichts Anderes vor. Hat sich wohl gerade erledigt.“, sagte sie etwas kleinlaut und ging dann in die Küche, um den Wein und zwei Gläser zu holen. Sie hatte nur Weißwein da, deshalb konnte sie Adrian leider nicht die Wahl lassen. Noch bevor sie am Couchtisch einschenkte, warf sie einen Seitenblick auf ihr Handy. Als hätte in dieser kurzen Zeit, in der sie in der Küche gewesen war, eine Sms oder ein weiterer Anruf kommen können. Zach war mit Kumpels unterwegs und hatte Emily angerufen, ob sie nicht später noch zu ihm kommen wollte. Er wohnte nur ein paar Straßen entfernt. Sie hätte den Bus nehmen können. Aber bei dem Wetter wollte sie eigentlich nicht. Außerdem war er sowieso unterwegs, er hätte einfach auf dem Heimweg vorbei kommen und bei ihr übernachten können. Er hatte gesagt, er würde sich melden. Das hieß wieder einmal warten. Wie Emily es doch hasste. Warum tat sie sich das eigentlich an? Bloß weil Zach einmal gesagt hatte er sei verliebt in sie? Und wenn er eine Beziehung haben wollte, dann nur mit ihr? Aber im Moment wollte er keine Beziehung. Bloß ein wenig Zuneigung. Oder was er eben darunter verstand. Die ganze … Nicht-Beziehung beruhte also nur auf Warten. Emily wartete geduldig darauf, dass Zach ihr irgendwann doch sagte, dass er mit ihr zusammen sein wollte, offiziell. Und eigentlich war ihr klar, dass es so weit nie kommen würde. Mit einem kleinen Seufzer verdrängte sie die Gedanken und sah Adrian an. Sie lächelte und reichte ihm ein Glas Weißwein, bevor sie ihr eigenes hob. „Auf unser Wohnzimmer.“ Lächelnd nahm Adrian das Weinglas entgegen. Rotwein wäre ihm zwar lieber gewesen, aber er war heute Abend nicht wählerisch. Also hob er ebenfalls das Glas und sah Emily tief und ernsthaft in die Augen: „Auf ein gutes Zusammenleben.“ Und natürlich auch ein Hoch auf die neue Wohnzimmereinrichtung. Als Nächstes wäre die Küche fällig. Nachdem sie angestoßen hatten, trank er einen Schluck zum Probieren, roch aber vorher erst einmal an dem Wein, um dessen Bukett zu verinnerlichen. Als ihm das Getränk über die Zunge glitt und sich all seine Geschmacksknospen mit verschiedenen Informationen meldeten, beschloss er bereits, dass es ein recht guter Wein war, noch ehe er ihn hinunter geschluckt hatte. Zwar keiner aus der Luxusausführung, aber das musste ohnehin nicht sein. Schmecken sollte er. Das war wichtig. Adrian packte schließlich noch den Himbeerkuchen in der Küche aus, schnitt ihn in kleine Appetithäppchen und stellte ihn dann zum restlichen Popcorn auf den Couchtisch. Da sie sich noch nicht für einen neuen Film entschieden hatten, könnten sie doch auch einfach einmal gepflegt Konversation führen. Immerhin kannten sie sich erst seit Kurzem, da gab es sicher noch Gesprächsthemen, die sich dafür eigneten. „Was machst du eigentlich gerne so in deiner Freizeit?“, fing Adrian einmal ganz unverfänglich an und zog seine Beine angewinkelt auf die Couch. Dabei fuhr er sich über die nackten, glatten Unterschenkel und befand, dass es sicher als äußerst schwul galt, sich als Mann die Beine zu rasieren – in seinem Fall entwachsen - , auch wenn sich das schon langsam auch bei Heteromännern durchzusetzen begann. Immerhin hatte es schon etwas für sich. Selbst wenn Adrian das nicht wegen seines Berufs machen müsste. Glücklicherweise lenkte Adrian sie von ihren trüben Gedanken ab. Ein Film hätte sie jetzt vielleicht noch mehr in diese halb-traurige Stimmung geschoben, aber einem Gespräch musste sie sich mit voller Aufmerksamkeit widmen. Sie nahm noch einen Schluck Weißwein und überlegte, was sie ihm sagen sollte. „Also, um ganz ehrlich zu sein, mache ich gern so was hier. Mit Freunden auf der Couch sitzen, DVD gucken und quatschen. Früher habe ich auch ganz gern Spieleabende gemacht, aber irgendwie hat sich die Gruppe zerschlagen.“ Sie zuckte mit den Schultern, bevor sie weiter sprach. „Oder wir sind zu alt für so was geworden.“ Als Adrian seine Beine aufs Sofa zog konnte sie seine nicht vorhandene Körperbehaarung sehen. In ihren Augen sah das seltsam aus. Vielleicht fühlte es sich gut an. Für ihn oder für denjenigen, der ihn berührte, aber Emily war da wohl wirklich prüde und traditionell. Bei ihr sollten Männer noch wie Männer aussehen und dazu gehörte eben auch Körperbehaarung an den richtigen Stellen. „Außerdem gehe ich gern ins Museum.“, führte sie die Unterhaltung weiter. „Obwohl ich in einem arbeite, finde ich es immer noch faszinierend. Wobei ich mit Bildern nicht so viel anfangen kann. Dazu habe ich keinen wirklichen Draht.“ „Was genau arbeitest du im Museum?“ Ehrlich gesagt, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie dort Wächterin wäre. Vielleicht eine der Damen die Touristen durch die Galerien führten. Oder Kassiererin. Irgendetwas in dieser Art. Adrian schnappte sich eines der Himbeertortenstückchen und schob es sich Stückchenweise in den Mund. Er kaute bedächtig, während er sich überlegte, was wohl alles zu seinen Freizeitaktivitäten gehörte. Erst als er hinuntergeschluckt hatte, sah er Emily wieder an. Emily lächelte ihn wieder an. Sein Gesichtsausdruck zeigte, dass er zu erraten versuchte, was genau ihr Job war. Er schätzte sie bestimmt auf Kassiererin oder Führerin ein. Das hatte sie früher gemacht, als Aushilfsjob, bevor sie sich für die Ausbildung entschieden hatte. „Ich bin Restauratorin. Im Moment kümmere ich mich um die Farben eines alten Sarkophags. Er soll wieder ganz hergestellt werden. Es ist ziemlich schwierig, weil die Farben nicht nur verblassen, sondern abblättern. Ich muss jedes kleine Teilchen wieder befestigen. Das macht einfach mehr Sinn als mit neuer Farbe darüber zu pinseln. Sobald ich mit den Farben fertig bin, kann ich mit dem Blattgold anfangen. Am Ende wird er eines der besten Ausstellungsstücke in der Ägyptensammlung sein.“ Sie merkte, dass sie wieder einmal zu viel über ihre Arbeit redete. Bei diesem Thema hörte sie nicht so schnell auf, wenn man sie nicht dazu veranlasste. Aber Adrian wollte sie nicht gleich überfordern. Außerdem sah sie, wie er an dem Anhänger um seinen Hals herumspielte. Vielleicht langweilte sie ihn. „Entschuldige, ich mag meine Arbeit. Ich spreche gern darüber. Bei diesem Thema musst du mich stoppen, bevor ich dir ein Loch in den Bauch rede.“ Wieder nippte sie an ihrem Weißwein, der wirklich gut schmeckte, und sah ihn über den Glasrand an. „Und was sind so deine Hobbys?“ Adrian sah sie mit größer werdenden Augen an. „Wow. Restauratorin. Das ist sicher kein leichter Job. Immerhin muss man da sicher wahnsinnig viel Geduld und vor allem sehr ruhige Hände haben. Also absolut nichts für mich.“ Er zwinkerte ihr zu und bemerkte erst jetzt, dass er an seiner Halskette herumfummelte, also legte er die Hand auf der Lehne der Couch ab und versuchte sich ruhig zu verhalten. Eine Nacht lang nicht zu tanzen, spürte er sofort im ganzen Körper. Er war süchtig danach. „Sag mir bescheid, wenn der Sarkophag zum Anschauen frei gestellt wurde. Mich hat schon früher vieles von Ägypten fasziniert. Da muss ich mir den unbedingt ansehen.“ Ob sie auch Mumien restaurierte? „Und mach dir keine Sorgen deswegen. Es ist schön, wenn man einen Job hat, der einem Spaß macht. Ich könnte mir nicht vorstellen, etwas zu tun, was mir keine Freude bereitet. Also keine Sorge. Ich finde das ohnehin interessant. So schnell wirst du mir also kein Loch in den Bauch reden können.“ Er hörte ihr immerhin gerne zu. Tyson war kein Typ mit dem man lange und vor allem solch tiefschürfende Gespräche führen konnte. Der Kerl war nur auf drei Dinge aus: Schlampen, Sex und Alkohol. Alles ließ sich wunderbar mit einander verbinden. Warum der Kerl also sein bester Freund war, verstand Adrian bis heute nicht. Vielleicht, weil sie sich schon seit der Zeit im Sandkasten kannten. „Ich jogge gerne und gehe ein paar Mal in der Woche ins Fitnesscenter. Darüber hinaus, liebe ich gepflegtes Essen in einem schönen Restaurant mit Stil. Wenn sich dafür keine Gelegenheit bietet, zerrt mich Tyson – mein bester Freund – meistens in irgendwelche Clubs zum Tanzen. Ich meine, ich beherrsche auch einige traditionelle Tänze, aber mit Clubs meine ich Discos, Bars und solcherlei Lokalitäten. Falls ich dann noch einmal Zeit habe, freue ich mich sehr über einen Abend wie diesen. Einfach einmal in gemütlichen Klamotten auf der Couch sitzen und nichts tun, außer entspannen. Sollte ich dann wirklich einmal noch einen Überfluss an Zeit haben, versuche ich so viel zu lesen, wie es geht. Ich liebe allerlei Sience Fiction Romane.“ Nur hatte er selten für so etwas Zeit. Sehr selten. Eigentlich so gut wie nie. Erst recht nicht mit seinen beiden Einkommensquellen. Früher, als er noch nicht volljährig gewesen war, hätte er alles darum gegeben, so viel Arbeit wie jetzt zu haben, anstatt sinnlos Trübsal zu blasen, weil er mit seinem Leben nicht klar kam. Zum Glück hatten sich die Zeiten geändert. „Also alles in allem, bin ich nicht sehr oft zuhause. Umso schöner ist es dann, heimzukommen, um sich auszuruhen. Danke noch mal, dass du mich doch genommen hast. Diese Wohnung ist einfach wunderschön.“ Er lächelte ihr zu, ehe er nach den vielen Worten einen großen Schluck von seinem Wein trank. Überrascht sah sie Adrian an, als er von seinen Hobbys berichtete. „Du tanzt also gern? Das ist aber selten. Ich treffe immer nur Männer, die sich strickt weigern und dann langweilig am Rande der Tanzfläche herumstehen.“ Er war also nicht oft zu Hause? Das fand Emily in diesem Augenblick richtig schade. Denn sie verstand sich scheinbar wirklich gut mit Adrian. Er war nett und nicht aufdringlich. Sie konnten sich unterhalten oder auch einfach einen Film ansehen. Er war ihr sympathisch. „Oh, das ist sehr gern geschehen. Ohne dir zu nahe treten zu wollen, aber bis jetzt denke ich, dass ich mit dir Glück hatte.“ Sie grinste und stieß noch einmal mit ihm an. Dann vibrierte ihr Handy neben ihrem Fuß und sie schreckte kurz hoch. -- Hey Babe! Gehe noch mit in die nächste Bar. Anderes Ende der Stadt. Komm später zu mir, ok? -- Missbilligend sah Emily auf das kleine rote Telefon in ihrer Hand. „Oh Mann…“ Sie gab nicht sofort eine Antwort ein, sondern sah Adrian an. Am liebsten hätte sie ihm ein wenig erzählt, was los war, aber sie wollte ihn ja nicht gleich nerven. „Ich frage mich, wie man Tanzen nicht mögen kann. Gerade Gelegenheiten wie Bälle, Galas oder Bankette laden doch regelrecht dazu ein, sich einmal fein heraus zu putzen und dementsprechend auch einmal zu tanzen. Wenn es wegen der Nervosität ist, braucht man sich keine Sorgen zu machen. Ein paar Stunden zusammen mit der richtigen Menge Alkohol und kein Mensch sieht dir mehr zu, was du da auf der Tanzfläche fabrizierst.“ Er schmunzelte. Adrian hatte Tanzen schon immer geliebt. Das war das einzig Schöne an seinem Elternhaus gewesen, da seine Eltern oft feine Anlässe gegeben hatten, wo er seiner heimlichen Leidenschaft freien Lauf lassen konnte. Als Emily noch einmal mit ihm anstieß und ihm sagte, sie wäre bisher recht zufrieden mit ihm, fühlte er sich schuldig. Zwar lächelte er immer noch, aber er war sich nur zu deutlich bewusst, dass seine ganze Anwesenheit hier eine einzige Lüge war. Zum Glück bekam sie gerade eine SMS, so dass sein leicht verrutschtes Lächeln nicht weiter auffiel. „Gibt’s Probleme?“, fragte er schließlich sanft und nicht übertrieben neugierig, so als würde er sich eher fragen, ob er etwas für sie tun konnte. „Du siehst nicht gerade glücklich über den Inhalt der Nachricht aus.“ Auch wenn er nicht wusste, um was es ging. Emily drehte das kleine rote Handy in ihren Händen hin und her. Der Anhänger, der daran baumelte klingelte leise, als er von ihrer Handfläche fiel. „Eigentlich keine Probleme.“ Sie sah Adrian mit einem winzigen Lächeln an. „Das war mein … Freund. Er ist auf Sauftour mit seinen Kumpels und will, dass ich nachher noch zu ihm komme. Sobald er zu Hause ankommt.“ Kurz warf sie das Handy hoch, um es gleich wieder aufzufangen. „Ich habe keine Lust bei dem Wetter rauszugehen und mitten in der Nacht zu ihm zu fahren. Er ist doch sowieso unterwegs. Aber … wir sehen uns so selten…“ Es war eine Ausrede. Um das zu erkennen musste Adrian sie wahrscheinlich noch nicht einmal kennen. Emily war nur zu schwach, um endlich einzusehen, dass sie allein besser dran war. Sie klammerte sich an Zach, weil sie sich selbst nicht zutraute, dass jemand Besseres sich nur ansatzweise für sie interessieren könnte. Sie schob das Handy nun doch auf und gab eine kurze Nachricht ein. Auf einmal fühlte sie sich ein wenig mutig. Zumindest für ihre Verhältnisse. Sie konnte die Nacht auch ohne Zach aushalten, wenn sie es musste. Heute Nacht und bei diesem Regen würde sie ihm nicht hinterher laufen. -- Hallo! Du bist doch sowieso unterwegs. Kann dich nicht jemand fahren? Dann wird keiner von uns beiden nass. Bis später! Freu mich! Emily -- Bereits einen Sekundenbruchteil nachdem sie den ‚senden’-Button gedrückt hatte, tat es ihr leid. Er würde nicht herkommen, so sehr sie es auch hoffte. Adrian hörte ihr aufmerksam zu. Jedes Wort analysierte er genauso wie ihren Gesichtsausdruck dabei und ihre unbewussten Gesten. Ihm war gleich klar, dass sie nicht sehr glücklich mit dem Kerl sein musste, wenn sie so seltsam darauf reagierte. Außerdem hätte er an ihrer Stelle sofort abgesagt. Allein die Tatsache, dass der Kerl sie nach einer offensichtlich langen Sauftour sehen wollte und das bei diesem Wetter, ließ nur auf eines schließen. Er wollte Sex und dann seinen Rausch ausschlafen. Vermutlich wäre es ihm sogar egal gewesen, wenn es eine andere außer Emily wäre, die dem ganzen Abend noch ein Sahnehäubchen aufsetzte. Das war einfach nur noch widerlich. Adrian würde nichts sagen, wenn beide Partnerteile etwas beschwipst oder vielleicht schon leicht zugesoffen ins Bett stiegen, um sich in den Laken zu wälzen, aber doch nicht, wenn man sich absolut nicht mehr unter Kontrolle hatte. Was aber noch eine schlimmere Kombination darstellte, war die Tatsache, wenn einer nüchtern und der andere sturzbetrunken war. Das konnte nur in einem Fiasko enden und sicherlich nicht glücklich machen. „Wenn ich einmal ganz ehrlich sein darf, dann würde ich dir raten, heute Abend zuhause zu bleiben. Auch wenn du ihn nicht so oft siehst, muss es doch nicht in solch einem…“ Er suchte nach dem richtigen Wort. „…Rahmen stattfinden. Ich nehme doch an, dass er nach dieser Tour ziemlich betrunken sein wird.“ Außerdem hatte sie sicher Besseres verdient, als einen Kerl der erst ohne sie weg ging und sie dann nur als Bettwärmer benutzte. Gut, er kannte nicht die näheren Hintergrunddetails und auch nicht den Charakter dieses Mannes, aber er war schon vielen Männern begegnet, um genau solche Situationen ziemlich gut beurteilen zu können. Wieder seufzte Emily nach Adrians Kommentar. Natürlich hatte er recht. Wenn sie ehrlich war, wollte sie Zach gar nicht sehen, wenn er sturzbetrunken war. Er war ein lieber Kerl und eigentlich ganz clever, aber betrunken war er anders. Nüchtern liebte sie ihn, betrunken machte er ihr Angst. Warum tat sie sich das also überhaupt an? „Ja, stimmt. Ich will auch hier bleiben.“ Diesmal war ihr Lächeln strahlend. „Unsere Couch ist viel zu gemütlich und deine DVD-Auswahl zu gut, um noch mal da rauszugehen.“ Mit einem Nicken in Richtung Fenster und einem Klaps auf den Fliederbezug setzte sich Emily noch gemütlicher hin. Sie schnappte sich die Decke und wickelte sich darin ein. Sie war weiß mit bunten Fransen an den schmaleren Enden. Die Farben waren vielleicht ein bisschen zu knallig für die Couch, aber trotzdem gefiel Emily die Kombination. „Brauchst du auch eine Decke? Ich habe noch eine.“ An Decken und Kissen fehlte es bei ihr nicht. Wenn sie in kurzen Hosen dagesessen hätte wie Adrian, wäre sie sicher schon erfroren. Es zog ein wenig durch die alten Fenster. Das war ein Nachteil des Stils, aber durchaus zu ertragen, solange die Temperatur nicht zu sehr unter Null fiel. „Und?“ Ihr Lächeln verblasste kein Stück, als sie sich eine Hand voll Popcorn nahm und es sich in den Mund steckte. „Teil 2?“ Natürlich meinte sie die DVD. Sie mochte es, sich mit Adrian zu unterhalten. Aber da sie den Film beide kannten, konnten sie sich ebenso gut über Arnolds übertriebene Muskeln oder seinen lustigen Akzent im Englischen unterhalten. So wie es aussah, würde sie also hier bei ihm und Arnold bleiben. Das war gut. Wäre sie unentschlossen gewesen, doch noch zu gehen, hätte er härtere Argumente dagegen eingebracht. Zwar ging es ihn im Grunde nichts an, aber er hätte es einfach nicht richtig gefunden, zu schweigen, während Emily sich da vielleicht etwas antat, was ihr diesen schönen Abend wieder versauen würde. Also lächelte er sie zufrieden an. „Na Logo. Sara Connor die den harten Kerl raushängen lässt, kann ich doch einfach nicht widerstehen.“ Er zwinkerte und stand auf. „Und ja, bitte für mich auch eine Decke.“ Das würde heute sicherlich noch so richtig gemütlich werden. Vor allem weil der Wein sich bereits wärmend in seinem Magen ausbreitete. Spätestens wenn sie die Flasche geleert hätten, würde aus dieser Wärme auch noch ein einlullendes Körpergefühl werden. Zumindest war das bei ihm immer so. Während er die DVD einlegte, beschaffte seine Mitbewohnerin ihm eine Decke. Danach startete er den Film, kuschelte sich in den warmen Stoff, trank sein Glas leer, schenkte sich beiden noch einmal nach und konzentrierte sich dann auf den Terminator. Adrian musste zugeben, dass der Auftritt von Arni im zweiten Teil des Filmes wesentlich besser war, als der Erste. Aber nichts gegen den dritten Teil. Das erinnerte ihn doch immer sehr an seine Arbeit. Nur, dass er niemals so schwul daher reden würde, wie der Stripper dem er die Klamotten klaute. Während John Connor immer wieder um sein Leben fürchten musste und sie versuchten das unausweichliche Schicksal zu ändern, trank Adrian sein zweites Glas Wein leer und wurde dabei immer müder und erschöpfter. Er hatte heute nicht viel geschlafen, darum kuschelte er sich auf seine Seite der Couch. Seine Augenlider wurden erst nur merklich schwerer, dann aber schienen sie Gewichte aus Blei daran hängen zu haben, bis sie ihm ganz zu fielen. Das Letzte, woran sich Adrian noch bewusst erinnern konnte, war, wie Arnie sich die Haut vom Arm schnitt, um das Metallskelett darunter vorzuführen. Emily und Adrian sahen sich den Film schweigend an, bis auf ein paar Kommentare hier und da. Der Film reizte nun mal dazu, sich ab und zu lustig zu machen. So sah Emily das auf jeden Fall. Sie bemerkte gar nicht, dass Adrian neben ihr auf der Couch einschlief. Erst als der Film zu Ende war und auch sie ihr zweites Glas Wein geleert hatte, sah sie zu ihm hinüber. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. Sie wusste nicht genau, ob sie ihn aufwecken sollte. Das Sofa war eigentlich groß genug, dass er gemütlich darauf schlafen konnte. Also legte sie ihm ihre Decke noch zusätzlich auf die Beine und schaltete DVD-Player und Fernseher aus. Die Gläser klimperten ein wenig aneinander, als Emily sie nahm und in die Küche brachte. Aber Adrian wachte nicht davon auf, was sie dazu veranlasste, auch die restlichen Sachen aufzuräumen und noch abzuwaschen. Anschließend holte sie noch ihr Handy, bevor sie das Licht ausschaltete und die Wohnzimmertür anlehnte. Erst dann sah sie noch kurz auf das kleine Display. -- Komm rüber. Ich bin zu Hause. -- Es war kurz nach Mitternacht. Emily ging in ihr Zimmer und stellte sich ans Fenster. Das Wetter war keinen Deut besser geworden. Sie wollte nicht da raus gehen. Außerdem kannte sie Zach. Wahrscheinlich war er nicht einmal mehr wach, wenn sie bei seiner Wohnung ankam. -- Bist du noch wach, wenn ich rüber komme? Ich will nicht vor deiner Tür stehen und du hörst das Klingeln nicht… -- Das war Emily schon einmal passiert. Zach schlief verdammt tief. Vor allem, wenn er einen in der Krone hatte. Bei der nächsten Nachricht biss sie sich auf die Lippen und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen. -- Ok, bleib da. Ich geh jetzt schlafen. -- Jetzt war er also auch noch sauer. Emily wusste, dass Zach am nächsten Tag frei hatte. Beinahe verzweifelt tippte sie eine neue Sms ein. -- Dann schlaf gut. Sehen wir uns Morgen? -- -- Nacht. -- Das war alles, was sie als Antwort bekam. Sie fühlte sich schlecht. Vielleicht hätte sie doch zu ihm rüber gehen sollen. Sie stellte sich vielleicht dumm an. So schlecht war das Wetter auch nicht. Sie konnte doch noch mit dem Bus fahren. Später lag sie im Bett und starrte kurz auf ihr Handy. Sie hatte nicht noch einmal geschrieben. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass Zach, wenn er wieder nüchtern war, sich bei ihr melden würde und sie ein wenig Zeit mit einander verbrachten. Mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend schlief sie schließlich ein. Kapitel 5: 5. Kapitel --------------------- Die Vibration an seinem Oberschenkel weckte ihn. Leicht verwirrt, richtete sich Adrian auf. Er war doch nur kurz eingenickt, oder? Während er das Handy aus seiner Hosentasche zog, sah er sich um. Emily war weg, er hatte sich auf der ganzen Couch breit gemacht und das Sonnenlicht drang durch die Fenster herein. Ein Blick auf sein Display teilte ihm mit, dass dieses lästige Vibrieren sein Handywecker war. Er hatte ihn sich gestern zur Sicherheit gestellt, da er heute ausnahmsweise einmal schon Vormittags zur Arbeit musste. Immerhin war Montag LadysNight, was immer wieder ein großes Event im Club darstellte. Er musste bei seiner Choreographie noch ein paar letzte Feinschliffe machen und erst wenn die Proben erfolgreich abgeschlossen waren, würde er nach Hause gehen können. Er hatte also einen langen Tag vor sich. Aber darauf freute er sich trotzdem. Da es noch sehr früh am Morgen war, schlich er leise durch die Wohnung, um kurz zu duschen, sich die Zähne zu putzen und sich für die Arbeit fertig zu machen. Er nahm auch noch gleich den kleinen Zettel, der an der Kühlschranktür hing, mit, auf den Emilys Bankverbindung stand, um die Überweisung gleich im Anschluss zu erledigen. Auf dem Weg zur Tür schnappte er sich noch einen Apfel aus der Obstschüssel und steckte ihn sich dann zwischen die Zähne, während er die Tür hinter sich absperrte. In Gedanken war er schon ganz wo anders, als er in den Bus einstieg, um in den Club zu fahren. Wie immer würde sein Arbeitsplatz am Tage ein seltsames Bild auf ihn machen. Keine Zuschauer, leere Bühnen, Tische, Stangen und Käfige. Der Barkeeper durfte sicher noch etwas länger schlafen, immerhin war Sonntag und vor allem war der ganze Club einmal in ein weniger diffuses Licht getaucht. Ein sehr seltener Anblick, den Adrian sicherlich nicht vermisste. Er liebte die bunten Lichter, die hämmernden Beats und allen voran die tobende Stimmung der wogenden Masse. *** Nachdem sie geduscht und sich fertig gemacht hatte, kochte Emily erst einmal Tee. Den Sonntagmorgen ließ sie normalerweise sehr gemütlich angehen. Mit einem späten Frühstück und einem Magazin. Heute war es eine Monatszeitschrift des Museums. Ein Artikel betraf die neuen Anschaffungen. Unter Anderem war von dem Kauf eines Dinosaurierskeletts für die Empfangshalle die Rede. Das würde Emily sehr gefallen. Sie mochte Dinosaurier. Als Kind hatte sie viele Bücher über die Urzeitechsen gehabt und sogar kleine Plastikausführungen. Als das Telefon klingelte sprang sie mehr als hoffnungsvoll auf. Vielleicht war es Zach. Auch wenn es ungewöhnlich gewesen wäre, dass er sie auf dem Festnetz anrief. Ihr Gesichtsausdruck war relativ enttäuscht, als sie die Stimme ihrer Schwester erkannte. „Hey, Mona.“ „Hey, Schwesterchen. Was machst du heute?“ „Eigentlich nichts, warum?“ Es stimmte leider. Auf ihrem Handy war keine neue Nachricht eingegangen. Zwar hatte Emily vorgehabt auf eine Sms oder einen Anruf zu warten. Aber wenn ihre Schwester etwas vorhatte, würde sie zusagen. Sie hatte keine Lust mehr zu warten. „Ich wollte mit Mario in den Zoo. Willst du mitkommen? Danach könntest du noch zu uns zum Essen bleiben.“ Emily dachte kurz nach. Sie liebte es, in den Zoo zu gehen. Und sie mochte ihre Schwester. Genauso wie ihren Mann. Aber auch bei den beiden hatte sie immer das Gefühl das fünfte Rad am Wagen zu sein. Sie wirkten trotz drei Jahren Ehe noch so verliebt und glücklich… Aber ein Tag im Zoo war verführerisch, also sagte sie zu. Sie zog sich einen hellen Rock, Stiefel und einen dicken grünen Pulli an. Das Wetter war wesentlich besser als gestern, aber noch nicht wirklich warm. Als sie im Zoo ankam, warteten Mona und Mario bereits auf sie. Umarmungen wurden ausgetauscht und sie kauften sich die Tickets. Emily freute sich besonders auf die Robben und Pinguine. Mona hatte schon immer besonders die Löwen gemocht, die Emily total langweilig fand. Es war ein schöner Nachmittag, mit vielen Geschichten, Lachen und den üblichen Pommes Frites zur Pause. „Ein Besuch im Zoo läuft doch immer gleich ab“, meinte Mona, als sich Emily gerade einen Pommes in den Mund steckte. „Ja, du hast Recht. Auch heute will ich mir einen Pinguin mit nach Hause nehmen und du wirst mich das wie immer nicht tun lassen.“ Die beiden Schwestern lachten herzlich und Mario strich Mona zärtlich über den Rücken. Der Tag war so lang gewesen, wie er anstrengend war. Schon beim Betreten des Clubs hatte sein Chef ihn in Beschlag genommen und ihm mehr als zwei Stunden lang haarklein erklärt, wie er sich Adrians Auftritt vorstellte. Als dieser endlich einmal zu Wort kommen konnte, wiederlegte er diverse Vorschläge mit ziemlich guten Argumenten, woraufhin sie weitere kostbare Zeit mit dem Versuch verschwendeten, sich einig zu werden. Als Adrian glaubte, sie hätte endlich einen Mittelweg gefunden, fiel seinem Boss erst jetzt ein, ihm zu sagen, dass er die Hauptattraktion des morgigen Abends sein würde, was Adrian erst einmal zum Verstummen brachte. Ja, er stand gerne auf der Bühne. Ja, er tanzte auch gerne vor anderen Menschen, aber das hier war einfach so viel größer. Leider konnte er seinen Chef nicht umstimmen, und so blieb er die Nummer eins des morgigen Abends. Zumindest, solange er den Auftritt nicht versaute. Als sie nach drei Stunden endlich alles Choreographische durchgesprochen hatte, ging ein noch längeres Gespräch über sein Kostüm los. Für gewöhnlich hatte Adrian nichts gegen schwarzes Leder, schwere Stiefel und ein halbdurchsichtiges Muskelshirt, aber was noch darum herum zum Showeffekt beitragen sollte, machte ihn etwas misslaunig. Andererseits versuchte er die Situation in einem ganz anderen Licht zu sehen. Da bot sich ihm wieder einmal die Möglichkeit in eine vollkommen andersartige Rolle zu schlüpfen, die er vor unglaublich vielen Frauen ausleben konnte, dafür aber niemals auch nur einen Gedanken in seinem Privatleben daran verschwenden würde. Er war schließlich damit einverstanden und somit konnte er zusammen mit dem DJ und LJ endlich zu Üben beginnen, damit morgen Abend um Punkt Mitternacht alles perfekt sein würde. *** Emily hatte ihr Handy in der Handtasche fast vergessen. Es hatte erst beim Abendessen geklingelt. Unter dem strafenden Blick ihrer großen Schwester hatte Emily das Gespräch entgegen genommen und sich für später verabredet. Zach stand um zehn Uhr abends – eine Stunde, nach der Uhrzeit, die sie verabredet hatten - vor ihrer Tür. Sie redeten ein wenig, tranken ein oder zwei Bier und saßen dann in ihrem Zimmer. Als es Zeit war ins Bett zu gehen, zog Zach Emily an sich und küsste sie zum ersten Mal an diesem Abend. Der Sex war langweilig, obwohl er so schnell vorbei war. Kein Vorspiel, kein Erfolg für Emily und Zach schlief mehr oder weniger direkt auf ihrem Bauch ein. Diesmal war das Gefühl in ihrem Bauch noch schlechter als am Abend zuvor. Sie konnte das hier nicht mehr. Sie schob Zach von sich herunter, der das nur mit einem mürrischen Brummen quittierte und weiter schlief. Kaum zu glauben, dass er erst weit nach elf Uhr abends heim kam. Ausnahmsweise war er einmal körperlich vollkommen ausgelaugt, da seine Nummer ganz schön viele körperliche Herausforderungen beinhaltete, die alle wenig mit Ausziehen zu tun hatten, sondern sich viel mehr damit beschäftigten, seine halbe Nacktheit noch besser zur Schau zu stellen. Aber immerhin war es doch genau das, worauf die meisten Zuschauer scharf waren. Dennoch war es anstrengend gewesen, die Nummer immer und immer wieder zu üben, bis alles perfekt saß. Adrian warf seine Schlüssel auf das kleine Tischchen im Flur, zog sich die Jacke aus, während er sich die Schuhe von den Füßen streifte und anschließend in die Küche schlurfte, um sich einen Mitternachtssnack zu gönnen. Er hatte heute kaum etwas essen können. Wenigstens hatte er die Sache mit der Miete bereits vor seiner Arbeit erledigt. Als er zwei Bier auf der Anrichte stehen sah, wurde Adrian zum ersten Mal wieder aufmerksam. Er lugte kurz in den Flur, wo er ein fremdes Paar männlicher Schuhe entdecken konnte. Hatte Emily etwa Besuch? Auch wenn ihn das absolut nicht zu interessieren brauchte, lauschte er in die Stille hinein, doch da war nichts zu hören. Sie mussten wohl schon schlafen. Also machte er sich selbst daran, Rühreier in die Pfanne zu hauen, sie gut zu würzen und mit Käse zu bestreuen. Emily hatte Zach eine Weile ins Gesicht gesehen und versucht die Gefühle herauf zu beschwören, die sie für ihn hegen sollte. Verliebtheit, sogar echte Liebe. Aber da war nichts. Sie fühlte sich nicht wohl mit ihm. Eigentlich wollte sie nicht einmal neben ihm schlafen, aber es war einfach nicht ihre Art, ihn nun aufzuwecken und aus ihrer Wohnung zu werfen. Also versuchte sie einzuschlafen. Nach einer Weile hörte sie Adrian nach Hause kommen und sah auf die Uhr. Er war sehr viel früher dran als das letzte Mal. Dafür war er auch den ganzen Tag weg gewesen. Sie hörte ihn noch in der Küche herumwerkeln. Am liebsten wäre sie zu ihm gegangen und hätte sich eine Weile mit ihm unterhalten. Nur um dieser deprimierenden Situation zu entkommen. Aber es würde ebenfalls nichts helfen. Sie musste noch diese Nacht durchstehen und sich dann endlich befreien. Es war Zeit. Eigentlich war es mehr als das. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie über den Punkt an dem das Ende hätte stehen sollen, schon lange vorbei geschrappt war. Sie wickelte sich in ihre Decke und drehte Zach den Rücken zu. An Schlaf war nicht zu denken, aber irgendwann überkam er sie doch und sie sank in einen traumlosen Schlaf. *** Der nächste Morgen war genauso schrecklich wie die Nacht zuvor. Emily wachte auf und konnte Zach nicht einmal berühren, der neben ihr die Augen aufschlug und sie ansah. Er stand auf und stieg in seine weiten Jeans. Sein schwarzes Shirt mit dem roten Drachen zog er sich über und stieg dann in weiße Tennissocken. Erst als er angezogen vor ihr stand, brachte Emily ein Wort heraus. „Zach… Ich kann das hier nicht mehr.“ Die Diskussion lief leise ab. Zumindest von Emilys Seite. Zach regte sich furchtbar auf. Dabei war er es gewesen, der nie eine Beziehung mit ihr hatte eingehen wollen. Jetzt warf er ihr Beleidigungen an den Kopf und stürmte aus ihrem Zimmer und der Wohnung. Emily hatte offensichtlich sein Ego verletzt. Sie hatte ihm noch im Schlafanzug die Tür aufgeschlossen und er schob sie unsanft zur Seite und rannte polternd die Treppe hinunter. Erst als Emily die Holztür geschlossen hatte, liefen ihr Tränen über die Wangen. Sie versuchte sie hinunter zu schlucken, aber es funktionierte nicht. Der nächste Raum war das Bad, also verzog sie sich darin und setzte sich auf die kalten Fliesen direkt neben den Klorollenspender und putzte sich das Gesicht ab. Sie musste kurz darüber lachen, dass sie es praktisch fand, die benutzten Tücher gleich in die Toilette werfen zu können. Adrian schlief so fest, dass er erst wach wurde, als er eine Männerstimme fluchen hörte und das nicht unweit von ihm entfernt. Zu nah, als dass es hätte von draußen vor dem Fenster kommen können. Da er noch im Halbschlaf wa, begriff er nicht, was ihm diese Information sagen wollte. Weswegen er sich kurzerhand wieder herum drehte und die Augen schloss. Dann allerdings hörte er Fußgetrampel vor seiner Tür vorbei laufen, den Flur entlang bis zur Haustür, die sich kurz darauf sehr leise wieder schloss. Jetzt saß er aufrecht. Die Tür zum Bad war das nächste Geräusch, dass zu ihm vordrang. Mann, diese Wände waren echt nicht gerade schallisoliert, zum Glück schlief er in den meisten Fällen wie ein Stein. Aber das ungute Gefühl im Magen zwang ihn dann doch dazu, aufzustehen und nachzusehen, ob mit Emily alles in Ordnung war. Immerhin hatte sich die Männerstimme nicht gerade zärtlich angehört. Ganz im Gegenteil, wäre sie noch lauter geworden, wäre er gleich aus dem Bett gesprungen. Rasch zog er sich eine Short an, weil er schon wieder nur mit einem Handtuch bekleidet eingeschlafen war und verließ sein Zimmer. Vor der Badezimmertür lauschte er kurz, da er aber wusste, dass Emily ihn sicherlich gehört hatte, klopfte er sachte an. „Emily? Ist alles in Ordnung bei dir?“ Er horchte. Emily schrak zusammen, als sie Adrians Zimmertür hörte. Sie biss sich auf die Unterlippe und kniff die Augen zusammen in der Hoffnung, dass er nicht zum Bad kommen würde. Natürlich umsonst. „Nein!“, fluchte sie tonlos und rappelte sich so schnell sie konnte vom Fußboden hoch. Ihr Stimme klang brüchig vom Weinen und unnatürlich hoch, als sie versuchte, überzeugend zu klingen. „Ja, alles in Ordnung.“ Sie drehte das kalte Wasser an und spritze sich ein paar Hände voll ins Gesicht, bevor sie die Tür einen Spalt breit öffnete. „Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht wecken. Es tut mir leid…“ Ihre Unterlippe fing wieder an zu zittern und ihr war klar, dass sie gleich erneut in Tränen ausbrechen würde. Diesmal, weil es ihr so unglaublich leid tat, dass sie Adrian mit ihrer Szene aufgeweckt hatte. „Geh’ wieder schlafen. Ich…“ Sie sah auf die Uhr über dem Spiegel an der Wand und fluchte diesmal laut. „Ich muss in einer halben Stunde zur Arbeit.“ Er sah skeptisch aus, aber sie schloss mit einem weiteren Sturm an Entschuldigungen die Tür. Ach du heilige Scheiße! Sie hatte geweint und stand definitiv davor, gleich wieder damit loszulegen. Damit hatte Adrian wirklich nicht gerechnet, als sie schließlich die Tür öffnete. Sofort drangen zwei gänzlich unterschiedliche Gefühle durch seinen ganzen Körper. Zum Einen war da plötzlich kochende Wut auf diesen Scheißkerl, der sie zum Weinen gebracht hatte und zum Anderen war da der Drang, sie zu trösten. Er konnte Frauen noch nie weinen sehen, ohne dass sich bei ihm gleich der Beschützerinstinkt einschaltete. Allerdings schob sie dem gleich einen Riegel vor, als sie sich unnötigerweise bei ihm entschuldigte und ihm gleich daraufhin die Tür vor der Nase zu machte. Eigentlich wollte er etwas sagen, aber dann ließ er diesen Entschluss doch fallen. Stattdessen ging er schnurstracks in die Küche, stellte Wasser für den Kaffee auf und warf Speck mit Eiern in die Pfanne. Wenn er schon sonst nichts für sie tun konnte, sollte sie wenigstens nicht mit leerem Magen zur Arbeit gehen müssen. Während er darauf wartete, dass der Kaffee endlich fertig wurde, lehnte er mit dem Rücken zur Tür an der Theke und wippte nervös mit dem Fuß. Gedeckt hatte er bereits, obwohl er nicht einmal wusste, ob sie morgens etwas aß. Egal. Zur Not konnte er immer noch selbst das Essen hinunter würgen, obwohl ihm gerade ganz und gar nicht danach war. War das ihr Freund gewesen? Hatte der Penner sie schon öfters so behandelt? War jetzt Schluss oder war das der normale Tagesablauf dieser beiden „Liebenden“? Gott, wie er solche Typen hasste! Man konnte doch wohl über alles ganz normal reden und selbst wenn einmal ein Streit anstand, flüchtete man nicht gleich davor. Es sei denn, er hatte sich für immer verpisst, was Adrian schwer für den Kerl hoffte. Warum regte er sich eigentlich so auf? Das ging ihn verdammt noch mal nichts an! Unter der lauwarmen Dusche versuchte sie sich zu beruhigen. Es war gut so, wie es war. Das Gefühl gestern Nacht hatte sie nicht trügen können. Es war die richtige Entscheidung gewesen, sich endlich und vor allem endgültig von ihm zu trennen. Aber es war genauso wahr, dass sie einmal sehr verliebt in ihn gewesen war. Und dieses Gefühl versuchte sie jetzt davon zu überzeugen, dass sie übertrieben hatte. Aber diesmal würde sie stärker sein. Zachs Reaktion war doch wohl Grund genug, sich ihrer Sache mehr als sicher zu sein. Natürlich verstand sie, dass sie ihn verletzt hatte, aber deswegen musste er sich nicht so aufführen. Wenn sie ihm etwas bedeutete, hätte er mit ihr reden können. Emily legte ein wenig Make-up auf, um die roten, gefleckten Wangen zu überdecken und rannte dann in ihr Zimmer, um sich anzuziehen. Ein ordentliches, dunkelgrünes Kostüm und eine schwarze Bluse. So dunkel und unauffällig wie möglich. Außerdem band sie ihre Haare in einen strengen Knoten zurück und legte keinen Schmuck an. Mit ihrer Tasche in der Hand ging sie in die Küche, weil es schon im Flur sehr gut nach Eiern und Speck roch. Als sie schließlich in der Küche ankam sah sie, dass Adrian Frühstück gemacht und den Tisch gedeckt hatte. Sie sah ihn völlig verblüfft an und wäre beinahe wieder in Tränen ausgebrochen. Er war so süß! Völlig unüberlegt ging sie zu ihm hinüber zur Küchentheke und drückte ihn kurz. „Vielen Dank. Das ist wirklich süß von dir.“ Eigentlich hatte sie kaum noch Zeit, aber dass er sie mit seiner aufmerksamen Art beinahe geschafft hatte, war Grund genug noch hier zu bleiben. Es würde den Pharao nicht umbringen, wenn sie eine halbe Stunde später anfing die Farben aufzufrischen. Immerhin war er schon tot. Völlig fertig ließ sie sich auf einen Stuhl fallen und hibbelte darauf herum. Dann sah sie Adrian in die blauen Augen. „Nochmal Entschuldigung, dass wir dich geweckt haben. Ich hätte nicht gedacht…“ Mit einem tiefen Seufzer sah sie auf ihre Finger, die sich zusammen krampften. „Ich hab schlussgemacht. Er hat’s nicht gut aufgenommen.“ Es überraschte ihn doch mehr, als er zugeben wollte, dass sie ihn so plötzlich umarmte. Aber schon aus reinem Reflex, drückte er sie kurz, ehe sie sich wieder von ihm löste. Ja, das Wort „süß“ hatte er schon oft im gleichen Zusammenhang mit seiner Person gehört. Das und mehr. Dennoch brachte es ihn zum Lächeln, während er das Essen auftischte und frischen Kaffee einschenkte. Während sie ihm erzählte, dass sie mit Kerl schlussgemacht hatte, betrachtete er Emily kurz. Man sah ihr nicht mehr an, dass sie geweint hatte, allerdings wollte dieses strenge Aussehen nicht wirklich zu der netten Art passen, die er bisher von ihr kennen gelernt hatte. Irgendwie wirkte sie … geduckt. Als wolle sie absichtlich möglichst unauffällig sein. Warum nur? Hatte sie denn angst, den Menschen zu zeigen, was für ein Mensch sie war? Außerdem vermisste er es, wenn sie offene Haare hatte. So wie gerade eben noch, als er einen Blick auf sie und ihren Pyjama hatte werfen können. „Emily, du brauchst dich wirklich nicht dafür zu entschuldigen. Ganz im Gegenteil. Ich bin sehr zufrieden mit dir.“ Er lächelte sie über den Rand seines Kaffeebechers an und nahm dann einen Schluck. „Wenn der Kerl auch nur annähernd so war, wie ich ihn mir vorstelle, war das die einzig richtige Entscheidung in meinen Augen. Du hast es wirklich nicht nötig, dich mit sowas abzugeben.“ Bestimmt hatte er sie nur fürs Bett ausgenutzt. „Typen wie der wollen doch alle nur das eine ohne Rücksicht auf Verluste.“ Oh ja, davon konnte er nur ein Lied singen, auch wenn er selbst ein Kerl war und er damit so einige Frauen in seinem Leben meinte. „Das solltest du dir nicht antun.“, fügte er noch hinzu, ehe er zu essen begann. Das er hier den schwulen Mitbewohner spielen musste, kam ihm in diesem Fall sehr entgegen. Immerhin konnte er so ganz unverfänglich mit ihr über solche brisanten Themen sprechen, ohne gleich schräg angesehen zu werden. Für Gewöhnlich hatte er ohnehin keine Probleme damit, offen zu reden, aber mit großer Wahrscheinlichkeit Emily, weswegen er sich auch noch halbwegs zurückhielt. Er hätte es auch ganz anders ausdrücken können. „Danke.“ Sie wollte nur allzu gern daran glauben, dass Adrian Recht hatte. Denn das würde bedeuten, dass sie auf jeden Fall die richtige Entscheidung getroffen hatte. Aber sein Kommentar, den sie durchaus verstand, verletzte sie ein wenig. Ihre Gabel blieb mitten in der Luft hängen. Es war ein ziemlich schlimmer Gedanke, dass Zach sie wirklich nur für Sex ausgenutzt hatte. Noch dazu wenn sie bedachte, wie schlecht der Sex gewesen war. Zach war völlig egoistisch gewesen. Was für Adrians Theorie sprach und Emily einen dicken Kloß ihm Magen bescherte. Nachdem sie ungefähr die Hälfte ihrer Portion gegessen hatte, warf sie einen nervösen Blick auf ihre Armbanduhr. Mehr als eine halbe Stunde wollte sie nicht zu spät kommen. Also sprang sie auf, stellte ihren Teller neben die Spüle und drehte sich zu Adrian um, der noch am Tisch saß. „Vielen Dank für’s Frühstück und für’s Zuhören.“ Sie brachte sogar ein Lächeln zustande, auch wenn es nicht sonderlich überzeugend war. „Tschüss!“ Seufzend sah er ihr hinter her, wie sie die Wohnung verließ. Adrian blieb noch sehr lange am Frühstückstisch sitzen, während der Rest seines Essens unangerührt kalt wurde und der Kaffee schließlich das gleiche tat. Gerne hätte er Emily geholfen, aber wie gesagt, es ging ihn eigentlich nichts an und um ihr wirklich helfen zu dürfen, kannten sie sich noch nicht genug. Er war noch ein Fremder für sie und sie für ihn. Wieder entkam ihm ein Seufzen, bis er sich schließlich dazu aufraffte, das Geschirr zu spülen, das restliche Essen auf den Kompost zu werfen und dann etwas die Wohnung aufzuräumen. Viel war nicht zu tun, immerhin waren sowohl Emily als auch er ziemlich sauber im Umgang mit ihrer Wohnung. Also legte er nur die Decken ordentlich auf die Couch, machte dann sein Bett und versuchte sich den Rest des Tages gedanklich auf seinen Auftritt vorzubereiten, der immer näher rückte. Eigentlich hätte er nicht so nervös sein sollen, aber er war es. Weswegen er lange genug völlig sinnlos durch die Wohnung tigerte und immer wieder auf die Uhr starrte, bis er sich zur Ordnung rief und erst einmal eine heiße Dusche nahm. *** Julie rief sie während der Arbeit an und erzählte ihr erst einmal von ihrem ‚phantastischen’ Wochenende mit Luke. Als Emily endlich zu Wort kam, erzählte sie Julie was am Morgen vorgefallen war. „Oh Gott, Süße! Das tut mir leid. Und da ist gar nichts mehr dran zu ändern?“ Emily biss sich kurz auf die Zunge und schluckte das traurige Gefühl herunter, dass sich in ihrer Brust sammeln wollte. „Nein, ich glaube nicht.“ „Dann hör aber mal. Wir gehen heute Nacht ins Shadow und du trinkst was. Luke kann uns fahren. Und keine Widerrede.“ Emily versuchte sich herauszureden, aber Julie ließ nicht locker. Also würde sie eben heute ins Shadow gehen. Na toll, das hieß sich aufzustylen, ein Hauch von Nichts anzuziehen und sich zur Schau zu stellen. Obwohl … es war Ladysnight. Also würde niemand auf sie achten. Vielleicht war das doch keine so schlechte Idee. Als Adrian endlich zur Arbeit fuhr, war Emily noch nicht zu Hause, aber er musste ohnehin früher im Club sein, um sich fertig zu machen und um sich vor allem schon mal auf die Atmosphäre einzustimmen, die heute sicher noch geladener war, als ohnehin schon. Immerhin heizten seine Kollegen die Menge bestimmt schon einmal ordentlich ein, bevor er dran kam. Kapitel 6: 6. Kapitel --------------------- Sie hatten bereits mehrere GinTonics intus, als sie sich vor dem Club anstellten. Es war die Hölle los. Frauen in weniger als wenig Stoff gehüllt stellten sich an, um noch einen Platz in dem berstend vollen Club zu erhaschen. „Komm schon!“ Julie winkte ihr von der Tür her zu. Luke war Barkeeper und kannte fast jeden Türsteher der Stadt. So würden sie schnell reinkommen. Sie wurden einfach durchgewinkt und der Türsteher sah sich in aller Ruhe Julies Hintern an. Was kein Wunder war. Der steckte in einer derart engen, tief geschnittenen schwarzen Jeans, dass er jedem mehr oder weniger direkt ins Gesicht sprang. Von ihren anderen Vorzügen, die unter einem pinken Glitzeroberteil nicht wirklich versteckt waren ganz zu schweigen. Emily selbst trug ein hellblaues Oberteil mit Neckholder und einen dunklen Rock. Dazu schwarze Stiefel und eine kurze Lederjacke. Bloß weil sie nicht oft ausging, hieß das nicht, dass sie nicht wusste, wie man sich ein wenig dafür chick machte. Allerdings war sie noch nie in einem Club wie dem Shadow gewesen. Das Licht war schummrig bis auf die Scheinwerfer, die auf die beiden Käfige gerichtet waren, in denen sich zwei Männer zur Musik bewegten. Emily traute sich zuerst gar nicht richtig hinzusehen. Sie empfand es als seltsam, sich die nackte Haut dieser Männer anzusehen, die ihre Muskeln zur Schau stellten und mehr als eindeutige Bewegungen in ihre Show einbauten. Wäre es nur Tanzen gewesen, hätte es ihr vielleicht gefallen. Aber diese sexuellen Anspielungen waren einfach ein wenig zu viel. Warum musste das immer dazu gehören? „Willst du was trinken?“ Julie fühlte sich sichtlich wohl zwischen den anderen Frauen, sie sich um die Käfige drängten und versuchten kurz über die Haut der Tanzenden zu fahren. Oder noch schlimmer, ihnen das letzte Stückchen Stoff vom Leib zu reißen. Bei dem Anblick schüttelte Emily kurz den Kopf, sah dann aber Julie an und antwortete wahrheitsgemäß. „Verdammt, ja!“ Sie kämpften sich zur Bar durch und bestellten weitere Gin Tonics. Allerdings fügte Julie noch eine Bestellung hinzu. „Es ist halb zwölf. Wir sollten auf einen ordentlichen Pegel kommen.“ Damit drückte sie Emily zwei Gläser Tequila in die Hand und hob selbst eines ihrer eigenen beiden. „Auf die Ladysnight!“ Darauf trank Emily den ersten Tequilashot und den nächsten widmete sie dem Singledasein. Als sie ihre aufkommende Traurigkeit auch noch mit dem GinTonic hinunter spülte, fingen ihre Füße bereits an zu kribbeln. Sie wurde langsam aber sicher betrunken genug, um das Ganze ein wenig zu genießen. „Wir gehen da rüber, da können wir alles gut sehen!“ Julie zeigte auf einen einigermaßen freien Platz neben dem linken Käfig, in dem sich ein Latino gerade gekonnt an den Stangen räkelte. Natürlich nicht Emilys Geschmack, aber der Platz war gut. Sie konnte sowohl den Käfig, als auch die Hauptbühne sehen. „Meinst du, er ist heute hier?“ Julie hatte schon die ganze Zeit im Auto davon gesprochen. Nach ihrer Vermutung arbeitete Adrian tatsächlich hier. Emily glaubte ihr aber nicht. Und wenn, dann vielleicht als Barkeeper. Aber hinter dem Tresen hatte sie ihn nicht entdecken können. Dass er nicht in einem der Käfige stand und sich den Augen der Frauen zum Fraß vorwarf, war allerdings eine große Erleichterung. Über einen Seitenzugang machte Adrian sich ein Bild über die heutige Auslastung des Clubs. Als er überall nur zuckende Leiber und aufgeregtes Gekreische erkennen konnte, als wäre die Menge zu einem brüllenden Monster verschmolzen, schoss ihm Adrenalin durch die Venen und sein Herzschlag schaltete in den nächsten Gang. Draußen im Club ging es so heftig zu wie bei D&G im Ausverkauf. Bestimmt konnte man ein Blatt in der Menge fallen lassen, ohne dass es jemals auf dem Boden aufschlug. Dazu war einfach kein Platz. Was sich vorrangig dicht an der Hauptbühne abspielte, die den Clubraum zu einem Viertel in der Mitte mit drei Metern Breite teilte. Weiter hinten in der Nähe des Ausgangs konnte man wenigstens noch einmal kurz durchatmen, ehe man von der Masse einfach verschluckt wurde. Die Bude war schlichtweg gerammelt voll, was sicherlich nicht nur am freien Eintritt lag. Da war sich Adrian sicher, als er den Kopf wieder einzog und sich für seinen Auftritt fertig machte. Das würde heute ein absoluter Höhenflug der Sinne werden! Das Licht im ganzen Zuschauerraum fiel um Punkt Mitternacht aus, so dass nur noch eine schemenhafte Beleuchtung durch die rötliche Umrandung der kleineren Tanzflächen auf den Seiten des Clubs für Stimmung sorgte. Mit gespannter Erwartung begann die Menge zu verstummen. Nur noch das leise Rauschen der Lautsprecher und fragendes Gemurmel wisperte durch den Raum. Als wisse die Menge nicht, was jetzt los war oder gleich passieren würde. Die Spannung wurde zu einem fast greifbarem Gefühl. Leise Geigenmusik wagte den Versuch die angespannte Menge zu beruhigen, begleitet von leisem Schlagzeug schien sie sich dennoch mit ihren steigernden Tönen eher auf etwas Großes zu zubewegen, bis mit einem Mal diffuses Licht über die Hauptbühne flutete und an einer großgewachsenen Gestalt in einem langen, schwarzen Ledermantel hängen blieb, die mit dem Rücken zu der Menge in einem roten Lichtkegel da stand und breitbeinig leicht zu Boden blickte. Sein Herz hämmerte Adrian aufgeregt bis zum Hals und er meinte, man müsste es in der aufkommenden Stille der Dunkelheit im Club schlagen hören können, doch er hörte nur das gespannte Warten der Menge. Das leise Einsetzen der Musik war sein Stichwort, an dem er bereits an Ort und Stelle auf seinem Platz in Position stehen sollte. Noch einmal atmete er tief durch, solange ihm die Dunkelheit Schutz bot, dann setzte mit einem Schlag das Licht ein, während der Effekt noch mit lauter werdender Musik begleitet wurde, doch die Bässe blieben noch aus. Also begann er mit seiner Choreographie. Langsam hob er im Einklang mit der Musik seinen Kopf mit den roten Haaren und den schwarzen Strähnen darin, die ihm bis zu den Schultern fielen. Mit fast schon arrogant verachtender Geste begann er über seine Schulter auf die Menge zu blicken, die er nur schemenhaft wahrnahm, da nur die Bühne beleuchtet war. Der weite Kragen des langen Ledermantels verdeckte Mund und Nase, zog die Blicke aber zugleich auf seine schwarz geschminkten Augen, was mit Hilfe des passenden Lichts seine hellblaue Iris beinahe zum Fluoreszieren brachte. Leiser Takt setzte ein, zu dem er seinen linken Fuß in den hoch geschlossenen Lederstiefeln mit der Riemenverschnürung zu bewegen begann. Im gleichen Moment, als die Musik zu einem volltönenden, beinahe schon aggressiven Bass los donnerte, wirbelte sein Körper herum, worauf die Menge zu kreischen anfing. Seine schweren Stiefel knallten regelrecht wie Donnerschläge mit dem Rhythmus des Basses über den schwarzen und auf Hochglanz polierten Boden der Bühne. Kurz kam er sich dabei wie ein Model auf dem Laufsteg vor, nur mit dem Unterschied, dass er kein zartes Knochengerüst darstellte, sondern eher wie ein gnadenloser Kämpfer auf Kriegszug aussah. Dementsprechend kalt und ausdruckslos wirkte sein Gesichtsausdruck. Kurz vor Ende des langen Stegs beschleunigte er noch einmal seine Schritte, ehe er sich auf die Knie fallen ließ, und mit durchgebogenen Rücken die restlichen Meter beinahe bis zur Kante dahin schlitterte, dabei die Vorderseiten seines dünnen Ledermantels weit geöffnet von sich streckte. Adrian spürte, wie seine Haarspitzen den Boden entlang glitten, da er sein Kreuz so weit durchbog, dass er mit dem Kopf fast die Tanzfläche berührte. Seine Augen waren geschlossen, um das Spannungsmoment zu erhöhen, während er einen Moment in dieser Pose verharrte. Danach begann er zuerst seine Hüften zu bewegen, das deutlich erkennbare Sixpack seines Bauchs folgte dem Rhythmus bis dieser zu seinen Schultern vordrang und er sich mit geschmeidiger Bewegung wieder aufrichtete und sich dabei den Mantel abstreifte. Kaum dass er wieder gekonnt auf den Beinen war, kickte er das ausgezogene Kleidungsstück genau so über die Menge hinweg, wie er es geprobt hatte. Eine Aufeinanderreihung von komplizierten Bewegungen seines ganzen Körpers folgte, die ihn wieder zurück zum Anfang des Stegs brachte. Alles was er tat, war zugleich geschmeidig aber auch deutlich aggressiv, die schmetternden Beats verschärften diesen Eindruck noch zusätzlich. Einen Moment der Ruhe löste seine kämpferischen Bewegungen ab, in dem er seine Hände beinahe liebkosend über seinen Oberkörper wandern ließ, als würde er sich vor dem gesamten Publikum gerade selbst verführen. Mit einer überraschenden Geste riss er sich das Muskelshirt vom Leib, wodurch seine weißschimmernde Haut zum Vorschein kam, was definitiv am Wechsel des Lichtes lag. Die Stofffetzen ließ er einfach liegen, während er dem nächsten Punkt seiner Darbietung zustrebte. Genau am Ende des Stegs, dort wo er als erstes seinen Mantel ausgezogen hatte, war inzwischen eine massive Metallstange aus dem Boden gefahren, die bis zur Decke reichte. Genau das war sein Ziel, als er sich mit gekonnt aufreizenden Bewegungen dort hin bewegte. Kaum dass er die Stange erreicht hatte, glitten seine Hände in obszöner Geste die Stange entlang nach oben, als wäre das hier keine Metall sondern eine heißpochende Erektion. Er ließ eine Hand hoch an der Stange, während er in schwingenden Bewegungen einen Kreis darum herum ging und seine andere Hand zum ersten Mal in das Publikum hinaus streckte, welches ihn jedoch nicht erreichen konnte, denn im nächsten Moment schwang er sich wie ein Akrobat mit den Füßen voran nach oben die Stange hinauf. So dass er am Ende fast eineinhalb Meter hoch mit dem Rücken an dem Metall lehnte, während seine Beine sich darum verhakt hatten und ihn so an Ort und Stelle hielten. Was für ein unglaublicher Kräfteakt das war, wusste vermutlich niemand, aber sein Gesicht zeigte keine Regung der Anstrengung, als er seine freien Hände wieder über seinen nackten Oberkörper hinab oder sollte er besser sagen hinauf gleiten ließ, um seine silberne Gürtelschnalle zu öffnen und das Accessoire dann mit einen Ruck auszuziehen. Auch in dem Wissen, dass der Gürtel nie wieder auftauchen würde, warf er ihn in die kreischende Menge und begab sich wieder auf seine Beine. Inzwischen hatten seine Oberschenkel schon heftig zu brennen begonnen; um sein Gewicht halten zu können, bedurfte es sehr viel Kraft. Nun umtänzelte er das Metall wie eine heiße Geliebte, an der er seinen Körper mit dominanten Bewegungen und erotischen Andeutungen rieb, ehe er seine schwere Lederhose los wurde, die kurz darauf in der wogenden Masse aus Schatten verschwand. Bestimmt würde die Glückliche seine Hose als Andenken an die Wand pinnen, der es gelungen war, das Kleidungsstück zu ergattern. Ihm sollte es recht sein, das Kostüm bezahlte ohnehin der Club. Nur noch mit einem schwarzen Tanga bekleidet, kniete er am Boden, rekelte sich, stellte noch einmal zur Schau, wonach viele der anwesenden Frauen schreiend lechzten, ehe die Musik ausklang und er mit dem Rücken an der Stange gelehnt auf dem Boden kniend inne hielt. Seine Hände nach oben gestreckt, als müsse er sich am Metall festhalten, um sich aufrecht halten zu können. Sein Herz hämmerte so hart gegen seine Brust, wie es die Beats gerade eben noch getan hatten und sein gesamter Oberkörper dehnte sich immer wieder unter seiner schnellen Atmung. Mit diesem Bild im Kopf erlosch das Licht auf der Bühne. Die Menge jubelte weiterhin, erst recht, als kurze Zeit später nun die kleinen Tanzflächen erstrahlt wurden und jeweils einen geübten Tänzer zur Schau stellten. Schnell richtete sich die Aufmerksamkeit dort hin, während Adrian sich verborgen im Schatten auf den Weg in den Umkleideraum machte, wo er sich erst einmal seinen Morgenmantel überwarf und sich schwer auf einen Sesseln nieder ließ, um heftig durchzuatmen. Was für eine Show! Als der Club sich verdunkelte war Emily und auch allen anderen Frauen bald klar, dass etwas Besonderes vor sich ging. Weil Julie schon öfter hier gewesen war, sah Emily zu ihr hinüber. „Weißt du, was jetzt kommt?“ Julie hörte ihr gar nicht zu, sondern deutete nur auf die Bühne, wo gerade rotes Licht angegangen war. Ein Tänzer im schwarzen Ledermantel wurde beleuchtet. Emily wollte sich schon ihrem Glas zuwenden, als Julie ihr etwas zuschrie. Sie konnte die Worte nicht verstehen, aber ihre Freundin schien sehr aufgeregt zu sein. Der Tänzer hatte sich umgedreht und lief in aggressiver Manier zum vorderen Rand der Bühne. Als sie ihn erkannte, fiel Emily beinahe ihr Glas aus der Hand. Ihre erste Reaktion war wegzusehen. Sie schämte sich hier zu sein. Zwar hatte sie Adrian – ihren neuen Mitbewohner – schon in Shorts gesehen, aber das hier war etwas ganz Anderes. „Ich hab’s dir doch gesagt!“ Julie hatte sich zu Emily gekämpft und zog sie gegen ihren Willen noch weiter an die Bühne heran. Gerade flog der lederne Mantel über die Menge hinweg. Emily hielt sich fast panisch an ihrem Glas mit Alkohol fest und schlug die freie Hand vor den Mund. Am liebsten hätte sie sich die Augen halb zugehalten. Wie bei einer gruseligen Szene im Kino, die sie nicht ansehen wollte, aber trotzdem immer wieder durch die Lücken zwischen ihren Fingern beobachtete. Adrian bewegte sich so, als würde er jede einzelne Frau im Publikum zuerst anheizen wollen, um sie dann nacheinander oder auch gleichzeitig von ihrem Druck zu befreien. Immer wieder sah Emily hin und dann wieder weg. Sie konnte nicht glauben, dass sie diesen Mann kannte. Nein, sie kannte ihn gar nicht. Sie wohnte mit ihm zusammen! „Scheiße.“ Julie verstand ihren Kommentar total falsch und bemühte sich noch näher an die Bühne zu kommen. Emily wäre beinahe vor Scham im Boden versunken, als die Blonde auch noch die Gürtelschnalle auffing, die Adrian wie den Mantel in die Menge geworfen hatte. Sein Auftritt an der Stange gab Emily den Rest. Sie schlängelte sich durch die kreischenden und aufgeregt herumhüpfenden Frauen zur Bar und bestellte sich zwei weitere Tequila, die sie schnell hintereinander hinunter schüttete. Und das blieben nicht die Einzigen. Adrian duschte lange und ausgiebig im Club, nachdem er sich von seinem Auftritt einigermaßen erholt hatte. Außerdem wollte er die schwarzen Strähnen wieder heraus waschen und sich von der Schminke befreien. Das war definitiv nicht sein Stil, aber was er auf der Bühne vorführte, war auch nicht seine Persönlichkeit, sondern lediglich ein Bild oder eine fiktive Vorstellung, der er Leben einhauchte. Nachdem er sich seine Alltagskleidung wieder angezogen hatte und sein Boss ihm zu der hervorragenden Show gratuliert hatte, machte er sich auf den Weg nach Hause. Er war verdammt müde und würde heute nur noch eines tun. Nämlich schlafen. Als er in der Wohnung ankam, war es still, aber bestimmt schlief Emily schon, also zog er sich selbst nur noch aus und warf sich ins Bett. *** Julie hatte neben Emily auf der neuen Couch geschlafen. Vielleicht war das ganz gut gewesen. Immerhin hatte es Emily gerade so allein ins Bad geschafft, um sich zu übergeben und sich damit ein wenig von den vielen Tequilas zu befreien. Unter die Dusche schaffte sie es nicht mehr, sondern schminkte sich grob ab und schmiss die Klamotten nur in ihr Zimmer, bevor sie sich den Schlafanzug überzog. Julie schlief in Unterwäsche. Sie hatte nicht geplant zu bleiben und würde am nächsten Morgen verschwinden. Auf den Couchtisch hatte sie triumphierend die Gürtelschnalle gelegt, die sie bei Adrians Auftritt ergattert hatte. Am nächsten Morgen wachte er wieder einmal sehr früh auf, schlurfte noch im Halbschlaf in die Küche, um sich frischen Kaffee zu machen. Heute würde er den Tag genießen, ohne diese anstrengende Nervosität von gestern. Also nahm er sich die Tasse mit ins Wohnzimmer. Schon bei der Tür blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Er konnte nur den Couchtisch sehen und das, was darauf lag. Heftig blinzelnd versuchte er sich einzureden, dass er noch immer im Bett lag und träumte, denn das konnte einfach nicht sein. Das war doch nicht der Gürtel, den er gestern in die Menge geworden hatte? Das musste er sich einfach näher ansehen. Als er schließlich auch noch Emily im Pyjama und Julie in Unterwäsche auf der Couch schlafen sah, fiel ihm endgültig die Tasse runter und zerschellte lautstark am Boden. „Scheiße.“ , war alles, was er großartig darauf erwidern konnte, während er sich die Fakten zu einem vollständigen Bild zusammen reimte. Die beiden waren gestern im Club gewesen, der Gürtel war Beweis genug dafür. Er wusste doch, wieso er Emilys Freundin hasste und jetzt mehr denn je. Aber dazu war er im Moment viel zu erstarrt. Emily schreckte hoch, als die Tasse auf den Boden knallte und scheppernd zerbrach. Das bereute sie aber sofort, weil ihr schwindlig wurde und sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen ausbreitete. Sie hielt sich nur die Hand vor den Mund und stürmte an Adrian vorbei ins Bad. Dabei würdigte sie ihn keines Blickes und war auch noch in eine der Scherben getreten, die auf den Dielen verstreut lagen. Aber das kümmerte sie gerade nicht, als sie die Kloschüssel umarmte und sich noch ein paar Tequilas und GinTonics wieder durch den Kopf gehen ließ. Julie hielt Alkohol sehr viel besser aus. Außerdem hatte sie sich in der letzten Nacht weniger zugeschüttet als Emily. Sie sah Adrian in der Wohnzimmertür stehen und schlang sich die Decke um den Körper. „Guten Morgen.“, sagte sie mit einem zweideutigen Lächeln auf dem Gesicht. „Cooler Auftritt gestern.“ Mit diesen Worten sah sie auf die Gürtelschnalle und dann wieder ihn an. Dass sich seine Augen nicht sonderlich freundlich auf sie legten war ihr anscheinend egal. „Emily ist bloß ein bisschen prüde. Keine Sorge, sie wird’s verkraften.“ Julie stand auf und zog sich ihre knappen Sachen wieder an, bevor sie zu Emily ins Bad ging und ihr wenig hilfreich auf den Rücken klopfte. Irgendwann, als sich Emily ein wenig beruhigt hatte und sich die Welt nicht mehr um sie drehte, rief Julie Luke an und war im nächsten Moment aus der Tür. Emily setzte sich auf den Badewannenrand und zog sich die Scherbe aus der Fußsohle. Es tat weh, aber das lenkte sie wenigstens von ihren schrecklichen Kopfschmerzen ab. Sie hatte schon lange nicht mehr so viel getrunken. Sie würde in der Arbeit anrufen und sagen, sie sei krank. In diesem Zustand würde sie nicht arbeiten können. Am liebsten hätte er dieses Miststück hochkant rausgeschmissen, als Emily aus dem Raum stürmte, um sich vermutlich zu übergeben. Dabei hatte sie ihn ja noch nicht einmal angesehen, was für ihn schlimmer war, als jeder verachtende Blick. Umso finsterer starrte er Julie an, die das alles sehr locker nahm. Angewidert von ihrer Art, drehte er sich um und ging in die Küche um einen Lappen und Schaufel und Besen zu holen. Wenigstens rettete ihn diese kleine Tätigkeit ein paar Minuten lang vor dem, was ihm bestimmt bald blühen würde. Er war absolut nicht scharf darauf, dabei konnte er nicht leugnen, dass er sich trotz allem nicht schämte, für das was er in diesem Club tat. Er verachtete sich im Augenblick zwar selbst, was aber nur daran lag, dass er Emily anlog und sie gestern eines seiner wohlgehüteten Geheimnisse entdeckt hatte. Dabei war das noch nicht einmal das Schlimmste. Seufzend machte er den Dreck weg, zog sich dann an und sah noch, wie Julie die Wohnung verließ, als er sich auf den Weg zum Bad machte. Im Türrahmen blieb er mit verschränkten Armen stehen und bemerkte erst jetzt, dass Emily in eine der Scherben getreten war. Geknickt ließ er den Kopf samt Arme hängen. „Tut mir leid, wegen der Scherben und dass du rein getreten bist.“ Emily sah von ihrer Fußsohle auf und Adrian ins Gesicht. Er sah ein wenig genervt aus. Aber Emily zweifelte keine Sekunde daran, dass er es ernst meinte, als er sagte, dass es ihm leid tat. „Nicht so schlimm. Ich lebe.“ Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Nach dem, was sie letzte Nacht gesehen hatte, wusste sie nicht einmal, was sie von ihm denken sollte. Natürlich konnte jeder einem Beruf nachgehen, den er mochte. Aber Emily brachte so viel mit diesem Beruf in Zusammenhang, dass es ihr schwer fiel, Adrian immer noch nur als netten Kerl zu sehen. Sie hatte Angst, dass er Drogen nahm. Sie hatte Angst, dass er nach seinem Auftritt noch irgendwo hin ging, um sich vollzudröhnen oder sich abschleppen zu lassen. Letzteres konnte er getrost tun, aber mit Drogen hatte sie einfach überhaupt nichts am Hut. Das hätte bedeutet, dass sie Angst haben musste, dass Adrian sie beklaute. Oder irgendwann aggressiv wurde, wenn er nicht das bekam, was er ‚brauchte’. Mit einem Seufzer sah sie zu ihm hoch. Ihr Blick war ein wenig traurig. Sie mochte ihn wirklich und wollte ihn nicht aus der Wohnung werfen. Der Möbeleinkauf und der DVD-Abend waren so nett gewesen. Außerdem hatte er sich um sie gekümmert. Noch gestern Morgen. Und trotzdem. Es war nun einmal so, sie würde mit ihm darüber reden müssen. Sonst konnte sie nicht ruhig schlafen. Ohne sich im Spiegel anzusehen, wahrscheinlich sah sie aus wie eine wandelnde Leiche, ging sie an ihm vorbei und zum Telefon. Als sie wählte, sah sie wieder zu ihm hinüber und fragte ihn nach einer Tasse Kaffee. Sie sagte bei der Arbeit Bescheid, dass sie nicht erscheinen würde und ging dann in die Küche, wo sie Brötchen zum Aufbacken in den Ofen schob. Dann setzte sie sich mit einem großen Glas Wasser an den Tisch. „Ich nehme an, dass du weißt, dass wir gestern im Shadow waren?“ Der Schnitt sah wirklich nicht so schlimm aus, auch wenn es sicher wehtat. Aber wie sie schon sagte, sie lebte und schien offenbar mehr von der enthüllten Wahrheit mitgenommen zu sein, als von der Verletzung. Vielleicht lag es aber auch an dem ganzen Alkohol, den er an ihr hatte riechen können. Sie musste sich gestern ziemlich betrunken haben, so wie sie aussah. Der Kater stand ihr wirklich nicht gut und eigentlich hätte er sie auch nicht für jemanden gehalten, der es mit dem Alkohol so übertrieb. Aber das war ja nicht seine Sache. Während sie bei ihrer Arbeit anrief, machte er noch einmal Kaffee und setzte sich dann mit zwei Tassen an den Tisch zu Emily, während die Brötchen langsam einen angenehmen Duft im Raum verbreiteten. Auf ihre Frage hin, musste er sofort wieder an diesen verfluchten Gürtel auf dem Couchtisch denken, während er unnötigerweise in seinem Kaffee rührte, da er bisher weder Milch noch Zucker hinein getan hatte. Beides stand zwar am Tisch, aber er dachte im Augenblick nun wirklich nicht daran. „Ja, dessen bin ich mir inzwischen ziemlich bewusst.“ Er schwieg wegen des Gürtels. So bald er konnte, würde er das Ding in den Müll werfen. „Und ich liege sicher nicht falsch in der Annahme, dass du mich bei der Arbeit gesehen hast und wir deshalb dieses Gespräch führen.“ Eigentlich sollte es gar nicht nötig sein. Gut, er hatte ihr verschwiegen, womit er genau sein Geld verdiente, aber das war doch nicht schlimm. Er war Stripper, na und? Wüsste sie, dass er ab und zu auch noch als Callboy tätig war, wobei sich ausgerechnet heute Abend wieder eine Kundin mit ihm traf, wäre sie das ebenso wenig etwas angegangen. Es waren zwar keine Berufe, die man als nobel oder angesehen betrachten konnte, aber es war ehrliche Arbeit. „Emily, ich bin Stripper. Das ist mein Beruf, aber dafür brauche ich mich nicht zu rechtfertigen. Darum verstehe ich nicht, wieso du offensichtlich so ein großes Problem damit hast. Ich meine, es ist völlig in Ordnung, wenn dir dieses Schauspiel nicht gefällt und ich respektiere so etwas auch, aber mir kommt es so vor, als würdest du jetzt in mir etwas total …“ Er fuchtelte mit einer Hand in der Luft herum, weil er nicht wusste, wie er das am besten ausdrücken sollte. „… ich weiß auch nicht. Als hätte ich mich plötzlich in deinen Augen in Satan oder was weiß ich was, verwandelt. Meine Kolleginnen und Kollegen sind genauso normale Menschen wie Bauarbeiter, Sekräterinnen oder Aktensortierer…“ Er verstand es wirklich nicht. Ihr Blick durch die fast schwarzen Augen konnte durchaus stechend sein. Aber heute war er wahrscheinlich eher getrübt und unkonzentriert, als sie ihn ansah. Sofort wurde Emily in die Offensive gedrängt, was ihr noch mehr Kopfschmerzen bereitete, als sie sowieso schon hatte. Warum hatte sie sich bloß so betrinken müssen? Ah, richtig. Sie hatte mit ihrem Freund Schluss gemacht und in derselben Nacht erfahren, dass ihr neuer Mitbewohner sich für Geld vor geifernden Weibern auszog. Augenblicklich wurde ihr wieder schwindelig und sie massierte sich vorsichtig die Schläfen mit Zeige- und Mittelfinger. Trotzdem nahm sie ihre Augen nicht von seinem Gesicht. Adrian war mehr als offensichtlich verdammt sauer. Und zwar auf sie. Damit konnte sie schon im Allgemeinen nicht umgehen. Jetzt nur noch weniger. Sie hatte ihn nicht verletzen wollen. Wahrscheinlich hatte er Recht und es war einfach nur ein Job. Ein Job, der einen verdammt schlechten Ruf hatte. Emily wollte doch bloß keinen Ärger haben. Sie wollte hier still wohnen und es gemütlich haben. Keine Partys mit halbnackten Beteiligten oder welchen, die völlig betrunken in der Ecke hingen. Dabei sollte sie diesbezüglich heute sicher den Mund halten. Sie konnte ihm wirklich nichts vorwerfen. Der Schock war ihrer gewesen. Es hatte nicht an Adrian gelegen. Er hatte ihr nichts getan. Emily wollte das hier nicht. In der Küche sitzen und ein schlechtes Gewissen haben, weil sie sich dafür schämte, seinen sexy Auftritt gesehen zu haben. Es war vielleicht obszön, aber unter Umständen nur in Emilys Augen. „Du hast Recht.“ Sie sah ihn weiter an und stand bei ihrem nächsten Satz auf, um die Brötchen aus dem Ofen zu holen. „Es geht mich nichts an.“ Und genau das war wohl das, was Emily am meisten störte. Sie hatte Adrian schon einiges anvertraut. Sie hatten sich nett unterhalten. Und er hatte ihr etwas verschwiegen. Wer wusste schon, was er ihr noch verschwieg. Mit einem fast erschrockenen Seitenblick sah sie ihn prüfend an, als könnte sie auch nur ansatzweise feststellen, was sie zu sehen versuchte. Es aber auch nie sehen konnte. Am Ende war er vielleicht noch nicht einmal schwul. Kaum das sie aufgestanden war, senkte er den Blick. Sie klang nicht nur fertig, sie sah auch so aus und dann kam er daher und fuhr gnadenlos über sie hinweg. Das war nicht er. Das war das kleine, befleckte und am Boden zerstörte Bruchstück seiner Persönlichkeit, das sich unbedingt für das rechtfertigen musste, was er tat. Es war wie ein kleiner Splitter, der tief unter der Haut saß und sich nicht heraus ziehen ließ. Für gewöhnlich bemerkte man ihn nicht, aber kaum fuhr man leicht darüber, schmerzte es. Nachdem sich Emily zusammen mit den Brötchen wieder gesetzt hatte und er noch immer nichts auf ihre Worte hin erwiderte, stand nun er auf, ging zu dem Hängeschrank über der Spüle und holte ein Päckchen Aspirin hervor. Danach warf er eine Tablette in ein Glas Wasser und stellte seiner Mitbewohnerin das sprudelnde Gebräu hin, ehe er die Schachtel wieder wegräumte und sich an der Obstschüssel vergriff. Er holte ein scharfes Messer aus dem Holzblock und begann damit eine Orange zu schälen und zu zerteilen, während er mit ruhiger, beinahe schon sanfter Stimme zu erzählen begann, ohne dabei von seiner Arbeit hoch zu blicken. „Eigentlich mag ich es nicht, wenn man meinen Körper anstarrt.“, teilte er ihr unverhohlen mit. „Wenn mich fremde Frauen berühren und mich zugleich mit einem Blick ansehen, als würde sich gleich ihr Höschen in Flammen auflösen, widert mich das an.“ Er befreite die Orangenteile von allen weißen Fasern, ehe er sie in eine kleine Schüssel legte und sich einen Apfel schnappte und ihn zu schälen begann. „Dennoch kann ich nicht leugnen, dass mir meine Arbeit großen Spaß macht.“ Er hielt kurz inne, während sein Blick leer in die Luft starrte, als würde er gerade an etwas denken. Dann begann er den Apfel zu spalten. „Ich lasse mich dabei von der Musik führen, folge dem Rhythmus des Basses, ohne weiter darüber nachzudenken. Mein Körper reagier inzwischen beinahe automatisch darauf und sendet wohl eine ganze Menge Endorphine frei – Glücksgefühle.“ Ein Grund, wieso er sich meistens wie aufgepusht fühlte, wenn er von der Arbeit heim kam. Seine heimliche Sucht nach Schokolade sozusagen. „Außerdem fällt es mir nach all den Jahren nicht mehr schwer, das Publikum auszublenden, solange ich nicht ernsthaft bedrängt werde. Es ist so, als würde ich dort ganz alleine tanzen. Nur für mich und für niemanden sonst.“ Natürlich musste er auch immer wieder eine Show bieten, wo er mit seinen Gedanken vollkommen anwesend sein musste, aber die vielen Frauen und Männer ließen ihn schon längst kalt, solange er nicht so einen Auftritt wie gestern hinlegen musste. Auch die Apfelschnitze landeten in der kleinen Schüssel, ehe er nach einer Banane griff, sie schälte und dann in kleine einzentimeterdicke Blättchen schnitt. Schließlich wusch er das Messer ab, trocknete es und steckte es in den Messerblock zurück. Mit der Schüssel zusammen, kam er zum Tisch zurück und stellte sie ebenfalls vor Emily ab. „Iss das. Die Vitamine werden dem Kater den Kampf ansagen. Versprochen.“ Er lächelte zum ersten Mal am heutigen Tage. Aufmerksam hörte sie ihm zu. Er hatte den Job also nur, weil er das Tanzen mochte. Das war schwer zu glauben. Emily wollte nicht zu skeptisch sein, aber Tanzen hätte er auch anders professionell tun können. Ohne sich vor einem Publikum auszuziehen. Sie verstand es nicht. Sich vor den Augen von jemandem zu entblößen, war so, als würde man sich völlig schutzlos machen. Man war angreifbar und verletzlich. Beim besten Willen konnte sie sich nicht vorstellen, dass das auch noch Spaß machte. Noch dazu, wenn man sich in solche Kostüme zwängen und dann wieder heraus schälen musste, wie Adrian es gestern getan hatte. Aber als er davon sprach, dass er es nicht mochte, bedrängt zu werden, lagen ihre Augen fast mitleidig auf ihm. Es hörte sich so an, als hätte er diesbezüglich schon schlechte Erfahrungen gemacht. Wahrscheinlich waren Frauen da sogar schlimmer als Männer. Vor allem wenn sie in Gruppen auftraten, wie bei dieser Ladysnight, konnte sich Emily vorstellen, dass sie kein Haar an dem Tänzer ließen, wenn sie ihn zu packen bekamen. Widerlich. Als er die Schüssel mit Obst vor ihr abstellte, sah sie ihn lächeln. Es wirkte ehrlich und freundlich. Aber aus irgendeinem Grund konnte Emily nur sehr schwach zurück lächeln. Sie hatte sich mal wieder zu weit vorgewagt. Warum hatte sie sich ihm denn gleich so weit geöffnet? Ihm von ihrer Beziehung erzählt… Purer Schwachsinn. Das würde sie in Zukunft unterlassen, bis sie sich besser kannten. „Danke. Möchtest du auch was?“ Es war ein Friedensangebot. Nicht nur von seiner Seite. Emily kippte das Aspirin-geschwängerte Wasser hinunter und holte zwei Gabeln aus der Schublade, von denen sie eine Adrian reichte. Außerdem holte sie noch die Butter und zwei Messer. Ein angemessenes Katerfrühstück. Auch wenn Adrian gar nicht an so einem litt. Kauend überlegte sie, wie sie nun weitermachen sollte. Rein unterhaltungstechnisch. Smalltalk war wohl immer gut. „Hast du dann heute frei?“ Das gestern Nacht hatte ziemlich anstrengend ausgesehen. Gott, hoffentlich bekam sie diese Bilder je wieder aus ihrem Kopf raus… Als sie den Kopf schütteln wollte, bereute sie das sofort. Die Aspirin hatten noch nicht zu wirken begonnen und ihr Kopf dröhnte wie eine Kesselpauke. „Nie wieder Alkohol auf eine Trennung.“, sagte sie leise. Adrian nahm die Gabel entgegen und spießte sogleich ein Stück Orange auf, ehe er es sich zwischen die Lippen hindurch in den Mund schob. Langsam und den Geschmack kostend, kaute er. Sie war süß und saftig. Offenbar eine gute Sorte. „Heute Abend gehe ich aus.“, kündigte er an, um sie nicht schon wieder zu belügen. Zwar hatte er heute vom Club aus frei, aber von sich aus ging er in Wahrheit wieder arbeiten. Nach all seinen Erlebnisse in seiner Jugend, hätte er sich eigentlich schon längst von dieser Arbeit trennen müssen. Doch sie war, so selten sie auch vorkam, sehr gut bezahlt und er wollte das Geld, um es anzusparen. Inzwischen hatte er schon eine Summe im mehrstelligen Bereich auf seinem Geheimkonto liegen, aber es genügte noch nicht für sein Vorhaben, sich ein vollkommen neues und schönes Leben aufzubauen. Ein Grund, wieso er auch im „Shadow“ arbeitete. Das Tanzen wurde dort sehr gut bezahlt. Die Frau die er heute Abend um acht Uhr traf, kannte er bereits. Nach mehr als drei dieser Arrangements, konnte er sie bereits als eine seiner Stammkundinnen bezeichnen. Auch wenn oft viele Wochen verstrichen, ehe man seine Dienste wieder in Anspruch nahm. Wofür er dankbar war. Zwar mochte es der Traum einiger Männer sein, Callboy zu werden, weil man da immer wieder mit Frauen Sex haben konnte, die auch noch dafür bezahlten. Aber es war kein leichter Job und sicherlich kein Genuss für Adrian. Er hatte lange an seinen Manieren, seinen Umgangsformen und seinem Auftreten arbeiten müssen, bis er es in die Oberliga der Luxus-Callboys geschafft hatte. Umso härter könnte er eines Tages aufschlagen. Wie dem auch sei, der Abend mit Rose würde sicher angenehm werden. Sie war eine ruhige, stilvolle Frau, die mehr wert auf einen schönen Abend in einem Restaurant legte und den damit verbundenen Eindrücken, als auf sein Können im Bett. Auch wenn der Abend unweigerlich so enden würde. Adrian nahm sich eines der Brötchen, schnitt es sich auf und strich Butter darauf, ehe er einen kleinen Bissen davon nahm und weiterhin leicht nachdenklich kaute. Beinahe hätte er Emily dabei ganz vergessen. Als er sich ihrer Gegenwart dann doch wieder bewusst wurde, blickte er sie leicht schuldig an. „Was ich mich schon die ganze Zeit frage, restaurierst du eigentlich auch Mumien? Ich stelle mir das ziemlich gruslig vor.“ Ein Themenwechsel, ganz klar, aber er war auch wirklich neugierig auf ihre Antwort. Er ging aus? Emily wollte gar nicht daran denken, was es für eine Anstrengung sein würde, heute wieder so einen Abend durch machen zu müssen wie gestern. Sie würde heute zu Hause bleiben, sich schlecht fühlen und sich Vorwürfe dafür machen. Sehr guter Plan. Sie steckte sich ein Stück Apfel in den Mund und sah Adrian dabei zu, wie er anscheinend konzentriert über etwas nachdachte. Er schien völlig abwesend, bevor er bemerkte, dass er nicht allein am Tisch saß und sie mit seinen blauen Augen fixierte. Der Themenwechsel überraschte sie ein wenig. Aber immerhin mussten sie so nicht mehr über diesen peinlichen Vorfall sprechen. „Nein, an einer Mumie habe ich noch nicht gearbeitet.“ Sie kaute das Apfelstück herunter und sprach dann mit aufkommender Begeisterung weiter. „Aber ich hätte vielleicht die Möglichkeit das bald zu ändern. Mein Vorgesetzter interessiert sich sehr für Mumien und Moorleichen. Unser Museum will jeweils eine kaufen. Allerdings sind sie nicht in besonders gutem Zustand und müssten von Norwegen hierher transportiert werden. Ein langer Weg und ein großes Risiko, dass sie ganz zerstört werden. Wir versuchen sie trotz allem zu bekommen.“ Noch besser war, dass Emily darauf hoffte, nach Norwegen fliegen zu können, um sich die Mumie vor dem Transport anzusehen. Zwar war das eigentlich Sache des Kurators, aber Emily kam gut mit ihm aus und er hatte sie darauf angesprochen, ob sie Interesse hätte, dabei zu sein. Natürlich hatte sie sofort zugesagt. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob die Sache auch klappte. „Das muss ganz schönen Stress bedeuten, wenn man etwas so vorsichtig behandeln muss. Aber wenn sie erst einmal ausgestellt sind, hat sich das ganze sicher gelohnt. Schließlich gibt es viele Leute, die tote Menschen ganz schön faszinierend finden.“ Er war ein alter Ägypten-Anhänger. Darum interessierten ihn Mumien und diese ekligen Einbalsamierungszeremonien, wo sie dem Leichnam das Gehirn durch die Nase zogen und die Innereien in Urnen legten. Spannend waren auch jene menschliche Überreste, die es durch irgendeine Art der Konservierung geschafft hatten, sogar mit Haut und Haaren erhalten zu bleiben, selbst nach tausenden von Jahren. Wie mochten die Menschen wohl damals gelebt haben? Man hörte ja allerlei Geschichten, doch wirklich genau wissen, würde man es wohl nie. Plötzlich hallte Linking Park durch sein Zimmer und Adrian stöhnte leicht genervt. „Entschuldige mich bitte kurz.“ Er stand auf und ging in sein Zimmer, wo er sein Handy hatte liegen lassen und hob einfach ab, ohne etwas zu sagen. Da ging es auch schon los: „Hey, Alter. Wahnsinns Auftritt gestern. Die Bräute haben nur so gesabbert, als du diese Nummer mit deiner Stange abgezogen hast! Vor allem die-“ Adrian ging mit dem Handy in der Hand zurück zur Küche und setzte sich wieder zu Emily. Er Biss seelenruhig von seinem Brötchen ab, ehe er sich das Handy wieder ans Ohr legte. „-voll die geilen Titten. Die war schon total besoffen und hat dann bei mir-“ Adrian drückte das Handy so an seine Hose, dass Tyson nichts hören konnte, obwohl der sich sowieso erst aussprechen musste. „Tut mir leid. Das ist mein bester Kumpel. Bei ihm dauert es immer etwas, bis er einmal zum Punkt kommt.“ Er lächelte und aß sein Brot auf, ehe er den Stand der Dinge checkte. „-dann bin ich völlig ausgepowert eingepennt und heute morgen waren die drei schon weg, als ich aufwachte. … Was läuft bei dir so? Bist du schon umgezogen? Gib mir die Adresse, ich komm vorbei. Soll ich ein paar Weiber mitbringen? Obwohl, nach der Nummer gestern, müssen die dir sowieso schon die Bude eingerannt haben. Wieso bist du so still? Hast du etwa grade was am Laufen? Hey, erzähl, wie is die so?“ Adrian schloss für einen Moment kopfschüttelnd die Augen und fragte sich vermutlich schon zum tausendsten Mal, wie er den Kerl überhaupt ertragen konnte. Tyson war so ganz anders, als er selbst. „Hör mal.“ Unterbrach er den Redefluss jetzt einmal und bekam schließlich auch endlich ein Schweigen am anderen Ende der Leitung. „Ich frühstücke gerade, nein, du bekommst meine Adresse nicht, ja, danke dass du gestern da warst. Nein ich hab heute Abend keine Zeit. Morgen auch nicht, vielleicht nächste Woche Mal. Bleib sauber und ich meld‘ mich dann bei dir.“ Er legte auf, ohne auf eine Antwort zu warten und rieb sich übers Gesicht. Der Kerl war echt eine Plage. Nichts weiter als Titten, Ärsche und Alk im Kopf. Trotzdem hätte Adrian ihn vermisst, wenn es Tyson nicht gäbe. Allerdings tat sich da ein neues Problem auf. Er konnte seinem Freund nicht lange die neue Adresse verheimlichen und vor allem, musste er zusehen, wie er ihn dazu brachte, dass er Adrians Lüge über seine sexuelle Ausrichtung nicht aufdeckte. Emily wollte gerade antworten und ihm ihre Einstellung zu toten Menschen, Mumien und solchen Dingen erzählen, als sie von dem Anruf unterbrochen wurde. Adrian lief aus dem Zimmer, kam aber kurze Zeit später völlig unbeeindruckt mit dem Telefon in der Hand zurück. Er verhielt sich mehr als seltsam. Wenn das sein bester Freund war, wollte Emily nicht wissen, wie er sich Leuten gegenüber verhielt, die er als bloße Bekannte bezeichnete. Immerhin sprühte das Gespräch nicht vor Freundschaftlichkeit. Adrian blockte den Anrufer total ab und legte sogar auf, ohne sich zu verabschieden. „Du hättest ruhig mit ihm sprechen können. Ich…“ Sie hatte selbst keine Ahnung, was sie sagen wollte. Dass es sie nicht gestört hätte? Natürlich nicht. Davon ging er doch sicherlich aus. Warum er allerdings nicht wollte, dass ihn sein bester Freund besuchte, verstand Emily nicht. Innerlich zuckte sie mit den Schultern. Nachdem sie die Gabel auf den Tisch gelegt und sich auf dem Stuhl zurück gelehnt hatte, nahm sie ihre Unterhaltung wieder auf. „Es ist nicht so, dass ich gern mit toten Menschen umgehe. Mich faszinieren die Mysterien dahinter. Warum die Ägypter ihre Toten so beerdigt haben, wie sie es getan haben. Das finde ich total spannend. Ihre Vorstellung von der Totenwelt und dass sie ihren Pharaonen etwas mitgeben mussten, damit es ihnen im Leben nach dem Tode gut ginge.“ Sie sah ihn an und dachte an den Sarkophag, der nun im Keller des Museums stand und wegen ihres Ausfalls in der letzten Nacht nicht weiter bearbeitet wurde. „Außerdem kann man viel über den verstorbenen Menschen lernen, wenn man sich damit beschäftigt, wie ihn seine Anhänger behandelt haben, als er bereits tot war.“ „Hätte ich tun können, wenn ich mal zu Wort gekommen wäre. Am Telefon ist er leider nicht mehr zu stoppen.“, meinte Adrian leichthin und aß zu Ende, während er sich Emilys Meinung zu den Mumien und den Begräbnisrieten anhörte. Eigentlich wollte er ihr beim Abwasch helfen, aber es war so wenig Geschirr, dass sie sich nur im Weg gestanden hätten, also blieb er einfach sitzen und leistete ihr Gesellschaft, bis sie fertig war. Emily stand nach einer Weile auf, nahm die leere Schüssel und das Besteck und wusch alles zusammen in der Spüle an und stellte es zum Trocknen hin. Nachdem Adrian das Frühstück gemacht hatte, wollte sie zumindest auch etwas Nützliches tun. Und dann wollte sie in die Badewanne. „Musst du noch ins Bad? Ich würde mich gern in einem Schaumbad ertränken, wenn das ok für dich ist.“ „Nur zu, verwöhn dich, ich kann auch später ins Badezimmer. Hat keine Eile.“ Er stand auf und verließ etwas unschlüssig die Küche, was er nun tun sollte. Dabei fiel sein Blick wieder auf den Gürtel auf dem Couchtisch. Sofort schnappte er sich das Teil und warf es mit fast schon eisigem Blick in den Müll, danach verzog er sich in sein Zimmer, um die Pflanzen zu gießen. Er legte leise Musik ein und warf sich aufs Bett. Während er die Decke anstarrte, gingen seine Gedanken wieder auf Reisen. Er würde Tyson morgen anrufen, vielleicht sollte er sich doch noch diese Woche mit ihm treffen. Bei der Gelegenheit konnte er seinem Freund ins Gewissen reden, dass er ja die Klappe zu halten hatte, wenn er in Adrians neue Wohnung gelassen werden wollte. Immerhin war das letzte, worauf Adrian scharf war, ein Tyson der lautstark Emily anmachte und sie tausendprozentig mit seiner Art völlig verstören würde. Leider hatte er es in all den Jahren nicht geschafft, dem Älteren bessere Manieren bei zu bringen. Zum Glück sah Tyson sehr gut aus, sonst würde er nie so einen Haufen Frauen ins Bett bekommen. Immerhin behandelte dieser das andere Geschlecht wie Kondome. Einmal benutzt und danach weg damit. Apropos Kondome. Er durfte nicht vergessen, dass er heute welche mitnahm. Immerhin benutzte er nur seine eigene Sorte, mit der er schon seit Jahren gute Erfahrungen gemacht hatte. Zwar sehr teuer, aber dafür äußerst zuverlässig. Und im Preis war das natürlich locker inbegriffen. Da er gerade ohnehin nichts Besseres zu tun hat, legte er sich schon einmal seine Sachen zurecht, die er heute Abend benötigen würde. Außerdem sollte er noch in die Stadt fahren, um ein paar Kleinigkeiten zu besorgen. Emily schüttete so viel Badezusatz in die Wanne, dass sie das leicht blau gefärbte Wasser durch den Schaum gar nicht mehr sehen konnte, als sie sich schließlich auszog und zuerst ihre Füße hinein steckte. Kurz zuckte sie zurück. Es war verdammt heiß. Aber ihr Körper gewöhnte sich schnell an die Hitze und Emily ließ sich bis zum Hals ins Wasser gleiten. Sie konnte nicht viel mehr sehen als den Schaum um sie herum. Außerdem machte die Wärme und der wenige Schlaf der letzten Nacht sie müde. Sie schloss die Augen und entspannte sich. Aus Adrians Zimmer konnte sie durch die dünne Wand Musik hören. Aber da er sie sehr leise gestellt hatte, konnte sie nicht erkennen, um was es sich handelte. Da ihre letzten Gedanken ihm gegolten hatten, kam er wohl auch in ihrem Halbschlaf-Traum vor. Emily war gar nicht klar, dass sie ein wenig weg gedöst war. Aber aus dem Traum schreckte sie hoch, als fühlte sie sich ertappt. Sie sah sich ein wenig verstört im Badezimmer um und erwartete, dass Adrian neben ihr stand. Oder etwas Anderes tat. Allein der Gedanke war ihr unsäglich peinlich. Was einem das Gehirn manchmal doch für Streiche spielte… Wieder ließ sie sich zurück sinken und sich von dem heißen Wasser umfangen. Die Füße streckte sie über den Rand der Wanne, was zwar eine kleine Überschwemmung verursachte, ihr aber egal war. Sie hatte sowieso das Bad putzen wollen. Nach einer Weile passierte das, mit dem sie schon die ganze Zeit mehr oder weniger gerechnet hatte. Sie fühlte sich einsam. Sobald Adrian aus der Tür sein würde, musste sie wahrscheinlich ihr Handy irgendwo vor sich selbst verstecken, um Zach nicht anzurufen. Ob das mit dem ‚verstecken’ funktionierte, wusste sie nicht. Aber sie war sich sicher, dass sie einbrechen würde, wenn niemand bei ihr war. Vielleicht hatte Mona Zeit zu telefonieren. Ihre große Schwester war ihr wesentlich lieber als Julie. Sie hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis zu einander gehabt. Allerdings war Mona meistens sehr mit ihrem eigenen, gut geplanten Leben beschäftigt. Genauso wie Emily. Folglich sahen sie sich sehr selten. Sogar telefonieren stand nicht oft auf der Tagesordnung. Wahrscheinlich ein Grund dafür, warum Emily sich immer noch an die Freundschaft mit Julie klammerte. Als das Wasser zu kühl wurde, stieg Emily aus der Wanne, schlang sich ein großes Handtuch um den Körper und föhnte sich die Haare. Sie sah immer noch fertig aus, aber zumindest nicht mehr völlig zerstört. Sie ließ das Wasser aus der Wanne und cremte sich ein. Dann schlich sie auf leisen Sohlen über den Gang in ihr Schlafzimmer. Sie fürchtete sich nicht vor Adrian, aber er musste sie ja auch nicht zwingend nur im Handtuch sehen. Adrian war bereits vollständig angezogen und fummelte gerade noch ein letztes Mal an seiner Frisur herum, als er die Badezimmertür aufgehen hörte. Leise Schritte tapsten über den Boden Richtung Emilys Zimmer, bis sich die Tür dahinter verschloss. Eigentlich brauchte Adrian nichts dringendes mehr aus dem Badezimmer, ging dann aber doch hinein, um sich rasch frisch zu rasieren, sich Aftershave drauf zu geben und Gebrauch von seinem Deo zu machen. Während er beschäftigt war, sog er immer wieder den angenehmen Duft ein, der schwer im Raum hing und seine Haut umschmeichelte. Oh ja, er war auch ein großer Fan von Badezusätzen, vor allem wenn sie so ein herrliches Aroma verströmten. Nachdem er ausgehfertig war, schnappte er sich die Grundausstattung: Handy, Portmonee und Schlüssel und verschwand dann für den Rest des Tages aus der Wohnung. Er bummelte etwas durch die Stadt, besuchte immer wieder verschiedene Läden, ohne etwas zu kaufen, bis er das passende Geschenk für Rose fand. Ein kleines Silberkettchen mit glitzernden Anhängern. Ein passendes Accessoire für sie, da sie alles liebte, was glitzerte und glänzte. Für ihn war es jedoch nicht mehr als ein Präsent, an eine seiner wertvollsten Kundinnen. Immerhin konnte er nicht nur gut tanzen, sondern beherrschte auch die Regeln der Verführung und des Charmes, wenn er es darauf anlegte. So gut gerüstet, konnte er dem Abend eher gelassen entgegen sehen. Als er an einem Blumenhändler vorbei kam, blieb er überlegend stehen. Schließlich kaufte er sich einen Strauß frischer Schwertlilien in Weiß und Lila. Er würde sie auf den Wohnzimmertisch stellen, wo sie farblich gut zur Couch passten. Eigentlich wollte er sie Emily als Entschuldigung für die ganzen Unannehmlichkeiten schenken, doch das ließ er schließlich bleiben. Vielleicht erfreute sie sich auch einfach so an dem Strauß. Kapitel 7: 7. Kapitel --------------------- Gähnend hatte sie sich zunächst immer noch nur mit dem Handtuch bekleidet auf ihr Bett gesetzt und vor sich hin gestarrt. Sie dachte an nichts weiter, aber ihr Körper war immer noch sehr unzufrieden mit seiner Besitzerin, dass sie sich derartig hatte gehen lassen. Ihr kam in den Sinn, dass sie sich eigentlich mehr für ihr Verhalten gestern schämen sollte als Adrian. Gerade wollte sie sich nach hinten auf die Matratze plumpsen lassen, als ihr gerade noch rechtzeitig durch den Kopf schoss, dass das sicher keine gute Idee war. Immerhin konnte sie schon froh sein, dass ihr Magen das Obst angenommen hatte, ohne Zicken zu machen. Da sie sich völlig schlapp fühlte, zog sie nur die Vorhänge zu und suchte sich dann Unterwäsche heraus, in der sie sich anschließend vor ihren Laptop an den Schreibtisch setzte. Aber auch bei ihrem bisschen Internetsurfen kam nicht viel heraus. Als sie zum gefühlten hundertsten Mal gähnte, gab sie es auf und legte sich aufs Bett. Es dauerte keine drei Minuten, bis sie eingeschlafen war. Allerdings wachte sie erst geraume Zeit später wieder auf. Es mussten Stunden vergangen sein, aber das war Emily auch egal. Immerhin war sie heute offiziell sowieso krank. Damit sie ihr schlechtes Gewissen aber ansatzweise zügeln konnte, wandte sie sich, nachdem sie sich angezogen hatte, dem Badezimmer zu. Sie schrubbte die Wanne, die Toilette und räumte ihre Hälfte des Spiegelschrankes aus, um darin Staub zu wischen. Außerdem hängte sie die Karten mit den Gummienten in einer schrägen Linie an die Innenseite der Tür. Sie trat einen Schritt zurück und besah sich ihr Werk von der Toilettenaussicht. Der Anflug von Dekoration gefiel ihr. Vielleicht konnte sie noch eine echte Gummiente für die Badewanne kaufen, dann wäre der Eindruck abgerundet. Wenn man so einen hochtrabenden Ausdruck verwenden konnte, wenn man über etwas so Banales wie Gummienten sprach. Über den Gedanken musste Emily selbst lachen. Sie mochte es über sich selbst und ihre manchmal seltsamen Vorstellungen und Angewohnheiten zu lachen. Das machte es einfacher, sich selbst zu mögen. Sie mochte Fehler haben. Aber wenn sie sich selbst nicht bitter ernstnahm, dann war das ihrer Meinung nach nicht so schlimm. Als sie ins Wohnzimmer kam, war sie erleichtert die Gürtelschnalle nicht mehr auf dem Couchtisch liegen zu sehen. Was hatte sich Julie eigentlich dabei gedacht, sie mit hierher zu bringen. Das Blondchen hatte wahrscheinlich angenommen, dass das furchtbar witzig wäre. Da hatte sie sich aber mehr als nur geirrt. Wieder tat es Emily leid, was passiert war und vor allem, dass sie Ärger mit Adrian gehabt hatte. Allerdings schien er, den Blumen auf dem Tisch nach zu urteilen, versöhnlich gestimmt zu sein. Emily schmunzelte in sich hinein und setzte sich auf die Couch. Hatte Adrian nicht vielleicht die dritte DVD von Terminator im Wohnzimmer liegen lassen? In der Wohnung angekommen, stellte Adrian die Blumen schnell in eine passende Vase, ehe er auch schon in sein Zimmer ging, um sich für seine Verabredung fertig zu machen. Er zog seinen schwarzen Nadelstreifanzug an, mit einem strahlendweißen Hemd und einer Blutroten Seidenkrawatte. Dazu seine teuren Lackschuhe, eine goldene Armbanduhr und edle Manschettenknöpfe. Sein Haar band er zu einem anständigen Zopf im Nacken mit einem schwarzen Seidenband zusammen. Danach legte er noch seinen Lieblingsduft auf. Er steckte sich zwei Kondome in die Innentasche seines Jacketts und das feinsäuberlich eingepackte Geschenk in seine Hosentasche. Danach betrachtete er sich noch ein letztes Mal im Spiegel. Adrian war mit seinem Spiegelbild zufrieden. Er sah gut aus, aber im Grunde genommen, hielt er sich für durchschnittlich. Er war sich selbst auch nicht zu wichtig, worüber er ziemlich froh war, denn er wollte nicht für einen Narzissten gehalten werden. Zwar mochte er seinen Körper verkaufen und somit vermarkten, aber das hieß noch lange nicht, dass er arrogant war. Ganz im Gegenteil. Mit einem Seufzen legte er seine Hand auf sein Spiegelbild, genau dort wo seine rechte Wange war. Würde er nicht so gut für seinen Körper sorgen und sich mit seinen Gedanken strickt im hier und jetzt oder vielleicht auch noch in der Zukunft halten, er würde sich miserabel und schmutzig fühlen. Es glich einem Wunder, dass die Menschen es ihm nicht ansahen, wie er noch vor so vielen Jahren ausgesehen hatte. Würde er sich jetzt mit damals vergleichen, er könnte keine Ähnlichkeit entdecken. Keine blutunterlaufenen Augen, keine wächserne Haut, kein vor Nahrungsmangel eingefallener Oberkörper wo die Rippen heraus standen und vor allem keine unzähligen Nadelstiche mehr in seinen Armbeugen. Es war vorbei. Noch ein letztes Mal prüfte er den Sitz seiner Krawatte, ehe er sein Zimmer verließ und wie üblich die Tür nicht ganz schloss. Diese Angewohnheit hatte er schon immer. Als er Emily im Wohnzimmer sitzen sah, blieb er stehen und trat ein. „Schönen guten Abend.“ Sofort erschien ein Lächeln auf seinen Lippen, auch wenn er sich immer noch unbehaglich wegen dem fühlte, was heute morgen vorgefallen war. „Ich komme sehr spät nach Hause.“ Er arrangierte die Blumen in der Vase noch einmal neu, bis er zufrieden war, ehe er wieder Emily anblickte und sich Abmarsch bereitmachte. „Hey, ich dachte, du wärst schon weg.“ Sie hatte ihn den ganzen Tag über weder gehört noch gesehen. Daher hatte sie angenommen er wäre schon unterwegs zu seiner Verabredung. Noch nicht ganz, wie sie sah, aber er hatte sich schon fertig gemacht. „Gut siehst du aus.“ Das stimmte ausnehmend. Zwar hätte Emily eine andere Farbe für die Krawatte gewählt, da sie sich nur gerade so nicht mit seiner Haarfarbe stach und ihn ein wenig blass erscheinen ließ, aber ansonsten sah er aus, wie aus dem Ei gepellt. „Jemand Besonderes, hm?“ Würde er sich sonst so heraus putzen? Vielleicht war er mit jemandem zum Essen verabredet, der das Glück haben sollte, bald sein neuer Freund zu werden. Noch dazu wusste er jetzt schon, dass er spät nach Hause kommen würde. Wenn sich da mal nichts anbahnte. Emily war in diesem Punkt mehr als neugierig. Es würde sie brennend interessieren, wie ein Date zwischen Männern ablief. Aber wenn der Abend positiv verlaufen sollte, konnte sie ja vielleicht bald in ihrer Wohnung sehen, wie sich Adrian mit einem Geliebten verhielt. Die Vorstellung gefiel ihr irgendwie. Dass sie nach Hause kam und Adrian an einen anderen, gut aussehenden Mann gekuschelt auf dem Sofa vorfand. Sie würde es ihm gönnen. Er war ihrer Meinung nach wirklich ein netter Kerl. Sofort bekam er wieder ein schlechtes Gewissen, weil sie sicher gerade überlegte, mit wem er sich traf. Ihm wurde vor allem etwas heiß, als sie annahm, es könnte jemand Besonderes sein. Bei seiner Aufmachung sicher kein Wunder, aber er wollte ihr keine falschen Illusionen geben. Zumindest nicht noch mehr. Also meinte er leichthin lächelnd: „Nein, nur jemand Bekanntes. Auf Beziehungen bin ich im Augenblick nicht scharf. Ich genieße mein Solodasein lieber noch etwas.“ Hoffentlich reichte ihr das als Antwort. „Tja, dann werde ich mal, sonst komme ich zu spät. Also wenn du willst, vergreif dich ruhig an meiner DVD-Sammlung. Die fühlt sich bei mir ohnehin immer so einsam.“ Er kam ja selten dazu, sich einen Film anzusehen. „Schönen Abend noch.“ Er schenkte ihr noch ein strahlendes Lächeln, dass auch seine Augen erfüllte und ging dann. Nachdem Adrian die Wohnung verlassen hatte, eine angenehme Aftershavespur hinter sich her ziehend, wusste Emily nicht, was sie tun sollte. Sie war niemand, der in fremde Zimmer ging, wenn der Besitzer nicht anwesend war. Adrian hatte es ihr zwar angeboten, aber das änderte nichts daran, dass sie sich unwohl fühlte, als sie zu seinem Zimmer hinüber ging und die Hand auf die Türklinke legte. Er hatte dem Zimmer sehr schnell Leben eingehaucht. Soweit Emily sehen konnte, gab es für Adrian keinen Zwischenzustand, den sein Raum einnahm, bevor er gemütlich wurde. Es sah so aus, als wäre augenblicklich, in der Zeit eines Augenzwinkerns von leer auf bewohnt geschaltet worden. Seine Einrichtung gefiel ihr. Sie war simpel und alles wirkte so, als wäre es an seinem Platz. Mit den Pflanzen sah es sogar gemütlicher aus, als ihr gemeinsames Wohnzimmer. Das würden sie demnächst ändern. Vor allem, wenn Adrian seinen Plan mit dem Aquarium in die Tat umsetzen sollte. Darauf freute sich Emily richtig. Sie hatte als Kind nie ein Haustier gehabt, weil Mona gegen jede Art von Tierhaaren allergisch reagierte und Fisch oder Reptilien ihrer Mutter gegen den Strich gegangen waren. Außerdem konnten zwei kleine Mädchen auch nicht besonders viel mit einem Aquarium anfangen. Das war etwas, das man sich ansah, aber Kinder wollten mit dem Haustier spielen. Also hatten sie eben gar keins gehabt, sondern nur eine unglaublich riesige Battalion an Kuscheltieren in allen Größen und Farben. Das war vielleicht auch der Grund dafür, warum Emily sich immer noch mit einer Unmenge von Kissen eindeckte. Es hatte für sie die gleiche gemütliche, fast beschützende Atmosphäre wie die kuscheligen Gesellen ihrer Kindheit. So kurz wie möglich hielt sie sich in Adrians Zimmer auf, suchte sich eine weitere DVD – Kill Bill – heraus und sah sich zuerst den dritten Teil von Terminator und dann die zweite DVD an. Um nicht hungrig ins Bett gehen zu müssen, aß sie noch etwas Brot und Gemüsestreifen, bevor sie gegen elf total erledigt und mit blutigen Bildern im Kopf in ihr Bett fiel und sich die Decke über den Kopf zog. Nicht, ohne vorher noch einmal ihr Handy kontrolliert zu haben. Nichts. *** Rose saß bereits an dem reservierten Tisch, den sie bisher für ihre Treffen immer verwendet hatten. Sie stand nicht auf, als er an sie heran trat und ihr die Hand küsste, doch ihr Lächeln war strahlend und er konnte an ihren Augen sehen, dass sie sich vermutlich schon lange auf diesen Abend gefreut haben musste. Kein Wunder, sie war nur dann in dieser Stadt, wenn ihre geschäftlichen Beziehungen sie hier her führten. Da sie auf der ganzen Welt tätig war, konnte es lange dauern, bis sie diesen Hafen ansteuerte. Aber gerade das machte es für Adrian leichter. Denn so konnten sie sich später in ihr Hotelzimmer begeben, ohne extra eines mieten zu müssen. Er nahm niemals Kundinnen mit nach Hause. Bis der Kellner mit den Speisekarten kam, unterhielten sie sich nett über ihre Geschäfte, was sie bisher so alles während ihrer langen Abwesenheit gemacht hatte und wie lange sie noch in dieser Stadt zu tun hatte. Dabei lächelte Adrian immer, schenkte ihr seine größte Aufmerksamkeit und beteiligte sich intensiv an dem Gespräch, als gebe es nur sie allein. Nachdem er in perfektem Französisch bestellt hatte, dinierten sie mit der Sorgfalt, wie sie eigentlich der Highsociety zugeschrieben werden konnte. Allerdings lag das wohl eher daran, dass sie eine noble Frau war und er im Hause seiner Eltern zu diesen Umgangsformen regelrecht geprügelt wurde. Damals hatte er es verflucht, heute war er dankbar dafür. Es war immer gut, wenn man etwas Negatives zum eigenen Vorteil herum drehen konnte. Zumindest hatte Adrian das auf die harte Tour lernen müssen. Während des Desserts überreichte er Rose mit einem charmanten Lächeln das Geschenk, woraufhin sie völlig überrascht reagierte, die Freude dann aber umso größer war, als sie die kleine Schachtel ausgepackt hatte. Er half ihr dabei das Armkettchen umzulegen und für den Rest der Zeit im Restaurant konnte sie auch kaum noch den Blick von dem funkelnden Schmuckstück abwenden. Nachdem sich die Zimmertür des Penthouses hinter ihnen geschlossen hatte, fuhr Adrian seinen mentalen Schutzschild hoch. Alles was jetzt kam, zwang er augenblicklich in die Abteilung für unverbindliche Gefühle und hinter eine professionelle Maske. Die liebkosenden Lippen auf ihrem Nacken, waren nicht mehr die seinen. Die streichelnden Hände auf ihrer Taille waren nicht mehr länger ein Teil von ihm. Selbst der Körper, den Rose mit ihren Händen ungeniert erkundete und der daraufhin den Anforderungen seiner Arbeit nachkam, war nichts weiter als ein sich mechanisch bewegendes Werkzeug. Nun, da er hier mit ihr im Zimmer stand und ihre Haut küsste, hatte er sich selbst zu einem Sexspielzeug degradiert. Adrian dachte grundsätzlich nicht darüber nach, sondern folgte einfach nur den Bedürfnissen von Rose. Nachdem er sie einmal mit seiner Zunge und kurze Zeit später dann ein zweites Mal mit seiner routinemäßigen Erektion zum Orgasmus gebracht hatte, zog er sich wieder an, während sie ermattet im Bett liegen blieb. Wie immer war er selbst nicht zum Ende gekommen, aber um ehrlich zu sein, das tat er nie bei seinen geschäftlichen Arrangements. Er war bereits so darauf gedrillt, dass er zwar zu Diensten stand, aber keinen Wert auf einen eigenen Orgasmus legte. Was durchaus den Vorteil hatte, dass er wesentlich länger durchhielt, als es einige Frauen gewohnt waren. Außerdem hätte er es gar nicht anders gewollt. So etwas Intensives wie einen Höhepunkt wollte er nur mit der Frau erleben, die er liebte, oder in seinem Fall reichte es schon, wenn er sie sehr gerne hatte. Die Liebe fand ihn nicht, zumindest hatte er keine Ahnung, wie sich sowas wirklich anfühlte. Sowas wie wahre Liebe schien es ohnehin nur in Filmen und Romanen zu geben. Nichts hielt ewig, soviel stand schon einmal fest. Rose schob ihm noch einen Umschlag zu und wollte ihn morgen Abend noch einmal sehen, bevor sie am Donnerstag wieder abreiste. Adrian überprüfte kurz den Umschlag – mehrere Hunderter – ehe er ihr zusagte, sich dann von ihr verabschiedete und ging. Er wollte unbedingt nach Hause zu Emilys Wohnung zurück, um sich so rasch wie möglich den Geruch von Rose vom Körper zu waschen und sich dann in seinen Wohlfühlklamotten sprich Shorts zurück zu ziehen. Kaum daheim, war sein nächster Gang ins Badezimmer, wo er sich rasch entkleidete, dabei den Anzug jedoch ordentlich hin legte, und unter die Dusche ging. Erst stand er einfach nur so unter dem Strahl da, bis sich jeder seiner verspannten Muskeln etwas gelockert hatte. Danach begann er sich gründlich abzuschrubben, bis seine Haut schon leicht gerötet war. Erst als er nur noch nach seinem Lieblingsduschbad roch, stieg er heraus, trocknete sich ab und hing sich ein Handtuch um die Hüften. Lange blickte er seinem Spiegelbild ins Gesicht und fragte sich, wie jedes Mal danach, ob er in dieser Nacht den Punkt überschritten hatte, an dem er das nicht mehr konnte... Wie es aussah, war er noch im Rennen. Nachdem er seinen Anzug wieder sicher verstaut hatte, legte Adrian sich nur mit dem Handtuch bekleidet ins Bett und starrte mal wieder die Decke an. Es war jedes Mal der gleiche Ablauf. Er erledigte seinen Job, fuhr heim, duschte, legte sich aufs Bett und konnte trotz der Erschöpfung nicht schlafen. Als er es dann doch endlich tat, begannen die Träume. Sein Magen quälte ihn. Das Ziehen war verdammt schmerzhaft und dennoch war sein Hunger nichts im Vergleich zu den Entzugserscheinungen. Verdammt, wann war sein letzter Schuss gewesen? Vor ein paar Stunden? Einem Tag? Zulange entschied er schließlich, während er sich die klammen Hände rieb und sich noch etwas enger in seinen viel zu dünnen Pullover kuschelte. Der Boden zu seinen Füßen, war von einer dünnen Frostschicht überzogen, bestimmt würde es bald schneien. Er fluchte leise, als er daran dachte, wieder eine Nacht in Zeitungen eingewickelt auf dem Boden unter freiem Himmel verbringen zu müssen. Aber noch heftiger schauderte er, bei dem Gedanken, nicht bald eine Dröhnung zu bekommen. Bereits jetzt zitterte sein Körper unkontrolliert und sicherlich nicht nur vor Kälte. Die Übelkeit war noch im erträglichen Rahmen, aber seine Haut kribbelte bereits so schlimm, dass er sie sich am liebsten mit Schleifpapier abgerieben hätte. Ein Schatten fiel auf sein blasses Gesicht mit den strähnigen Haaren. „Wie viel?“, fragte der grobschlächtige Typ vor ihm. Seine Kleidung sah ordentlich und sauber aus. Außerdem hatte er ein 08/15 Gesicht, doch die grauen Augen waren so kalt, wie Adrians Finger sich anfühlten. „Fünfzig und keinen Cent weniger.“ Das würde gerade mal für zwei Schuss reichen. An Essen verschwendete er gar keinen Gedanken. „Wenn du’s auch noch mit dem Mund machst, bin ich dabei.“ Alles zog sich in seinem Inneren zusammen. Ihm wurde noch übler, als ohnehin schon. Scheiße, die meisten Freier, die das von ihm forderten, verlangten von ihm, dass er das Zeug auch noch runter schluckte. Hoffentlich würde er sich dieses Mal nicht übergeben müssen. Da der Typ langsam ungeduldig wurde, nickte er nur und wurde dann auch schon am Handgelenk gepackt und mitgenommen. Wenigstens würde es in der Wohnung etwas warm sein. Adrian schlug mit rasendem Herzen die Augen auf und hielt sich die Hand vor dem Mund, um nicht los zu schreien. Als er sich aufsetzte, zitterte er am ganzen Körper und obwohl inzwischen sogar das Handtuch weggerutscht war und er nackt im Bett saß, war er von Schweiß überzogen. Angstschweiß. Mit geübter Routine, schloss er die Augen. Einatmen... Ausatmen... Einatmen... Ausatmen... Während er sich darauf konzentrierte, seinen Puls wieder zu beruhigen, versuchte er sich in seinen Körper hinein zu fühlen. Da war kein Schmerz, der sein Rückgrat hoch kroch. Keine Hände, die brutal seine Hüften packten, so dass er blaue Flecken bekam und vor allem war da kein Typ, der ihm abartige Worte ins Ohr stöhnte und sich zugleich mit der anderen Hand schmerzhaft in sein Haar krallte. Es war alles in Ordnung. Dieses methodische Vorgehen funktionierte wie schon so oft, so dass er schließlich aufstehen und unter die Dusche steigen konnte. Da Emily ohnehin nicht da war, zumindest hatte er sich vorher vergewissert, marschierte er nackt ins Bad, um sich den Schweiß abzuwaschen. *** Am nächsten Morgen war sie fit und freute sich auf die Arbeit. Der Sarkophag sollte Ende der Woche so weit fertig sein, dass sie mit dem Blattgold beginnen konnte, sobald die Lieferung am Montag eingetroffen war. Das hieß wahrscheinlich noch ein paar Überstunden, weil sie gestern blau gemacht hatte, aber das geschah ihr nur recht. Sie zog sich wieder gedeckt professionell an und machte so wenig Krach wie möglich, als sie sich nur ein Müsli zum Frühstück zu Gemüte führte. In der letzten Nacht hatte sie Adrian nicht nach Hause kommen hören. Es musste wirklich spät gewesen sein. Wohl ein schöner Abend mit seinem Bekannten. Ohne weiter darüber nachzudenken sprintete sie, wie immer etwas knapp, zum Bus und fuhr zu Arbeit. Sie lief den klimatisierten, steril wirkenden Gang im Keller entlang, der zu ihrem winzigen Umkleideraum führte. Eigentlich war die Bezeichnung Umkleide völlig übertrieben. Immerhin warf sie sich nur einen weißen Kittel über. Danach ging sie in den Präparationsraum, wo ihr Sarkophag auf sie wartete. Gestern hatte sich niemand mit ihm beschäftigt. Er hatte geruht und geduldig auf Emilys Rückkehr gewartet. „Schön dich wieder zu sehen. Ich hoffe es geht dir gut.“, sagte sie sanft, als sie sich auf den Drehstuhl setzte, das grelle Licht anschaltete und sich die Maske überzog. Es waren bereits drei Stunden vergangen, bevor sie unterbrochen wurde. Das Telefon klingelte auf der internen Leitung und als Emily abhob, meldete sich Richard. „Hallo Emily, wie geht’s dir?“ Nach den üblichen Floskeln fragte Emily, was ihr Abteilungsleiter wollte. „Es geht um die Sache mit der Moorleiche und der Mumie.“ Sofort wurde Emily aufgeregt und begann mit einem Pinsel zu spielen, der auf dem Tisch lag. Sie ließ ihn in ihrer Hand hin und her kreisen, während sie gespannt zuhörte. „Du könntest mitkommen, wenn du möchtest.“ Bevor sie ihre Begeisterung aussprechen konnte, wurde sie von Richard auch schon unterbrochen. „Allerdings würde ich dich vorher gern etwas fragen.“ „Aber natürlich. Was gibt’s denn?“ Das Schweigen machte sie noch nervöser, als sie ohnehin schon war. Der Pinsel drehte sich wie ein kleiner Brummkreisel zwischen ihren schlanken Fingern, während sie es immer weniger ertragen konnte, dass Richard nicht mit der Sprache heraus rückte. „Darf ich dich zum Essen einladen?“ Der Pinsel landete scheppernd auf der anderen Seite des Tisches, wo er ein kleines Döschen Farbe mit sich auf den Boden riss. „Sch-“ Gerade noch so konnte sie den Fluch unterdrücken, bei dem sie aufgesprungen war und sich auch noch die Hüfte am Tisch gestoßen hatte. Eine kleine Lache Königsblau breitete sich auf dem grauen Boden aus. „Richard, ich…“ „Es ist nur eine Einladung zum Essen. Nichts Aufdringliches. Ich möchte nur…“ Ja, was möchtest du Richard? Ihr war nie auch nur in den Sinn gekommen, dass ihr Abteilungsleiter Gefühle für sie haben könnte oder auch nur im Entferntesten an ihr interessiert war. Sollte sie zusagen? Nur, weil sie auf diese Reise mitwollte? Als könnte er ihre Gedanken lesen, sagte Richard in entschuldigendem Ton: „Davon hängt nichts ab. Du kannst jederzeit mit nachfahren. Ich wollte dich nur fragen… Was meinst du?“ Kapitel 8: 8. Kapitel --------------------- Nach dieser miesen Nacht brauchte er unbedingt eine Abwechslung, also rief er Tyson an, damit sie sich zum Mittagessen in der nächsten Imbissbude treffen konnten. Während Tyson sich intensiv um seinen Burger kümmerte, nutzte Adrian die seltene Stille aus, um loszulegen. „Als Tyson, wenn du mich in meiner Wohnung treffen willst, gibt’s da ein paar Regeln, die du beachten wirst, ansonsten schmeiß ich dich hochkant raus. Du bist zwar mein bester Freund, aber ich bin nicht dein Kindermädchen.“ Sein bester Freund schlang den Bissen rasch hinunter, um den Mund wieder freizuhaben. „Schade, gerade von dir lasse ich mir gerne den Hintern versohlen.“ Adrian verdrehte die Augen. „Jetzt mal ernst, Mann. Das ist wichtig, also tu einfach einmal in deinem Leben so, als wärst du ein Erwachsener. Glaubst du, du bekommst das hin?“ Gott, sein Freund schien ernsthaft darüber nachzudenken. Und das, obwohl er schon fast dreißig war. Tja, konnte ja noch spannend werden, wenn er mal aus der Pubertät heraus war. Mit Betonung auf das „wenn“. „Zieh nicht so ein Gesicht. Ich hör ja schon zu. Also Daddy, welche Regeln muss ich einhalten, um einmal deine Bude abchecken zu dürfen?“ Adrian sah ihn ernst an. „Erstens: Finger weg von meiner Mitbewohnerin und vor allem will ich, dass du in ihrer Nähe deine große Klappe hältst. Wir sind alle nicht scharf auf den Mist, den du immer mal wieder verzapfst.“ Tyson blickte genervt weg, hörte aber trotzdem zu, wie Adrian wusste. „Zweitens: Ich bin schwul.“ Überrascht riss der Schwarzhaarige seine grünen Augen auf und starrte ihn entgeistert an. „Mann, ich wusste doch, dass deine Zeit als Stricher deine Birne weichgewaschen hat! Das musste ja so kommen.“ Adrian holte tief Luft, um jetzt ja nicht ausfallend zu werden, aber am liebsten hätte er seinen Fuß gegen Tysons Schienbein gepfeffert. „Ich steh nicht auf Männer. Hab ich nie und werde ich auch nie. Was ich damit sagen will, ist, dass meine Mitbewohnerin glaubt, ich sei schwul. Sonst hätte sie mich niemals als Untermieter akzeptiert. Kapiert? Ich verlange auf jeden Fall nur von dir, dass sie auch in diesem Wissen gelassen wird. Das dürfte nicht so schwer sein, wenn du dir Mühe gibst. Erwähn bloß nichts von meinem Zweitjob und auch nichts von Alex.“ Lange schwieg Tyson, obwohl das so gar nicht seinem Wesen entsprach. Aber er schien ernsthaft über all diese Dinge nachzudenken und kaum, dass Adrian glaubte, eine neue Seite an seinem besten Freund zu entdecken, wurde er auch schon wieder enttäuscht. „Was hast du eigentlich gegen diese geile Schnecke? Ihr Körper ist so heiß, dass ich an deiner Stelle immer einen Feuerlöscher dabei gehabt hätte.“ Adrians blaue Augen bohrten sich tief in die seines Freundes. „Schon gut, schon gut. Nervt die dich denn immer noch? Ich dachte, ihr hättet vor einem Jahr schlussgemacht.“ „Hab ich auch, aber von Zeit zu Zeit taucht sie immer mal wieder wie aus dem Nichts auf. Darum will ich ja auch, dass du die Klappe hältst, was meine neue Adresse angeht. Damit sie mich wenigstens dieses Mal nicht aufspüren kann.“ „Kannst dich auf mich verlassen, Kumpel.“ Na das hoffte er zumindest, ehe Adrian seinem besten Freund seine neue Adresse gab und sich dann verabschiedete. Emily war wie immer bei der Arbeit, als er nach Hause kam, sich kurz umzog, um noch eine Runde Joggen zu gehen, ehe er sich für die Verabredung mit Rose fertigmachen musste. Heute wollte sie ihn früher sehen, damit sie mehr Zeit in ihrem Penthouse verbringen konnten. Zumindest hatte sie ihm das am Telefon erzählt, als sie ihn noch einmal angerufen hatte. Offenbar hatte sie von seiner Arbeit im Shadow gehört, weswegen sie jetzt eine Privatvorstellung forderte. Die Frau hatte aber auch überall ihre Beziehungen. Es gab nichts, was man ihr auf Dauer hätte verheimlichen können. Gut, dass sie bald wieder abreiste.    *** Adrian war wieder nicht da, als Emily nach Hause kam. Sie hatte Überstunden geschoben, wie vermutet, um die verlorene Zeit von gestern aufzuholen. Aber sie hatte nicht sonderlich viel geschafft. Das Gespräch mit Richard hatte sie zu sehr aufgewühlt. Sich jetzt mit ihm zu treffen, kam ihr falsch vor. Immerhin hatte sie sich erst vor einem Tag von Zach getrennt. Der spukte ihr zwar weniger im Kopf herum, als sie angenommen hatte, aber es ließ sie nicht kalt, dass er weg war. Es war noch nicht sonderlich spät, und da sie nichts weiter zu tun hatte, warf Emily ein paar Zutaten zusammen und backte Brownies. Viel Schokolade war immer gut. Dazu brachte sie ihren Laptop in die Küche und hörte sich ein Audiobook an. Das tat sich gern, wenn sie backte. Auch wenn es wenig Sinn machte, da sie beim Mixen und wenn der Ofen auf vollen Touren lief, sowieso fast nichts verstand. Aber sie hörte eines ihrer Lieblingsbücher, daher war es völlig in Ordnung, wenn sie Teile verpasste. Sie wusste sowieso schon, wen Poirot am Ende für den Mord auf dem Nil verantwortlich machen würde. Deshalb schaltete sie auch ohne Murren die Datei aus, als das Telefon klingelte, und war äußerst erfreut darüber, Monas Stimme zu hören. Sie unterhielten sich über dies und das, bis Emily ihr endlich gestand, dass sie Zach verlassen hatte. Mona war nicht sonderlich schockiert. Eher erleichtert. Sie hatte den egozentrischen Börsenmakler schon immer für einen Vollidioten gehalten. Um es mal gesittet auszudrücken. „Ich rufe noch wegen etwas Anderem an.“ Emily wurde etwas heiß im Gesicht, als ihr einfiel, worauf ihre große Schwester anspielte. „Oh Mann … Müssen wir da wirklich hin?“ „Ich hab auch nicht mehr Lust als du, Em. Aber wir kommen da nicht raus.“ „Können wir nicht sagen, ich hätte mir den Fuß gebrochen und du musst auf mich aufpassen?“ „Da müsstest du schon Ebola oder so was haben, damit Mom das gelten lässt.“ „Das bekomm ich hin.“ Emily konnte fast hören, wie Mona die Augen verdrehte, während sie lachte. „So schlimm wird’s nicht werden. Wir müssen nur eine Stunde bleiben, dann können wir wieder gehen.“ „Er merkt sowieso nicht, dass wir da sind. Was macht das schon?“ „Du weißt doch …“ „Ja, ich weiß.“ Kurzes Schweigen, in dem jede von ihnen ihren eigenen Gedanken nachhing, die aber um den gleichen Menschen kreisten. Ein Mensch, der ihren Besuch gar nicht verdient hatte und dem sie ihn gleichzeitig trotzdem schuldeten. Es war eine Zwickmühle, in der sie schon seit ihrer Geburt steckten, und bis jetzt, trotz vereinter Kräfte und Geistesanstrengungen keinen Ausweg gefunden hatten. „Wir sehen uns also Freitag. Ich hol dich zu Hause ab. Dann kann ich gleich deine Wohnung und deinen Mitbewohner sehen.“ „Dass du ihn siehst, möchte ich bezweifeln. Ich sehe ihn ja kaum. Aber die Wohnung kannst du dir gern ansehen. Komm einfach zum Essen und dann fahren wir gemeinsam hin.“ „Okay.“ Sie verabschiedeten sich herzlich. Aber als sie aufgelegt hatte, fühlte Emily trotzdem einen seltsamen Geschmack im Mund, den der Duft der Brownies nicht überdecken konnte. Aber es war erst Freitag so weit. Also würde sie bis dahin so wenig wie möglich daran denken. Die Brownies waren inzwischen fertig und Emily nahm sie aus dem Rohr, um sie abkühlen zu lassen. Später richtete sie ihr Gebäck auf einem großen Teller an und schrieb einen Klebezettel, den sie auf den Tellerrand klebte. Schokolicious! Bedien dich. Darunter malte sie einen kleinen Smiley und zog sich dann in ihr Zimmer zurück, um noch ein wenig im Internet zu surfen, bevor sie ins Bett ging. Den Bildern nach zu urteilen, war Skandinavien schön um diese Jahreszeit.    *** Als Adrian dieses Mal sehr spät am Abend oder sehr früh am Morgen, je nachdem wie man es sehen wollte, nach Hause kam, fühlte er sich vollkommen ausgelaugt und zerschlagen. Er stand lange unter der Dusche, ohne etwas zu spüren oder zu denken. Rose war nett und freundlich, das schon, aber sie war auch eine Frau, die genau wusste, was sie wollte. Heute Nacht hatte es keine Schonung gegeben. Adrian fühlte sich wie ausgebrannt. Erst als er den Duft von Brownies in die Nase bekam, begann sein Verstand langsam wieder zu arbeiten. Das herrliche Schokoladenaroma zog ihn in die Küche, wo er Emilys Nachricht lesen konnte und sich schon so früh nach den Ereignissen ein Lächeln auf seinen Lippen ausbreitete. Bei dem Gedanken, sie hatte auch für ihn etwas gebacken, wurde ihm langsam wieder wärmer in der Brust, wo vorhin noch ein kaltes Loch geklafft hatte. Adrian nahm sich eines der Gebäckstücke und aß es langsam und genießend im Wohnzimmer. Während er über alles Mögliche nachgrübelte und dabei die Blumen betrachtete. Irgendwann, es musste kurz vor fünf Uhr morgens sein, schleppte er sich in sein Zimmer, warf sich ins Bett und zog noch halbherzig die Decke über sich, ehe er auch schon voller Erschöpfung einschlief. Gerne hätte er Emily heute gesehen, aber ihre Arbeitszeiten waren so unterschiedlich, dass es ein Wunder war, wenn sie sich zumindest ein paar Mal in der Woche trafen. Dabei wohnten sie zusammen!    *** Am vergangenen Abend war sie erst gegen halb neun zu Hause gewesen. Emily hatte die schlimme Befürchtung, dass sie den Sarkophag nicht fertigbekommen würde. Zumindest nicht rechtzeitig für die Überprüfung am Montag. Dann könnte sie sich die Blattgoldbearbeitung in die Haare schmieren. Das machte ihr echte Sorgen und Magenschmerzen. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie brachte selbst nach einem ganzen Tag ohne Essen vor dem Schlafengehen nichts mehr herunter. Das lag nicht allein an dem Stress bei der Arbeit, sondern zugleich an dem immer näher rückenden Termin. Mona hatte sich einmal gemeldet, um sicherzugehen, dass Emily keine schwere Krankheit vortäuschen würde, um der Geschichte fernzubleiben. Zumindest nicht, ohne Mona selbst einen Grund zu liefern sich bei dieser Veranstaltung nicht blickenzulassen. Aber das konnte Emily vielleicht alles noch bis zum Nachmittag verdrängen. Gegen fünf wollte ihre Schwester sie von der Arbeit abholen. Viel früher, als es Emily eigentlich recht war. Sie würde ohne Mittagspause auskommen müssen, wenn sie überhaupt noch etwas schaffen wollte. Deshalb war sie, für ihre Verhältnisse, auch sehr früh aufgestanden. An der vordersten Stelle des Weckers hatte eine große, erschreckende Fünf geprangt, als der Alarm losgegangen war. Emily hatte fast erwartet, Adrian um diese Zeit endlich einmal anzutreffen. Nach ihrer Begegnung vor seinem schicken Abendessen hatten sie sich nicht mehr zu Gesicht bekommen. Emily hatte ihn nach Hause kommen hören, sich aber nie die Mühe gemacht aufzustehen, um 'Hallo' zu sagen. Sie waren keine Freunde. Vielleicht würden sie auch nie welche werden, wenn das so weiterging. Dieser Gedanke löste Bedauern in Emily aus, denn sie hätte gern wieder einen Abend vor dem Fernseher mit Adrian verbracht oder sich einfach mit ihm unterhalten. Sie hätten ins Museum gehen können oder abends was trinken. Ihr fielen ein paar Dinge ein, die ihr mit Adrian sicher Spaß gemacht hätten. Aber gleichzeitig bezweifelte sie, dass es jemals dazu kommen würde. Aus einem seltsamen Impuls heraus schrieb sie ihm eine kleine Nachricht auf einen weiteren Klebezettel, den sie an der Küchentür anbrachte. Hallo Mitbewohner! Koche hier heute Abend mit meiner Schwester. Du bist herzlich eingeladen. So gegen halb sechs. :) E.    *** Es war bereits früher Nachmittag, als es Adrian endlich aus dem Bett schaffte. Was ihn nicht großartig wunderte. Immerhin war er die ganze Woche erst in der Früh wieder zu Hause gewesen und inzwischen hatte sich sein Körper schon an den veränderten Rhythmus gewöhnt, eine Nachteule zu mimen. Gott sei Dank, hatte er gestern wieder im Club tanzen können. Das hatte viel von seinem Frust abgebaut, der sich nach der unverbindlichen Sex-Sache immer in ihm aufstaute. Wenn das so weiter ging, würde er wirklich bald einen Schlussstrich ziehen müssen. Aber noch war der Bogen nicht überspannt und bis jetzt hatten sich auch noch keine anderen Kundinnen gemeldet. Wenn er wirklich nicht wollte, konnte er das nächste Mal auch einfach absagen. Das wäre gerade noch so drin. Auf dem Weg ins Badezimmer las er Emilys Zettel und schon wieder breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. Auch dieses warme Gefühl in seiner Brust war wieder da, mit hinzukommendem Kribbeln, weil er sich tatsächlich darüber freuen würde, einmal wieder mit normalen Menschen zusammensitzen zu können, die nichts von ihm und seinen immer wieder mal chaotischen Gefühlsstürmen wussten. Da er erst morgen wieder arbeiten musste, könnte das einmal wieder ein entspannter Abend für ihn werden. Er hatte ihn auch dringend nötig. Nachdem er geduscht hatte, räumte Adrian oberflächlich die Wohnung auf, da wie immer nicht viel herum ag, saugte den Boden und staubte ab, ehe er in eine enge Jean schlüpfte, die überall gewollte Risse aufwies und dazu noch ein schwarzes Seidenhemd. Er stylte sich noch die Haare und hängte sich wieder sein Lederband mit dem sichelförmigen Anhänger um den Hals. Wenn das nicht schwul aussah, dann sah es zumindest nicht zu vornehm und auch nicht zu schlampig aus. Als er das nächste Mal auf die Uhr sah, war es kurz vor halb sechs und er tigerte in der Wohnung herum, als könne er es kaum noch erwarten, bis er endlich wieder seine Mitbewohnerin zu Gesicht bekam. Was ja auch stimmte. Denn es war schlimm, zu wissen, dass sie zwar da war und mit ihm zusammen die Wohnung benutzte, er sie aber schon seit Tagen nicht mehr gesehen hatte. „Weißt du denn, ob er zu Hause ist?“ Mona stapfte hinter Emily her die Holztreppe zur Wohnung hinauf. Im Treppenhaus hallten ihre Schritte und ihre Stimme wieder. „Nein, keine Ahnung. Ich hab ihm eine Nachricht hinterlassen. Mal sehen.“ Erst als beide vor der Tür standen, drückte Emily ihrer Schwester eine der Tüten in die Hand, um den Wohnungsschlüssel an ihrem Schlüsselbund herauszusuchen. Mona hielt bereits zwei Tüten in den Armen, weswegen sie die Dritte mehr oder weniger gegen ihr Gesicht gelehnt balancierte, bis Emily sie ihr wieder abnahm. „Danke, sehr freundlich.“ Mit ein wenig Anlauf schob Mona ihre kleine Schwester durch die nun offene Tür in den Flur hinein, bloß um dann mitten im Türstock stehenzubleiben und sich mit prüfendem Blick umzusehen. „Wow, Em. Die Wohnung ist klasse.“ Dass sie das schon auf den ersten Blick sagen konnte, glaubte Emily. Immerhin hatte sie sich damals auch schon beim ersten Schritt durch die Tür und auf die dunklen Dielen in die Wohnung verliebt. Deshalb hatte sie den Mietvertrag auch unterschrieben, obwohl sie wusste, dass sie sich diesen Luxus ohne Mitbewohner nicht leisten konnte. Wie sie fand, war das ein kleiner Preis gewesen. Adrian war als Mitbewohner so gut wie gar nicht vorhanden. Allerdings steckte er jetzt gerade seinen Kopf aus dem Wohnzimmer und kam auf die beiden zugelaufen. Er sah kurz irritiert aus, als er Mona und Emily nebeneinanderstehen sah. Kein Wunder. Sahen sie sich doch so ähnlich, dass sie Zwillinge hätten sein können. Man sah Mona kein Stück an, dass sie älter war. Was machte ein Jahr schon aus. Früher hatte man die beiden nur an ihrer Augenfarbe unterscheiden können, die bei Emily eindeutig ins Schwarze und bei Mona ins hellbraun ging. Natürlich hatte das Alter ihren Stil verändert, weswegen man sie nun eigentlich nicht mehr verwechseln konnte, wenn man sie kannte, aber auf den ersten Blick, sahen sie sich doch sehr ähnlich. „Hey, du bist ja tatsächlich zu Hause. Das ist meine Schwester Mona.“ Weil sie die Hände voll hatte, deutete Emily mit dem Kinn zwischen den beiden hin und her. „Mona, das ist Adrian. Mein Mitbewohner.“ „Das hoffe ich doch, wenn er hier so einfach rumläuft.“ Mona grinste Adrian an und streckte ihm einen kleinen Finger entgegen, anstatt ihm die Hand anzubieten. Sonst hätte sie ihren Lebensmitteleinkauf fallenlassen. „Hi, schön dich kennenzulernen.“ Adrian stutzte, als er plötzlich zwei Emilys im Flur stehen sah. Unsicher schaute er von einer zur anderen, ohne im ersten Moment zu wissen, wer nun wer war. Doch dann stellte Emily ihm ihre Schwester vor und er wusste wieder, wer seine Mitbewohnerin war. Während er auf die beiden zuging, versuchte er sich die Unterschiede einzuprägen. Es war schwer zu erkennen, aber in der Kleiderfrage unterschieden sie sich dann doch. Also setzte er ein Lächeln auf, reichte Mona kurz ebenfalls seinen kleinen Finger, ehe er ihr die Tüten abnahm. „Freut mich ebenfalls. Bist du Emilys Zwillingsschwester? Ich dachte schon, ich halluziniere.“ Er grinste, während er die Tüten in die Küche trug und dort abstellte. Danach warf er wieder einen Blick auf die zwei Frauen. Wahnsinn. Er würde sich noch mehr Details suchen müssen, an denen er sie auseinanderhalten konnte, wenn Mona öfters zu Besuch kam. Aber vielleicht legte sich das automatisch, wenn er Emily einmal länger kannte. Immerhin hatten sie sich bisher nicht sehr oft gesehen. „Was gibt es denn heute zum Essen?“, fragte er neugierig, weil er nicht einfach in die Tüten spähen wollte, um deren Inhalt zu inspizieren. „Kann ich helfen?“ Mona übernahm wie üblich die Gesprächsführung. In ihrer Gegenwart wurde Emily zwangsläufig in die Rolle der kleinen Schwester zurückgedrängt, die zuhörte und ab und zu Kommentare einwarf. Das empfand Emily nicht als negativ oder verletzend. Die beiden ergänzten sich auf diese Art und jede konnte auf ihre Weise zur Unterhaltung beitragen. Nicht zuletzt hatte Adrian ja auch Mona angesprochen, als er ihr die Tüten abgenommen und sie freundlicher Weise in die Küche getragen hatte. „Nein, keine Zwillinge. Aber danke fürs Kompliment. Das heißt immerhin, dass man das Jahr, das ich älter bin, nicht sofort sieht.“ „Die Betonung liegt hier auf 'nicht sofort'“, warf Emily mit einem Zwinkern von der Tür aus ein, bevor sie ihre Einkaufstüten auf der Küchenzeile abstellte und darin herum kramte. Mona kniff sie daraufhin in die Seite, lachte aber sogar als Erste los, bevor sie Adrians zweite Frage beantwortete. „Wir dachten an Lachs-Spinat-Lasagne. Wenn das okay für dich ist. Solltest du gegen eins von beidem was einzuwenden haben, können wir dir auch alternatives Gemüse bieten.“ Emily hatte zwar keine Ahnung, was Adrian mochte oder nicht. Aber da er damals im Möbelhaus auch Lachs gegessen hatte, war das die logische Wahl gewesen. Zumindest empfand sie es als solche. „Entweder das, oder ihr lasst mich einfach nur beim Essen zusehen.“ Er lächelte breit. „Immerhin bin ich euch beiden schon jetzt sehr dankbar, dass ihr mir das Kochen abnehmt. Und ja, ich bin mit dem Menüvorschlag mehr als nur einverstanden.“ Adrian nahm schon einmal das nötige Besteck und die Teller aus den Schränken, damit die Damen ungestört kochen konnten, während er schon einmal den Tisch deckte. „Wollt ihr auch Weißwein dazu? Ich habe neulich einen guten Jahrgang mit nach Hause gebracht.“ Zwar trank er nicht viel Alkohol, aber zu einem guten Essen trank er gerne einmal ein Schlückchen Wein. Während die beiden die Sachen aus den Tüten räumten, deckte Adrian den Tisch für drei. Er stimmte die Farbe der Untersetzer mit den Servietten ab, die er jeweils zu einer Seerose faltete. Dazu noch schöne Gläser und Kerzen und dem schönen Essen stand nichts im Weg. Wenn er schon einmal dazu kam, mit Emily und noch dazu mit ihrer Schwester zu essen, dann doch bitte mit Stil. „Nein, das würden wir dir nicht antun. Beim Essen zusehen zu müssen und selbst nichts abzubekommen ist schlimme Folter. Sooo schlimm sind wir nicht.“ Mona fing an den Lachs in mundgerechte Stücke zu schneiden, während Emily sich um den Spinat kümmerte, die Auflaufform mit Butter ausstrich und sich schließlich an die Béchamelsauce machte. Bald lag ein sanfter Duft im Raum. „Weißwein klingt sehr gut. Man muss ja schon immer beim Kochen testen, ob der Wein später wohl auch zum Essen passt.“ Emily grinste zu Mona und dann zu Adrian hinüber, der sich wirklich große Mühe mit dem Tischdecken gegeben hatte und nun auf einem Stuhl saß. Sie rührte noch ein wenig in der Sauce, nahm sie dann vom Herd und winkte ab, als Adrian schon aufspringen wollte. „Ist heute eigentlich irgendetwas Besonderes, oder trefft ihr euch auch einfach einmal so zum Essen?“ Hoffentlich ging das nicht zu sehr ins Private hinein. Er kannte Emily noch nicht gut genug, um zu wissen, ob sie seine neugierigen Fragen nicht einmal leid wurde. Immerhin gab er selbst auch nicht viel von sich preis. Obwohl, würde sie ihn direkt darauf ansprechen, würde er sicher in den meisten Fällen antworten. Kam natürlich immer auf die Frage an. „Übrigens danke für die Brownies. Die waren einfach …“ Herzerwärmend? Beruhigend? Schmerzlindernd? „… super lecker.“ Emily nahm den Wein aus dem Kühlschrank und entkorkte ihn, während Mona den Lachs mit dem Spinat und den Nudelplatten mit Sauce nacheinander in die Form schichtete. Als Adrian sie nach dem Anlass fragte, warfen sich die Schwestern gleichzeitig einen Blick zu, den der Beobachter irgendwo zwischen gequält und erschrocken ansiedeln konnte. Entgegen ihrer sonstigen Art sagte Mona nichts, sondern widmete sich wieder den Lasagne-Schichten. Es blieb also an Emily hängen, zu entscheiden, was sie ihrem neuen Mitbewohner über diesen Abend erzählte und weswegen die beiden Schwestern nur allzu froh über die Flasche Wein waren, die er ihnen angeboten hatte. Mit der Antwort ließ Emily sich Zeit, bis sie den Weißwein eingeschenkt und die Gläser an alle verteilt hatte. Ihr Eigenes drehte sie am Stiel hin und her, bevor sie Adrian in die Augen sah. „Wir fahren zu unserem Großvater. Er ist … krank.“ Der Seitenblick von Mona hätte die Queen neidisch gemacht. Emily wusste selbst, dass das eine äußerst nette Umschreibung für den Zustand war, in dem sich ihr Großvater befand. Aber es stimmte. Er konnte nichts dafür, wie er sich seinen Mitmenschen gegenüber verhält. „Er ist geistig verwirrt und nicht sonderlich … nett.“ Wieder so ein Seitenblick. Am liebsten hätte Emily ihre Schwester angeschnauzt. Was sollte sie denn sagen? Dass ihr Großvater geistig völlig neben sich stand und in einer Irrenanstalt saß, weil er seine Mitmenschen grundlos angriff? Bei seinen Familienmitgliedern beschränkte er sich immerhin bloß auf verbale Attacken. Meistens. Wenn ihre Mutter nicht auf die Blutsbande bestehen würde, hätten Emily und Mona ihren Großvater schon seit Jahren nicht mehr besucht. Denn selbst, als er noch klar im Kopf gewesen war, hatte er nicht zu den netten Menschen gehört. Im Gegenteil und Emily würde genauso wenig wie Mona je verstehen können, warum sie ihm gerade jetzt die heile Familie vorgaukeln sollten. Sie war froh, als Adrian sie aus ihren immer grauer werdenden Gedanken riss. „Oh, das mit den Brownies ist gern geschehen. Freut mich, dass sie dir geschmeckt haben!“ Sie lächelte und hob ihr Glas, als Mona auch endlich die Lasagne in den Ofen geschoben hatte. Ihr Gesichtsausdruck musste wie der von Emily verraten, dass sie nicht gerade jetzt über die Sache sprechen wollten. Vielleicht würde sie ihm später davon erzählen, wenn es vorbei war. Dann hatte sie Zeit bis Weihnachten, um das Ganze wieder zu verdauen. Oh oh. Der wortlose Blickwechsel sagte ihm mehr, als er sich fragen getraut hätte. Es tat ihm wirklich leid, dass ihr Großvater krank war, aber irgendwie schien die Sache auch einen noch sehr viel bitteren Beigeschmack zu haben. Es war offensichtlich, dass sie ihn sicherlich nicht freiwillig besuchten. Und da er ja anscheinend wirklich nicht … nett war, konnte Adrian das auf gewisser Weise sogar verstehen. Er hatte auch so ein paar Verwandte, die er nur mit einem Pistolenlauf an der Schläfe besucht hätte und selbst dann würde er sich noch die zweite Option überlegen. Da er das Unbehagen deutlich spürte, hakte er auch nicht weiter nach, sondern sah den beiden lieber beim Kochen zu. Es schien alles so einfach zu gehen, dabei war für ihn selbst zu kochen eher ein Ärgernis. Er konnte es nicht besonders gut, weil er sich nie die Zeit dazu nahm, es mit Geduld zu versuchen, darum machte er lieber irgendetwas Ungekochtes, wie Salat, oder er ging einfach essen. Was am Unkompliziertesten war und noch dazu in den meisten Fällen gut schmeckte. Gerne nahm er das Weinglas entgegen und kostete. Oh ja, da hatte er sich einen guten Jahrgang ausgesucht. Wenn er sich schon beim Kochen wie ein Esel anstellte, mit Weinen kannte er sich aus. Inzwischen roch es schon köstlich in der Küche und kurze Zeit später, saßen sie alle am Tisch und aßen. „Mein Lob an die Köchinnen. Es schmeckt einfach köstlich.“ Und wie es das tat. Hausgemaches war doch immer noch das Beste. Adrian verzog genießerisch das Gesicht und schloss dabei die Augen. Emily genoss das Essen ebenfalls. Vor allem, weil sie schon den ganzen Tag Hunger gehabt und der Wein sich somit wahnsinnig schnell in ihrem System ausgebreitet hatte. Sie spürte bereits jetzt, wie ihre Zehen kribbelten. Hoffentlich würde sie so zumindest entspannter bei dieser Familiensache auftauchen. Beim letzten Mal war es unter anderem deswegen das totale Desaster geworden, weil sich Emily und Mona gegenseitig die Bälle zugespielt und damit nicht nur ihren Großvater, sondern auch ihre Mutter völlig zur Weißglut gebracht hatten. Das sollten sie diesmal, in ihrem eigenen Interesse, tunlichst vermeiden. „Und was hast du heute noch vor, Adrian?“ Mona versuchte das Gespräch am Laufen zu halten, sonst hätte sich wahrscheinlich eine recht unangenehme Stille ausgebreitet. Sie hatte ihre düsteren Gedanken schon immer viel schneller zur Seite schieben können als Emily. Dafür hatte sie ihre große Schwester schon oft bewundert. „Nun, ehrlich gesagt, ich weiß es noch nicht so recht. Vermutlich gehe ich heute einmal früher schlafen, wenn Emily nicht da ist.“ Ansonsten hätte er nichts gegen einen weiteren DVD-Abend gehabt. Natürlich könnte er auch noch Tyson fragen, ob er mit ihm irgendwo hinging, andererseits war er einmal froh, sich ausruhen zu können. „Oder ich mache eine Beauty-Session.“ Er grinste breit in dem Wissen, dass das vermutlich schon eher nach einem schwulen Mann klang. „Ihr wisst schon. Heißwachs, Peeling, Gesichtsmaske.“ Als würde er das alles benutzen, aber das konnten die beiden ja nicht wissen. Fehlte nur noch das Zehennägellackieren. Mona sah überrascht auf, als Adrian von seinem Wellness-Vorhaben berichtete. Sie kaute noch ihren Bissen Lasagne herunter, bevor sie unverblümt darauf einging. „Du wachst?“ Ein anerkennender Zug breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Ich weiß ja nicht genau wo, aber meinen Respekt hast du. Ich würde das Zeug nicht mal an meine Beine lassen. Diesbezüglich bin ich eine Memme.“ Manchmal brachte Mona Emily mit ihrer ehrlichen Art wirklich nah an den Nervenzusammenbruch. Ich weiß ja nicht genau wo …? Was war das denn für ein Kommentar. Auch wenn Adrian schwul war, hieß das nicht, dass er sich darüber unterhalten wollte, welche Haare er sich entfernte. Wieder schossen Emily Bilder seines Auftritts im Shadow durch den Kopf und sie verschluckte sich fast an einem Stückchen Lachs. Mona sah zu ihr hinüber, nur um anscheinend festzustellen, dass keine Hilfe benötigt wurde und sie sich wieder Adrian widmen konnte. Leichte Röte bereitete sich auf Emilys Wange aus. Es lag wohl am Wein. Denn auch Adrian spürte den Alkohol langsam in seinem Blut seine Kreise ziehen. Er trank nicht oft und schon gar nicht so viel wie sie vor kurzem. Meistens nur so viel, dass er leicht beschwipst war. Das Gefühl, sich nicht mehr unter Kontrolle zu haben, kannte er gut. Sehr gut sogar und er hasste es. Wollte es nie wieder erleben, darum hielt er sich gerne zurück. Monas Frage brachte seinen Mund noch breiter zum Lächeln. Offenbar hatte Emilys Schwester keine Probleme damit, unverblümte Fragen zu stellen. So wie er keine Probleme hatte, auf genau diese zu antworten. „Tja, ich muss zugeben, an manchen Stellen komme ich mir schon immer mal wieder wie ein Masochist vor, aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran und es tut auch weniger weh.“ Vor allem sein Intimbereich dankte es ihm inzwischen, dass er nicht mehr so empfindlich war. „Was mir aber wichtiger ist, ist die Zeitersparnis. Lieber einmal oder zweimal im Monat durchbeißen, als das Theater jeden Tag von Neuem.“ Es nervte ja schon genug, sich jeden Tag das Kinn und die Wangen rasieren zu müssen. Außerdem wuchsen Stoppeln innerhalb weniger Stunden wieder nach. Bei seiner Arbeit konnte er sich das nicht leisten. Es sah auch absolut nicht gut aus. „Hey, ich hätte da noch eine Frage. Geht ihr beiden eigentlich auch öfters zusammen weg? Ich meine, nichts für ungut, Emily, aber Julie ist …“ Anstrengend. Quasselt ständig und schafft es immer wieder, ihn bis aufs Blut zu reizen. „… eine Herausforderung. Durch und durch.“ Wieder lächelte er. „Nein, wir gehen nicht mehr so oft zusammen weg. Früher waren wir schon ab und zu zusammen auf der Piste, aber …“ Mona sah ratlos zu Emily hinüber, die ihrerseits nur mit den Schultern zuckte und dann ihre Version der Geschichte zur Sprache brachte. „Ich glaube, das hat sich geändert, als wir beide zu Hause ausgezogen sind. Jeder hatte sein eigenes Leben und war beschäftigt. Du hast Mario und ich …“ … habe niemanden. Sie musste an Zach denken und wie schön es am Anfang gewesen war. Wie oft sie zu viert unterwegs gewesen waren. Einfach nur in einer Bar, um ein Bier zu trinken. Aber das war nur so lange gegangen, wie Zach noch ein wenig um Emily gebuhlt hatte. Sobald ihm klar geworden war, dass sie mit dem Herzen an ihm hing, war sie langweilig für ihn geworden und er hatte sie links liegen lassen. Zumindest, bis er wieder einmal Lust auf Sex mit ihr hatte. Grimmig spießte Emily ein Stück Spinat auf ihre Gabel und sah konzentriert auf ihren Teller. „Und du hängst immer noch mit Julie rum? Hätte ich das gewusst, hätte ich dich jede Nacht in irgendeine Bar oder einen Club gezerrt. Das Mädel ist doch unmöglich.“ „Das weiß ich selbst. Aber sie ist meine Freundin. Da kommt man manchmal einfach nicht so leicht raus.“ Emily wollte sich nicht verteidigen und sah in Adrian einen kleinen Rettungsanker. Damit musste er nun fertig werden. Immerhin hatte er das Thema auf Julie gebracht. „Was ist denn mit dir? Wollte dein bester Kumpel nicht mal vorbeikommen?“ Adrian sah es Emily an, dass sie gerade an ihren Exfreund dachte. Ob die beiden schon immer so gewesen waren, oder sich das erst später in dieses Desaster entwickelt hatte, wusste er nicht. Aber in den meisten unangenehmen Fällen war das der Ablauf. „Ich war heute mit ihm Mittagessen. Wenn er isst, komme ich bei ihm wenigstens Mal zu Wort. In dem Sinne kann ich dich gut verstehen, was die Sache mit Julie angeht. Man weiß nicht, warum man mit diesen Menschen abhängt, aber um ehrlich zu sein, ich könnte Tyson nicht loslassen. Er bringt mich zwar immer wieder zur Weißglut, aber er ist auch ein echt guter Freund. Vielleicht schaut er die nächsten Tage mal vorbei. Wie wäre es, wenn du Julie einlädst? Könnte ja sein, dass die beiden gut zusammenpassen. Tyson könnte genau ihr Typ sein.“ Soweit er das bisher mitbekommen hatte, war sie auch eher eine dieser oberflächlichen Tussen. Allerdings hatte sie ja einen Freund, nur wie lange? Und Tyson hatte ja auch einen Frauenverschleiß, der schon hart an der Schmerzgrenze lag. Emily kaute ihren letzten Bissen und spülte ihn mit Wein hinunter, bevor sie ihre Meinung zu Julie und Adrians bestem Freund abgab. „Ganz ehrlich gesagt muss dein Freund nur hetero sein und aufrecht stehen können … dann ist er Julies Typ.“ Jedem am Tisch war klar, was sie mit aufrecht stehen meinte. „Aber im Moment ist sie vergeben, also sollte sich dein Kumpel keine Hoffnungen machen.“ Gut, das konnte sich bei Julie bis nächste Woche ändern und dann würde sie diesem Tyson wahrscheinlich nackt ins Gesicht springen. Emily versuchte, nicht zu fies zu sein. Sie war nur ein wenig eifersüchtig darauf, dass Julie jeden Typen bekam, den sie sich aussuchte. Ob er nun ein einfacher, netter Kerl war, den sie ausnutzte oder ein Geschäftsmann, von dem sie sich finanziell aushalten ließ. Sie holte das für sich heraus, was sie wollte und legte die Männer dann ab wie ein altes Paar Schuhe. Das war absolut nicht Emilys Stil. Sie wollte immerhin selbst nicht so behandelt werden, warum sollte sie es also mit Anderen tun … „Ich glaube, beide Optionen erfüllt Tyson mit Bravour und noch viel mehr davon.“ Sein Freund war mehr als stockhetero, so wie er selbst übrigens auch und kam sogar mit mehreren Frauen gleichzeitig im Bett klar. Woher Tyson diese Ausdauer hatte, konnte sich Adrian bis heute nicht erklären. Aber dem war so. Mehr musste er auch nicht wissen. Hui … langsam schwirrte ihm der Kopf aber wirklich. Der Wein war ganz schön stark, wie er jetzt erst mitbekam. Betont langsam wischte er sich nach dem Essen den Mund mit der Serviette ab, lehnte sich lässig zurück und sah dann die beiden Ladys erwartungsvoll an. „Gibt es denn vielleicht auch einen Nachtisch?“ Sein Tonfall klang sogar in seinen eigenen Ohren so, als hätte er da nicht unbedingt von Essen gesprochen. Verdammt, er war echt furchtbar, wenn der Alkohol ihm zu Kopf stieg. Außerdem wurde ihm langsam heiß in seiner Haut. Noch ein paar Schlucke mehr und er würde hier freiwillig einen Strip hinlegen, nur um sich etwas Abkühlung zu verschaffen. Er sollte wirklich ins Bett verschwinden! Adrians Gesichtsausdruck und seine Gesten wirkten ein wenig verwaschen, als er sich zurücklehnte und sie beide ansah und nach Dessert fragte. Emily wollte gerade antworten, als sie von einer Melodie neben sich unterbrochen wurde. Mona zog hektisch ihr Handy aus der Jeanstasche und ließ es aufklappen. „Hallo?“ Tonlos und mit einem Augenrollen gab sie Emily zu verstehen, dass es ihre Mutter war. “Ja, ich bin bei Em … Nein … Warum sollten wir? ...“ Sie stand auf, rollte noch einmal mit den Augen und zog die Küchentür hinter sich zu. Fast völlig nutzlos, da man sie durch die dünnen Wände sprechen hören konnte. Allerdings war der Inhalt des Gesprächs nicht zu verstehen. Emily war sowieso klar, um was es ging. Die Küchenuhr zeigte bereits auf kurz nach acht. Sie mussten bald los. Ihre dunklen Augen ruhten lange auf Adrians Gesicht. Sie wusste auch nicht warum. Wahrscheinlich waren es der Wein und das warme Gefühl, das sich wegen des guten Essens in ihr ausbreitete. Sie lächelte ihn sanft an. „Tut mir leid, wir haben nur Kekse mitgebracht. Eigentlich wollte ich Pudding machen, aber …“ mit einem Nicken in Richtung Küchentür gab sie ihm zu verstehen, dass die Zeit dafür nicht reichen würde. „Wenn du möchtest und du später noch wach bist, kann ich uns einen machen, wenn ich zurück bin.“ Das hörte sich aus irgendeinem, für Emily unerklärlichen Grund, seltsam an. Als hätte sie Adrian enttäuscht und versuchte es jetzt wieder gutzumachen. Bevor sie aber länger darüber nachdenken konnte, schwang die Tür wieder auf und Mona kam mit einem Gesichtsausdruck herein, der die Reiter der Apokalypse verhieß. „Sie ist in zehn Minuten hier.“ „Sie holt uns echt hier ab?“ „Aber sicher. Mom hat Angst, wir könnten sonst über die Grenze fliehen.“ „Zurecht.“ Als Mona mit ihrem Handy den Raum verließ, schob er den restlichen Wein von sich. Genug getrunken. Eindeutig. Da ihm die Vorstellung, Emily könnte ihm später noch einen Pudding machen, und zwar nur für ihn, ein ganz schönes Kribbeln im Körper verursachte, das er durch den leichten Alkoholdunst in seinem Gehirn als Vorfreude identifizieren konnte. Adrian versuchte es zwar nicht zu deutlich zu zeigen, aber seine Augen strahlten wie die eines kleinen Jungen vor einem Haufen voll Weihnachtsgeschenken. „Ich …“ Er musste seine trockenen Lippen benetzten. „… werde warten.“ Das war dann wohl Antwort genug auf die Puddingfrage. Oh ja, er würde gerne welchen essen, während sie es sich auf der Couch bequem machten. Als Mona zurückkam und erklärte, dass ihre Mutter sie persönlich abholen kommen würde, stand er langsam auf, korkte den restlichen Wein wieder zu und stellte ihn in den Kühlschrank, ehe er die leeren Teller abräumte. Die Ladys hatten gekocht, jetzt war er an der Reihe mit Abwaschen. So war die gerechte Ordnung der Küche. Das war zumindest seine Meinung. „Gut. Freut mich.“ Das war ihr einziger Kommentar zu Adrians Versprechen, später noch wach zu sein, wenn sie nach Hause kam. Sie warf ihm noch ein Lächeln zu, stand aber gleichzeitig auf, um ihm abräumen zu helfen. „Hast du das Geschenk, Em?“ „Gut, dass du’s sagst …“ Mit diesen Worten sprintete Emily regelrecht aus der Küche, um in ihrem Zimmer nach dem verpackten Kalender zu suchen, den sie ihrem Großvater zusammen besorgt hatten. Er lag irgendwo unter einem Stapel Papieren und einem dicken Wälzer, noch in der Tüte des Buchladens verpackt. Kurz kontrollierte sich Emily noch in dem kleinen runden Spiegel mit dem Mosaikrand, der an ihrer Wand hing, bevor sie mit dem Kalender unter dem Arm in den Flur trat. Mona half Adrian derweil beim Abtrocknen. „Wird hoffentlich nicht so lange dauern. Die Phasen, in denen er klar ist, werden durch Medikamente verlängert, aber du weißt ja, wie das ist …“ Das konnte alles und nichts bedeuten. „Ich hoffe, dass wir in spätestens zwei Stunden da wieder weg sind.“ Was sie noch mehr hoffte, war, dass Adrian sein Versprechen wahrmachen und tatsächlich noch auf sein würde, wenn Emily nach Hause kam. Mona selbst hatte Mario, der sie nach eventuellen Ausfällen ihres Großvaters seelisch auffangen würde. Sie sah Adrian von der Seite prüfend an, hatte aber schon während des Essens für sich entschieden, dass er durchaus dafür geeignet war, Emily ein wenig aufzufangen. Natürlich wollte sie nicht, dass Adrian sich wie ein Kindermädchen benahm, aber es war nun einmal schön, wenn man jemanden hatte, zu dem man nach Hause kommen und mit dem man sich gut unterhalten konnte. Ein wenig Anlehnen war auch nicht schlecht. Dass Emily das ab und zu brauchte, war für jeden, der sie nur ein bisschen kannte, offensichtlich. Sie setzte sich oft einfach viel zu sehr selbst unter Druck und machte sich fertig. Deshalb war Mona auch sehr froh gewesen, als sie gehört hatte, dass ihre kleine Schwester nicht allein wohnen würde. Adrian schrubbte gerade an der Auflaufform herum, als es an der Tür klingelte. Die Schwestern sahen beide aus, als würden sie zu ihrer eigenen Hinrichtung abgeholt werden. „Ok, wir sehen uns dann hoffentlich bald mal wieder.“ Diesmal nahm sie Adrians Ellenbogen und drückte ihn kurz zum Abschied, ehe sie mit Emily aus der Tür verschwand, die noch rief: „Bis später! Und danke fürs Abwaschen!“ Auf Monas Worte hin, konnte Adrian sich diesen Besuch schon lebhafter vorstellen. Wenn man das Bewusstsein eines Menschen mit Medikamenten beeinflussen musste, war das schon eine ziemlich üble Angelegenheit. Vor allem, wenn dieser Mensch sich das selbst antat, um sich anders zu fühlen. Aber ob unfreiwillig oder freiwillig, es hatte Auswirkungen. Hoffentlich würde das die beiden Mädels nicht zu sehr mitnehmen. Aber so wie sie sich benahmen, könnte sich das noch zu einer langen Nacht entwickeln. So oder so, Adrian war noch entschlossener auf Emily zu warten. Alleine, um zu sehen, wie es ihr ging, wenn sie wieder zu Hause war. „Ja, das hoffe ich auch“, erwiderte er schließlich, als es an der Tür geläutet hatte und sich Mona verabschiedete. „Danke fürs Essen“, rief er ihnen noch nach, ehe sich Stille in der Wohnung ausbreitete. Adrian stand reglos da mit dem Geschirrtuch in der Hand und starrte vor sich hin. Es war wirklich unheimlich still. Zu still für seinen Geschmack. Also ging er rasch in sein Zimmer, legte sich wieder Musik auf, aber so leise, dass es keinen stören würde, und beendete dann den Abwasch. Er wischte noch den Tisch ab, ehe er sich auf die Couch pflanzte und plötzlich nichts mehr mit sich anzufangen wusste. Also zog er ein Knie an sich heran und legte das Kinn darauf ab. 'Behind blue eyes' erklang es treffenderweise, als seine Gedanken sich von ihm lösten und sein blauäugiger Blick leer wurde. Im Auto saß Emily vorne neben ihrer Mutter, während sich Mona auf den Rücksitz des kleinen Citroëns verzogen hatte. Sie sprachen nicht über ihr Ziel. Keiner von den Dreien wollte dort hin. Es war ein Pflichtbesuch, den sie hinter sich bringen würden, um dann alles, was damit zusammenhing, bis Weihnachten zu vergessen. Emily wünschte sich bloß, sie wäre schon wieder zu Hause auf der Couch, als sie durch das Beifahrerfenster in die Nacht hinausschaute. Eine Weile saß Adrian nur so da, versuchte sich auf das Gefühl des Alleinseins zu konzentrieren, bis er diese seltsame Spannung in seinem Körper nicht mehr länger ertragen konnte. Verdammt, er würde jetzt wirklich eine kleine Beauty-Session machen. Und wenn es nur in einem Schaumbad endete, das war immerhin besser als nichts. Als er so in der Wanne lag und der Schaum sich um Adrian herum immer mehr aufzulösen begann und somit mehr und mehr von seinem Körper zu sehen war, setzte er sich etwas auf und betrachtete sich. Er versuchte, sich mit den Augen eines Fremden zu sehen. Wie schon so oft. Seine Haut war blass, aber hatte dabei keine kränkliche Färbung. Sein Körper war unbehaart, was er inzwischen als sehr angenehm empfand. Er mochte seine weiche Haut. Sie war jetzt so anders als früher. Gesund und von ebener Beschaffenheit. Die leicht ausgeprägte Muskulatur seines Oberkörpers gab ihm einen zufriedenen Eindruck. Er war gesund und sportlich. Er wusste, wie er sich bewegen musste, wusste, wie er auf sich aufpassen konnte und dennoch … er wusste, er war anders als andere Männer. Nicht wegen seines Aussehens, seiner Art, oder wie er sich kleidete. Er war anders, weil er mit seinem jungen Alter nie den Drang verspürt hatte, sich selbst anzufassen. Klar, er wusste, wie es war, wenn er sich mit der Hand einen runterholte. Zumindest war das früher so gewesen, als er noch ein Teenager gewesen war und all diese neuen Erkenntnisse hatte ausprobieren müssen. Aber jetzt? Keine Lust, kein Verlangen. Er brauchte keine Erleichterung, weil sein Verstand blockierte. Sex bedeutete für ihn keine Erregung oder Lust und schon gar nicht Ekstase. Es bedeutete lediglich Arbeit. Und genau das hatte ihm wohl das Leben versaut. Diese Art der Arbeit. Adrian seufzte schwer und stieg schließlich aus der Wanne. Eigentlich war es ganz praktisch, nicht ständig schwanzgesteuert durch die Gegend herumrennen zu müssen, aber es fühlte sich dennoch irgendwie nicht richtig an. Als würde er etwas verpassen. Wie bei ihm jemals eine absolut normale Beziehung funktionieren sollte, wusste er nicht. Aber er würde nicht aufgeben. Irgendwann, ja da würde eine Frau kommen, die ihn wieder zum Leben erweckte. Die ihm wieder zeigte, dass sein Körper nicht bloß ein Spielzeug war und er auch das selbst glauben konnte. Irgendwann … hoffentlich … Bei dem Gedanken, dass Emily wohl bald nach Hause kommen würde, verschwanden seine düsteren Gefühle und es breitete sich wieder Wärme in seiner Brust aus. Ja, er sollte an sie denken. Es war vielleicht seltsam, da sie sich noch nicht so lange kannten, aber ihre Art, ihr Charakter und ihre Ausstrahlung waren ihm ein Trost, den er nicht mit Worten beschreiben konnte. Kapitel 9: 9. Kapitel --------------------- Mona war ebenfalls aus dem Wagen gestiegen, weil sie nach vorn neben ihre Mutter rücken wollte, die sie ebenfalls zu Hause abliefern würde. „Geschafft.“ Mehr sagte sie nicht und mehr musste sie auch nicht sagen. Sie dachten ohnehin das Gleiche. Es war hart gewesen. Nicht so hart wie beim letzten Mal, aber ausreichend um Emily so stark zu treffen, dass ihr Körper auch jetzt nach der fünfzehnminütigen Autofahrt noch zitterte. Warum mussten sie sich das jedes Jahr zweimal antun? Er war in der Anstalt gut aufgehoben. Man kümmerte sich dort um ihn, er wurde gewaschen, gefüttert, gepflegt. Sie mussten nicht dorthin fahren, um sich von ihm beschimpfen und verletzen zu lassen. Emily und Mona waren der Meinung, die sie auch vor jedem, der sie fragte, kundtaten, dass es von mehr Schwäche zeugte, jedes Jahr wieder dieses Theater von der heilen Familie aufzuführen, als wenn sie einfach ihren Gefühlen nachgegeben und die Besuche beendet hätten. Ihm wäre es egal. Oder würde er es vermissen, seine einzigen Enkelinnen Huren und unerwünschte Bälger zu nennen? Eisig lief es Emily über den Rücken, als ihr die Worte trotz des Motorengeräuschs des wegfahrenden Autos in den Ohren klangen. Ihr Großvater hatte wieder besonderes Gespür für Schwäche an den Tag gelegt und sich bereits nach fünf Minuten auf Emily eingeschossen. Sie hatte sich unter seinen abschätzigen Blicken und den aggressiven Beleidigungen wie Schmutz gefühlt. So allein und schutzlos wie jedes Mal, wenn sie ihn in seinem sterilen, kleinen Pflegezimmer besuchte. Und dabei war ihr Mona wie immer zur Seite gesprungen. Als sie die knarrende Treppe zur Wohnung hinaufstieg, war ihr wirklich kalt. So, als hätte sie die Kälte dieser Zelle – denn nichts anderes war der Raum, in dem ihr Großvater lebte – an ihrem Körper, in ihrem Herzen mit hierhergebracht. Wie schaffte er das nur? Sie wollte sich nicht so fühlen, wollte diesen Hass nicht mit in ihr Heim bringen. Genau aus diesem Grund blieb sie mit dem gezückten Schlüssel, der wegen ihrer zitternden Hand leicht klimperte, vor der Wohnungstür stehen, schloss die Augen und atmete tief durch. Sie war kein Miststück und kein wertloses Stück Dreck, wie er es versucht hatte, ihr einzureden. Sie musste nicht auf ihn hören. Er gehörte gar nicht zu ihrem Leben, also warum sollte sie etwas auf seine Worte geben? Noch ein tiefer Atemzug. Sie war etwas wert. „Ich bin etwas wert.“ Das wiederholte sie dreimal, bevor sie schließlich den Schlüssel ins Schloss schob und ihre Wohnung aufschloss. Drinnen lief Musik, die sie sofort umfing, ihre Stimmung aber nicht unbedingt verbesserte. Es war zwar leichte, aber in ihrer angeknacksten Lage recht traurige Musik oder zumindest solche, die diese Auslegung zuließ. Emily wollte nicht in die Wohnung hineinrufen, für den Fall, dass Adrian vielleicht wieder auf der Couch eingeschlafen war. Stattdessen hängte sie ihre Sachen auf, zog ihre Schuhe aus und lief leise zum Wohnzimmer. Dort fand sie ihn tatsächlich auf dem Sofa vor, aber nicht, wie sie angenommen hatte, schlafend, sondern munter. Allerdings schien er in Gedanken versunken, sodass er ein wenig aufschreckte, als sie ihn ansprach. “Hallo. Ich bin wieder da.“ Das nächste Wort fasste die Stimmung im Raum genauso zusammen, wie ihre eigene und versuchte sie gleichzeitig durch die Aussprache dessen zu retten, auf das sie sich beide gefreut hatten, seit Emily die Wohnung verlassen hatte. „Pudding?“ Adrian hatte gar nicht mitbekommen, wie Emily nach Hause gekommen war. Umso mehr schreckte er aus seinen tiefen Gedanken auf, als sie ihn plötzlich ansprach. Sofort war er auf den Beinen und blieb mit einem Ruck wieder stehen. Er sah an ihr auf und ab. Einmal. Zweimal. Gott, sie sah genauso aus, wie er sich im Augenblick teilweise fühlte. Was ihm sagte, dass es offenbar schlimm gewesen sein musste. Ziemlich schlimm, dem Ausdruck ihrer Augen nach. Irgendwie tat es weh, sie so zu sehen. Ein Gefühl, das ihm mit seiner Plötzlichkeit ziemlich unpassend vorkam. Also schüttelte er kaum merklich den Kopf, um seine Gedanken wieder klar zu bekommen. Adrian setzte ein leichtes Lächeln auf, kam auf sie zu und berührte sie kurz an der Schulter.#„Schön, dass du da bist“, sagte er sanft. Ehe er in sein Zimmer ging, um die Musik auszuschalten, die er inzwischen ohnehin schon völlig ausgeblendet hatte. Danach kam er zu ihr in die Küche zurück. Er hätte sie gerne gefragt, wie es gelaufen war, aber eigentlich sagte ihm das drückende Gefühl in der Luft schon alles, was er wissen musste. Es war sicher die Hölle gewesen. „Möchtest du eine Tasse Kakao zum Pudding? Ich hätte im Augenblick große Lust darauf, außerdem bekomme ich das Heißgetränk gerade noch so hin.“ Oh ja, eine Zuckerdröhnung konnte auf ihre Gemüter sicher etwas positiv wirken. Nicht umsonst war Schokolade das Trostpflaster Nr. 1 auf dem Markt. Wer weiß, vielleicht sollten sie auch noch den restlichen Wein austrinken. Während Adrian neben Emily den Kakao zubereitete und sie den Pudding, kam Schweigen auf. Kein Wunder. Er wusste nicht, was er sagen sollte und sie hatte vermutlich keine große Lust zu reden. Trotzdem suchte er krampfhaft nach irgendeinem unverfänglichen Thema. Etwas Leichtes, das sie beide ablenken könnte. Hoffte er zumindest, als er sie schließlich von der Seite her ansah und leicht zögerlich fragte: „Hast du eigentlich einmal Lust, mit mir etwas zu unternehmen? Shoppen oder ins Schwimmbad? Zoo oder Kino?“ Im ersten Moment konnte sie ihm nicht antworten. Als er sie an der Schulter berührt hatte, war plötzlich etwas in ihr in Aufruhr geraten. Es war eine nette, sanfte Geste gewesen und trotzdem war sie im völlig falschen Moment gekommen. Nach all den Beleidigungen fühlte sich Emily herabgesetzt und versuchte sich krampfhaft wieder selbst aufzubauen. Sich an den eigenen Haaren aus dem Dreck zu ziehen, wenn man es so nennen wollte. Dass Adrian so vorsichtig und nett mit ihr umging, war natürlich gut gemeint, machte sie in ihren Augen aber noch zerbrechlicher. Deshalb sagte sie nichts, als er in die stille Küche kam, und nickte nur, um ihm einen Gefallen zu tun. Wenn er Kakao wollte, war ihr das recht. Sie kämpfte wie eine Löwin gegen die dunkle Woge an, die sie zu überrollen drohte, und rührte geistesabwesend in dem Pudding. Sie schien für einen Moment völlig den Kontakt zu sich selbst und der Realität verloren zu haben, denn als Adrian sie ansprach, sah sie ihn an, als wäre er ein Gespenst. Sie verstand gar nicht, was er meinte. Erst bei seiner Aufzählung kam Emilys Hirn langsam wieder in Gang. Trotzdem war ihre Stimme leise und ein wenig rau, als sie antwortete. „Ja, klar. Sehr gerne sogar. Wäre schön, was zu unternehmen, wo wir uns sonst so selten sehen.“ Bei dem Stichwort Zoo kamen ihr Bilder von Sonnenschein, Tieren und Mona in den Sinn, wie sie als kleines Mädchen begeistert die langweiligen Löwen beobachtet hatte. Das zauberte ihr sogar ein winziges Lächeln auf die Lippen. „Entschuldige, Adrian.“ Sie drehte den Herd aus und sah ihn mit müden Augen an. „Der Besuch war ziemlich heftig. Ich freue mich wirklich, dass du noch wach bist. Aber ich brauche vielleicht noch einen Moment, bis ich richtig da bin.“ Sie sah ihn lange an und überlegte, wie viel sie ihm erzählen sollte. Doch in diesem Moment und auch vorhin auf der Couch sah er so zerbrechlich aus. Als könnte er kaum seine eigene Last tragen, geschweige denn auch noch die eines Anderen. Also ließ sie es bleiben und tat das, was sie immer tat. Sie schluckte ihren Kummer hinunter und streckte noch die Arme aus, um die Last eines anderen Menschen zu tragen. „Geht es dir denn gut? Du sahst gerade auch ziemlich gedankenverloren aus.“ Sie wollte es wissen. Gerade jetzt war es wichtig, dass er ihr etwas erzählte, das nichts Banales war, wie das Wetter oder eine Sendung, die er im Fernsehen gesehen hatte. Wenn sie nicht merkte, dass sie es wert war, eine ehrliche Antwort zu bekommen, würde sie wahrscheinlich wieder anfangen zu zittern. Mehr noch als jetzt, wo sie sich an dem Topf festhielt. Gedanklich schrieb sich Adrian eine Notiz, dass er bei nächster Gelegenheit – nicht heute – sie fragen würde, wann sie Zeit für eine Unternehmung hatte und welche Art diese sein sollte. In dem Augenblick, als sie ihn so lange ansah und sich dafür entschuldigte, sich beschissen zu fühlen, auch wenn sie es mit anderen Worten ausdrückte, wurde ihm klar, dass nun ein Gewitter aufzog. Keines, das in Streit endete, das nicht, aber es war drückend, die dunkeln Wolken grummelten bereits über ihnen und jeden Augenblick könnte ein Blitz in Form von harten Tatsachen auf sie herabzucken. Eigentlich wollte er wie immer schon aus reinem Reflex so tun, als bestünde seine Welt aus Glamour, Sex und Party, aber er verbot sich, Emily noch mehr anzulügen, als er es ohnehin schon tat. Außerdem war es ihm vermutlich deutlich anzusehen, dass ihn die beiden Nächte mit Rose immer noch fertigmachten. Wie er ihr das allerdings erklären sollte, war ihm ein Rätsel. „Können wir uns dafür ins Wohnzimmer setzen?“, fragte er daher leise, während er den Kakao in eine Thermokanne goss, damit er heiß blieb. Zusammen mit zwei Tassen trug er die Sachen ins Wohnzimmer und stellte sie auf den Couchtisch ab. Danach wartete er auf Emily mit den Puddingschüsseln in der Hand, bis sie sich zu ihm ans andere Ende der Couch setzte. Er selbst schlang sich die Decke um seine Beine. Ihm war nicht kalt, aber irgendwie fühlte er sich dadurch etwas sicherer. Adrian dachte intensiv nach, wie er das ausdrücken sollte, was er im Augenblick empfand, während er in die dampfende Puddingschüssel glotzte und zugleich das Aroma tief in sich aufnahm. „Ich … denke im Augenblick sehr viel über mein Leben nach“, gestand er schließlich. „Was sich verbessert hat, im Gegensatz zu früher. Dinge, die mich glücklich machen. Dinge, die mich traurig machen. Was ich eigentlich von meinem Leben erwarte.“ Und was er sicherlich nicht so leicht erwarten konnte. Man sah es ihm nicht an, er gab es nicht gerne zu, aber als er heute hier alleine in der Wohnung gesessen und nachgedacht hatte, da war er einsam gewesen. Die Last hatte wie zwei gigantische Wellen über ihm zusammengeschlagen und ihn beinahe erdrückt. Bis ihm klar geworden war, dass er sich selbst dazu entschieden hatte. Früher schon, als er damals so tief am Boden des Abgrunds gelebt hatte, dass selbst die Hölle noch wie ein Penthouse wirkte. Gott, bei dem ganzen Scheiß, den er schon in seinem Leben erlebt hatte, müsste er eigentlich jeden Tag in der Woche für ein paar Stunden bei einem Therapeuten auf der Couch liegen. Allerdings war er nie zu einem gegangen. „Um ehrlich zu sein, fühle ich mich im Augenblick so, als wäre ich wieder in meine Haut von früher geschlüpft.“ Er war ein Ding. Hatte sich selbst zu einem Objekt gemacht. Gebraucht, für die Freuden eines anderen Menschen, niemals zu seinen eigenen. Genau das machte ihn fertig. Eigentlich dachte er, sein Leben wäre jetzt wunderbar. Er liebte das Tanzen. Hatte einen guten Job, war schon seit Jahren von den Drogen weg, war gesund und sparte fleißig an seinem kleinen Vermögen. Aber was war das schon alles wert, wenn er sich selbst nicht als vollständige Person betrachten konnte? Zumindest nicht in jedem Augenblick seines Lebens. Adrian nahm einen Löffel des Puddings und ließ die Süße langsam seine Kehle hinuntergleiten, während er den Kopf an die Couchlehne legte und die Augen schloss. „Ich bin so froh, dass du da bist“, gestand er Emily leise fast schon im Flüsterton. „Froh, dass du mich aufgenommen hast.“ Er öffnete wieder die Augen und sah sie an. Versuchte auf ihrem Gesicht jede Gefühlsregung abzulesen. Er wollte, dass auch sie über das sprach, was sie bedrückte. Er wollte ihr zuhören. Für sie da sein. Aufmerksam hörte sie ihm zu die Tasse mit dem heißen Kakao in den Händen. Sie hatte sich völlig automatisch ein Kissen auf den Bauch gelegt, während sie im Schneidersitz Adrian gegenüber auf der Couch saß. Emily konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass er ihr nur umschreibend sagte, was er eigentlich unbedingt von der Seele haben wollte. So wie er aussah, als er sich mit geschlossenen Augen anlehnte, musste er es irgendwann loswerden oder es würde ihn erdrücken. Früher oder später. Allerdings kannte Emily Adrian nicht so gut, um einfach nachbohren zu können. „Sehr gern geschehen“, meinte sie zu seinem leisen Kommentar. „Ich bin auch froh, dass du hier bist.“ Beinahe hätte sie gesagt, dass sie ihn wirklich gern mochte. Aber das war vielleicht zu viel des Guten, nachdem sie sich eigentlich gar nicht wirklich kannten. Allerdings ließ gerade diese Situation darauf schließen, dass sie sich darauf zu bewegten, Freunde zu werden. Um Adrian nicht in die Ecke zu drängen, versuchte sie von sich selbst zu sprechen. Vielleicht fand sie dadurch etwas darüber heraus, was ihn so bedrückte. Denn dass der Mann, der vor drei Tagen noch so rausgeputzt und stabil ausgesehen hatte, nun mit der Schüssel Pudding in den Händen so wirkte, als würde er unter der leisesten Berührung zerbrechen, konnte nur auf etwas Schwerwiegendes hindeuten. „Mir geht es leider auch so, dass ich immer wieder in gleiche Muster verfalle.“ Sie wusste nicht, was bei ihm vorgefallen war oder was er genau meinte mit ‚der Haut von früher’, aber an sich war es doch bei jedem Menschen das gleiche Grundprinzip. „Wenn ich nicht aufpasse, verliere ich den Menschen, der ich jetzt bin, aus den Augen. Dabei mag ich mich, so wie ich jetzt bin. Wenn ich mich früher gemocht hätte, wäre es überflüssig gewesen, mich zu verändern.“ Irgendetwas, das sich in seinem Gesicht veränderte, sagte Emily, dass sie auf der richtigen Spur war. Dann konnte sie sich jetzt vielleicht langsam und vorsichtig an das heranwagen, was sie wissen wollte. Um ihm am Ende wirklich helfen zu können. „Aber es ist schwierig, die gleichen Fehler nicht immer wieder zu machen. Manchmal folgt man nur alten Gewohnheiten. Sich zu verbessern oder einfach nur besser auf sich aufzupassen ist meistens der anstrengendere und schwierigere Weg.“ Nach einer Pause, in der sie abwartete, ob er ihr gleich abwehrend ins Gesicht springen würde, fügte sie hinzu: „Gibt es denn auch nur einen Grund, der dich davon abhalten könnte, deine alte Haut hinter dir zu lassen?“ Hoffentlich verstand er, was sie meinte. „Es kommt doch nur auf dich selbst an. Wenn du nicht zurück willst, dann musst du das auch nicht.“ Das war ihre ehrliche Meinung. Auch wenn sie wusste, wie schwierig es war, gerade weil man in gewisser Weise gegen sich selbst ankämpfte. Das Nächste sagte sie vor allem, um Adrian nicht das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihn ausquetschen wollte. Ihr fiel es genauso schwer über solche Sachen zu sprechen wie jedem Anderen. Also würde sie den ersten Schritt tun. „Ich möchte auch nicht wieder zu der Frau werden, die sich von ihrem Großvater als wertloses Stück Dreck bezeichnen lässt, dann nach Hause fährt und ihm Glauben schenkt. Dass einen solche Worte treffen, ist nur natürlich, aber ob ich sie für mich wichtig mache, ist meine Sache.“ Das Lächeln, das sie ihm schenkte, war sanft und ließ ihr Gesicht eher traurig als zuversichtlich erscheinen. Immerhin kämpfte sie gerade den Kampf, den sie beschrieben hatte. Aber es würde alles wieder werden. Während sie sprach, war es für ihn, als würde sie direkt in seine Seele schauen und das, was er fühlte, in Worte fassen. Es war ein äußerst unheimliches Gefühl, dass sie ihn so zu durchschauen schien. Aber wie Adrian, blieb auch Emily eher umschweifend, ohne etwas ins Detail zu gehen. Dennoch gab sie ihm zu denken. Ja, was hinderte ihn eigentlich daran, endgültig mit seinem alten Leben abzuschließen und mit einem vollkommen neuen zu beginnen? Einem, wo er sich nicht tagelang wie ein Gebrauchsgegenstand fühlte, nachdem er eine Kundschaft bedient hatte. Es war nicht das Geld. Zwar würde es länger dauern, das zu erreichen, was er wollte, wenn er seinen Zweitjob an den Nagel hing, aber das war nicht das Problem. Er war ein geduldiger Mensch. Der Spaß und der Nervenkitzel konnten es auch nicht sein, zwar war er dabei immer etwas nervös, aber Spaß machte es ihm auf keinen Fall. Ganz im Gegenteil. Jedes Mal fragte er sich, ob er es überhaupt noch schaffte, eine Frau zu beglücken, so wenig Freude lag in diesem Akt. Vermutlich rettete ihn dabei wirklich nur die jahrelange Routine, wie Emily gesagt hatte. Letztendlich lag das Problem bei ihm selbst. Er konnte seiner Vergangenheit nicht entfliehen, genau so wenig, wie er seine Gegenwart großartig verändern konnte. Ein Callboy mit seinem Format zu sein, erinnerte ihn wenigstens immer daran, dass er kein dreckiger Stricher ohne Dach und mit einem gewaltigen Drogenproblem mehr war. Die Tätigkeit glich zwar nur noch annähernd den Dingen, die er mit sich hatte machen lassen, dennoch konnte man gerade deswegen von Erfolg sprechen. Aber was würde denn nun passieren, wenn er nur noch ein Tänzer blieb? Wäre das nicht der endgültige Schlussstrich, nach dem er sich schon so lange sehnte? Ja, vielleicht. Nur dass er das nicht geschafft hatte. Er hatte es versucht, aber irgendwann traf er sich doch wieder mit einer Frau zu einem geschäftlichen Arrangement. Es war wie ein Fluch, den er einfach nicht mehr los wurde. Ein zwanghaftes Verhalten, das vermutlich wirklich einmal von einem Therapeuten behandelt werden sollte. Er wollte nicht. Adrian wollte lieber dieses Leben so weiterführen, als noch einmal in dem Sumpf seiner Vergangenheit herumzuwühlen. Als Emily schließlich die Sache mit ihrem Großvater gestand, pochte sein Herz plötzlich etwas schneller. Er hätte nie gedacht, dass sie ihm so etwas anvertraute. Sie kannten sich kaum und dennoch … er wollte ihr so Vieles sagen. Dinge, über die er nie mit Tyson hatte reden können, da der einfach nicht die Ernsthaftigkeit dazu aufbringen konnte und wen hatte er sonst noch außer seinem besten Freund? Niemanden. „Ich kann nicht fassen, dass dein eigenes Fleisch und Blut dir so etwas sagt“, begann er schließlich leise. Das war doch eine totale Lüge, die da ihr Großvater verzapfte. Aber auch wenn es Emily sicher bewusst war, dass sie nicht wertlos war, es musste ihrer Persönlichkeit dennoch gewaltig zusetzen. Man konnte noch so rationell denken, am Ende blieb die Meinung der anderen immer auch irgendwie wichtig. Adrian stellte den Pudding weg und zog die Knie an seinem Körper an, um seinen Kopf darauf zu stützen. Er starrte ins Leere, während er leise und zögernd weiter sprach. „Weißt du, bei einem Menschen wie dir, den ich schon nach so kurzer Zeit respektiere und sympathisch finde, fällt es mir schwer, über all das zu sprechen, was mir so durch den Kopf geht.“ Er sah sie nicht an. Starrte nur noch verbissener auf den Couchtisch, als könnte ihr Blick ihn erblinden lassen. „Ich habe Angst, dass ich dadurch deine Meinung mir gegenüber so sehr verändere, dass ich gehen muss.“ Und das wollte er nicht. Er fühlte sich wohl hier, niemals wollte er jetzt schon wieder gehen müssen. „Andererseits habe ich das Gefühl … dass du meine Empfindungen vollkommen durchblickst. Es mag vielleicht daran liegen, dass es dir im Moment so ähnlich geht wie mir, aber das ist nicht alles.“ Sein Herz schlug ihm nun bis zum Hals und das Adrenalin schoss ihm rasend schnell durch jede Zelle seines Körpers. „Ich … mag dich … Mitbewohnerin.“ Adrian drehte leicht den Kopf und sah sie aus seinen eisblauen Augen an, ein leicht verlegendes Lächeln auf den Lippen. Emily hatte nicht damit gerechnet, dass Adrian so auf ihr Geständnis reagieren würde. Er hatte absolut recht. Niemand sollte seine Feinde derart niedermachen, wie es Emilys Großvater mit seiner Familie tat. „Er kann nun mal nicht anders.“ Das war auch die Ausrede, die sie immer schon für ihn gebraucht hatten. Selbst als er noch nicht auf Medikamenten gewesen war. Es war nun einmal seine Art … grausam zu sein. Leicht angewidert schüttelte Emily den Kopf und verzog ihren Mund zu einem bitteren Ausdruck. Adrian holte sie vor allem mit seinen Bewegungen in die Realität zurück. Das Geräusch, das die Puddingschüssel auf dem Tisch verursachte, war so alltäglich und klar, dass sie wie ein Anker zur richtigen Welt wirkte. Es war seltsam, fast idiotisch, aber Emily fühlte sich in diesem Moment von Adrian angezogen. Nicht als Mann, da sie schon längst akzeptiert hatte, dass er nie interessiert sein würde. Aber er war etwas Anderes. Ein Seelenverwandter vielleicht? Das, was er sagte, sprach sehr dafür, dass er genauso empfand. Warum hatte er denn Angst, dass sie ihn rausschmiss? Was konnte er denn denken, das sie zu so einer drastischen Reaktion verleiten würde. Sie konnte sich nichts Passendes vorstellen. Oder doch? Sie würde ihn nicht rausschmeißen, außer er täte etwas Illegales oder würde sie in irgendeiner Weise gefährden. Aber das konnte sie sich nicht vorstellen. Gerade wollte sie ihm das sagen, als er diesen einen Satz zögernd hinzufügte, der ihr sämtliche Gedanken aus dem Sinn wischte. Sie erwiderte sein Lächeln. Allerdings war ihres weniger verlegen, als vielmehr warm und ermunternd. „Ich mag dich auch.“ Aus einem Reflex heraus lehnte sie sich vor und streichelte kurz sein Knie unter der Decke, bevor sie sich wieder gegen die Couchlehne drückte und einen Schluck Kakao nahm. Das Getränk war immer noch ziemlich heiß, aber so mochte sie es am liebsten. „Können wir uns einfach darauf einigen, dass wir weiterhin ehrlich zueinander sind? Du kannst mir alles erzählen, was du möchtest.“ Eine kleine Pause trat ein, bevor sie das hinzufügte, was ihr ebenfalls wichtig erschien. „Und was du nicht erzählen möchtest, erzählst du eben nicht. Wir sind doch beide erwachsen. Man kann über fast alles reden und glaub mir, ich bin niemand, der Geheimnisse weitererzählt.“ Inzwischen war ihr leichter zumute. Der Besuch bei ihrem Großvater schwirrte ihr nicht mehr mit so viel Nachdruck im Hirn herum. Deshalb brachte sie es auch endlich über sich, die Tasse abzustellen und sich stattdessen den Pudding zu nehmen und endlich selbst davon zu probieren. Während sie langsam aß, sah sie Adrian an. Ihre Worte waren ebenfalls ein Angebot gewesen. Wenn er noch mehr erzählen wollte, würde sie zuhören. Als sie Adrian so über ihre Puddingschüssel hinweg ansah, stellte sie es sich auf einmal sehr gemütlich vor, mit ihm auf der Couch zu schlafen. Sie wusste gar nicht, warum ihr der Gedanke überhaupt kam. Vielleicht, weil er gesagt hatte, dass er sie mochte. Natürlich würde sie sich nie an ihn heran werfen. Auch nicht, wenn sie nur Freunde waren. Aber körperliche Nähe für heute Nacht wäre ein echtes Seelenheil gewesen. Na ja, ihr Gespräch war ein Anfang. Eigentlich hätte es ihn nicht so sehr aus dem Gleichgewicht bringen dürfen, als sie ihm offen mitteilte, dass sie ihn auch mochte und er dann kurz ihre Hand auf seinem Knie spürte, als wolle sie ihre Worte dadurch noch bekräftigen. Doch genau das tat es. Man sah es ihm vielleicht nicht an, aber sein bereits pochendes Herz donnerte nun regelrecht gegen seinen Brustkorb, als er diese einfache Geste in sich aufsog. Niemand, wirklich absolut niemand hatte seit langer Zeit ihn einfach nur so berührt. Ohne schlechte Hintergedanken. Ohne ihn als irgendein Spielzeug zu sehen. Wenn Tyson ihm gelegentlich einen freundschaftlichen Stoß gab, war das etwas anderes. Etwas, dass er mochte, aber in ihm keine großartigen Gefühle weckte. Emily brachte sein Herz zum Rasen, weil sie es war, die ihn als Mensch sah. Zumindest betete er darum, dass er sich in dieser Sache nicht täuschte. Obwohl er seine rechte Hand dafür gegeben hätte, sie sei ein ehrlicher und guter Mensch. Denn das war sie in seinen Augen. Leicht zittrig fuhr er sich durchs Haar, während er sich erst einmal von dem kleinen Schock erholen musste. Gott, er war ja noch gestörter, als er gedacht hatte. Wenn ihn eine so gewöhnliche Geste schon aus dem Häuschen brachte, konnte in seinem Kopf nicht mehr alles in Ordnung sein. Dennoch, es freute ihn und darum erwiderte er ihr Lächeln nun etwas mutiger. „Ich bin auch kein Mensch, der Geheimnisse weiter plaudert.“ Wem hätte er es auch schon erzählen können? Tysons Geschichten waren verrückt, unglaublich und immer mal wieder gewagt, aber er kannte niemanden, der sich sonst noch dafür interessieren würde. Außerdem wäre es seinem besten Freund egal, wenn man über ihn Bescheid wusste. Er machte ohnehin kein Geheimnis aus seinem Leben. Umso dankbarer war er ihm, dass er Adrians Geschichten bisher niemandem erzählt hatte. Denn sein Freund wusste wirklich alles, bis auf die eine Tatsache, dass Adrian kein normales Sexualleben führte. Wenn sein Kumpel das herausfinden würde, wäre die Hölle los. Vermutlich würde das dessen gesamtes Weltbild bis auf die Grundfesten erschüttern. Eigentlich sollte Tyson ein Gigolo sein, so wie er sich im Bett aufführte. Nicht Adrian. „Ich bin mit der Ehrlichkeit einverstanden.“ So weit er das konnte. Aber eigentlich hatte er ihr ja nie direkt gesagt, dass er schwul sei. Er sagte nur, er interessiere sich nicht für Frauen. Was im Grunde auch stimmte. Er kannte keine, mit der er enger zusammen sein wollte. Adrian nahm einen Schluck von seinem Kakao, ehe er wieder den Pudding zur Hand nahm und die Schüssel langsam aber sicher leerte. Erst als er fertig war, sprach er weiter. „Es wäre sicher nur fair, dir zu sagen, dass ich immer mal wieder so bin wie im Augenblick. Das ändert sich nach ein paar Tagen wieder. Also mach dir bitte keine Sorgen. Ich habe gelernt, damit klarzukommen.“ Nur wie lange noch, das war hier die Frage. Er empfand im Augenblick keine Besserung seiner Lage. Obwohl er es für gewöhnlich innerhalb weniger Tage verdrängen konnte. Adrian lehnte sich zurück, streckte seine Füße etwas aus und legte seine Hände auf den nackten Bauch. „Was die Sache mit deinem Großvater angeht, kann ich dir nur raten, einfach nicht mehr hinzugehen. Die Meinung von einigen Menschen kann man nicht ändern, egal was man tut. Das war und ist bei meinem Vater genauso. Das Einzige, was ich tun kann, ist mich von ihm fernzuhalten.“ Eine Entscheidung, die ihm ein sehr hartes Leben eingebracht hatte. Was wäre gewesen, wenn er damals mit sechzehn nicht weggelaufen wäre? „Ist gut.“ Sie nickte nachdenklich, als Adrian ihr sagte, dass er öfter solche Tiefs hatte, wie gerade eben. Emily war sich sicher, dass sie sich trotz seiner Worte Sorgen um ihn machen würde, sobald es wieder dazu kommen sollte. Vor allem, wo ihr Herz sich bereits jetzt ungut zusammenzog, weil er ihr so etwas ankündigte. Adrian war, soweit sie das sagen konnte, ein wirklich netter Kerl. Er hatte eine ruhige Art mit Menschen umzugehen und war freundlich. Das Einzige, was ihr ungewöhnlich vorkam, war, dass er nicht sonderlich viele Freunde zu haben schien. Auch wenn er an diesem einen Abend bei der Verabredung jemanden getroffen hatte. Aber das musste nichts bedeuten, denn immerhin hatte Emily auch nicht viele Freunde. Ein paar, die sich allerdings über das ganze Land und auch über die Grenzen hinaus verstreuten. Und sie sah sich selbst auch als einen lieben Menschen. Das hätte sie zwar niemandem direkt auf die Nase gebunden, aber es war so. Als Adrian seine Füße ausstreckte, schob Emily ihre ein wenig zur Seite, damit er mehr Platz hatte. Ihr Sofa war zwar groß, aber so groß auch wieder nicht. Mit einer selbstverständlichen Geste zog sie die Decke auch über ihre eigenen Füße, denn allmählich wurde ihr kalt. Das lag bestimmt vor allem an der Müdigkeit und auch daran, dass die Anspannung der letzten Stunden langsam von ihr abfiel. Allerdings erinnerte Adrian sie gerade in diesem Moment wieder an die ganze Geschichte. „Ja, es wäre das Beste. Mona und ich haben schon oft darüber gesprochen, dass wir einfach nicht mehr hingehen sollten. Wir machen das weder, um ihn zu besuchen, noch um uns irgendetwas zu beweisen. Es ist …“ Sie seufzte. „Irgendwie tun wir das für Mom. Aus unerfindlichen Gründen ist ihr dieses Ritual wichtig. Er ist ihr Vater und sie kannte ihn wohl noch als guten Menschen.“ Sie zuckte die Schultern, um auszudrücken, dass sie sich so eine Zeit nicht vorstellen konnte. Die Enkelinnen hatten ihren Großvater nur als Tyrannen kennengelernt, vor dem man sich hüten musste. „Kann ich dir denn irgendwie helfen, wenn’s dir schlecht geht?“ Das war eine wirklich persönliche Frage, aber sie meinte es ein wenig anders, als es sich vielleicht im ersten Moment anhörte. „Was ich meine, ist, willst du lieber in Ruhe gelassen werden oder bist du jemand, der Kontakt sucht, wenn es ihm schlecht geht?“ Sie erinnerte sich an den Morgen, an dem sie Zach verlassen hatte und weinend durch den Türspalt zu Adrian auf den Flur gelugt hatte. „Ich bin da kompliziert und hätte meistens gern beides gleichzeitig. Manchmal wäre ich froh, wenn ich stark genug wäre, mir in solchen Fällen die Nähe zu nehmen, die ich brauche.“ Adrian blickte bei Emilys Frage hoch, bekam aber im ersten Moment nicht den Mund auf. Wollte sie ihm denn wirklich helfen, wenn es ihm schlecht ging, oder war das jetzt einfach nur aus reiner Höflichkeit? Nein, ihre Augen sagten ihm, dass sie es ernst meinte. Genauso ernst, wie er es mit ihr meinte, wenn es ihr schlecht ging und er ihr am liebsten helfen wollte, oder sie zumindest trösten, wenn Hilfe nicht ausreichte. Er verschlang seine Finger miteinander und begann damit zu spielen, während er sich seine Worte zurechtlegte, in der Hoffnung, sie würden nicht zu aufdringlich klingen. „Um ehrlich zu sein … ich ...“ Er hungerte danach, nicht alleine zu sein. Mit jemandem reden zu können. Doch am meisten sehnte er sich nach Berührungen, die ihm das Gefühl gaben, sein Charakter, sein Wesen, seine Seele wäre wichtig, nicht das, was sein Körper darstellte. „Ich …“ Er musste schlucken, um den Kloß in seinem Hals hinunterzubekommen, oder zumindest daran vorbeizukommen, auch wenn das unmöglich schien. Er war kurz davor, etwas zu sagen, das er bisher niemandem gestanden hatte. Gott, es brachte ihn fast um, sich dazu zu überwinden. Dabei war ihm schon jetzt klar, er WOLLTE es Emily sagen. Er schnappte nach Luft, um wieder klar im Kopf zu werden und sprudelte den Satz dann einfach heraus, weil er ihn nicht länger an sich halten wollte: „… ich fühle mich dann immer winzig klein, fast schon im Auflösen begriffen … aber allem voran, ist da die Einsamkeit …“ Er konnte sie nicht ansehen. Zugeben zu müssen, dass er mit seiner Art, seinem Aussehen, seinem Beruf und weiß der Himmel was noch alles, einsam zu sein, war ganz schön hart. Das kratzte ganz schön an dem makellosen Bild, dass die meisten Menschen von ihm hatten. Er selbst wusste natürlich, was für ein Dreck sich unter all dem Glanz verbarg. Emily konnte sehen, wie sich Adrians Seele in seinem Körper wand. Außer an seinen Fingern, die sich ineinander krampften, konnte man an seinem Äußeren nicht erkennen, wie schwer es ihm fiel zu sprechen. Doch dass er es ihr nicht einfach leicht dahin sagte, sondern sich Pausen gönnte, bevor er ihr letztendlich gestand, dass er sich einsam fühlte, bewies ihr, dass es ihn große Überwindung gekostet hatte. „Das kann ich verstehen. Jeder fühlt sich irgendwann mal einsam.“ Ihre dunklen Augen lagen auf seinen eisblauen, als sie weiter sprach. So wollte sie sichergehen, dass er ihr glaubte. „Wenn du jemals einsam sein solltest, dann komm zu mir, okay? Ich werde deswegen nie böse sein oder es als nervig empfinden. Ich weiß, wie das ist und vor allem, wie schlimm man sich fühlt, wenn man gern Hilfe suchen würde und es aus irgendwelchen Gründen einfach nicht tut. Das hier gilt als Einladung. Verstanden?“ Er nickte nur, erwiderte sonst allerdings nichts und Emily nutzte die Pause, um auch noch einen weiteren augenscheinlich wichtigen Punkt anzusprechen. „Wie lange hast du deinen Vater schon nicht mehr gesehen?“ Inzwischen krallten sich Adrians Hände ineinander, was er gar nicht bemerkte. Stattdessen beantwortete er Emilys Frage seinen Vater betreffend. „Seit zehn Jahren. Früher habe ich ihn manchmal angerufen. Nach einer Weile nicht mehr.“ Weil es ihn zu sehr frustriert hatte, mit anhören zu müssen, was sein Vater immer so von sich gab. „Darum bin ich froh, wenn ich dich abends noch sehen kann. Einfach mit dir reden kann, oder wir uns einen Film ansehen. Das macht mich recht zufrieden.“ Er versuchte zu lächeln, und die Stimmung damit wieder anzuheben. „Und, wenn du irgendetwas brauchst, dann gib mir bescheid, ja? Ich kann verstehen, wieso ihr euren Großvater trotzdem noch besucht, auch wenn ihr nicht wollt. Ich weiß, es ist schwer sich solche Dinge nicht zu Herzen zu nehmen, aber trotz allem hat er unrecht.“ Er wagte noch immer nicht, sie anzusehen. „Ich bin einfach anderer Meinung.“ Sie wusste nicht, warum sie es tat. Normalerweise war es nicht ihre Art, aber nachdem er ihr auch noch gesagt hatte, dass er zufrieden war, wenn sie zusammen hier saßen, konnte sie nicht anders als aufzustehen, zu ihm hinüberzugehen – die paar Schritte die Couch entlang, die sie trennten und ihn zu umarmen. Nur kurz, es sollte ja keine intime Geste werden. Nur ein echtes Freundschaftsangebot, von dem sie sehr hoffte, dass er es annehmen würde. Kurz setzte sie sich auf die Sofakante und sah in ihre Tasse und die leeren Schüsseln. “Entschuldige mich bitte kurz.“ Sie raffte die leeren Sachen zusammen, ließ Adrians Tasse und die Thermoskanne aber noch stehen und brachte alles in die Küche, bevor sie auf das Bad zusteuerte. Der Kakao hatte sich schnell seinen natürlichen Weg nach draußen gesucht. Da Adrian sie sowieso schon im Schlafanzug gesehen hatte, wollte Emily endlich aus ihren Sachen raus, bevor sie sich wieder zu ihm auf die Couch setzte. Sie machte sich im Bad bettfertig und huschte schnell in ihr Zimmer, um sich den Pyjama überzuziehen. Wieder im Wohnzimmer kuschelte sie sich unter die zweite Decke und gähnte herzhaft. Ihr Handy, das sie am nächsten Morgen wecken sollte, hatte sie auch dabei, legte es aber achtlos auf den Couchtisch, bevor sie Adrian wieder ansah. „Hast du denn auch Geschwister?“ Was Adrian nun wirklich nicht erwartet hätte, und sein Herz für einen Schlag zum Aussetzen brachte, war ihre warme, weiche, wunderbare Umarmung. So kurz und flüchtig, dafür aber umso wertvoller. Er erwiderte diese Berührung nicht automatisch, wie man es für gewöhnlich sonst tat, nein, er tat es vollkommen bewusst, mit dem Wissen, dass er es freiwillig und nur zu gerne tat. Wenn Emily ihn nicht so schnell wieder losgelassen hätte, hätte man sie vermutlich nur mit einem Brecheisen von ihm trennen können. Da in seinen Gedanken alles regelrecht herumpurzelte, bekam er gar nicht richtig mit, dass sie das Geschirr abräumte, ins Bad ging, dann in ihr Zimmer und schließlich wieder zu ihm zurückkam. Für ihn waren die Minuten wie Sekunden vergangen, bis sie ihn schließlich wieder ansprach und er völlig verdutzt feststellte, dass sie im Pyjama auf der Couch saß. Kurz ärgerte er sich über sein Aufmerksamkeitsdefizit, beschloss dann aber, ausnahmsweise darüber hinwegzusehen. Emily gelang es immerhin, ihn aus der Fassung zu bringen. Das schafften nur die wenigsten Menschen. Er lächelte sie an, während er antwortete: „Ich bin ein Einzelkind. Zwar habe ich mir immer eine kleine Schwester gewünscht, oder ein Brüderchen, aber das wollten meine Eltern nicht. Irgendwie beneide ich dich um Mona. Ihr zwei scheint euch sehr gut zu verstehen. Seid ihr die einzigen Kinder?“ Er kuschelte sich noch tiefer in die Kissen der Couch, so dass sich ihre Füße berührten, nur noch von den Decken getrennt. Unwillkürlich gähnte er hinter vorgehaltener Hand, wollte aber sicher nicht aufstehen, um jetzt ins Bett zu gehen. Er wollte hier bleiben. Genau hier. Für immer, wenn es denn möglich gewesen wäre. Emily hatte sich ins Eck der Couch gekuschelt, um einigermaßen aufrecht sitzen zu bleiben, ohne dass es ihr Mühe bereitet hätte. Ansonsten wäre sie sicher demnächst eingeschlafen. Ihre Augenlider fühlten sich schon jetzt schwer wie Blei an. Aber sie wollte noch nicht schlafen. Sie wollte hier sitzen und sich weiter mit Adrian unterhalten. Deshalb hatte sie sich auch gleich umgezogen. So konnte sie direkt ins Bett fallen oder notfalls doch gemütlich hier im Wohnzimmer schlafen, ohne noch einmal ins Bad zu müssen. Aus müden aber bemüht aufmerksamen Augen sah sie ihn an. „Nein, wir haben noch einen großen Bruder. Greg. Aber er ist in Südamerika unterwegs. Er ist Biologe an der Universität, allerdings eher wie Indiana Jones immer irgendwo in der Weltgeschichte auf der Suche nach großen Abenteuern und dem heiligen Gral der Insektenforschung.“ Greg war noch mehr in seinen Job verliebt als Emily. Er war ein echter Workaholic, wie er im Buche stand. Schon als er selbst noch Student gewesen war und später Doktorand hatten Mona und Emily ihn kaum zu Gesicht bekommen, weil er dauernd nur im Labor herumgehangen hatte, um sich mit seinen Käfern und Ameisen auseinanderzusetzen. „Er ist ein toller Kerl. Er fehlt mir. Vermutlich wird er erst in zwei Jahren wieder hierher zurückkommen und dann weiß man auch nicht, für wie lange.“ Emily musste grinsen, als sie an ihr Abendessen mit Mona dachte. „Mit Mona verstehe ich mich sehr gut. Immer schon. Früher, als wir klein waren, haben wir uns immer gegen Greg verschworen. Ich würde sie gern öfter sehen, aber ich denke, dass das mit ihrem Freund Mario ziemlich ernst ist. Würde mich nicht wundern, wenn sie mir bald erzählt, dass sie schwanger ist.“ In ihrer Stimme hörte man, dass sie sich darauf freute, Tante zu werden. Sie mochte Kinder. Beinahe hätte sie Adrian aus Gewohnheit gefragt, ob er auch gern irgendwann mal Kinder hätte. Doch sie klappte ihren Mund gerade rechtzeitig wieder zu und versuchte ein Gähnen anzudeuten, um die Peinlichkeit zu überspielen. Wobei natürlich auch schwule Paare Kinder haben konnten. Hm … Wie wohl sein letzter Freund so gewesen war? Sie bekam gar nicht mit, wie sie immer weiter an der Sofalehne herunterrutschte und sich ganz automatisch das Kissen unter dem Kopf zurechtzupfte. Ihre Beine berührten nun die von Adrian auch unter der Decke. Aber da er nicht zurückzuckte, ließ sie ihre dort und schloss ganz kurz die Augen. Nur einen Moment, um die schweren Lider auszuruhen … Er konnte sich nur zu deutlich die passenden Bilder zu Emilys Erzählung vorstellen. Es musste schön sein, so eine Familie zu haben. Geschwister waren etwas Wertvolles im Leben. Die meisten Menschen konnten das nur nicht schätzen. Aber gerade er als Einzelkind freute sich sehr für seine Mitbewohnerin. Adrian wollte sie fragen, ob sie selbst einmal Kinder haben wollte und ihr mitteilen, dass er Kinder ebenfalls gerne hatte. Ja, er wollte garantiert einmal welche haben. Allerdings glaubte er momentan nicht daran, dass dieser Wunsch einmal in Erfüllung ging. Dazu war sein Leben zu verkorkst. Emily schien so müde zu sein, wie er sich fühlte und als sie die Augen schloss, schwieg er, darauf wartend, bis sie sie wieder öffnete. Doch das geschah nicht. Stattdessen wurde ihre Atmung immer gleichmäßiger und tiefer. Sie musste eingeschlafen sein. Also entzog er sich ihr leicht, um aufstehen zu können. Leise ging er ins Bad, um sich die Zähne zu putzen und kam dann wieder zurück ins Wohnzimmer. Er hatte jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder er ließ sie einfach liegen und ging ins Bett, oder er setzte sich noch eine Weile zu ihr, da er nicht alleine sein wollte. Letztendlich war der Drang, ihr eine Weile beim Schlafen zuzusehen, ausschlaggebend dafür, dass er sich wieder zu ihr setzte. Lächelnd sah er ihr ruhiges Gesicht an, während er sich über sie beugte, um ihr die Decke bis zu den Schultern hinaufzuziehen. Dabei streiften seine Finger ihr weiches Haar. Vorsichtig, so als könne sie ihn gleich ertappen, strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht, dabei das Gefühl auf seiner Haut deutlich spürend. Seine Fingerkuppen glitten so zärtlich und unscheinbar wie der Flügelschlag eines Schmetterlings über ihre Schläfe. „Danke“, hauchte er ihr zu, ehe er sich wieder auf seine Seite setzte, seine Füße zu den ihren gesellte und die Augen schloss. Lange genoss er die Wärme ihrer Haut an seiner, während er sich fragte, wieso ausgerechnet sie es war, die er nicht haben konnte. Die ihn bestimmt nicht wollte, weil sie glaubte, er hätte kein Interesse an ihr. Dabei war das nicht wahr. Sein Interesse wurde von Moment zu Moment immer mehr geweckt. Es war ein ungewohntes Gefühl, aber auch ein schönes. Kapitel 10: 10. Kapitel ----------------------- Irgendwann in der Nacht wachte Emily auf. Zuerst war sie vollkommen irritiert und konnte gar nicht sagen, wo sie war. Es war hell und sie blickte auf eine fliederfarbene Oberfläche. Aber ja! – Ihre Couch. Sie musste tatsächlich im Wohnzimmer eingeschlafen sein und das Licht angelassen haben. Unwillig zwinkerte sie vor sich hin und überlegte, ob sie entweder aufstehen und in ihr eigenes Bett gehen oder auch nur das Licht ausschalten sollte. Eigentlich hatte sie zu beidem keine besondere Lust, aber jetzt war sie zu wach, um mit Licht sofort wieder einschlafen zu können. Also würde sie sich doch aufraffen und in ihr Bett hinüber wanken. Gerade war sie im Begriff, die Decke nach oben zu ziehen und aufzustehen, als irgendetwas sie im wahrsten Sinne es Wortes blockierte. Erst einen unendlich langen Moment später kapierte Emily, dass Adrians Bein auf ihrer Decke lag und sie diese deswegen nicht einfach mit sich ziehen konnte. Er war in der gegenüberliegenden Ecke des Sofas eingeschlafen und bis auf die ebene Fläche herunter gerutscht. So wie er seine eigene Decke umklammert hielt, sah sein Schlaf nicht gerade sonderlich friedlich aus. Trotzdem versuchte Emily ihn nicht zu wecken, als sie aufstand und mit ihrem Handy den Weg zum Sofa zurückleuchtete, als sie das Licht gelöscht hatte. Es war eine kleine akrobatische Übung, sich wieder auf ihren Platz zu legen, ohne Adrians Bein zu berühren, das ihre und seine Decke völlig unter sich eingekeilt hatte. Aber er wachte auch dann nicht auf, als sie einmal kräftig an ihrem Ende zog und sich dann wieder zudeckte. Da sie das rote Handy noch in der Hand hielt, konnte sie auch gleich den Alarm ausschalten. Immerhin war Samstag. Warum sollte sie da schon morgens aus den Federn hüpfen. Sie hatte keine Ahnung, um wie viel Uhr sie eingeschlafen war, aber es musste spät gewesen sein und außerdem hatte sie einen anstrengenden Tag hinter sich.    *** Es war Samstag und somit eindeutig die Gelegenheit einmal auszuschlafen. Dennoch weckte ihn ein aufdringliches Geräusch, das ganz und gar nicht zu der gemütlichen Stimmung passte, die sich in ihm ausgebreitet hatte. Müde hob er ein Augenlid und dann das andere. Adrian war noch total schläfrig und seine Augen brannten vor Müdigkeit. Dennoch, als er Emily erblickte, die ihn ebenfalls verschlafen ansah, war er mit einem Schlag wach. Er war tatsächlich mit ihr zusammen auf der Couch eingeschlafen. Das penetrante Geräusch war immer noch zu hören. „Deins?“, nuschelte er, ehe er sich weiter nach oben kämpfte, immerhin berührten seine Waden schon die Außenseite ihres Oberschenkels. Emily war äußerst irritiert, als das Handy auf dem Couchtisch Geräusche von sich gab. Hatte sie den Alarm nicht gestern Nacht noch abgestellt? Sie sah zu Adrian hinüber und reagierte erst, als er sie fragte, ob es ihr Handy war, das da läutete. Noch völlig verschlafen sah sie das kleine rote Telefon ratlos an, bevor sie doch die Annahme-Taste fand und sich meldete. „Guten Morgen, Emily. Hier ist Richard. Ich hoffe, ich störe nicht.“ „Ähm … Nein, schon okay, Richard. Guten Morgen.“ Sie entschuldigte sich wortlos bei Adrian und verschwand so schnell wie möglich auf den Flur. So konnte er vielleicht wieder einschlafen. „Tut mir leid, hab ich dich geweckt?“ „Ja, aber das ist in Ordnung. Ich wollte sowieso aufstehen.“ Das stimmte nicht einmal annähernd, aber sie wollte nicht, dass Richard sich noch weiter entschuldigte. Sie hätte ihr Handy ja auch ausschalten können. „Weswegen rufst du denn an?“ „Es geht um das Essen …“ Sofort breitete sich ein brennendes Gefühl in Emilys Magengegend aus. Sie hatte ihn beim ersten Mal vertröstet und sich daraufhin nie wieder gemeldet. „Ja, richtig …“ „Hör zu Emily. Ich will mich nicht aufdrängen, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du mit mir essen gehst. Vielleicht heute Abend? Ich könnte dich um halb sieben abholen.“ Sie tigerte wortlos den Flur auf und ab und fuhr sich mit der freien Hand durch die Haare. Richard war ein netter Mann und es war nur ein Essen. Sie würden zusammen nach Norwegen fahren. Also … „Warum nicht? Okay. Halb sieben klingt gut.“ „Sehr schön. Ich bin um halb sieben bei dir. Bis dann.“ „Bis dann.“ Sie starrte ihr Handy an, als handelte es sich um ein magisches Werkzeug, das sie zu ihren Antworten veranlasst hatte, ohne dass Emily selbst Kontrolle darüber gehabt hätte. Was hatte sie denn da gerade getan? Sie hatte einem Date mit ihrem Boss zugestimmt. War sie denn verrückt? Sie ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich wieder an 'ihr' Ende der Couch. Das Handy legte sie auf den Tisch und starrte ins Leere, bevor sie bemerkte, dass Adrian immer noch da war. Das Erste was ihm durch den Kopf schoss, als Emily abhob, war etwas, mit dem er nicht gerechnet hätte. Wer zum Teufel noch mal war Richard? Etwa ihr Arschloch von Ex? Nein, oder? Könnte aber durchaus sein. Bisher hatte sie nicht von anderen Männern gesprochen. Außerdem, wer sollte sie sonst am Samstagmorgen anrufen? Überrascht über seine beinahe schon aggressive Reaktion, die sich natürlich nur in seinem Kopf abspielte, hielt er mit seinen Gedanken inne. Was war denn das gerade gewesen? Adrian versuchte das Gefühl zu bestimmen, kam aber nicht darauf, was ihm sein Bauchgefühl sagen wollte. Also schob er diese seltsamen Gedanken beiseite und versuchte nicht zu lauschen, obwohl er Emilys Stimme ohnehin nicht richtig verstehen konnte. “Entschuldige. Willst du weiter schlafen?“ Als sie schließlich zu ihm zurückkam, musste er sich schwer zurückhalten, um nicht nach dem Anrufer zu fragen und was dieser wollte. Also schüttelte er nur den Kopf. „Nein, ich bin definitiv wach.“ Mehr als das. Er stand auf und merkte erst jetzt, wie verspannt er war. Er hatte sich heute Nacht nicht zu sehr ausbreiten können, da er Emily nicht auf die Pelle rücken wollte. Das dankte ihm sein Rücken jetzt mit Schmerzen. Das Gefühl genießend, sich strecken zu können, riss er die Arme in die Höhe, dehnte seinen Rücken durch, spannte jeden Muskel einzeln an und gähnte danach einmal herzhaft. Natürlich alles zusammen mit dem Rücken zu Emily. „Ich bin mal schnell im Bad“, verkündete er mit leicht rauer Morgenstimme, ehe er ins Badezimmer schlurfte, seinen Bedürfnissen freien Lauf ließ und sich danach eine Handvoll kaltes Wasser ins Gesicht spritze, so dass seine Haut eine gesunde Röte annahm. Er strich seine abstehenden Haare wieder in eine akzeptable Richtung und ging dann in die Küche, um sich Müsli zu holen und falls Emily wollte, auch gleich eine Portion für sie mitzumachen. Dabei ging ihm die ganze Zeit dieser Richard nicht aus dem Kopf. Der Drang seine Mitbewohnerin danach zu fragen, wurde immer stärker. Ja, wollte sie Frühstück oder lieber ins Bett? Das konnte sie selbst gar nicht genau sagen. Sie war zwar wach – immerhin hatte sie das kurze Telefongespräch ziemlich aufgewühlt – aber gleichzeitig von der letzten Nacht noch ziemlich erschlagen. Sie hatte Sicherheitsabstand zu Adrian gewahrt, was nicht einfach gewesen war. Aus verschiedenen Gründen, wie sie erst jetzt irritiert feststellte. Als sie die Spülung im Bad hörte, faltete sie die Decken zusammen und legte sie ordentlich auf die Couch. Sie wusste immer noch nicht, ob sie Lust auf Frühstück hatte. Wie spät war es überhaupt? – Halb neun. Durchaus eine gute Zeit zum Aufstehen, aber auch noch früh genug, um sich wieder hinzulegen. Nach einigen Minuten gab sie doch auf und tapste hinter Adrian in die Küche. Er war dabei, sich Müsli zu machen. Das war eine sehr gute Idee. Müsli war nicht zu schwer, das würde sie auch so schnell nach dem Aufstehen hinunterbringen. Sie griff sich ihre eigene Schachtel aus dem Regal und nahm Adrian die Milch aus der Hand, die er ihr entgegen streckte. „Oh, wegen deiner Frage gestern. Wann hättest du denn Zeit, was zu unternehmen? Musst du heute Nacht arbeiten?“ Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er sonderlich viel Lust hatte, nach einer harten Nacht im Club am nächsten Tag mit ihr durch den Zoo zu rennen. Noch dazu, wenn sonntags hordenweise Kinder unterwegs waren. Kinder schön und gut, aber nicht in Massen. Nachdem er noch Wasser aufgestellt hatte – die Lust nach Tee am Morgen war sehr groß – setzte er sich mit seiner Schüssel an den Tisch. „Ja, muss ich. Heute und morgen Abend. Danach habe ich wieder zwei Tage frei. Vorausgesetzt, es ändert sich nichts im Plan.“ Was bei seinem Boss schon oft genug vorgekommen war, Adrian aber meistens nicht störte. Er war lieber in der Arbeit und tanzte sich all den Stress vom Leib, als dass er alleine daheimsaß und über sein Leben sinnierte. Die Erschöpfung war gar nichts gegen diese Gefühle. „Hast du denn für den heutigen Tag schon etwas vor? Ich wollte eigentlich ein bisschen Shoppen gehen, mich vielleicht schon mal nach einem guten Aquarium erkundigen und nach schönen Fischen Ausschau halten. Es würde mich freuen, wenn du Zeit hättest.“ Er lächelte ihr fröhlich zu. Jetzt, da er nun wirklich wach war, kam er wieder richtig in die Gänge und das Gespräch gestern mit Emily hatte seinem Gemüt auch wahnsinnig gut getan. Gott, sie war wie eine kühlende Salbe auf verbrannter Haut. Als das Wasser kochte, suchte er sich seinen Lieblingstee heraus. „Willst du auch einen?“, fragte Adrian sie nebenbei, während seine Gedanken ihm immer noch keine Ruhe ließen. Mann, wer war nun dieser Richard? Ein Freund? Ein Bekannter? Verwandter? Kollege? Ohne es wirklich mitzubekommen, sprach er den Namen leise, aber sehr deutlich aus. „Ja, heute hab ich Zeit. Das mit dem Aquarium würde mich sehr interessieren. Ich hab sowas noch nie ausgesucht, geschweige denn gekauft.“ Außerdem würde sie gern helfen, die Fische auszusuchen. Sie hatte keine Ahnung, ob es für Aquarien auch so schöne bunte Exemplare gab, wie sie sich vorstellte, aber allein in eine Zoohandlung zu gehen und dann Fische in kleinen Plastiktüten voll Wasser nach Hause zu bringen, würde ihr gefallen. Auch zum Tee sagte sie ja und setzte sich nun auch endlich mit ihrem Müsli an den Tisch. Als sie Adrian Richards Namen sagen hörte, blickte sie irritiert auf. Sie hatte ihn sicher nicht missverstanden, aber warum beschäftigte ihn das denn? Nach einer Weile fiel der Groschen. Wahrscheinlich nahm Adrian an, dass Richard ihr Ex war, der sich nun wieder an sie heranschlich. Das wollte sie gleich klären, bevor Adrian sich Sorgen machte. „Richard, der vorhin angerufen hat, ist mein Abteilungsleiter. Er ist derjenige, der die Mumie und die Moorleiche aus Norwegen holen möchte. Er hat mich für heute Abend zum Essen eingeladen.“ Was hinter der Essenseinladung genau steckte, wusste sie selbst nicht so richtig. Vielleicht hatte sie Richard falsch verstanden und er wollte nur über die Arbeit und die Reise sprechen? So ein Quatsch, natürlich wusste Emily, dass Richard sie nicht deshalb zum Essen eingeladen hatte. Aber eigentlich war sie nicht bereit, sich sofort in eine neue Beziehung zu stürzen. Und schon gar nicht in unverbindlichen Sex. Adrian stellte ihr den Tee hin und setzte sich dann mit seiner eigenen Tasse wieder auf den Sessel. Dieses Mal so, dass er ein Bein auf den Boden stellte und das andere an seine Brust zog und eine Hand darum schlang. Als ihm Emily nun erklärte, wer Richard war, verstand er nicht sofort, wie sie darauf kam. Bis ihm klar wurde, dass er den Namen vermutlich laut ausgesprochen hatte. Innerlich fluchte er, wurde aber etwas ruhiger, als er hörte, dass es nicht ihr Ex war. Allerdings beruhigte ihn die Tatsache, dass sie mit diesem Kerl heute zu Abend aß, kein Bisschen. Gut, er war in der Arbeit und konnte sowieso nicht mit ihr diese Zeit verbringen, aber trotzdem. Geschäftsessen hin oder her, für Samstag erschien ihm das etwas ungewöhnlich. Um sich selbst von dem Thema abzulenken, wechselte er den Gesprächsstoff. „Könnten wir vielleicht mit deinem Auto fahren? Wenn wir uns heute schon für etwas Passendes entscheiden, würde das den Transport erleichtern. Was hältst du eigentlich von Süßwasserfischen? Die Pflege ist einfacher und sie sind genauso hübsch wie Salzwasserfische. Die Auswahl dürfte ohnehin enorm sein.“ Außerdem gab es noch so viele andere interessante Tiere in einer Zoohandlung. Reptilien interessierten Adrian dabei auch sehr. Aber er hätte nicht sagen können, wie Emily das aufgenommen hätte. Immerhin fand er auch Taranteln ziemlich spannend. Aber selbst die kämen ihm nicht ins Haus. „Klar, kein Problem. Allerdings weiß ich nicht, wo ein Zoogeschäft ist und ob es da eine Parkmöglichkeit gibt. Kennst du dich da aus? Ob Süß- oder Salzwasser ist mir egal. Hauptsache bunt.“ Dabei grinste sie ihn an. Es entsprach absolut der Wahrheit. Das Tollste an Aquarien waren doch die bunten Fische und diese Plastikdeko, die man kaufen konnte, damit die Fische dazwischen herumschwimmen konnten. Ob Adrian sich zu einem Schloss und einer Schatztruhe überreden lassen würde? Ohne es selbst zu bemerken, fiel die Anspannung nach Roses Kurzaufenthalt von ihm ab und ein freudiges Funkeln erhellte seine Augen. Er war aufgeregt, als er an den Kauf der Fische dachte. Und er freute sich, mit Emily wieder einkaufen zu gehen. „Wenn du sonst noch etwas aus der Stadt brauchst, kein Problem. Ich gehe gerne einkaufen.“ Er grinste. Wusste er doch, dass sein Geschlecht normalerweise nicht stundenlang im Kaufhaus verbrachte, während ihre Frauen sie von einem Geschäft zum anderen schleppten. Aber bei der Richtigen, wie könnte man da keine Geduld aufbringen? „Oh, klasse, ich freu mich.“ Adrian spurtete mehr oder weniger sowieso schon los, bevor Emily ihr Müsli beendet hatte. Sie hüpfte nur noch schnell ins Bad, brachte ihre Haare in Ordnung, legte etwas Wimperntusche auf und zog sich dann in ihrem Zimmer um. Heute würde es sicher warm werden, vor allem wenn sie viel in der Stadt unterwegs waren. Also schlüpfte sie in einen hellblauen Rock, ein schwarzes Oberteil und zog passende, schwarze Ballerinas dazu an. Dann schnappte sie sich ihre Handtasche, warf Handy, Geldbeutel und Schlüssel hinein und kam wieder als Zweites an die Tür. „Okay, und los.“    *** Sie fuhren kreuz und quer durch die Stadt, da sie beide keine Ahnung hatten, wo sie ein Zoogeschäft finden würden. Aber am Ende wurden sie doch fündig und standen bald vor den Regalen mit Aquarien. „Ähm … Ich hoffe, du hast eine Vorstellung von dem, was du möchtest. Ich hab nämlich keine Ahnung. Ich will nur ein Schloss.“ Adrian sah sie verständnislos an, aber Emily war schon dabei, die Reihe mit den Aquarien abzulaufen und sich vor allem für diejenigen zu interessieren, die bereits einen Deckel mit integrierter Lampe hatten. Sie konnten ja keine von der Decke herunter hängen. Als sie die kleinen Dekosachen im nächsten Regal fand, war sie völlig aus dem Häuschen. Sie nahm ein kleines Plastikschloss mit einem hohen Turm in die Hand und drehte es herum. Es gefiel ihr zwar, war aber ein wenig zu kitschig. Daneben stand allerdings genau das, was sie suchte. Ein einzelner Turm, der aussah, als wäre er aus großen Steinen gebaut. Mit Zinnen und einer kleinen Öffnung am unteren Ende, durch welche die Fische schwimmen konnten. Dazu gab es eine Schatztruhe, die sogar golden glitzerte. Adrian fühlte sich wie im Paradies, als er mit Emily die Gänge entlang ging, und sie sich die vielen verschiedenen Sachen anschauten, die es für Fische gab. Die Zoohandlung war ohnedies riesig. Es gab vom Hamster angefangen bis zum Pferd, alles, was man für die Tiere kaufen konnte. Von den kleinen Tieren gab es sogar lebende Exemplare zu ersteigern. Doch Vögel, Hamster, Schildkröten und Mäuse interessierten ihn relativ wenig. Wie magisch zog es ihn zu den Fischen. Gut, dass Adrian noch die Maße im Kopf hatte, die sie beim Regalkauf berücksichtigt hatten. So war es auch kein Problem ein passendes Aquarium zu finden. Er entschied sich kurzerhand für ein teures Modell mit knapp einem Meter Länge, vierzig Zentimeter Tiefe und ebensolcher Höhe. Der Deckel, das Licht, die Pumpe, alles war schon integriert. Ein vollausgestattetes Set mit PH-Wertmesser und Temperaturregler. Während er so darüber nachdachte, welche Pflanzen dazu passen könnten, riss Emily ihn aus seinen Gedanken. Ein Schloss? Etwa ein Vorhängeschloss? Seine Verwirrung löste sich in Luft auf, als sie zu den Dekosachen kamen und sie einen Turm samt Schatztruhe betrachtete. „Eine gute Wahl“, pflichtete er ihr bei. „Falls du sonst noch etwas im Auge hast, nur zu. Ich suche derweil die Pflanzen aus. Danach können wir uns ja bei den Fischen treffen.“ Er berührte kurz ihre Schulter, ehe er sich auf den Weg zu den Pflanzen machte. Sand und Steine brauchten sie auch noch. Kurze Zeit später trafen sie sich bei den Fischen. „Also zwei oder drei Putzerfische wären sicher gut und auch noch Wasserschnecken als Grundausstattung.“ Während er das sagte, glitt sein Blick über die vielen Glasbehälter mit den unterschiedlichsten Fischen darin. Form, Farbe und Aussehen waren einfach so bezaubernd, dass er sich gar nicht richtig entscheiden konnte. „Also den schwarzen mit den gelben Streifen und der blauen Flosse, nehme ich auf jeden Fall.“ Ja, der war sehr hübsch und hatte auch eher männlichere Merkmale, als die weiblicher wirkenden Zierfische mit den Flossen die so aussahen wie Seidenschleier. Dennoch, sie waren wunderschön. Emily grinste in sich hinein, während sie den kleinen Turm und die Schatztruhe in den Händen durch den Laden trug. Sonst fand sie außer etwas Fischfutter nichts Nennenswertes und gesellte sich bald zu Adrian, der wohl schon ein interessiertes Auge auf die Fische geworfen hatte. Er erklärte ihr ohne Umschweife, was sie auf jeden Fall brauchen würden und suchte sich einen recht schillernden Fisch aus. „Wie viele wollen wir denn kaufen?“ Das Aquarium war doch recht geräumig, aber Emily hatte keine Ahnung, wie viele Fische auf wie viel Raum unterzubringen waren, so dass sie sich wohl fühlten. „Also wenn ich die Wahl habe, möchte ich zwei von den gelben und einen von den roten.“ Soeben trat ein Verkäufer mit einem breiten Lächeln und strahlend blauen Augen hinter sie. Emily fiel auf, dass seine Augen nur eine Nuance dunkler waren als die von Adrian und ausnehmend gut zu seinen dunklen Haaren passten. “Hallo, kann ich Ihnen helfen?“ Er hatte sie beide gleichermaßen angesprochen, sah nun aber Emily strahlend ins Gesicht, die sich genötigt fühlte, zu antworten. „Ja, ich denke schon. Wir haben ein Aquarium ausgesucht und möchten nun die passenden Fische dazu. Wir hätten auf jeden Fall gern diese Vier.“ Sie versuchte mit dem Finger auf die vier mehr oder weniger Glücklichen zu zeigen, was dem Verkäufer wiederum ein Lächeln entlockte, das Steine zum Schmelzen hätte bringen können. „Sehr schön. Gute Wahl. Haben Sie sonst alles, was sie brauchen? Ich hörte, dass sie auch an Schnecken gedacht hätten. Allerdings würde ich ihnen eher zu zwei Welsen raten. Die sehen schöner aus und vermehren sich nicht so unkontrolliert.“ Diesmal strahlte er Adrian an und Emily entging das kleine Funkeln in seinen Augen nicht, als er sein rothaariges Gegenüber freundlich musterte. Jetzt musste Emily lächeln. Vielleicht sollte sie sich noch einmal zu den Dekoschlösschen verziehen, um die beiden allein zu lassen? Sie wollte erst Adrians Reaktion abwarten, bevor sie sich aus dem Staub machte. Immerhin wollte sie ihn nicht einfach stehen lassen, falls er Schützenhilfe brauchen sollte. „Können Sie uns die Welse zeigen?“, fragte sie wie nebenbei, um das Gespräch am Laufen zu halten. “Aber klar. Die haben wir hier.“ Er deutete mit einem eleganten Finger auf eines der unteren Regale und Emily ging in die Hocke. Adrian entging der Gesichtsausdruck des Verkäufers nicht, der sich hilfsbereit einschaltete und Emily strahlend anlächelte. Also entweder mochte der seinen Beruf sehr gerne, oder die Erscheinung seiner Mitbewohnerin brachte in so zum Strahlen, als hätte man hinter seinen Augen eine Glühbirne angeknipst. Er gab es ja nur ungern zu, aber der Blick störte Adrian. Sofort versuchte er, sich auf das eigentliche Thema Fische zu konzentrieren, als Emily dem Verkäufer zeigte, welche der Wasserbewohner sie sich bisher schon ausgesucht hatten. Ach du Schande, während der Typ ihrem Finger folgte, setzte er ein Lächeln auf, das einen blenden konnte. Oh ja, Adrian fühlte sich langsam definitiv abgelenkt von ihrem eigentlichen Vorhaben, sich weitere Mitbewohner zu kaufen. Reiß dich zusammen, Mann. Er ist nur nett. Mehr nicht. Also vergiss es und konzentrier dich wieder auf die Fische!, schimpfte er in Gedanken mit sich selbst. Außerdem geht dich das nichts an! Obwohl sein Gewissen natürlich Recht hatte und seine sich leicht anbahnende Eifersucht völlig unpassend war, konnte er es nicht leugnen, dass es ihn störte. Darum versuchte er, sich umso verbissener wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Wo waren sie geradestehen geblieben? Welse? Ja, genau. Als Adrian gezwungenermaßen dem Verkäufer ins Gesicht sah, erstarrte er innerlich. Diesen Blick kannte er. Zumindest glaubte er, ihn deuten zu können. Allerdings verwirrte ihn das jetzt ganz schön. Es war, als hätte der Typ den Scheinwerfer von Emily abgeschwenkt und nun vollkommen auf ihn selbst gerichtet. Das Einzige, was Adrian daraufhin einfiel, war seine Konzentration auf die Fische zu richten und den leicht musternden Blick des Verkäufers zu ignorieren. Zum Glück gab es ja noch die Welse! Froh darüber, etwas anderes ansehen zu können, beugte er sich zu Emily herab und sah in das Becken. Die Welse sahen schön aus und bestimmt war es eine gute Idee, diese anstatt der Schnecken zu nehmen. Wie der Typ schon gesagt hatte – der sich wohl zwischen männlich und weiblich nicht entscheiden konnte – Schnecken vermehrten sich doch zu unkontrolliert. Ihr Lächeln entwickelte sich zu einem breiten Grinsen, als sie den Blick bemerkte, den der Verkäufer kurz auf Adrians Hinterteil richtete, als jener sich zu Emily hinunter lehnte, um sich die Fische anzusehen. „Na, was meinst du?“ Sie sah Adrian mit einem schelmischen Blick in die Augen. Es war klar, dass sie mehr meinte als die Welse. Obwohl ihr die genauso gut gefielen wie der Rest der 'Aussicht'. Mit leicht hochgezogener Augenbraue wandte Adrian sich fragend an Emily, als er ihren eindeutig zweideutigen Tonfall sehr genau mitbekommen hatte. Kurz riskierte er einen flüchtigen Seitenblick auf den Verkäufer, der immer noch lächelte, allerdings nicht unbedingt die Welse im Blickfeld hatte. Sofort richtete sich Adrian wieder kerzengerade auf und schenkte nun seinerseits dem Verkäufer ein strahlendes Lächeln. „Wir nehmen zwei davon.“ Gott, fühlte er sich mit einem Mal schlecht in seiner Haut. Als wäre sie irgendwie eingegangen oder als stünde er nackt vor einem Publikum und müsste eine Rede halten, die ihm einfach nicht mehr einfallen wollte. Auf jeden Fall definitiv sehr unwohl. Denn jetzt hatte er das Ganze erst begriffen. Offenbar stand dieser Mann auf Kerle, hatte wohl auch nichts an Adrians Aussehen auszusetzen und als wäre das für einen absoluten Hetero nicht schon schlimm genug, wies ihn Emily dezent aber deutlich daraufhin, dass er ja eigentlich schwul zu sein hatte. Er musste sich regelrecht dazu zwingen, jetzt nicht seine fröhlich freudige Ausstrahlung fallen zu lassen, mit der er das Geschäft betreten hatte. Und es wäre auch dem Verkäufer unfair gegenüber, unfreundlich zu werden. Also lächelte er weiter. „Könnten wir schon einmal das Aquarium, den Sand, die Pflanzen, die Deko und das Futter ins Auto bringen, ehe wir uns noch weiter mit den Fischen beschäftigen? Dann müssen sie nicht zu lange in den Plastikbeuteln bleiben.“ „Aber natürlich“, bestätigte der Blauäugige hilfsbereit und schenkte Adrian einen Blick aus leicht gesenkten Wimpern. Na, wenn man das Mal keinen dezenten Flirt nannte! Seit Adrian sich etwas zu hastig aufgerichtet hatte, um dem Verkäufer zu sagen, dass die beiden Welse gekauft waren, hielt sich Emily aus der gesamten Verkaufsaktion heraus. Patrick war mehr als hilfsbereit und die beiden Männer schienen weibliche Einmischung weder in Fragen Fische noch anderweitig zu benötigen. Mehr aus großer Neugier, als aus Interesse folgte sie den beiden beim Verladen des Aquariums und aller Kleinigkeiten nach draußen auf den Parkplatz. Sie hätte nie gedacht, dass der Glaskasten in ihren Mini passen würde. Aber mit ein wenig Umklapparbeit und Fingerspitzen gefühlt, vor allem auf Patricks Seite, der so etwas nicht zum ersten Mal machte, passte es um Haaresbreite. „Mit dem Styropor um die Ecken dürfte gar nichts passieren.“ Patrick strahlte bei diesem Satz natürlich Adrian an, der seinerseits freundlich zurücklächelte. Allerdings fiel Emily auf, dass ihr Mitbewohner nicht auf den Verkäufer zuging. Er war freundlich und offen, das ja, aber mehr eben auch nicht. Da war kein zusätzliches Lächeln, kein Ansatz zu einem Gespräch, das sich nicht auf die Fische direkt bezog oder auch nur eine überflüssige Handbewegung auf den Anderen zu. Von Adrians Seite schien es, wenn überhaupt, sehr viel weniger gefunkt zu haben, als es Patrick lieb gewesen wäre. Allerdings gab der Dunkelhaarige nicht auf und Emily sah, wie er seine Nummer auf der Visitenkarte notierte, die er Adrian zusammen mit der Rechnung in die Hand drückte. Insgeheim hoffte sie, dass Adrian ihn anrufen würde. Einfach nur, damit er mal raus kam und außerhalb seines Jobs ein wenig um die Häuser zog. Patrick erschien sehr nett, und selbst wenn sie kein Paar wurden, wäre es sicher gut, noch jemand anderen als diesen Tyson um sich zu haben, von dem er ihr erzählt hatte. Sollte er eine männliche Version von Julie sein, war ihr Patrick jetzt schon lieber. Die Fische waren schließlich schnell ausgesucht, die Pflanzen ebenfalls und schon standen sie an der Kasse. Adrian bezahlte die volle Rechnung, da er sich auch um die Fische kümmern wollte und alles zusammen ohnehin ganz schön teuer war. Zwar teilte er die Tiere gerne mit Emily aber sicherlich nicht die Rechnung. Zusammen mit dem Rechnungsbeleg überreichte Patrick ihm noch eine Visitenkarte des Ladens. „Für mögliche Fragen, Notfälle oder andere Hilfestellungen“, erklärte der Blauäugige mit Betonung auf das letzte Wort und schenkte Adrian noch einmal sein schönstes Lächeln. Dieser bedankte sich und machte sich schließlich mit Emily auf den Weg zum Auto. Nachdem die Fische verstaut waren und sie beide wieder nach Hause fuhren, drehte Adrian aus einem Gefühl heraus die Visitenkarte um. Auf der weißen Rückseite war eine Nummer per Hand darauf geschrieben worden und darunter das Wort 'Patrick'. Na wunderbar. „Er war süß, findest du nicht?“ Bevor Adrian auch nur so tun konnte, als wüsste er nicht, was sie meinte, fügte sie hinzu: „Wirst du ihn anrufen?“ Obwohl sie sich noch nicht so lange kannten, hätte ihm Emily dazu geraten, wenn er verneinen sollte. Freunde konnte man nun mal nie genug haben. Außerdem mussten sie ja nicht gleich auf wilde Partys gehen, sondern konnten sich nur auf einen Kaffee treffen. Kurz warf sie einen Blick zu Adrian hinüber. Vielleicht hätte sie das nicht tun sollen, denn er sah sie zwar nicht an, aber sein Gesichtsausdruck verwirrte sie. Er sah so aus, als hätte er gerade erst weggesehen, um den Blickkontakt mit ihr zu vermeiden. Und da war noch irgendetwas Anderes. Sie konnte nicht sagen, was es war, aber bei jedem Anderen hätte sie vermutet … Nein, das bildete sie sich bestimmt nur ein. In diesem Moment dachte sie an Richard. Nicht unbedingt unvermittelt, denn er hatte ihr nur zu deutlich zu verstehen gegeben, dass das Essen heute Abend mehr bedeutete als ein bloßes Treffen unter Freunden. Emily wurde wieder deutlich bewusst, dass sie das eigentlich gar nicht wirklich wollte. „Vielleicht nach dem Wochenende, wenn ich frei habe“, gab er schließlich zu, sah Emily dabei aber von der Seite an, als würde er nicht meinen, was er sagte. Als sie ihren Kopf zu ihm herumdrehte, schaute er sofort weg. Mann, das wurde immer komplizierter. Anstatt Patrick anzurufen, wäre er lieber heute Abend mit ihr essen gegangen, anstatt sie diesem Richard zu überlassen. Aber da er ohnehin arbeiten musste, ging das schon einmal sowieso nicht. Außerdem musste er sich zusammenreißen, wenn er in der Wohnung bleiben wollte. Wenn sie auch nur einen Hauch von einer Ahnung hatte, dass er an ihr interessiert sein könnte, würde das bestimmt in einem Desaster enden. Darauf konnte er verzichten. Da mimte er lieber noch etwas länger den homosexuellen Mitbewohner. Wenn es sein musste, konnte er auch noch härtere Geschütze auffahren. Immerhin lag da etwas in ihrem Blick … Adrian wusste auch nicht so recht, aber sie war nicht dumm, und wenn er nicht genau aufpasste, könnte er sich womöglich doch noch unabsichtlich verraten. „Und ja, süß ist er. Allein mit dem Hintern könnte man Nüsse knacken.“ Zumindest, wenn man darauf wert legte. Verdammt, wie wollte er damit nur fertig werden? „Oh ja?“ Emily grinste in sich hinein, als Adrian seine Meinung zu Patricks Hintern kundtat. Ihr selbst war das gar nicht aufgefallen. Wahrscheinlich war sie viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, den beiden beim Flirten zuzusehen. „Das ist schön. Auch wenn nichts draus wird, scheint er einfach ein netter Kerl zu sein. Es ist immer gut, ein paar neue Leute kennenzulernen.“ Das hörte sich ja fast so an, als wollte sie ihm neue Freundschaften aufdrängen. Dabei hätte sie bestimmt nichts dagegen gehabt, wenn er seine Freizeit mit ihr verbrachte. So viel davon hatte er ohnehin nicht. „Dem kann ich nur zustimmen.“ Auch wenn er für gewöhnlich keine Zeit für Freunde hatte und schon gar nicht für die Suche nach neuen. Tyson war hartnäckig, verbissen und gerne ein Egoist. Das war auch der einzige Grund, warum er Adrian nicht schon längst die Freundschaft gekündigt hatte. Oder vielleicht wegen der Tatsache, dass er ebenfalls sehr beschäftigt war. Eigentlich wollte Adrian auch gar nicht mehr Leute kennen, vor denen er sein wahres Wesen verbergen musste. Das war auf die Dauer einfach zu anstrengend. Bei Emily war das etwas anderes. Sie wohnten zusammen und es war schön, einmal mit einer Frau einfach so reden zu können, ohne sich darüber Gedanken machen zu müssen, wo, wie und auf welche Weise sie später noch berührt werden wollte. Obwohl – er warf einen kurzen Seitenblick auf Emily – bei ihr würde es ihm vielleicht sogar Spaß machen, ihre Vorlieben zu erraten. Sofort sah er wieder weg und schlug sich den Gedanken aus dem Kopf. Sie war seine Mitbewohnerin. Basta. „Weißt du schon, wo du und Richard heute Abend essen werden? Ich kenne ein paar gute Restaurants, falls du Empfehlungen brauchst.“ Gerade wollte sie sich erklären, als er von Richard anfing. Warum beschäftigte ihn das denn? Schon am Morgen nach dem Anruf hatte Adrian den Namen erwähnt. Da hatte Emily noch vermutet, dass er sich Sorgen machte, sie könnte sich wieder auf ihren Exfreund einlassen. Aber dieser unvermittelte Themenwechsel brachte sie ein wenig aus der Bahn. „Keine Ahnung, um ehrlich zu sein.“ Sie konzentrierte sich kurz auf die Straße, um an der Kreuzung links abzubiegen und fuhr dann fort. „Er meinte nur, dass er mich abholt. Ich nehme an, dass er bereits ein Restaurant ausgesucht hat.“ Sie würde sich da überraschen lassen. Immerhin mochte sie verschiedenes Essen und mit dem Restaurant konnte man bei ihr nur dann etwas falsch machen, wenn sie sich underdressed oder völlig unter den falschen Leuten fühlte. Sie wollte sich beim Essen nicht so vorkommen, als müsse sie auf jeden Handgriff achten, damit die Kellner in der Küche keine Witze über ihr ungehobeltes Auftreten rissen und über sie lachten. Das erzählte sie Adrian, wobei ihr der Gedanke kam, dass er sich in diesen Kreisen bestimmt stilvoll bewegen konnte. Immerhin hatte sein Aufzug letztens so ausgesehen, als wäre er zu einem teuren Abendessen unterwegs gewesen. Als sie in ihre Straße einbog, seufzte sie leicht auf und sah wieder zu ihm hinüber, während sie beide nach einem Parkplatz Ausschau hielten, der nicht zu weit von der Eingangstür entfernt war. Immerhin mussten sie das Aquarium sowieso in den ersten Stock hinauf schleppen. „Irgendwie möchte ich da heute Abend auch gar nicht hin, sondern lieber einen ruhigen Abend zuhause …“, fing sie an, ohne allerdings weiter zu sprechen. Es war nur eine Aussage, die Adrian entweder aufnehmen konnte oder eben nicht. Sie wollte ihm mit ihren Bedenken nicht auf die Nerven gehen. Immerhin konnte sie ihm doch nicht immer mit ihren Männerproblemen in den Ohren liegen. Emily fand schließlich einen Parkplatz in der Nähe. Die leichten Sachen konnten sie in das leere Aquarium geben, ehe sie sich aufmachten, es in die Wohnung zu tragen. „Warum willst du eigentlich nicht mit? Weil es ein Geschäftsessen ist, oder will der Typ was von dir und du hast kein Interesse? Ich meine, so kurz nach der Trennung mit deinem Ex kann ich das total nachvollziehen, wenn du erst einmal eine Weile alleine sein willst.“ Er gab seine Meinung so objektiv wie möglich ab, während er versuchte, nicht weiter darüber nachzudenken. Da das Aquarium schwer war, zog er mit einer Hand den Schlüssel aus seiner Hosentasche und sperrte auf, während er den Glasbehälter mit der anderen Hand und zusammen mit Emilys Hilfe festhielt. „Stellen wir das erst einmal auf den Couchtisch.“ Ohne dass irgendetwas in die Brüche gegangen war, schafften sie es, die ganzen Sachen in die Wohnung zu schaffen. „Richard ist mein Abteilungsleiter und eigentlich ein netter Kerl. Wir verstehen uns recht gut …“ Das 'aber' hing so schwer im Raum, dass sie es nicht einmal hätte aussprechen müssen. Dennoch tat sie es. „Aber wie du sagtest. Das mit Zach ist erst ein paar Tage her … Ich weiß nicht. Außerdem ist Richard mein Chef …“ Da die Fische nicht zu lange in den Plastikbeuteln bleiben sollten, stellten sie das Aquarium ohne Deckel und Inhalt schon einmal ins Regal, was perfekt passte und Adrian begann damit, den Sand einzufüllen. Danach kam Wasser bis ungefähr zur Hälfte, um die Deko an den richtigen Ort zu bringen und die Pflanzen einzusetzen. Das ganze Verfahren ging alles ziemlich reibungslos, aber sie hatten ja auch keine hochempfindlichen preisgekrönten Zierfische gekauft. Die Normalen taten es schließlich auch und waren genauso hübsch, wenn auch um einiges billiger. „Gut, dass wir die große Couch gekauft haben, dazu passt unsere Riesenwasserwelt“, kommentierte Emily lachend und half Adrian dann so gut sie konnte mit dem Befüllen. Eigentlich suchte sie nur eine Stelle für ihren Zinnenturm und die Schatztruhe aus, den Rest ließ sie ihn machen. Als alles zu seiner Zufriedenheit im Glaskasten und unter Wasser saß, füllte er den Rest des Beckens mit Wasser. Emily hatte derweilen eine Tüte hochgehoben und sah sich den Fisch darin an. „Hast du schon etwas zum Anziehen heraus gesucht?“, fragte Adrian schließlich in der perfekten Schwuler-Freund-Manier. „Allerdings ist das gar nicht so einfach, wenn du nicht weißt, in welches Restaurant ihr gehen sollt. Hmmm.“ Er begann nachzudenken. Vielleicht wäre es einfacher, einfach schon zwei Outfits vorzubereiten und dann einfach zu sehen, wie dieser Richard erschien. Wenn er so gestylte war wie Adrian vor kurzem, ging es in ein Nobelrestaurant, was ihn noch mehr wurmen würde. Geschäftsessen in diesem Niveau abzuhalten, wäre sehr ungewöhnlich. Zumindest bei ihrem Job. Bei Managern, Mafiosos oder Drogenbossen, okay, aber doch nicht bei so etwas. Gott, wie sehr ihm das bereits jetzt auf die Nerven ging. Vermutlich würde sein Auftritt heute von Fehlern verunstaltet werden, weil er sich nicht darauf konzentrieren konnte. Aber es wäre eine gute Übung, wieder zur Besinnung zu kommen. „Nein, ich hab noch nichts ausgesucht. Aber an sich weiß ich, was ich anziehen will.“ Es war ihr Lieblingskleid, obwohl sie es noch nicht oft hatte tragen können. Emily ging nicht oft zu Veranstaltungen, bei denen sie sich derart schick machen konnte oder musste. Aber an diesem Kleid hatte sie damals trotzdem nicht vorbei laufen können. Zumal es ihrer Meinung nach mit den richtigen Accessoires zu einem sehr noblen Anlass genauso passte, wie mit flachen Schuhen zu einem normalen Date im Mittelklasse-Restaurant. „Aber ob so oder so, ich sollte mich langsam fertigmachen“, stellte Emily mit einem kurzen Blick auf die Uhr fest. Nachdem Emily im Bad verschwunden war, um sich auf ihre Verabredung vorzubereiten, prüfte Adrian den PH-Wert und die Temperatur des Wassers. Als beides schließlich passte und für die Fische bereit war, begann er einen nach den anderen, in ihre neue Heimat zu entlassen. Es war ein wunderbares Gefühl, diesen kleinen, schönen Lebewesen einen größeren Freiraum zu gewähren. Diese schienen sich ebenfalls sehr darüber zu freuen, denn sie schwammen aufgeregt im Wasser herum, knabberten an den Pflanzen, schienen an den Steinen zu schnüffeln und einer der gelben Fische schwamm sogar durch den Zinnturm hindurch, den sich Emily ausgesucht hatte. Eigentlich hätte sie das sehen müssen, aber er konnte den Föhn hören. Seufzend entließ er auch die Welse in ihr neues Zuhause, ehe er den Deckel schloss und die Pumpe einschaltete. Kurz betrachtete er ihre neue Wasserwelt, wie Emily es genannt hatte, doch so recht Freude aufkommen, wollte momentan nicht in ihm. Damit das Aquarium keine negativen Suggestionen abbekam, kehrte er dem Behälter schließlich den Rücken zu und machte sich daran, die Sachen wegzuräumen. Unter der Dusche überlegte sie sich, was sie mit ihren Haaren anstellen sollte. Das Kleid, das sie tragen wollte, war schulterfrei. Also wäre ein strenger Pferdeschwanz, mit dem sie sich normalerweise recht wohl fühlte, wohl das Falsche. Nur in ein Handtuch gehüllt, föhnte sie sich die Haare, ließ sie offen und drehte nur an der Seite ein paar Strähnen ein, die sie dann hinten feststeckte, um doch etwas strenger zu wirken. Dann legte sie leichtes Make-up auf, sprühte ein wenig Parfüm in ihre Haare und zog sich die Unterwäsche an, die sie bereitgelegt hatte. Das Kleid in cremefarben, mit den großen braunen Paisleymustern, passte gut zu ihren dunklen Augen. Je nach Richards Auftreten würde sie noch eine einfache Perlenkette zu ihren passenden Ohrringen tragen oder eben keinen Schmuck um den Hals. Dann noch eine kleine braune Handtasche und entweder flache braune Schuhe oder welche mit Riemchen und Absätzen. Gerade als sie ihre Wäsche vom Tag in ihrem Zimmer in Ordnung gebracht hatte und Adrian nach seiner Meinung zu ihrem Outfit fragen wollte, klingelte es an der Tür. Richard war drei Minuten zu früh. Er stand bereits vor der Tür. Die blonden Haare ordentlich frisiert, die braunen Augen strahlend. Sein grauer Anzug mit dem weißen Hemd und der hellblauen Krawatte saß perfekt und Emily roch teures Aftershave, als Richard ihr einen Kuss auf die Wange hauchte und ihr sagte, dass sie wunderbar aussehe. Perlenkette, eindeutig. Sie wollte sich gerade mit einem leichten Erröten auf den Wangen entschuldigen, als Adrian aus der Küche zu ihnen stieß. „Adrian, das ist Richard. Richard, Adrian. Mein Mitbewohner.“ Als Adrian gerade in der Küche unter der Spüle das Plastik in den Müll warf, läutete es an der Tür. Sofort erstarrte er in seiner Bewegung und sein Magen schnürte sich ihm zu. Was auch immer da in ihm vorging, das war kein gutes Zeichen. Absolut kein Gutes. Mit zusammengebissenen Zähnen zwang er sich dazu, wieder in seine charmante, lockere Art zu schlüpfen und die düsteren Gefühle tief in seinem Körper zu vergraben. Nein, er war nicht eifersüchtig! Beim Klang der Stimmen überkam ihn noch ein letztes Beben, ehe er sich völlig gefasst hatte und ein geübtes Lächeln aufsetzte, das unglaublich echt aussah, aber keinen Moment lang seine Augen erreichte. Das Erste, was Adrian sah, als er in den Flur trat, waren Emilys nackte Schultern. Auf der Stelle wollte er ihr etwas darüber ziehen, zwang sich aber dann dazu, stattdessen ihren künftigen Begleiter für diesen Abend zu mustern, während er ihm die Hand schüttelte. „Freut mich“, säuselte er, ehe er ihn dann wieder losließ. Gott, wenn der Typ wenigstens hässlich gewesen wäre! Aber nein, er sah hochanständig in diesem Anzug aus. Richard wirkte etwas älter als Emily, was Adrian in diesem Augenblick unglaublich störte. Jetzt kam er sich wie das Kind in der Gruppe vor und zugleich sagte ihm eine innere Stimme, die normalerweise die Klappe zu halten hatte, dass er sich hier auch wie das Kind aufführte. Zumindest was seine Gedanken anging. „Also, ich wünsche euch beiden einen schönen Abend. Viel Spaß.“ Er richtete sich nun ganz an Emily und konnte sehr deutlich ihr dezentes Parfum riechen. Am liebsten hätte er in diesem Augenblick die Hosen runter gelassen und sein Revier markiert. Bis ihm wieder einfiel, dass das hier Emilys Wohnung und er kein Pitbull war. Darum sah er sie nur entschuldigend lächelnd an. „Ich muss mich jetzt für die Arbeit fertigmachen. Wir sehen uns dann morgen.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und flüchtete in sein Zimmer. Dabei die Tür ganz langsam und leise zumachend, anstatt sie heftig zuzuschlagen, wonach ihm momentan eher gewesen wäre. Richard musterte unauffällig Emilys Mitbewohner, als sie sich die Hand gaben. Einen festen Händedruck hatte der Kerl schon mal auf jeden Fall. Aber seit wann hatte sie einen männlichen Mitbewohner? Sollte er sich deswegen Sorgen machen? Wenigstens hatten sie beim Abendessen genug Zeit, diese Frage zu klären. Und er bestand darauf, sie in Sicherheit zu wissen. Immerhin sah der Typ nicht gerade aus wie ein Engelchen. Da war so ein seltsamer Ausdruck in seinen Augen, der nicht zu dessen Lächeln passen wollte. Nun, wenigstens machte er einen schnellen Abgang. Somit mussten sie sich nicht weiter mit ihm herumschlagen. Charmant lächelte er Emily an. Sie sah fast schon unheimlich gut aus in diesem wunderschönen Kleid. Geradezu bezaubernd. „Wollen wir?“ Emily war irritiert von Adrians schnellem Abgang. Aber was hätte er auch groß sagen oder tun sollen? Wahrscheinlich war er einfach viel zu höflich, um hier noch lange herumzustehen. Sie wünschte ihm ebenfalls eine schöne Nacht, was er aber vielleicht gar nicht mehr mitbekommen hatte, da keine Sekunde später schon seine Tür geschlossen war. Ließ er sie sonst nicht immer nur angelehnt? In ihrem Inneren regte sich etwas, das sich wie schlechtes Gewissen anfühlte. Aber das konnte doch nicht sein. Adrian ging zur Arbeit und hätte daher sowieso keine Zeit gehabt, um den Abend mit ihr zu verbringen. Warum fühlte es sich denn nur so an, als hätte sie ihn … verletzt? Bevor sie noch weiter nachdenken konnte, zog Richard ihre Aufmerksamkeit auf sich. „Natürlich. Gib mir bitte noch zwei Minuten.“ Schnell ging sie noch einmal in ihr Zimmer, legte die Perlenkette an und griff sich einen braunen Schal mit türkisen Mustern, den sie sich um die Schultern schlingen konnte, sobald es kühler wurde. Kaum in ihre hohen Schuhe geschlüpft trat sie mit Richard aus der Tür hinaus. Kapitel 11: 11. Kapitel ----------------------- Die Fahrt zum Restaurant war von Smalltalk geprägt. Ein wenig sprachen sie über die Arbeit, Emilys Umzug und andere Kleinigkeiten ohne Belang. Bei dem Etablissement angekommen, das Richard für den Abend gewählt hatte, wurden Emilys Befürchtungen wahr. Es sah mehr als nur nobel aus. Hinter der gläsernen Eingangstür wartete bereits ein Kellner hinter einem hohen Pult, um nach der Reservierung zu fragen und geleitete sie dann zu einem kleinen Tisch, direkt am Fenster, der für zwei Personen gedeckt war. Im Raum flogen die sanften Töne des Klaviers herüber, das von einer Dame in weinrotem Kleid gespielt wurde und von ihrem Platz aus – Richard hatte ihr, ganz Gentleman, den Stuhl zurückgeschoben – konnte sie in den Garten hinaussehen, in dem ein wunderschön beleuchteter Springbrunnen stand. Emily fühlte sich in dieser Atmosphäre beinahe genötigt, zu flüstern. Sie fühlte sich nicht gerade wohl, was man bestimmt an ihren leicht zitternden Fingern sehen konnte. Allerdings verbarg sie diese vor Richard, indem sie ihre Tasche auf das Fensterbrett stellte und dann ihre Hände in den Schoß legte. „Schönes Restaurant. Bist du öfter hier?“ Mit deinen Kolleginnen, die dich auf Geschäftsreise begleiten sollen?, fügte sie in Gedanken schnippisch hinzu. Erst jetzt fiel ihr auf, wie prekär die Lage eigentlich war. Was, wenn Richard tatsächlich etwas von ihr wollte? Emily würde die Reise nach Norwegen auf keinen Fall riskieren. Aber … Verdammt, was für eine Zwickmühle! Sogleich wunderte sie sich, wie sie jetzt überhaupt etwas essen sollte, bei dieser unglaublichen Nervosität, die sich in ihr ausbreitete. Sie dachte an Adrian und wie gern sie gerade in diesem Augenblick mit ihm auf der Couch gesessen hätte. Der Gedanke brachte sie zum lächeln.   Richard konnte einfach nicht anders, er musste jede Gelegenheit nutzen, Emily anzusehen. Sie sah heute so anders aus, als er es von der Arbeit gewohnt war. Ansonsten trug sie eher immer strenge, unauffällige Kostüme. Jetzt aber wirkte sie sehr elegant und wie dafür geschaffen, hier an diesem Ort mit ihm zu sitzen. Er bemerkte noch nicht einmal die Aussicht auf den Garten, da er seinen Blick nicht von ihr abwandte. „Vielleicht ein oder zwei Mal mit meinen Eltern“, beantwortete er ihre Frage und machte dabei eine Bewegung mit der Hand, die ihr klarmachen sollte, dass das nur irgendwelche Pflichttreffen der Verwandtschaft waren. „Die Küche ist einfach exquisit und die Weinkarte unbedingt zu empfehlen.“ Was auch immer ihr daran gefiel, dass Emily auf einmal leicht verträumt lächelte, ließ seine Haut kribbeln. Er konnte es kaum erwarten, mit ihr in Norwegen zu sein. Sie war nicht nur intelligent, sondern auch noch äußerst reizvoll. Eine Mischung, die ihn schon früh dazu gebracht hatte, ein Auge auf sie zu werfen. Ein Kellner kam, reichte ihnen Speisekarten und nahm die Bestellung für die Getränke auf, ehe er sie wieder alleine an ihrem Tisch ließ. „Wie kommt es eigentlich, dass du mit einem Mann zusammenwohnst? Hast du keine Angst, dass er dich eines achts anfallen könnte? Man hört ja so einige Geschichten.“   Dass Richard sie in ein Restaurant ausführte, wo er schon mit seinen Eltern gewesen war und es vor ihr auch noch zugab, gefiel Emily irgendwie. Hätte er von wichtigen Geschäftsessen oder Ähnlichem geredet, wäre sie sich nur wie eine von vielen vorgekommen. Gerade wollte sie sich entspannen, als er sie nach Adrian und ihrem Zusammenleben fragte. Bei dem Gedanken, dass Adrian sie 'anfallen' könnte, musste sie kurz lachen, was Richard einen irritierten Blick entlockte, bis sie ihm die Situation erklärte. „Zuerst wollte ich unbedingt eine Mitbewohnerin. Ich weiß gar nicht so genau, warum ich zugesagt habe, dass er sich die Wohnung ansehen konnte. Gleich bei der Besichtigung habe ich ihm mehr oder weniger das gesagt, was du erwähnt hast. Ich wollte keinen Mann in meiner Wohnung, weil ich die Befürchtung hatte, er könnte mich eines Nachts betrunken mit einer Eroberung verwechseln.“ Das war nett umschrieben, für die Ängste, die sie vor Adrians Einzug und auch noch eine oder zwei Nächte danach gehabt hatte, als er im Morgengrauen nach Hause gekommen war. Richards Gesichtsausdruck spiegelte so etwas, wie echte Besorgnis wieder.  „Adrian ist der Letzte, vor dem ich diesbezüglich Angst haben muss. Er steht auf Männer. Heute haben wir mehr oder weniger ein Date mit einem netten, gut aussehenden Verkäufer für ihn klargemacht.“ Ihr Lachen blieb ihr beinahe im Halse stecken, als eine Dame um die sechzig sich umdrehte und ihr einen vernichtenden Blick zuwarf. Beinahe hätte Emily bei dem Gespräch über Adrian vergessen, dass sie sich hier wie eine Dame zu benehmen hatte und nicht über ein schwules Date spaßen sollte. Gott, wann kam bloß der Wein? Genau in diesem Moment kam der Kellner wieder auf leisen Sohlen an den Tisch geschwebt und hielt Richard die Flasche Wein zur Inspektion unter die Nase. Nach genauer Probe befand ihr Begleiter sie als gut und der Kellner schenkte ihnen ein. Emily kippte beinahe gierig den ersten Schluck hinunter und sofort breitete sich ein warmes Gefühl in ihrem leeren Magen aus. Der Kellner stand immer noch da und wartete auf die Bestellung. Emily entschied sich für einen Vorspeisensalat mit Garnelen und grünes Tofucurry. Sie liebte thailändisches Essen und war sehr froh, diese Speise auf der Karte zu finden, denn alles andere wäre ihr eindeutig zu viel und zu schwer gewesen. Mit einem Lächeln gab sie die Karte an den Kellner zurück.   „Dein Mitbewohner ist also schwul? Und da bist du dir ganz sicher? Ich meine, könnte ja sein, dass er dir einfach nur etwas vorspielt. Hast du ihn denn schon einmal mit einem anderen Mann gesehen, um dir da sicher zu sein?“ Er wollte eigentlich nicht so sehr auf dem Thema beharren, aber er machte sich wirklich ernsthafte Sorgen um Emily. Der Kerl, den er da im Flur gesehen hatte, mochte vielleicht ein schönes Lächeln haben, aber er sah nicht wie ein Milchbubi aus, der vor einer Frau ihres Kalibers davonlaufen würde. Eher das Gegenteil. Richard wäre eine weibliche Mitbewohnerin wirklich tausendmal lieber gewesen.   „Nein, gesehen habe ich ihn noch nicht mit jemandem. Er hat keinen festen Freund oder sowas. Aber er hat ein Bild von einem halbnackten Kerl in seinem Zimmer.“ Beim letzten Teil ihres Satzes hatte sie die Stimme gesenkt, damit der Drachen am Nebentisch sich nicht wieder belästigt fühlte. „Und wie gesagt, wir haben heute einen hübschen jungen Kerl für ihn aufgetan. Er will sich am Montag mit ihm verabreden.“ Bei dem Gedanken musste sie lächeln. Außerdem hätte Adrian schon einmal mehr als die Gelegenheit gehabt, über sie herzufallen, wenn er es gewollt hätte. Als sie auf der Couch neben ihm eingeschlafen war, hatte er nicht die kleinsten Anstalten gemacht, sich ihr zu nähern. Also machte sie sich auch keine Sorgen. Aber die Geschichte mit der Couch würde sie Richard sicher nicht auf die Nase binden.   „Schade, dass du in der Arbeit nicht öfter auf diese Weise lächelst“, gab Richard schließlich zu. „Die Kollegen wären sicher sehr überrascht.“ Vor allem dieser Brad, der ebenfalls ein Interesse an Emily zu haben schien. Diese Frau war wirklich in vielerlei Hinsicht reizvoll, so dass sich die Männer für sie prügeln würden. Gut, Richard vielleicht nicht, da er kein Freund von Gewalt war, aber das glich er gerne mit Geld aus. Da sein Gegenüber das Weinglas in kürzester Zeit leerte, schenkte Richard ihr nach. Vielleicht würde viel Wein ihre Zunge etwas lockern und zugleich ihr Gehör für das öffnen, was er ihr schon die ganze Zeit so gerne sagen würde. Obwohl das für heute, vermutlich noch keine allzu gute Idee war. Er musste sich an sie langsam herantasten, um sie sich sicher zu sein. Dennoch, Freund Alkohol hatte schon so manches gerichtet.   Richards Kommentar zu ihrem Lächeln ließ sie erröten, was sie mit dem starken Wein herunterzuspülen versuchte. Als die Vorspeise kam, war sie bereits bei der Hälfte des zweiten Glases. Wäre sie doch bloß nicht so nervös … Aber Richard hatte ihr mit den Kollegen ein gutes Stichwort gegeben. „Gibt es denn Neuigkeiten aus Norwegen? Werden sie die beiden rausgeben? Ich hoffe doch, dass wir sie bekommen. Gerade die Moorleiche würde sich in der neuen Ausstellung großartig machen.“ Mit einem leicht besorgten Tonfall fügte sie hinzu: „Wenn der Zustand in Ordnung ist.“ Das konnte man nicht sagen. Jedes Museum übertrieb ein wenig, wenn es um die Qualität ging. Immerhin wollten sie die Exponate zu einem Preis verkaufen, der sich für das Museum lohnte.   Richard musste schlucken, als er die bezaubernde Röte auf Emilys Wangen entdeckte. Offenbar hatte sein Kommentar über ihr Lächeln sie verlegen gemacht. Da ihr dieser Hauch von Rot auf ihren Wangen sehr gut passte, hätte er am liebsten gleich noch mehr solcher Kommentare abgegeben. An Einfällen mangelte es sicherlich nicht, doch sie brachte ihn auf ein Thema, das er sowieso mit ihr heute Abend hatte besprechen wollen. Während er in seinem Fisch auf Blattsalat mit Dillsoße herumstocherte – ohne sich bewusst zu sein, dass er das bestellt hatte – sah er sie erfreut an. „Ich habe eine gute Nachricht für dich. Wir können noch in der nächsten Woche nach Norwegen fliegen, um uns gleich Vorort über den Zustand der Exponate ein Bild zu machen. Ich habe bereits mit den Verkäufern abgesprochen, dass wir uns erst nach einer Besichtigung dafür entscheiden, ob wir sie kaufen wollen. Wenn alles in Ordnung ist und auch der Preis passt, können wir die Ausstellungsstücke gleich mitnehmen. Ich hätte mir gedacht, es wäre dir vielleicht lieber, selbst dabei zu sein, um den Transport so sicher wie möglich vorzubereiten. Was das angeht, vertraue ich ganz auf dein Fachwissen. Ich selbst kann ja lediglich nur mit Zahlen jonglieren und mich um die Papiere kümmern.“ Er schenkte ihr ein charmantes Lächeln über den Tisch hinweg und musterte kurz das fast leer getrunkene Glas. Er würde noch abwarten, bis sie es ganz geleert hatte, bevor er ihr nachschenkte. Richard wollte nicht zu offensichtlich vorgehen, als wolle er sie abfüllen. Es war alleine ihre Entscheidung, wie viel sie vertragen konnte und somit trinken wollte. Sein eigenes Glas war noch immer bis zur Hälfte gefüllt, da er nur gelegentlich daran nippte und einen klaren Kopf bewahren wollte.   „Nächste Woche schon? Das ist ja fantastisch!“ Vor Begeisterung ließ sie ihre Gabel wieder sinken, die sie gerade angehoben hatte, um sich eine Garnele in den Mund zu stecken. „Richard, das ist wirklich unglaublich … großzügig von dir, mich mitzunehmen.“ Emily war sich nicht sicher, ob es von Richard nicht mehr als nur großzügig war. Normalerweise wurde bei Ankäufen dieser Art keine Restauratorin mitgeschickt, sondern die Meinung des Kurators eingeholt. Wie dieser verfuhr, war seine Sache, aber Emily war sich sicher, dass Richard sie aus privaten Gründen mit auf diese Reise nehmen wollte. Sie hätte ihn gern darauf angesprochen und sah ihm in die Augen, um herauszufinden, was er vorhatte. Den ganzen Abend über war er freundlich gewesen und hatte sich so verhalten, wie sie ihn kannte. Vielleicht teilweise ein bisschen geistesabwesend, aber er konnte genauso nervös sein wie sie. Auch wenn Emily dafür kein Grund einfiel, immerhin hatte Richard dieses Treffen anberaumt. Sie würde ihn nicht nach seinen Beweggründen fragen, auch wenn ihr das wie ein Tropfen Säure auf der Zunge brannte. Denn nach seiner Antwort hätte sie sich überlegen müssen, was ihre Einstellung dazu war. Unvermittelt dachte sie darüber nach, was am Ende dieses Essens und damit vielleicht des Abends stehen könnte.   Es freute ihn über die Maßen, wie glücklich er Emily offenbar mit seiner Neuigkeit machte. So sah er sie gerne. Wie ihre Augen dabei strahlten, ihr Gesicht wie erhellt zu sein schien. Ja, sie war wirklich wunderschön. „Ich weiß, es ist eigentlich nicht üblich, aber es ist ein wichtiger Kauf für das Museum und daher wollte ich mich nicht mit der Meinung eines Fremden zufriedengeben, sondern von meinen eigenen Leuten eine ehrliche Antwort hören.“ Er schenkte ihr einen langen Blick. „Den Menschen, denen ich vollkommen vertraue“, fügte er noch etwas leiser hinzu und legte sein Besteck ordentlich hin.   Ihr Blick wanderte über sein Gesicht. Die braunen Augen unter den hellen Brauen und Wimpern, seine schmale Nase und die ebenso schmalen Lippen. Emily überlegte, ob er sie küssen würde, wenn er sie nach Hause brachte. Sofort lief sie wieder rot an und sah auf ihren Teller, während sie konzentriert mit der Gabel auf die Jagd nach der nächsten Garnele ging. Es war ihr vor ihr selbst peinlich, über so etwas nachzudenken. Aber Richard war so … Sie konnte es auch nicht erklären, aber sie glaubte zu spüren, dass er mehr im Sinn hatte als dieses Abendessen. Und Emily konnte nicht leugnen, dass sie gegen ein bisschen Zweisamkeit nichts einzuwenden gehabt hätte. Vielleicht war sie nach Zach jetzt schon bereit für einen Übergangsmann? So drückte Mona sich gerne aus. Nach einer Trennung besorgte Frau sich einen Mann, in den sie zwar verliebt war, aber der nur für eine kurze Zeit an ihrer Seite bleiben würde, weil sie einfach noch nicht bereit war. Er war der Mann, bei dem man sich wohlfühlte und mit dem man – laut Mona – verdammt befriedigenden Sex hatte, aber eben nicht mehr. Fast hätte Emily sich an der Salatsauce verschluckt, als ihr auffiel, an was sie gerade dachte. Sex mit Richard? Absurde Vorstellung. Er war ihr Chef. Ein eleganter, selbstständiger Kerl, der wahrscheinlich jede Frau haben konnte, die er wollte … Und doch war er nicht mit jeder Frau hier, sondern mit Emily. Nun legten sich ihre dunklen Augen nachdenklich, aber mit einem offenen Ausdruck auf sein gutaussehendes Gesicht.   Neugierig faltete er die Hände unter seinem Kinn und beobachtete Emily schweigend dabei, wie sie sich offenbar allerhand durch den Kopf gehen ließ. „Einen Penny für deine Gedanken“, raunte er leise unter leicht gesenkten Wimpern hervor, sich deutlich bewusst, was das für eine Wirkung auf sie erzielen musste. Aber da sie ihn ohnehin so ansah, als würde sie Fragen in ihrem Kopf herumwälzen, konnte er ihr auch dabei behilflich sein. „Gibt es etwas, das du gerne wissen möchtest?“ Bezüglich der Arbeit? Der Reise? Ihn? Er benetzte seine trocken werdenden Lippen, als sie ihm nicht nur ihren Blick, sondern auch wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte. Spannung lag leicht in der Luft, zumindest empfand er dieses Warten auf ihre Antwort so.   Mit seiner Frage brachte Richard sie völlig aus der Fassung. Es war also so offensichtlich gewesen, dass sie derartig nachgedacht hatte? Natürlich, immerhin hatte sie weder gegessen, noch etwas gesagt. Weder sonderlich höflich, noch sonderlich freundlich von ihr, wo er sie doch zum Essen eingeladen hatte. Wenn Richard allerdings wüsste, worüber sie genau nachgedacht hatte, hätte sich der Rest des Essens sicher sofort erledigt. Auf die eine oder andere Weise, fügte sie gedanklich noch hinzu, als sie seinen Blick sah. Er flirtete mit ihr. Richard flirtete tatsächlich mit ihr! Oder, wie sollte man diesen Blick unter seinen langen, blonden Wimpern heraus deuten. Noch dazu diese Frage. „Ich …“, begann sie leise und beinahe war sie versucht gewesen, ihm ein wenig Hoffnung zu machen. Aber sie wollte sich nicht aus dem Fenster lehnen. Die Trennung von Zach hatte wehgetan. Mehr, als sie es bei ihrer seltsamen Beziehung erwartet hätte. Wenn Richard sie wollte, dann würde er es ihr zeigen müssen, und zwar unmissverständlich. Aber gleichzeitig durfte er sie zu nichts zwingen, denn Emily wusste genau, dass sie dann Angst bekommen würde. Denn eigentlich war es zu früh. Sie war nicht bereit, sich auf Richard einzulassen. Nicht für eine Beziehung … Wieder hörte sie Monas Stimme in ihrem Kopf, versuchte sie aber abzuschütteln. Sie würde einfach abwarten, was passierte. Bis dahin würde sie den Abend genießen, wie sie es getan hätte, wenn da nicht diese Sache mit Zach gewesen wäre. Warum sollte Zach gerade jetzt Einfluss auf sie nehmen? Das wäre totaler Blödsinn. Also straffte Emily sich innerlich ein wenig und schenkte Richard ein Lächeln. Das erste dieses Abends, das allein ihm gehörte. „Eigentlich möchte ich gern mehr über die Reise erfahren. Wie lange hast du vor, in Norwegen zu bleiben?“   „Ich denke, die Frage sollte richtiger lauten: Wie lange haben wir vor, in Norwegen zu bleiben? Also eingeplant sind drei Tage. Was natürlich auf die Umstände ankommt. Ich will uns nicht hetzen und wir sollten die Möglichkeit haben, alles in Ruhe anzusehen und zu überdenken. Also eine Verlängerung des Aufenthalts ist immer drin. Falls alles reibungslos läuft, könnten wir auch schon früher wieder zurück sein … je nachdem.“ Er schenkte ihr nun wieder Wein nach, da er den Boden ihres Glases bereits sehen konnte. Auch seines füllte er wieder auf, um ihr nicht den Anschein zu vermitteln, sie würde hier die Flasche alleine leeren. Alles was ihr Unbehagen bereitete, wollte er bereitwillig für sie aus dem Weg räumen. Es sollte ein schöner Abend werden und dafür würde er auch sorgen.   ***   Richard konnte nicht mehr genau sagen, über was sie eigentlich so lachten, dass es fast schon das ganze Haus aufwecken müsste, aber das war auch egal. Er selbst spürte nun den Wein ganz schön deutlich, den sie den ganzen Abend über hatten fließen lassen. Aber Emily schien es etwas mehr getroffen zu haben. Sie schwankte schon leicht auf ihren hohen Schuhen, so dass er ihr die Treppen hinaufhalf und sie beide wieder zu kichern anfingen, als wäre diese Tatsache alleine das Witzigste überhaupt. Richard gab es gerne zu, so sehr wie heute Abend hatte er sich schon seit Jahren nicht mehr amüsiert. Nachdem Emily durch den Wein entspannter geworden war, hatten sie offener zueinander sein können. Da er ohnehin etwas für sie empfand, war es nicht allzu schwer gewesen, sich ihr zu öffnen. Sie jedoch, hatte da noch so ihre Startschwierigkeiten gehabt. Aber jetzt lief der Motor und genau das war das Problem. Der Alkohol war der Grund dafür, nicht er. Vor ihrer Tür musste er ihr dabei helfen, den richtigen Schlüssel zu suchen, damit sie in ihre Wohnung gelangen konnte. Wobei auch das Lachen langsam erstarb und sich die Luft knisternd auflud. Emily sah ihn mit ihren großen dunklen Augen an und seine funkelten zurück. Gott, wie sehr sein Herz dabei schlug. Doch er konnte die Röte ihrer Wangen nicht übersehen und auch nicht den glasigen Blick. Sie war betrunken. Mehr noch als er selbst.   Emily fühlte sich betrunken. Nicht so schlimm, wie an dem Abend im Shadow – bei weitem nicht – aber doch so angeheitert, dass sie aufpassen musste, was sie tat. Bereits als ihr Richard die Treppen hinaufhalf, war sie sich darüber im Klaren, dass nun das kommen würde, was ihr schon den ganzen Abend über immer wieder Sorgen bereitet hatte. Sie mussten sich verabschieden und von dieser Verabschiedung hing einiges ab. Zumindest fühlte es sich für Emily so an. Während Richard ihr bei der Suche nach dem Schlüssel half, kam er ihr so nahe, dass sie wieder sein Aftershave riechen konnte. Außerdem fiel ihr das erste Mal auf, wie groß er war. Er überragte sie um einen Kopf und dabei war Emily nicht gerade klein und trug noch dazu Absätze. Weil sie sich zu schnell zu ihm umdrehte, geriet sie ins Schwanken und hielt sich an ihm fest. Sie konnte spüren, dass es jetzt passieren würde. Richard strich ihr sanft über die Wange und sah ihr in die Augen. Ein wenig erschrocken prüfte sie, was sie fühlte oder ob sie überhaupt etwas für ihn empfand. Doch da war kein aufgeregtes Kribbeln oder erwartungsvolles Herzklopfen. Sie mochte ihn, das stand außer Frage. Und wenn er sie küssen sollte, hätte sie nichts dagegen. Aber von ihrer Seite aus steckte nichts dahinter. Wenn er sie wollte, könnte er sie haben, heute Nacht. Allerdings nur ihren Körper, nicht ihr Herz.   „Das war ein schöner Abend, Emily. Ich hatte schon lange keinen so großen Spaß mehr“, gestand er ihr offen und freiheraus, während er ihr flüchtig eine Wimper mit dem Daumen von der Wange wegwischte. Dabei huschte sein Blick immer wieder zu ihren Lippen. Bestimmt waren sie so seidig und weich, wie sie aussahen. Er hätte sie in diesem Augenblick so gerne geküsst. Allerdings wollte er ihre Situation nicht ausnutzen, also hauchte er ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und löste sich wieder von ihr. „Ich würde mir sehr wünschen, unseren Abend bald wieder einmal zu wiederholen.“   Emily war beinahe erleichtert, als er die Spannung mit einem Kuss auf ihre Wange durchbrach. Sie sah ihn wieder mit einem Lächeln an und dankte ihm in Gedanken dafür, dass er nicht mehr von ihr verlangte als diesen schönen Abend. Und schön war es gewesen. Sie hatte trotz ihrer anfänglichen Befürchtungen sehr großen Spaß gehabt. Sie drückte seine Hand, an der sie sich immer noch festhielt, und lächelte weiter. „Natürlich, das würde mich auch freuen. Aber wir sehen uns sowieso am Montag in der Arbeit.“ Ja, und bereits Dienstag würden sie zusammen nach Norwegen fliegen. Für drei Tage. Allein dafür hatte sich das Abendessen gelohnt. Emily hatte keinerlei Bedenken mehr, mit Richard dorthin zu fliegen und drei Tage oder mehr mit ihm zu verbringen. „Und ich freue mich auf Norwegen mit dir.“ Sie wünschten sich eine gute Nacht und Emily schloss die Tür, so leise sie konnte, nachdem Richard etwas unsicher die knarrende Treppe hinuntergegangen war und sie draußen die Tür des Taxis hatte zuschlagen hören. Drinnen streifte sie erst einmal die Schuhe ab und hängte ihren Schal an die Garderobe. Ihre Füße brachten sie fast um, obwohl sie nicht lange hatte darin gehen müssen. Sie war so angeschwipst, dass sie sich immer wieder konzentrieren und an der Wand festhalten musste, um den Weg ins Bad zu finden. Dort duschte sie noch einmal, kämmte sich die Haare und machte sich bettfertig. Allerdings war ihr nicht aufgefallen, dass sie auf ihrer konzentrierten Reise ins Bad völlig vergessen hatte, ihren Pyjama aus dem Schlafzimmer zu holen. „Egal.“ Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber Adrian war sicher noch nicht zu Hause, also warf sie sich ihr Kleid über den Unterarm und machte sich nur im Slip, den sie sich aus purem Anstand noch übergezogen hatte – man konnte schließlich nie wissen – auf den Weg in ihr Zimmer.   ***   Adrian tanzte so wütend, aggressiv und rücksichtslos wie noch niemals zuvor in seinem Job. All das, was er in Emilys Nähe unterdrücken, verstecken und verleugnen musste, tanzte er an diesem Abend hinaus. Ja, er war wütend. Auf sich und seine Gefühle, die ihn so aufwühlten, obwohl er den Grund dafür nicht verstand. Vielleicht wollte er aber Emily auch einfach nur vor etwas beschützen. Vielleicht vor Typen, wie ihrem Ex, aber Richard hatte nicht so ausgesehen, als gehöre er zu dieser Sorte. Ja, er war aggressiv, weil er sie belügen musste und ihr niemals zeigen durfte, dass er sie als Freundin gerne hatte, sich sogar für mehr interessierte, was ihn auf den nächsten Punkt seiner Gefühle brachte. Die Rücksichtslosigkeit, mit der er sich die Seele aus dem Leib tanzte. Er glaubte nicht, dass er mehr für Emily empfand, als Zuneigung, und immer mal wieder Eifersucht, aber wie zum Teufel sollte er diese Gefühle auch richtig einordnen können, wenn er sie noch nie in diesem Ausmaße erlebt hatte? Hatte er denn schon einmal eine weibliche Freundin, mit der er sich einfach so gut verstanden hatte und wo die Beziehung nicht auf heißen, hemmungslosen Sex basierte? Definitiv nicht. Gierige Frauenhände griffen nach ihm, streichelten die Haut seiner Schenkel, liebkosten seinen Hintern, seinen Rücken und kniffen ihm in den Po, während er sie beinhart ignorierte und sie somit noch mehr aufstachelte, da er hier den unnahbaren, wütenden Racheengel mimte, der in ihm hervorgebrochen war. Je mehr sie ihn berührten, umso wütender wurde er und umso wilder tanzte er.   Als sein Boss nach der Arbeit auf ihn zukam, befürchtete Adrian schon, einen schlimmen Fehler begangen zu haben. Doch seine Befürchtung war unbegründet. Der Kerl wollte ihm mehr freie Nächte geben, dafür musste er öfter auf der großen Bühne auftreten und so eine Show abziehen, wie vorhin eben. Er würde sogar eine Gehaltserhöhung bekommen, wenn er zusagte. Bei dem, was gerade in Adrian vorging, konnte er nur zusagen. Vermutlich würde er einen Indikator brauchen, um nicht wahnsinnig zu werden. Wahnsinnig vor Eifersucht! Gott, warum musste ausgerechnet ihm das passieren? Kapitel 12: 12. Kapitel ----------------------- Adrian kam erst sehr spät am Morgen nach Hause. Es war schon neun Uhr, da er nach der Arbeit noch Joggen gegangen war und danach hatte er sich in ein Café gesetzt, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. Außerdem fürchtete er sich insgeheim, daheim nicht nur Emily anzutreffen, obwohl er nicht glaubte, dass sie bereits jetzt wieder einen Kerl bei ihr im Bett übernachten ließ. Dennoch, Paranoia waren schwer abzulegen. Schließlich ließ er völlig ermattet die Tür zur Wohnung ins Schloss fallen, zog sich schon halb auf dem Flur aus und schlurfte ins Bad, wo er seinen völlig ausgepowerten Körper ausgiebig duschte, sich dann nur noch ein Handtuch umschnallte und mit tropfenden Haaren in sein Zimmer wandelte, als wäre er gerade einem Zombiefilm entstiegen. Ohne die Tür zu schließen, fiel er oben auf sein Bett und war auch schon eingeschlafen, noch ehe er die Decke unter sich gespürt hatte. Er war ja so was von fertig. Ein Geräusch weckte sie auf und nach kurzer Zeit konnte sie es zuordnen. Es war Adrian, der nach Hause kam. Sie wollte auf die Uhr sehen und sich dann gleich wieder umdrehen; wahrscheinlich war es ungefähr fünf Uhr morgens. Um diese Zeit kam er normalerweise aus dem Club heim. Deshalb war Emily beinahe erschrocken, als sie die leuchtenden Zahlen auf ihrem Wecker sah. Es war bereits Vormittag, für sie Zeit zum Aufstehen. Reflexartig wollte sie aufstehen, um zu sehen, ob es Adrian gut ging, aber das Geräusch der Badtür hielt sie glücklicherweise davon ab. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie war weder seine große Schwester, noch seine Mutter. Sie musste sich nicht um ihn kümmern. Mit einem kleinen Hoffnungsschimmer dachte sie außerdem daran, dass sie ihm gesagt hatte, dass er zu ihr kommen könne, wenn es ihm schlecht ging. Da er das nicht tat, blieb sie einfach liegen und schloss noch einmal die Augen, ohne allerdings wieder einzuschlafen. Mit ein wenig klopfendem Herzen dachte sie an den gestrigen Abend und Richards Verabschiedung vor der Tür. Er war anständig und zurückhaltend gewesen. Nett und freundlich wie immer. Außerdem hatten sie eine Menge Spaß gehabt. Und trotzdem… Trotzdem hätte Emily lieber mit dem Mann gesprochen, der gerade leise in ihrer Wohnung über den Gang schlich, als mit dem, der sie gestern zu diesem Luxusdinner ausgeführt hatte. Sie würde sich doch nicht in ihren schwulen Mitbewohner verlieben? Das wäre wieder mehr als typisch für sie. Wenn sie keinen Loser fand, den sie anhimmeln konnte, obwohl er sie noch nicht einmal wollte, dann suchte sie sich eben jemanden, der nicht zu haben war! Sie ärgerte sich so sehr über sich selbst, dass sie nicht anders konnte, als aufzustehen. Ihre Zunge war pelzig und sie hatte einen üblen Geschmack im Mund, vom vielen Wein der letzten Nacht. Auf Zehenspitzen schlich sie auf den Gang und blieb vor Adrians Zimmertür stehen. Sie stand sperrangelweit offen und Emily konnte Adrian nur mit einem Handtuch um die Hüften auf dem Bett liegen sehen. Er sah völlig kaputt aus, mit Ringen unter den Augen und noch nassen Haaren vom Duschen. Emily überlegte, ob sie sich vielleicht zu viel heraus nahm, aber wenn er so liegen blieb, würde er sich wahrscheinlich eine Erkältung einfangen. Die Decken waren einfach zu hoch und die Räume zu kalt. Also hob sie erst einmal seine Klamotten auf, die im Gang herum lagen, legte sie notdürftig zusammen und platzierte sie direkt neben seiner Tür in seinem Zimmer. Dann holte sie eine der Decken aus dem Wohnzimmer und legte sie über seinen Körper, dabei vorsichtig bedacht ihn nicht aufzuwecken. Er rührte nicht einmal eine Wimper, als sie wieder ging und seine Tür hinter sich schloss. Nach dem Frühstück setzte sich Emily mit dem Laptop ins Wohnzimmer, wo das Aquarium fröhlich vor sich hin blubberte und die Fische zufrieden durch das Schloss schwammen. Als Emily das zum ersten Mal sah, war sie völlig aus dem Häuschen. Sie strahlte wie ein kleines Kind und hätte zu gern jemanden neben sich gehabt, dem sie es hätte zeigen können. Als ihr vor allem der gelbe Fisch noch ein paar Mal den Gefallen tat, durch die kleine Öffnung im Turm zu schwimmen, setzte sie sich endlich auf die Couch und surfte im Internet auf der Seite des Museums in Norwegen. Deren Sammlung war beachtlich. Es würde Emily nicht wundern, wenn es noch mehr interessante Objekte zu kaufen gab als die Moorleiche und die Mumie. Nachdem sie ein bisschen recherchiert hatte, gefiel ihr der Gedanke an die Reise nach Norwegen nur noch besser. Auch die Stadt, in der sie unterkommen würden, hatte einiges zu bieten. Museen, schöne Architektur und wirklich schöne Gärten. Allerdings konnte Emily schlecht einschätzen, wie kalt es um diese Jahreszeit in Norwegen war, also googelte sie und war sofort überzeugt, dass sie wohl ein paar dicke Pullover einpacken musste. Weil es schon Dienstag losgehen sollte und sie heute sowieso nicht mehr viel vorhatte, machte sich Emily in der Hochstimmung, die ihr die Bilder aus dem Internet vermittelt hatten ans Packen. Sie zerrte ihren Koffer vom Schrank herunter, wischte erstmal den Staub ab und schlichtete dann Klamotten auf ihrem Bett auf, die in die engere Auswahl kamen, mitgenommen zu werden. Mit Begeisterung suchte sie zusammen passende Unterwäsche heraus, um dann mit einem Set in der Hand stehen zu bleiben. Was dachte sie denn, was in Norwegen passieren würde? Normalerweise zog sie sich nur solche hübsche Unterwäsche an, wenn sie erwartete, dass jemand sie auch sehen würde. Wer der Jemand in diesem Fall wäre, war klar. Aber wollte sie das denn? Wieder beschloss sie, es einfach auf sich zukommen zu lassen. Die endgültige Entscheidung würde sie dann treffen, wenn es so weit war. *** Am frühen Nachmittag wurde er von einem penetranten Klingen geweckt, das ihm einen hämmernden Kopfschmerz verursachte, so laut klingelte es in seinen Ohren. Sein Handy. In seiner Hose. Doch wo hatte er die fallen gelassen? Müde und mit brennenden Augen raffte er sich auf, war aber eigentlich nicht gewillt, sich von dem Bett zu erheben. Da das Klingeln aber nur noch unerträglicher wurde und langsam für sein gematertes Gehirn zu einer Melodie wurde, konnte er sich nun vorstellen, wer ihn da so sehr nervte. Adrian schlüpfte unter der Decke hervor und glitt nackt zu Boden, da er das Handtuch ohnehin schon längst im Schlaf verloren hatte. Die Kälte begann ihn aufzuwecken. Es half. Er konnte jetzt anhand der nervtötenden Melodie seine Hose orten. Sie lag neben seiner Zimmertür, die im Übrigen geschlossen war. Mit dem nackten Hintern am Boden sitzend, lehnte er sich an seine Tür, zog sein Handy hervor und hob ab. Er gab noch nicht einmal ein Brummen von sich. „Hi, Adrian! Na endlich erreich ich dich, Mann. Ich steh direkt vor deiner Haustür. Wollte dich nur vorwarnen, falls du gerade beschäftigt bist.“ Da legte sein bester Freund auch schon auf. Na toll. Da Tyson ihn besser wecken konnte, als ein Kübel voller Eiswasser, kramte er schnell in seinem Schrank nach einer Boxershorts und zog sich ein T-Shirt über, ehe er auch schon hastig über den Gang schlurfte und die Wohnungstür mit einem breiten Gähnen aufmachte. „Lange Nacht gehabt, wie?“, begrüßte ihn sein Freund und drückte ihm eine Tüte mit Fastfood in die Hand, das noch warm war. „Hier für dich. Dachte mir schon, dass du noch nichts gegessen hast. Kann ich reinkommen?“ Das war eigentlich keine Frage, denn er drängte sich schon an Adrian vorbei in den Flur, blieb dann aber artig stehen, als hätte er sich daran erinnert, was Adrian versucht hatte, ihm einzutrichtern. Gegen zwei hörte sie Stimmen auf dem Gang. Oder vielmehr eine Stimme, die ihr überhaupt nicht bekannt vorkam. Aber Adrian musste die Tür geöffnet haben, daher vermutete sie, dass er den Gast kannte. Vielleicht dieser Tyson? Oder doch jemand Anderes? Emily schloss ihren Koffer, der bis auf ihr Waschzeug fertig gepackt war und sah sich dann im Spiegel an. Graue Stoffhose und dunkelgrünes Oberteil mit dicken Socken. Außerdem der für sie typische Pferdeschwanz. So konnte sie Adrians bestem Freund sicher entgegen treten. Sie öffnete ihre Zimmertür und trat auf den Flur, wo Adrian mit seinem Gast immer noch stand und eine Fastfood-Tüte in der Hand hielt. Emily fiel sofort auf, wie müde ihr Mitbewohner aussah. Er hatte ja auch wirklich keine lange Ruhephase bekommen. „Hallo.“ Sie ging auf den ihr unbekannten Mann zu und streckte ihm ihre Hand entgegen und stellte sich vor. Es handelte sich tatsächlich um den viel besagten Tyson. Na, da war sie ja gespannt. „Oh, halloho!“ Tyson nahm die ihm dargebotene Hand und lächelte übers ganze Gesicht, hielt sich aber ansonsten tapfer zurück. Für gewöhnlich begrüßte er Frauen anders, also konnte sich Adrian wohl darauf verlassen, dass sein Freund alles beisammen hielt, was ihm ansonsten so entkam. „Tyson, Emily. Emily Tyson.“ Er musste nicht erwähnen, dass sie seine Mitbewohnerin war und er sein bester Freund. Das wussten beide ohnehin schon. „Ich habe extra mehr zu Essen mitgebracht, falls Sie auch etwas haben möchten.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter und Adrians Augenbraue schoss fragend in die Höhe. Seit wann siezte Tyson jemanden? Erst recht eine Frau? Aber hallo, da zeigten sich offenbar ganz neue Seiten an seinem besten Freund. Um es dem schwarzhaarigen Typen mit dem breiten Rücken, nicht noch schwerer zu machen, klopfte Adrian ihm auf die Schulter und dirigierte ihn geradewegs in die Küche. „So wie ich dich kenne, hast du dir selbst auch noch etwas mitgebracht.“ Klar, Tyson war immer hungrig. Aber er musste auch eine ganz schöne Statur füttern. Sein bester Freund war fast noch um ein paar Zentimeter größer als Adrian und selbst Adrian konnte man nicht als klein bezeichnen. Außerdem war er von vorne bis hinten wie ein Zuchtbulle muskelbepackt. Kein Wunder. Er war nicht nur Türsteher, sondern auch Rausschmeißer, was ihm haufenweise Mädels einbrachte. „Setz dich doch und reiß dich bloß zusammen.", fügte Adrian noch an, während er Tyson auf einen Stuhl verwies und dann Teller holte, um den Tisch zu decken. Dabei geisterte ihm die Frage durch den Kopf, wie wohl Emilys Abendessen gelaufen war. Aber er hielt sich streng zurück, da jedes noch so zweideutige Detail seinen Freund aus der Reserve locken könnte, damit dieser etwas Unpassendes sagte. „Schöne Wohnung, habt ihr da. Zumindest sieht die Küche schon recht gemütlich aus, vielleicht etwas leer, aber…“ Tyson verstummte, als hätte er Angst, Emily mit seinen Worten zu beleidigen. „Wir wollen uns noch Barhocker kaufen und ein paar andere Dinge. Sieht wirklich noch leer aus.“, half ihm Adrian wie nebenbei aus der Patsche. Er packte das Essen aus – Chinesisch – und nahm schließlich statt den Tellern Schüsseln, damit sie leichter essen konnten. Er liebte es mit Stäbchen zu essen. „Emily, hast du auch Hunger?“, fragte er sie schließlich, ohne sie anzusehen. Adrian war heute noch nicht ganz da, darum konnte er nicht für seine Gesichtszüge verantwortlich gemacht werden. Nebenbei stellte er sich auch noch einen starken Kaffee auf. „Kann ich mich etwas umsehen, während du das Essen auspackst?“, fragte Tyson offensichtlich ungeduldig und war auch schon wieder aufgestanden. „Ehm…ja.“ Adrian suchte den Blick seines besten Freundes und vermittelte ihm eine klare Botschaft. – Lass die Finger bei dir und pass bloß auf, was du sagst – Tyson zwinkerte ihm grinsend zu, ehe er sich auf den Flur begab und einen Blick ins Wohnzimmer warf. „Wow, ihr habt ein Aquarium?“ Begeistert stürmte er ins Wohnzimmer und blieb vor der Glasscheibe hängen. „Hey, Adrian, hast du den Gelben schon mal gesehen? Der schwimmt gerade durch diesen Turm hindurch. Geil, Alter!“ Dank seiner Euphorie über etwas so Simples wie Fische, vergaß er kurzweilig die Zügelung seines Sprachgebrauchs. Aber das war nicht schlimm. Emily mochte Männerfreundschaften. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund sah sie gern dabei zu, wie gute Freunde miteinander umgingen. Vor allem, wenn die Typen so unterschiedlich waren wie Adrian und sein bester Freund. Tyson erinnerte sie sofort an einen etwa Sechzehnjährigen mit zu viel Selbstbewusstsein. Er verhielt sich zwar höflich und ruhiger, als sie erwartet hatte, aber als er begeistert aufsprang, um die Wohnung zu erkunden und mit diesem Kommentar vor dem Aquarium hängen blieb, konnte Emily offensichtlich einen kurzen Blick auf den Tyson erhaschen, wie Adrian ihn kannte. „Ja, Adrian hat sich das Aquarium angeschafft. Ich kann nicht wirklich mit Tieren oder Pflanzen umgehen, daher habe ich nur beim Aussuchen geholfen.“ Emily zeigte Tyson noch das Bad, bevor sie in die Küche zurück gingen und sich an den Tisch setzten. Adrian war so nett gewesen auch für Emily zu decken, aber sie lehnte ab. Das Essen von gestern würde ihr bestimmt noch bis zum Abend reichen. „Danke, ich bin noch gar nicht hungrig. Aber könnte ich eine halbe Tasse Kaffee abzweigen?“ Sie ging zum Kühlschrank hinüber, um die Milch heraus zu holen und sah den dunkelhaarigen Riesen lächelnd an, der an ihrem Küchentisch saß. „Tyson, möchten Sie Cola? Wir haben noch eine Flasche da. Ist aber leider light.“ „Ehm…“ Tyson versuchte auf seinem Stuhl ruhig zu bleiben, doch Adrian sah schon jetzt, dass er gleich loslegen würde. Da er seinem Freund aber vertraute, schenkte er in zwei Tassen Kaffee ein, ohne etwas zu sagen. „Also gerne, solange wir uns duzen könnten? Und Light ist völlig okay.“ Sein Blick wurde wie der von einer treuherzigen Bulldogge. Ein Blick, der schon viele Frauen entwaffnet hatte, sofern er dazu noch seine körperlichen Vorteile anpreisen würde, was er in diesem Augenblick zum Glück nicht tat, da er sonst eine von Adrian eingefangen hätte. Ob er es nun verdiente oder nicht. Da war wieder diese knurrende Bestie in seinem Brustkorb. Da Tyson aber sich anschließend gleich wieder dem Essen widmete – mit Besteck, alles andere wäre zu kompliziert für ihn – war die Gefahr wohl nie wirklich da gewesen. Obwohl, manchmal war ihm Essen wirklich wichtiger als Frauen. Sowas kam durchaus vor. Nachdem er die Kaffeetasse auf Emilys Platz abgestellt hatte, drehte er seinen eigenen Stuhl so herum, dass er sich mit dem Oberkörper auf der Lehne abstützen konnte, während er aß. Das hatte er auch dringend nötig. Wenigstens hatte er keine Probleme, die Stäbchen zu benutzen. „Danke noch mal für das Essen. Echt nett von dir.“, teilte Adrian seinem besten Freund mit, während Emily ihm ein Glas mit der Cola Light vorsetzte. „Kein Ding. Ich weiß ja, dass du nach deiner Arbeit erst immer so spät aufstehst. Heute wieder?“, fragte er, ehe er sich eine große Portion Nudel mit Soße in den Mund steckte. „Ja, heute noch, dann habe ich bis zum nächsten Wochenende frei.“, gab Adrian relativ tonlos zurück. Er war wirklich noch ziemlich müde. „Bin sozusagen befördert worden. Ich muss nur noch drei Tage die Woche arbeiten, außer ich will einmal am Wochenende frei haben. Dann kann ich mal unter der Woche einspringen.“ „Echt? Ist doch klasse. Wann willst du wieder mal weggehen? Das letzte Mal ist schon so verdammt lange her, seid du Alex-" Adrians Blick fuhr hinüber zu Tyson und tackterte ihn regelrecht mit seinen blitzend blauen Augen dort fest. Er spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken runter lief. Hätte er doch wissen müssen, dass Tyson sich verplapperte, wenn er mal zu Quatschen anfing. „Ich will kein Wort mehr von Alex hören. Kapiert? Die Sache ist gegessen.“, gab er knirschend zurück und hoffte, dass Emily Alex für einen Kerl hielt und nicht für die Schlampe, die sie eigentlich war. Danach aß er schweigend weiter, oder zumindest versuchte er es, denn auf einmal wurde ihm schlecht. Der verhärtete Gefühlsknoten in seinem Bauch, brachte seinen Magen in Aufruhr. „Entschuldigt mich bitte.“ So ruhig er konnte, stand er auf und schlurfte ins Bad. Dort drehte er das Wasser auf und hängte sich dann über die Kloschüssel, damit man ihn nicht hören konnte. Tyson sah ihm hinterher, als wüsste er mehr, als man ihm an Wissen zutrauen würde. „Sorry, Alter.“, nuschelte er mehr zu sich selbst. Bei dem Gespräch der beiden kam Emily gar nicht wirklich zu Wort. Sie hatte nur kurz genickt, als Tyson ihr das Du angeboten hatte, obwohl sie bestimmt die Ältere war. Aber das machte nichts. Wenn er Adrians bester Freund war, würde er sicher öfter hier auftauchen und Emily sah keinen Grund, warum sie sich auf dieser hoch offiziellen Ebene unterhalten sollten. Das mit Adrians Beförderung hörte sich wirklich gut an. Gerade wollte Emily ihm das auch sagen, als Tyson ihr in die Parade fuhr und sich die Stimmung im Raum blitzartig änderte. Adrians Reaktion war so aggressiv und abwehrend, dass Emily fast kalt wurde. Als er aufstand und aus dem Zimmer verschwand, sah sie Tyson fragend an, der aber seine Nudeln fixierte und eine Entschuldigung vor sich hin nuschelte. Emily hatte noch nichts von ihrem Kaffee angerührt und würde es auch nicht tun. Ihr Körper schien unter Druck zu stehen und sie wusste nicht warum. Da Adrian so schnell und tonlos verschwunden war und eine ganze Weile nicht mehr auftauchte, konnte sie sich nicht viele Sachen vorstellen, die er im Bad tun konnte. Beide Varianten waren nicht erfreulich und Emily tat es richtig leid, dass das Treffen mit Tyson gleich so schlecht begonnen hatte. Um die Stimmung nicht noch unter den Gefrierpunkt sinken zu lassen, wo sie sich gerade befand, wollte Emily irgendetwas sagen. Allerdings kam sie nicht dazu, weil ihr Handy klingelte. Sie entschuldigte sich kurz bei Tyson und nahm ab. „Hallo?“ „Hey Em! Na, wie war’s?“ „Oh, hey!“ Es war Mona, die natürlich neugierig war, wie der Abend mit Richard verlaufen war. „Hast du Zeit mir alles zu erzählen? Ich bin gerade auf dem Weg in die Stadt. Lass’ uns auf einen Kaffee oder so was gehen.“ Emily sah zu Tyson hinüber, der jetzt allein an ihrem Küchentisch saß und bat Mona zu warten. „Ehm, es tut mir total leid, aber ich müsste weg.“ Ihre Miene verfinsterte sich, als sie nach Adrian fragte. „Er ist doch ok, oder?“ Sie wollte Tyson eigentlich nicht so allein hier sitzen lassen, auch wenn er Adrians Freund war. Aber andererseits war es ihrem Mitbewohner vielleicht auch lieber, wenn sie verschwunden war, sobald er wieder aus dem Bad auftauchte. Und Tyson sah so aus, als könnte er durchaus auf sich selbst aufpassen und solange der Teller mit Nudeln vor ihm stand schien er zufrieden. „Hallo, bist du noch da? Ja, ok, ich mach mich auf den Weg. Bis gleich.“ Sie verabredete nur noch schnell, wo sie sich treffen würden und legte dann auf. Im Aufstehen hielt sie Tyson die Hand hin, die er drückte und verabschiedete sich mit echtem Bedauern in der Stimme, wobei es eher der Situation galt, in der sie Adrian allein ließ als seinen Freund. Ihr war kalt und sie konnte einfach nicht anders, als zumindest kurz an die Badtür zu klopfen. Drinnen konnte sie das Wasser laufen hören. „Adrian? Alles ok?“ Adrian atmete flach und schnell, während ihm bereits vor Anstrengung der Schweiß über das Gesicht lief. Doch da rollte bereits die nächste Übelkeitswelle an und er beugte sich schon merklich geschwächt über den Rand der Kloschüssel, um zu würgen. Inzwischen war ohnehin nichts mehr in seinem Magen. Als diese Welle abebbte, ließ er sich vollkommen zu Boden gleiten und hielt seinen heißen Kopf gegen die kühlenden Fließen. Erst aus diesem Blickwinkel wurden ihm die gelben Gummientchen bewusst, die Emily als Zierde gekauft hatte. Es wurde Zeit für eine echte Gummiente, dachte er sich, während sich alles in seinem Kopf drehte. Erst als Emily an die Tür klopfte, wurde er sich bewusst, dass das Wasser immer noch lief. Also raffte er sich langsam hoch und stellte es ab, um die Kosten nicht zu erhöhen. Danach ließ er sich wieder auf den Badezimmerteppich nieder und rollte sich ein. „Ja…“, murmelte er lautlos krächzend, ehe er es noch einmal versuchte. „Alles … in Ordnung.“ Na also, ging doch. Seine Stimme hatte fest geklungen, wenn auch unendlich müde. Genauso fühlte er sich auch und diese hämmernden Kopfschmerzen trieben ihn schier in den Wahnsinn. Gott, er wollte einfach nur noch schlafen! Tyson trat neben Emily an die Badezimmertür. „Geh nur. Ich kümmere mich schon um ihn. Ist nichts Neues für mich.“ Er versuchte Emily beruhigend anzulächeln und unterdrückte den Zwang, sie aus der Wohnung zu schieben. Emily stand im Hausflur und merkte gar nicht, dass ihre Hand zitterte, die krampfhaft die Handtasche festhielt. Sie war soeben aus ihrer eigenen Wohnung geschmissen worden. Noch dazu, weil oder obwohl es Adrian so schlecht ging. Erst jetzt war ihr wieder bewusst geworden, wie wenig sie doch von ihm wusste. Und sie hatte wirklich geglaubt, dass sie Freunde waren und er Hilfe von ihr annehmen würde. „Scheiße.“ Bekümmert stapfte sie die Treppen hinunter und in den fast lächerlich sonnigen Tag hinaus, um sich mit Mona in einem der nahe gelegenen Cafés zu treffen. Als Emily endlich gegangen war, öffnete Tyson ohne zu zögern die Badezimmertür. „Du siehst echt beschissen aus, mein Freund.“ Er beugte sich zu Adrian hinunter und half ihm auf die Beine. „Seit das mit Alex war, hattest doch keine Migräne mehr. Was ist es diesmal?“, fragte er leise und in ruhigem Tonfall, damit er die Kopfschmerzen von Adrian nicht noch verschlimmerte, die bestimmt gewaltige Ausmaße besaßen. Adrian ließ sich mehr oder weniger schon in sein Zimmer tragen und schüttelte nur den Kopf. Er wollte jetzt nicht darüber reden, sondern nur noch den tröstenden Schlaf empfangen, der ihn ohnehin gleich niederstrecken würde. Behutsam legte Tyson seinen Freund auf dessen Bett ab und deckte ihn ordentlich zu. „Wo hast du dein Paracetamol?“ Adrian bekam nicht einmal mehr die Augen auf, aber die Aussicht, auf das Schmerzmittel war zu verlockend. Danach würde das hier alles sehr schnell überstanden sein. Also hob er schwach die Hand und deutete auf ein kleines Täschchen, das in einem sackähnlichen Regal an der Innenseite der Tür hing. Tyson holte ihm die Tabletten und dazu noch Wasser. Er half ihm beim Einnehmen, ehe er dabei zusah, wie Adrian endlich einschlief. Scheiße. Er hatte ihn nicht so aufwühlen wollen. Normalerweise passierte das wahnsinnig selten bei Adrian. Schweigend blieb er sitzen und wartete darauf, dass es seinem besten Freund wieder besser ging. *** Mona erkannte schon als ihre kleine Schwester zur Tür herein kam, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. „Was ist denn passiert? War der Abend so schlimm?“ „Nein… Es ist Adrian, ich…“ Sie erzählte Mona, was passiert war und die Miene ihrer Schwester verfinsterte sich zunehmend, je länger Emily erzählte. „Em, ich weiß, das willst du jetzt nicht hören, aber du solltest dir wirklich nicht so viel dabei denken.“ Als Emily sie ansah, hob Mona sofort abwehrend und entschuldigend die Hände. „Sieh’s doch mal objektiv. Ihr wohnt seit zwei Wochen zusammen. Noch nicht einmal. Hättest du Lust, Adrian zu dir zu lassen, wenn es dir derart schlecht geht, dass du dich im Bad einschließt? Noch dazu wenn zum Beispiel ich ebenfalls da wäre?“ Emily sah ihre Schwester an und musste ihr Recht geben. Trotzdem hatte es ihr ein wenig wehgetan, dass sie so weggedrängt worden war. Aber das würde sie akzeptieren müssen. So schwer es ihr auch fiel. Um ihre kleine Schwester von ihren trüben Gedanken abzulenken, fragte Mona wieder nach dem Dinner mit Richard. Emily erzählte ihr alles haarklein und je näher sie der Verabschiedungsszene kam, desto entspannter wurde sie beim Erzählen. Ebenso, wie es gestern Abend bei der Verabredung gelaufen war. „Und? Hat er dich geküsst?“ Monas Augen hatten einen schelmischen Ausdruck, während sie in ihrer bereits nur noch halbvollen Cappuccinotasse rührte. „Nein.“ „Ach, komm schon!“ „Nein, ehrlich. Kein echter Kuss, nur ein Hauch auf die Wange. Er war anständig.“ „Na ja, auch nicht schlecht.“ „Finde ich auch. Immerhin fliegen wir am Dienstag zusammen für drei Tage nach Norwegen. Da wäre es schon seltsam gewesen, wenn die Verabredung mit einem Kuss geendet hätte.“ „Oh, drei Tage…“ Wieder dieses schelmische Blitzen in Monas Augen. „Glaubst du, dass er was versuchen wird?“ Nach einer Pause fügte sie die Frage hinzu, die Emily nicht einmal sich selbst beantworten konnte. „Was machst du, wenn er was versucht?“ *** Nach einer Weile – es kam ihm gerade mal wie Minuten vor – wurde Adrian wieder wach, da er einen gewaltigen Durst hatte. Kein Wunder, er hatte ganz schön gereihert und jetzt brannte seine Kehle, als hätte er Salzsäure geschluckt. Zum Glück kannte Tyson ihn schon ziemlich gut in dieser Lage, darum stand ein voller Krug mit Wasser und ein bereits gefülltes Glas neben ihm auf dem Nachttischchen. „Wie lange?“, fragte Adrian, als er sich langsam aufsetzte und das Glas an seine spröden Lippen hielt und vorsichtig trank. Nur weil sein Magen sich im Augenblick beruhigt hatte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht gleich wieder die Kloschüssel umarmen musste. „Ungefähr eine Stunde. Du fängst dich langsam wieder.“, stellte Tyson fest, der es sich auf Adrians Couch gemütlich gemacht hatte und den halbnackten Mann über Adrians Bett anstarrte. Dabei mit einer Miene im Gesicht, die er nicht deuten konnte. „Emily?“ „Hat einen Anruf bekommen und ist weg.“ Tyson riss seinen Blick von dem Poster los und sah Adrian entschuldigend an. „Hör mal, ich-“ Adrian hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. Keine gute Idee. Sofort klingelte es in seinen Ohren, ebbte aber schnell wieder ab, so dass er dieses Mal einen großzügigen Schluck voll Wasser trinken konnte. „Es ist nicht deine Schuld. Glaub mir. Das hab ich selbst auszubaden.“ Er seufzte. „Woran liegt es denn dann? Ich meine, ich weiß ja, dass ich nicht unbedingt der Typ bin, dem man alles anvertraut, aber du hast mir schon eine ganze Weile nichts mehr erzählt und da ich meines Wissens nach dein einziger Kummerkasten bin, muss sich bei dir schon ganz schön viel aufgestaut haben. Also versuch das jetzt nicht zu leugnen, sondern rede endlich!“ Adrian war zu müde, um über Tysons ernsthafte Offenheit erstaunt zu sein. Gleichzeitig schämte er sich dafür, seinen Freund auf diese Weise vernachlässigt zu haben. Wieder seufzte er. „Okay, die Kurzfassung: Alexandra hat es fast geschafft, mir das Herz zu brechen, in dem sie mir beinhart ins Gesicht sagte, ich wäre nur gut zum Ficken, aber alles darüber hinaus sei ich nicht wert, weil ich nie was besseres sein werde als ein dreckiger Stricher.“ Tyson fiel die Kinnlade hinunter. Erstens hörte er Adrian selten SO offen sprechen und zweitens, wie konnte es diese Schlampe wagen, so etwas zu ihm zu sagen? Doch anstatt nachzufragen, ließ er Adrian weiter reden. „Es war kurz nachdem ich ihr gestanden habe, warum es mir so schwer fällt, mich emotional auf jemanden einzulassen. Eben weil ich es nur gewohnt bin, wie ein Stricher behandelt zu werden, da ich einmal einer war. Ihre Reaktion darauf, kennst du jetzt ja.“ Er strich sich das rote Haar nach hinten und fühlte seine Stirn. Fast normale Temperatur, dennoch zitterte er. „Darum bin ich auch weggezogen. Nicht nur, weil ich jetzt näher an meinem Arbeitsplatz bin, sondern weil sie mich auch nicht mehr erreichen kann. Jetzt muss ich Emily anlügen und vorgeben, ich sei schwul, obwohl ich langsam glaube, dass ich mich für sie interessiere. Zumindest scheint sich das so anzufühlen. Aber ich kann ihr nicht näher kommen, weil sie das nicht verstehen würde und weil sie mich dann vermutlich aus der Wohnung jagen würde, die mir inzwischen ziemlich ans Herz gewachsen ist.“ Er schwieg einen Moment, damit Tyson die Gelegenheit hatte, einmal zu Wort zu kommen, doch das Schweigen wurde nur immer länger. „Außerdem glaube ich nicht, dass ich noch länger meinen Zweitjob ausführen kann.“ Er schlang seine Arme beschützend um sich und starrte auf seine Bettdecke. „Ehrlich, Adrian. Ich habe dir schon längst gesagt, du sollst damit aufhören. Kein Traum ist es wert, dass du dich dafür vorher schon kaputt machst. Du bist jetzt schon völlig verkorkst, das wird dadurch sicher nicht besser werden. Wann oder besser gesagt, wie willst du lernen, eine richtige Beziehung zu führen, wenn du nebenbei diesem Job nachgehst? Könntest du deiner Freundin dabei in die Augen sehen?“ Adrian drehte langsam den Kopf zu seinem Kumpel, der wieder das Männerposter anstarrte und nervös mit den Bändern seiner Jacke spielte. „Wenn es nur das wäre.“ Die Finger hielten inne, Tysons grüne Augen richteten sich auf ihn. „Was ist denn noch das Problem?“ Am liebsten hätte Adrian sein Gesicht in die Decke vergraben und wäre daran erstickt. Es fiel ihm verdammt schwer, das vor seinem Freund zuzugeben, aber er konnte es nicht mehr länger zurück halten. „Es … gefällt mir nicht…“, gab er zögernd zu. „Was gefällt dir nicht?“, hakte Tyson seltsam sanft nach, als könne er mit allem anderen Adrian am Sprechen hindern. Adrian stöhnte gequält, ehe er sich seinem Gefühl beugte. „Der Sex. Ich hasse es. Ich fühle nichts, was angenehm wäre. Ich bin zwar bereit und soweit funktioniert auch alles, aber ich komme nicht zum Punkt. Ich … Ich kann’s nie durchziehen.“ Schweigen. Langes, drückendes, unangenehmes Schweigen. Adrian konnte Tyson nicht ansehen. „Adrian.“, begann da eine seltsam behutsame Stimme. „Ist schon gut, Kumpel.“ Die Matratze senkte sich unter dem Gewicht seines Freundes, wodurch Adrian mit einem Ruck hoch sah. Was? Nervös fuhr sich Tyson durch die Haare. Okay, vielleicht nicht nervös, sondern unsicher. „Um ehrlich zu sein, ich schaff’s auch nicht immer. Hat aber nichts mit deinem Körper zu tun, sondern ist reine Kopfsache. Verstehst du? Ich bin mir sicher, wenn du diese ganze Scheiße einmal hinter dir gelassen hast, wird das auch klappen. Immerhin weiß ich doch, dass du dazu in der Lage bist. Das damals im Ferienlager hab ich nicht vergessen. Gott, was waren wir dämlich.“ Jetzt begann er schwach zu lächeln und Adrian stieg auf diesen Stimmungswechsel nur zu bereitwillig ein. „Soweit ich mich erinnern kann, kamst du nicht einmal in die Nähe des Bechers…“ *** Lang und breit hatten Emily und Mona die Möglichkeiten und Eventualitäten des Norwegentrips auseinander genommen. Aus der Tasse Kaffee, auf die sie sich eigentlich hatten treffen wollen, war ein zusätzliches Abendessen geworden und trotzdem fühlte Emily sich so, als wäre sie keinen einzigen Schritt weiter in ihren Überlegungen. „Aber er ist mein Chef.“, sagte sie zum wiederholten Male, während Mona in ihren Tortellini herumstocherte und die Käsesauce zu einem kleinen See in der Mitte des Tellers zusammen schob. „Warum machst du dir denn darüber Gedanken? Er will doch was von dir! Wärst du diejenige, die sich aus heiterem Himmel an ihn heran schmeißt, wäre das was Anderes.“ Sie sah ihrer Schwester beschwichtigend in die Augen. „Lass’ ihn doch einfach machen. Wenn dir danach ist, könnt ihr euch in Norwegen ein Bett teilen. Und wenn nicht, dann eben nicht.“ Emilys Stimme war leise, als sie antwortete. „Ich will bloß nicht wieder diejenige sein, die er anruft, um das Bett zu teilen und sonst nichts.“ „Glaubst du denn, dass Richard sich derart Mühe geben würde, wenn er nur auf Sex aus wäre?“ Mit einer schwungvollen Geste steckte Mona sich eine Nudel in den Mund und sah sie fragend an. Emily dachte wieder über den Verlauf des Abends nach. „Wahrscheinlich nicht. Sonst hätte er wohl gefragt, ob er noch auf einen ‚Kaffee’ mit reinkommen kann.“ „Na, siehst du. Lass es doch einfach auf dich zukommen. Wie gesagt…“ Ja, „wie gesagt“. Die beiden drehten die Geschichte noch ein paar Mal herum, besahen sich die Fakten oder auch die Vermutungen von allen Seiten und kamen zu dem Schluss, dass Emily würde spontan entscheiden müssen. Noch war eigentlich gar nichts passiert und so konnte es unter Umständen auch bleiben. Nach einer weiteren Stunde setzte Mona Emily vor der Haustür ab und wünschte ihr viel Spaß für die Reise. Immerhin würden sie sich vor Dienstag wohl nicht noch einmal sehen. Als Emily die Treppe zum ersten Stock hinauf stieg, sah sie auf die Uhr. Es war gegen halb acht und Emily hoffte, dass Adrian schon zur Arbeit gegangen war. Das war das erste Mal, dass es ihr unangenehm gewesen wäre, ihm zu begegnen. Sie hätte nicht gewusst, was sie sagen sollte. Sie wäre sich in jedem Fall dumm vorgekommen, egal ob sie ihn gefragt hätte, was passiert war oder nicht. Sie sollte nicht so neugierig sein. Ein wenig vorsichtig schloss sie die Tür auf und lugte in den Flur hinein. Selbst wenn er zu Hause war, schlief er vielleicht oder war im Bad. Emily würde sich einfach in ihr Zimmer verdrücken, außer Adrian fing sie ab und wollte tatsächlich mit ihr reden. Was sie allerdings bezweifelte. *** Er hatte die richtige Entscheidung getroffen. Das wusste er spätestens, als der Bass der Musik ihn umfing. Die Melodie lullte ihn auf eine Weise ein, die Alkohol oder andere Drogen es nie könnten. Es ging ihm schon etwas besser. Eigentlich hätte Adrian wohl lieber Zuhause bleiben sollen, aber er wollte sich von seinem plötzlichen Migräneanfall nicht runterziehen lassen. Immerhin waren die meistens schnell wieder verschwunden, wenn er sich das Schmerzmittel einwarf, sich etwas ausschlief und viel Flüssigkeit zu sich nahm. Im Augenblick spürte er nur noch ein leichtes Brummen im Kopf und da er ohnehin nichts gegessen hatte, war die Übelkeit fast vollkommen verschwunden. Doch was besser geholfen hatte als das Schmerzmittel, war Tyson gewesen. Mann, der Kerl konnte einen immer wieder überraschen. Und heute hatte er Adrian wirklich dermaßen überrascht, wie in den letzten zwanzig Jahren nicht. Andererseits, er hatte nie wirklich zugelassen, dass sein bester Freund auch einmal auf diese Art zu ihm kam. Er hatte immer geglaubt, Tyson wäre für diese Art von Gespräch nicht erwachsen genug. Doch ganz offensichtlich hatte sich Adrian da geirrt. Das Reden hatte geholfen. Erst recht, da sein Kumpel ihn für sein Geständnis nicht ausgelacht oder gar aufgezogen hatte. Nein, ganz im Gegenteil, er hatte Adrian sogar getröstet. Das war wirklich ein Ding! Während des Tanzes, den er dieses Mal etwas vorsichtiger anging, da ohnehin genug Publikum im Club herrschte, überlegte er sich, dass er würde mit Emily reden müssen. Er konnte und wollte das nicht so einfach stehen lassen. Eine Entschuldigung und eine kurze Erklärung für sein Verhalten sollten schon drin sein. Immerhin waren sie jetzt Mitbewohner. Wenn sie sich nicht vertrugen, könnte es keiner allzu lange mehr in dieser Form mit dem anderen aushalten. Also war es beschlossene Sache, mit ihr zu reden. Was sich wiederum besser anfühlte, jetzt da er wieder ein Ziel vor Augen hatte. Kapitel 13: 13. Kapitel ----------------------- Da Adrian für gewöhnlich früh heim kam, schlief Emily noch und als er mit seinem eigenen Schlaf durch war, war sie natürlich schon bei der Arbeit. Aber deshalb machte er sich keine Gedanken. Stattdessen versuchte er sein inneres Gleichgewicht zu finden, in dem er sich mit einer Portion Tee auf die Couch hockte und das neue „Heimkino“ betrachtete. Es stimmte. Der gelbe Fisch schien besonders von dem Turm angetan zu sein. Er gönnte Adrian mehrere Vorführungen, ehe er sich hinter ein paar Pflanzen zurückzog. Gegen Abend hin, versuchte sich Adrian an einer großen Portion Pfannkuchen. Etwas, das er wenigstens zustande brachte, wenn auch sonst schon so manches in der Küche bei ihm schief ging. Dazu machte er noch einen Fruchtsalat und deckte den Tisch. Nicht zu aufgemotzt, als hätte er irgendetwas vor, aber doch mit der Menge an Beachtung, die auf eine anbahnende Entschuldigung hinwies. Als er fertig war und noch einen letzten prüfenden Blick über sein Werk gleiten ließ, setzte er sich auf seinen Stuhl und wartete. Jetzt doch nervös, aber wenigstens wieder halbwegs auf gleich. Mit dem Sarkophag kam sie an diesem Tag gut voran. Die Farben hatten über das Wochenende gehalten und mussten nicht nachbearbeitet werden, was bedeutete, dass sie mit der Blattgold-Restauration beginnen konnte. Das machte noch mehr Mühe, lohnte sich aber in jedem Fall. Bei jeder Fläche, die sie bearbeitete und sich danach ansah, leuchteten ihre Augen zufrieden auf und sie schmunzelte unter der Maske, die die Goldpartikel von ihren Atemwegen fern halten sollten. Zum Mittagessen traf sie sich mit Richard in einem kleinen Kaffee und war danach weniger aufgeregt, was den morgigen Tag und die bevorstehende Reise anging. Sie freute sich inzwischen nicht nur auf die Exponate, die sie beurteilen sollte, sondern auch darauf Zeit mit Richard zu verbringen. Dementsprechend gut gelaunt kam sie nach Hause, stellte ihre Schuhe und die Handtasche neben die Tür und ging sogar summend in die Küche. Dort hielt sie allerdings erstaunt inne, als sie Adrian auf dem Stuhl sitzen sah und von dem Duft nach Pfannkuchen umfangen wurde. Der Duft war anheimelnd, aber Adrians Anblick riss Emily in ihre Gedankenwelt von gestern zurück. Sie hatte ihn über ihre Arbeit und das neuerliche Treffen mit Richard fast vergessen. Auch das war ihr jetzt peinlich, was sie allerdings herunter zu spielen versuchte. Sie lächelte ihn an und sah sich in der Küche um, als sie sich ein Glas Wasser machte und an die Küchenzeile gelehnt trank. Immerhin sah Adrian wesentlich besser aus als gestern. Trotzdem fühlte Emily sich in seiner Gegenwart auf einmal unwohl. Die ganze Sache war ihr peinlich. Vor allem ihre Reaktion und dass sie erwartet hatte, er würde Hilfe von gerade ihr brauchen. „Hey. Na, wie geht’s dir? Erwartest du jemanden?“ Der gedeckte Tisch ließ eindeutig darauf schließen, dass er nicht für sich allein gekocht hatte. Als sie endlich bei der Tür herein kam, hielt er mit dem Fußtippen inne, was eine Reaktion auf seine Nervosität war und wurde sofort noch nervöser. Er spürte es in seinem Bauch, wie sich dort drin alles herum zu winden schien, auf eine nicht schmerzhafte Art, was dennoch ganz schön ablenkte. Doch er verbarg dieses Gefühl und setzte ein ernst gemeintes Lächeln auf, als sie herein kam. „Um ehrlich zu sein, ich erwarte dich.“, gab er mit etwas gedämpfter Stimme zu und lächelte dann noch schöner, um seine Nervosität zu verbergen, die größer wurde. „Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Mir ist schlecht geworden und ich wollte dir den Anblick ersparen, wie ich da so über der Kloschüssel hänge. Ich kann mir vorstellen, dass du darauf nicht so scharf gewesen wärst. Aber trotzdem danke, dass du nach mir sehen wolltest. Tyson hat sich um mich gekümmert.“ Jetzt fing er eindeutig zu quasseln an. „Der Kerl hat mich schon in allen möglichen Lebenslagen gesehen, den schreckt so schnell nichts ab. Sorry, dass ich dich mit ihm einfach so sitzen gelassen habe, das war ziemlich unhöflich.“ Und Punkt. Bevor er hier noch mehr von sich preisgab, als im Augenblick gut gewesen wäre. Er stand schließlich vom Stuhl auf und holte sich ebenfalls etwas zu trinken. „Setz dich doch, wenn du möchtest. Wie war dein Tag?“ Er wollte gar nicht so tun, als wäre jetzt plötzlich alles wieder anders, aber er wollte die Situation entschärfen, immerhin konnte Emily ja nichts dafür. Mona hatte also wie so oft Recht behalten. Natürlich hatte Adrian nicht gewollt, dass Emily sah, wie er sich übergeben musste. Das konnte sie mehr als nur nachvollziehen, immerhin gab man nicht gern vor anderer Menschen Augen sein Essen wieder von sich. „Kein Problem, dafür musst du dich nicht entschuldigen.“ Dass es kein Problem war, stimmte nicht ganz. Immerhin hätte sie sich sonst über die Situation nicht so viele Gedanken gemacht. Aber dass er sich nicht entschuldigen musste, das meinte sie sehr ernst. „Bist du denn krank oder hast du allgemein was mit dem Magen?“ Das konnte durchaus sein. Greg, ihr großer Bruder, bekam auch sofort Magenschmerzen, wenn es ihm aus irgendwelchen Gründen schlecht ging oder er großen Stress hatte. Er musste sich zwar nicht – wie Adrian – übergeben, aber bei ihm zeigte sich das auf entgegen gesetztem Wege. Konnte ja auch sein, dass Adrian irgendwelches Essen nicht vertrug. Emily setzte sich auf ihren Platz – seltsam, dass sie schon nach so wenigen Tagen das Gefühl hatte, einer der Stühle am Küchentisch würde ihr gehören – und spielte ein wenig mit der Gabel herum, die Adrian ihr hingelegt hatte. „Mein Tag war gut, danke. Ich bin mit dem Sarkophag so weit gekommen, wie ich wollte. Ansonsten hätte ich die ganze Woche ein schlechtes Gewissen gehabt, weil ich nicht weiter arbeiten kann. Immerhin muss ich in weitestem Maße einen Zeitplan einhalten.“ Und wenn sie in Norwegen war, würde die Arbeit hier wieder liegen bleiben. Hatte Richard nicht auch gesagt, dass sie eventuell länger als die drei Tage bleiben würden? Ihr Herz fing ein wenig aufgeregt an zu klopfen. Nein, es würde bei den drei Tagen bleiben und sie würden nur die Exponate ansehen. Mehr nicht. Adrian stellte den Teller mit den Pfannkuchen und den Soßen auf den Tisch, ehe er sich selbst setzte. Er musste kurz überlegen, wie er ihr das mit der Übelkeit erklären konnte, ohne ihr sagen zu müssen, dass er Migräne hatte. Immer mal wieder, wenn er nicht aufpasste. Immerhin kamen diese Anfälle nicht von irgendwo, sondern hatten einen triftigen Grund. Den wollte er Emily jetzt aber nicht erklären, also meinte er lediglich: „Ich glaube, das war der Stress. Wenig Schlaf, die anstrengende Arbeit. War wohl zu viel.“ Tja, wenn es nur das wäre, hätte er wirklich Glück gehabt. Tat es aber nicht. „Lagst du denn etwa mit dem Zeitplan zurück? Oder hast du etwas vor?“ Zumindest klang es so, als wenn sie nicht mehr großartig Zeit in dieser Woche hätte, um an dem Sarkophag zu arbeiten. „Musst du denn an mehreren Projekten gleichzeitig arbeiten?“ Das könnte auch eine Erklärung dafür sein. Aber anstatt einfach ins Blaue zu raten, wollte er lieber ihre Antwort hören. Er nahm sich von den Pfannkuchen, gab etwas von dem Fruchtsalat darauf und legte noch eine zweite Scheibe Pfannkuchen darauf. Vielleicht eine etwas sonderbare Art, diese Speise zu essen, aber zum Glück hockte er hier nicht in einem Nobelrestaurant und war somit auch in der Lage auf seinem Sessel zu lungern, wie es ihm passte. Emily würde ihm garantiert keinen Vortrag über Knigges Benimmregeln beim Essen halten. Diese Art von Mensch war sie einfach nicht. Hätte sie selbst so einen anstrengenden Job und würde dann weniger als vier Stunden am Tag schlafen, wäre ihr Körper sicher auch ziemlich empört. Am liebsten hätte Emily gesagt, dass er auf sich aufpassen solle, aber sie hielt sich im letzten Moment zurück. Er war erwachsen und sie war nicht seine Mutter. Außerdem hatte er sehr deutlich klargemacht bekommen, dass es andere Menschen gab, die sich um ihn kümmerten. Adrian brauchte sie also nicht. Um nicht weiter darüber nachzudenken, warum ihr das etwas auszumachen schien, tat sie ihm die Technik mit den Pfannkuchen gleich. So hatte sie das noch nie probiert, aber schon als sie den ersten Bissen probiert hatte, war sie von der Technik mehr als überzeugt. “Hey, das ist total lecker!“, sagte sie wahrheitsgemäß und sofort besserte sich ihre Laune, als sie auch auf Adrians Gesicht ein Lächeln entdeckte. In dieser besseren Stimmung konnte sie auch mit der Begeisterung, die sie empfand von Morgen erzählen. „Nein, nein, ich liege nicht zurück. Aber ich hab dir doch von der Reise nach Norwegen erzählt. Wegen der Mumie und der Moorleiche. Das hat sich glücklicher Weise etwas nach vorn geschoben.“ Strahlend sah sie ihn an. „Ich fliege schon Morgen.“ Das hörte sich ein wenig überstürzt an, wenn sie ihm das so mitteilte. Aber sie hätte es ihm auch schon gestern gesagt, wenn nicht so viel dazwischen gekommen wäre. Freudig beugte sie sich wieder über ihre Pfannkuchen und erzählte zwischen leckeren Bissen weiter. „Der Flug geht um acht Uhr morgens. Das heißt, wir können noch am gleichen Tag ins dortige Museum und uns die beiden Stücke ansehen. Das wird total spannend.“ Sie war jetzt schon aufgeregt. Immerhin hatte sie sich noch nie eine Moorleiche ansehen können. Gott, diese Frau konnte man doch einfach nur lieben! Anstatt ihn schräg von der Seite her anzusehen, weil er seine Pfannkuchen so ganz und gar auf seine eigene Art aß, machte sie es ihm nach und schien auch noch begeistert davon zu sein. Ja, also wenn ihm das kein Lächeln auf das Gesicht zaubern konnte, dann wüsste er nicht, was sonst noch dazu in der Lage gewesen wäre. Emily war wirklich immer wieder für positive Überraschungen gut, obwohl, die letzte Neuigkeit ließ ihn fast an seinem Bissen ersticken. Gerade noch schaffte er es, das Essen in die richtige Röhre zu bekommen und dann noch mit einem kräftigen Schluck Wasser nachzuhelfen. Also würde er wohl diese Woche alleine sein? Er wusste zwar nicht, wann sie wieder zurück war, aber das musste er auch gar nicht. Er vermisste sie schon jetzt. Ihre Nähe war so angenehm, so beruhigend, leider war er offenbar noch immer wegen irgendetwas nervös. Sein Magen flatterte. Vielleicht die Nachwirkungen, des Adrenalinschubs in seinem Blut. „Das finde ich toll. Ich hoffe, ihr bekommt die Leichen, dann kannst du sie mir ja vielleicht einmal zeigen, wenn sie für die Öffentlichkeit freigegeben sind. Ich würde gerne einmal wieder ins Museum gehen.“ Adrian lächelte immer noch, doch es war ihm nicht entgangen, dass sie von der Mehrzahl gesprochen hatte. Also fuhr sie dort nicht alleine hin. „Wie viele seid ihr denn auf dieser Reise? Ich meine, ich bin froh, dass du nicht alleine-“ Er verstummte und starrte lieber wieder auf den Teller, um sich einen weiteren Bissen in den Mund zu schieben. Eigentlich hatte er überhaupt keinen Hunger mehr. Der Gedanke, sie könnte alleine in ein anderes Land reisen, behagte ihm eigentlich nicht, obwohl er ja wusste, dass sie eine erwachsene Frau war und durchaus in der Lage war, ihr Leben zu meistern. Dennoch… „Klar zeige ich sie dir, sobald sie hier sind. Ich kann dich auch mit ins Labor nehmen, wenn du möchtest. Ich weiß allerdings nicht, in welchem Zustand sie sind. Deswegen nimmt Richard mich ja mit. Er will meine Meinung zu den Exponaten hören und ob es sich lohnt, sie überhaupt zu kaufen.“ Irgendein Schatten flog über Adrians Gesicht, der Emily innehalten ließ. Aber sofort lächelte er wieder. Vielleicht hatte sie es sich auch eingebildet. Dennoch sprach sie langsamer weiter und aß ihren Pfannkuchen auf. „Wenn sie zu stark gefährdet sind, bereits auf der Reise zu zerfallen, was vor allem bei Moorleiche sein könnte, werden wir sie gar nicht kaufen. Aber das wäre schade.“ Nach den beiden Pfannkuchen mit dem Obst war sie total satt und lehnte sich zufrieden mit dem Glas Wasser in der Hand zurück. „Am Donnerstag sollte ich wieder hier sein. Keine Ahnung um welche Uhrzeit…“ Ihr fiel etwas ein, als sie daran dachte, dass Adrian erst am Wochenende wieder arbeiten musste. „Hast du eigentlich immer noch vor, Patrick anzurufen?“ Sie lächelte ihm aufmunternd zu. Aus irgendwelchen Gründen wäre ihr wohler gewesen, wenn sie Adrian ein wenig abgelenkt gewusst hätte. Richard. Sonst erwähnte sie niemanden. Also lag er wohl richtig in der Annahme, sie würde mit ihrem Chef alleine fahren? Scheiße, allein bei dieser Vorstellung, hätte er am liebsten gleich wieder seine Pfannkuchen von sich gegeben, doch er hielt sie mit eisernem Willen in seinem Magen und zwang sich dazu, noch einen Schluck Wasser zur Sicherheit zu trinken und ungerührt weiter zu lächeln. Dennoch schob er den Rest seines Essens von sich. Was zu viel war, war zu viel und dabei meinte er mit Sicherheit nicht das Essen. „Ja, ich habe nachgedacht und ich denke, ich werde ihm mal eine Chance geben. Patrick scheint bisher ein netter Typ zu sein. Außerdem hat er … so ein gewisses Etwas an sich.“ Er lehnte sich zurück und musste grinsen. „Bin ja schon mal gespannt, was sonst noch so seine Qualitäten sind. Mit Fischen schien er sich schon mal sehr gut auszukennen.“ Am liebsten hätte er sich für seine Worte geschlagen. Wie konnte er ihr nur solche Dinge sagen, wo er doch ganz genau wusste, er würde Patrick niemals so sehen, wie Emily glaubte, dass er ihn sehen sollte. Allerdings konnte es seiner Tarnung sicher nicht schaden, noch ein Sicherheitsnetz zu spannen. Sicher war sicher, erst recht wenn es um Emily ging. „Außerdem muss man diesen Annäherungsversuch mit der Visitenkarte einfach zu würdigen wissen. Ich weiß nicht, ob ich mich das getraut hätte.“ Er zwinkerte Emily zu und stand dann auf. Er packte die restlichen Pfannkuchen in aller Ruhe und Gelassenheit ein. Sein Innerstes fühlte sich leer und hohl an bei dieser Lüge. Er wollte schreien. Als er so von Patrick erzählte, wurde Emily aus einem ihr unverständlichen Grund hellhörig. Andere Qualitäten? Dann hatte sie sich vielleicht mit ihrer ersten Einschätzung doch getäuscht. Damals hatte es nicht so ausgesehen, als wenn sich Adrian ausnehmend für Patrick interessiert hätte. Vielleicht hatte er inzwischen aber auch mehr darüber nachgedacht. Emily fand es auf jeden Fall schön, dass er der Sache eine Chance geben wollte. Wie sie ihm schon gesagt hatte, wäre sie ebenfalls erfreut, wenn es sich zu einer normalen Freundschaft entwickeln sollte. „Ja, du hast Recht, das mit der Visitenkarte war süß. Das sieht man ja normalerweise nur im Fernsehen.“ Zumindest hatte sie selbst noch nie eine Nummer zugesteckt bekommen. Vielleicht kannte sich Julie auf diesem Gebiet besser aus. „Ich hoffe, du bist mir nicht böse, wenn ich jetzt schlafen gehe. Ich bin noch ziemlich müde und da du ohnehin morgen früh raus musst, will ich dich nicht länger aufhalten.“ Er kam zu ihr hinüber und wollte schon fast ihre Hand ergreifen, um sie zu berühren, riss sich aber noch einmal zusammen und strich sich stattdessen wie nebenbei durch die Haare. „Ich freue mich auf deine Rückkehr, Mitbewohnerin.“ Er lächelte sie an, seine Augen versuchten dabei nicht zu lügen, doch ganz gelang es ihm nicht. „Und gute Reise. Komm gut wieder nach Hause.“ Er verschwand ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, fütterte dann kurz noch die Fische und verschwand in seinem Zimmer. An schlafen war sicherlich nicht zu denken, aber er wollte wenigstens den Anschein wahren, also zog er sich die Decke über den Kopf und schloss die Augen. In dem Lächeln, das er ihr zuwarf, um sich von ihr zu verabschieden und ihr eine gute Reise zu wünschen lag etwas verborgen, das sie nicht verstand. Aber vielleicht war er wirklich nur müde. Nach der Situation gestern traute Emily sich überhaupt nicht mehr zu, Adrian einzuschätzen. Sie nahm das Lächeln einfach dankbar an und erwiderte es strahlend. „Gute Nacht, schlaf gut.“ Während Adrian ins Bad ging und noch die Fische fütterte – Emily fiel sofort peinlich berührt auf, dass sie es bereits jetzt vergessen hätte – wusch sie das Geschirr. Als er in seinem Zimmer verschwunden war, suchte sie noch ihr Waschzeug zusammen, machte sich bettfertig und ging schlafen. Es dauerte etwas länger, bis sie zur Ruhe kam. Sie hatte es sich vielleicht nicht anmerken lassen, aber ihre Nervosität stieg mit jeder Minute, mit der die Reise näher rückte. So erging es ihr auch am nächsten Morgen, als sie noch vor dem Wecker aufwachte, sich duschte, warme Klamotten überzog und sich mit dem Taxi auf den Weg zum Flughafen machte. Richard wollte sie am Ticketschalter treffen. Adrian hatte lange nicht einschlafen können und wachte ungewöhnlicher Weise auch von dem kleinsten Geräusch vor seiner Tür wieder auf. Ihm entging daher nicht, wie sich Emily fertig für die Abreise machte. Doch er blieb im Bett liegen, starrte blind irgendwo hin, während er jedes ihrer Geräusche verfolgte, bis sie die Tür zur Wohnung zuzog und abschloss. Er war allein. Den ganzen Tag lang wandelte er wie ein Zombie durch die Wohnung, wusste nicht, was er mit seiner freien Zeit anfangen sollte und entschloss sich schließlich dazu, ins Fitnessstudio zu gehen, danach besorgte er frische Einkäufe für den Kühlschrank, kaufte sich ein paar Zeitschriften. Blätterte lustlos Zuhause darin herum und versuchte dabei die Zeit tot zu schlagen. Die Stunden schienen sich ins Unendliche zu ziehen. Hatte er am Morgen noch vorgehabt diesen Patrick nicht anzurufen, war er am Nachmittag mehr als nur willig dazu. Er brauchte dringend eine Abwechslung und wie es der Zufall so wollte, musste schließlich Patricks Schicht zu Ende sein, falls er heute überhaupt gearbeitet hatte. Die Geschäfte schlossen und der Betrieb der Nacht öffnete sich für unbekannte Möglichkeiten. Adrian brauchte nur einmal die Nummer in sein Handy zu tippen, ehe er mit seltsamer Ruhe den Hörer ans Ohr legte und darauf wartete, dass jemand am anderen Ende der Leitung abhob. Er war kein Bisschen nervös. *** Bereits als Emily durch die Türen des Flughafens ging sah sie Richard und winkte hinüber. Er begrüßte sie mit einem Kuss auf die Wange und einem beinahe entwaffnenden Lächeln. Emilys Herz schlug einen Hauch schneller und sie lächelte zurück. „Guten Morgen.“ Selbst bei diesen beiden Worten konnte sie die Aufregung nicht verbergen, die sich immer mehr in ihr breit machte. Der Flug und ihre Fahrt in die Stadt liefen sehr gut ab. Sie hatten keine Probleme das Hotel zu finden, in dem sie zwei Zimmer nebeneinander bekamen und sich nach einer Stunde Ruhepause in der Lobby treffen wollten. Emily schloss die Zimmertür hinter sich und ließ zuerst ihren Koffer auf den Boden und dann sich selbst auf das große Bett fallen. Fliegen war nicht ihr Ding und die ganze Sache mit Richard schien erst langsam von ihr abzufallen. Sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart aber irgendetwas schien immer zwischen ihnen hin und her zu blitzen. Langsam aber sicher konnte Emily nicht länger ignorieren, welche Blicke er ihr zuwarf und dass er sie mit kleinen Gesten immer wieder berührte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass er sie nicht nur als Kollegin betrachtete. Richard fand die Zeit mit Emily im Flugzeug und danach im Auto einfach als äußerst angenehm. Es gab keine peinlichen Momente zwischen ihnen, weil sie bei ihrem letzten Abendessen schon so betrunken gewesen war. Umso mehr schien sich seine Geduld ausgezahlt zu haben und die Tatsache, dass er diesen Zustand bei einer Frau niemals ausnutzen würde. Das könnte er einfach nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Doch so sehr er sich auch auf den nächsten Abend mit Emily freute, bewahrte er doch kühlen Kopf bei ihren geschäftlichen Verpflichtungen. Richard war unermesslich froh, sie bei sich zu haben, denn ihr Fachwissen und Rat waren ihm eine große Hilfe, da er sich selbst nicht besonders auf diesem Gebiet auskannte. Umso erleichterter war er, als sie nach einem langen Tag schließlich endlich die Hotelhalle betraten und den Arbeitstag für heute beiseite schieben konnten. So wie es aussah, gab es keine Probleme mit der Mumie, die Moorleiche wollten sie sich jedoch morgen noch einmal genauer anschauen. Da diese aber ganz bestimmt nicht weglief, konnte er sich getrost anderen Dingen widmen. Zum Beispiel Emily. Emily hatte noch einmal geduscht und noch im Bad über die vergangenen Stunden nachgedacht. Es war wirklich hervorragend gelaufen. Die Mumie war in gutem Zustand. Man würde noch ein wenig daran machen müssen, aber auch auf diese Herausforderung freute sie sich. Allerdings konnte sie über den guten Zustand der anderen Leiche nicht viel sagen. Sie würde noch ein wenig recherchieren müssen, aber auf den ersten Blick hatte sie nicht zufrieden stellend ausgesehen. Das machte ihr ein wenig Kopfzerbrechen. Sollte sie die Moorleiche wirklich empfehlen, bloß um sich einmal damit beschäftigen zu dürfen. Die Chancen, dass sie wieder eine in die Finger bekommen würde, standen schlecht, aber das war kein Grund dem Museum ein derart teures Stück zu empfehlen, das es vielleicht dann gar nicht in die öffentliche Sammlung schaffte. Aber damit würde sie sich Morgen weiter auseinander setzen. Jetzt machte sie sich für das Abendessen mit Richard zurecht. Sie wollten in ein kleines Restaurant, das sie auf dem Heimweg an einem Platz in der Stadt gesehen hatten. Vielleicht lag es an dem guten Verlauf des Tages, vielleicht auch an etwas Anderem, aber Emily fragte sich ein wenig aufgeregt, ob Richard sie heute vor ihrer Zimmertür anders verabschieden würde als beim letzten Mal. „Ich hätte nicht gedacht, dass sich unser Abendessen von letztes Mal so schnell wiederholt. Ich bin positiv überrascht.“, stellte Richard mit einem charmanten Lächeln fest, als er Emily den Stuhl hingeschoben hatte und dann selbst Platz nahm. Das kleine Restaurant war wirklich entzückend und hatte etwas … sehr Romantisches an sich. Gut, dass sie beide es ausgesucht hatten, sonst würde Emily wohl noch am Ende glauben, er machte das mit Absicht. Obwohl, jeder seiner Blicke und Gesten in letzter Zeit, waren pure Absicht. Langsam konnte er es auch nicht mehr verhindern, deutlicher zu werden. Er wollte es auch gar nicht. Dazu war er von Emily viel zu sehr fasziniert. „Und ich muss gestehen, ohne dich wäre ich heute wirklich aufgeschmissen gewesen. Diese Unsicherheit mit der Moorleiche wäre mir nicht so schnell aufgefallen. Vermutlich sogar gar nicht. Ich bin froh, dass ich auf deine Meinung vertrauen kann.“ Seine Stimme wurde schmeichelnd, als der Kellner mit der Speisekarte kam. Dieses Mal bestellte sich Richard keinen Wein, sondern nur ein Glas Wasser. Er wollte vollkommen nüchtern sein und sich umso aufgeregter fragen, ob es heute passieren würde. Emily konnte einfach nicht übersehen, wie er mit ihr zu flirten begann. Mehr noch, als er es vorhin schon getan hatte. Richard machte ihr Komplimente und verhielt sich wie ein wahrer Gentleman. Emily fühlte sich nicht bedrängt, was jeglichen Versuch seinerseits, sich ihr weiter zu nähern auch sofort zunichte gemacht hätte. Richard war ihr sympathisch und das steigerte sich mit jedem Augenblick, den er sie wie eine Königin behandelte. Zumindest hatte Emily das Gefühl, dass er das tat. Er ging auf sie ein, behandelte sie zuvorkommend und hörte ihr zu. Außerdem, und das war ihr sehr wichtig, respektierte er ihre fachliche Meinung. Als er sich für die Sache mit der Moorleiche bedankte, musste sie lächeln und ließ ihre Abwehr sehr stark herunter. Ihre Hand, die wie seine auf dem Tisch lag, zuckte sogar einen winzigen Augenblick, als sie Gefahr lief ihn mit den Fingerspitzen zu berühren. Glücklicherweise kam der Kellner in diesem Augenblick und nahm ihre Bestellungen auf. Emily bestellte wie Richard ein Glas Wasser und ein einfaches Fleischgericht. Sie hatte nach dem konzentrierten Arbeiten und der Verhandlung mit dem Museumsdirektor großen Hunger. „Das ist sehr gern geschehen“, nahm sie das Gespräch wieder auf, lenkte es aber gleichzeitig in die Richtung, in die auch Richard zuerst hatte steuern wollen. Der Tag war so angenehm verlaufen, dass Emily keinen Grund hatte, ihm einen Riegel vorzuschieben. Sie war sogar bereit, ihm etwas entgegen zu kommen. „Es freut mich, dass wir nicht so lange auf ein nächstes Abendessen warten mussten. Ich habe unser Letztes sehr genossen.“ Sie sah ihn aus ihren dunklen Augen heraus an. In diesem kleinen Lokal, wo sie sich nicht ganz so hatte aufstylen müssen, fühlte sie sich wohler und brauchte auch keinen Wein, um weiter aufzutauen. „Wie schön, dass wir uns da einig sind.“ Sein Lächeln wurde tiefer und auch, wenn das jetzt schon sehr deutlich war, konnte Richard nichts dagegen tun. Er berührte vorsichtig, fast schon zurückhaltend mit seinen Fingerspitzen die ihren, während er ihr einen langen Blick schenkte. „Ich genieße deine Gegenwart sehr. Endlich einmal jemand, mit dem man seine Zeit sinnvoll verbringt. Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß.“, gestand er ihr und senkte beinahe schüchtern den Blick, ehe er sie dann doch wieder ansah. Er konnte niemals genug von ihrem Anblick bekommen und das zeigten ihr auch seine Augen. Nicht, dass er sie in Gedanken bereits auszog, aber er konnte die Bewunderung für sie einfach nicht verbergen. „Du bist ein ganz besonderer Mensch, Emily. Ich hoffe, du weißt das.“ Seine Stimme senkte sich zu einem Schnurren herab, während er ihr mit dem Daumen über den Handrücken streichelte. Im ersten Moment wollte Emily ihre Hand reflexartig zurückziehen, doch Richards Blick hielt sie davon ab. Er war so ehrlich freundlich und voller Wärme, dass er sie auf der Stelle beruhigte. Als er mit dem Daumen über ihren Handrücken streichelte und ihr diese netten Worte sagte, kam sie ihm sogar entgegen und verschlang ihre Finger mit den seinen. Das Lächeln, das er ihr schenkte war freudig und brachte wiederum Emily selbst zum Strahlen. Wahrscheinlich wäre sie in diesem Moment rot geworden, wenn der Kellner nicht wieder besonderes Fingerspitzengefühl bewiesen und in diesem Moment das Essen aufgetragen hätte. „Vielen Dank Richard.“ Mit festem Blick sah sie ihm in die Augen. „Ich meine nicht nur das Vertrauen in meine Arbeit. Es ist schön mit dir hier zu sein.“ Nach diesem Satz verlief das Essen unter angenehmen Gesprächen, ein wenig Gelächter und wirklich gutem Essen. Emily bestellte sich nach dem Hauptgang noch einen Dessertwein zur Mousse au Chocolate, der ihr ein wenig die Röte in die Wangen steigen ließ. Sie war keinesfalls betrunken, aber der Wein ließ sie die Tatsache, dass sie durch die Kälte das kurze Stück zum Hotel zurück laufen würden, mit entspannteren Augen sehen. *** Bereits als er ihr die Jacke über die Schultern legte, war Emily sich ziemlich sicher, dass Richard sich diesmal nicht mit einem Kuss auf die Wange zufrieden geben würde. Eigentlich hatte sie den Heimweg dazu benutzen wollen, darüber nachzudenken, wie sie reagieren sollte. Aber dazu kam sie gar nicht, weil sie sich viel zu gut amüsierte. Richard schob ihr immer wieder den Ball zu und sie lachten über alberne Museumsinterna, von denen Emily viele noch gar nicht bewusst gewesen waren. Sie amüsierte sich wirklich köstlich und der Weg ins Hotel verging in der Zeit eines Wimpernschlags. Ohne Vorwarnung befanden sie sich nun vor ihrem Hotelzimmer und gerieten genau in die Situation, über die Emily schon so oft hatte nachdenken wollen und nie zu einem vernünftigen Schluss gekommen war. „Darf ich mich heute wenigstens richtig bei dir für den schönen Abend bedanken?“, fragte Richard mit einem Schnurren in der Stimme, ließ ihr aber gar nicht die Gelegenheit zu antworten. Als er sich zu ihr herunter beugte, konnte sie wieder sein Aftershave riechen, das ihn wie ein angenehmer Hauch umgab. Als er sie küsste, schloss sie die Augen, um in sich hinein zu hören. Eigentlich hätte das Ausbleiben einer überschäumenden Reaktion Antwort genug auf seine Frage sein müssen. Sie war nicht aufgeregt, kein Kribbeln strömte durch ihren Körper und sie war nicht kurz davor in seinen Kuss hinein zu lachen, wie es der Fall war, wenn sie verliebt in einen Mann war. Und doch … sie genoss Richards Gegenwart. Es war schön, dass er sich um sie bemühte, nachdem sie Zach so lange hinterher gerannt war, ohne jemals beachtet zu werden. Sie hatte mehr unter dieser schlechten Behandlung gelitten, als sie je zugegeben hätte. Vielleicht wollte sie endlich einmal mit echter Zuneigung behandelt werden… Vielleicht war es auch etwas Anderes als sie wollte. Jedenfalls drückte sie Richards Hand, als er sich von ihr löste und sah ihn warm und sanft unter ihren langen Wimpern heraus an. Leise, aber mit ermutigender Stimme sagte sie entgegen ihrem Bauchgefühl: „Ja, du darfst dich gern weiter bei mir bedanken.“ Sanft zog er sie etwas näher zu sich heran, fuhr mit einer Hand zärtlich unter ihr Kinn und beugte sich wieder herab. Die Vorfreude auf ihre Lippen, ließ seinen ganzen Körper sanft Kribbeln. Richard wollte sie. Wollte sie so sehr, dass es ihn verdammt große Mühe kostete, sich so streng zurück zu halten, um nicht vorschnell zu erscheinen. Doch wenigstens gab sie ihm ihre Lippen frei. Mehr hätte er sich für diesen Abend eigentlich gar nicht wünschen können, aber er war bereit zu nehmen, was sie ihm freiwillig geben wollte. Darum umschloss er zuerst sachte ihre Lippen mit den seinen, ehe er einen Moment lang abließ, den Kopf auf die andere Seite neigte und sie noch einmal küsste. Richard konnte dem Drang nicht widerstehen, an ihrer Unterlippe zu saugen und sie an sich zu ziehen und in eine wärmende Umarmung zu nehmen. Sollte sie stopp sagen, er würde sofort aufhören, darum betete er, dass ihr dieses Wort niemals über diese so reizvollen Lippen kam. Emily genoss den Kuss von Richard, konnte sich aber nicht ganz fallen lassen. Genauso, wie sie es befürchtet hatte, war auch seine so sanfte, aber dennoch fordernde Berührung nicht dazu im Stande, Emily große Gefühle zu entlocken. Es war ihr nicht unangenehm ihn zu küssen oder vielmehr auf seinen Kuss zu reagieren, aber sie merkte nur zu deutlich, dass sie nicht in ihn verliebt war. Also übernahm ihr Kopf die Entscheidung. Und der sagte ihr etwas, mit dem sie selbst am allerwenigsten gerechnet hätte. Entschlossen drückte sich Emily noch ein wenig näher an Richards Körper, um sich selbst zu beweisen, dass sie Zärtlichkeit von jemandem annehmen konnte, der es gut mit ihr meinte. Sie würde sich auf Richard einlassen. Weil er ein netter Kerl war und sich bemühte. Er würde gut zu ihr sein und sie nicht benutzen. Ein wenig abwartend ließ sie sich weiter küssen und als er sie in seine Arme schloss, breitete sich tatsächlich Zufriedenheit in ihr aus. Allerdings wurde ihr irgendwann bewusst, dass sie in einem öffentlichen Raum standen. Jederzeit konnte jemand aus den anderen Zimmern kommen und sie unterbrechen. Gehetzt dachte Emily darüber nach, was sie tun sollte. Sie wollte Richard nicht wegstoßen. Eigentlich ganz im Gegenteil. Wenn sie ehrlich war, ließen sie seine Berührungen trotz der Tatsache, dass sie ihn nicht liebte, nicht kalt. Mit einem Gefühl, das sie an Grimm erinnerte, stellte sie fest, dass sie nicht allein schlafen wollte in dieser Nacht. Einmal wollte sie die Entscheidungen treffen, wie viel und vor allem wann sie Zärtlichkeit bekam. Kurz entschlossen und ohne groß darüber nachzudenken, löste sie sich von Richard, hielt aber seine Hand fest, als er sich höflich zurückziehen wollte. Emilys Blick war freundlich und sie lächelte. „Was hältst du davon, wenn wir uns in einem unserer Zimmer und nicht hier auf dem Flur weiter bedanken?“ Zärtlich begann Richard wieder zu lächeln, als er leise aber deutlich verständlich sagte: „Ich denke, mein Zimmer ist nicht so sehr interessant. Kann ich nachsehen, ob deines mehr meiner Dankbarkeit entspricht?“ Eigentlich war das keine Frage und das wusste er. Es war nur noch eine Richtungsangabe. Was Emily auch dazu veranlasste, ihre Zimmertür zu öffnen und sie dann hinter ihnen beiden wieder zu schließen. Richard nahm ihr seine Jacke von den Schultern und begann dabei ihren Nacken zu küssen. Das sollte erst der Anfang seiner Dankbarkeit sein. Dessen war er sich nun sicher. Sie schloss die Augen und entspannte sich unter seinen Händen, die um ihren Bauch herum griffen und drehte sich dann zu ihm um. Ihr Kuss dauerte so lange an, bis sie ihm die Krawatte über den Kopf zog und ihm die Hemdknöpfe öffnete. Kurze Zeit später lag sie mit halb geöffneter Bluse und hochgeschobenem Rock auf ihrem Bett, Richard über ihr. Sie half ihm das Hemd abzustreifen, während er sie weiter küsste. Seine Hände wanderten derweil an ihrem Körper entlang. Für einen kurzen Augenblick wollte schlechtes Gewissen in Emily aufkommen. Schlechtes Gewissen gegenüber Zach, weil sie so kurz nach der Trennung mit jemand anderem im Bett lag, aber das verdrängte sie schnell. Aber auch schlechtes Gewissen gegenüber Richard, der immer noch keine entsprechenden Gefühle in ihr hervor rief. Emily biss sich auf die Unterlippe, während sie sich weiter von ihm ausziehen ließ. Sie kämpfte das schlechte Gefühl hinunter und versuchte sich auf seine Berührungen zu konzentrieren, seine Lippen und seinen Atem auf ihrer Haut. Aber obwohl sie es sich so sehr wünschte, kam kein Kribbeln unter seinen Fingern auf, keine Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Ja, sie wollte ihn, wollte Sex mit Richard, aber… Kurz kniff sie die Augen zusammen und kämpfte ihre Zweifel nieder. Sie wollte das hier, aber wollte sie es mit ihm? Richards Hände wanderten immer weiter unter Emilys Kleidung. Bereits nach kurzer Zeit trug sie nur noch Unterwäsche, genauso wie er und ihre Kleider waren neben und in einzelnen Fällen auch auf dem Bett verteilt. Sie schoben sich beide höher und völlig auf die weiche Matratze, während sie versuchten ihre Küsse nicht zu lange zu unterbrechen. Emily konnte Richards Erregung spüren, als er neben ihr lag und sie sich ihm zuwandte. Für einen Moment schaltete sich ihr Hirn wieder ein und beinahe hätte sie mitten in der Bewegung inne gehalten. Was tat sie denn hier? Sie war gerade dabei ihre Hand in die Shorts ihres Chefs zu stecken und über seinen intimste Stelle zu streichen, während er ihren BH mit einer Hand öffnete, um mit der Anderen bereits vorn darunter zu fassen. Er hatte ihr kurzes Zögern bemerkt und lehnte sich etwas zurück, um Emily anzusehen. „Alles in Ordnung?“ Wie immer der absolute Gentleman. Emily sah ihm in die Augen und fuhr mit einer Hand über seine Wange. Gerade wollte Richard sich ganz von ihr lösen. Sie konnte ein wenig Enttäuschung in seinem Gesicht sehen, doch sie hielt ihn fest. „Du solltest dir was überziehen, wenn wir ab hier weiter machen wollen.“ Richard reagierte, wie Emily es erwartet hatte. Mit geübten Gesten streifte er sich das Kondom über und legte sich auf sie. Er war sanft und gefühlvoll, als er mit seinen Fingern über sie strich und versicherte sich sogar noch einmal, ob sie bereit war. Beinahe wurde es Emily zu viel mit dieser rücksichtsvollen Art. Aber besser so, als wenn er brutal vorgegangen wäre. Sie ließ ihn wissen, dass sie es wirklich wollte und konnte ihn nur Augenblicke später in sich spüren. Richards Bewegungen waren langsam und rhythmisch. Er lehnte sich auf den Unterarmen über sie, um sie ansehen zu können und hauchte ihr immer wieder Komplimente ins Ohr. Nach einer Weile konnte sie an seinen schneller werdenden Atemzügen erkennen, dass sich seine Erregung steigerte. Er zog eines ihrer Knie nach oben, um den Winkel zu verändern und sah Emily wieder in die Augen. In dieser Stellung spürte auch sie bald, wie seine Stöße kleine elektrisierende Wellen durch ihren Körper schickten. Sie küsste Richard auf die Lippen und zog ihn zu sich hinunter, während er sie langsam, aber sicher auf den Orgasmus zutrieb. Es war nicht großartig. Keine explodierenden Lichtblitze, kein vor Lust verzerrtes Gesicht… Aber sie kam und er kurze Zeit nach ihr. Und was das Wichtigste für Emily war, als er sie wieder los ließ, sich aus ihr zurück zog und schließlich neben ihr unter der weichen Decke einschlief, fühlte sie sich zufrieden. Sie fühlte sich sicher und nicht ausgenutzt. Das ließ sie die Augen schließen und wenige Minuten später in Richards Armen einschlafen. Kapitel 14: 14. Kapitel ----------------------- Patrick stand in seinem winzigen Bad und putzte sich ausgiebig die Zähne. Er konnte sein Glück gar nicht fassen und grinste nur umso breiter unter dem Schaum aus seinen ohnehin weißen Zähnen hervor. Er zwinkerte seinem Spiegelbild zu, als er die letzte Haarsträhne mit ein wenig Gel in die perfekte Position gezogen hatte und schnappte sich dann Handy, Schlüssel und Geldbeutel, bevor er die Wohnung verließ. Er trug eine dunkle Jeans, ein weinrotes Hemd und hatte eine braune Wildlederjacke dabei, die zu seinen Schuhen passte. Er winkte sich ein Taxi heran und gab dem Fahrer die Adresse der kleinen Bar, in der er sich mit Adrian verabredet hatte. Gleich in einen Club zum Tanzen zu gehen, wäre Blödsinn gewesen. Immerhin wollte er sich mit dem Rothaarigen ein wenig unterhalten. Gegen ein bisschen Schmusen und mehr hätte Patrick bei dem Typen zwar auch nichts gehabt, aber man musste ihm ja nicht gleich nackt ins Gesicht springen. Lässig lehnte er an der Bar und behielt die Tür im Auge, während er auf seine Verabredung wartete. Hier kannte ihn niemand, obwohl er schon öfter ein Bier in dem kleinen Lokal getrunken hatte. Das war Patrick ganz recht, denn es sollte ihnen auch nicht gleich einer seiner Bekannten über den Weg laufen, wenn er sich zu einem ersten Date traf. Als er einen roten Haarschopf vor der Tür entdeckte, prüfte Patrick sein Aussehen noch einmal schnell im Spiegel hinter der Theke. Er sah gut aus. Alles in Ordnung. Mit einem strahlenden Lächeln und glühenden Augen empfing er Adrian mit einem netten „Hallo, wie geht’s dir? Schön, dass du gleich heute Zeit hattest.“ Es war selten, dass sich Adrian einmal auf diese Art heraus putzte. Lässig und doch schick. Seine Haare hatte er zu einer kleinen wilden Mähne zerwuschelt und mit Haarspray fixiert. Ein daumendickes Lederband zierte seinen Hals, daran ein Anhänger mit einer Kralle, die einen Mondstein hielt. Er hatte sich sein blaues Seidenhemd angezogen, das farblich zu seinen Augen passte, aber nicht so knallig war, um sich mit dem Rot seiner Haare zu beißen. Dazu eine schwarze Lederhose und Stiefel. Seine schwarze Armbanduhr schmiegte sich an sein Handgelenk und über beide Daumen hatte er jeweils einen silbernen Männerring mit einem Tribalmuster darin übergestreift. Ja, so sah er eindeutig wie ein Mann aus, der heute was erleben wollte. Zumindest nach außenhin. Zugegebenermaßen, ja er war nervös, als er die Bar betrat, die Patrick ihm vorgeschlagen hatte. Zum Glück war er hier noch nie gewesen, weshalb er auch nicht befürchten musste, hier irgendjemanden zu kennen. Auf alte Gesichter war er im Augenblick nicht scharf. Er hatte genug mit den Menschen zu tun, die in seiner Gegenwart herrschten. Automatisch erschien ein Lächeln auf seinem frisch rasierten Gesicht, als er Patrick an der Bar stehen sah. Er sah ziemlich gut aus, selbst wenn das Adrian überhaupt nicht interessierte. Es war schwer zu entscheiden, ob er jetzt sein geschäftliches Pokerface aufsetzen sollte, oder einfach seine eigene Persönlichkeit erkennen ließ. Bestimmt wäre es Patrick gegenüber unfair, irgendetwas vorzuspielen. Nicht noch einen Menschen, den er belügen wollte. Darum hatte Adrian sich auch fest vorgenommen, seinem „Date“ heute noch zu sagen, dass er eigentlich nicht auf Männer stand, aber gerne mit ihm ein wenig abhängen wollte. „Hi, Patrick. Mir und den Fischen geht’s gut. Und dir?“ Adrian lehnte sich gegen die Bar und bestellte dann ein Bier. „Ich hatte heute noch nichts vor, darum dachte ich mir, dass ich dich nicht länger warten lassen wollte.“ Bei der Nummer, die der Verkäufer mit der Visitenkarte abgezogen hatte, wäre das auch sehr unschön gewesen. Diesen Mut musste man respektieren. Patrick freute sich wirklich Adrian zu sehen, noch dazu in dieser doch recht sexy Aufmachung. Der Rothaarige wusste seine Vorzüge zu betonen, das musste er zugeben. Wären sie in einer anderen Bar gewesen, hätte Patrick sein Date kurz berührt, um ihm zu zeigen, dass er durchaus aus einem bestimmten Grund hier war, aber er wollte Adrian auch nicht sofort in die Defensive drängen. Sie hatten Zeit und Patrick wollte sich gern erst einmal unterhalten. Bei Adrians Antwort auf seine Frage, musste er auch sofort lächeln. „Ihr habt die neuen Mitbewohner also sicher nach Hause gebracht? Das freut mich.“ Die ganze Zeit, in der Patrick auf Adrians Anruf gewartet hatte – eigentlich hatte er die Hoffnung nach Verstreichen des Wochenendes bereits aufgegeben – schob sich immer wieder die Frau in seine Gedanken, die Adrian beim Einkaufen begleitet hatte. Sie hatte gesagt, dass sie das Aquarium zusammen kaufen wollten. Hatte er Adrian doch falsch eingeschätzt und er war gar nicht schwul? Nachdem er ihn aber doch angerufen hatte und sogar bereit gewesen war, sich mit ihm zu treffen… Naja, vielleicht fuhr er zweigleisig, das war ja in letzter Zeit nahezu in geworden. „Mir geht’s auch gut. Du hattest Glück, das meine Schicht schon vorbei war, als du angerufen hast.“ Nach einer kurzen Pause, in der er seine strahlenden Augen über Adrians Gesicht mit den Sommersprossen wandern ließ, fügte er ein wenig offensiv hinzu: „Oder es war mein Glück.“ Die niedergeschlagenen Wimpern, unter denen seine blauen Augen Adrian anblitzten, sollten bereits jetzt ein untrügliches Zeichen sein. Patrick wollte lieber früher als später wissen, ob Adrian interessiert war. „Wollen wir uns an einen der Tische setzen?“ Er deutete mit einem weiteren Lächeln zu den Tischen an der Wand hinüber, die in kleinen Nischen standen. „Da können wir uns besser unterhalten.“ Oder andere Sachen tun, die ebenfalls niemand direkt mitbekommen sollte. Der Barkeeper stellte ihm sein Bier hin und Adrian griff sofort danach, damit er seine Hände beschäftigen konnte. Es war nach Patricks Worten sehr offensichtlich, dass er an Adrian interessiert war. Für andere vielleicht nicht, aber Adrian hatte im Laufe seines Lebens gelernt, solche Dinge sofort aufzuspüren, selbst wenn sie noch weniger angedeutet waren. Potentielle Kunden waren früher für ihn sehr wichtig gewesen, damit er nicht verhungerte oder vor Entzugserscheinungen wahnsinnig wurde. Zum Glück war hier und heute das alles nicht mehr nötig. Darum war es auch etwas verwirrend für ihn, Patricks Interessen auf sich zu spüren. Der andere konnte nicht wissen, dass er einmal ein Stricher gewesen war, oder dass er im Shadow jedes Wochenende seine Kleider lüftete. Eine sowohl interessante, wie auch seltsame Erkenntnis. Der Adrian jetzt jedoch noch nicht nachgehen wollte. „Klar. Dort drüben in der Ecke ist noch ein Platz frei.“ Er deutete in den halbdunklen Schatten wo eine Eckbank mit Lederbezug und ein massiver Holztisch standen. Adrian schenkte Patrick ein Lächeln und ging dann voran, wobei er die Menge teilte und somit auch automatisch für seinen Begleiter Platz machte, damit dieser ungestört weiter kam. Als sie dann schließlich saßen, tat Adrian etwas, was er wohl nicht tun sollte. Er war ehrlich. „Eigentlich hatte ich noch die Geschäftszeiten im Kopf.“, gestand er. „Darum konnte ich erraten, wann du ungefähr zuhause sein würdest.“ Er nahm einen Schluck von seinem Bier und lehnte sich dann lässig zurück. Die Bar war gerade richtig voll, der Lärmpegel erträglich, so dass man sich noch gut unterhalten konnte und der Sitzplatz so gelegen, dass man seine Ruhe hatte. Genau das Richtige für Adrian im Augenblick. Patrick konnte nicht anders, als wieder einen bewundernden Blick auf Adrians Hinterteil zu werfen, als der vor ihm her auf den Tisch zuging, den sie sich ausgesucht hatten. Er sah, wie der ganze Kerl, der daran hing wirklich knackig aus. Ein verschmitztes Lächeln spielte um Patricks schmale Lippen, als er sich über Eck mit Adrian an den Tisch setzte. Die Worte seines Begleiters konnte er nicht richtig einschätzen, beschloss aber sie positiv zu werten. Adrian hatte sich also gemerkt, wann seine Schicht zu Ende war. Das hieß ja wohl, dass er bewusst angerufen hatte, um sich mit ihm zu verabreden und nicht, weil er gehofft hatte, dass er Patrick sowieso nicht erreichte. „Hast du dir schon etwas zu Trinken bestellt? Ich…“ Er drehte die Flasche in den Händen herum und senkte den Blick. „Ich lad dich ein, wenn du willst.“ Adrian kratzte an der Ecke des Etiketts herum. „Ich meine, hab dich ja schließlich lange genug warten lassen. Normalerweise lasse ich mir nicht so viel Zeit. Aber ich musste arbeiten.“ Mit leicht gesenktem Blick lächelte er Adrian wieder an, winkte allerdings ab, als dieser ihm anbot seine Drinks zu bezahlen. „Ach, lass uns einfach teilen. Du zahlst diese Runde und ich die nächste, dann passt es am Ende.“ Sogleich gab er dem Kellner ein Zeichen, dass er ihm ebenfalls ein Bier bringen sollte und widmete sich dann wieder seinem gut aussehenden Gegenüber. „Gut, einverstanden.“ Adrian begann sich langsam zu lockern und zu entspannen. Patrick war bisher wirklich nett gewesen und auch wenn er niemals gedacht hätte, dass das so schnell gehen konnte, fühlte sich Adrian in der Nähe des anderen wohl. Zwar nicht so heimelig wie mit Emily, aber dennoch angenehm wahrnehmbar. Wer weiß, vielleicht war das hier der Punkt, an dem seine Therapie begann. Genau in diesem Augenblick gab es für ihn eine Möglichkeit, die Grenzen seines eingeschränkten Gefühlslebens auszuweiten. Patrick war nicht hier, um mit ihm in einer schmutzigen Gasse hinter der Bar oder auf die Männertoilette zu verschwinden, damit sie schnellen, emotionslosen Sex haben konnten und er danach mit ein bisschen mehr Geld in der Tasche nachhause ging. Sie saßen einfach nur hier und unterhielten sich locker miteinander. „Kommst du öfter hier her?“ Smalltalk. Eindeutig. Andererseits wusste er nicht genau, was er sonst sagen sollte. Er wollte nicht gleich eine Abfuhr erteilen, jetzt wo er sich einmal völlig normal mit einem Fremden unterhalten konnte, ohne später dafür bezahlt zu werden. Ganz im Gegenteil. „Oft würde ich nicht sagen. Ich war schon ein paar Mal hier, daher wusste ich, dass es ganz nett ist und man sich unterhalten kann. Wenn es dir lieber ist, können wir später auch Tanzen gehen. Ich kenne gute Clubs hier um die Ecke.“ Einer davon eine Schwulendisko, aber dorthin wollte Patrick nur gehen, wenn er bei Adrian wirklich Chancen hatte. Immerhin würde sie dort niemand seltsam anstarren, wenn sie auf der Tanzfläche herumknutschen sollten. Andererseits konnte es durchaus sein, dass er jemanden kannte und angesprochen wurde. Unwillkürlich glitt sein Blick auf Adrians Lippen hinunter, die ebenfalls mit Sommersprossen bedeckt waren. Sofort riss er sich wieder von dem Anblick los und lächelte einigermaßen unbekümmert. Das mit dem Smalltalk bekam er auch hin. Natürlich entging Adrian Patricks Blicke nicht, aber interessanterweise störte ihn das nicht einmal. Wenn er nicht wollte, konnte er ohne weiteres nein sagen, sein Bier bezahlen und gehen. Fakt war jedoch, dass er nicht gehen wollte. Die Vorstellung, jetzt alleine in seine und Emilys Wohnung zurückkehren zu müssen, brachte ihn beinahe um. Er konnte und wollte sich nicht vorstellen was sie und Richard in diesem Augenblick miteinander taten. Doch allein der Gedanke reichte schon aus, die Bestie in seinem Bauch wieder auf den Plan zu rufen. Sofort nahm er einen kräftigen Zug von seinem Bier und beschloss, heute nicht mehr an sie zu denken. Mit strahlendem Lächeln wandte er sich wieder seiner Begleitung zu. Seine Augen strahlten regelrecht, als er das Wort „Tanzen“ vernahm. „Tanzen klingt gut. Sogar sehr gut.“ Seine ganze Haltung wurde offener und fast schon von einer freudigen Erregung ergriffen. „Gibt’s denn bei den Clubs auch welche, wo man sich so richtig gehen lassen kann? Ich hätte große Lust, heute Abend ordentlich auf den Putz zu hauen.“ Selbst der Gedanke, Patrick könnte ihm beim Tanzen zuschauen, hatte nichts Erschreckendes. Nein, er wollte sogar sehen, wie es sich anfühlte, einfach einmal nur für sich zu tanzen. Vielleicht auch mit Patrick zusammen. Adrian wusste zwar nicht, wie der andere sich so bewegte, aber bei ihrem Aussehen konnten sie sich verdammt noch mal auf eine tolle Show gefasst machen. Da hätten die anderen sicher ordentlich was zu glotzen. Adrians Lächeln wurde bei dem Gedanken noch breiter. Einfach einmal nur so richtig Spaß zu haben, wäre heute eindeutig eine gute Idee. Er seufzte erleichtert, da sein alter Lebenselan wieder zurückzukehren schien. Patrick entging das Leuchten in Adrians Augen nicht, als er über das Tanzen sprach. Und dass er auf den Putz hauen wollte, kam Patrick mehr als gelegen. Allerdings war er sich immer noch nicht sicher, was er genau erwarten sollte. Also würde er Adrian nachher die Wahl lassen, wohin er gehen wollte. „Ich kenne zwei Clubs hier, die da wohl dem entsprechen, was du dir vorstellst. Sie liegen mehr oder weniger nebeneinander. Du kannst nachher entscheiden, in welchen du gehen möchtest.“ Über der Tür des El Muerte prangte ein geschwungener Regenbogen, den Adrian sicher nicht übersehen konnte. Wenn er sich auf den Schwulenclub einlassen wollte, war Patrick auf jeden Fall dabei. Je öfter ihn der Rothaarige angrinste, desto mehr kribbelte sein Magen bei der Vorstellung mit ihm zu tanzen und ihre Lippen aufeinander zu pressen. Als der Kellner Patrick das Bier brachte, bestellte sich Adrian gleich noch einen Ging Tonic dazu. Er brauchte heute ausnahmsweise einmal etwas, um die Bestie zu bändigen, die sich die ganze Zeit in ihm wand und ihn dazu bringen wollte, an Emily und Richard zu denken, wie sie sich im Bett hin und her wälzten. Er schauderte bei dem Gedanken. „Wenn du nichts dagegen hast, könnten wir gleich nach den Drinks aufbrechen? Ich brauche dringend … Bewegung!“ Anscheinend hatte Adrian es eilig in den Club zu kommen. Er kippte sein Bier wie auch den folgenden Gin Tonic in einer fast wütenden Geste herunter und sah Patrick dann erwartungsvoll in die Augen. Der stand auf und grinste fröhlich zurück, als er sich seine Jacke schnappte und diesmal vor Adrian zur Tür ging. „Na, dann los.“ *** Die Schlange vor dem Club Skyline’s war wesentlich länger als die des El Muerte und man konnte schon draußen sehen, dass es einen großen Unterschied im Publikum gab. Immerhin gaben sich die Herren unter dem leuchtenden Regenbogen wenig unauffällig gerade einen Zungenkuss, der sich gewaschen hatte. Patrick trat etwas nervös von einem Bein aufs andere und sah Adrian nicht direkt an, als er fragte, welchen Club sein Begleiter bevorzugen würde. Als der Dunkelhaarige sich so umsah, entging ihm der Blick zweier Frauen nicht, die offensichtlich ebenso an der Clubwahl der Männer interessiert waren wie Patrick selbst. Oh nein, Mädels, zumindest heute Nacht werdet ihr mir diesen Kerl nicht abschleppen. Und wenn es nur für ein paar Tänze ist, aber der Schnuckel gehört mir. Das hoffte Patrick zumindest und Adrian machte auch nicht den Anschein, als würde er sich gleich verkrümeln oder dem nächstbesten Objekt mit wenig Klamotten am Leib auf den Leim gehen, um Patrick allein stehen zu lassen. Gott, wenn er sich nicht bald diese Aufregung aus dem Leib tanzen konnte, würde er bestimmt platzen. Zwar würde er noch ungefähr zwei Shots brauchen, bis er auf der Tanzfläche aus sich heraus kam, aber dann würde er es auf jeden Fall krachen lassen. Immerhin hatte ihm Adrian deutlich zu verstehen gegeben, dass er gern tanzte, also würde sich Patrick nicht lumpen lassen. Und er hatte weder seinen Körper, noch seinen Tanzstil zu verstecken. Als sie in die hell erleuchtete Nacht hinausgingen, erfüllte ein seltsames Kribbeln seinen Körper und der Gin Tonic trug dazu bei, dass ein wärmendes Gefühl seine Brust erfasste. Oh ja, er war mehr als bereit, sich heute einfach nur aus reinem Vergnügen die Seele aus dem Leibe zu tanzen. Da gab es allerdings nur einen gewaltigen Haken, wie Adrian bemerkte, als sie vor den beiden Clubs stehen blieben, die sich nicht deutlicher unterscheiden hätten können. In der Schlange vor dem El Muerte wurde sein Blick sofort auf die beiden knutschenden Männer gezogen, die sich wohl die Wartezeit mit ein bisschen Zungenakrobatik vertrieben. Eigentlich absolut nicht Adrians Geschmack, aber da er nun mal der war, der schon unzählige Male für Geld mit Männern intimen Kontakt gehabt hatte, war er auch nicht so verklemmt, wie viele andere Heteromänner. Er fühlte sich davon nicht mehr abgestoßen, als von den beiden Girls, die heute Abend wohl ihre Kleidung vergessen hatten, so knapp, wie sie angezogen waren. Da ihm also die Wahl der Lokalität verdammt schwer fiel, versuchte er sich an die Fakten zu halten. Patrick war schwul. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche. Also würde der andere sich in einem Club seiner Ausrichtung sicher besser fühlen. Andererseits könnte man Adrians Entscheidung dann auch als beantwortete Frage deuten, was seine eigene Ausrichtung anging. Obwohl er das später immer noch klären konnte, wenn es wirklich eng wurde. Das sollte also nicht das Problem sein. Letztendlich waren es die heißen Blicke der beiden Frauen, die ihn zu der Menge des El Muerte hinzogen. Für ihn heute keine Frauen die ihn anstarren und betatschen konnten, wie sie wollten. Nein, das hätte er heute Nacht absolut nicht ertragen. Unter Männern fühlte er sich dann doch noch wohler, vor allem weil er genau wusste, dass er hier zu seinem eigenen Vergnügen und nicht zu dem der anderen hier war. Dieser Gedanke erleichterte Vieles. „Komm, lass uns mal zum Türsteher gehen. Mein bester Freund ist selber einer, vielleicht kennen die sich und wir müssen hier nicht draußen warten.“ Adrian lächelte Patrick verschwörerisch zu und führte ihn an der wartenden Männermenge vorbei direkt auf den Security-Kerl mit den Muskelbergen zu. Ob das nun reines Glück oder Schicksal war, konnte Adrian im Nachhinein nicht sagen, aber der Türsteher kannte Tyson tatsächlich, wenn auch um mehrere Ecken, war aber so nett und ließ sie dennoch passieren. Vielleicht hatte aber auch die Erscheinung von Patrick und Adrian dazu geführt, ihnen freien Einlass zu gewähren. Immerhin waren sie für die Stimmung sicher eine wunderbare Bereicherung. Adrian vergaß seine Zweifel sofort in dem Moment, als er die Musik im Blut spürte. Ja, das war es, was er im Augenblick dringend brauchte. Dabei war ihm egal, dass ihnen beiden mehr als ein dutzend Männer hinterher starrten, während sie sich bis ins Innerste des Clubs durchschlängelten. Ab und zu glaubte er auch eine Hand flüchtig über seinen Hintern streichen zu fühlen, aber das war eigentlich nichts Neues, wenn er wegging. Adrian konnte es nicht verhindern, selbst während sie noch gingen, bewegte sein Körper sich bereits leicht zu dem Rhythmus der Musik mit, noch ehe sie eine passende Stelle gefunden hatten. In der Nähe der Bar war ein Plätzchen frei, wo sie sowohl tanzen, als auch einfach nur einen Drink schlürfen konnten, sofern sie durstig wurden. „Der Laden gefällt mir.“, teilte Adrian Patrick direkt Mund an Ohr mit, damit er nicht schreien musste. Ehe er sich wieder zurücklehnte und endlich dem Drang seines Körpers nach Bewegung nachgab. Er begann zu tanzen. Sofort konnte man erkennen, dass er im privaten Bereich wesentlich anders tanzte, als in seiner Arbeit. Natürlich blieb die Geschmeidigkeit, die zurückhaltende Sinnlichkeit und das Gefühl für Rhythmus auch weiterhin perfekt erhalten, aber seine Bewegungen zielten nicht darauf ab, Frauen zum Sabbern zu bringen. Viel mehr strahlte er einfach seine ihm eigene natürliche Erotik aus, ohne etwas damit bezwecken zu wollen. Und selbst wenn die umringenden Männer langsam ihre Blicke auf ihn und Patrick zogen, war es ihm egal, er gab sich dem Klang der Musik hin, ohne Hemmungen, ohne Bedenken und garantiert ohne einen Hauch von Nervosität. Lächelnd forderte er mit seinem Blick Patrick dazu auf, mit zu machen. Er wollte unbedingt sehen, wie sich der andere zu der Musik bewegte, da jeder Mensch seinem eigenen Rhythmus folgte. Nachdem sie Dank Adrians Verbindungen so schnell ins El Muerte gelassen wurden und sich durch die Menge in Richtung Bar kämpften, konnte Patrick nicht anders als sich nach bekannten Gesichtern umzusehen. Er wollte nicht unbedingt, dass irgendjemand ihn erkannte und vielleicht ein Gespräch vor Adrian anfing. Er wollte sich nicht mit jemand anderem beschäftigen, sondern seine Konzentration allein auf sein Date richten. Als ein Erkennen allerdings vorerst einmal ausblieb, konzentrierte sich sein Augenmerk wieder auf Adrian, was ihm sofort ein strahlendes Lächeln entlockte. Der Rothaarige hatte ein wenig Tanzen wohl absolut nötig, denn er konnte sich offensichtlich schon, bevor sie einen freien Platz erreichten, kaum zurückhalten. Einen Moment lang war sich Patrick nicht sicher, ob er Adrian auf die eine oder andere Art gewachsen sein würde. Wenn der Andere derart locker mit einem ersten Date umging, war Patrick ihm vielleicht zu langweilig oder zu unerfahren. Er zierte sich immer ein bisschen, wenn es ums Tanzen vor einem vermeintlichen Geliebten ging. Allerdings taute er sehr schnell auf, wenn man sich ihm so näherte, wie Adrian es tat. Als dieser seine Wange an die von Patrick legte, um ihm etwas ins Ohr zu sagen, schoss ein erfüllendes Kribbeln durch seinen Körper. Mein Gott, für diesen Kerl hätte Patrick auch so einiges mehr getan, als nur zu tanzen. Kaum zwei Sekunden später wurde der Dunkelhaarige allerdings schon entmutigt, als er sah, mit welcher Geschmeidigkeit sich sein Begleiter bewegte. Da kam Patrick sicher nicht heran. Zumindest nicht, ohne sich ein wenig Mut anzutrinken. Der Barkeeper kannte ihn und schob ihm auf ein kurzes Zeichen einen doppelte Schnaps über die Theke, den Patrick gierig hinunter kippte. Das erhitzende Getränk hatte kaum seinen Magen erreicht, als Patrick sich auch schon zu Adrian gesellte und sich vom Rhythmus der Musik antreiben ließ. Seine Bewegungen waren ganz anders als die des Rothaarigen. Weniger geübt und nicht so mit Sexappeal aufgeladen. Dafür hatte Patrick einen Hüftschwung, der schon so manchen Mann hatte dahin schmelzen lassen. Er bewegte sich in geschmeidigen, fließenden Bewegungen, die ihm Adrian immer wieder ein kleines Stück näher brachten. Nach einer Weile konnte er einfach nicht anders, als eine Hand auf Adrians Hüfte zu legen und sich ein wenig näher an ihn heran zu wagen. Zwar konnte er mit seinem Tanzstil nicht hundertprozentig mithalten, aber er versuchte sich so gut wie möglich anzupassen. Wenn das bedeutete, dass er Adrian körperlich ein wenig näher kam, war er mehr als nur bereit sich anzustrengen. Er würde schon verdammt enttäuscht nach Hause gehen, wenn das Date ohne Kuss über die Bühne ging. Adrian hatte kein Problem damit, dass sich nun auch Patrick einen Drink genehmigte, ehe er in den Rhythmus mit einstimmte. Er konnte tanzen. Das war deutlich zu sehen. Vor allem dessen Hüftschwung hatte einiges Feuer in sich. Allerdings schien er noch etwas von seinem Kopf abgelenkt zu werden, was seine Bewegungen etwas hemmte. Doch das gab sich mit der Zeit und Patrick entwickelte ungeahnte Talente. Zumindest in Adrians Augen war sein Gegenüber sehr talentiert. Adrian hatte schon so einige Männer und Frauen tanzen gesehen. Das Meiste davon, war eine Katastrophe, von der man besser früher als später die Augen abwandte, aber bei Patrick sollte man bloß hinsehen. Sonst verpasste man etwas. Adrian war so sehr an das Gefühl von Händen auf seinem Körper gewöhnt, die ihn für gewöhnlich bei seiner Arbeit berührten, dass er zunächst gar nicht wirklich bemerkte, wie sich Patrick ihm näherte. Als es ihm dann aber doch deutlich bewusst wurde, saß er verdammt tief in der Klemme. Jetzt musste es raus. Egal welche Konsequenzen das gleich mit sich bringen würde. Jetzt nichts zu sagen, würde bedeuten, dass er Patrick absichtlich in die Irre geführt hatte. Okay, das hatte er die ganze Zeit schon getan, aber das war noch etwas Anderes gewesen. Hier und jetzt mit Patricks Hand auf seinem Körper war das eine völlig neue Situation, die Adrian zum Handeln trieb. Ob er nun wollte oder nicht. Er war kein so egoistisches Arschloch, wie es manchmal gesund für ihn gewesen wäre. Genau aus diesem Grund nahm er Patricks Hand von seinem Körper und zog ihn daran von der Bar weg an einem ruhigeren Ort in eine dunklere Ecke. Zwar könnte das jetzt missverstanden werden, doch das würde er so gleich aufklären. Er musste einfach. Sanft drückte er Patrick gegen die mit schwarzem Samt bespannte Wand und ließ sogleich von ihm ab. Adrian baute sich mit ernstem Gesicht so vor Patrick auf, dass er nur ihn ansah und die anderen Männer derweil seine Kehrseite betrachten konnten, ohne dass es ihn kümmerte. Er hatte nur auf irgendeine Reaktion von Adrian gewartet. Dass er sich früher oder später zu der Berührung äußern musste stand außer Frage. Ihre eisblauen Blicke trafen sich kurz, als Adrian nach Patricks Hand griff und ihn dann wortlos mit sich zog. Patricks Herz schlug schneller, als sie auf eine dunkle Ecke zusteuerten. Sollte er sich so in Adrian geirrt haben? Der Rothaarige hatte nicht so ausgesehen, als würde er sich in dunkle Ecken zurückziehen um… Naja, das letzte Mal, als Patrick mit jemandem in einem Club in eine Ecke verschwunden war, hatte er kurze Zeit später eine Hand gespürt, die sich im Inneren seiner Hose seinen Schritt hinunter kraulte. Etwas in dieser Richtung hatte Adrian allerdings nicht vor. Das konnte Patrick sofort an dessen Blick sehen, als er ihn an die Wand drückte und sich zu ihm umdrehte. Wieder schlug Patrick das Herz bis zum Hals, aber diesmal aus Furcht vor dem, was er gleich hören würde. Bereits an der Art, wie Adrian seinen Namen aussprach, konnte Patrick hören, dass es vorbei war, bevor es angefangen hatte. Trotzdem wollte er sich zu Ende anhören, was der Rothaarige zu sagen hatte. „Patrick…“, begann Adrian um die richtigen Worte ringend, ohne dass sie ihm wirklich einfallen wollten. „…ich weiß, ich hätte dir schon früher eine Erklärung geschuldet, aber … ich bin ein so selbstsüchtiges Arschloch, dass ich es nicht übers Herz brachte.“ Sein Blick wurde traurig und deutlich geknickt. „Ganz ehrlich, ich finde dich sympathisch und total nett. Ich hab mich schon ziemlich lange nicht mehr so gut mit einem Mann unterhalten, wie mit dir und das, obwohl wir uns erst so kurz kennen.“ Er lächelte unsicher, ehe er wieder ernst wurde. „Ich bin nicht gut genug für dich. Und bevor du mehr Gefühle in das hier hineinlegst, kann ich dir nur raten, dich nicht auf mich einzulassen.“ Mann, komm endlich zum Punkt, bevor Patrick hier gar nichts mehr kapiert! „Soll im Klartext heißen: Ich lasse mich nie wieder auf Männer in dieser Weise ein. Ich bin nicht schwul. Nicht einmal Bi, auch wenn man das wohl eher von mir glauben könnte. Um ehrlich zu sein, ich bin noch nicht einmal Beziehungsmaterial.“ Adrian konnte ihm noch nicht einmal mehr in die Augen sehen. Er fühlte sich so beschissen wie gestern auf dem Badezimmerteppich nur ohne der Kloschüssel. „Es tut mir leid.“, begann er noch einmal. „Ich wollte eigentlich nicht diesen Abend damit zerstören, weil ich wirklich Spaß an deiner Gesellschaft hatte. Damit meine ich jetzt aber nicht, dass es mir Freude bereitet, dich so anzulügen.“ Okay, jetzt halt endlich die Klappe und lass die Konsequenzen endlich über dich ergehen. Du hast es verdient! Patrick ließ ihn ausreden und sah sich an, wie Adrian sich unter seinen Worten mehr wand, als es derjenige tat, an den sie gerichtet waren. Unter anderen Umständen hätte Patrick sich bei einem derartigen Geständnis einfach weg gedreht und wäre gegangen. Das musste er sich wirklich nicht antun. Er hatte ihn also verarscht. Von Anfang an. Enttäuschung machte sich derart in ihm breit, dass er die Zähne aufeinander beißen musste, um keinen verletzten Laut von sich zu geben. Er war zu gut für Adrian? Was sollte denn der Scheiß?! Sie kannten sich doch gar nicht. Wie konnte Adrian da so etwas beurteilen? Nun war Patrick eigentlich mehr beleidigt darüber, dass Adrian auf eine derartige Floskel zurückgriff, um sich aus der Affäre zu ziehen. Er sah sein Gegenüber feindselig an und Adrian hatte Glück, dass er weiter sprach, bevor Patrick an ihm vorbei rennen konnte. Seine nächsten Worte trafen ihn auf eine andere Weise, als die Vorherigen. Er war nicht schwul? Er stand tatsächlich auf Frauen? Aber dann… Patrick brauchte eine Weile, um seine Gedanken zu ordnen. Er sah sich den Rothaarigen genau an, der da vor ihm stand und es nach diesem Geständnis nicht über sich brachte ihn anzusehen. Hetero, wie? „Scheiße!“ Der Fluch ließ Adrian doch hochsehen und ihre Augen begegneten sich. Der Andere zuckte leicht zurück, als Patrick einen Schritt auf ihn zumachte. Wahrscheinlich ging er davon aus, dass er ihn umnieten wollte. Stattdessen schlang Patrick einen Arm um Adrians Schultern. „Komm, auf den Schock musst du mich jetzt aber auf einen doppelten Tequila einladen.“ Patrick schlang lässig seinen Arm um Adrians Schultern und verlangte als Entschuldigung nicht mehr als einen Drink? War er jetzt im falschen Film, oder was hatte er da nicht richtig mitbekommen? Doch noch ehe Adrian irgendwie richtig reagieren konnte, zog ihn Patrick auch schon wieder in die Menge zurück, wodurch er sich seltsamerweise etwas entspannte. Allerdings war er noch immer steif wie ein Brett. Von Rhythmus im Blut konnte gerade garantiert keine Rede sein. „Zwei Doppelte mit Aussicht auf ein paar weitere.“ Auf den Schock musste auch er etwas trinken. Er konnte noch immer nicht fassen, dass Patrick ihn nicht einfach hatte stehen lassen. Jeder andere hätte das vermutlich getan, nach dem er ihm einen Kinnhaken verpasst hätte. Bei der Bar angekommen, bestellt er sofort die Getränke und kippte seinen ohne mit der Wimper zu zucken hinunter. Das Gebräu brannte nicht einmal annähernd genug in seinem Hals, breitete sich dann aber warm und beruhigend in seinem Magen aus. Er bestellte noch einen, ehe er sich zu Patrick umdrehte. „Ganz ehrlich. Wenn du das Gefühl hast, mir eine verpassen zu müssen, nur zu. Ich hab’s mehr als verdient.“ Er seufzte. Zu was würde sich der Abend wohl noch entwickeln? Patrick sah Adrian noch einmal genau an. Die eisblauen Augen, die geschwungenen Lippen und dieser sanfte Ausdruck auf seinen Zügen, die ihn immer ein wenig traurig aussehen ließen. Er seufzte laut, was aber bei der Musik nicht zu hören war und lehnte sich zu Adrian hinüber, um weniger schreien zu müssen. „Ja, das hättest du.“ Er kippte seinen Drink ebenfalls schnell hinunter, verzog aber das Gesicht, als der starke Alkohol sich einen Weg die Speiseröhre hinunter suchte. Wieder wandte er sich an seinen Begleiter und sah ihm so in die Augen, dass er hoffentlich merkte, dass Patrick es ernst meinte. „Aber was bringt es mir? Dann würdest du ja nie wieder mit mir tanzen gehen!“ Er zog Adrian an der Schulter ein wenig zu sich heran und sprach ihm diesmal direkt ins Ohr. Jetzt, da er wusste, dass er keine Chancen bei Adrian hatte, fiel es ihm interessanter Weise leichter, sich ihm zu nähern. Sie wussten beide, dass nichts passieren würde. Das nahm zumindest von Patrick einigen Druck. „Glaubst du denn wirklich, dass ich nur auf Sex aus bin? Das ist aber enttäuschend.“ Er strahlte Adrian an, wie er es damals im Zooladen getan hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren. „Du bist ein verdammt netter Kerl, Adrian. Und selbst wenn ich meinen linken Arm für einen Kuss von dir hergeben würde…“ Er zuckte mit den Schultern, was alles sagte. Mit einem weiteren Grinsen deutete er auf die Tanzfläche und griff Adrians Hand. „Neben dem Drink schuldest du mir noch einen Tanz! Und keine Ausreden, sonst hau’ ich dir vielleicht doch noch eine runter!“ Unglaublich, aber als Adrian langsam dämmerte, dass Patrick ihn wirklich nicht einfach stehen lassen würde, obwohl er sich hier wie das letzte Arschloch aufgeführt hatte, war er so sehr erleichtert, dass ihm fast für einen Moment schwindelig wurde. Könnte natürlich auch am Alkohol liegen. Adrian konnte nichts darauf antworten, als Patrick die Sache mit dem Sex erwähnte. Ja, er hatte wirklich gedacht, der andere wäre darauf aus, aber nicht unweigerlich sofort auf der Stelle. So gut hatte er seine neue Bekanntschaft bereits einschätzen können und langsam gewann er wirklich Vertrauen zu dem Anderen. Nur zu bereitwillig ließ er sich zurück auf die Tanzfläche ziehen. Alles schien mit einem Mal leichter zu sein, jetzt wo dieses große Geheimnis nicht mehr über ihnen schwebte. Darum berührte Adrian auch Patricks Hüften, als er sich zu dem Anderen hinüber beugte, um ihm etwas ins Ohr zu sagen. „Selbst wenn du mir eine verpasst, ich bin nicht so eitel, dass ich nicht mit dir und einem blauen Auge tanzen gehen würde. Ehrlich, du bist echt ein klasse Typ, Patrick.“ Er lehnte sich einen Moment zurück, um den anderen glücklich anzulächeln. Ja, Erleichterung war eindeutig das, was er gerade empfand und den Anflug eines leichten Alkoholeinflusses. Was ihn nun immer mehr entspannte und ihn auf eine interessante Idee brachte. Er beugte sich noch einmal vor, streifte dabei mit seiner Wange die von Patrick und hauchte ihm zu: „Hey, was glaubst du, was passiert, wenn die Männer hier herausfinden, dass ein Hetero in ihrer Mitte ist? Denkst du, das könnte Ärger geben?“ Seine Stimme klang nicht wirklich besorgt, sondern eher verschwörerisch. „Hast du Lust, mir bei der Tarnung zu helfen? Ich war von deinem Hüftschwung sehr beeindruckt.“ Es klang auch nicht so, als würde er flirten, sondern als wäre er auf schlichten Spaß aus. Damit Patrick ihn nicht missverstehen konnte, lehnte sich Adrian wieder zurück und ließ seine Hände auf die Hüften des anderen gleiten. Danach begann er sich wie schon zuvor im Einklang mit der Musik zu bewegen und nahm dabei Patrick mit sich. Er mochte vielleicht hetero sein, aber Berührungsängste dieser Art, hatte er bestimmt keine, wenn alles zwischen ihnen beiden geklärt war. Das Einzige, was er nun wollte, war zusammen mit Patrick zu tanzen, als wären sie hier die Partygötter schlecht hin. Patrick war kurz verunsichert, als Adrian diese seltsame Frage stellte, aber spätestens als dieser sich im Takt der Musik bewegte und Patrick die Hände auf die Hüften legte, verstand er, was der Andere meinte. Er wollte tanzen. Und das taten sie. Nach einer Weile fühlte Patrick sich durch die Blicke der umstehenden Männer regelrecht angestachelt und schlang einen Arm um Adrians Hüften, um ihn näher an sich zu ziehen. Der Rothaarige verfiel sofort in die Bewegung, die Patrick mit seinem Hüftschwung vorgab, auch wenn Adrian wohl nicht ganz so gelenkig war wie sein dunkelhaariger Tanzpartner. Patrick wusste gar nicht, wann er sich das letzte Mal so ungeniert vor anderen bewegt hatte und noch dazu so viel Spaß dabei gehabt hatte. Er grinste Adrian glücklich an und zwinkerte ihm zu, bevor er sich wieder kurz von ihm löste, um ein kleines Solo hin zu legen. *** Der Alkohol kreiste inzwischen, da sie sich in den kleinen Tanzpausen noch weitere Shots genehmigt hatten, so wild in seinem Blutkreislauf, dass er Vieles um sich herum gar nicht mehr wahrnahm. Erst als er völlig erschöpft an der Bar stand und sich kurz an Adrian lehnte, sah er auf die Uhr. Es war fast vier Uhr morgens. Wahrscheinlich auch die Erklärung für die inzwischen doch recht leere Tanzfläche. „Hey Adrian, was meinst du? Ich bin fertig für heute. Sollen wir nach Hause gehen?“ Wie zur Bestätigung hielt er sich eine Hand vor den Mund und gähnte herzlich. Es hatte sich vielleicht so angehört, aber Patrick meinte nicht, dass sie zu einem von beiden zusammen nach Hause fahren sollten. Aber vielleicht konnten sie sich für einen Teil der Strecke ein Taxi teilen. Dem war auch so, denn Patrick wohnte zumindest im gleichen Stadtteil, in dem auch die Wohnung von Adrian und Emily lag. Als er aussteigen wollte, sah er Adrian noch einmal in die hübschen Augen. „So viel Spaß hatte ich schon lange nicht mehr!“ Ach, was sollte es. Er gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und knuffte ihn in die Seite. „Wenn du wieder einen Tanzpartner brauchst … oder einfach nur Gesellschaft … ruf mich an, ok?“ Adrians Abend hatte sich tatsächlich zu einem absoluten Hochgefühl verwandelt. Der Alkohol floss zwar nicht im Übermaß, aber doch eindeutig spürbar und sie tanzten und tanzten und tanzten. Es war der pure Wahnsinn. Niemals hätte Adrian gedacht, dass es so viel Spaß machen konnte, so eng mit einem Mann zu tanzen und dann auch immer wieder dessen Soloauftritte zu betrachten. Als dann schließlich auch langsam für seine eigenen Kräfte Sperrstunde war, war er froh, dass er sich mit Patrick ein Taxi teilen konnte. Denn er wollte dem anderen unbedingt noch sagen, wie froh er über diese Wendung war. Allerdings kam er durch sein erlahmtes Gehirn gar nicht dazu. Er hatte eindeutig zu viel getrunken. „Geht klar, ich melde mich auf jeden Fall bald wieder.“ Er strahlte Patrick in seinem mittelschweren Suff regelrecht an und verabschiedete sich dann. Am Ende wusste Adrian noch nicht einmal, wie er das Taxi bezahlt hatte. Er kam erst wieder etwas weiter zu sich, als er vor dem Aquarium im Wohnzimmer stand und die Fische anstarrte. Lange konnte er dort jedoch noch nicht stehen, da er noch die Wohnungsschlüssel in der Hand hatte. Viel zu müde und zu fertig, um sich jetzt noch großartig bettfertig zu machen, zog er sich lediglich die Hosen und das Hemd aus und fiel nur noch mit Boxershorts bekleidet in sein Bett, um den seligen Schlaf der Betrunkenen zu schlafen. Das hatte er nach dieser Nacht auch dringend nötig. Kapitel 15: 15. Kapitel ----------------------- Man merkte wohl bereits am nächsten Morgen, dass sie eindeutig erwachsene Leute waren. Denn auch wenn Richard Emily im Bett noch einmal zärtlich küsste und ihr für diese wunderbare Nacht dankte, so konnten doch beide relativ schnell wieder in den Geschäftsmodus überwechseln, da sie immerhin Uhrzeiten einzuhalten hatten. Richard verschwand in sein Zimmer, um sich rasch zu duschen und sich für den kommenden Tag umzuziehen und Emily tat wohl das gleiche. Danach konnte es wieder ab zu der Moorleiche gehen, die ihnen hoffentlich endlich einen wichtigen Anhaltspunkt dafür lieferte, ob das Museum sie nun kaufen sollte oder nicht. Alles in allem, schien sich dieser Ausflug wirklich nur auf drei Tage zu beschränken, da bisher alles glatt und reibungslos abgelaufen war. Trotzdem, auch wenn man es Richard nicht ansah, er dachte den ganzen Tag über immer mal wieder an die Nacht mit Emily und konnte somit eine zufriedene Ausstrahlung gar nicht vermeiden. Emily hatte sich für heute extra einen langen Hosenanzug angezogen, weil sie schon erwartet hatte, sich genauer – was hieß im Labor – mit der Leiche beschäftigen zu müssen. Nun stand sie leicht vorgebeugt und mit einer lächerlich großen Lupe in der Hand vor dem schwarzen Gesicht und drückte mit einem Holzspatel an der zerbrechlichen Haut herum. Sie kam sich ein wenig vor wie Sherlock Holmes. Als sie sich wieder aufrichtete, sah sie durch die große Glasscheibe, die das Labor von einem kleineren Raum trennte. Das Büro des Kurators, in dem eben jener und Richard auf ihre Beurteilung warteten. Bei Richards Anblick, der ihr ein warmes Lächeln zuwarf, musste sie an die letzte Nacht denken. Daran, wie er sich sanft um sie gekümmert hatte, wie wichtig es ihm gewesen war auf sie einzugehen, damit es erfüllend für sie wurde. Jetzt, im Rückblick, war sie sich sicher, dass es die richtige Entscheidung gewesen war. Er war ein netter Mann und heute Morgen beim Aufwachen hatte ihr nichts Leid getan. Den Kuss, den er ihr noch im Bett gegeben hatte, hatte sie dankbar entgegen genommen und zufrieden festgestellt, dass sie nicht bereute. Sie hatte absolut nichts dagegen, dass sie so weiter machten. Emily würde sich auf Richard und eine Beziehung mit ihm einlassen, wenn er das wollte. Vielleicht liebte sie ihn nicht, aber sie mochte ihn. Und möglicherweise würde sich die Liebe entwickeln, wenn sie länger zusammen waren. Emily zog sich die Maske von Mund und Nase und schenkte den beiden Männern hinter der Glasscheibe ein Lächeln, bevor sie nickte. Entgegen dem ersten Blick war die Leiche in recht gutem Zustand. Sie würden sich Mühe mit der Präparation und der Konservation machen müssen, aber das war sie wert. Emily konnte den glücklichen Ausdruck in ihrem Gesicht nicht hinunter spielen. *** „Wann geht unser Flug denn Morgen?“ Emily lag neben Richard im Bett, der seinen Arm um ihren nackten Bauch geschlungen und seinen Kopf auf ihrer Schulter abgelegt hatte. Ihre eigene Hand lag über der Decke auf seinem Rücken. Normalerweise hätte sie ihm wohl durch die Haare gekrault oder etwas Ähnliches getan, aber gerade in diesen intimen Momenten wurde ihr manchmal nur zu deutlich bewusst, wer da mit ihr im Bett lag. Richard – ihr Chef, der noch dazu fast neun Jahre älter war als sie selbst. Da kamen ihr solche liebevollen Gesten fehl am Platze vor und das, obwohl sie vor zwanzig Minuten noch Sex miteinander gehabt hatten. „Erst Morgen Abend halb acht.“ Emily gab nur einen bestätigenden Laut von sich und sah auf die Uhr. Es war nach Mitternacht, aber das machte nichts. Die Hotelzimmer mussten sie erst gegen Mittag verlassen und wenn der Flug so spät war, hatten sie sogar noch etwas Zeit sich die Stadt anzusehen. Heute waren sie nach der Untersuchung der Moorleiche und dem Papierkram zur Verschiffung nicht mehr wirklich dazu gekommen. Allerdings hieß die späte Uhrzeit auch, dass Emily erst gegen elf in ihrer Wohnung sein würde. „Vielleicht hätten wir doch bis Freitag hier bleiben sollen, dann müssten wir uns um die Arbeit am Freitag keine Sorgen machen.“ Sie konnte sich schon jetzt vorstellen, dass sie wie ein Schluck Wasser in der Kurve am Labortisch hängen würde. Flüge vertrug sie nicht sonderlich gut und sie wollte noch mit Adrian sprechen, wenn er zu Hause war. Sie freute sich darauf ihn wieder zu sehen. Ob er diesen Patrick angerufen hatte? Er war befriedigt, er war gesättigt, er war glücklich. Das war sein Resümee für diesen heutigen Tag. Nicht nur, dass es in ihrer Arbeit sehr gut lief, offenbar hatte auch Emily nichts dagegen gehabt, ihre nächtlichen Aktivitäten von gestern Abend heute noch einmal zu wiederholen. Inzwischen glaubte Richard, dass das vielleicht zu einer Beziehung führen könnte. Er hätte wirklich nichts dagegen, mit Emily zusammen zu sein, allerdings war er sich ihrer Gefühle noch nicht wirklich im Klaren und sie hatten Zeit. Zweimal Sex hieß noch lange nicht, dass es Zeit wurde, ihre Beziehung in privaten Dingen zu intensivieren. Richard war ein geduldiger Mensch. Er konnte warten, bis sie sich noch näher kennen gelernt hatten. Da gab es so Vieles, das er nicht über sie wusste. Gerne würde er mehr über ihr Leben, ihre Gefühle und Ansichten erfahren. „Du hast so viele Plusstunden, da wäre die Lohnbuchhaltung sicher froh, wenn du einmal einen freien Tag nimmst.“ Und mit mir verbringst. Wollte er noch hinzufügen, schwieg jedoch. Das war lediglich eine Nachwirkung des guten Sex, den sie gehabt hatten. „Hast du Lust, morgen noch etwas zu unternehmen, ehe wir den Flug nach Hause nehmen?“, fragte er sie unverwandt und schloss die Augen. Er war bereits unglaublich müde. *** Patrick träumte vom Tanzen. Genauer gesagt vom Tanzen mit Adrian. Allerdings war der Ausgang der wilden, leidenschaftlichen Bewegungen, die sie zusammen auf der Tanzfläche veranstalteten anders, als die Wirklichkeit der letzten Nacht. Daher wachte er auch mit einem leichten Stöhnen und eindeutigen, körperlichen Anzeichen auf. Unter der Decke sah er an seinem Körper herunter und rollte kurz mit den Augen. Das war wohl nicht zu vermeiden gewesen. Er duschte kalt und ermahnte sich und seinen kleinen Freund sich zusammen zu reißen. Adrian war nicht auf ihrem Markt, also war Anstand geboten. Einige Stunden später bekam er eine Sms von seinem Tanzpartner, die ihn strahlen ließ. Er antwortete sofort. Ich hatte auch viel Spaß. Wenn du Lust hast, können wir am Donnerstag was zusammen kochen? Lieben Gruß, P. Patrick liebte es zu kochen, vor allem wenn er es für Andere tun konnte. Dann blühte er richtig auf und ließ sich auch mal zu einem Drei-Gänge-Menü hinreißen. Es würde ihn freuen für Adrian und sich selbst zu kochen und sich dann einfach mit ihm zu unterhalten. Er wollte mehr über ihn wissen, als dass er offensichtlich gut tanzen konnte. Adrian hätte nicht gedacht, dass Patrick ihm so schnell zurückschreiben würde. Normalerweise war er es gewohnt, Stundenlang auf eine Antwort-SMS zu warten. Daher war er positiv überrascht. Leider konnte der Verkäufer heute offenbar nichts unternehmen oder wollte vielleicht auch einen Tag Ruhe haben. Adrian respektierte das, auch wenn das bedeutete, er würde sich eine Abendbeschäftigung suchen müssen. Möglichst zuhause, auf mehr hatte er selbst auch wirklich keine Lust. Mit einem erfreuten Lächeln tippte er seine Antwort in sein Handy ein und schickte sie ab. Das klingt toll. Allerdings wirst du mir Nachhilfe in Kochen geben müssen. Hättest du denn Lust, das Ganze bei mir zu machen? Die Fische würden sich sicher freuen. Und nicht nur die. ;) Liebe Grüße A. Kurze Zeit später war alles für morgen geplant. Patrick würde die Lebensmittel besorgen und Adrian den dazu passenden Wein. Er konnte es kaum erwarten. Da Adrian sowieso nichts Besseres zu tun hatte, begann er die Wohnung gründlich zu putzen. Es war nicht so, dass er alles akkurat sortierte, und seine DVDs nach dem Alphabet ordnete, aber man hätte sich später durchaus trauen können, vom Fußboden zu essen, so sauber war er. Das Bad war geputzt, sein Zimmer noch etwas um arrangiert, bis es schließlich wieder spät genug war, um wieder ins Bett zu gehen. Er musste sich ohnehin noch etwas von der gestrigen Nacht erholen. Da kam ihm dieser freie Abend wie gerufen. *** Sie sahen sich den kleinen Marktplatz mit der schönen Architektur an, bevor sie in einem kleinen, gemütlichen Kaffee einen Tee zusammen tranken und ein ausführliches, spätes Frühstück genossen. Emily hatte nicht besonders gut geschlafen, was bedeutete, dass sie sich sehr zusammen reißen musste, um keine schlechte Laune zu bekommen. Am Nachmittag war sie so weit, dass ihre Augen brannten und sie fast aggressiv reagierte, wenn etwas nicht absolut glatt lief. Sie wollte schon zwei Stunden vor dem Flug einfach nur nach Hause und sich ins Bett legen. Aber da es nur an ihrer Übernächtigung lag, wollte sie ihre Stimmung nicht an Richard auslassen. Sie ging neben ihm über den Platz, sah sich die wirklich schönen Häuserfassaden an und nickte über seine Erklärungen, die er ihr aus einem dicken Reiseführer vorlas. Mit einem traurigen Blick in den Augen überlegte Emily, dass das genau das war, was sie sich so oft gewünscht hatte. Und trotzdem war sie nicht glücklich. Im Inneren wusste sie, dass es der falsche Mann war, mit dem sie diesen Ausflug machte, ansonsten wäre sie vor Glück übergeflossen. Sie schlang ihre Arme um ihren Oberkörper, nicht allein, um sich zu wärmen und warf Richard ein unsicheres Lächeln zu. Als er sie fragend ansah, winkte sie ab. „Nur ein wenig müde.“ Ein paar Stunden später saß sie ihm Flugzeug neben ihm und zählte die Minuten, die sie noch von zu Hause trennten. Sie wollte in die Badewanne, etwas essen und dann in ihrem eigenen Bett schlafen. Sie war so unglaublich geschafft, wie schon lange nicht mehr. Und sie freute sich darauf, Adrian zu sehen. Vielleicht nur kurz, um ihm ihre schlechte Laune nicht anzutun, aber zumindest wollte sie ihm ‚Hallo’ sagen. Der Gedanke zauberte ihr tatsächlich ein kleines Lächeln aufs Gesicht. Richard hatte sich vor dem Gate am Flughafen von ihr verabschiedet und Emily hatte ihren Rollkoffer hinter sich her zum Taxistand gezerrt. Der Koffer war nicht schwer, hoppelte aber über den Fußweg, der mit diesen Platten gepflastert war, die dem Gras die Möglichkeit gaben hindurch zu wachsen. Glücklicherweise trug sie zumindest Halbschuhe, was verhinderte, dass sie mit dem Absatz hängen blieb und sich auch noch den Knöchel verstauchte. Das erste Taxi wurde ihr vor der Nase weggeschnappt und bevor sie das nächste erwischte, ging ein Regenguss los, der sich sehen lassen konnte. Emily kam sich vor wie im falschen Film, als sie sich schließlich mit völlig nassen Haaren auf die Rückbank des gelben Autos fallen ließ. Den Koffer hatte der Fahrer unter Grummeln im Kofferraum verstaut. Emily gab ihm ihre Adresse und lehnte ihren Kopf an die Kopfstütze ihres Sitzes und sah aus dem Fenster. Die Regentropfen auf der Scheibe vermehrten die Lichter der Innenstadt noch mehr und strengten ihre Augen so weit an, dass sie sie schloss. Für ein paar Augenblicke döste sie sogar weg, wurde dann aber durch die Ruckartige Bremsung an einer Ampel wieder unsanft hochgerissen. Wollte dieser Tag denn überhaupt kein Ende nehmen? Die letzten zehn Minuten zu ihrem Haus zogen sich wie Kaugummi. *** Unruhig tigerte Adrian am nächsten Morgen in der Wohnung auf und ab. Nicht nur, dass Emily vielleicht heute wieder nach Hause kam, er freute sich auch auf Patrick, der ihm eine so angenehme Gesellschaft war, wie schon lange kein Mann vor ihm. Tyson war mit der Zeit einfach zu anstrengend, aber auf Patrick war er wirklich gespannt. Zwar war er nicht an ihm als festen Freund interessiert, was er ab und zu wirklich etwas bedauerte, weil er sich bei dem anderen seltsamerweise sicher fühlte, aber daran konnte er eben nichts ändern. Außerdem schien er an Emily zu hängen, wie noch an keinem Menschen zuvor, auch wenn er noch nicht genau sagen konnte, was es damit auf sich hatte. So oder so, heute würde bestimmt ein guter Tag werden und das lenkte ihn von dem Gedanken an diesen Richard ab und wie die Tage mit diesem Typen und Emily wohl verlaufen waren. Würde sie ihm etwas darüber erzählen? Wollte er es überhaupt wissen? Aufgeregt blickte er wieder auf seine Uhr. Patrick müsste bald kommen. Er ließ sich von dem Taxi in zweiter Reihe direkt vor der richtigen Hausnummer absetzen, um sich mit der Einkaufstüte nicht zu weit abzuschleppen. Unten las er die erwarteten Namen auf dem Klingelschild und läutete. Es dauerte keine Minute, bis Adrian ihn rein ließ und ihm oben in der Wohnung die Tüte aus der Hand nahm. Bei Adrians Anblick konnte Patrick gar nicht anders, als zu strahlen. „Hey!“ Er drückte ihn kurz und zog dann Jacke und Schuhe aus, bevor er Adrian in die Küche folgte. Dabei sah er sich interessiert in der Wohnung um. „Sehr hübsche Wohnung. Da habt ihr echtes Glück gehabt. Noch dazu in dieser Lage. Ich frage jetzt besser nicht, was ihr an Miete zahlt.“ Er konnte sich lebhaft vorstellen, dass ihn das von den Füßen geworfen hätte. Immerhin lag sein eigenes Apartment im gleichen Stadtteil und kostete monatlich bereits eine horrende Summe. Und er hatte nur ein Zimmer mit angeschlossener Küche und ein kleines Bad. Adrian gab ihm eine kleine Tour und wie erwartet blieben sie beide vor dem Aquarium hängen. „Sehr schön, die scheinen sich ja wohl zu fühlen.“ Er blickte von den Fischen zu Adrian hinüber, der sich an die Rückseite der wirklich immensen Couch gelehnt hatte. „Was ist mit dir? Geht’s dir gut?“ Patrick konnte nicht genau sagen warum, aber Adrian kam ihm heute Abend relativ nervös vor. Und da sie sich beim Tanzen derart nah gewesen waren und der Rothaarige dabei keinerlei Regung dieser Art gezeigt hatte, musste es wohl an etwas oder jemand anderem liegen. Patrick sah ihm interessiert in die blauen Augen und lächelte ihn ermutigend an. Wenn er jetzt noch nicht reden wollte, würden hoffentlich der Wein und das Aprikosenhühnchen zu seinem Wohlbefinden und der Kommunikation beitragen. „Du bist hier, jetzt ist die Langeweile vorbei. Also ja, es geht mir gut.“ Adrian lächelte. „Aber ich erwarte heute eventuell noch Emily zurück. Sie war seit Dienstag auf Geschäftsreise. Mit ihrem Boss.“, fügte er noch zähneknirschend hinzu. Bevor ihm sein Unmut auffiel. „Na ja. Ist nicht so wichtig.“ Adrian stieß sich von der Couch ab und stellte sich neben Patrick. „Mein Zimmer hast du noch gar nicht gesehen. Das wolltest du dir doch sicher zuerst ansehen, oder?“ Er knuffte Patrick scherzend in die Seite und führte ihn dann zu seiner Zimmertür. Wie immer prangte das halbnackte Männerposter über seinem großen Futonbett. „Also ehrlich gesagt, diese Latinotypen sind ja nicht so mein Geschmack.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Hast du Lust Musik laufen zu lassen, während wir kochen? Kannst dir gerne was aus den CDs aussuchen, die ich habe.“, schlug Adrian vor, um etwas Stimmung in die Bude zu bringen. Er hasste es, wenn es zu still war. Das lag ihm so ganz und gar nicht. Außerdem würde ihn das wieder an den Abend im Schwulenclub erinnern. Was für eine tolle Nacht das doch gewesen war, obwohl sie eigentlich fast in einer Katastrophe geendet hätte. Dank Patrick stand Adrian hier, ohne irgendwelche Blessuren im Gesicht oder sonst wo aufzuweisen. Er wusste nicht, ob er selbst das so leicht weggesteckt hätte. Der Verkäufer war wirklich eine Klasse für sich. Patrick sah sich das Poster in Adrians Zimmer eine Weile an und beschloss erst in der Küche zu fragen, was ihm dazu einfiel. Zunächst widmete er sich der CD-Sammlung. Als er eines der Cover sofort erkannte, musste er breit grinsen. Er nahm die CD aus dem Regal und stellte die Stereoanlage an. Kaum dass Freddy Mercury anfing lautstark „Who wants to live forever“ zu singen, zog Patrick Adrian in die Küche zurück und wippte mit den Hüften, während er die Tüte auspackte. Er drückte Adrian die getrockneten Aprikosen in die Hand. „Die bitte klein schneiden. In Würfel, wenn du das hinkriegst.“ Mit einem schelmischen Blick zwinkerte er Adrian zu und kümmerte sich um das Huhn, das er zunächst abwusch, trocknete und dann würzte. „Also, warum hast du das Poster eines halbnackten Männermodels über dem Bett hängen, wenn du doch offensichtlich was für deine Mitbewohnerin übrig hast?“ Die Frage war vielleicht zu offensiv gestellt, aber Patrick hatte bei Adrian die Erfahrung gemacht, dass er damit ganz gut fuhr. Der Rothaarige würde nicht antworten, wenn er nicht wollte. Und Adrian wusste, dass Patrick es nicht böse meinte. Er war einfach neugierig. Um das Ganze noch etwas gelöster zu gestalten, fragte er gleich nach dem Wein, den Adrian hatte besorgen wollen. Es war schon einmal beruhigend, dass Patrick keine Angst hatte, Adrian könnte beim Schneiden des Trockenobstes einen Finger verlieren. Aber auch wenn er nicht unbedingt gut beim Kochen war, so war er dennoch in der Lage mit einem großen und scharfen Messer umzugehen. Das zeigte er Patrick auch, nachdem er das Obst in kleine, gleichmäßige Würfelchen schnitt. Gut, dass er damit fertig war, bevor Patrick ihm diese Frage stellte, ansonsten hätte ihm doch noch ein Ausrutscher passieren können. Darum legte Adrian vorsichtshalber das Messer zur Seite und holte den Wein. „Ich hoffe, der Chardonnay sagt dir zu.“ Mit einem Lächeln, stellte er die Flasche ab und beugte sich dann über die Theke, um Patrick beim Kochen zusehen zu können. Im Einklang zu der Musik bewegte er leicht die Hüften, ohne es zu bemerken. Adrian schwieg absichtlich noch etwas, um sich seine Worte genau zu überlegen. Dann meinte er aber in fast gelassenem Tonfall. „Tarnung. Das ist alles. Ich sagte dir schon, dass ich Emily dazu brachte, mich doch noch als männlichen Mitbewohner zu akzeptieren. Allerdings unter einer Bedingung. Ich glaube, du kannst dir schon vorstellen, welche das ist.“ Adrian seufzte. „Sie glaubt ich sei schwul, dabei habe ich ihr nur gesagt, ich würde mich nicht für Frauen interessieren, was zum damaligen Zeitpunkt auch stimmte.“ Mit dem Zeigefinger fing er an, die Holzstruktur der Theke nachzuzeichnen, während er das unangenehme Gefühl in seinem Magen zu verdrängen versuchte. Er fühlte sich trotz allem wirklich schuldig. „Aber was Emily angeht, hast du glaube ich Recht...“, begann er schließlich langsam und so leise, dass man es durch die Kochgeräusche fast gar nicht richtig hören konnte. „Bis ich sie kennen lernte, waren mir Frauen ziemlich egal. Aber sie…“ Ohne es zu wissen, lag ein Lächeln auf seinem Gesicht, während er ins Leere starrte und sein Finger in seiner Bewegung inne hielt. „…ich weiß auch nicht. Wie gesagt, ich bin nicht wirklich Beziehungsmaterial, eben weil ich …“ Noch nie eine gut funktionierende Beziehung hatte? Sollte er das wirklich so sagen? Vor Tyson das zuzugeben, war kein Problem, aber vor Patrick? Überlegend sah er den Blauäugigen unter gesenkten Wimpern hervor an. Ach was sollte es. Den Sprung ins kalte Wasser hatte er schon längst hinter sich. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. „…ich hatte noch nie eine richtige Beziehung. Zumindest keine, die diesen Namen verdient hätte.“ Sein Finger begann wieder den Linien zu folgen, während er sich mit der anderen Hand den Kopf abstützte und seufzte. Patrick rührte geübt ein wenig in der Sauce, briet das Obst an, bevor er es mit dem Hühnchen zusammen in eine feuerfeste Form packte und in den vorgeheizten Ofen stellte. Deshalb liebte er dieses Gericht. Sie mussten nur noch den Reis auf den Herd stellen, dann wäre alles zusammen fertig. Das ließ ihnen Zeit den Wein zu genießen und sich weiter zu unterhalten. Patrick wusch sich die Hände und lehnte sich mit dem Weinglas lässig an die Küchentheke, um Adrian anzusehen. Der malte immer noch Muster auf den Tresen und sah grübelnd vor sich hin. „Glaubst du denn, dass sie dich tatsächlich rausschmeißen würde, wenn du ihr sagst, dass du nicht schwul bist?“ Wenn man zusammen wohnte, konnte man den Anderen doch auch nach so kurzer Zeit bestimmt einschätzen. Vielleicht hatte Adrian gar keinen Grund sich Sorgen zu machen. Warum sollte Emily Angst vor ihm haben oder auch nur ansatzweise etwas in dieser Richtung? Patrick war schon nach einigen Stunden klar gewesen, dass der Rothaarige keiner Fliege etwas zu Leide tun würde. „Ich kenne Emily ja nicht, aber wenn du sie weiter anlügst wird das auch mit deiner ersten richtigen Beziehung ziemlich schwierig werden.“ Adrian zuckte bei diesen Worten fast zusammen und sah ein wenig gequält drein. Sofort tat es Patrick leid, dass er so ehrlich gewesen war und er hielt Adrian das Glas hin, um mit ihm anzustoßen. Er war nicht hierher gekommen, um seinen Gastgeber dazu zu veranlassen Trübsinn zu blasen. Aber es war offensichtlich, dass Adrian darüber reden wollte, auch wenn er sich dessen vielleicht selbst gar nicht bewusst war. „Vielleicht hast du Recht, aber mal ehrlich, das ist doch bereits jetzt eine dicke Lüge, an die sie da glaubt. Denkst du, sie wird mir noch einmal so schnell vertrauen, wenn sie das heraus findet? Ich glaube eher, dass sie mich von da an misstrauisch beäugen wird, selbst wenn sie mich nicht rausschmeißen sollte.“ Das könnte er zwar ertragen, aber es würde nicht sehr angenehm sein. Dennoch wäre es vielleicht besser, ihr vorher zu sagen, dass er nicht schwul war, bevor sie es irgendwann auf eine andere Art herausfand. Das könnte man dann noch als Ehrlichkeit durchgehen lassen. Trotzdem war Adrian noch nicht bereit, dieses Theater zu beenden. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Wein, ohne ihn vorher überhaupt nur einen Moment lang zu würdigen, oder dessen Bukett zu ermessen. Er kippte ihn hinunter, wie billigen Fusel. Als Patrick an dem Wein nippte, wurde ihm klar, dass dieser Tropfen ihrer beider Zungen sehr schnell lösen konnte, wenn sie nicht warteten, bis sie ein wenig Hühnchen im Magen hatten. Um Adrian wieder ein wenig aufzuheitern, ließ er sogar eine Äußerung fallen, die ihm am Herzen lag. „Dass du kein Beziehungsmaterial bist, glaube ich kein Stück. Du bist nett und witzig und scheinst dich zu kümmern. Ich glaube, du machst dich selbst mehr runter, als es jeder Andere könnte.“ Er schenkte ihm ein Lächeln, das Eisblöcke hätte schmelzen lassen können. „Vielleicht unterschätzt du Emily auch ein bisschen? Wer weiß, vielleicht müsste sie nur wissen, dass du auf sie stehst…“ Er zuckte die Schultern und ließ Interpretationsspielraum für das, was dann möglich war. In seinen Fingerspitzen konnte er den Wein schon jetzt spüren. Na, das würde wohl ein heiterer Abend werden. „Du hast ja keine Ahnung, Patrick.“, gab er kleinlaut zu, um dem anderen zu widersprechen. Sein Gefühlsleben war so verdreht, er wüsste nicht einmal, wie er auf einen simplen Kuss reagieren würde. Würde ihn Abscheu erfassen? Oder wäre es etwas Besonderes, weil er nicht oft in seinem Leben einen Menschen auf diese Art geküsst hatte? Wer weiß, vielleicht war es bei Emily etwas ganz anderes. Allerdings müsste sie dann wirklich erst einmal wissen, dass er Interesse an ihr hegte. So offensichtlich wie Patrick konnte er sich dazu noch nicht äußern. Wie konnte man sowas eigentlich genau wissen? Nur Anhand von Begegnungen, die noch nicht einmal annähernd körperlich waren? Da dieses ganze Thema Adrians Laune nur hinunter zog und er das nicht wollte, ging er schließlich samt Weinglas zum Herd, um das Hühnchen im Rohr zu betrachten. Es war für ihn ein seltener Anblick, meistens erschienen diese Art von Gerichten bereits schön serviert auf einem Teller vor ihm. Den Herstellungsprozess bekam er selten zu Gesicht. Gespielt schmollend wich er zur Seite, als Patrick ihn mit der Hüfte weg schob, um selbst einen Blick auf sein Werk werfen zu können. Allerdings wollte er selbst noch ein bisschen weiter dem besonderen „Fernsehprogramm“ des Abends folgen. Also versuchte er irgendwie an Patrick vorbei zu linsen, als dieser eine überraschende Bewegung machte und das Missgeschick auch schon passiert war. Verdutzt starrte er auf den großen Fleck auf seinem Hemd, der sich bereits Richtung Jeans gen Süden vorarbeitete. Was sich seltsam anfühlte. Als lecke ihm eine kalte Zunge über den Bauch hinab. Erst als Patrick mit einem Tuch versuchte, die Sauerei einzudämmen, kam wieder Leben in Adrian und er musste unwillkürlich erst kichern und dann lachen, weil sich der Fleck unter dieser Behandlung nur noch hartnäckiger weiter ausbreitete und er das Ganze irgendwie total witzig fand. „Hey, schon gut. Ich bin kitzelig.“ War er nicht unbedingt, aber das passte gerade zu seinem Lachen. „Außerdem…“, er zwang Patrick dazu, von ihm abzulassen, packte dann dessen Schultern und drehte ihn um. „Ja, hab ich es mir doch gedacht. Dich hat’s auch erwischt.“ Wieder musste er breit grinsen. Dieser Unfall störte ihn in keiner Weise und das zeigte er dem anderen auch. „Na komm, du kannst eines meiner Hemden haben, so kann ich dich doch nicht mehr mit gutem Gewissen auf die Straße lassen.“ Er packte Patrick an der Knopfleiste von dessen Hemd und zog ihn mit sanfter Gewalt mit sich zu seinem Zimmer. „Zieh dein Hemd aus.“, befahl er noch immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht, während er sich seines einfach nur über den Kopf zog, zusammen knüllte und in den Wäschekorb warf. Danach öffnete er seinen Schrank und suchte ein Hemd für sich und eines für Patrick heraus, der inzwischen ebenfalls mit entblößten Oberkörper halb im Flur stand und wohl nicht so recht wusste, wohin mit der schmutzigen Wäsche. Adrian reichte ihm das frische Oberteil in schwarz und nahm ihm das andere ab. Er selbst hatte sein Hemd bereits an, es aber noch nicht geschlossen, als ihm etwas einfiel. „Oh warte, ich hab vergessen, dass bei dem die Knöpfe ganz schön schlüpfrige kleine Scheißerchen sind.“ Er trat zu Patrick in den Flur und half ihm dabei, die kleinen Knöpfe durch die noch kleineren Knopflöcher zu bringen, was gar nicht so einfach war, ohne nicht ständig mit seinen Fingerknöcheln über Patricks Brustkorb zu streichen. Sein schwuler Freund möge ihm verzeihen! Mit einem zweideutigen Lächeln sah Patrick sich an, wie Adrian völlig schamlos sein Hemd über den Kopf zog, um dann in seinem Schrank nach trockenen Klamotten zu suchen. Nach Patricks Meinung hätte er seinen Oberkörper nicht zwingend wieder bedecken müssen. Erst jetzt fiel ihm auf, wo seine Gedanken da schon wieder hinwanderten. Aber konnte man ihm daraus wirklich einen Vorwurf machen? Er benahm sich anständig und hätte nie etwas versucht, aber gucken und die Aussicht genießen durfte er doch wohl. Immerhin standen sie inzwischen beide halb nackt in der Wohnung und Patrick fühlte den Wein bereits nach dem ersten Glas in seinem Magen kribbeln. Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als Adrian mit offenem Hemd zu ihm herüber kam und sich dann an den Knöpfen des schwarzen Leihhemdes zu schaffen machte. „Du hast echt Glück, dass du mich gestern aufgeklärt hast. Ich hoffe dessen bist du dir bewusst.“, sagte er, legte dabei spielerisch eine Hand flach auf Adrians Brust und strahlte ihn an. Dann sah er an seinem Bauch hinunter, wo Adrians Finger immer wieder über seine Haut strichen, während er ihm das Hemd schloss. Das kam dem Traum von letzter Nacht erstaunlich nahe, auch wenn Adrians blasse Finger die Knöpfe da nicht geschlossen, sondern geöffnet hatten. Gerade wollte er wieder etwas sagen, als er ein Geräusch hörte. Im nächsten Moment zog er ruckartig und fast panisch seine Hand zurück, was Adrian erstaunt aufsehen ließ. Patrick tat die Sache schon unsäglich leid, bevor sein Gegenüber überhaupt verstand, was los war. „Hi.“ Emily stand mit triefend nassen Haaren und Klamotten im Türstock und wäre am liebsten im Boden versunken. Bei der lauten Musik hatte sie sich schon gedacht, dass Adrian bestimmt noch wach und vielleicht nicht allein war, aber das Bild hatte sie nicht erwartet. Er knöpfte Patrick gerade das Hemd zu und der Dunkelhaarige hatte seine Hand auf Adrians nackte Brust gelegt. Emily wusste gar nicht genau, wo sie zuerst nicht hinsehen sollte. Also stand sie einfach nur da, mit dem Schlüssel in der einen und dem Koffer in der anderen Hand und bewegte sich keinen Zentimeter in ihre eigene Wohnung hinein. Sofort suchte sie nach einem Ausweg. Sollte sie einfach umkehren und versuchen bei Mona für die Nacht unterzukommen? Richard konnte sie auch fragen, aber der wohnte am anderen Ende der Stadt… Sein Herz rutschte ihm genau in jenem Moment in den Magen, als Adrian Emily so in der Tür stehen sah, ehe es zu rasen begann. Adrenalin schoss ihm durch die Adern und ein Gefühl der Freude breitete sich in seinem Bauch aus. Sie war wieder da! Ein Lächeln wollte sich auf seinen Lippen ausbreiten, bis er endlich ihren Gesichtsausdruck deuten konnte und es auf halbem Wege gefror. 1. Sie sah leicht schockiert aus. 2. Ihre Augen zeigten ihm, dass sie nach einer Fluchtmöglichkeit suchte. Erst da begann Adrian wirklich zu begreifen und ließ seine Hände endlich von Patricks Leihhemd fallen. Scheiße. Das war jetzt so ganz und gar nicht passend. Aber wenn er jetzt versuchte, sich selbst noch das Hemd vorne zu zuhalten, wäre die Peinlichkeit perfekt. „Emily…“ Seine Stimme wollte ihm kaum gehorchen, also versuchte er es noch einmal. „Schön dass du wieder da bist. Willst du nicht endlich rein kommen? Du bist ganz nass.“ Und sie sah vollkommen fertig aus. Oh mein Gott, was war denn passiert? Sofort spiegelte sich Sorge in seinen Augen, doch er musste diese Lage jetzt so vorsichtig wie möglich angehen, also blieb er so gelassen, wie er konnte. Selbst wenn seine Mitbewohnerin wohl den Eindruck gewonnen hatte, dass Patrick und er gerade etwas miteinander gehabt hatten und sie sich jetzt gegenseitig wieder anzogen. „Ehm. Patrick kennst du ja sicherlich noch.“, meinte er in das unangenehme Schweigen hinein, was aber auch nur ein schwacher Versuch war, die Situation zu entspannen. Doch bevor Emily wirklich noch die Flucht ergreifen konnte, ging er auf sie zu, nahm ihr den Koffer ab und schloss die Tür hinter ihr. „Wenn du noch länger hier rumstehst, wirst du dich noch erkälten.“ Nicht, dass er etwas dagegen gehabt hätte, sie gesund zu pflegen. „Außerdem siehst du müde aus. Willst du dich nicht kurz setzen? Patrick hat gekocht. Das Essen müsste gleich fertig sein.“ Er versuchte wirklich zu lächeln, aber er machte sich ziemliche Sorgen. Nicht nur wegen dieser Situation hier, die sich schnell mit den richtigen Worten aufklären ließ, sondern auch über Emilys Erscheinen. Hatte das etwas mit … Richard zu tun? Was war vorgefallen? Bildete er sich das alles vielleicht nur ein und sie war lediglich vom Regen so nass und machte deshalb so einen erschöpften Eindruck? Vielleicht nur wegen der Reise? Langsam kroch die Kälte in ihre Knochen und sie konnte das Wasser spüren, dass ihr aus den Haaren übers Gesicht und hinten in den Kragen lief. Trotzdem bewegte sie sich kein Stück, bis Adrian auf sie zukam und ihr den Koffer abnahm. Als sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen hörte, kam sie endlich wieder zu sich und hörte auf Patrick anzustarren, der mit einem betroffenen Gesichtsausdruck im Flur stand. „Ja, klar. Hi, Patrick.“ Sie ging zu ihm hinüber und streckte ihm die kalte Hand hin, die er freundlich drückte und wieder ein strahlendes Lächeln sehen ließ. „Hallo, schön dich wieder zu sehen.“ In einer peinlich berührten Geste strich er sich mit der freien Hand im Nacken über die dunklen Haare. Dann warf ihm Adrian mehr oder weniger einen Rettungsanker zu. „Ja, Adrian hat Recht. Wir haben gekocht. Hühnchen. Du bist gern eingeladen mitzuessen.“ Er betonte das ‚wir’ im Satz, um Adrians Einsatz beim Schneiden der Früchte zu würdigen, blieb aber immer noch wie angewurzelt vor Emily stehen, deren Blick nun zu Adrian wanderte. Der hielt immer noch ihren Koffer in der Hand und sah einigermaßen besorgt aus. Ob es daran lag, dass sie ihn und Patrick bei irgendetwas erwischt hatte, konnte sie nicht einschätzen. Immerhin hatten sie nicht wild geknutscht oder etwas in der Art. Sie sollte sich also nicht so anstellen. Es war einfach überraschend gewesen und noch dazu war sie vollkommen fertig mit der Welt. Normalerweise hätte sie bestimmt nicht so überaus kindisch reagiert. „Danke. Ich möchte aber ehrlich gesagt erstmal unter die Dusche.“ Sie war bis auf die Unterwäsche nass, was sich auch zeigte, als sie ihren Mantel ablegte und an die Garderobe hängte. Ihr Pullover klebte genauso wie ihr dicker Wollrock an ihrem Körper und beides war genauso durchnässt wir ihre Schuhe, die sie auf die Heizung abstellte. Patrick hatte wohl auch endlich seine redselige Art wieder gefunden. „Dafür hast du noch Zeit. Das Huhn braucht noch eine viertel Stunde. Wir können dann auch einfach auf dich warten. Im Ofen bleibt es ja heiß.“ Gerade wollte sie sagen, dass sie ihnen keine Umstände machen wolle, aber dann sah sie Adrian in die Augen. Er sah sie mit einem Gesichtsausdruck an, den sie vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. Es war eine Mischung aus Besorgnis und etwas Anderem, das sie lächeln ließ, als sie es als Freude erkannte. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, was mit ihren nassen Klamotten aber keine so gute Idee gewesen wäre. Also streichelte sie nur kurz seinen Oberarm. „Sehr gerne, vielen Dank.“ Sie schnappte sich ihren Koffer, brachte ihn in ihr Zimmer, das unangenehm kalt war und sie dazu brachte, die Heizung aufzudrehen. Sie würde zwar in jedem Fall schlafen wie ein Murmeltier, aber warm wollte sie es trotzdem haben. Dann schlüpfte sie mit trockenen Kleidern in der Hand ins Bad und zog sich aus. Eine zarte Gänsehaut legte sich auf ihren Körper, die nicht nur von der Kälte, sondern auch von der Müdigkeit herrührte. Unter der heißen Dusche schüttelte sie das Gähnen beinahe durch und sie wäre bestimmt im Stehen eingeschlafen, wenn die beiden Männer in der Küche nicht auf sie gewartet hätten. Es gefiel Adrian gar nicht, wie durchnässt Emily war, was er erst richtig hatte erkennen können, als sie ihren Mantel ausgezogen hatte. Vielleicht, unter anderen Umständen, hätte ihn ihr Anblick in den nassen Sachen entzückt, weil sie so ziemlich stark ihre Figur betonten, doch im Augenblick war er viel zu sehr darüber besorgt, was geschehen war. Gut, draußen herrschte gerade ein Wolkenbruch, aber sie sah auch müde und erschöpft aus. Die Reise – so hoffte er zumindest. Jede andere Erklärung für ihre Müdigkeit hätte ihm gewiss nicht gefallen. Bevor er sich Emily mit Richard im Bett wälzend vorstellen konnte, rettete sie ihn aus seiner Lage. Auch wenn es nur eine kurze Berührung an seinem Oberarm war, so weiteten sich die Pupillen seiner Augen unwillkürlich und die Stelle, wo sie ihn berührte, fing zu kribbeln an, ehe die Wärme auch schon wieder erlosch und Emily in ihr Zimmer ging. Schweigend schlurfte Adrian zusammen mit Patrick in die Küche zurück, während er sich gedankenverloren das Hemd zuknöpfte. Danach deckte er noch für Emily auf, schenkte sich und Patrick Wein nach, goss auch für Emily ein Glas ein, obwohl er glaubte, dass sie heute keinen mehr trinken würde. Als das erledigt war, wuselte er unruhig in der Küche herum, wusch einen Teil des Kochgeschirrs ab, rückte Gewürzbehälter zu recht, arrangierte die Kochlöffel in dem bauchigen Tongefäß neu, faltete das Geschirrtuch bis er mit einem Mal innehielt, da ihm bewusst geworden war, was er da eigentlich machte. „Tut mir leid.“ Er sah Patrick entschuldigend an, weil er ihn bis jetzt vollkommen vergessen hatte. „Das Hemd steht dir übrigens ausgezeichnet.“ Er lächelte schwach und sah dann auf die Uhr. „Es wird schon langsam spät. Willst du nicht über Nacht bleiben? Die Couch ist sehr bequem, ich könnte mich auch dafür erwärmen, wenn du lieber in einem Bett schlafen willst, oder musst du morgen arbeiten?“ Nervös trank er von seinem Wein, so dass sich wieder Wärme in seinem kalten Inneren ausbreitete. Verdammt, er war völlig durch den Wind. Dabei störte es ihn am Wenigsten, dass Emily jetzt sonst was von ihnen halten mochte. Wie gesagt, diese peinliche Situation ließ sich schnell aufklären. Aber was war mit seinen unausgesprochenen Fragen? Wieder krallte sich die Bestie der Eifersucht in seine Eingeweide, so dass ihm fast schlecht wurde. Mit einem leisen Stöhnen auf den Lippen stützte Adrian sich mit den Ellenbogen auf der Theke ab und vergrub seinen Kopf in den Händen. Diese Ungewissheit machte ihn noch wahnsinnig und dabei hatte er gar kein Recht dazu, auf Richard eifersüchtig zu sein. Er wusste noch nicht einmal, ob alles in völlig geschäftlichem Rahmen abgehandelt worden war. Genervt musste er feststellen, dass Geschäftlich für ihn eine sehr ähnliche Bedeutung hatte. Patrick sah Adrian dabei zu, wie er mehr oder weniger vor Nervosität die Wände hochging. Der Dunkelhaarige hatte sich in der Küche auf einen der Stühle gesetzt, sich sein Weinglas geschnappt und sich überlegt, was er sagen sollte. Es war mehr als offensichtlich, dass Adrian etwas für Emily empfand. War ihm das selbst denn gar nicht klar? Fiel ihm sein Benehmen denn selbst gar nicht auf? Mit gerunzelter Stirn überlegte Patrick, warum Adrian nicht einfach den ersten Schritt machte. Er hatte ihm gesagt, dass er sich selbst nicht für beziehungsfähig hielt, dass er noch nie eine liebevolle Beziehung gehabt hatte. Aber er sah verdammt verliebt aus, so wie er sich hier gerade aufführte. Irgendwann stellte sein Freund offensichtlich fest, dass er nicht allein auf dem Planeten oder zumindest in dieser Küche war und drehte sich mit einer Entschuldigung und einem Kompliment zu ihm um. „Ich weiß nicht, ob es so eine gute Idee wäre, wenn ich hier in einem Bett übernachte…“ Ein wenig kleinlaut schob er eine Frage nach, die vielleicht mehr klären konnte, als er laut aussprechen wollte. „Willst du denn tatsächlich, dass Emily noch weiter auf falsche Gedanken kommt? Das vorhin war doch schon mehr als genug.“ Es war seltsam. Einerseits sah Adrian so aus, als würde er explodieren, wenn Emily nicht bald in der Küche auftauchte – welchen Zündstoff er dabei hatte, konnte Patrick nicht genau sagen – und andererseits hätte er ihr weiterhin vorgegaukelt, dass die beiden Männer etwas miteinander hatten. Zumindest würde sie das denken, wenn Patrick auch am nächsten Morgen aus seinem Zimmer kam, um zu frühstücken. Wahrscheinlich wusste er selbst nicht, was er wollte. Aber das Angebot war wirklich verführerisch. „Die Couch wäre allerdings klasse. Wenn du mir das Hemd noch für Morgen leihst, geh ich einfach so zur Arbeit.“ Natürlich würde er das Hemd waschen und so bald wie möglich zurückgeben. Er sah Adrian in die blauen Augen und lächelte ein wenig schief. „Darf ich dich übrigens was fragen? Was hat es denn mit ihrer Reise auf sich, das dich so nervös macht?“ Beinahe hätte er den Inhalt seines Weines wieder ausgespuckt, von dem Adrian gerade getrunken hatte, als Patrick ihm diese alles verheerende Frage stellte. Doch er konnte noch rechtzeitig schlucken. Dennoch musste er kurz husten, ehe er wieder dazu in der Lage war zu sprechen. „Das war eine Geschäftsreise nach Norwegen. Emily arbeitet als Restauratorin in einem Museum und sie sollte sich dort eine Mumie und eine Moorleiche ansehen, ob die so gut erhalten sind, dass sie es wert sind, sie zu kaufen.“ Tja, so weit so gut. Der zweite Teil fiel ihm allerdings verdammt schwer auszusprechen. Der Teil, wo ein gewisser Richard vorkam... Adrian bemerkte gar nicht, wie sich seine Hände um den Rand der Theke krallten, als er mit fast schon wütendem Blick leise knurrte. „Die Reise war mit ihrem Boss. Richard.“ Die Bestie in seinem Magen kreischte, als er den Namen laut aussprach. Ohne es zu wollen, begann sein Körper kaum merklich zu beben. „Halte mich ruhig für einen paranoiden Vollidioten, aber ich bekomm das Bild einfach nicht mehr aus meinem Kopf: Sie und er, wie sie sich zusammen im Bett wälzen… Das ist so…“ Er presste die Augenlider zusammen und versuchte ruhig zu atmen. Es gelang ihm erst nach und nach. „Bestimmt bilde ich mir das alles nur ein und es steckt nichts dahinter. Aber sie waren auch letzten Samstag in einem Nobelrestaurant essen. Weder die Zeit noch der Ort schienen mir für ein geschäftliches Gespräch günstig gewesen zu sein. Trotzdem…“ Er zwang sich gnadenlos zur Ruhe. Entschlossen packte er seine Gefühle hinter die dicke Mauer, die er sonst immer für seine geschäftlichen Arrangements erbaute, damit er hier nicht einfach hirnlos an die Decke ging. Als es ihm endlich gelungen war, war seine Haltung, sein Blick, ja selbst seine Stimme wie verwandelt. Als kümmere ihn das alles gar nicht. Vielleicht hätte er Schauspieler werden sollen. „Wie dem auch sei, es ist ihr Leben. Ich habe mich da im Grunde gar nicht einzumischen. Außerdem-“ Mit einem weiteren Gähnen trat sie in die Küche und lächelte die beiden jungen Männer an, die sich wohl gerade noch angeregt unterhalten hatten. Emily kam sich schon wieder so vor, als hätte sie die beiden ertappt. Aber sie war zu müde um sich zu entschuldigen oder weiter darüber nachzudenken. Kurz sah sie sich das Weinglas an, das Adrian ihr hingestellt hatte, entschied sich dann aber dagegen. „Das riecht wirklich gut. Was habt ihr denn genau gekocht?“ Wahrscheinlich würde sie gar nicht viel davon hinunter kriegen, aber hungrig wollte sie auch nicht schlafen gehen. Selbst wenn sich nichts an seiner gelassenen Miene veränderte, ihr Anblick traf Adrian heftig. Jetzt, da sie wieder trockengelegt war und in gemütlichen Sachen vor ihnen stand, wirkte sie wie die Emily, die er kannte und doch waren ihm diese tiefen Ringe unter ihren Augen völlig neu. Ebenso wie der matte Glanz ihrer Iris. Sie gehörte dringend ins Bett. „Aprikosenhühnchen.“, antwortete ihr Adrian lahm und sah dann fragend zu Patrick hinüber. „Willst du deine Kreation servieren?“ Er selbst ging zum Tisch hinüber und schob Emily den Stuhl unter den Hintern, weil sie so müde auf ihn wirkte, als würde sie schon im Stehen einschlafen. „Setzt dich lieber, bevor du mir noch umkippst.“, hauchte er ihr ungewollt zärtlich und zugleich mit besorgtem Tonfall zu. „Kann ich sonst noch etwas für dich tun?“ Schwach lächelte er sie an und strich ihr nebenbei eine verirrte Strähne hinters Ohr, die sich wohl aus dem Knoten gelöst hatte. Danach stand er auf, um Patrick beim Anrichten zu helfen. Emily würde schon sagen, wenn sie etwas brauchte. Aber eines war klar. Heute würde er keine Antworten bekommen und irgendwie war er auch froh darüber. „Da habt ihr euch aber was vorgenommen. Es riecht wirklich lecker.“ „Na, hoffentlich schmeckt’s auch so. Aber ich hab das schon öfter gekocht.“ Emily war von Patricks Lächeln immer wieder fasziniert. Seine Zähne schienen immer aufzublitzen und es lag so viel Herzlichkeit in seinen Zügen, dass sie ihn am liebsten gesagt hätte, dass er ein netter Kerl war. Dabei wusste sie das gar nicht. Aber wenn hier das lief, was sie vermutete, dann hoffte sie es doch sehr. Für Adrian. Immerhin wollte sie nicht, dass er sich mit jemandem einließ, der sich am Ende als Schlag ins Wasser entpuppte. „Dann ist’s gut. Ich habe nur einmal zugesehen, als es gekocht wurde und es sah nicht ganz einfach aus.“ „Es geht. Aber ich würde hier nicht auftauchen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass ich das Gericht hinkriege. Immerhin will ich mir ja keine Blöße geben.“ Er grinste wieder und zwinkerte ihr zu. „Verstehe…“ Diesmal lachte sie sogar und war Patrick dankbar, dass er es geschafft hatte sie ein wenig von ihrer schlechten Laune abzulenken. Wieder fiel ihr die Strähne ins Gesicht, die ihr Adrian vorhin hinters Ohr gesteckt hatte. Als sie nun das Selbe tat, kam ihr diese Geste seltsam vor. Und sein Tonfall… Ein wenig schüttelte sie den Kopf, um sich selbst zur Besinnung zu rufen. Es war einfach furchtbar schön, wie gut sie sich verstanden. Emily hatte das Gefühl, dass sie Adrian schon sehr lange kannte und ihm vertrauen konnte. Sie fühlte sich verdammt wohl mit ihm und hoffte, dass es ihm genauso ging. Das warme, aufmerksame Lächeln, dass sie ihm deswegen schenkte, kam für ihn sicher unerwartet, aber das war ihr egal, sie konnte es gerade nicht zurück halten. Während Emily so vor sich hin sinnierte, trug Patrick das Hühnchen auf. Er hielt ihr den Teller mit einem kleinen Häufchen Reis hin und zeigte ihr das Stück Huhn, das er mit einer Bratzange vom Rest gelöst hatte. „Möchtest du mehr?“ Dankbar nahm sie den Teller entgegen und hielt ihn unter das von Sauce tropfende Hühnchenstück. „Nein, das ist perfekt, danke.“ Nach den ersten Bissen breitete sich endlich ein wohliges Gefühl in ihr aus. Sie war zu Hause, es war warm und sie bekam sogar etwas äußerst Leckeres zu Essen. Was konnte sie sich mehr wünschen? Ihre Stirn legte sich in Falten, als ihr auffiel, dass sie sich wohl wünschen sollte, Richard wäre hier. Aber das tat sie nicht. Na ja, es war ja auch alles noch so frisch. Außerdem hatte Emily gern ihre Freiheit. Jede Minute des Tages aufeinander zu kleben war nicht ihr Ding. Außerdem würden sie sich Morgen in der Arbeit sehen. „Sehr gut, ihr dürft öfter kochen.“, lobte sie kauend, was von Patrick mit einem dankbaren Grinsen aufgenommen wurde. „Also bei uns brauchst du keine Angst vor einer Blöße zu haben, Patrick.“, schaltete sich Adrian ins Gespräch ein. „Immerhin habe ich dich vorhin auch nicht, wegen der feucht-fröhlichen Veranstaltung aufgefressen. Kann immerhin vorkommen.“ Er zwinkerte dem Blauäugigen zu und kostete dann das Hühnchen. Gott, das war so lecker! Sowas Gutes bekam man wirklich nicht oft zu Essen. Bei dem Rothaarigen schon gar nicht. Vielleicht sollte er seinen Schwerpunkt wirklich einmal aufs Kochen verlegen. „Wahnsinn. Also wenn du noch mehr solcher Rezepte drauf hast, stelle ich dich als Koch ein. Ich habe grundsätzlich nichts gegen Geschmacksorgasmen.“ Adrian grinste und prostete Patrick mit seinem Weinglas zu, ehe er noch einen Schluck nahm. Langsam begann er den Alkohol zu spüren, doch weder lallte er, noch schwankte er bedenklich auf seinem Stuhl. Er wurde einfach nur immer lockerer und vor allem auch unbeschwerter. Die Sorgen und Ängste schienen langsam in weiter Ferne zu rücken und auch wenn Adrian wusste, dass Alkohol keine Lösung war, so genoss er doch den leichten Schwips. Das Essen mundete auch weiterhin vorzüglich und irgendwie schaltete Adrian ohne es zu wissen in den Galanten-Kerl-Modus mit den hervorragenden Tischmanieren. Man sah es sofort an der Haltung, wie er mit dem Besteck umging, wie er das Weinglas hielt und sich mit der Serviette den Mund abtupfte. Er saß sogar viel gerader auf dem Sessel, obwohl er bei Emily meistens lümmelte, da er sich bei ihr nicht anstrengen musste, so kultiviert wie möglich zu dinieren. Das konnte man wohl auch durchaus als alte Gewohnheiten durchgehen lassen. Bei sich zu Hause hatte ihn sein Vater sogar eine Zeit lang gerade an den Sessel binden lassen, damit er die einzig richtige Haltung beim Essen einnahm. Was hatte Adrian doch diesen ganzen Mist gehasst und doch kam er jetzt wieder zum Vorschein, ohne dass es ihm bewusst wurde. „Emily? Hast du Samstag eigentlich schon was vor?“, begann er vorsichtig zu fragen, da er ja eigentlich wissen wollte, wie die Reise war, aber heute erschien ihm das nicht mehr ganz passend und morgen würden sie sich nicht sehen. Sie musste am Tag arbeiten und er nachts. Also trafen sie sich wohl oder übel erst am Samstag wieder. Bei den Worten „feuchtfröhliche Veranstaltung“ horchte Emily unwillkürlich auf. Das konnte ja so einiges bedeuten. Sie sah neugierig zwischen den beiden Männern hin und her, traute sich aber nicht näher nachzufragen. Patrick nahm ihr das auch ab, indem er auf die ungestellte Frage antwortete. Mit einer Handbewegung, die heißen sollte, dass das Folgende total nebensächlich war, kaute er sein Stück Hühnchen hinunter und fasste dann kurz zusammen, was passiert war. Ach, deswegen das mit den Hemden. Na gut, das war ja wirklich eine harmlose Geschichte. „Gut, dass es immerhin Weißwein war, sonst hättet ihr die Hemden gleich wegschmeißen können.“ Wieder konnte sie ein Gähnen nicht unterdrücken, nahm aber trotz ihrer schweren Augenlider Adrians verändertes Verhalten wahr. Was war denn auf einmal mit ihm los? Er verhielt sich ganz anders als sonst. Emily’s müdes Hirn konnte sich keinen triftigen Grund vorstellen, aus dem Adrian sich auf einmal so… Sie konnte gar kein treffendes Wort dafür finden… So hochwohlgeboren verhielt. Auf seine Frage hin, sah sie ihn mit müden Augen an und antwortete wahrheitsgemäß. „Nein, eigentlich nichts Festes. Hast du was geplant?“ Sie versuchte sich wirklich zu konzentrieren, aber sie konnte die Augen kaum noch offen halten. „Wenn du Lust hast, würde ich gerne etwas mit dir unternehmen.“, beantwortete er Emilys Frage. Adrian warf Patrick einen vielsagenden Blick zu. Vielleicht könnte er am Samstag Fortschritte machen. In was auch immer. Er wäre schon froh, wenn er Emily nach der Reise fragen könnte. Außerdem hatte er sie wahnsinnig vermisst und wollte wieder Zeit mit ihr alleine verbringen. „Und was dich angeht, Patrick. Ich weiß ja nicht, wann du wieder Zeit und Lust hast, aber am Wochenende muss ich abends immer arbeiten. Also geht’s wohl erst wieder unter der Woche, sofern dir das nichts ausmacht.“ Er lächelte ihn an und legte dann sein Besteck auf den leeren Teller. Danach erhob er sich. „Danke für den schönen Abend. Aber ihr beide solltet jetzt wirklich ins Bett gehen. Im Gegensatz zu euch, kann ich morgen nämlich ausschlafen.“ Vor allem Emily sah so aus, als würde sie bald ihren Teller mit einem Kissen verwechseln. Adrian würde sich noch selbst mit dem Abwasch befassen, ehe er sich ebenfalls ins Reich der Träume verfrachtete. Also räumte er nach dem beendeten Essen den Tisch ab. Er gab Patrick Boxershorts und ein Shirt und teilte ihm mit, dass er auch ruhig die Dusche verwenden durfte. Emily würde inzwischen sicher fertig mit Zähneputzen sein. Kapitel 16: 16. Kapitel ----------------------- Emily wusste gar nicht, wie sie ins Bett gekommen war. Aber offensichtlich hatte sie es noch geschafft, sich die Zähne zu putzen und den Schlafanzug anzuziehen. Sie wurde von ihrem Wecker unsanft aus dem Schlaf gerissen und drückte noch zweimal den Snooze-Knopf, bevor sie endlich aufstand. Sie begegnete Patrick im Flur, als sie gerade auf dem Weg in die Küche war, um sich Kaffee und Frühstück zu machen. Leise raunte sie ihm ein „Guten Morgen“ zu und machte dann Frühstück für sie beide. Später setzt sie ihn beim Zooladen ab und fuhr ins Museum, wo sie sofort Brad in die Arme lief, der sie angeblich zu der Meinung zu den Leichen beglückwünschen wollte. Seine Fragen bezogen sich allerdings mehr darauf, wie die Reise und vor allem Richards Gegenwart gewesen waren. Emily konnte den Ausdruck auf seinem Gesicht nicht richtig deuten, aber er kam ihr fröhlicher vor als sonst und das bedeutete normalerweise nichts Gutes. Er hatte irgendetwas vor, weswegen sich Emily auch so schnell wie möglich aus der Situation zog und an die Arbeit zurückging. Richard konnte nicht mit ihr zu Mittag essen, was Emily aber in Ordnung fand. Sie stürzte sich mit neuer Begeisterung auf den Sarkophag und war am Ende des Tages mit den Flächen, die sie mit Blattgold belegt hatte, sehr zufrieden. Allerdings saß ihr die Müdigkeit schon bald wieder in den Knochen. Auf dem Weg nach Hause hielt sie an einem kleinen Supermarkt und kaufte sich Schokopudding mit Sahne und ein Glanzmagazin über Tierarten des Regenwaldes. Sie freute sich schon, mit beidem abends auf der Couch zu sitzen. Außerdem hatte ihr Mona eine SMS geschickt, dass sie später noch anrufen würde. *** Gerne wäre Adrian mit den anderen Beiden am Morgen aufgestanden, aber er schaffte es nicht. Irgendwie hatte er vergessen, den Wecker zu stellen und von selbst wurde er natürlich nicht wach, da er immer wie ein Stein schlief. So fand er am nächsten Morgen eine leere Wohnung vor, in der man dennoch die Anwesenheit von anderen Menschen deutlich spüren konnte. Ein Gefühl, das ihm langsam immer unangenehmer wurde. Er hatte zwar schon oft alleine gewohnt, aber es war dennoch etwas anderes, wenn man wusste, dass noch jemand hier lebte. Schon jetzt vermisste er Emily und immer wenn er an sie dachte, gab ihm das fast schon einen kleinen Adrenalinstoß. Was bedeutete, dass er heute ganz schön aufgeputscht war. Darum beschloss er gleich nach dem Frühstück ins Fitnesscenter zu gehen und seine versäumten Trainingsstunden nachzuholen. Danach duschte er ausgiebig und brachte den Müll hinunter. Als er vom Müllplatz kam, erblickte er eine alte Dame, die sich gerade mit zwei Einkaufstaschen durch die Eingangstür der Wohnanlage schleppte. Ihre Haut war runzelig, ihre Augen lagen tief in den Höhlen und ihr dünnes Haar schimmerte Silberfarben. Ihre ganze Haltung war gebückt und sie zitterte so stark, als würde sie jeden Moment einen Herzanfall bekommen. Sofort eilte Adrian herbei. „Entschuldigen Sie, kann ich Ihnen vielleicht beim Tragen helfen?“ Die alte Dame hob mühsam den Kopf und musterte ihn mit ihren stechend grauen Augen. Vermutlich wurde er gerade vollkommen auf mögliche Absichten durchleuchtet. Vielleicht lag es an seinem freundlichen Gesichtsausdruck, oder den gepflegten Klamotten. So oder so schien sie ihn nicht für einen Typen zu halten, der ihr gleich die Brieftasche klauen wollte. „Wohnst du hier, Jungchen?“, fragte sie mit rauer Stimme, als hätte sie schon seit der Geburt geraucht, auch wenn ihr kein Zigarettenrauchgeruch anhaftete. Sie roch eher nach Puder und verschwitzten Kleidern. „Ja, im dritten Stock. Ich bin erst seit Kurzem hier.“, erklärte Adrian ihr im Plaudertonfall, woraufhin sie ihm gleich die zwei Einkaufstüten in die Hand drückte und sich auf die erste Treppenstufe quälte. „Na, dann sind wir wohl Nachbarn. Ich wohne gleich in der Wohnung gegenüber von dem netten Mädchen.“ Sie lächelte leicht gequält, da es ihr wohl große Mühe kostete, die Bürde ihres Alters zu tragen. Obwohl Adrian eigentlich keine Hand mehr frei gehabt hätte, stützte er die ältere Dame auch noch, was sie dankbar annahm und half ihr in den dritten Stock. Wieso wohnte sie bloß in einem Haus ohne Lift? „Bist du ihr neuer Freund?“, wollte die Dame nun neugierig wissen, während sie sich oben erst einmal ausruhte und dann ihre Wohnung aufsperrte. Adrian versuchte zu lächeln, aber es wollte ihm nicht ganz gelingen. „Nein, ich bin ihr Mitbewohner. Mein Name ist Adrian.“ Auf ihrem Türschild stand ‚Mrs Jenkins’. „Komm rein, mein Junge. Stell die Tüten einfach in die Küche. Zweite Tür links.“ Offenbar vertraute ihm die betagte Dame bereits mehr, als er vermutet hätte. Allerdings traf ihre Wohnung Adrians Nase geradezu auf beleidigende Art. Es war nicht so, dass es nach Verwesung stank, viel mehr müffelte es und irgendwo schien auch etwas zu verschimmeln. Auch der Anblick der Wohnung war nicht gerade das, was er sich als eine saubere Umgebung vorgestellt hätte. Zwar lagen überall kleine geklöppelte Deckchen herum und darauf standen putzige Porzellanfiguren, aber trotz der gut gewählten Einrichtung, war es alles andere als gemütlich. Bilder hingen mit getrübten Gläsern an den Wänden. Der Boden war unglaublich staubig, der Teppich fast schwarz vor Dreck und obwohl alles irgendwie an seinem Platz zu stehen schien, war es doch ziemlich herunter gekommen. Kümmerte sich denn hier niemand um diese alte Dame? In der Küche war es sogar noch schlimmer. Adrian hatte gar keine Ahnung, wo er die Tüten abstellen sollte. Überall stand Geschirr herum, mit angetrockneten Essensresten, verschimmelnden Substanzen und vor sich hin faulenden Gebilden, die vielleicht einmal einer Frucht ähnlich gesehen hatten. Zwar ging es ihn eigentlich nichts an, aber das hier bekümmerte ihn dann doch. Adrian schob ein paar Zeitungen von einem der Küchenstühle und stellte die Tüten dann darauf ab. Er konnte hören, wie Mrs Jenkins sich ins Wohnzimmer schleppte und sich schwer in einen Couchsessel fallen ließ. Da sie frische Lebensmittel gekauft hatte, wollte Adrian ihr den Gefallen tun, und sie gleich in den Kühlschrank räumen. Zumindest hatte er das vor, aber als er dessen Tür öffnete, sah er sich sofort einer neuen Herausforderung gegenüber. Angewidert schüttelte er den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein! Adrian ging in das kleine geräumige Wohnzimmer, um nach der alten Frau zu sehen und sie bei der Gelegenheit zu fragen, ob sich denn niemand um sie kümmerte, da sie anscheinend selbst nicht mehr dazu in der Lage war. Okay, sie schien noch recht mobil zu sein, aber vermutlich war der Erhalt einer Wohnung doch schon zu viel für sie. Sie hatte ja kaum die Treppen hoch geschafft. Allerdings verwarf Adrian dieses Vorhaben schnell wieder, als er Mrs Jenkins in einem großen, abgewetzten Sessel schlafend vorfand. Er fischte eine Decke von der Couch und legte sie ihr über die Beine und zog sie auch etwas ihren Oberkörper weiter hinauf, damit sie nicht fror. Danach machte er sich auf die Suche nach Putzzeug, um sich an die Arbeit zu machen. Vermutlich würde es ihr gar nicht auffallen, wenn ihr Kühlschrank wieder in seinem alten Glanz erstrahlte, anstatt des grünen Pelzes. Aber Adrian würde sich weit wohler bei dem Gedanken fühlen, etwas Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Im Endeffekt putzte Adrian die Küche mehrere Stunden lang, während sich die alte Dame von dem anstrengenden Einkauf in ihrem Sessel erholte. Danach schrieb er ihr in übertrieben großer Schrift eine Nachricht, wo er die Lebensmittel hingeräumt hatte, damit sich die alte Lady sofort auskannte und ging dann in seine eigene Wohnung zurück. Es blieb gerade einmal Zeit, sich etwas zu erfrischen und sich dann umzuziehen, ehe er auch schon zur Arbeit musste. Heute war sein erster angekündigter Auftritt auf der Hauptbühne. *** Natürlich wollte Mona alles wissen. Jede Kleinigkeit, die ihr Emily aber nicht erzählte. Na ja, zumindest nicht jede Kleinigkeit. „Ja, haben wir. Aber…“ „Was aber?“ „Ich weiß nicht. Irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich nicht in ihn verliebt bin… Ich will mich nicht schon wieder auf irgendwas einlassen.“ „Klingt mir nach einem Übergangsmann.“ „Ich wusste, dass du das sagen würdest.“ „Und? Hab ich Recht?“ Es hörte sich so an, als würde Mona bei diesem Satz grinsen. Mit einem tiefen Seufzen überlegte Emily, was sie antworten sollte. „Vielleicht. Ich meine, er ist nett und irgendwie will ich ihm eine Chance geben, aber andererseits…“ Es war schwer zu beschreiben. „Irgendwas passt schon jetzt nicht und am Anfang sollte man doch Schmetterlinge im Bauch haben und so was… Oder bin ich da zu romantisch?“ „Nein, Schwesterchen. Wenn es der Richtige ist, dann kommen die Schmetterlinge auch.“ Gerade wollte Emily etwas einwenden, als Mona weiter sprach. Und der nächste Satz traf Emily sehr. „Aber vielleicht brauchst du im Moment nicht den Richtigen. Vielleicht reicht jemand, der dir zeigt, dass nicht nur Idioten auf dich stehen, die dich nur ausnutzen wollen. Nimm’ dir einfach, was du brauchst und wenn er dir auf die Nerven geht, dann ist’s auch in Ordnung.“ „Du weißt, dass das nicht meine Art ist. Ich will ihn nicht ausnutzen.“ „Tu einfach, was dir im Moment gut tut. Er wird dir schon zu verstehen geben, wenn du ihn verletzen solltest.“ Nach dem Gespräch dachte Emily noch lange über Monas Worte nach und blätterte nur die Zeitschrift durch, ohne etwas zu lesen. Nicht einmal die bunten Bilder sah sie sich an, sondern grübelte darüber nach, ob sie das konnte – sich nehmen, was ihr gut tat. Sie wusste doch gar nicht genau, was ihr gut tat. Irgendwann ging sie ins Bett und konnte eine Weile nicht einschlafen. Gerne hätte sie Adrian nach Hause kommen hören, aber dafür war es noch viel zu früh. Wie wohl sein Auftritt lief? Morgen würde sie ihn einmal nach seinen Dates mit Patrick fragen. Das interessierte sie doch sehr. *** Als er am nächsten Morgen heim kam, war für ihn gar nicht an Schlaf zu denken, dennoch zwang er sich dazu, sich wenigstens ins Bett zu legen und die Augen zu schließen. Obwohl er immer wieder an die alte Dame denken musste. Sie war schon vorher ohne ihn klar gekommen, aber irgendwie wollte er heute dennoch noch einmal nach dem Rechten sehen. Vielleicht hätte sie nichts gegen einen Kurzbesuch einzuwenden. Das würde ihn zumindest etwas beruhigen. Sein Wecker läutete um neun Uhr morgens, doch er war schon vor ihm wach gewesen. Jetzt aber konnte er auch gerechtfertigt aus dem Bett steigen und sich anziehen. Danach schlurfte er ins Bad, um sich die Haare zu richten und die Zähne zu putzen. Während der Kaffee glucksend die Maschine entlang lief, machte er sich mit schnellen Handbewegungen Notizen auf einem Block und kaute nebenbei an einem zähen Brötchen herum. Emily würde hoffentlich auch bald hinzustoßen. Er freute sich schon darauf, mit ihr etwas zu unternehmen. Vielleicht ein Eis im Park essen oder so etwas in der Art. Aber Hauptsache raus aus der Wohnung. Emily sah auf ihren Wecker, der heute in gelb erstrahlte und kräuselte die Nase. Sie war erst nach ein Uhr nachts eingeschlafen und jetzt war es bereits zehn. Zu allem Überfluss hatte sie Adrian schon in der Wohnung herum laufen hören – bei den knarzenden Dielen konnte er sich nicht wirklich verstecken und das musste er auch nicht. Ohne weiter auf die Uhrzeit zu achten starrte Emily eine Weile an die Decke, bis zur Nasenspitze in ihr Bettzeug vergraben. Sofort nach dem Aufwachen waren ihr wieder Monas Worte eingefallen. Vielleicht wäre es gesund gewesen, endlich einmal selbstsüchtig zu sein, aber das würde Emily nicht übers Herz bringen. Ihr Seufzer wurde von der Daunendecke gedämpft, die über ihren Mund lag. Am liebsten wäre es Emily gewesen, wenn Richard sich einfach nicht mehr bei ihr gemeldet hätte. Dann hätte sie die Reise nach Norwegen unter Erfahrungen abhaken können und gut wars. Da war zwar noch die Tatsache, dass sie zusammen arbeiteten, aber sehen mussten sie sich ja deswegen nicht ständig. Und nach zwei Nächten im gleichen Bett wäre das sicher auch nicht zu peinlich. Immerhin hatten sie keine akrobatischen Übungen oder Rollenspielchen gemacht, die man anderen Menschen als Schwachpunkt des Anderen auf die Nase binden konnte. Auch das hätte Emily niemals im Leben getan, aber sie fürchtete sich davor, was man im Museum herum erzählen könnte, wenn ihre … Affäre mit Richard bekannt wurde. „Hab ich etwa schon wieder eine Affäre?“ Sie grummelte das letzte Wort, das sie so stark hassen gelernt hatte, in ihre Decke hinein und biss dann kurz in ihren hellblauen Bettbezug. Das war doch alles zum Heulen. Eigentlich hatte Emily gar keine Lust mehr auf Männer. Mal von Adrian abgesehen, wenn sie ganz ehrlich war. Er vermittelte ihr immer ein wohliges Gefühl und sie fühlte sich so, als könnte sie einfach nur sie selbst sein. Dafür war sie ihm mehr als dankbar. Sie hasste es, sich verstellen zu müssen und das Gefühl zu haben, besser sein zu müssen, als sie war. Mit diesem Gedanken sprang sie aus dem Bett und ging im Schlafanzug ins Bad. Die Dusche weckte ihre Lebensgeister endgültig und sie legte leichtes Make-up auf, zog sich ihren Lieblingspulli und dunkelgraue Hosen an und suchte sich die Kette heraus, die ihr Mona zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Es war eine dünne Silberkette, an der ein großer Glasstein hing, in den blauer Glitzer in einem kleinen Wirbel eingeschlossen war. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen steckte sie ihren Kopf in die Küchen, wo sie Adrian vermutete. Der stand an der Küchenzeile und sah nachdenklich vor sich hin. „Wunderschönen guten Morgen!“ Adrian schenkte Emily schon einmal Kaffee ein, während er sie im Bad hören konnte. Sich selbst tat er den gleichen Gefallen. Nachdenklich rührte er die Milch und den Zucker unter. Interessanter Weise hatte er mit einem Schlag ganz schön viele Dinge zu bedenken. Gerade machte er sich Gedanken wegen seinem heutigen Auftritt und wie er diesen am Besten über die Bühne bringen würde, als er einen fröhlichen Morgengruß hinter sich vernahm. Mit dem Kaffeebecher in der Hand drehte er sich um, setzte ein strahlendes Lächeln auf und lehnte sich lässig mit dem Rücken gegen die Theke. Er ließ absichtlich seinen Blick einmal lasziv über Emilys Erscheinung gleiten, ehe er einen Schluck von seinem zweiten Kaffee nahm. „Guten Morgen, Schönheit. Na, wieder ganz fit?“ Er grinste. „Dann kann das Wochenende ja beginnen!“ Ohne diese dunklen Augenringe sah sie tausend Mal besser aus. Außerdem war er froh, sie wieder munter und voller Kraft zu sehen. Das verwischte doch glatt den letzten Eindruck, den er von ihr gewonnen hatte. „Kaffee?“, fragte er und streckte ihr dann die Tasse hin. „Gefrühstückt hab ich noch nicht wirklich.“ Das zähe Brötchen zählte nicht. „Aber wie wär’s, hättest du Lust mit mir heute Auswärts ein Frühstück einzunehmen? Das Wetter ist heute richtig gut und es soll noch schön angenehm warm werden.“ Er klappte die Notizen zusammen und schloss den Block, auf dem er nun schon haufenweise Dinge notiert hatte. Da er nicht wusste, wie Mrs Jenkins auf fremde Hilfe reagierte, wenn man sie ihr anbot, hatte er sich mehrere Taktiken einfallen lassen, um ihr dennoch unter die Arme zu greifen. In den meisten Fällen würde es dann aber gar nicht wirklich danach aussehen, was sie also sicher dazu brachte, anzunehmen. Aber das verschob er jetzt erst einmal auf später. Im Augenblick war Emily die Hauptperson seines Tages. Wegen ihr konnte er sein Lächeln gar nicht mehr abschrauben. Er war geradezu ungewöhnlich fröhlich. Vielleicht, weil er endlich einmal nicht an sie und Richard hatte denken müssen. Immerhin hatte er sich nun einfach mit der Tatsache angefreundet, dass er sie heute sowieso nach der Reise fragen würde und wenn sie ihm so weit vertraute, wie er hoffte, würde sie ihm vielleicht auch ein paar nähere Details berichten. Wenn sie das nicht tat, verdiente er offenbar ihr Vertrauen nicht, oder da war einfach nichts gewesen. So oder so, er würde sich später mit dieser Thematik befassen. „Also eigentlich hätte ich ja auch einmal wieder richtig Lust, schwimmen zu gehen. Leider kenne ich hier kein Bad in der Nähe. Kannst du eines empfehlen?“ Adrian heftete wieder seinen Blick auf seine Mitbewohnerin und kurz blitzte eine Fantasie vor seinem inneren Auge auf. Emily im Bikini = eine heiße Vorstellung! Ach, was war er doch heute für ein ausgesprochener Idiot. Sie hatte noch nicht einmal eine Ahnung davon, was er für sie empfand, wobei er selbst auch nicht gerade klüger war und dann stellte er sie sich auch noch vor ihren Augen im Bikini vor. Irgendwas lief da heute nicht ganz richtig in seinem Kopf. Vielleicht noch Nachwirkungen von dem Wein, den er gestern Abend getrunken hatte. Adrian seufzte und schüttelte unmerklich den Kopf. Tyson hätte ihm in diesem Fall geraten, dass er dringend einmal wieder vögeln müsste, um wieder klar im Kopf zu werden, aber das kam bei ihm nun wirklich nicht in Frage. Außerdem war das hier keine sexuelle Frustration. Was war es dann? Neugieriges Interesse an mehr körperlichen Details von Emily? Klang irgendwie noch schlimmer. Immerhin war er an ihr als Person im Augenblick mehr interessiert, als an den Anblick von ihr im Bikini. Auch wenn er das Bild nicht vollkommen zur Seite drängen konnte. Dankbar nahm Emily die Tasse mit dem heißen Kaffee entgegen und war sofort Feuer und Flamme für Adrians Ideen. “Ja, fit.“ Über sein kleines Kompliment musste sie grinsen. Schönheit? Irgendwie kam sie sich heute tatsächlich so frisch vor und fühlte sich wohl in ihrer eigenen Haut, dass sie dieses Wort einfach akzeptierte. Warum auch nicht? Manchmal musste man auch Nettigkeiten einfach annehmen, ohne darüber nachzudenken. „Klar, sehr gern! Frühstück und Schwimmen finde ich klasse.“ Sie nippte an ihrem Kaffee, während ihr schon zwei verschiedene Schwimmbäder durch den Kopf schossen. „Wäre es für dich ok, wenn wir noch vor dem Frühstück schwimmen gehen? Dann haben wir es uns danach zumindest redlich verdient.“ Natürlich ging es ihr nicht um die Kalorien, sie wollte bloß nicht mit vollem Magen schwimmen gehen. Wahrscheinlich hätte sie sich nach einem ausgiebigen Frühstück gar nicht mehr aufraffen können. „Es gibt ein Schwimmbad, das vor allem Innenbecken hat und eine angeschlossene Sauna.“ Emily sah Adrian fragend an und als er sich nicht sofort dazu äußerte, schlug sie ihm die Alternative vor. „Das Andere ist auch ein Hallenbad, hat aber ein Schwimmbecken im Außenbereich. Alles ziemlich einfach, aber zum Bahnen ziehen sehr geeignet. Kannst du dir ja überlegen. Ich such schon mal meine Sachen zusammen.“ Sie kippte noch eine großen Schluck Wasser hinunter, bevor sie sich in ihr Zimmer aufmachte, die Tür aber sperrangelweit offen ließ, um weiter mit Adrian sprechen zu können. Adrian trank seinen Kaffee aus, während er sich die Vorzüge der beiden Bäder überlegte. Letzten Endes hätte er sich von Anfang an für das mit der Sauna entschieden. Er liebte es, in die Sauna zu gehen. Vor allem die gemischten, fand er immer sehr bereichernd. Dort konnte man die interessantesten Menschen begegnen und ihnen dabei zusehen, wie sie miteinander umgingen. Natürlich gab es auch genügend langweilige Situationen, wo er schon oft alleine hatte in der Hitze vor sich hin schmoren können, aber er erinnerte sich da auch an so einige Szenen, die er sicherlich nicht vor Emily auspacken würde. „Also ich will danach unbedingt in die Sauna.“ Das beantwortete dann wohl die Bäderfrage und er konnte ebenfalls in sein Zimmer gehen, um seine Badeshorts, ein Handtuch und ein Badetuch einzupacken. Dazu noch Haarshampoo, Bürste und Sonnencreme, falls sie den Rest des Tages im Freien verbringen sollten. Während sie nach ihrem Bikini kramte, rief sie über die Schulter auf den Flur hinaus. „Wie war denn die Arbeit gestern? Bist ja ganz schön früh auf heute.“ Sie persönlich hätte nicht mal an so was wie Schwimmen oder anderen Sport denken können, wenn sie erst in den Morgenstunden nach Hause gekommen wäre. Noch dazu nach einem derart anstrengenden Job, wie Adrian ihn hatte. Einen Moment stand Emily unschlüssig vor ihrem Schrank. Sie hatte zwei Bikinis zur Auswahl. Einer war leicht rosa mit hellen Blumen darauf und nur mit dünnen Schnüren zum Zubinden, was viel nackte Haut bedeutete. Das war wohl weniger etwas, wenn sie Bahnen schwimmen wollten. Also packte sie doch ihr anderes Modell in die große karierte Tasche und stopfte auch noch ein Handtuch, Bürste und Waschzeug hinein, bevor sie an der Tür auf Adrian wartete. Bei Emilys Frage nach seiner Arbeit blickte er hoch und schaute in die Richtung, wo ihr Zimmer lag. „Ehm… Heute Nacht durften die Ladys mich einmal in Polizeiuniform betrachten.“ Er schmunzelte leise vor sich hin. Uniformen standen ihm von vornherein unglaublich gut und dass er heute großen Spaß gehabt hatte, ließ sich nicht leugnen. Auch wenn er die Hauptattraktion gewesen war. Irgendwie war es einfach total interessant und spannend, jedes Wochenende in verschiedene Rollen zu schlüpfen. Heute Abend würden die Ladys wieder ganz schön was zu schauen haben. Immerhin war dieses Mal viel Leder, Nieten und düsteres Make-up angesagt. Da durfte er endlich wieder einmal den bösen Jungen raushängen lassen. Adrian konnte wirklich nicht behaupten, sein Job wäre jemals langweilig. Das ging schon einmal von vornherein nicht. „Außerdem hab ich heute irgendwie einen Überschuss an Energie. Ich konnte kaum schlafen.“, teilte er ihr noch mit, ehe er sich wieder ans Packen machte. *** Nach der Schranke trennten sie sich und Emily zog sich in einer der gelben Kabinen den Bikini an. Kurz sah sie prüfend an sich hinunter, bevor sie die Verriegelung der Tür wieder löste und ihre Tasche in einem Spind verstaute. Adrian würde ihr hoffentlich nicht auf das bisschen Fett starren, dass sie auf den Hüften hatte. Heute hatte Emily einfach keine Lust, sich wegen so etwas Gedanken zu machen. Immerhin war sie eine gute Schwimmerin und sicher, dass sie mit Adrian mithalten konnte. Das gab ihr schon sehr viel Selbstvertrauen, bevor sie sich kurz unter die kalte Dusche stellte und dann an den Rand des Beckens im Innenraum trat. Noch konnte sie Adrian nirgendwo sehen, aber hinter der Milchglastür der Männerduschen tauchte kurze Zeit später ein roter Haarschopf auf. Das brachte Emily zum Grinsen. Warum war sie bloß immer so fröhlich in Adrians Gegenwart? Als sich die beiden trennten, um in die Frauen- bzw. Männerkabinen zu gelangen, war Adrian schon ziemlich hibbelig. Er und Emily würden gleich schwimmen gehen. Das hätte er sich in seinen wildesten Träumen nicht ausmalen können. Rasch wollte er sich seine Blauschwarze Badeshorts anziehen gehen, aber die Schlage vor den Männerkabinen wollte kein Ende nehmen. Darum war Emily auch schon fertig, als er endlich mit seinen Hand- und Badetüchern aus dem Duschraum treten konnte. Natürlich tropfte er bereits wie ein nasser Hund, aber so gehörte sich das nun einmal. Adrian brauchte nicht lange zu suchen, da hatte er Emily auch schon entdeckt und ja, sie im Bikini war wirklich ein Augenöffner. Doch das durfte er ihr bloß nicht so offen ins Gesicht sagen. Vermutlich wäre es besser, einfach darüber die Klappe zu halten. Also strahlte er sie nur an. „Tut mir leid, wegen der Verspätung. Ich musste mich noch mit einem Kerl um einen Spind prügeln.“ Ach quatsch, es waren noch genug frei gewesen, aber was soll’s. „Da drüben sind noch Liegen frei. Da können wir die Handtücher ablegen.“ Er deutete zu der Glasfront, die das Hallenbad vom Außenbecken trennte und an der eine Reihe von gelb-weiß gestreiften Liegen aufgestellt waren. Adrian breitete sein Badetuch direkt neben der Liege von Emily aus und legte das Handtuch darauf. Er würde es wohl erst nehmen, wenn er in die Sauna ging. „Hey, was hältst du davon, wenn wir beiden wie zwei Omas auf Speed ein paar Bahnen ziehen, um uns etwas aufzuwärmen?“ Er konnte es kaum erwarten, ins Wasser zu kommen und wenn er sich erst einmal etwas ausgepowert hatte, konnten sie getrost auf Wasserspiele übergehen. Adrian gab es zwar nicht gerne zu, aber er konnte nie die Finger von den langen Schaumgummischlangen lassen, mit denen man so eine Art Wasserkissenschlacht veranstalten konnte. Das hatte er zumindest oft mit Tyson getan, als sie noch jünger gewesen waren. In manchen Dingen blieb Mann eben immer ein Kind. Emily folgte Adrian zu den Liegen und breitete ihr Badetuch auf einer davon aus. Das Tuch hatte sie von einem Urlaub mit ihrer Familie, der schon ein paar Jahre zurück lag, daher war der große Delfin auf blauem Grund auch schon ziemlich verblasst. Aber für ein billiges Andenken hielt es wirklich lange und Emily liebte es einfach deshalb, weil es riesig und schön flauschig war. Für die Sauna hatte sie noch ein großes, weißes Duschtuch dabei. Als sie jenes noch zusammen gefaltet auf die Liege legte, sah sie kurz zu Adrian hoch, dem man seine Begeisterung für das Schwimmbad ansehen konnte. Emily konnte gar nicht überlegen, ob es unangenehm sein würde mit ihm in die Sauna zu gehen, bevor er auch schon zum Becken spurtete. Omas auf Speed? Ob Emily damit dienen konnte, wusste sie nicht, aber Bahnen schwimmen lag ihr auf jeden Fall. Und sie mochte es lange Strecken zu tauchen. Adrian hatte einen ganz schönen Vorsprung, als er vom Startblock ins Becken sprang und ein paar Züge unter Wasser machte, die ihn fast bis zur Mitte des Beckens brachten. Zumindest war die Bahn hinter ihm frei und Emily konnte sehen, dass Adrian nicht allzu tief angesetzt hatte. Außerdem ging sie davon aus, dass er einfach weiter schwimmen würde, sobald er auftauchte. Also sprang sie nach ihm ins Wasser, tauchte allerdings tief ab, um die ganze Bahn im Tauchen zu absolvieren. Irgendwann stellte sie verdutzt fest, dass Adrians Beine in der Mitte der Bahn vor sich hin paddelten. Er musste wohl auf sie gewartet haben. Emily beschloss einfach unter ihm hindurch zu schwimmen und dann weiter hinten an die Oberfläche zurück zu kommen. Um ihn auf sich aufmerksam zu machen, berührte sie ihn kurz am Bein, als sie fast schon an ihm vorbei war. Das hatte sie früher mit Mona oft gemacht und so gelernt, dass man sich nicht zu früh bemerkbar machen sollte, weil der Andere von der unerwarteten Berührung erschreckt werden konnte. Diese Lehrstunde hatte sie mit einem blauen Auge bezahlen müssen, was Mona noch lange nachdem die Schwellung abgeklungen war, Leid getan hatte. Emily konnte schon die Wand am anderen Ende der Bahn sehen, schaffte es aber bei aller Anstrengung nicht noch unter Wasser anzuschlagen. Sie hatte das einfach schon zu lange nicht mehr gemacht. Nach Atem ringend tauchte sie auf und strich sich kurz die Haare aus dem Gesicht. Offene Haare waren wie gewöhnlich eine blöde Idee gewesen. Mit dem Haargummi, den sie um das Handgelenk trug, zog sie ihre dunklen Haare im Nacken zu einem Dutt fest und drehte sich dann Richtung Becken, um nach Adrian zu sehen. Mit unverhohlener Neugierde betrachtete er Emilys Sprung vom Startblock und wie sie sich elegant ins Wasser schwang. Dann konnte er sie nicht mehr sehen, erst als sie ganz nahe war, entdeckte er ihren Körper unter Wasser. Offenbar wollte sie unter ihm hindurch schwimmen. Ihr Lungenvolumen war wirklich bemerkenswert. Damit er sie nicht wieder aus den Augen verlor, schwamm er ihr nach. Gerade als sie durch die Wasseroberfläche brach und prustend nach Luft schnappte, tauchte Adrian wieder ab, um ganz nahe am Beckengrund auf sie hin zu tauchen. Er konnte sehen, wie sie einen Moment lang in ihrer Position verharrte, ehe sie sich zu ihm herum drehte, wohl um ihn zu suchen. Einen halben Meter vor ihr, tauchte er wieder auf und grinste sie breit an. „Sag bloß, du hast dir über Nacht Kiemen wachsen lassen.“ Sein Lächeln wurde spielerischer. „Gestehe: Du gehst öfters heimlich schwimmen, stimmt’s?“ „Ha, das mit den Kiemen wäre mir mehr als Recht!“, antwortete Emily ebenfalls grinsend. Als sie jünger gewesen war, hatte sie immer davon geträumt, unter Wasser atmen zu können. Aber selbst als sie im Schwimmverein gewesen war und dreimal die Woche geschwommen war, hatte sie enttäuscht feststellen müssen, dass ihr keine Schwimmhäute oder Kiemen gewachsen waren. Adrian schwamm seitlich von ihr an den Rand, um sich mit einem Arm dort fest zu halten, dabei wischte er sich die Haare zurück. Plötzlich nahm er etwas im Augenwinkel wahr und er reagierte automatisch. Ganz dicht neben ihm, sprang etwas ins Wasser und hätte ihn fast getroffen, wenn er nicht reflexartig in die Nähe von Emily ausgewichen wäre, damit er nicht irgendein Körperteil sonst wo hin bekam. Als der kleine Bengel etwas weiter weg von ihm wieder auftauchte, zog Adrian sich wieder in seine Position zurück. „Erinnere mich daran, falls ich einmal Kinder habe, dass ich sie besser erziehe.“, nuschelte er vor sich hin, während er nun deutlich aufmerksamer die Badegäste um sie herum beobachtete. Eine kleine Gruppe Kindergartenkinder watschelte gerade von den Umkleidekabinen direkt ins Kinderbad. Die Begleitpersonen schienen sie kaum noch bändigen zu können. Das konnte Adrian durchaus nachvollziehen. Auch er wollte dringend schwimmen. „Also ich weiß ja nicht, was du jetzt vorhast, aber ich mache den Omis da drüben mal ein bisschen Konkurrenz.“ Sein Lächeln erschien wieder auf seinem Gesicht. Dann war er auch schon unter getaucht, stieß sich mit den Beinen vom Beckenrand ab und tauchte ein Stück die Bahn entlang, ehe er zu kraulen begann, um sich eine Weile abzureagieren. Emily hatte sicher auch ihre eigenen Wünsche in diesem Augenblick. Emily wusste nicht, was sie mehr überraschte. Dass ihr das Wasser ins Gesicht spritzte, als der kleine Junge ins Becken sprang oder dass ihr Adrian auf einmal so nahe kam. Sie zog sich ein kleines Stück zurück, um ihm Platz zu machen und wischte sich das Spritzwasser aus dem Gesicht. Dann grinste sie ihn an, bis sie wirklich verstand, was er gerade gesagt hatte. Kinder? Beinahe hätte sie ihn gefragt, ob er tatsächlich irgendwann Kinder wollte. Aber das kam ihr irgendwie falsch vor in diesem Moment. Immerhin würde darauf eine schwierige Diskussion folgen. Emily hatte sich noch nie damit beschäftigt wie schwer es für schwule Paare war, ein Kind zu adoptieren. Im nächsten Moment stellte sie sich unwillkürlich vor, wie Adrian und Patrick mit einem Kind aussehen würden. Süßes Bild. Allerdings konnte sie sich nicht entscheiden, ob es in ihrer Phantasie ein dunkelhaariges Kind oder ein Rotschopf sein sollte. Eigentlich völlig egal, denn in dem Bild vor ihrem inneren Auge hatte Adrian ein kleines Baby im Arm. Irgendwie seltsam, dass sie sich das vorstellen konnte. Sie war so vertieft, dass sie gar nicht mitbekam, wie Adrian sich abstieß und anfing seine Bahnen zu kraulen. Emily folgte ihm, sobald sie ihre Gedanken wieder zusammen hatte. Sich richtig müde zu schwimmen, fühlte sich verdammt gut an! *** Nach einer halben Stunde hing Emily am Rand des Beckens und atmete schwer, während sie auf Adrian wartete, der noch eine Runde mehr schwamm als sie. Ihr reichte es, denn das Becken war inzwischen so voll, dass sie immer wieder mit Kindern kollidiert war, die mit ihren Schwimmbrillen unter Wasser hin und her schwammen oder einfach vom Rand des Beckens mitten hinein sprangen. Heute war anscheinend Ausflugstag in verschiedenen Kindergärten und Grundschulen. Emily mochte Kinder, aber so langsam ging ihr das Kreischen auf die Nerven. Sie zog sich am Beckenrand hoch und ging zu ihrer Liege. Adrian würde ihr sicher gleich folgen. Sie sah ihn bereits wieder bei einer der Leitern auftauchen und aus dem Becken steigen. Eigentlich hatte er die Runde noch fertig schwimmen wollen, aber als ihm plötzlich jemand versuchte, die Hose runter zu ziehen, war’s nun endgültig vorbei mit dem Spaß. Die kleine blondhaarige Göre mit dem Loch in der oberen Zahnreihe, grinste ihn quietsch vergnügt an, während er gerade noch den Stoff seiner Shorts festhalten konnte, um hier keinen unfreiwilligen Stripp vor einer vierjährigen abzuhalten und den unzähligen Müttern, die ihm dabei ungeniert zusahen. Offenbar fühlte sich keine für die kleine Kröte verantwortlich, also zog er die kleine Hand mit einem Lächeln von sich und schob das Mädchen ein Stück weiter im Wasser weg. Da sie Schwimmflügel trug, brauchte er keine Angst zu haben, sie würde untergehen. „Versuchs noch mal in zwanzig Jahren.“, rief er ihr zu, ehe er auf Tauchstation ging, um dem ohrenbetäubenden Lärm zu entgehen und sich schnell aus dem Wasser zu retten. Emily hatte inzwischen den gleichen Gedanken gehabt, denn sie wartete bereits auf ihm. „Ich wäre jetzt für Entspannung in der Sauna. Hier ist mir gerade ehrlich gesagt zu viel Betrieb.“, teilte sie ihm ohne Umschweife mit. „Sauna klingt jetzt richtig gut. Das bedeutet Kleinkinderfreiezone!“ Und vor allem ein Ende mit diesem Lärm. So viele Kinder auf einem Haufen geballt, überstieg wirklich seine Schmerzgrenze. Also schnappte er sich seine Handtücher und verschwand mit Emily in Richtung Sauna. Wieder trennten sie sich, um sich umzuziehen. Adrian legte die Handtücher auf eine Bank, zog sich die Short aus und wickelte sich das kleinere der beiden um die Hüfte. Danach wrang er seine Badehose aus und legte sie in eines der Fächer. Das Badetuch nahm er mit, damit er sich in der Sauna darauf legen konnte, falls genug Platz frei war. Immerhin hatte er nicht vor, sich vor Emily zu entblößen. Auch nicht vor anderen. Am Beginn der Saunaanlage war eine weitere Schranke, hinter der sich wieder Umkleiden und kleine Fächer getrennt für Damen und Herren anschlossen. In einer der Kabinen zog Emily ihr Oberteil aus und wickelte sich das große Badetuch um den Körper. Sie prüfte zweimal, ob es fest saß, bevor sie sich schließlich aus ihrem Bikinislip schälte. Mit dem kleineren Handtuch zusammen legte sie ihren Bikini in eines der Fächer und sah sich dann die Tafel an, auf der die verschiedenen Saunen aufgelistet waren. Sie wollte nicht zu heiß anfangen, da ihr Kreislauf das beim letzten Mal nicht gut vertragen hatte. "Rosensauna hörte sich doch gut an." Vor dem Ausgang der Umkleidekabinen teilte ihm Emily mit, für welche Sauna sie sich interessierte. Ihm war es relativ gleichgültig jetzt, da sie nur noch mit einem Badetuch bekleidet vor ihm stand. Was wohl früher darauf zu sehen gewesen war? Es war leider so ausgebleicht, dass er hätte raten müssen und selbst dann würde er vermutlich daneben liegen. Sein eigenes Handtuch war von einem schlichten Schwarz. Noch ziemlich neu, da er sich erst vor kurzem eine neue Garnitur gekauft hatte, um seine antiken Handtücher von vergangener Zeit nicht mehr ansehen zu müssen. Schweigend ging er neben Emily her, während er versuchte, sie nicht anzusehen. Nicht einmal in den Augenwinkeln. Es hätte ihn einfach zu neugierig gemacht. Vielleicht war die Sauna doch keine so gute Idee gewesen. Denn, als sie am Ziel angekommen waren, stellte er fest, dass sie wohl die einzigen waren, die sich für die Rosensauna interessierten. Entschlossen ließ er Emily dennoch den Vortritt, ehe er die Tür wieder hinter sich zu machte und ihn angenehm warme und feuchte Luft umfing. Es war nicht zu heiß, so dass sie nicht nach wenigen Minuten wieder hinaus flüchten müssten. Doch so angenehm, dass er sich bereits jetzt zu entspannen begann. Es war eine sehr geräumige Sauna, die viel Platz bot. Darum breitete er sein Badetuch auf die unterste Ablagefläche aus Holz aus und legte sich mit dem Rücken darauf. Wohlig seufzend schob er seine angewinkelten Arme unter den Kopf und schloss die Augen. „Langsam lässt bei mir das Klingeln in den Ohren nach. Kaum zu glauben, dass das nur Kinder waren.“, stellte er mit gedämpfter Stimme fest, um ganz unverfänglich anzufangen. Dass hier ein guter Ort zum Reden war, war offensichtlich. Allerdings wollte er nicht sofort mit der Tür ins Haus fallen und einfach nach Emilys Reise nach Norwegen fragen. Vielleicht klang das zu interessiert oder zeigte deutlich, dass er eifersüchtig war. Denn dass er das war, konnte er nicht leugnen. Die Sauna erschien ihr gut ausgewählt. Niemand sonst war in dem kleinen Raum, von dessen Decke getrocknete Rosen herab hingen und sich ein angenehmer, sanfter Geruch nach eben diesen ausbreitete. Bevor sie sich setzte, drehte Emily die Sanduhr an der Wand um, die anzeigte, wann sie die Hitze wieder verlassen sollten. Eine Weile würde sie es hier auf jeden Fall aushalten. Die Temperatur war sehr angenehm und dass sie weder jemand anglotzen, noch ihnen zuhören konnte, empfand Emily fast als befreiend. Die Bänke waren so hoch, dass sie ein wenig mit den Beinen wackeln konnte, während sie Adrian dabei zusah, wie er es sich gemütlich machte. Das schwarze Handtuch um seine Hüften ließ ihr Badetuch noch schäbiger erscheinen. Aber das machte nichts, sie liebte es trotzdem. Gerade jetzt, wo sie es so flauschig auf dem Großteil ihrer Haut spüren konnte. Erst nach einer Weile zog sich Emily eine der kleinen, hölzernen Kopfstützen heran und legte sich hin. Dabei hielt sie ihr Badetuch über ihren Oberschenkeln fest, damit es nicht nach oben rutschen konnte. Adrian hatte zwar die Augen geschlossen, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Er war laut seiner eigenen Aussage an weiblichen Körpern nicht interessiert, aber das hieß ja nicht, dass sie ihm nackte Tatsachen vor Augen halten musste. Wahrscheinlich würde er das sogar abstoßend finden. Bei dem Gedanken musste Emily grinsen, was sich seltsam anfühlte, denn sie dachte hier immerhin an ihren eigenen Körper. War schon komisch, dass sie sich vor Adrian hätte ausziehen und sonst was tun können und bei ihm hätte sich so rein gar nichts geregt. Ihr Grinsen vertiefte sich noch, bis er sie ansprach und sie damit aus ihren Gedanken riss. „Jepp, mir wäre ein Kinderbecken in einer Käseglocke ganz recht gewesen.“ Emily hatte sich so hingelegt, dass sie über Eck, aber mit dem Kopf auf der gleichen Seite lag wie Adrian. Sie hatte sich nicht weiter nach oben legen wollen, denn dort war es heißer und auch die Temperatur hier unten war ausreichend, um sie bald zu entspannend. Sie legte ihre Hände auf ihrem Bauch ab und schloss die Augen. Das war wirklich eine gute Idee gewesen. „Also.“ Sie machte eine kurze Pause. Wahrscheinlich war Adrian sowieso schon klar, was sie fragen würde. Immerhin hatte sie schon die ganze Zeit darauf gebrannt, die Einzelheiten von ihm zu erfahren. „Euer Essen in unserer Küche war doch nicht das erste Treffen zwischen dir und Patrick, oder?“ Sie wünschte ihm so, dass es gut gelaufen war. Anscheinend waren sie kein Paar, denn sonst hätte Patrick nicht auf dem Sofa übernachtet, aber vielleicht hatte Adrian zumindest mehr für den schönen Dunkelhaarigen übrig, als er am Anfang gedacht hatte. „Magst du ihn?“ Man, das hier ist so viel besser, als eine Käseglocke, dachte Adrian bei sich, während er sich genüsslich in der Wärme rekelte. Bereits jetzt spürte er feine Schweißtröpfchen auf seiner Haut, was auch von der Luftfeuchtigkeit kommen könnte. Es war auf jeden Fall ein Hochgenuss für seine Poren. Jede einzelne davon schien tief durchzuatmen und sich zu entspannen. Der Duft der Rosen über ihnen, war so angenehm, dass er ihn beinahe auf der Zunge schmecken konnte. Erst als Emily mit ihm redete, öffnete Adrian die Augen, um sie anzusehen. Doch sie hatte die ihren geschlossen, was ihn keinesfalls dazu veranlasste, es ihr wieder gleich zu tun. Sein Blick blieb auf ihrem Körper hängen, als wäre er eine Fliege auf einem Klebestreifen. Gefangen, weil die Verlockung einfach zu groß war. „Ich habe ihn am Abend deiner Abreise angerufen, um mich mit ihm zu treffen. Demnach sollte ich dir dafür danken, dass du mich noch einmal dazu aufgefordert hast.“ Er lächelte nicht, sondern verfolgte die Linien ihres Körpers. Dabei immer darauf achtend, dass sie seinen Blick nicht bemerkte. Ihr Badetuch war gerade von einer Länge, die einem Mann viele verschiedene Fantasien entlocken konnte. Es verhüllte zwar alles, war aber zu knapp, als dass man sich nicht fragte, was passieren würde, würde es noch etwas weiter die glatten Schenkel hinauf gleiten. Sofort riss Adrian seinen Blick von ihr los und starrte auf die Rosen über ihnen. Sein Herz hämmerte, aber nicht etwa wegen der erhöhten Temperaturen in diesem Raum. „Patrick hat an jenem Abend gleich zugesagt. Wir sind erst etwas Trinken gegangen und danach waren wir noch Tanzen bis tief in die Morgenstunden hinein. Ich kann nur sagen, der Kerl hat vielleicht einen Hüftschwung drauf! Von dem kann sogar ich mir noch was abschauen.“ Nun lächelte er sanft, als er sich an diesen Abend zurückerinnerte. „Ich denke, wir werden gute Freunde.“, stellte er noch einmal laut fest. „Er hat sich mir gegenüber auf eine Weise benommen, die ich noch nie zuvor erlebt habe.“ Seine Stimme wurde etwas leiser. „Er ist ein guter Kerl.“ Wie immer tat es Adrian irgendwie leid, dass er nicht der Mann sein konnte, den Patrick verdient hätte. Aber das ließ sich nun einmal nicht ändern. „Ich mag ihn wirklich, aber nicht auf die Weise, die er sich vermutlich wünschen würde.“ Adrian schloss für einen Moment die Augen, und ließ seine Worte auf Emily wirken. Ob sie verstanden hatte, dass er nicht an Patrick interessiert war? Bestimmt. Emily hörte ihm aufmerksam zu, öffnete aber nicht die Augen, weil sie sich sicher war, dass Adrian sie ebenfalls nicht ansah. Das hier war zu entspannend, als dass man Rücksicht auf Gebote der höflichen Konversation legen musste. Ein wenig enttäuscht war sie schon, als sie am Ende verstand, dass Adrian nicht an Patrick interessiert war. Zumindest nicht so, wie sie es sich für die beiden erhofft hatte. Also nichts mit der süßen Phantasie von den beiden mit einem Baby in den Armen. Aber sie war froh, dass Adrian einen Freund gefunden hatte und bildete sich ein auch aus seinen Worten und seinem Tonfall heraus zu hören, dass es ihm ebenfalls so ging. „Ist doch schön, dass ihr euch gut versteht. Er scheint wirklich nett zu sein. Mehr als nur ein hübsches Gesicht, würde ich sagen.“ Ein breites Grinsen zog sich für einen Moment über ihre Züge, als sie an das Aprikosenhühnchen denken musste. „Und du solltest ihn dir wirklich warm halten. Er kocht besser als wir beide zusammen.“ Sie kicherte ein wenig in sich hinein, obwohl sie gar nicht genau wusste, warum. Es kam ihr einfach lustig vor. Und den nächsten Kommentar konnte sie sich einfach nicht verkneifen. „Den Hüftschwung würde ich allerdings gern mal sehen, wenn sogar du so davon schwärmst.“ Adrian drehte sich auf die Seite, um Emily ansehen zu können, während er seinen Kopf auf einem Arm abstützte. Kurz blickte er an sich herab, ob noch alles dort war, wo es sein sollte, danach ruhte sein Blick auf ihrem Gesicht. Sein Herz schlug noch schneller, während er ihr zuhörte, doch es war nicht Patrick, über den er im Augenblick sprechen wollte, weshalb er schließlich einfach das Thema wechselte. „Und was ist mit dir? Wie war die Reise? Hat es sich gelohnt? Habt ihr die Mumien bekommen? Waren sie den Aufwand wert?“ Das kurze Lachen blieb ihr beinahe im Halse stecken, als Adrian sie auszufragen begann und sie hören konnte, dass er sich wohl zu ihr umgedreht hatte. Sie ließ die Augen weiter geschlossen, zog aber ihren Oberschenkel an und stellte einen Fuß auf die Holzbank. Wäre jemand neben ihr gesessen, hätte er oder sie wahrscheinlich eine ganz schöne Aussicht genossen, aber Emily strich wie nebenbei das Handtuch zwischen ihre Beine, um alles Nötige wieder ausreichend zu bedecken. „Norwegen war schön. Die Stadt war wirklich süß mit den alten Fassaden und dem kleinen Marktplatz. Auch das Museum ist entsprechend altertümlich gestaltet. Das gefällt mir wesentlich besser als der moderne Stil unseres Museums.“ Sie hielt inne und sah die beiden Gebäude im Geiste nebeneinander vor sich. Das herrlich alte Haus in Norwegen gefiel ihr so viel besser, aber es war auch viel kleiner als der moderne Beton- und Glasklotz, in den sie vor ein paar Jahren mit ihrer Sammlung umgezogen waren. „Aber ihre Kapazitäten sind zu klein. Sie haben tolle Stücke, aber keinen Platz sie auszustellen. Daher wollten sie auch die Leichen verkaufen. Die Mumie war schon auf den ersten Blick in Ordnung. Bei der Moorleiche hatten wir ein paar Sorgen.“ Sie erinnerte sich an das verzerrte, schwarze Gesicht, dass sicher eine spannende Geschichte zu erzählen hatte, die Emily so gern herausgefunden hätte. Und jetzt würde sie wohl die Gelegenheit dazu bekommen. Bei dem Gedanken wurde sie ganz aufgeregt. „Aber nachdem ich sie genauer untersuchen konnte, stellte sich raus, dass sie besser erhalten ist, als wir zuerst dachten.“ Jetzt schlug sie doch die Augen auf und drehte ihren Kopf zu Adrian, der sie mit seinen blitzblauen Augen ansah. Irgendetwas lag in seinem Blick, das ihr sagte, sie sollte ihm nichts von Richard erzählen. Zumindest nichts, was über die geschäftlichen Dinge hinausging. Nichts von den Nächten, die sie mit ihm verbracht hatte. Das kam ihr schon so weit entfernt vor, als wäre es vor Jahren und nicht erst vor ein paar Tagen passiert. Sie wurde ein wenig rot, als sie daran dachte. Vor Adrian schien ihr Verhalten unsäglich peinlich zu sein. Glücklicherweise konnte ihm das Pink auf ihren Wangen sicher nicht aufgefallen sein. Ihr Kopf leuchtete bestimmt allgemein wie eine reife Tomate von der Hitze und der feuchtigkeitsgeschwängerten Luft des Raumes. Emily strich sich eine Strähne aus der schweißnassen Stirn. Adrian musste schwer schlucken, während seine Pupillen unmerklich größer wurden. Er konnte es einfach nicht verhindern. Sein Blick hing regelrecht an Emilys Bewegungen, mochten sie noch so nebensächlich wirken. Sie stellte ein Bein auf die Bank, so dass er sich in diesem Augenblick wünschte, er wäre das Holz unter ihr. Doch die Bewegung ihrer Hand war es, die ihm einen elektrisierenden Schauer durch den Bauch jagte. Wie hypnotisiert sah er ihr dabei zu, wie sie sich das Handtuch zwischen die Schenkel drückte, um den sicher vorzüglichen Anblick zu verdecken, den die Wand auf dieser Seite haben musste. Es war nicht zu beschreiben, was ihn mehr anzog. Vielleicht war es einfach nur die Geste. Ihre Hand zwischen ihren Schenkeln, genau dort, wo seine Hände schon oft bei fremden, ganz und gar nicht besonderen Frauen die unterschiedlichsten Reaktionen hervorgelockt hatten. Ekstase war nur eine davon. Zum Glück wandte er schließlich mit glühendem Kopf den Blick ab, sonst hätte Emily ihn dabei erwischt, wie er ihren erhitzten und mit glitzernden Schweißperlen bedeckten Körper anstarrte und das wäre natürlich nicht so leicht zu erklären gewesen. Erst als sie ihn ansah, wurde er sich bewusst, dass sie die ganze Zeit etwas gesagt haben musste. Schwach konnte er sich an ein paar Wortfetzen erinnern. Irgendetwas über die Stadt, das Museum, die Ausstellungsstücke. Wenigstens hatte er wohl den wichtigsten Kern ihrer Aussage erfasst. Die Leichen waren in einem akzeptablen Zustand. „Also hat das Museum sie gekauft?“, fragte er mit leicht belegter Stimme und musste abermals schlucken. Ihre gerötete Haut, mit den flüssigen Perlen darauf, die langsam der Erdanziehungskraft folgten, hatte eine ganz besondere Wirkung auf ihn. Ihr Haar klebte ihr in kleinen Strähnen an den Schläfen und bestimmt sah er auch nicht anders aus, aber obwohl er sich das alles nicht erklären konnte, glaubte er, noch nie etwas Erotischeres gesehen zu haben, als Emily in diesem Augenblick. Er musste erneut hart schlucken. Mit einem Mal konnte er sie nicht mehr ansehen, also setzte er sich mit dem Rücken zu ihr auf und schlang die Arme um seine Knie. Dabei drückte sich etwas hart gegen seine Oberschenkel. Ungläubig starrte er auf die Ausbuchtung unter seinem Handtuch, deren Umriss nur zu deutlich zeigte, was sich darunter verbarg. Sofort zog er die Beine noch enger an seine Brust heran. Das machte die Lage zwar nicht unbedingt besser, doch wenigstens konnte niemand dieses … Abstraktum erkennen. Scheiße!, fluchte er innerlich. Wann zum Teufel, war er das letzte Mal durch optische Reize hart geworden? Noch dazu, ohne wirklich ganz nackte Tatsachen gesehen zu haben? Adrian wusste es nicht mehr. Doch er wusste, dass er eigentlich nur noch auf direkte Reizungen seines Körpers reagierte und dann meistens auch nur, wenn er genau wusste, was vor ihm lag und er seine Pflichten erfüllte. Das war sozusagen eine automatische Reaktion, die aus jahrelanger Routine resultierte oder bei der er eben mit Viagra nachgeholfen hatte. Aber DAS hier, war völlig unkontrolliert, überraschend und vor allem alles andere als bekannt! Es machte ihn mit einem Mal verdammt nervös und verletzlich. Er war verwirrt und zugleich stark über sich verwundert. Da nun nicht nur die Hitze von Außen für gute Durchblutung sorgte, sondern auch in seinem inneren die Gefühle heiß tobten, lief ihm nun tatsächlich der Schweiß den Rücken hinab. Er konnte jeden einzelnen Tropfen spüren, wie sie seine Muskeln umspielten, seine Wirbeln entlang glitten und sich schließlich dort sammelten, wo seine gerötete Haut endete und das Handtuch anfing. „War dein Boss mit deiner Arbeit zufrieden?“, fragte er merkwürdig tonlos, da er seine leichte Panik zu unterdrücken versuchte und vor allem musste er sich so schnell wie möglich wieder abregen. Sie konnte nicht Ewig hier drin bleiben. Aber selbst wenn, er hatte noch immer das Badetuch, dass er sich rechtzeitig an die Brust drücken konnte und somit das Gröbste verbarg. Dennoch schien sein Herz ihm bis zum Hals zu schlagen und in seinen Ohren rauschte laut das Blut. Adrian war sich Emilys Anwesenheit nur zu deutlich hinter sich bewusst. Das Bild ihres Anblicks flammte wieder hinter seinen Augenlidern auf. Mit zusammen gebissenen Zähnen stützte er sein Kinn auf den Knien ab und verhinderte somit ein gequältes Stöhnen. „Ja, ich denke schon, dass er zufrieden war. Wir konnten die Leichen ohne Weiteres für die Sammlung empfehlen, also hat das Museum sie gekauft.“ Mit Begeisterung in der Stimme und ihren Augen drehte sie sich ganz zu Adrian um, der sich aufgesetzt hatte. Sie konnte nur seinen Rücken sehen, auf dem sich das Muster der Holzplanken abgedrückt hatte. Wahrscheinlich sah sie genauso aus. Die Hitze entspannte einen zwar, aber auf die Dauer waren die Bänke nicht sonderlich bequem. Kurz überlegte Emily, ob das wohl Absicht war, damit man nicht einschlief und einen Kreislaufzusammenbruch oder so etwas bekam. Adrian liefen die Schweißperlen mehr über den Körper als ihr selbst und irgendetwas an seiner Haltung kam ihr seltsam vor. „Wenn dir zu heiß ist, sag Bescheid. Wir können auch in eine andere Sauna wechseln.“ Oder in dieses große Kaltbecken gehen. Emily mochte es, dort sogar zu schwimmen. Das Becken war groß genug dafür und als sie einmal mit Mona hier gewesen war, hatten sie eine Runde im Außenbecken gedreht. Emily war immer wieder fasziniert, dass man die Kälte nach einer Weile gar nicht mehr spürte. Aber vor Adrian hätte sie sich bestimmt nicht ganz ausgezogen. Also würde es bei der kalten Dusche bleiben und bei diesem Kneipp-Becken, in dem man herum watete. Wieder sah sie Adrian an, konnte aber nur seinen Rücken sehen und erkennen, dass er das Kinn auf seine Knie gestützt hatte. Vielleicht dachte er nur über irgendetwas nach. Die Stimmung zwischen ihnen schien Emily auf eine unerklärliche Weise aufgeladen. Sie fühlte sich fast unwohl, weil sie nicht wusste, was los war. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Das Schweigen wurde ihr zu lang, mit jeder Sekunde die verstrich. Es kam ihr so vor, als könnte sie den Sand in der kleinen Uhr an der Wand nach unten rieseln hören. „Ein bisschen halte ich es hier noch aus.“, er lächelte über seine Schulter hinweg zu Emily hinüber. Langsam aber sicher kam alles wieder zu seiner Normalität zurück, was er auch nur deshalb schaffte, weil er im Geiste jede widerliche Situation im Kopf durchspielte, die er in seinem Leben erlebt hatte und ihm so auf die Schnelle einfiel. Wie gut, dass man das nicht auf seinem Gesicht ablesen konnte, obwohl es in tieferen Regionen sofort seine Wirkung zeigte. „Wohin möchtest du nachher denn zum Essen gehen? Ein Frühstück kann man das ja jetzt gar nicht mehr nennen…“ Sie hoffte, dass er überhaupt noch mit ihr essen gehen wollte. Ein beengendes Gefühl hatte sich um ihre Brust gelegt, dass sie daran zweifeln ließ, ob Adrian noch mehr Zeit mit ihr verbringen wollte, daran änderte auch sein Lächeln nichts. Krampfhaft überlegte sie, was sie gesagt haben könnte. Es fiel ihr aber nichts ein. „Ich kenne da ein nettes Café direkt neben einer Parkanlage. Es gibt dort auch freie Parkplätze und man kann dort vorzüglich Mittagessen. Einfache aber leckere Kost. Also wenn du Lust hast, ich würde dich gerne einladen.“ Sein Blick sagte, dass er kein ‚Nein’ akzeptieren würde. Er wollte ihr eine Freude machen. „Okay, jetzt halte ich es wirklich nicht mehr aus.“ Er stand auf wackeligen Beinen auf. Seine Knie waren noch ganz weich von all der Aufregung, aber das konnte er locker auf die Hitze zurückführen. „Wenn es dir nichts ausmacht, ich würde mich gerne nur kalt duschen. Saunas machen mich von Grund auf immer sehr träge, vermutlich würde ich dir einfach absaufen, wenn wir in die Abkühlbecken gingen.“ Er grinste und schnappte sich sein Badetuch. Natürlich hatte es andere Gründe, warum er dort nicht hin wollte. Aber die würde er ihr garantiert nicht auf die Nase binden. Kapitel 17: 17. Kapitel ----------------------- Das Café war wirklich nett. Es gab sowohl hohe Tische mit Barhockern, an denen man genauso essen konnte, wie in den kleinen Séparées mit den wuchtigen Ledersesseln in Rot, die aber unglaublich gemütlich waren. Draußen vor der offenen Fensterfront hatte man einen wunderschönen Blick auf den Park und einem riesigen Springbrunnen an dem einzelne Menschen saßen. Kinder spielten rund herum, es gab sogar eine Gruppe von modernen Musikern die für eine Spende recht gute Musik spielten. Doch das Beste an diesem Laden war das unglaublich köstliche Eis in den verschiedensten Sorten. Die nette Kellnerin mit dem freundlichen Lächeln brachte gerade ihr Essen. Adrian hatte sich gebackene Putenstreifen auf Blattsalat und dazu noch einen frisch gepressten Orangensaft bestellt. Er wollte nicht zu viel zu Mittag essen, damit noch genügend Platz für die Eiscreme war, die er sich mit Garantie heute noch reinziehen würde. „Gehst du eigentlich auch gerne abends schön Essen? Ich meine, nicht nur mit deinem Boss.“ Okay, das war jetzt nicht unbedingt zurückhaltend, da er den spitzen Unterton in seinem letzten Satz nicht ganz hatte verbergen können, aber er war noch immer nicht schlau daraus geworden, ob nun etwas auf dieser Reise passiert war, oder nicht. Zwar hatte Emily nicht den Eindruck gemacht, als würde sie ihn anlügen, doch es reichte immerhin schon völlig, wenn sie einfach Details wegließ und das wurmte ihn enorm. Auf diese Fragen konnte Emily Adrian locker antworten, während sie ein Stück Rucola aus ihrem Sandwich zog. Sie hatte sich auf Adrians Tipp hin nur etwas Kleines bestellt. Ein vegetarisches Sandwich mit Ciabatta-Brot und eingelegtem Gemüse wie Auberginen und Zucchini darauf. Schon beim Anblick lief ihr das Wasser im Munde zusammen. Adrians Salat mit den Putenbruststreifen sah aber auch sehr lecker aus. Beinahe hätte sie in typischer Frauenmanier gefragt, ob sie ein Stück probieren durfte. Aber so gut waren sie nun auch wieder nicht befreundet, dass sie sich das getraut hätte. Außerdem konnte sie selbst schlecht etwas abgeben, denn er hätte einfach von ihrem Brot abbeißen müssen. Sie wollte ihm nichts wegessen. „Hm… Na ja, das kommt ganz drauf an. Ich gehe schon gern essen, wenn die Begleitung und das Restaurant stimmen. Allerdings mag ich keine Nobelschuppen. Das Restaurant, in dem ich mit Richard war, hatte für meinen Geschmack schon zu viel von schicki-micki an sich. Da fühle ich mich immer wie auf dem Servierteller.“ Sie konnte sich noch lebhaft erinnern, wie sie das bei ihrem ersten Treffen mit Richard versucht hatte mit Wein zu übertünchen. Es war kein schönes Gefühl gewesen, als die Dame am Nebentisch die Nase über Emilys Sprachgebrauch gerümpft hatte. Nein, das brauchte sie wirklich nicht in regelmäßigen Abständen. „Wie gesagt, wenn es nicht zu hochgestochen ist und ich mich normal verhalten kann, sehr gern. Wie ist das denn eigentlich bei dir? Du warst doch damals auch ziemlich geschniegelt. Da wirst du doch nicht hierher gegangen sein, oder?“ Sie schenkte ihm ein Lächeln und biss dann genüsslich von ihrem Sandwich ab. Es schmeckte großartig, in diese eingelegten Auberginen hätte Emily sich hineinlegen können. Adrian nahm einen großzügigen Schluck des Orangensaftes, da er von der Sauna ganz durstig geworden war. Kein Wunder, er hatte vermutlich mehr Wasser ausgeschwitzt, als er heute zu sich genommen hatte. Danach schnitt er sich gründlich ein Stück von einem Putenstreifen ab, nahm es jedoch nicht in den Mund, sondern drehte die Gabel, um sich das Stück eingehend ansehen zu können. Obwohl er sich gar nicht dafür interessierte. Stattdessen ließ er sich Emilys Frage durch den Kopf gehen. Die Wahrheit konnte er ihr natürlich nie und nimmer sagen und um ehrlich zu sein, er wollte sich selbst auch nicht noch einmal daran erinnern. Rose war gut und nett, aber nichts weiter als ein weibliches Gesicht von Hunderten. „Nein, ich war damals nicht hier.“ Er lächelte leicht. „In dem Aufzug hätte ich mich niemals hier herein getraut. Ich bin es zwar gewohnt, angestarrt zu werden, aber sicherlich nicht die Art, wie ich es auf diese Weise hervorgerufen hätte.“ Leise klirrend, legte er die Gabel auf dem Tellerrand ab, um noch einen Schluck zu trinken, ehe er Emily über den Tisch hinweg ansah. Seine blauen Augen verbargen nichts vor ihr. Das konnte sie garantiert deutlich sehen. „Ich war im Moondance. Ein Restaurant der Spitzenklasse mit einer Fünf-Sterne-Küche und mit Kellnern die aussehen wie langgezogene Pinguine.“ Sein Lächeln wurde breiter, als er sich an die Angestellten zurückerinnerte. Sie hatten fast die gleiche Erscheinung wie das Hauspersonal seiner Eltern gehabt. „Weißt du, ich verleugne zwar gerne meine Herkunft, aber ich kann nicht abstreiten, dass ich es manchmal genieße, nobel Essen zu gehen. Obwohl, müsste ich mich zwischen ein Luxusrestaurant und deiner Küche entscheiden, würde ich lieber auf dem Sessel an unserem Tisch herum lümmeln.“ Allerdings nur, wenn Emily auch dabei war und sie sich gegenseitig mit ihrer Anwesenheit erfreuten. „Nichtsdestotrotz will ich bei bestimmten Anlässen meine Erziehung überprüfen und ob ich noch alles so beherrsche, wie man es mir jahrelang eingetrichtert hat. Damals empfand ich die unzähligen Lernstunden als eine Qual und Strafe, doch heute bin ich dankbar dafür. Sie lassen mich nicht vergessen, woher ich wirklich komme.“ Er stammte aus einem verdammt guten Haus mit hohem Ansehen und nicht aus einer dreckigen Gosse die nur deshalb erträglich gewesen war, weil er sich tagtäglich mit Drogen vollgepumpt hatte, die er sich durch Prostitution herangeschafft hatte. Wieder und wieder und immer wieder. Erst nach dieser Ankündigung senkte er wieder den Blick. Das Blau seiner Augen schien bei den letzten Sätzen eine Spur dunkler geworden zu sein. Es war ein Thema über das er normalerweise nicht so offen sprach. Doch irgendwie fiel ihm das bei Emily um Vieles leichter als bei Anderen. Solange er die wirklich harten Details wegließ, machte es ihm nichts aus, wenn sie mehr über ihn erfuhr. Endlich schob er sich den mundgerechten Bissen zwischen die Lippen und kaute zufrieden. Der Geschmack war einfach köstlich und das, obwohl hier sicherlich keine Fünf-Sterne auf der Küchentür klebten. „Du kommst aus Kreisen, in denen man Restaurants wie das Moondance regelmäßig besucht?“ Emily kannte den Laden von Erzählungen und Berichten in irgendwelchen Zeitschriften, war aber niemals dort hin gegangen und wollte es auch nicht. Das war genau die Klasse, die ihr zu hoch war. Viel zu teuer, viel zu steif und überhaupt einfach nicht ihr Ding. „Da würden mich freiwillig keine zehn Pferde hinbringen. Ich kann mich einfach nicht entsprechend verhalten, ohne dass es mir unangenehm wäre oder ich etwas vorspielen müsste, das ich nicht bin.“ Die Begeisterung mit der sie von ihrem Sandwich abbiss, musste ihm zeigen, wie sehr sie es hingegen genoss, in kleinen Etablissements wie diesem zu sein. Das hieß ja nicht, dass sie sich nicht zu benehmen wusste, aber sie fühlte sich in einer Fünf-Sterne-Umgebung einfach nicht zu Hause. „Das mag vielleicht eine ziemlich dreiste Frage sein, aber…“ Emily überlegte, wie sie es am besten formulieren sollte, ohne zu aufdringlich zu wirken. „Wenn deine Familie reich ist … warum tanzt du dann im Shadow?“ Sie wollte sich nicht sofort einen vernichtenden Blick einfangen, deswegen sprach sie schnell weiter. „Ich habe verstanden, dass das auch normale, gute Arbeit ist. Und vor allem, dass dir das Tanzen Spaß macht.“ Sie suchte in seinem Gesicht nach Anzeichen von Wut, wie beim letzten Mal, als sie so ein Gespräch nach seinem Auftritt geführt hatten. Er musste sich nicht verteidigen, damit waren sie durch. Emily machte Adrian keinen Vorwurf oder Ähnliches. Sie war nur neugierig. „Bitte versteh mich nicht falsch, aber hat deine Familie nicht von dir erwartet, dass du … ich weiß nicht … Arzt wirst oder Manager oder so was in der Richtung?“ „Anwalt, um genau zu sein.“ Adrian legte das Besteck weg, obwohl er noch etwas Salat und Pute übrig hatte. Im Moment war er jedoch nicht dazu in der Lage, etwas zu essen. Stattdessen umschlangen seine Finger das Glas mit dem Orangensaft und drehten es langsam im Kreis. Sein Gesicht war entspannt, er war garantiert nicht sauer, wegen Emilys Frage. Höchstens etwas nachdenklich. Doch da glitten seine blauen Augen auch schon wieder zu ihrem Gesicht, wo er deutliches Interesse erkennen konnte. Sie entlockte ihm damit ein sanftes Lächeln, ehe er wieder ernst wurde, sich zurücklehnte und sein Glas anstarrte. „Zumindest war das der Wunsch meines Vaters und ist es vermutlich bis heute noch. Schon im Elitekindergarten wurde ich streng darauf gedrillt, einmal ein verdammt guter Anwalt zu werden, der vor Gericht knallhart verhandelt und unzählige wichtige Fälle gewinnt. Mit Beginn der Privatschule wurde es noch schlimmer. Denn zusätzlich zu den Privatstunden Zuhause, musste ich auch noch unzähligen ‚Hobbys‘ nachgehen. Schachspielen, Geigenunterricht, Golfen, Polospielen, Reiten und noch etliche Dinge mehr.“ Kurz blickte er zu Emily hinüber, um zu sehen, wie sie das bisher Gesagte aufnahm, danach senkte er seine Lider wieder. „Es gab keine Minute meines Tages, die nicht mit Aktivitäten verplant war. Egal wie sehr ich sie alle hasste. Zumindest bis auf Bälle, Galas oder hohe Besuche, bei denen ich mit am Tisch sitzen durfte und Opern. Ja, ich liebe tatsächlich Opern, wobei ich Musicals eigentlich schon fast lieber habe, da ich da meistens auch den Text verstehe. Auf jeden Fall kannst du mir glauben, es gibt in den hohen Kreisen meiner Familie keinen Gesellschaftstanz den ich nicht könnte, keine Benimmregel, die ich nicht schon tausendmal eingehalten hätte und absolut keinen Moment wo ich hätte einmal frei entscheiden können.“ Adrian ließ die Worte wirken, während er sich den trockenen Mund mit etwas Orangensaft benetzte und dann mit völlig anderem Tonfall fortfuhr. Bis hierher hatte er eher wie ein Berichterstatter geklungen. Emotionslos. So als ließe ihn all das vollkommen kalt. Jetzt wurde er zum Erzähler. Adrian wusste, auf welch dünnem Eis er sich damit begab, aber irgendwie war er auch nicht dazu in der Lage, einfach aufzuhören, egal wie heftig sein Herz pochte und wie sehr sein Puls zu rasen anfing. „Kurz nach meinem 16. Geburtstag bin ich von Zuhause abgehauen. Seit dem habe ich meine Eltern nie wieder gesehen und nur noch ab und zu mit meinem Vater telefoniert. Meine Mutter wollte nie mehr mit mir reden.“ Seine Hand, die bisher das Glas immer schneller und schneller gedreht hatte, blieb mit einem Mal ganz still. „Seit diesem Tag bin ich – zumindest meistens – mein eigener Herr gewesen. Ich verdiene mein eigenes Geld. Ich versorge mich selbst und ich tu was mir Spaß macht.“ Leider nicht immer. Emily hörte wie immer aufmerksam zu, als Adrian ihr von seiner Vergangenheit berichtete. Sie war froh, dass er ihr so weit vertraute, ihr das alles zu erzählen. Dass er von zu Hause weggelaufen war, vertraute er wahrscheinlich nicht sofort jedem Menschen an. Irgendwie konnte sie nachvollziehen, dass er sich abgesetzt hatte, um ein Leben ohne all diese Ketten zu führen. „Das hört sich ganz schön heftig an. Ehrlich gesagt sind mir solche Situationen völlig fremd. Mir ging es in meiner Familie immer gut. Mal von meinem Großvater abgesehen.“ Aber das schien so gar nicht schwerwiegend zu sein, im Gegensatz zu dem Druck, dem Adrian vom Kindergartenalter an ausgesetzt gewesen war. Man konnte die Welt der High Society vielleicht verklären und sich denken, dass sie tatsächlich nur aus Banketts und Bällen bestand, aber was hinter dieser Fassade vor sich ging war offensichtlich kein Zuckerschlecken. Sie senkte den Blick auf ihre Hände und die nächsten Worte kamen nur als Flüstern über ihre Lippen. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich meine Mutter nie wieder sprechen könnte.“ Wie wohl in fast jeder Familie hatte es Zeiten gegeben, in denen sich Emily gewünscht hatte, sie hätte andere Eltern. Weil sie sich eingebildet hatte, nicht alles zu bekommen, was sie sich wünschte. Aber das war auch nicht so einfach mit drei Kindern. Sie konnte sich aber auf keinen Fall darüber beschweren, dass sie zu wenig Liebe abbekommen hätte. Mit viel Mitgefühl in den Augen sah sie Adrian an. Am liebsten hätte sie ihn umarmt, auch wenn er weder instabil noch besonders traurig aussah. Um ihn ein wenig aufzuheitern, lächelte sie ihn an und schob ihm die Eiskarte zu. „Freut mich, dass du die Dinge tun kannst, die dir Spaß machen. Das Tanzen gehört wohl auf jeden Fall dazu, was? Ich mag Tanzen auch, aber mehr die Standard-Sachen. Da bin ich ganz annehmbar, denke ich…“ Nach Emilys Worten, musste Adrian erst einmal in sich hinein fühlen. Was empfand er eigentlich bei dem Gedanken, dass seine eigene Mutter nichts mehr von ihm wissen wollte? Ja, da war ein kleiner Stich, der kaum noch schmerzte, denn im Grunde war sie nie der Typ Mutter gewesen, den er in Tysons Mutter hatte entdecken können. Es war zwar schwer zu glauben, aber Tyson gehörte ebenfalls zu gehobenen Kreisen. Doch da seine Eltern lange nicht so verbohrt waren, wie die von Adrian, hatte er sein Leben selbst gestalten können. Wie sehr er ihn doch damals beneidet hatte. Ein Grund, wieso Adrian niemals Hilfe bei Tyson gesucht hatte, als er so tief abgerutscht war, dass jeder Tag sein letzter hätte sein können. Die Versuchung war da gewesen, aber er hatte es nicht geschafft. Selbst seinem besten Freund gegenüber, wollte er niemals in der Verfassung gegenüber treten, in der er damals gewesen war. Zwar hatte er seinem Freund viel von den erlebten Dingen erzählt und auch sicherlich keine zensierte Version von sich gegeben, aber man konnte es sich dennoch kaum vorstellen, wenn man es nicht selbst gesehen hatte. Gerade wollte Adrian Emily vorschlagen, einfach einmal ganz normal zum Tanzen zu gehen. Er würde gerne einmal Standarttänze mit ihr tanzen. Das würde sicher ziemlich viel Spaß machen, wenn es in einem ganz normalen Tanzlokal stattfand. Doch da klingelte auch schon ihr Handy und sofort verstummte er. Mit einem entschuldigenden Blick zu Adrian, der ihr aber zunickte, hob sie ab. Allerdings mit gemischten Gefühlen, denn sie hatte bereits an der Nummer gesehen, wer dran war - Richard. „Hallo Emily. Störe ich?“ „Hallo. Naja, ich bin gerade mit Adrian beim Essen. Wie geht’s dir?“ „Gut, danke, ich hoffe dir auch.“ „Klar, ich kann nicht klagen.“ „Ehm… Ich wollte nur fragen, ob du heute Abend schon etwas vorhast.“ Unwillkürlich sah sie Adrian an, riss sich aber zusammen, um keinen peinlich berührten Ausdruck auf ihrem Gesicht auftauchen zu lassen. Trotzdem schlug ihr Herz schneller, als sie sich die Antwort überlegte. Sie hatte Richard seit dem Flug nicht mehr gesehen. Sollte sie jetzt ablehnen? Dann würde sie nie herausfinden, was das zwischen ihnen war. Und außerdem hatte sie ja wirklich nichts vor. „Nein, ich bin frei.“ „Schön.“ Sie konnte hören, dass er sich ehrlich freute, was ihr ein besseres Gefühl gab. „Ich habe zwei Einladungen für eine Vernissage, falls dich das interessiert. Es sind Glasobjekte.“ „Klar, sehr gern. Wann geht es denn los?“ „Ich kann dich wieder um halb sieben abholen. Die Vernissage fängt um sieben an. Aber du kennst ja diese Künstlerkreise. Da ist es chick, wenn man mindestens eine halbe Stunde zu spät kommt.“ Sein Lachen war ansteckend und Emily verabschiedete sich in echter Vorfreude auf den Abend. Glasobjekte hörten sich interessant an. Für so etwas hatte sie viel übrig. Als sie das rote Mobiltelefon wieder verstaut hatte, widmete sie ihre volle Aufmerksamkeit wieder ihrem Tischnachbarn. „Tut mir leid. Hast du schon einen Eisbecher ausgesucht?“ Sie erwähnte absichtlich nicht, mit wem sie gesprochen hatte und blätterte geschäftig in der Karte herum, um sich doch ihren Standard-Eisbecher auszusuchen. Einen mit vielen Früchten, Schokoeis und ohne Sahne. Während sie redete und zu hörte, ließ er die Eiskarte durch seine Finger gleiten, fuhr verschiedene Überschriften mit seinem Finger nach und versuchte das seltsame Gefühl in seinem Magen zu ignorieren. Mona konnte es nicht sein. Denn Emily hatte immer diesen gewissen Ausdruck im Gesicht, wenn sie mit ihrer Schwester sprach. Julie auch auf keinen Fall. Die hätte er bestimmt bis hier her gehört. Irgendwie glaubte er ohnehin nicht, dass es sich hierbei um eine Frau handelte, was ihm gleich noch viel mehr zu nagen gab. Doch er drängte all seine Gedanken zur Seite und stellte für einen Moment auf absoluten Durchzug. Er wollte gar nicht wissen, mit wem sie sich da verabredete. Zumindest versuchte er, sich das einzureden. „Ja, hab ich.“ Adrian winkte die nette Kellnerin zu sich heran und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, was diese prompt erröten ließ. Irgendwie half das etwas gegen das frustrierende Gefühl des Nicht-Wissens in seiner Brust. „Ich hätte gerne einen Hauch von ‚Heißer Liebe‘ und bitte nicht mit den Himbeeren sparen.“ Er verfluchte sich selbst für den Tonfall, den er bei seiner Bestellung verwendet hatte. Es klang beinahe zweideutig. Doch noch ehe die Hormone der Kellnerin so richtig zu arbeiten anfangen konnte, entließ er sie aus seinem Lächeln und wartete, bis Emily ihren Wunsch abgegeben hatte. Danach brauste die junge Frau davon. Adrian trank seinen Orangensaft leer und starrte wieder das Glas an. Kein Lächeln lag auf seinem Gesicht, dafür verbiss er sich wie wild die eine Frage, die ihm regelrecht im Kopf herum hämmerte: Wer war das? „Ich habe gestern deine Nachbarin Mrs. Jenkins kennen gelernt.“, wechselte er so unvermittelt und prompt das Thema, dass er selbst nicht ganz den Zusammenhang verstand, da es ja keinen gab. Aber es war ein Thema, das unschuldig und unverfänglich wirkte. Genau das, was er jetzt brauchen konnte. „Die alte Dame hat es nicht gerade leicht, jedes Mal wenn sie die Wohnung verlässt, die vielen Treppen zu meistern. Ich habe mir daher überlegt, ob ich ihr unter der Woche nicht etwas zur Hand gehe. Da ich sowieso nichts Besseres zu tun habe.“ Die Kellnerin war von Adrians Lächeln derart gefesselt, dass sie beinahe vergaß Emilys Bestellung aufzunehmen. Allerdings fand Emily die Sache eher lustig. Wenn die Hübsche wüsste… Bei den Namen, die die Eisbecher hier hatten, kam sie bestimmt öfter mal ins Schleudern, wenn ein gut aussehender Mann bestellte. „Oh, tatsächlich? Ja, sie ist wohl ein bisschen überfordert. Ihr Mann ist vor einem halben Jahr mehr oder weniger plötzlich an einer Lungenentzündung gestorben und seitdem scheint sie immer weiter abzubauen.“ Emily hatte sie nach dem Tod ihres Mannes ein paar Mal besucht und auch ein wenig aufgeräumt, wenn sie in der Wohnung der alten Dame gewesen war, aber sie hatte einfach nicht genug Zeit, um sich wirklich um sie zu kümmern. „Ich habe Mrs. Jenkins schon öfter ins Gewissen geredet, sich doch beim Sozialdienst anzumelden, damit jeden Tag jemand bei ihr vorbei schaut. Aber sie weigert sich. Die Dame ist ziemlich dickköpfig, wenn es darum geht, sich etwas abnehmen zu lassen. Daher wünsche ich dir schon mal viel Glück bei dem Vorhaben. Aber schön, dass du ihr helfen willst. Sie ist wirklich recht nett, wenn auch speziell in ihrer Art.“ Sie wurden durch die Kellnerin unterbrochen, die schon die Eisbecher vor ihnen abstellte. Emily nahm sich eine Kirsche, die ganz oben auf der Kugel Schokoeis lag und steckte sie sich genüsslich in den Mund, bevor sie weiter sprach. „Mrs. Jenkins hat dich doch bestimmt gleich gefragt, ob du mein neuer Freund bist.“ Sie grinste zu ihm hinüber, in dem Glauben, dass er das total lächerlich fand. „Meiner Großmutter ähnlich, ist sie immer besorgt, ich könnte niemanden mehr abbekommen. Ich glaube, wenn ich vor dreißig nicht heirate, werden sich die beiden zusammen tun und mir einen Mann suchen.“ Wäre eigentlich ein spannendes Experiment gewesen. Zumindest der Traummann der beiden Damen hätte Emily bestimmt auf die eine oder andere Art aus den Latschen gehauen. „Ich glaube, das war sogar die zweite oder dritte Frage, gleich nach dem ich ihr das erste Mal begegnet bin.“ Er schob sich einen Löffel Vanilleeis in den Mund. Wie gerne er doch diese Frage mit ‚Ja‘ beantwortet hätte, schoss es ihm plötzlich durch den Kopf. Der Gedanke war so neu und zu gleich so geballt, dass er sich beinahe verschluckt hätte. Immerhin fiel ihm daraufhin sofort wieder die Szene in der Sauna ein und wie sehr sie ihm gefallen hatte. War es wirklich das, was er glaubte, das es war? War Adrian tatsächlich gerade dabei auf diese neue, fremde und doch aufregende Art und Weise seine Gefühle für Emily zu entdecken? Kurz blickte er ihr ins Gesicht und sofort lief ihm ein Kribbeln das Rückgrat hinab. Ja, das musste es sein. Nur wieso beruhigte ihn das kein Bisschen? *** Nach dem Eis gingen sie noch eine Runde im Park spazieren und fuhren dann gemütlich nach Hause. Inzwischen war es fast fünf und Emily wusste nicht genau, was sie mit der Stunde anfangen sollte, die sie noch zur Verfügung hatte, bevor sie sich für die Vernissage fertig machen musste. Und was sollte sie bloß anziehen? Ihr Lieblingskleid kam nicht in Frage, denn das hatte sie im Restaurant getragen. Vielleicht einfach ein Rock und eine Bluse? Ein bisschen auffälligen Schmuck hatte sie auch. Das würde schon gehen. Außerdem würde sie sich überlegen müssen, ob sie Zahnbürste und andere Sachen einpacken sollte, die sie für eine eventuelle Übernachtung brauchte. Sollte es dazu kommen, würde sie das Ganze zumindest vor Adrian nicht mehr geheimhalten können. Sie grübelte eine Weile darüber nach, ob sie ihm gleich sagen sollte, dass sie vielleicht nicht nach Hause kommen würde. Sie hatte nicht vor, Richard mit in die Wohnung zu bringen. Irgendwie passte ihr Chef nicht hierher. So weit war sie einfach noch nicht. Am Ende entschied sie sich doch dagegen, Adrian irgendwas zu sagen. Er schlief wahrscheinlich sowieso bis zum Nachmittag und es würde ihm gar nicht auffallen, wenn sie nicht in ihrem eigenen Bett schlief. Außerdem wusste sie es ja noch nicht sicher. Nach dem sie zuhause angekommen waren, schnappte Adrian sich eine Packung Kekse aus dem Küchenschrank und ging zu Mrs. Jenkins Wohnung hinüber, um dort nach dem Rechten zu sehen. Sie hatte nichts dagegen, bot ihm sogar Tee an, weshalb er erst um sechs Uhr wieder von ihr wegkam. Schon bevor er in den Flur trat, bemerkte er, dass etwas anders war. Emily schien sich für irgendetwas zurecht zu machen, was Adrian unweigerlich an das Telefonat von heute Nachmittag erinnerte. Leicht zerknirscht, da er heute Abend arbeiten musste, während sie mit wem auch immer wegging, verzog er sich in sein Zimmer. Er wollte nicht eingeschnappt wirken, darum schnappte er sich einfach wahllos ein Buch, drehte leise Musik auf und setzte sich auf sein Bett. Es durfte ihn einfach nicht interessieren, was Emily heute vor hatte und er würde seine Neugierde darüber auch nicht stillen, in dem er sie einfach auf die offensichtliche Tatsache ansprach. Dennoch bekam er kein einziges Wort von dem mit, was seine Augen da lasen. Er las ein und dieselbe Seite wieder und wieder, ohne den Inhalt zu erfassen, bis es um kurz vor halb Sieben an der Tür läutete. Adrian versteifte sich unwillkürlich und hob das Buch nur noch höher vor sein Gesicht. Nein, er würde jetzt nicht aufstehen, um nachzusehen, wer das war! Emily hatte sich für das kleine Schwarze entschieden. So was hatte sie für Notfälle im Schrank und mit einer langen Kette mit bunten Steinen daran und einer leichten Strickjacke passte das auf jeden Fall. Das hoffte sie zumindest. Sie schnappte sich noch ihre größere schwarze Handtasche und warf einen Slip, Zahnbürste und Abschminkzeug hinein. Alles Andere würde Richard schon in der Wohnung haben. Diesmal war sie darauf vorbereitet, dass er früher als verabredet erscheinen würde. Sie wollte nicht, dass er in die Wohnung kam und Adrian begegnete. Dem wäre es bestimmt aufgefallen, dass sie schon wieder an einem Samstag mit Richard ausging. Vielleicht interessierte es ihn auch gar nicht, immerhin hatte er sich in sein Zimmer gesetzt, während sie zwischen Bad und Schlafzimmer hin und her gelaufen war, um sich fertig zu machen. Als es klingelte, steckte sie daher nur den Kopf durch Adrians offene Zimmertür. „Ciao, ich bin dann weg. Viel Spaß bei der Arbeit.“ Sie war eigentlich schon weg, lehnte sich dann aber doch noch einmal zurück, um noch etwas anzufügen. „War schön heute mit dir.“ Mit einem kleinen Zwinkern verabschiedete sie sich noch einmal, schnappte sich dann ihren Mantel und fing Richard vor der Wohnungstür ab. Sie schuldete ihm für ihr Verhalten keine Erklärung, immerhin wollte sie gleich los und sie war fertig angezogen. Kein Grund noch in ihrer Wohnung Zwischenstation zu machen. Richard begrüßte sie diesmal mit einem Kuss auf die Lippen, was Emily ein wenig rot anlaufen ließ. Hoffentlich hatte keiner der Nachbarn irgendetwas mitbekommen. Hier sprach sich alles ziemlich schnell herum. Deshalb schob sie Richard mehr oder weniger zurück auf die Straße, wo sie in sein Auto stieg und beide zur Vernissage in die Innenstadt fuhren. Als die Tür hinter Emily ins Schloss fiel, gefror das Lächeln auf seinen Lippen, bis es vollkommen verschwand. Das Buch glitt ihm aus den betäubten Fingern, die wie der Rest seines Körpers wie erstarrt waren. Sein Herz pochte spürbar heftig gegen seinen Brustkorb und mit jedem Mal, schien sich mehr und mehr eine dünne Nadel hinein zu bohren. Unerklärlicherweise tat es weh. Adrian ließ sich auf die Seite fallen, zog seine Beine wie ein Fötus an seine Brust, umschlang sie mit seinen Armen und schloss die Augen. Alles in der Wohnung war vollkommen ruhig. Wie von weiter Ferne hörte er Straßenverkehr, eine Uhr tickte, der Kühlschrank sprang an, aber ansonsten war es unheimlich still. „Ich bin so blöd.“ *** Die Galerie war groß und fast menschenleer. Entweder waren Glasskulpturen gerade nicht der Publikumsmagnet oder die Künstlerin hatte die falschen Leute eingeladen. Jedenfalls kam sofort jemand auf Richard und Emily zu und drückte jedem ein Glas Champagner in die Hand, als hätte man nur verzweifelt auf ein paar Gäste gewartet. Emily gefiel bereits die erste Skulptur, die mitten im Eingangsbereich stand. Es war ein milchig weißer Glaswirbel, der sich in etwa zwei Metern Höhe verzweigte und in einer Art Baumkrone endete, die in grün und blau erstrahlte. „In der kleinen Broschüre steht, das Werk verkörpere den Gleichklang von Wasser und Erde auf unserem Planeten.“ Richard zog eine Augenbraue hoch und sagte nichts dazu. Allerdings konnte Emily seine Meinung an seinem Gesicht ablesen. „Sag bloß, du hast schon mal einen normalen Namen für ein modernes Kunstwerk gehört. Die müssen sich doch immer was besonders Tolles ausdenken… Die Skulptur ist aber recht schön, finde ich.“ Sie konnte gar nicht sagen, wie sie dazu kam sich bei Richard unter zu haken. Das Programm des Abends gab sie an ihren Begleiter, behielt aber die Broschüre, in der die Namen der Kunstwerke und kleine Beschreibungen enthalten waren. Außerdem hielt sie sich ein wenig an ihrem Champagnerglas fest. Die Ausstellungsstücke gefielen ihr wirklich ausnehmend gut, was sie Richard auch sagte. „Vielen Dank, dass du mich mitgenommen hast. Auf diese Ausstellung wäre ich sicher nicht von allein aufmerksam geworden.“ Sie schenkte ihm ein Lächeln und nippte noch ein wenig am Schaumwein, bevor sie vor einem kleinen Objekt stehen blieb. Es war ein präzise geformter Würfel aus Glas, in dessen Innerem sich ein Wirbel aus Gold zu drehen schien. Das Gebilde erinnerte Emily an die Kette, die Mona ihr geschenkt hatte. Automatisch musste sie an die Worte und den Rat ihrer großen Schwester denken. Es veranlasste Emily dazu sich kurz an Richard zu wenden und ihm einen kleinen Kuss auf die Lippen zu hauchen. Bis jetzt war es ein schöner Abend gewesen. Wäre Richard alleine zu der Vernissage gegangen, hätte er sich garantiert zu Tode gelangweilt. Was aber nicht an den Skulpturen lag, die fand er sehr schön und interessant, sondern an der öden Atmosphäre. Kein Wunder, dass hier nur so wenig Gäste waren. Doch er hatte immerhin Glück, so eine hervorragende Begleitung wie Emily zu haben. Sie steckte ihn mit ihrer Begeisterung regelrecht an und ließ ihn Dinge in den Skulpturen sehen, für die er keinen Blick gehabt hätte. Alles schien durch sie, einen gewissen Zauber zu besitzen, was er äußerst faszinierend fand. Aber nichts zu der Tatsache, dass sie ihm in aller Öffentlichkeit zärtlich einen Kuss auf die Lippen hauchte. Sein Herz schlug höher, als sie sich wieder von ihm löste. Er lächelte sanft. „Womit habe ich das denn verdient? Du bist es doch, die dieser ganzen Veranstaltung für mich erst so richtig Leben einhaucht.“ Richard nahm ihre Hand und strich ihr zärtlich mit dem Daumen darüber. „Ich freue mich sehr darüber, dass du mich heute begleitet hast.“ Danach zog er sie an seine Seite und umschlang ihre Taille mit seinem Arm. Später, als sie schließlich beim letzten Kunstobjekt – Die Liebenden – angekommen waren, fragte er sich, ob sie heute Nacht bei ihm bleiben würde. Mit großem Interesse verfolgte er die Linien des Glasobjektes, um sich ein vollständiges Bild davon machen zu können. Es war nicht leicht, etwas in dem Gebilde zu erkennen, wenn man keine Fantasie hatte, doch schließlich erkannte er zwei sich umschlingende Glaskörper. Es half etwas, dass ein Körper aus angerautem Milchglas bestand und der andere durchsichtig glatt war. „Hättest du Lust noch auf einen Schlummertrunk zu mir zu kommen?“, fragte er schließlich einfach frei heraus. Immerhin konnte sie immer noch 'Nein' sagen und der Abend wäre trotzdem sehr schön gewesen. Lächerlich. Gab es so ein Stück nicht in jeder Ausstellung? Wahrscheinlich erhoffte sich jeder Künstler damit eine große Anzahl von Käufern auf sein Werk aufmerksam zu machen. Von Liebe fühlte sich jeder besonders angesprochen und betroffen. Da machte man den Geldbeutel etwas lockerer, um sich die entsprechende Figur in seine Wohnung zu stellen… Warum klang das sogar in ihren eigenen Ohren so verbittert, dass ihr beinahe der Atem ausging? Vielleicht, weil sie nicht mehr daran glaubte, dass es so etwas wie echte Liebe gab. Entweder nutzte man aus oder man wurde ausgenutzt. Keiner liebte einen Menschen um seiner selbst willen. Am liebsten hätte sie ihre Champagnerflöte gegen die Glasskulptur geworfen, um das Splittern von Glas auf Glas zu hören. Sie musste gerade in diesem Augenblick vor sich selbst zugeben, dass sie noch nicht so weit war. Zach war immer noch in ihrem Kopf. Vielleicht nicht mehr in ihrem Herzen, aber sie hatte ihn und was er ihr einmal bedeutet hatte noch nicht vergessen. War sie so schlimm wie er? Am liebsten hätte sie losgeheult, als Richards Frage endlich in ihrem, mit seltsamen Gedanken angefülltem Gehirn ankam. Ob sie mit ihm gehen wollte? In seinen Augen versuchte sie zu lesen, ob er nur Sex wollte. Emily wollte nicht wieder auf der Couch sitzen und auf Anrufe mitten in der Nacht warten, um sich dann im Regen aufzumachen, den Mann zu wärmen, dem sie keinen Pfifferling wert war. So viele gegensätzliche Gefühle tobten gleichzeitig in ihr, dass sie ihn lange auf ihre Antwort warten ließ. Wollte sie mit ihm gehen? Immer noch sah sie ihm in die Augen, doch es lag nichts Abschätziges darin. Die andere Frage war: Wollte sie nach Hause? In ihr leeres Bett, wo niemand auf sie wartete, der sie im Arm halten wollte? Der neben ihr einschlafen wollte, den Arm um sie gelegt und mit einem kleinen Lächeln auf dem Gesicht, weil sie bei ihm war. „Ja, möchte ich. Lass’ uns gehen. Oder hast du etwa vor dieses hässliche Ding da zu kaufen?“ Der letzte Kommentar war nur halb ironisch gemeint und triefte in ihren eigenen Ohren vor Selbstmitleid. „Als würde ich mir jemals so etwas kaufen, wenn du bei mir bist.“ *** Richards Wohnung war in etwa so, wie Emily sie sich vorgestellt hatte. Ein Apartement mit schwarzer Ledercouch, viel Glas und viel Metall. Aber die Aussicht war wirklich großartig. Emily stand an der Balkontür und konnte über die ganze Stadt sehen, mit ihren Lichtern und den Geräuschen der selbst um diese Uhrzeit hektischen Metropole. Ihr gefielen der Blick und die kalte Luft, die ihr die Haare aus dem Gesicht wehte. Zwar fröstelte sie leicht in ihrer Strickjacke, aber sie genoss die Situation viel zu sehr, um sich daran zu stören. Ein leichtes Lächeln legte sich auf ihre Lippen und sie schlang ihre Arme um sich, während sie ganz in die kühle Nacht hinaus trat. Sie konnte Richards Schritte zuerst auf den Fliesen und dann auf dem Balkon hören, bevor er hinter sie trat und seine Arme um ihre Hüften schlang. Emily lehnte sich an ihn und freute sich über die Wärme, die von seinem Körper ausging. So konnte sie es noch länger hier draußen aushalten. „Du hast eine tolle Aussicht.“, sagte sie nur in feststellendem, aber gleichzeitig bewunderndem Tonfall. „Ja, nicht? Ein Grund, aus dem ich die Wohnung gekauft habe.“ Sie gehörte ihm sogar? Wow, anscheinende verdiente er sehr viel mehr, als Emily gedacht hatte oder war auf irgendeine andere Art zu Geld gekommen. Wobei… Richard arbeitete sehr viel und gab das Geld wahrscheinlich wenig in seiner Freizeit aus. Vielleicht hatte er den Großteil seines Vermögens in diese Wohnung gesteckt. „Du solltest dir ein wenig mehr Zeit nehmen, hier zu sein. Das würde ich zumindest an deiner Stelle tun.“ Sie wollte ihm nicht sagen, dass er zu viel arbeitete. Immerhin war es seine Entscheidung und Emily konnte verstehen, dass man sich in der Arbeit vergrub, wenn man niemanden hatte, der zu Hause auf einen wartete. Richard zog sie noch enger an sich und verbarg sein Gesicht in Emilys Haaren. Sie sanfte Geste veranlasste sie dazu, über seinen Arm zu streicheln, der sie immer noch festhielt. „Möchtest du was trinken?“, fragte er schließlich, als Emily schon davon überzeugt gewesen war, dass sie für immer hier zusammen stehen bleiben würden. Sie hätte in diesem Moment nichts dagegen gehabt. Aber der Wind frischte immer weiter auf und ihr kurzes Kleid würde ihr auf Dauer so wenig Schutz davor bieten wie Richards Körperwärme. Also sagte sie ja und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo er zuvor ein Feuer in dem kleinen, modernen Kamin angezündet hatte. Diese Wohnung war ein echtes Prunkstück des Junggesellentums. Eine einzige Pflanze fristete ihr Dasein neben der Balkontür und sah eher schlecht als gesund aus. Alles war blank geputzt und Emily wettete, dass Richards Kühlschrank, den er gerade öffnete, um die Milch für den Tee heraus zu holen, nur deswegen voll war, weil er eine Haushaltshilfe bezahlte, damit sie sich darum kümmerte. Sie saßen auf einem der dunklen Sofas, Emily an Richard gelehnt, beide mit ihrer Teetasse in der Hand und unterhielten sich über antike Kunstschätze. Wie die Mumie mit dem Sarkophag ausgestellt werden sollte, welche Stücke Emily besonders interessierten, was Richard geplant hatte für die Sammlung anzukaufen. Es war ein angenehmes Gespräch, bei dem Emily immer gelöster wurde und sich langsam aber sicher richtig wohl fühlte. Gerade als Emily auf die Uhr sah, die bereits weit nach Mitternacht anzeigte, streichelte Richard ihren Arm hinauf und fing an ihren Hals zu küssen. Sanft strich er ihr die Haare nach hinten und beugte sich über sie, während Emily einfach die Augen schloss und versuchte das Ganze zu genießen. Das war das Schöne an Richard. Emily hatte nie das Gefühl, dass er etwas von ihr forderte. Er küsste sie nicht in der Erwartung, dass sie sich umdrehen und ihn von seinen Kleidern befreien würde. Wahrscheinlich hoffte er darauf, aber Emily war sich sicher, dass er jederzeit ein ‚Nein’ akzeptiert hätte. Am nächsten Morgen duschte Emily, putzte sich die Zähne und zog sich die Kleider an, in denen sie gekommen war. Eigentlich wollte sie gleich nach Hause. In dem kurzen schwarzen Kleid kam sie sich so vor, als hätte sie etwas Verbotenes getan und müsste nun schnell nach Hause, um ihre Spuren zu verwischen. Auch wenn es nicht so war, wollte sie in diesem Aufzug nicht mit Richard frühstücken gehen. „Wenn wir nicht mit der Queen frühstücken, fühle ich mich overdressed.“ Also brunchten sie auf dem Balkon, dessen Aussicht Emily bei Tageslicht nicht weniger den Atem raubte, als bei Nacht und anschließend fuhr Richard sie nach Hause. Adrian war nicht da, weswegen Emily sich mit einem dicken Wälzer und einer Kanne Tee ins Wohnzimmer setzte. Bereits zehn Minuten später war sie in der Welt des Romans versunken. Kapitel 18: 18. Kapitel ----------------------- Das Wasser lief in heißen Schwaden seinen Körper hinab. Erschöpft lehnte er die Stirn gegen die kalten Fliesen. Durch das Rauschen hindurch, konnte Adrian immer noch die Musik der Lautsprecher hören, die im Clubraum noch die letzten Gäste unterhalten sollte. Im Umkleideraum war kaum noch jemand, die meisten seiner Kollegen und Kolleginnen waren schon gegangen. Adrian konnte sich aber nicht dazu aufraffen, die Wärme des Wassers zu verlassen, um nach Hause zu gehen. Er wollte nicht die leeren Zimmer sehen. Oder das Emilys Schuhe fehlten. Er wollte nicht die untrüglichen Zeichen erkennen müssen, dass sie in diesem Augenblick in den Armen eines anderen Mannes schlafen könnte. Er konnte noch nicht einmal daran denken, ohne dass sich seine Brust schmerzvoll zusammen zog. Trotzdem, irgendetwas musste er tun. Er konnte nicht für immer unter der Dusche stehen und auf bessere Zeiten warten. Außerdem würde sein Boss ihn sonst noch auf die Straße setzen, wenn er den Club für diese Nacht schloss. Widerwillig gab sich Adrian einen Ruck und drehte das Wasser ab. Er stieg aus der Kabine und griff nach seinem Handtuch, um sich abzutrocknen. „Du bist sogar noch heißer als damals. Das hätte ich nicht für möglich gehalten.“ Adrians Hand erstarrte in der Luft. Er wusste schon vorher, wer diese dreiste Frau war, die sich in die Männerduschen verirrt hatte, noch bevor er sie sah. „Alexandra.“ Ihm kam nur dieses eine Wort über die Lippen, doch darin lag all die Verachtung und Wut, die er für sie empfand. Es prallte einfach an ihr ab. Sie lehnte am Türrahmen, die Beine überschlagen, die Hände vor der üppigen Brust verschränkt. Sie trug einen briefmarkengroßen, sündigroten Rock, ein geschnürtes, schwarzes Top, das mehr zeigte, als verhüllte und ihre Modelbeine steckten in schwarzen Netzstrumpfhosen. Sie hatte sich die vollen Lippen Blutrot geschminkt und das blauschwarze Haar fiel ihr in einer fast schon eleganten Geste glatt bis auf die Schultern. Würde man in einem Telefonbuch unter ‚Sexbombe’ nachschlagen, so stünde dort mit Sicherheit ihre Adresse. Adrian schnappte sich das Handtuch und trocknete sich ab, ohne sie dabei weiter zu beachten. Zwar konnte er sich noch so sehr wünschen, sie möge sich wieder in den Höllenschlund zurückziehen, aus dem sie gekrochen war, aber natürlich stand sie immer noch da, als er sich das Handtuch um die Hüften wickelte und zu seiner Kleidung hinüber ging. Ihre Blicke waren wie kalte Nadelstiche überall auf seiner Haut. Wie sehr er es doch hasste, wenn sie ihn so ansah. „Eigentlich hätte ich von dir wenigstens ein ‚Hallo‘ oder ‚Hi‘ erwartet. Immerhin waren wir einmal zusammen.“ Adrian ließ seine Boxershorts wieder auf den Stapel sinken und fuhr zu ihr herum. „Ja, mit Betonung auf ‚war‘. Was willst du eigentlich hier?“ Seine Stimme klang kalt und schneidend, was Alex zu einem Lächeln bewegte. Sie kam mit schwingenden Hüften auf ihn zu und Adrian wusste instinktiv, wenn sie ihm zu nahe kam, könnte alles passieren. Sie war auf eine Art gefährlich, die nicht strafbar war, aber eigentlich hätte sein sollen. „Nun, eigentlich wollte ich nur einmal das Shadow ausprobieren. Tolle Musik, gute Atmosphäre. Du weißt schon.“ Sie wedelte vielsagend mit der Hand. „Aber als ich dich dann auf der Bühne sah, mit diesen heißen Lederklamotten, war alles andere einfach vergessen. Ich muss zugeben, ich war erschüttert und höchst erfreut zu gleich, dich auf diese Weise wiederzusehen.“ Adrian wäre noch ein Stück zurückgewichen, wenn er vorgehabt hätte, vor ihr Schwäche zu zeigen. Doch inzwischen stand er über den Dingen. Außerdem war sie selbst mit ihren zwanzig Zentimeter hohen Absätzen trotzdem noch kleiner als er. Der Größenunterschied wurde noch deutlicher, als sie so dicht an ihn heran trat, dass er ihr süßliches Parfum riechen konnte. Ihm wurde schlecht davon. „Warum hast du dich nicht schon früher in Leder gehüllt? Du sahst verdammt scharf darin aus.“ Sie hob ihre manikürte Hand. „Fass mich nicht an!“, knurrte er deutlich aggressiv. Adrian hatte heute nicht mehr den Kopf, um sich auch noch mit seiner Exfreundin herumzuschlagen. Das war einfach zu viel. Allerdings ließ sich Alex wenig damit beeindrucken. Das Lächeln auf ihrem Gesicht vertiefte sich nur noch, als sie ihm über die muskulöse Brust strich. „Und jetzt?“, fragte sie ihn herausfordernd. „Was wirst du jetzt tun?“ Adrian packte sie am Handgelenk und zog ihre Hand weg. Sein Griff war fest und musste ihr wehtun, doch das war ihm egal und ihr offensichtlich auch, denn mit einem Mal veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. „So kenne ich dich ja gar nicht.“, stellte sie überrascht fest. „Das gefällt mir!“ Ehe er sich versah, presste sich ihr Körper hungrig an ihn. Sie umschlang mit ihrer anderen Hand seinen Nacken, zog sich daran hoch, um ihre Lippen auf die seinen pressen zu können, während ihr Bein sich zwischen seine Schenkel drängte und ihre Hüfte sich an ihm rieb, so dass er das Handtuch verlor. Durch die überraschende Wucht ihres Ansturms, schlug sein Körper gegen die Wand hinter ihm und mit einem Mal fühlte er sich vollkommen gefangen. Er war eingesperrt zwischen der kalten Mauer in seinem Rücken und dem heißen Körper vor ihm. Neckisch biss sie ihm unsanft in die Unterlippe, sog daran, um ihn zum Mitmachen anzutreiben, doch alles was Adrian tun konnte, war vollkommen erstarrt dazustehen. Er konnte es nicht fassen. Alexandra schien seine Passivität überhaupt nicht zu stören. Sie nahm sich einfach, was sie wollte. Ihre Hände wanderten gierig über seinen Körper, nachdem er vor Schreck ihre Hand wieder losgelassen hatte. Eine davon umfasste zielstrebig sein Geschlecht, um es zu reiben und zu massieren. Erst bei dieser Berührung wachte Adrian aus seiner Starre auf. Wieder war es, als könne er ihre verletzenden Worte von damals hören. Er sei nur ihr Spielzeug gewesen. Ein Stricher, der nur zum Ficken gut war und genau dieses Gefühl, gab sie ihm in diesem Moment auch. Eiskalte Wut fuhr wie tobende Blitze in seine Eingeweide und brachte seinen ganzen Körper zum Beben, bis er sich nicht mehr länger zurück halten konnte. Ohne darauf zu achten, ob er ihr dabei wehtat, pflückte er sie regelrecht von sich runter. Inzwischen hatte sich ihr Mund an seinem Hals zu schaffen gemacht. Er konnte ihre Bisse spüren und die Kälte von der Feuchtigkeit ihres Mundes daran. Das war einfach zu viel. „Ich sagte: Du sollst mich nicht anfassen!“ Er stieß sie von sich, so dass sie zurück taumelte, doch seine Gegenwehr schien sie erst recht anzuheizen. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Lippenstift verschmiert und ihr Atem ging heftig, als sie ihn äußerst erregt anlächelte. „Wieso hast du nur diese Seite an dir, nie gezeigt? Vielleicht hätte ich dich dann noch etwas länger behalten.“ Das Glühen in ihren Augen gefiel ihm nicht. Als sie wieder Anstalten machte, erneut auf ihn loszugehen, setzte es bei Adrian einen Moment lang völlig aus. Er wusste erst, was er tat, als es schon zu spät war. Alexandra wurde von der Wucht, mit der er sie verzweifelt abwährte von ihren Absätzen gefegt und landete auf dem Boden. Blut lief ihren Mundwinkel hinab und die Haut ihrer Wange war stark gerötet, doch noch immer lächelte sie, als sie zu ihm aufsah. „Ja, komm schon, Adrian! Schlag mich noch mal. Das macht mich tierisch an.“ „Du bist total krank!“, schrie er sie an, ehe er sich seine Kleider schnappte und die Flucht ergriff. Das konnte doch alles nicht wahr sein und dennoch überraschte ihn ihr Verhalten nicht wirklich. Sie hatte schon immer einen Hang zu SM. Aber im Gegensatz zu ihr, war ihm nie danach gewesen, auch noch diese Abgründe zu erkunden. Hey Adrian! Wie geht’s dir? Ich weiß nicht, ob du diese Nachricht noch rechtzeitig bekommst… Hast du Lust Morgen (So) gegen Mittag mit mir Joggen zu gehen? Ruf doch an. Schlaf’ gut! P. Ein trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als Adrian seine Antwort ins Handy tippte. Ich warte im Sunshine-Café auf dich. Komm, wenn du ausgeschlafen bist. Ich werde da sein. A. Einen Moment lang ruhte sein Daumen wenige Millimeter über der Sendetaste, bis er sie schließlich drückte, sein Handy wieder einsteckte und sich auf dem Weg zum Café machte. Inzwischen war es kurz nach sechs Uhr morgens. Es müsste also inzwischen geöffnet haben. Zwar hatte Patrick vorgeschlagen, dass er ihn anrufen sollte, aber bestimmt schlief sein Freund noch, so wie es sich für Sonntag gehörte und wenn er auch nur annähernd das gleiche Verhalten wie Adrian zeigte, würde ihn eine SMS nicht gleich wecken. Es war kaum jemand auf der Straße, da der morgendliche Ansturm am Sonntag lange nicht so groß war, wie unter der Woche. So musste sich Adrian keine Sorgen machen, dass Alex ihm nachlief. Er hätte sie schnell erkannt, allerdings glaubte er ohnehin nicht daran, dass sie ihn heute noch einmal belästigen würde. Nach dem die Security-Leute des Clubs sie rausgeschmissen hatten und sein Boss ihr Hausverbot erteilt hatte, würde er sie hoffentlich für eine ganze Weile nicht mehr wieder sehen. Doch die Katastrophe war bereits angerichtet, jetzt musste er sich um Schadensbegrenzung bemühen. Es kam gar nicht in Frage, dass er jetzt in seine und Emilys Wohnung zurückkehrte. Den Anblick ihrer fehlenden Sachen, wie zum Beispiel ihre Zahnbürste, hätte er heute einfach nicht mehr ertragen. Zittrig kramte er in seinen Jackentaschen herum, bis er endlich fand, was er dringend gegen seine aufziehenden Kopfschmerzen brauchte. Zwar war es nur ein leichtes Beruhigungsmittel gegen den Schmerz auf Baldrianbasis, doch es war tausendmal besser, als dass er sich einen Schuss H reinzog. Früher hätte er das ohne zu zögern getan, selbst als er erst leicht abhängig davon gewesen war. Die Droge ließ schnell alle Sorgen verschwinden und versetzte einem in einen Zustand des absolut seligen Rausches. Man fühlte sich, als könnte niemand einem etwas anhaben. Als wäre man unbesiegbar. Dabei wurde man im Grunde nur noch verletzlicher und instabiler. In Momenten wie diesen konnte Adrian nur zu gut nachvollziehen, was Menschen dazu brachte, dem Drogenmissbrauch zu frönen. Vielleicht nicht alle, doch viele versuchten dadurch der Realität zu entfliehen. Bei ihm war es nicht anders gewesen. Zuerst waren es nur Pillen, die er schluckte, um seine Tätigkeit als Stricher leichter zu ertragen. Doch je länger er seine Gefühle mit Tabletten kontrollierte, umso schlimmer wurde es. Bis es schließlich nicht mehr ausreichte und er härtere Sachen brauchte. Aber selbst dann, brauchte er immer mehr und mehr, bis er so weit gewesen war, dass jeder Schuss sein letzter hätte sein können. Warme Luft geschwängert mit dem Duft von frischen Brötchen und geröstetem Kaffee umfing ihn, als er die Tür zum Café öffnete und sich nur zu bereitwillig davon anlocken ließ. Er war, so weit er das sehen konnte, erst der dritte Gast am Morgen, weshalb er sich einen Platz ganz hinten in einer Ecke aussuchen konnte, wo er seine Ruhe haben würde. Hinter ihm befand sich ein schmaler Streifen Spiegel an der Wand, der sich durch das ganze Café zog. Dort wurde ihm zum ersten Mal an diesem Tage die Realität deutlich vor Augen geführt. Er sah blass aus und seine sonst so blauen Augen wirkten dunkel und eiskalt. Über seinen gesamten Hals zogen sich dunkelrote Blutergüsse und als er in den Ausschnitt seines Hemdes spähte, konnte er sogar blutige Kratzspuren erkennen. Alexandra dieses Biest hatte ihn wohl bei lebendigem Leibe häuten wollen. Zumindest war sie garantiert kein Schmusekätzchen. Aber das war sie noch nie gewesen. Immerhin hatte sie schon früher die Neigung besessen, ihn beim Sex zu kratzen und zu beißen. Eine Tatsache, die er bis dato verdrängt hatte, da er damals alles für sie getan hätte, immerhin hatte er geglaubt, sie zu lieben. Jetzt wusste er, dass er nur ihre Anerkennung wollte. Natürlich hatte er die nie bekommen. Selbst heute nicht. „Na, Süßer. Harte Nacht gehabt?“ Vor ihm stand ein rundlicher Mutterverschnitt Ende Vierzig in einem Kellnerinnenoutfit. Sie lächelte herzlich und ihr Gesicht war so freundlich, wie ihr Tonfall geklungen hatte. Unwillkürlich musste Adrian lächeln. „Kann man wohl sagen.“ Er seufzte. „Dann lehn’ dich zurück und lass mich nur machen. Was darf ich dir bringen?“ Sie zückte einen Block und einen Stift. Seltsamerweise ging es ihm dabei gleich viel besser. Diese Frau strahlte eine so unglaubliche Ruhe und Behaglichkeit aus, der man sich nur zu gerne fügte. „Einen Kaffee und einen Pfirsichsaft, bitte.“ „Willst du auch was essen?“ „Nein, danke. Später vielleicht.“ Immerhin würde er hier wohl eine Weile sitzen bleiben, um auf Patrick zu warten. Aber genau das war ihm ganz recht. Er musste unbedingt seine Gefühle wieder ordnen, sonst bekam er davon noch ein Schleudertrauma. Sein Magen fühlte sich ohnehin so an, als säße er schon seit gestern Nacht in einer Achterbahn. „Kommt sofort.“ Die Kellnerin zwinkerte ihm zu und verschwand, um ihm seine Wünsche zu erfüllen. Schade, dass es sich hierbei nur auf Getränke beschränkte. Eine gute Fee hätte er im Augenblick sehr gut gebrauchen können. „Guten Morgen!“ Patrick sah in seinem Sportdress so abgehetzt aus, als wäre er bereits von seiner Wohnung zum Café gejoggt. Dabei hatte er bloß seinen Bus verpasst und die letzten Meter tatsächlich im Laufschritt hinter sich gebracht. Als er Adrian im hintersten Eck des ‚Sunshine’ schließlich entdeckte – er hatte schon überlegt, ob sein Freund bereits wieder gegangen war – setzte er sich erstmal neben ihn, ohne ihn wirklich anzusehen. Sobald er das nachholte, erschrak er allerdings deutlich erkennbar. Mein Gott, was war denn bloß passiert? Adrian sah so aus, als hätte er die Nacht durchgemacht und wäre außerdem noch unter einen Lastzug geraten. Patrick zog den Rothaarigen ohne ein weiteres Wort erstmal an sich. Zwar wusste er nicht, ob Adrian diese Art von Nähe in der Öffentlichkeit recht war, aber dass er es nötig hatte, war mehr als klar. Er hielt ihn länger fest, als für eine Begrüßung üblich gewesen wäre und sah ihn dann auf Abstand seiner ausgestreckten Arme mit besorgter Miene an. „Dich zu fragen, ob’s dir gut geht, kann ich mir wohl sparen.“ In beschwichtigendem Ton fragte er leise, was los war. Überrascht ließ Adrian es zu, dass sein Freund ihn in die Arme zog. Es war nicht wirklich ein Reflex, der ihn dazu brachte, sich an den anderen fest zu halten und kurz das Gesicht an dessen Brust zu verbergen. Scheiß drauf, dass ein paar Leute im Lokal glotzten, er brauchte diese Art der Zuwendung wirklich dringend! Beinahe hätte er protestiert, als Patrick ihn von sich schob, um ihm ins Gesicht zu blicken, doch das war vermutlich auch nur richtig so. „Ich denke, die Tatsachen sprechen für sich.“, gab Adrian zerknirscht zu, ehe er sich an sein zweites Glas mit Pfirsichsaft fest klammerte und auf die Tischplatte starrte. Irgendwie kam ihm das alles seltsam bekannt vor, aber daran wollte er gar nicht denken. Während er noch nach den richtigen Worten suchte, kam die unglaublich nette Kellnerin an ihren Tisch, die ihn inzwischen mit einem leichten Naturyoghurt mit Früchten versorgt hatte, um seinen hungrigen Magen wenigstens etwas zu beruhigen, ihm aber keinen Grund zum Kotzen gab. Sie fragte nach Patricks Bestellung und schenkte Adrian ohne zu Fragen noch einen Kaffee ein. „Der geht auf mich, Süßer.“ Noch ehe Adrian sich bedanken konnte, war sie auch schon wieder weg. Seltsam, bei ihr klang dieser Kosename, nicht so, wie er aus dem Mund einer anderen Frau geklungen hätte. Er hatte einen freundschaftlichen und zugleich fürsorglichen Unterton. „Tja, also Patrick, wundere dich nicht, wenn ich etwas müde aussehe. Ich hab gearbeitet und bin danach gleich hier her gekommen. Ich hab nicht geschlafen. Aber darum mach dir mal keinen Kopf. Das kommt öfter vor.“, versuchte er seinen Freund zu beruhigen. Aber es war nicht nur die Müdigkeit, die man ihm ansah. Darum erklärte er weiter: „Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte mal wieder eine beschissene Nacht.“ Das Glas zwischen seinen Fingern begann sich zu drehen, als er es anschob. "Emily hat vermutlich die Nacht im Bett eines Mannes verbracht und da mich das ja nicht schon genug beschäftigt, hatte ich nach der Arbeit auch noch eine Begegnung der unheimlichen Art.“ Fast erschrocken drehte er sich zu der matronenhaften Kellnerin um, die sich offensichtlich bis jetzt um Adrians Wohlbefinden gekümmert hatte. Zumindest was die Verpflegung mit Essen und Trinken anging. Sie goss auch Patrick mit einem breiten Lächeln eine Tasse Kaffee ein und schrieb die Spiegeleier, die er bestellte, auf ihren kleinen Notizblock. Erst als Adrian sich zurücklehnte, begann Patrick zu sprechen. Er war selbst überrascht, dass seine Stimme ihm noch gehorchte, vor allem wenn sein Blick kurz auf dem Kragen seines Freundes ruhte. „Den Anfang zuerst. Wie kommst du darauf, dass Emily die Nacht bei einem Kerl verbracht hat? Du warst doch gar nicht zu Hause. Vielleicht lag sie brav um elf in ihrem Bett und zwar allein und du hast es bloß nicht mitbekommen.“ Er brauchte seinem Gegenüber gar nicht in die Augen zu sehen, um den ungläubigen Blick vor sich zu sehen. Adrian hatte bestimmt seine Gründe zu glauben, dass Emily sich einem anderen Mann hingab. Aber Patrick versuchte zumindest ein wenig zu verhindern, dass der Rothaarige sich selbst deswegen so fertig machte. Vielleicht war tatsächlich nichts gewesen. „Man überinterpretiert so oft, Adrian. Was, wenn sie nur Freunde sind, die sich eben am Samstagabend treffen, um ins Theater zu gehen oder so was?“ Immerhin trafen sie sich auch hier und hatten nur vor zusammen laufen zu gehen. Das hätte Patricks Ex allerdings auch anders gesehen, wenn sie noch ein Paar gewesen wären. Fred war immer unglaublich eifersüchtig gewesen, was auch ein Grund für die Trennung gewesen war. Wenn auch nicht der Einzige. “Hast du denn mit Emily geredet? Ich meine, hast du ihr angedeutet, dass du sie magst? Mehr als magst?“ Wenn er nicht bald mit der Sprache herausrückte, würde sie früher oder später an jemand anderen geraten. Sie war eine schöne und nette Frau. Adrian konnte nicht verlangen, dass sie auf ihn wartete, wenn sie doch dachte, dass er auf Männer stand. Adrian sah Patrick wirklich ungläubig an. Als wenn er nicht schon selbst alles Mögliche versucht hätte, um eine noch so harmlose Erklärung für Emilys Abgang gestern zu finden. Aber er konnte nicht anders. Es war, als würde ihm ein Teufel auf der Schulter sitzen, der ihm immer wieder diesen Mist einredete, den er am Liebsten gar nicht gehört hätte. „Natürlich könntest du Recht haben und ich wäre verdammt froh, wenn es wirklich so sein sollte, aber irgendetwas in mir drin, will das nicht einsehen. Ganz im Gegenteil. Wenn’s nach meinem Bauchgefühl ginge, was es zum Glück nicht tut, würde ich einfach den Sprung ins kalte Wasser wagen und ihr sagen, wie…“ –weh es tut, sie bei einem anderen Mann zu wissen, selbst wenn da Nichts zwischen ihnen laufen würde. „Ach egal. Ich will nichts damit zerstören, in dem ihr gestehe, wie meine wahren Gefühle für sie aussehen, wo ich mir selbst noch nicht einmal völlig sicher bin. Was ist, wenn sie etwas für diesen Kerl empfindet und für mich nicht? Ich könnte nie wieder so locker mit ihr zusammenwohnen wie jetzt. Ich müsste gehen und das wäre schlimmer zu ertragen, als die jetzige Situation.“ Gut, dass er es aussprach, denn zu diesem Punkt war er in seinen Überlegungen noch gar nicht gekommen. Scheiße, selbst wenn er ihr seine Gefühle beichtete, könnte sie ihn immer noch abweisen. Verdammt, genau so lief es doch nun einmal im Leben und in der Liebe, nicht wahr? Es war das reinste Glücksspiel! Aber jetzt kam auch noch seine Ex ins Spiel und das war der eigentliche Punkt, der ihn so absolut fertig machte. "Da gibt es noch etwas, das du wissen solltest." Adrian öffnete die ersten zwei Knöpfe seines Hemdes und zog die beiden Seiten auseinander, so dass Patrick offene Einsicht auf seinen zerkratzten Brustkorb und seinen malträtierten Hals hatte. „So sieht man aus, wenn meine Ex scharf auf einen ist.“ Seine Finger zitterten, als er seine Kleidung wieder richtete und die starrenden Blicke von einigen Gästen finster erwiderte, bis diese sich wieder abwandten. Dann erst fuhr er im Flüsterton fort: „Sie hat mir heute Morgen nach der Arbeit im Duschraum aufgelauert und sich auf ihre Art an mich herangemacht. Was aber wirklich der Gipfel dieses ganzen Scheißhaufens ist – sorry für die Wortwahl – ich hab sie geschlagen.“ Und das machte ihn so verdammt fertig, wie es diese Tatsache eben nur konnte. „Ich hab noch nie eine Frau geschlagen und ich dachte auch nicht, dass ich das überhaupt könnte.“ Auch wenn Alex es verdient hatte und sie dadurch sogar noch heißer geworden war, fühlte er sich so hundeelend, wie er aussah. Der Anblick von Adrians Hals schockierte Patrick. Aber das war nichts gegen die Worte, die er anschließend hörte. Man merkte ihm seine Verunsicherung bestimmt an, aber das würde Adrian verstehen müssen, immerhin war die Situation schwierig. Ein schwieriger Haufen Scheiße, wie er sich ausgedrückt hatte, stimmte ausnehmend. „Was will sie von dir?“ Mit einem Nicken in Richtung von Adrians Hals, machte er klar, dass er nicht Emily meinte. „Und die noch größere Frage: Wieso warst du mit so einem Biest zusammen? Ich hab ja gehört, dass Liebe blind macht, aber doch nicht völlig schmerzfrei.“ Von wegen schmerzfrei. Was sollte er bloß zu Adrians letztem Geständnis sagen? Patrick war gegen Gewalt. In jedem Fall. Vor allem gegen Frauen. Er sah seinen Freund forschend an und konnte einen missbilligenden Blick nicht ganz von seinen Zügen wischen. „Warum hast du sie geschlagen?“ Die Striemen an seinem Hals waren ein Grund, aber nicht genug. Adrian hätte die Frau sicher wegschieben können oder sich anders befreien. Immerhin war er kräftig und selbst Patrick war sich nicht sicher, wie ein Kampf zwischen ihnen ausgehen würde. Adrian konnte Patricks Blick verstehen, denn er bereute es selbst so sehr, Alex geschlagen zu haben, dass er sich lieber die Hand verbrannt hätte, als es noch einmal zu tun. Aber es war schwer zu erklären, warum er diese Erfahrung gemacht hatte, obwohl er es sicherlich niemals so gewollt hatte. „Das war keine Liebe. Zumindest ist mir das heute Nacht klar geworden.“, begann er langsam und wohl überlegt. „Ich war damals einfach dumm und trotz meiner hart erlernten Erfahrungen immer noch auf eine hirnlose Weise naiv. Ich dachte, sie akzeptiert mich so wie ich bin. Anfangs war sie auch unglaublich nett und sanft. Zumindest außerhalb des Schlafzimmers. Wenn wir weg waren, war sie ständig an meiner Seite. Immer wollte sie nur mit mir zusammen etwas unternehmen.“ Jetzt wusste er, dass sie ihn regelrecht vorgeführt hatte. Ihr neuer, gutaussehender Freund, der nur Augen für sie hatte. Was für ein Glücksfang! „Zu dieser Zeit hielt ich nichts von mir.“ Was sich heute nur leicht verbessert hatte. „Sie war jedoch für mich die Bestätigung, dass ich etwas wert bin. Dass ich in der Lage bin, eine richtige Beziehung zu führen, mit Sex ohne…“ –Geld, hätte er beinahe gesagt. Aber Patrick wusste ja nichts von Adrians Vergangenheit. Und irgendwie wollte er sie ihm auch nicht sagen. Dafür war es zu früh und vermutlich würde dieser Zeitpunkt auch nie kommen. „Sagen wir einfach, ohne Gegenleistungen.“ Zumindest versuchte er sich da raus zu reden. „Einfach nur ein Geben und Nehmen ohne Wenn und Aber. Sie war früher im Bett auch nicht so, wie sie sich heute gezeigt hatte. Okay, sie mochte es schon immer etwas härter, aber diese Forderungen sind nichts Neues für mich.“ Bei dem großen Kundenkreis, den er als Stricher abgedeckt hatte, waren ihre Spielchen noch unter Softporno zu verbuchen gewesen. Aber über die anderen Dinge dachte er noch nicht einmal mehr nach. Sie gehörten der Vergangenheit an. „Und natürlich hat sie mich auch immer mal wieder im Feuer der Lust gekratzt und leicht gebissen, aber heute hatte ich echt eine Scheißangst vor ihr. Ich meine, ich habe gerade geduscht und wollte mich abtrocknen, als sie plötzlich vor mir im Männerduschraum stand und mich mit diesem Blick ansah, als würde ich ihr gehören! Du musst wissen, ich habe sie vor ungefähr einem Jahr verlassen, weil sie nichts anderes von mir wollte als den guten Sex, den ich ihr geben konnte. Ich – mein Charakter, meine Gefühle und Wünsche – gehörten nicht zu diesem Körper, den sie so begehrte und heute hat sie mich noch dazu in einem Outfit gesehen, das nur aus Leder und Nieten bestand. Ich bin übrigens Stripper, wenn wir hier schon so offen miteinander reden.“ Fügte er noch zerknirscht hinzu, ehe er noch leiser fortfuhr. Das alles war ihm so unglaublich unangenehm. „Ich hasse es, wenn sie mich berührt. All die Wut und der Schmerz kommen dann wieder in mir hoch. Sie hat mir am Ende unserer Beziehungen Dinge an den Kopf geworfen, die ich bis heute noch nicht vollkommen verarbeitet habe. Sie jedoch, schien sich dessen gar nicht mehr bewusst gewesen zu sein, als sie mich einfach ansprang, mit der deutlichen Absicht, die Zeit der Trennung hinter sich zu lassen und gleich mit Versöhnungssex anzufangen.“ Das musste sich doch alles so verrückt anhören. Er selbst konnte kaum glauben, was er da sagte, dabei war er dabei gewesen! Einen Moment lang schwieg Adrian betroffen, versuchte seine wirren Gedanken zu ordnen und das eiskalte Gefühl zu verdrängen, als wieder die Bilder von heute Morgen hochkamen. „Ich habe versucht, sie von mir runter zu ziehen.“ Die Spuren auf seinem Rücken waren ein deutliches Zeichen ihrer Gegenwehr. „Sie wollte nicht los lassen, aber das war mir egal, ich drückte sie trotzdem unsanft weg. Dann hab ich ihren Blick gesehen.“ Eine Gänsehaut überzog seinen Körper, als er daran dachte, wie sehr sie ihn doch gewollt hatte. „Je mehr ich Widerstand leistete, umso mehr schien es sie anzumachen. Als sie dann noch einmal den Versuch startete, mich anzufassen, setzte irgendwas in mir aus. Ich fürchte mich eigentlich nicht mehr vor vielen Dingen, aber vor ihr hab ich eiskalte Panik bekommen. Ich weiß ja, dass das keine Ausrede ist und wenn ich könnte, ich würde es ungeschehen machen, aber ich kann’s nicht. Darum habe ich auch schleunigst meine Sachen geschnappt und bin abgehauen, als sie verlangte, ich solle sie noch mal schlagen. Das ist doch krank! Ich könnte nie jemandem mit Absicht wehtun…“ Dachte er zumindest. Adrians Blick war fest auf die verkrampften Hände in seinem Schoß gerichtet. Alles verschwamm ihm vor den brennenden Augen, bis ihm klar wurde, dass er kurz davor stand, einfach los zu heulen. Scheiße. Rasch blinzelte er die Feuchtigkeit weg, ehe noch jemand etwas davon mit bekam. Dennoch wagte er nicht, hoch zu sehen. Der Anblick von Patrick hätte den Damm wohl zum Brechen gebracht. Er versuchte wirklich ihn zu verstehen. Patrick hatte sich haltsuchend auf der Tischplatte abgestützt und betrachtete sein Handgelenk, ohne etwas zu sehen. Im Geiste versuchte er die Sachen zu ordnen, die Adrian ihm erzählte. Diese Exfreundin hatte ihn fertig gemacht am Ende der Beziehung. Hatte ihn verletzt. Wohl schon bevor sie sich endgültig getrennt hatten und war jetzt wieder aufgetaucht. Vielleicht nur zufällig, aber mit der Absicht sich wieder zu versöhnen. Oder zumindest Hardcoresex zu haben, was bei ihr vermutlich einer Versöhnung gleichkam. Sie hatte Adrian überrascht und ihn in die Enge getrieben. Patrick drehte mit den Fingerspitzen seiner rechten Hand an dem Ring herum, den er an der Linken trug und überlegte, was er sagen konnte. Er glaubte, dass es Adrian Leid tat, dass er sie geschlagen hatte. Bestimmt hatte sich der Rothaarige so etwas nie zugetraut. Patrick kannte ihn zwar noch nicht lange, aber als er sich an die Szene im Club erinnerte, als Adrian zusammen gezuckt war, weil er gedacht hatte, Patrick würde ihn schlagen wollen… Nein, er glaubte nicht, dass Adrian ein aggressiver Mensch war und er absichtlich eine Frau schlagen würde. Aber wie sehr musste sie ihn dann verletzt haben, dass er es trotzdem tat? Patrick sah hoch und erkannte sofort, dass Adrian nahe daran war, in Tränen auszubrechen. Das war Patrick selbst schon öfter in der Öffentlichkeit so gegangen und er wusste, dass Mann sich diese Blöße nicht geben wollte. Also widerstand er dem großen Drang, seinen Freund wieder in die Arme zu nehmen. Das hätte in diesem Moment mehr kaputt gemacht, als es verbessert hätte. Vielleicht sollte er erstmal gar nichts sagen, damit Adrian sich wieder ein wenig beruhigen konnte. „Wäre es dir lieber, wenn wir gehen?“ Er versuchte seine Stimme nicht zu sanft klingen zu lassen. Er wollte Adrian nicht bevormunden, aber vielleicht war es dem Anderen lieber, wenn sie das Café verließen. Auf die Rechnung kam es nicht an, das ließe sich bei der netten Bedienung sicher ohne Weiteres schnell erledigen. Aber Adrian rührte sich nicht, daher entschied sich Patrick nach einer Weile doch etwas zu sagen. „Ich kann es ehrlich gesagt weder nachvollziehen, noch verstehen. Ich kenne eure Geschichte nicht, aber wenn dich diese Frau zu so was veranlasst, dann solltest du dich vielleicht vor ihr schützen. Offiziell meine ich.“ Wie oft hatte man schon davon gehört, dass man ein Gerichtsurteil erwirken konnte, damit einem solche Menschen nicht zu nahe kamen. „Meinst du, dass sie weiß, wo du wohnst?“ Scheiße, was wenn diese Person irgendwann bei den beiden in der Wohnung auftauchte? Das wäre sicher nicht die beste Art und Weise gewesen Emily doch noch zu sagen, dass Adrian nicht schwul war. „Wenn – und ich sage absichtlich nicht ‚falls’ – Emily erfährt, dass du erstens nicht schwul und zweitens in sie verliebt bist, dann sicher nicht von deiner durchgeknallten Ex. Am Ende passiert noch was.“ Wer wusste schon, was dieser Frau alles zuzutrauen war. Er wollte ja hier nicht den Teufel an die Wand malen, aber wenn sie wirklich davon ausging, dass Adrian ihr auf irgendeine Art und Weise gehörte, dann könnte sie eventuell auf Emily losgehen, bloß weil die beiden zusammen wohnten. Egal ob nun etwas zwischen ihnen war oder nicht. Da er nicht in der Lage war, zu sprechen, ohne undicht zu werden, schwieg Adrian vorsichtshalber, obwohl er Patrick gerne geantwortet hätte. Dafür hatte er die Gelegenheit, sich das Gesagte noch einmal gründlich durch den Kopf gehen zu lassen, während er sich beruhigte. Auch wenn das alles nicht so einfach war und er nicht wusste, wo er anfangen sollte, so war doch klar, dass er etwas tun musste. Patrick hatte Recht. Er musste Emily sagen, dass er nicht schwul war. Alles darüber hinaus, konnte und durfte er verheimlichen, denn das waren seine eigenen Gefühle. Zuerst musste das mit dieser Lüge geklärt werden, danach konnte er immer noch weiter sehen, ob er eine Chance hatte. Denn auch wenn Emily ihn nicht rausschmeißen sollte, so würde das doch sicherlich schwierig werden. Zwar hatte er sie nie direkt angelogen, aber dennoch kam es einer Lüge gleich. Dafür musste er endlich die Verantwortung übernehmen. Also war das der erste Punkt, den er angehen würde. Zwar hatte Adrian Bammel davor, Emily die Wahrheit zu sagen, der Gedanke war dennoch auch irgendwie eine Erleichterung. Er müsste sich in diesem einen Punkt nicht mehr verstellen, was es ihm leichter machte, er selbst zu sein, mit all den Macken und Fehlern die er hatte. Alex war das nächste Problem. Auch wenn sie nicht wirklich ein Problem sein sollte. Adrian kannte sie zumindest so gut, dass er glaubte, bei einer richtigen Abfuhr, würde sie endlich locker lassen. Bisher hatte sie ihn immer nur als ein widerwilliges Spielzeug gesehen, das man führen musste. Wenn sie in ihm auch einmal eine eigenständige Person mit starkem Charakter sehen würde, könnte ihr endlich einmal ein Licht aufgehen. Allerdings würde das noch etwas dauern. Erst einmal, musste er all den Mist überwinden, mit dem sie ihn so verletzt hatte. Tyson wäre ihm dabei sicher eine große Hilfe. Dem Kerl konnte er einfach alles erzählen. Wer weiß, vielleicht konnte sein bester Freund ihm auch noch mehr helfen, als nur zuzuhören. Der Kerl hatte so viel Selbstvertrauen, das würde selbst bei Alexandra nicht abprallen. Eine Weile überlegte er sich, ob er noch weiter auf das Thema Emily eingehen sollte. Patrick war felsenfest davon überzeugt, dass sie ihren Mitbewohner nicht auf die Straße setzen würde. Auch nicht, wenn er nicht vom anderen Ufer war. Immerhin verstanden sie sich gut und er hatte nie versucht, sich ihr zu nähern. Wenn er ihr allerdings gestand, dass er sie anziehend fand, dann konnte sie natürlich auf alle möglichen Arten reagieren. Dass sie ihm einfach mit den gleichen Gefühlen um den Hals fallen würde, war unwahrscheinlich. Dafür würde Adrian etwas tun müssen. Aber das konnte er nicht, solange sie nicht wusste, dass er hetero war. Patrick seufzte schwer unter der Last dieser Probleme, die ja noch nicht einmal seine eigenen waren. Er wusste nicht, was er seinem Freund raten sollte, außer einer Sache. „Sag Emily, dass du nicht schwul bist. Sie wird dich unter Garantie deswegen nicht rausschmeißen. Aber solange du ihr was vorlügst, wird die Sachen nur schlimmer werden.“ Am liebsten hätte er ‚bitte’ gesagt. Um Adrians Willen. „Okay. Aber vorher lass uns joggen gehen. Das pustet mir das Gehirn frei.“, verkündete Adrian nun entschlossen und winkte seine neue Lieblingskellnerin herbei, um zu bezahlen. Dazu noch ein fettes Trinkgeld. Bevor sie etwas dagegen einwenden konnte, hatte Adrian Patrick auch schon geschnappt und zur Männertoilette gezogen. „Ich werde es ihr sagen und danke fürs Zuhören.“ Sein Lächeln war nun schon überzeugender, als er in eine der Kabinen verschwand, um sich die Sportsachen anzuziehen. Jetzt, da er so etwas wie einen Plan, oder zumindest eine geordnete Struktur seiner Probleme hatte, erschien ihm das alles nicht mehr so erdrückend. Klar, das waren noch immer ganz schön schwere Brocken, aber es half nichts, ständig nur zu jammern. Als er sich damals für den Entzug entschieden hatte, bekam sein Leben plötzlich wieder einen Sinn und als er es dann auch noch durchzog, war da eine Weile dieses Gefühl, alles schaffen zu können, wenn er es nur stark genug wollte. Jetzt war er wieder an so einem Punkt. Er wollte sein Leben ändern und verdammt, er würde es auch tun, so hart es auch werden würde! *** Sie waren verbissen und schweigend ein paar Runden gelaufen. Patrick stand der Schweiß auf der Stirn und er war sicher, dass Adrian ihn und sich selbst in Grund und Boden rennen würde, wenn sie nicht bald damit aufhörten. Sein Freund zog seine Energie wohl aus all der Wut, die er im Bauch hatte. Da würde er bestimmt noch einen Weile laufen können, bevor sie ausbrannte. Aber dann würde Patrick bestimmt schon irgendwo völlig fertig am Boden liegen und nach Luft ringen, dem Herzinfarkt nahe. „Hey… Adrian.“ Bereits jetzt konnte er das Blut in seinen Adern rauschen hören und er beugte sich nach vorn, wobei er ein paar Schweißperlen auf dem Boden aufkommen sah. Er schluckte hart und leckte sich über die trockenen Lippen. „Ich geb’ auf. Was immer der Einsatz war, du hast gewonnen.“ Als er sich wieder gerade hinstellte, tanzten Lichtpunkte vor seinen Augen und ihm wurde leicht schwindelig. Nach dieser leichten Überanstrengung wollte er bloß nach Hause und unter die Dusche, was er Adrian auch sagte. „Und noch was…“ Als er seinen Bus bereits um die Ecke biegen sah, drückte er Adrian, der genauso verschwitzt war wie er selbst, noch einmal an sich. „Wenn was ist, dann ruf an. Jederzeit.“ Er sah ihm in die Augen und hoffte, dass seine Augen ausstrahlten, dass er es bitter ernst meinte. „Ehrlich, ich bin da.“ Adrians Beine brannten mindestens genauso sehr wie seine Lungen, doch er hätte noch einige Kilometer mehr laufen können. Er war einfach nicht zu stoppen, oder zumindest brauchte er die richtigen Gründe dafür und der erschöpfte Patrick war wirklich ein triftiger Grund. Also hielt er an und verschnaufte erst einmal. „Gut, also dann schuldest du mir einen weiteren Abend im El Muerte. Du musst mir unbedingt das Geheimnis deines Hüftschwungs zeigen.“ Während er Patrick kurz stützte, damit der ihm nicht einfach umfiel, musste er lächeln. Jetzt war er schon wieder relativ gut drauf und das hatte er alles nur diesem Kerl zu verdanken. Hetero zu sein war manchmal wirklich ein Fluch. Wie viel einfacher hätte er es, wenn er mit Patrick zusammen sein könnte. So richtig als Paar. Das wäre vielleicht eine Party und so einfühlsam wie der andere sein konnte, wäre es nicht nur das. Adrian umarmte ihn daher herzlich, als Patricks Bus kam. „Ich verspreche dir, ich werde mich melden, wenn’s Probleme gibt. Du hast mir heute unglaublich geholfen. Eigentlich schulde ich dir was. Was auch immer es ist, sag mir was du willst und ich tu’s. Ehrenwort.“ Er umfasste den anderen beim Nacken und legte seine Stirn an die von Patrick, um ihm tief in die Augen sehen zu können. „Sag mir einfach Bescheid, wenn du einen Wunsch hast.“ Sanft lächelte er ihn an, gab ihm dann einen freundschaftlichen Klaps auf den Hintern, der den anderen auf den Bus zu trieb. Adrian winkte Patrick hinterher, bis der Bus nicht mehr zu sehen war. Danach machte er sich endlich auf den Nachhauseweg. Es war schon später Nachmittag. In ein paar Stunden musste er wieder zur Arbeit. Eine Dusche und noch etwas Schlaf waren jetzt von absoluter Dringlichkeit. *** Emily saß immer noch über ihrem Buch und trank die inzwischen dritte Portion Tee aus ihrer gestreiften Lieblingstasse. Das Buch war gut, würde sie aber nicht über den restlichen Nachmittag bringen. Noch zwanzig Seiten, dann würde sich die Geschichte aufklären und das Mädchen würde herausfinden, ob ihr Vater ein Gargoyle war oder nicht. Kurz bevor Emily sich vor Spannung die Unterlippe aufbiss, klingelte das Telefon, was ihr ein unzufriedenes Grummeln entlockte. Allerdings ließ das Erkennen der Stimme am anderen Ende der Leitung sie sogar begeistert aufspringen. Wahrscheinlich war ihr Quietschen sogar im Hausflur zu hören. „Greeeeg!!!“ „Hey Baby! Wie geht’s dir?“ Sie hörte das Lachen durch die leicht knackende Leitung und konnte nicht anders, als sich anzuschließen. „Mir geht’s gut, aber wen interessiert das? Wie geht’s dir? Was machst du? Wo bist du?“ Ein begeistertes Kichern. „Mir geht’s super. Und ich halte mir gleich mal den Hörer vom Ohr weg, wenn ich dir sage, wo ich in zwei Tagen sein werde...“ Er hatte gut daran getan, das Telefon zu entfernen. Emily konnte einen Jubelschrei nicht unterdrücken und führte sogar einen kleinen Freudentanz auf. „Das ist fantastisch! Soll ich dich vom Flughafen abholen? Wann genau kommst du an?“ „Beruhig dich, Schwesterchen. Ich hab’ vorhin mit Mona telefoniert. Sie und Mario kommen mich abholen. Du musst doch arbeiten, nehme ich an.“ „Ich hätte dich trotzdem abgeholt.“ „Das weiß ich, aber Mona hat sowieso frei. Aber bevor du jetzt eingeschnappt bist…“ Emily wollte gerade protestieren, als Greg einfach darüber hinweg redete. Das Grinsen in ihrem Gesicht wurde um keinen Deut kleiner. „Ich will euch beide am Dienstag unbedingt sehen. Wir wollen ins Nihon.“ "Oh Greg, Karaoke?“ „Aber klar, wir können uns doch nach so langer Zeit nicht ohne eine deftige Blamage wieder sehen.“ Wieder war sein Lachen anstecken und Emily hätte sogar zugestimmt, wenn ihr Bruder vorgeschlagen hätte, zum Paintball zu gehen. „Ok. Ich bin dabei. Wann und wo?“ „Wir treffen uns Dienstagabend um sieben dort, dann können wir noch was essen, ein paar anderen Leuten zuhören und uns genug Mut antrinken. Außerdem ist Mittwoch Feiertag, stimmt’s?“ Daran hatte Emily gar nicht mehr gedacht, aber natürlich hatte Greg Recht. Das hieß, dass der Abend ohne Bedenken lang werden konnte. Genau das Richtige. Sie freute sich schon jetzt wahnsinnig darauf, ihren Bruder wieder zu sehen. “Super, ich kann’s kaum abwarten.“ „Ja, geht mir genauso. Und Em…“ „Hmm?“ „Mona bringt Mario mit und meinte, dass dein neuer Mitbewohner ganz nett ist. Wenn du auch noch jemand anderen weißt, schnapp dir deine Jungs und kommt einfach ins Nihon. Bei mehr Leuten müssen wir anteilsmäßig weniger singen.“ Sie konnte sein Zwinkern selbst über die tausende von Kilometern hinweg beinahe hören. “Mach ich, versprochen. Wenn meine Jungs Zeit haben.“ Sie verabschiedeten sich kurze Zeit später sehr herzlich, da Greg das Geld für die Telefonzelle langsam ausging und er noch ihre Mutter anrufen wollte. Nachdem sie aufgelegt hatte, konnte Emily sich gar nicht mehr beruhigen. Sie hüpfte noch ein wenig albern im Wohnzimmer herum, bevor ihr das sogar vor den Fischen peinlich wurde. Sie wollte es jemandem erzählen. Wo war Adrian bloß? Es war bereits nachmittags und er war immer noch unterwegs. Emily hoffte, dass er und vielleicht auch Patrick Zeit haben würden am Dienstag mit in die Karaokebar zu kommen. Ihr fiel der Ausdruck ‚meine Jungs’ wieder ein und sie musste laut lachen. Da er sicher war, dass Emily inzwischen nach Hause gekommen war, musste er sich wegen dem Abend auch keine Sorgen machen. Er hatte zwar vor, ihr bald die Wahrheit zu sagen, aber im Augenblick war er zu erschöpft und zu verschwitzt, um auch nur irgendetwas anständig erklären zu können. Also verschob er sein Vorhaben erst einmal. „Hi, bin wieder da!“, begrüßte er mit so fröhlicher Stimme, wie er nur konnte, ehe er auch schon ins Badezimmer verschwand. Dort zog er sich nackt aus und betrachtete ungläubig seinen Körper. Er sah aus, als hätte ihn eine Furie angefallen. Sein Rücken wies deutliche Spuren von Fingernägeln auf, die sich von seiner Wirbelsäule bis zu seiner Seite hervor zogen und rot leuchteten. Die Kratzspuren auf seiner Vorderseite waren unwillkürlicher und weit nicht so tief, dennoch deutlich. Eine zog sich sogar von der Stelle neben seinem Bauchnabel hinab bis zu seinem… „Dieses Miststück!“, entkam es ihm leise, als er seine Lenden betrachte. Er konnte von Glück reden, dass sie es genau darauf abgesehen hatte. Wäre es anders gewesen, hätte sie ihn vielleicht kastriert! Gut, dass er die Kratzer unter einem einfachen T-Shirt verbergen konnte, aber selbst ein Rollkragenpulli hätte die Knutschflecke an seinem Hals nicht verbergen können. Dafür gingen sie zu weit nach oben. Außerdem hatte er keinen Rollkragenpulli. Zwar brannten die Spuren von Alex auf seiner Haut, als heißes Wasser darauf traf, aber er genoss es dennoch unendlich, wieder frisch gewaschen zu sein. Es war, als spülte das klare Wasser all die schlimmen Emotionen von ihm ab, bis er sich seltsam leicht fühlte. Patrick hatte ihm wirklich geholfen, mehr noch, als er jetzt erfassen konnte. Er hatte endlich seine Ausrichtung wieder gefunden und somit war die Angst vor dem Ungewissen gemildert. Die Sorgen waren nicht mehr so groß, da er wusste, wie er sie angehen konnte. Besser hätte es wohl auch kein Therapeut hinbekommen. Nachdem er sauber war, zog er sich seine Hose und das Hemd wieder an, da er keine anderen Sachen mitgenommen hatte. Vielleicht wollte Emily auch gar nicht wirklich mit ihm reden, außer das Übliche eben, wenn man sich nach einer Zeit der Abwesenheit wieder sah. Dann könnte er gleich ins Bett gehen und versuchen zu schlafen. Mit den schmutzigen Sportsachen in der Hand, verließ er das Bad und steuerte sein Zimmer an. Emily war halb aufgesprungen, als sie Adrian im Flur hörte, aber er war so schnell ins Bad abgebogen, dass sie ihm nur ein ‚Hallo’ zurufen konnte. Solange sie das Rauschen der Dusche hörte, saß sie auf der Kante des Sofas und tippte nervös mit dem Fuß auf und ab. Sie wollte es ihm unbedingt sagen. Greg würde zu Besuch kommen! Natürlich kannte Adrian Emilys Bruder gar nicht, aber sie erinnerte sich, dass sie ihn schon einmal erwähnt hatte, zusammen mit der Tatsache, dass er in Südamerika arbeitete und selten im Lande, geschweige denn in der Stadt war. Und jetzt würde er vorbei kommen und sie würden sich wieder sehen! Sie war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Daher hielt sie es kaum aus, sitzen zu bleiben, während sie auf jedes Geräusch aus dem Badezimmer lauschte. Irgendwann hörte sie das erlösende Klicken der Klinke und Adrians Schritte auf dem Flur. Allerdings wollte sie ihn nicht im Handtuch abfangen und krallte sich mit viel Überwindung noch am Sofa fest. Sie wollte ihm zehn Minuten geben, damit er sich fertig abtrocknen und anziehen konnte, bevor sie zu seinem Zimmer ging. Sie schaffte es keine fünf Minuten länger im Wohnzimmer zu bleiben, sondern sprang wie eine Feder unter Hochspannung auf und lief leise über den Flur bis zu Adrians Zimmertür, die geschlossen war. Emily kam sich leicht bescheuert vor, als sie ihr Ohr an das Holz drückte, um hören zu können, was drinnen vor sich ging. Natürlich hätte sie die Geräusche nie zuordnen können, wenn er sich tatsächlich nur anzog. Aber andere Geräusche hätte sie erkannt, die sie eventuell dazu veranlasst hätten, nicht zu klopfen. Allerdings nur eventuell. Mit einem mehr als breiten und freudigen Grinsen auf dem Gesicht klopfte sie leise an. „Adrian? Hast du kurz Zeit?“ Jetzt hörte sie, wie er sich drinnen bewegte und die Schranktür ein wenig quietschte. Kaum dass er alleine war, zog er sich die Sachen aus, und öffnete den Kleiderschrank. Die Schmutzwäsche stopfte er in den Wäschekorb. Danach holte er sich eine frische Boxer und zog sie über. Der Anblick seines Bettes war wahnsinnig verführerisch, doch noch ehe er darauf zusteuern konnte, klopfte es an seiner Tür. Fast hätte er aufgemacht, doch ein Blick in seinen Spiegel ließ ihn schnell zu seinem Kleiderschrank flitzen, um sich ein weites Shirt anzuziehen. Gegen seinen Hals konnte er leider nicht viel machen, darum schnappte er sich ein Handtuch, rubbelte damit noch einmal über seine feuchten Haare und hing es sich dann so um den Nacken, dass es wenigstens den Großteil der Blutergüsse verdeckte. Vielleicht fiel es Emily gar nicht auf, wenn er Glück hatte. Gleich morgen würde er sich einen Rollkragenpulli kaufen gehen, wenn sie in der Arbeit war. Schließlich öffnete er die Tür. „Hi, Emily. Für dich doch immer. Komm doch rein.“ Sein Lächeln saß richtig und seine Augen verrieten auch nichts davon, dass ihm sein Herz in den Magen gerutscht war, kaum dass er sie gesehen hatte. Er trat zur Seite und ließ sie herein, während er den Kleiderschrank wieder schloss und sich dann im Schneidersitz auf sein Bett setzte. „Hey!“ Sie konnte sich weder setzen, noch ruhig stehen bleiben. Ohne ihn zu fragen, wie sein Tag gewesen war oder wie es ihm ging, fing sie unverzüglich an zu plappern. Dabei zupfte sie an den Ärmeln ihres Pullis herum und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Ich saß vorhin auf der Couch und hab gelesen. Eigentlich wollte ich gar nicht ans Telefon gehen, als es geklingelt hat, weil das Buch so spannend war. Aber dann bin ich doch hin und ich bin ja so froh, dass ich’s gemacht habe.“ Sie sah ihn an und hätte beinahe losgelacht vor Freude. „Mein Bruder Greg kommt zu Besuch. Ich hab dir doch von ihm erzählt. Er kommt für ein paar Wochen aus Südamerika. Allerdings wird er nicht lange in der Stadt sein, weil er beruflich was zu tun hat. Aber für ein paar Tage ist er hier. Ab Morgen.“ Der Bequemlichkeit halber wollte sie sich irgendwo anlehnen, aber außer dem Türrahmen sprang ihr nichts ins Auge, weswegen sie sich doch für die Couch entschied, sich aber nur auf die hohe Armlehne setzte. „Na ja und weil wir uns nicht so oft sehen, wollen Greg, Mona, Mario und ich zusammen weg gehen. Zum Karaoke singen, weil das so eine Art seltsamer Tradition bei uns ist. Wir gehen ins Nihon, essen eine Kleinigkeit, trinken was und zwingen uns dann gegenseitig irgendwelche alten Schmachtfetzen zu singen.“ Ihre dunklen Augen legten sich auf Adrians Gesicht. Er sah sie ein wenig irritiert an. „Oh, warum ich dir das erzähle? Mona hat… Ach, egal.“ Mit einer flinken Geste wischte sie die komplizierten Verhältnisse dessen, wer wem von wem erzählt hatte beiseite. „Hast du Lust mitzukommen?“ Sie sah hoffnungsvoll in seine eisblauen Augen, über denen nasse Strähnen seines roten Haars hingen. „Am Mittwoch ist Feiertag, das heißt wir hätten abends genug Zeit…“ Erst jetzt fiel ihr etwas ein, das die Hoffnung schwinden ließ, dass Adrian zu der kleinen Party mitkommen würde. „Oder musst du arbeiten?“ Das konnte vielleicht sein. Das Shadow plante unter Umständen etwas Spezielles, da bestimmt viele Gäste zu erwarten waren, wenn man am nächsten Tag nicht arbeiten gehen musste. Und so wie Emily das verstanden hatte, war Adrian ja jetzt zumindest am Wochenende die Hauptattraktion. „Natürlich nur, wenn du Zeit und Lust hast. Du musst nicht mitkommen, wenn dir das zu blöd ist.“ Um ihm das Ganze vielleicht ein wenig schmackhafter zu machen, fügte sie ein wenig schelmisch hinzu: „Ich hatte auch vor, Patrick zu fragen, ob er mitkommt.“ Er gab es wirklich nur ungern zu, aber so sehr wie eben, hatte Emily ihn noch nie mit Worten erschlagen. Oder war es ihre beängstigend glückliche Ausstrahlung, die ihn fast von den Socken haute? Konnte man denn wirklich so glücklich sein, wie sie es im Augenblick zu sein schien? Man konnte schon fast das Bedürfnis nach einer Sonnenbrille bekommen, jedes Mal wenn man sie ansah, da sie so sehr zu strahlen schien. Das verwirrte Adrian nicht nur, sondern brachte ihn sogar vollkommen aus dem Konzept. Wenn er wirklich zu diesem Treffen mitkommen würde, was er wirklich gerne täte, dann konnte er ihr unmöglich bis dorthin sagen, dass er nicht für die andere Mannschaft spielte, sondern in Wahrheit in ihrem Team mitmischte. Zwar war es wirklich beschämend, dass er diese Erleichterung empfand, noch etwas Aufschub bekommen zu haben, aber da er sowieso nichts dagegen machen konnte, lächelte er ein bisschen unsicher, nahm eine Ecke des Handtuchs und rubbelte sich noch einmal nachdenklich durch die Haare. „So weit ich weiß, bin ich für diese Woche nicht eingeteilt und da ich meinem Boss das letzte Mal schon gesagt habe, dass er mir Änderungen des Plans gefälligst früher sagen soll, glaube ich auch nicht, dass er mich noch einmal in letzter Minute einschiebt. Aber ich werde ihm heute Abend einfach noch mal sagen, dass ich da frei haben will, dann wird das schon gehen.“ Wenn auch noch Patrick mit sollte, würde er sich wesentlich wohler fühlen. Zwar kannte er Mona schon, aber ansonsten waren das doch Fremde für ihn. So konnte er sich im Notfall immer noch an seinen Freund halten. „Also klar, wenn Patrick auch mitkommt, bin ich auf alle Fälle dabei. Es freut mich, dass du deinen Bruder wieder sehen kannst. Ich bin schon gespannt, wie er so ist.“ Sein Lächeln wurde breiter, auch wenn er Emily kaum ansehen konnte, die jetzt auf der Lehne seiner Couch saß. „Gibt’s vielleicht etwas, dass ich bei so einem Treffen berücksichtigen sollte? Ich will schließlich niemanden auf den Schlips treten, wenn du verstehst was ich meine. Fettnäpfchen sind nicht so mein Ding, aber das heißt noch lange nicht, dass ich ihnen immer ausweichen kann.“ Vor allem dann nicht, wenn er nervös wurde und schon jetzt bekam er ein Flattern im Bauch, wenn er nur daran dachte. Also gut, er würde mitkommen, wenn sie Patrick überreden konnte. Irgendwie versetzte es ihr einen kleinen Stich, dass Adrian nicht allein für sie an der Party teilnehmen wollte. Ihr Bruder war Emilys Meinung nach jemand, den man kennen lernen musste und er würde sich mit Adrian sicher genauso gut verstehen, wie mit Patrick. Deshalb war sie fast ein wenig enttäuscht, dass ihr Mitbewohner nicht mit Begeisterung reagierte. Erst als er nach einer Art Benimmregeln fragte, ging ihr ein kleines Licht auf. Natürlich. Er kannte ihre Familie nicht. Mona hatte er nur einmal gesehen und Greg war ein völlig Unbekannter. Wahrscheinlich hätte Emily sich selbst auch unwohl gefühlt, bei dem Gedanken mit Adrians Familie auf irgendeine Party zu gehen. „Oh nein, zu beachten gibt es nichts. Greg ist ein vollkommen unkomplizierter Kerl. Du musst ihn dir ein wenig so vorstellen wie Monas und meine albernen Züge in einen Mann verpackt. Allerdings wäre es vielleicht besser, ihn nicht auf Insekten anzusprechen, wenn du dir keinen zweistündigen Vortrag anhören willst.“ Sie grinste ihn breit an. Andere Fettnäpfchen fielen ihr nicht ein. Adrian konnte sich vor Mona und Greg sicher nicht daneben benehmen. Eher andersherum. „Ich habe ja eher Sorge, dass du Mona und mir danach nie wieder zusammen begegnen willst. Unsere Duette sind gefürchtet!“ Genauso wie ein bestimmtes Lied, das sie jedes Mal mit Greg gesungen hatte. Vielleicht konnte sie das an diesem Abend verhindern, aber sie glaubte nicht wirklich daran. Wenn schon Schmonzette, dann aber richtig. Gut zu wissen, welches Thema er am besten nicht ansprach und dass er ansonsten nicht viel zu befürchten hatte. Das Bisschen Singerei würde er schon aushalten. „Wie war eigentlich dein Abend?“, platzte er plötzlich heraus, ehe der Gedanke überhaupt in seinem Hirn angekommen war. Sofort hielt er mit seiner Hand inne, mit denen er jetzt schon eine ganze Weile seine Haare rubbelte. Ertappt ließ er das Handtuch los und starrte die Satinbettwäsche im Asiastil an. „Ich meine, nur wenn es was zu erzählen gibt. Du warst so bezaubernd anzusehen in diesem kleinen Schwarzen, da muss es schon etwas Gehobeneres gewesen sein.“ Verdammt, wenn man schon von Fettnäpfchen sprach! „Da fällt mir ein, ich hab vergessen, die Fische zu füttern.“ Etwas ungelenkig kam er wieder auf die Beine und ging ins Wohnzimmer, griff nach der runden Fischfutterdose, öffnete die Abdeckung des Aquariums und ließ ein paar Flocken auf die Oberfläche rieseln, auf die sich die Fische gierig stürzten. Emily war total irritiert, als Adrian ihr Fragen nach dem Verlauf ihres Abends stellte und fast postwendend sein Zimmer verließ, um sie allein dort sitzen zu lassen. Hielten es die Fische keine zwei Minuten länger aus? Sie lief ihm hinterher ins Wohnzimmer und antwortete wahrheitsgemäß, auch wenn sie tatsächlich das Gefühl hatte, als wäre Adrian an einem Bericht überhaupt nicht interessiert. Schon wieder kam sie sich so vor, als hätte sie etwas Falsches gesagt oder getan. Warum war das so oft so? Emily konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es an ihr lag, wenn Adrians Stimmung so oft zum Schlechteren umschlug. Enttäuscht wollte sie nicht daran glauben, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu der Party einzuladen. Wenn er wirklich keine Lust hatte, würde er bestimmt kurzfristig absagen. Emily war kurz in der Wohnzimmertür stehen geblieben und sah Adrian dabei zu, wie er den Fischen etwas Futter ins Aquarium schüttete. In dem Licht, das aus der Klappe der Abdeckung auf ihn fiel, bildete sie sich ein, Blutergüsse auf seinem Hals zu sehen. Aber da ihr das vorher gar nicht aufgefallen war, schob sie den Gedanken zur Seite. Wahrscheinlich nur Einbildung oder ein seltsamer Schatten, den die Neonröhre warf. Sie schnappte sich ihr Buch vom Couchtisch und hielt es sich wie einen winzigen Schutzschild in ihren verschränkten Armen vor die Brust. Krampfhaft versuchte sie den Namen Richard nicht zu erwähnen, solange Adrian sie nicht direkt danach fragte. „Es war ein netter Abend. Ich war auf einer Vernissage mit Objekten aus Glas. Es hat mir gut gefallen. Allerdings war nicht viel los.“ Mehr sagte sie dazu nicht, sondern sah sich Adrians Rücken an. Es machte ihr fast Sorgen, dass sie immer das Bedürfnis hatte, ihn aufzumuntern. In der Gegenwart Anderer schien er viel gelöster und vor allem war das nicht von Anfang an so gewesen. Bei ihrem DVD-Abend hatte er ihr gegenüber noch so gewirkt, wie bei jedem Anderen. Aber seit ein paar Tagen schien ihr Verhältnis sich irgendwie geändert zu haben. Das machte Emily irgendwie traurig. „Ok, dann rufe ich Patrick an und sag dir dann Bescheid, ob er mitkommt…“ Beinahe hätte sie ihm angeboten, dass er auch jetzt noch sagen konnte, dass er nicht mitwollte. Dann hätte sie sich den Anruf gespart. Er wusste, dass sie ihn ansah, darum schloss er so ruhig er konnte, die Box mit dem Fischfutter und danach den Deckel des Aquariums, obwohl seine Finger heftig zitterten. Daran war garantiert auch seine starke Übermüdung schuld. Zumindest hoffte er das. Als er sich zu den Fischen hinab beugte, um sie beim Fressen zu beobachten, biss er sich heftig auf die Unterlippe. Irgendeine Bewegung seiner Haut, führte gerade zu einem heftigen Ziehen an seinem Rücken. Definitiv waren daran die Kratzer schuld. Also richtete er sich langsam wieder auf, so dass er den Schmerz der Bewegung so richtig auskosten durfte, bis er wieder nachließ. Einen Moment lang schloss er die Augen, um sich zu sammeln, ehe er sich zu Emily umdrehte und sie zum ersten Mal an diesem Tag richtig ansah. Sie hielt ihr Buch vor der Brust umklammert, was er äußerst seltsam fand. Was beunruhigte sie so sehr, dass sie eine Abwehrhaltung einnahm? Hatte er etwas falsch gemacht? Okay, er sah sicher beschissen aus, aber wenn sie seinen malträtierten Hals bemerkt hätte, hätte sie doch sicher etwas gesagt. Also war er sicher nicht so dumm, um es selbst zu erwähnen. Immerhin war die Stimmung schon seltsam genug. Das konnten vermutlich sogar die Fische spüren. Außerdem, was konnte er großartig zu ihrem Bericht sagen, da sie Richard nicht erwähnt hatte und er somit noch immer nicht sicher wusste, mit wem sie weggegangen war. Darum schwieg er auch darüber. Glasobjekte waren sicherlich interessant anzusehen, aber darüber zu sprechen, noch dazu, wo man nicht selbst dabei war, kam ihm etwas dämlich vor. Seltsamerweise musste er dabei an den Anhänger denken, den sie gestern um den Hals getragen hatte. Das Glas mit dem kleinen Wirbel darin. Seltsam, sie waren erst gestern im Schwimmbad und in der Sauna gewesen. Warum kam es ihm dann wie ein halbes Leben vor? Das war doch einfach nicht möglich. Leicht irritiert über sein gestörtes Zeitgefühl rieb er sich den schmerzenden Nacken. Er gehörte dringend ins Bett. „Wenn du nichts dagegen hast, würde ich Patrick gerne selbst fragen. Ich war heute mit ihm den ganzen Tag unterwegs und könnte mich dadurch gleich versichern, ob er gut nach Hause gekommen ist. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er ja sagen wird. Er ist ein prima Kerl, mit dem man viel Spaß haben kann.“ Das brachte ihn zum Lächeln. „Klar, dann mach das. Sag Patrick aber liebe Grüße von mir, ja?“ Eigentlich hätte Emily gern selbst mit dem Verkäufer gesprochen. Als sie ihn am Freitag in die Arbeit gefahren hatte, wurden Handynummern ausgetauscht und Emily hoffte sehr, Patrick auf der Party am Dienstag wieder zu sehen. Er war ein netter, lustiger Kerl und sie sprach gern mit ihm. Aber sie konnte durchaus nachvollziehen, dass die beiden Männer mehr Gemeinsamkeiten hatten und leichter Gesprächsstoff fanden. Immerhin lächelte Adrian wieder, als er über ihren Freund sprach. Das hob auch Emilys Stimmung wieder an und sie gab ihre seltsame Haltung auf, indem sie das Buch sinken ließ. „Ich sollte dich vielleicht vorwarnen. Ich weiß zwar, was Karaoke ist, war aber noch nie dabei. Hoffentlich treibe ich nicht alle mit meinem Gesang in die Flucht. Ansonsten scheut euch nicht, mich zum Schweigen zu bringen.“ Jetzt musste er grinsen, bei dem Gedanken, wie ihm jemand seine eigene Socke in den Mund stopfte, nur damit er mit dem Gejaule aufhörte. Dabei wusste er, dass er nicht schlecht sang. Zumindest konnte er die Töne richtig treffen, wenn er das Lied kannte. Dank seiner Mutter hatte er sich nämlich eine Zeit lang mit einem Gesangslehrer abquälen müssen, bis sein Vater ihn davor rettete, damit sein Sohn am Ende nicht noch verweichlichte. Ha, wenn der wüsste! „Oh, das ist ok.“, winkte sie leichtfertig ab. „So schnell schlägt man die Grayson-Familie nicht in die Flucht. Außerdem wollen wir nur Spaß haben und keinen Musikpreis gewinnen.“, fügte sie mit einem schiefen Grinsen hinzu. Ein heftiges Gähnen schüttelte Adrian und er schlug sich gerade noch rechtzeitig die Hand vor den Mund, damit Emily nicht gleich sehen konnte, was er gegessen hatte. Danach rieb er sich weiter den steifen Nacken, als wenn das etwas bringen würde. Immerhin lag das nicht an einer Verspannung, obwohl er davon sicher auch schon genug in letzter Zeit bekommen haben dürfte. „Tut mir leid, wenn ich heute etwas neben der Spur bin.“, meinte er entschuldigend. Bestimmt sah sogar eine tote Schnecke neben ihm noch energiegeladener aus, als er. „Ich hab nicht geschlafen und muss erst meine Batterien wieder aufladen. Aber bis zum Karaokeabend bin ich wieder fit. Das verspreche ich dir.“ „Du hast noch gar nicht geschlafen?“ Sofort schlug ihre Stimmung wieder um und sie sah ihn besorgt an. Er war tatsächlich außergewöhnlich blass und hatte Ringe unter den Augen. Außerdem wurde sie den Eindruck nicht los, dass ihm irgendetwas passiert war. Sie konnte Ansätze von blauen Flecken an seinem Hals unter seinen Haaren heraus schimmern sehen. Hatte es vielleicht eine Schlägerei im Shadow gegeben? Zumindest schien er stabil auf den Beinen zu sein und Emily wollte nicht zu neugierig wirken. Allerdings hätte sie ihn am liebsten eigenhändig ins Bett gesteckt und ihm die Decke bis zum Kinn hochgezogen. „Dann werde ich dich nicht mehr aufhalten.“ Sie ging ihm aus dem Weg und sah ihm hinterher, wie er in sein Zimmer schlurfte. Ein breites Grinsen zog sich wieder über ihr Gesicht, als sie an Dienstag dachte. Greg würde zu Besuch kommen! Sie konnte es wirklich kaum erwarten. Kapitel 19: 19. Kapitel ----------------------- Emily stand bereits summend und mit schwingenden Hüften unter der Dusche, während im Wohnzimmer eine Musiksendung im Fernsehen lief. Es war endlich Dienstagabend und sie machte sich für die kleine Party fertig. Heute würde sie etwas anders auftreten als sonst. Nach dem Duschen stieg sie in eine helle Jeans und ein weinrotes Oberteil mit Spaghettiträgern, zu dem sie ein breites Lederband am Handgelenk und eine Kette mit einem schwarzen Glasstein trug. Außerdem ließ sie ausnahmsweise die Haare offen. So würde sie Mona noch ähnlicher sehen, aber Emily war sich sicher, dass ihre Schwester den Großteil des Abends daran zu erkennen sein würde, dass sie an Mario klebte. Mona wurde, wie alle Kinder der Graysons ziemlich anhänglich, sobald sie einen im Tee hatte. Wahrscheinlich würden sich Patrick und Adrian irgendwann sogar vor Greg hüten müssen, wenn er seine sentimentale Seite am Grunde des vierten Bierglases entdeckte. Das Make-up unterstrich noch ihre dunklen Augen und Emily fand sich beinahe sexy in ihrem Outfit. Dementsprechend beschwingt verließ sie das Badezimmer und suchte sich noch eine Tasche heraus, bevor sie völlig nervös ihre Schlüssel nahm und sich auf den Weg machte. Adrian und Patrick wollten sie direkt am Nihon treffen, was Emily noch hibbeliger machte. Sie bekam langsam aber sicher Panik, dass den beiden Männern der Abend nicht gefallen könnte und sie früher gehen würden. Oder dass sie nicht genau wusste, um wen sie sich am meisten kümmern sollte. Sie hatte Greg schon so lange nicht gesehen, wollte aber weder Adrian noch Patrick vernachlässigen. „Reiß dich zusammen, das wird schon. Sie sind alle erwachsen und können sich durchaus selbst beschäftigen.“ Die letzten Meter zum Club musste sie laufen, aber bereits als sie Mona erkannte, musste sie grinsen. Greg stand neben ihr und rannte auf sie zu, bloß um sie aufzufangen, als sie ihn mit einem Quietschen ansprang. Greg war kaum größer als sie selbst und Mona, aber er war sportlich gebaut und sonnengebräunt von der Arbeit in Südamerika. Seine Haare waren ein wenig ausgebleicht und passten sehr gut zu seinen hellbraunen Augen, die denen von Mona sehr ähnlich waren. Ihr großer Bruder drückte Emily noch einmal an sich, bevor er sie wieder auf den Boden stellte und mit ihr zu Mona und Mario zurückging. Die Begrüßung fiel nicht weniger herzlich, aber doch nicht ganz so stürmisch aus. Greg strich sich durch die in alle Richtungen abstehenden Haare und sah Emily fragend und mit einem schiefen Lächeln an. Er hatte eine Narbe am linken Mundwinkel, die sein Lächeln immer ein wenig verzog, was viele Frauen allerdings umso attraktiver fanden. Greg hatte auch mit seiner Art nie Probleme gehabt eine neue Freundin zu finden. „Wo sind deine Jungs?“ Adrian wurde noch nervöser, nachdem der Fahrer verkündet hatte, sie wären in wenigen Minuten da. Es war nicht nur die Tatsache, dass er gleich Emilys Geschwister treffen würde, oder dass er heute Abend noch unweigerlich singen musste, sondern viel mehr alles zusammen. Die Angst, sich zu blamieren, war ebenso groß, wie die Sorge darum, dass das der letzte Tag seiner Frist war. Morgen würde er sich seiner Mitbewohnerin offenbaren müssen. Doch wenigstens konnte ihn das auch auf eine Weise beruhigen. Heute war der Tag, wo er das alles beiseite schieben würde, damit er sich einfach amüsieren konnte. Patrick würde ihn dabei unterstützten, das wusste er und das konnte eigentlich nur in viel Spaß enden. Dennoch fühlte Adrian sich nicht wohl in seiner Haut. Bis jetzt hatte er Alex‘ Spuren gut vor Emily verbergen können, doch heute im Rollkragenpulli zu erscheinen, wo er ihn gestern schon getragen hatte, kam ihm unsinnig vor. Vor allem, da ihm dieses Kleidungsstück so ganz und gar nicht passte. Was auch daran liegen könnte, dass er diese Pullis nicht gerne trug. Zum Glück war er heute noch einmal shoppen gegangen. Zwar hatte er lange suchen müssen, doch jetzt war er fast zufrieden, mit seinem Erscheinungsbild. Er trug eine schwarze Lederhose, die mit ihrem Schnitt dezent war, um nicht zu sehr von seinem Oberteil abzulenken. Es war ärmellos, hatte einen hohen Stehkragen – weshalb er es ausgesucht hatte – und war in japanischem Stil geschnitten. Was sogar zu diesem Anlass passte. Es war aus schwarzer Seide mit fein gearbeiteten Webmustern die zum Stil passten. Adrian gefiel das Teil ausnehmend gut, vor allem, weil es sich seinen Körperformen perfekt anpasste. Dazu trug er noch seine silbernen Daumenringe und ein silbernes Männerkettchen an seiner rechten Hand. Sein Haar hatte er wieder einmal zu einer wilden Mähne verarbeitet, die ihm einen verwegenen Ausdruck verlieh. Patrick war mit seinem Outfit zufrieden gewesen, also überlegte er auch nicht mehr länger herum, was er hätte anders machen können. Obwohl es ohnehin schon zu spät war. Und sein Freund sah auch wirklich zum Anbeißen aus. Es hätte Adrian wirklich nicht gewundert, dass, sollte auch nur ein schwuler Mann im Nihon sein, Patrick von dem Kerl abgeschleppt werden würde. Doch sie beiden verblassten regelrecht, als Adrian Emily erblickte, nachdem sie das Taxi verlassen hatten. Einen Moment lang wusste er noch nicht einmal, wie sein Name lautete, da er einfach nicht von ihrer Erscheinung wegsehen konnte. Sie war so unglaublich sexy, dass er sie am Liebsten hier auf der Stelle vernascht hätte! Gerade als sich Emily suchend umsah, kam ein Taxi am anderen Straßenrand zu stehen und sie sah zunächst Patrick aussteigen, bevor sie Adrian erkannte. „Pünktlich auf die Minute.“ Natürlich wurden erstmal alle vorgestellt, um dann geschlossen den kleinen Club zu stürmen. Er lag im obersten Stockwerk eines Kaufhauses, sodass man außerhalb der Öffnungszeiten nur mit einem Aufzug zum Eingang gelangen konnte. Bereits jetzt hörte man einen begeisterten, aber wenig talentierten Japaner ein Lied von David Bowie zum Besten geben. Emily stellten sich ein wenig die Nackenhaare auf. Es dauerte eine Weile, bis sie zwei Tische zusammen geschoben und ihr Essen bestellt hatten. Erst als alle zufrieden mit ihren Gabeln oder Stäbchen auf den Tellern klapperten, entwickelten sich Gespräche in der kleinen Runde. Emily hatte sich neben Adrian und Greg gegenüber gesetzt, damit sie ihre Gäste nicht alleine ließ und gleichzeitig mit ihrem Bruder sprechen konnte. Patrick saß neben Greg und unterhielt sich bereits angeregt mit Mario und Mona über den Sinn und Unsinn von Hundeschulen. „Ihr wohnt also zusammen? Ich hoffe Em sammelt nicht immer noch Kissen und Decken, sonst hast du bald keinen Platz mehr auf dem Sofa.“ Greg hatte sich noch nie damit aufgehalten, Freunde seiner Schwestern zu siezen. Meistens war er sowieso der Ältere gewesen und hatte sich das Recht heraus genommen, zu entscheiden, dass das ‚Du’ angemessen war. Wieder verzog sich sein Mund zu einem schiefen, schelmischen Lächeln. „Bis jetzt konnte ich noch keine Überpopulation an Kissen und Decken auf unserer Couch feststellen.“, meinte er breit lächelnd. „Sollte es allerdings einmal so weit kommen, lasse ich mir Plüsch wachsen und gehe mein Revier abstecken. Wäre doch gelacht, wenn ich es nicht schaffen würde, ein paar Kissen in die Flucht zu schlagen.“ Adrian nahm noch einen Schluck von seinem Nihonshu. Der Reiswein war wirklich köstlich, ging aber auch ganz schön schnell ins Blut über, obwohl sein Bauch sich bereits mit all diesen Köstlichkeiten füllte, die da auf dem Tisch standen. „Stimmt es, dass hier heute alle Anwesenden dazu verpflichtet sind, zu singen? Denn ich glaube, ich würde mich lieber gerne davor drücken und den anderen die Show überlassen.“ Natürlich würde er nicht daran vorbei kommen. Aber ein bisschen Gegenwehr durfte er doch sicher zeigen, vor allem, da er im Grunde trotzdem neugierig darauf war und diesem Teil des Abends schon gespannt entgegen sah. „Hey Emily, hast du Greg schon von unserem gelben Wunderbaby erzählt? Du weißt schon, der Kleine, der immer durch den Zinnturm schwimmt, wenn man ihn darum bittet.“ Den Tag, an dem sie die Fische gekauft hatten, würde er wohl nie vergessen. Immerhin hatte er nicht nur Haustiere bekommen, sondern auch diesen Prachtkerl von Freund. Adrian prostete Patrick zu, als der sich einmal von dem Thema ‚Hundeschulen‘ losreißen konnte und ihm zulächelte. „Süße Vorstellung, dass du dir Plüsch wachsen lässt, um meine Kissen anzugreifen.“ Emily warf Adrian einen verschmitzten Blick zu. Wäre das hier nicht ihr erstes Bier gewesen, hätte sie ihm wahrscheinlich in diesem Moment ins Gesicht gesagt, dass es ihr persönlich viel besser gefallen hätte, wenn er sich an gewissen Stellen als Mann ein paar Haare stehen ließ. Aber um Pelzwuchs ging es hier ja nur nebenbei. Also stopfte sie sich zur Sicherheit ein Nigiri in den Mund und kaute ausgiebig darauf herum, um nicht doch noch etwas Dummes zu sagen. Sie erzählte Greg von dem talentierten gelben Fisch und dem Plastikturm, den sie für das Aquarium ausgesucht hatte. Allerdings hatte sie die Befürchtung, dass ihr Bruder von dem Thema Fische auf Insekten umschwenken könnte – irgendwann am Abend bekam er immer die Kurve zu seinem Fachgebiet – dass sie schnell zum weiteren Programm des Abends zurückkehrte. Greg stieg sofort darauf ein und sah Adrian mit gespielt entrüstetem Blick an. „Aber klar muss jeder singen. Deswegen sind wir doch hier!“ „Oh, glaub nicht, dass Greg sich nachher noch so enthusiastisch anhören wird. Spätestens wenn er ein Lied aussuchen soll, geht das Gejammer los.“ Greg setzte sich gerade hin und fuchtelte mit seinem Zeigefinger in Emilys Richtung. „Das siehst du völlig falsch, Schwesterchen. Ich habe unseren Song schon ausgesucht.“ Beinahe blieb Emily das Sushi-Röllchen im Halse stecken. „Bitte? Unseren Song?“ Am liebsten hätte sie Greg unter dem Tisch getreten, aber stattdessen rollte sie mit den Augen. „Das ist doch nicht dein Ernst.“ „Oh doch. Wir sind die ersten, die drankommen. In…“ Mit gewichtiger Geste sah Greg auf seine große Armbanduhr und zwinkerte dann seiner Schwester zu. „In ungefähr zwanzig Minuten.“ Na toll, dabei war das Sushi so lecker. Jetzt würde sie wahrscheinlich nichts davon mehr runter kriegen. Emily konnte singen. Das war nicht das Problem. Aber vor Publikum und noch dazu als Erste… So stark wie ihr Magen in diesem Moment vor Aufregung flatterte, bezweifelte sie, dass sie auch nur einen einzigen Ton heraus bringen würde. „Vielleicht haben sie das Lied gar nicht mehr im Programm.“ „Das ist auch nur Wunschdenken.“ Greg schob Adrian und Emily das aufgeklappte Heft mit den Titeln zu, die gesungen werden konnten und sein Zeigefinger deutete auf den Titel, den Emily am liebsten ganz aus dem Programm verbannt hätte. Sie wagte gar nicht Adrian anzusehen, sondern hoffte inständig, dass er das Lied nicht kannte und sich somit noch keine Gedanken darüber machte, solange sie noch nicht gesungen hatte. Sie lehnte sich etwas zu ihm hinüber, so dass sie nicht gegen die Dame anschreien musste, die gerade Black Velvet mit tiefster Inbrunst sang und sogar vereinzelten Szenenapplaus dafür erhielt. Ihre Schulter berührte leicht die von Adrian, als sie ihm ins Ohr sprach. „Du musst dir nur ein Lied aussuchen und die Nummer zusammen mit deinem Namen auf einen der Zettel schreiben, die hier überall ausliegen. Dann gibst du die dem DJ und der ruft dich dann auf, wenn du dran bist.“ Die Auswahl an Songs war groß und Emily war wirklich gespannt, was Adrian sich aussuchen würde. Inzwischen stöberten auch die Anderen am Tisch in den Liedkarten und Patrick schien bereits etwas Interessantes gefunden zu haben. „Ich hab zwei zur Auswahl. Allerdings weiß ich nicht, ob ich allein singen will. Aber ich will auch niemandem ein Duett mit mir antun. Ich treffe nämlich nur einen Ton, wenn die Planeten in der richtigen Konstellation stehen und sich gleichzeitig ein Kobold in Irland übergeben muss.“ Greg musste lachen und klopfte Patrick ermutigend auf die Schulter. „Keine Sorge, lass’ mich noch zwei Bier trinken, dann sind wir gleich auf und trällern sie alle in Grund und Boden.“ Adrian beugte sich zu Emily hinüber, als ihr Bruder die Karte mit den Liedern an seine Schwester abgab. Greg zeigte mit dem Finger auf den Titel ‚Picture‘ von Kid Rock. Das Lied kannte Adrian nicht. Aber es klang auch nicht sehr bekannt. Vielleicht war er hier ja nicht der einzige Unwissende. Als Emily sich ebenfalls zu ihm beugte und sich ihre Schultern leicht berührten, bekam er wieder dieses Flattern im Bauch. Vermutlich die Aufregung. Immerhin teilte sie ihm ganz nahe an seinem Ohr mit, wie er sich am leichtesten blamieren konnte. Natürlich meinte sie es nicht so, aber – Adrian der auf einer Bühne stand und sang, anstatt sich auszuziehen? – wann hatte es das denn schon einmal gegeben? Noch nie, wie er mehr als nervös feststellen musste. Dennoch ließ er sich nicht so leicht abschrecken, sondern nahm Emily schließlich die Karte aus der Hand, um sich ein Lied auszuwählen. Bei der Auswahl hätte man meinen können, Adrian hätte nun die Qual der Wahl, so wie Patrick, doch im Grunde sprang ihm nur ein einziges Lied ins Auge. Eines, das er schon lange nicht mehr gehört hatte, aber niemals vergessen könnte, denn es berührte sein Herz aufs Tiefste. Adrian schrieb die Nummer und seinen Namen auf eine Karte und gab sie schnell dem DJ, damit er nicht zu lange auf seinem Auftritt warten musste. Er war zwar unglaublich aufgeregt, aber er hatte es lieber schnell hinter sich, als sich beim Warten darauf völlig verrückt zu machen. Außerdem wagten Greg und Emily mutig den Sprung ins kalte Wasser. Also konnte er sich ruhig ein Beispiel an den beiden nehmen. So schnell waren noch nie irgendwelche zwanzig Minuten in Emilys Leben vergangen. Greg zog sie von ihrem Stuhl hoch, als der Typ vor ihnen noch Mrs. Robinson dahin schmachtete und der DJ ihnen schon einen Wink gab sich vorzubereiten. Emily fühlte sich wirklich noch nicht betrunken genug, um gerade dieses Lied zu singen. Aber jetzt war es ja auch nicht mehr zu ändern. Oder doch? Sie suchte nach einer Fluchtmöglichkeit und warf Adrian einen verzweifelten Blick zu, bevor sie zumindest noch einen kräftigen Schluck von ihrem Bier nahm und ihm leicht auf die Schulter boxte. „Du bist auch kein Retter in der Not, was?“ Greg schob sie zum DJ-Pult, wo sie nur noch darauf warten mussten, dass die Bühne frei wurde. Jetzt ging alles so schnell, dass Emily glücklicher Weise gar nicht mehr darüber nachdenken konnte, dass sie Lampenfieber hatte. Auch wenn sie ihr Herz bis zu ihrem Hals klopfen spürte und am liebsten davon gerannt oder im Boden versunken wäre. Auftritte waren wirklich nicht ihr Ding. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr und zumindest musste sie nicht allein hier auf der kleinen Bühne stehen und ins Publikum sehen, das ihr interessierte Blicke zuwarf. Vor allem auch deswegen, weil die meisten das Lied nicht kannten, das Greg ausgesucht hatte und das er immer mit Emily zusammen zu diesen Partys sang. Der DJ kündigte sie mit ‚Picture’ von Kid Rock an und schon ging das Licht aus und die Spots an. Emily wurde schlecht, was sich aber sofort änderte, als drei Gitarrenakkorde aus den Lautsprechern zu hören waren und Gregs tiefe Stimme den Raum erfüllte. Emily stand zu Beginn des Songs ein wenig von ihrem Bruder entfernt und drehte sich bei ihrem Einsatz ein wenig von ihm weg. Das entsprach dem Liedtext und da beide den Song auswendig kannten, mussten sie sich nicht auf die Anzeige auf den Bildschirmen konzentrieren, sondern konnten ein wenig Theater spielen. Je weiter das Lied fortschritt, desto näher kamen sich Emily und Greg, bis ihr Bruder sie an der Hüfte an sich zog, um die letzten drei Sätze mit ihr zusammen zu singen. Bei der letzten Zeile erhaschte Emily einen Blick auf Adrians Gesicht, was ihr Herz vor Überraschung einen Schlag aussetzen ließ. Sie konnte nicht sagen warum, sie konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, dass es tatsächlich so war, aber es fühlte sich verdammt so an, als sänge sie diese eine Zeile: I just called to say, I love you come back home..., die letzten Worte des Songs nur für ihn. Erst der Applaus und die schrillen Jubelschreie von Mona rissen sie aus diesem Zustand und sie folgte Greg von der kleinen Bühne, die nun wieder jemand anderem gehörte. Neugierig lehnte sich Adrian nach vor und stützte sich mit den Ellenbogen am Tisch ab. Als die Musik begann und Greg mit wohltönender Stimme los sang, konnte er seine Augen dennoch nicht von Emily abwenden, obwohl ihm der Text starkes Herzklopfen verursachte, als er ihn hörte. Adrian musste sich sogar dazu ermahnen, dass das nur ein Lied war und nichts mit ihm zu tun hatte. Er konnte sich dennoch nicht dagegen wehren, dass er den Schreiber dieses Lieds verstand. Wie oft hatte er schon versucht, sich mit Drogen und Alkohol über die Gefühle hin weg zu dröhnen, die er nicht hatte länger ertragen können? Ja, sein Leben war die Hölle gewesen und er wusste, wie es dort aussah. Auch er hatte sich oft jemanden gewünscht, der ihm das gab, wonach er sich sehnte. Anständige, unbefleckte Liebe. Adrian begann am ganzen Körper zu zittern, je länger er dem Lied zuhörte. Als die beiden schließlich die letzten Zeilen sangen und Emilys Augen direkt in die seinen blickten, war es, als überrolle ihn etwas Gewaltiges. Adrian war schockiert. Mit einem Mal tobte in ihm ein Gefühlssturm, den er nur schwer bezwingen konnte. Es war dumm, zu glauben, dass das Lied, Emilys Blick und er irgendeinen Zusammenhang hatten, aber er konnte es nicht leugnen. Als die beiden Geschwister wieder am Tisch ankamen, wurde Adrian klar, dass er wohl der einzige Anwesende gewesen war, der nicht geklatscht, sondern einfach nur wie erstarrt dagesessen hatte. „Hey, das war ja ein super Auftritt von euch beiden.“, rief er ihnen schnell entgegen, um sein Versäumnis auszugleichen, so gut es ging. Dennoch zitterte er am ganzen Körper und konnte kaum richtig denken. Am liebsten wäre er auf die Toilette gegangen, damit er sich erst einmal in Ruhe wieder zusammen nehmen konnte, aber er könnte schon bald aufgerufen werden und irgendwie hoffte er auch darauf. Die Ablenkung würde ihm sicher ganz gut tun. Da jetzt aber jemand anderes dran war, mit Heartbreak Hotel von Elvis, nahm er noch einen kräftigen Schluck von dem Reiswein, um seine Nerven zu beruhigen. „Wie kommt es eigentlich, dass ihr so ein Lied zusammen habt?“, wollte Adrian von Emily wissen. Auf die Antwort war er schon sehr gespannt. Emily war nach dem kleinen Auftritt total aufgedreht und konnte sich gar nicht wieder hinsetzen. Also beugte sie sich zu Adrian hinunter und griff nach ihrem Bier, als er sie ansprach. „Das Lied? Ach, das ist eigentlich eine total alberne Geschichte. Irgendwann ist Greg mal von zu Hause abgehauen, um auf einer Party zu gehen, die ihm damals unser Dad verboten hatte.“ Greg hatte sich wieder gesetzt und sah sich den Auftritt ihres Nachfolgers an, hörte aber der kleinen Geschichte zu. Das konnte Emily an seinen Seitenblicken erkennen, als er lächelnd sein Bier leerte, aber nichts zu ihrer Ausführung hinzufügte. „Ich wusste, dass er weg war und sich wahrscheinlich betrinken würde. Natürlich hab ich mir vor allem Sorgen gemacht, dass ihm was passiert – entweder bei der Party oder danach, falls Dad ihn erwischen sollte. Irgendwann hab ich’s nicht mehr ausgehalten und ihn angerufen.“ „Ich bin erst beim dritten Anruf rangegangen und hab auch nur zugestimmt, dass sie mich abholt, weil sie tierisch genervt hat.“, mischte sich ihr großer Bruder jetzt doch ein. „Na ja, als ich dann irgendwann in der Tür stand, kam gerade dieses Lied und Greg war meiner bescheidenen Meinung nach froh von dieser Party weg zu kommen.“ Greg strubbelte sich etwas verlegen durch die bereits wüste Frisur. „Da gab’s nicht mal Alkohol, sondern nur Gläser voller Pillen. War echt nicht mein Ding.“, gab er mit einem dieser schelmischen Lächeln zu, die ihn ausmachten. Am nächsten Tag war Emily zufällig über das Lied gestolpert und hatte es Greg irgendwann vorgespielt. „Beim nächsten Karaokeabend standen wir dann zusammen auf der Bühne. Das ist irgendwie erhalten geblieben.“ Adrian hatte gar keine Zeit mehr auf die kleine Geschichte zu reagieren, denn er wurde vom DJ auf die Bühne geholt, um seinen ausgewählten Titel zum Besten zu geben. Emily bewunderte, dass ihr Mitbewohner keinen Deut nervös wirkte. Sein Bühnen-Ich konnte er anscheinend anknipsen wie einen Lichtschalter. Schließlich gab ihm der DJ einen Wink und Adrian erhob sich, während angekündigt wurde, dass er ‚Loneliness Knows Me By Name‘ von Westlife singen würde. Ein Lied, das er während seines Entzugs ständig gehört hatte und somit in und auswendig kannte. Der Alkohol hatte ihm verdammt gut getan, denn er war lange nicht mehr so nervös, wie er es ohne gewesen wäre. Es war nicht die Bühne, vor der er Schiss hatte, sondern das Singen. Publikum war er gewohnt, aber das war nun einmal nicht sein Fachgebiet. Trotzdem trat er selbstbewusst auf die Bühne, nahm das Mikrophon in die Hand und schloss für einen Moment die Augen, während die Melodie einsetzte. Dann begann er zu singen. Die ersten Strophen klangen noch zurückhaltend und leicht unsicher, was durchaus zum Text passte, doch schließlich blendete er alle Anwesenden aus und begann aus tiefstem Herzen zu singen. Als er schließlich bei der letzten Strophe ansetzte, öffnete er endlich wieder die Augen und sein Blick traf nur auf eine einzige Person – Emily. Bis dahin, hatte er alle Menschen ausgeblendet, weil es hier nur rein um ihn ging. Zumindest empfand er es so. Kaum, dass die Melodie verklungen war, nickte er den applaudierenden Menschen zu, legte das Mikro weg und machte sich rasch auf den Weg zu den Männertoiletten. Er brauchte dringend einen unbeobachteten Moment für sich. Denn natürlich waren all die Bilder wieder hochgekommen, die er mit diesem Lied verband und er hatte es zugelassen. Weil es wichtig gewesen war. Er wollte und musste etwas ändern und damals hatte er es getan. Heute würde er es wieder tun. Das schwor er sich. Zuerst war er noch etwas leise, sodass Emily den DJ hektisch an ein paar Reglern schieben sah, um Adrians Stimme ein wenig klarer von der Hintergrundmusik abzuheben. Aber bereits nach der ersten Strophe schien der Rothaarige sich gefangen zu haben und sang nun sehr überzeugend. Emily fiel sofort auf, dass er das Lied auch auswendig kannte. Nicht einen Blick warf Adrian auf die Monitore, sondern sah eigentlich nirgendwo hin. Wahrscheinlich auch etwas, das er sich in seinem Job angewöhnt hatte. Emily konnte das Publikum nie vergessen, sondern sah sich im Gegenteil immer die Gesichter der Leute an, die ihr zuhörten. Das war manchmal gut, manchmal auch richtig böse, wenn sie schlechte oder gar keine Reaktionen bekam. Gegen Ende des Lieds hatte Emily allerdings das Gefühl, dass Adrian sie doch ansehen würde. Nicht speziell sie als Person, aber er sah eindeutig in die Richtung ihres Tisches. Emily musste schlucken und fühlte ein Kribbeln in der Magengegend, das sie der gesamten Stimmung im Raum zuschrieb. Sie hatte schon etwas getrunken und bei Liebesliedern war sie immer anfällig. Adrian verschwand direkt von der Bühne auf die Toilette, was Patrick, wie Emily auffiel, einen besorgten Blick entlockte. Aber so schnell wie ihr Freund wieder an den Tisch zurückkam, konnte man vermuten, dass ihn bloß die Nachwirkungen der Aufregung auf das Örtchen getrieben hatten. Strahlend sah Patrick seinen Freund an und gab ihm ein Daumen hoch. „Das war ziemlich gut. Aber ihr hättet wirklich alle nach mir singen sollen, dann wärt ihr im Vergleich verdammt gut weg gekommen.“ Sein Lächeln erstarb ein wenig, als er sein Zeichen bekam und sich auf die Bühne zu bewegte. „Mit dem Hintern ist es doch total egal, was oder wie er singt.“ „Mona!“ „Ach, ist doch wahr.“, grinsend zog Mona ihre kleine Schwester zur Seite und sah die Männer am Tisch auffordernd an. „Ihr werdet doch nicht hier sitzen bleiben. Euer Kumpel braucht Unterstützung, also nichts wie in die erste Reihe und ein wenig Einsatz, wenn ich bitten darf!“ Dass Patrick Unterstützung nötig hatte, war schon vor seinem eigentlichen Einsatz zu erkennen. Er trat von einem Bein auf das Andere und die Bühne schien mit einem Mal riesig zu sein. Dabei hatte er keinen Grund sich zu verstecken. Patrick sah an diesem Abend wirklich verdammt gut aus in seinen engen Jeans und dem hellen Hemd, das er am Kragen ein wenig geöffnet hatte. Seinen hellen Augen leuchteten allerdings mehr als zurückhaltend unter seinem dunklen Pony hervor. Als er anfing zu singen war auch sofort klar, warum. Er hatte mit der Einschätzung seiner Gesangsfähigkeiten leider kein Stück untertrieben. Aber sie würden ihn sicher nicht allein da oben darben lassen. Immerhin war es verdammt mutig sich dort hinzustellen, wenn man so gar kein Talent zum Singen hatte. Das Gespür für das Richtige Lied war allerdings hervorragend gewesen. Bei ‚Say a little prayer’, das die meisten aus dem Film mit Julia Roberts kannten, konnten alle mitsingen, was sie auch von Anfang an taten. Patrick bemühte sich redlich und sah nach der zweiten Strophe schon nicht mehr ganz so panisch aus, wie am Anfang. Mona und Emily jubelten und klatschten immer wieder und Greg und Mario sangen aus vollem Halse. Erst als das Lied zu Ende war, warf Emily Adrian einen Blick zu und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Ihr machte das Ganze viel Spaß und sie hoffte, dass es ihm genauso ging. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. „Ich fand deinen Auftritt auch richtig gut. Schönes Lied. Wirklich beeindruckend, dass du bei so was gar nicht nervös bist.“ Als Patrick schließlich die Bühne betrat, hatte Adrian mit ihm großes Mitleid. Er selbst war da oben ein Nervenbündel gewesen, das er gut hatte verstecken können, aber sein Freund sah eindeutig nervös aus. Natürlich kamen ihm alle zu Hilfe und auch Adrian sang kräftig mit, um seinen Freund zu unterstützen. Außerdem war er inzwischen verdammt gut drauf, was nicht nur an einem immer höher steigenden Alkoholpegel lag, sondern auch an der ausgelassenen Stimmung. Er lächelte Emily mehr als zufrieden an, als sie ihn anstrahlte. Ohne Scheu legte er ihr einen Arm um die Schultern, damit er nicht so schreien musste. „Soll das ein Scherz sein? Ich hatte total weiche Knie. Von wegen ich war nicht nervös!“ Sie hatte wirklich keine Ahnung, wie durcheinander er gewesen war und das war auch gut so, denn sie war größtenteils Schuld daran. Sanft klopfte er ihr noch einmal auf die Schulter und ließ sie wieder los, um Patrick in Empfang zu nehmen. Der arme Kerl, schien ziemlich fertig zu ein, doch das würde sich sicher bald legen. Vor allem, da die nächste Runde Bier anstand. Emily war einigermaßen überrascht, als Adrian ihr den Arm um die Schultern legte. Es war eine harmlose Geste, die er bestimmt jedem Kumpel entgegen gebracht hätte, aber für Emily war es in diesem Moment etwas Besonderes. Die seltsame Stimmung vom Sonntag hatte sie in den letzten beiden Tagen nicht wirklich vergessen, aber jetzt ging es ihr sehr viel besser. Nicht zum ersten Mal erwischte sie sich dabei, dass sie wünschte, ihr Mitbewohner wäre nicht vom anderen Ufer. Es war schön einen Freund wie ihn zu haben, aber genau in diesem Augenblick, als er den Arm um sie legte, wäre es Emily recht gewesen, wenn er an ihr interessiert gewesen wäre. Aber als Patrick zu ihrer kleinen Runde stieß, war das fast sofort vergessen. Eine Kellnerin kam vorbei und Greg bestellte eine Runde Bier für alle, die sie gleich im Stehen einnehmen wollten, denn Mona und Mario waren als Nächste mit Singen dran. Patrick stürzte die halbe Flasche hinunter, bevor er überhaupt etwas sagte. „Gott, zwingt mich bitte nie wieder zu so was.“ Er sah Adrian und Emily mit geschocktem Blick an und seine Augen weiteten sich. „Ihr könnt mich hören, oder?“ Emily brach in schallendes Gelächter aus und hätte beinahe ihr Bier verschüttet, bevor sie Patrick kurz in die Arme nahm und ihn drückte. „Hey, Kumpel. Mach dir nichts draus. Singen mag vielleicht nicht dein Fachgebiet sein, aber mit deinem Hüftschwung kann es keiner aufnehmen. Vielleicht bekommen die Leute heute ja noch die Gelegenheit dazu, dich zu sehen.“ Adrian grinste ihn verschwörerisch an. Zu gerne hätte er erlebt, wie die anderen auf diesen sexy Hüftschwinger reagierten. Die Mädels wären sicher total aus dem Häuschen. Emily amüsierte sich königlich und wurde von Mona und Greg noch einmal auf die Bühne gezogen, wo sie zu dritt ein Lied von den Sugababes vortrugen. Vor allem Greg ließ dabei die Herzen schmelzen und Emily konnte sich beim Auftritt ihres Bruders kaum mehr selbst davon abhalten während des Singens in Gelächter auszubrechen. Bei den Auftritten der Anderen tanzte und sang Emily begeistert mit und hielt sich irgendwann an Patrick fest, der sie schwungvoll durch die Gegend wirbelte. Wie Adrian gesagt hatte, war der Hüftschwung des Dunkelhaarigen wirklich unwiderstehlich und wieder fluchte Emily innerlich, dass sie nicht in der gleichen Liga spielte wie die gut aussehenden Männer, die sie gerade um sich hatte. Mona ging es da besser. Sie hatte sich mit Mario an einen Tisch in einer dunklen Ecke verzogen, wo sie gerade wilde Zungentänze vollführten. Das bedeutete, dass Emily mit ‚ihren Jungs’ und ihrem Bruder allein auf der Tanzfläche war. Sie hätte es schlechter treffen können, wenn man sich so die neidischen Blicke der anderen Frauen ansah. Ein paar Runden Alkohol später, tat Adrian fast schon der Bauch weh vor lauter Lachen. Es machte wirklich unglaublich Spaß, Karaoke zu singen, weshalb er sich schließlich auch dazu entschloss, einfach noch ein Lied auszuprobieren. Zwar kannte er es nicht so gut, aber da er schon einigermaßen zu war, war er nicht einmal mehr nervös, als er das Lied vom Monitor ablas. Es war lange nicht so hingebungsvoll, wie sein erster Auftritt, animierte aber auch die anderen dazu, noch ein paar Ständchen zu singen. Schließlich trat er an Emily heran, nahm ihre Hand, sah ihr tief in die Augen und lächelte bittend. „Hast du Lust, mit mir etwas zu singen, bevor ich noch zu lallen anfange und ich mich endgültig blamiere? Als Adrian ihre Hand nahm, hielt Emily mitten in der Bewegung inne, die sie gerade dabei gewesen war, zu vollführen und sah ihn überrascht an. Seine Augen zeigten, dass er genauso angetrunken war wie Emily selbst. Allerdings bestand wohl nicht unbedingt die Gefahr, dass sie lallen würden. So weit waren sie auch nicht, selbst wenn Emily sich nicht getraut hätte sich zu oft von Patrick im Kreis drehen zu lassen. „Klar“, antwortete sie also selbstverständlich und ließ sich von Adrian zum DJ-Pult ziehen. „Ihr schon wieder. Eure Gruppe schmeißt mir hier heute den ganzen Laden.“, sagte der Mann zufrieden und schob ihnen die Titelliste hin. „Was darf’s diesmal sein? Wenn ihr mir das Lied jetzt sagt, könnt ihr gleich hoch.“ Emily deutete auf das erste Lied, dass sie einigermaßen kannte und von dem sie wusste, dass es ein Duett war. Adrian segnete 'Kids' von Robbie Williams ab und Emily stieg noch vor ihm auf die kleine Bühne und bekam ein Mikrophon in die Hand gedrückt. Der Alkohol half ihr insoweit über die Aufregung hinweg, dass sie bereits bei dem kurzen Intro des Liedes den Rhythmus aufnahm und sich zur Musik bewegte und auch kein Problem hatte, einigermaßen laut mit dem Singen anzufangen. Adrian schien ebenfalls sehr gelockert, denn er tanzte ein wenig vor sich hin, während er Robbies Part übernahm. Emily sang mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und schmiegte sich ein wenig an Adrians Seite, um in seine Bewegungen einzustimmen. Allerdings hielt sie die Berührung nur kurz aufrecht. Immerhin sollte niemand etwas Falsches denken. Das Lied, das Emily ausgesucht hatte, war klasse und auch fetzig genug, um sich dabei einmal auf der Bühne auszutoben. Zumindest empfand Adrian das so, als er kaum die ersten Takte gehört hatte, wollte sein Körper schon tanzen und er tat es auch. Emilys Stimme war einfach toll und er fand, dass sie das Singen ziemlich gut hinbekamen. Natürlich könnten sie niemals Robbie und Kylie Konkurrenz machen, aber darum ging es ja nicht. Es war wie ein elektrisierender Impuls, als Emily sich so nahe an seinen Körper schmiegte und sich in seinem Rhythmus mit bewegte. Wäre er noch vollkommen nüchtern gewesen, er hätte keinen Ton mehr heraus gebracht, doch inzwischen war er gelockert und mutig genug, um dem ohne Probleme entgegen treten zu können. Außerdem war die Stimmung im ganzen Saal so ausgelassen, dass sie ihn einfach mit sich riss. Als Emily also Anstalten machte, sich wieder von ihm zu trennen, berührte er ihre Schulter und strich mit seiner Hand ihren Arm entlang nach unten, während er einen Schritt zurück machte. Ihre Hand wirkte um einiges Kleiner, als seine, als er sie ergriff und sie einmal im Takt zur Musik im Kreis drehte und sie dann wieder leicht an sich zog, um ihr über den Rücken zu streichen und sie dann wieder loszulassen. Adrian sah ihr in die Augen, während sie sich gegenseitig umkreisten, hin und wieder kurz berührten, aber zu flüchtig, um wirklich erfüllend zu sein. Auch wenn Emily es vielleicht nicht bemerkte, Adrians Blut schoss ihm heiß und knisternd durch die Adern, von ihren Berührungen aufgeheizt, schien sein Herzschlag kein Tempolimit mehr zu kennen. Kein Wunder, dass er atemlos war, als das Lied zu Ende ging. Mit sanfter Geste nahm er Emilys Hand und gab ihr einen Kuss auf den Handrücken, während er sich leicht verbeugte. „Vielen Dank.“, hauchte er ihr zu, ehe er sie entließ und fast schon traurig darüber war, dass es schon vorbei sein sollte. Aber es war besser so. Der Alkohol machte ihn mutiger und genau das war gefährlich. Er musste sich zurückhalten, sonst wäre all das, was er versuchte für heute zu verbergen, bald schon kein Geheimnis mehr. Und um nichts auf der Welt, wollte er diesen Abend heute bereuen müssen. Adrian hatte nicht nur Talent zum Tanzen, nein, auch das Führen war wohl genau seine Sache. Zumindest stolperte Emily kein einziges Mal über ihre eigenen Füße, während er sie einmal im Kreis drehte und dabei unbeeindruckt weiter sang. Als das Lied vorbei war, holten sie sich ihre Komplimente bei Greg und Patrick ab, bevor Emily mit dem Kinn zu Mona und Mario hinüber deutete und Greg fragend ansah. „Meinst du, wir kriegen die beiden heute noch auseinander?“ Greg rollte mit den Augen, wie es auch Emilys Art war und zuckte dann mit den Schultern. „Weiß nicht, aber ich muss mit den beiden nach Hause fahren, weil ich auf Monas Couch schlafe… Hey, was haltet ihr eigentlich davon, wenn wir noch irgendwo Fish & Chips einwerfen gehen?“ Das war eine ziemlich gute Idee. Emily war nicht die Einzige, der der Alkohol zu Kopf gestiegen war und sie musste zugeben, dass sie langsam müde wurde. Sie trug keine Uhr, weil das nicht zu ihrem Outfit gepasst hätte, daher sah sie fragend in die Runde, aus der Patrick ihr „3Uhr“ antwortete. „Em, weißt du, ob es diesen Shop noch gibt, der rund um die Uhr aufhat? Du weißt schon, wo wir früher immer hin gegangen sind.“ Ja, den kleinen Laden gab es noch. Er war nur auf die andere Straßenseite gezogen und hatte sich etwas vergrößert. Emily war schon eine Ewigkeit nicht mehr dort gewesen, aber wenn die Fish & Chips immer noch so gut waren wie vor zwei Jahren, dann war das eine gute Idee. „Ok, ich sammle die beiden ein und wir treffen uns am Ausgang.“ Emily sah Patrick und Adrian fragend an. „Ist das ok für euch? Oder wollt ihr noch hier bleiben?“ Den Alkohol mit fettigen Pommes aufzusaugen würde Emily sicher gut tun. Sie konnte nur zu deutlich spüren, wie sich die Welt ein wenig um sie drehte. Und vielleicht noch schlimmer, wie groß das Bedürfnis wurde, sich bei irgendjemandem anzulehnen. Nein, um es präzise auszudrücken war es nicht irgendjemand, sondern eine bestimmte Person, an der sie sich anlehnen wollte. Aber Greg half ihr diesbezüglich aus der Patsche, indem er sie mit einem Arm um ihre Hüfte an sich zog und sie kurz drückte. Sein Atem roch nach Bier, als er sich zu ihr hinunter beugte und sie seine Worte an ihrem Gesicht spüren konnte. „Hab dich lieb, Schwesterchen.“ „Ich dich auch, Greg.“ Sie gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange und zog ihren Bruder dann hinter sich her aus dem Club heraus, in der Hoffnung, dass der Rest der Gruppe folgen würde. *** Nachdem sie auch Mona und Mario aufgesammelt hatten, verteilten sie sich auf zwei Taxis, da sie sonst keinen Platz gehabt hätten. Emily fuhr mit Adrian und Patrick mit und Greg durfte sich zu dem knutschenden Pärchen setzen. Wie zu erwarten war, kam auch beim Zwischenstopp keine Langeweile auf. Sie zogen sich gegenseitig mit den Gesangsdarstellungen auf, versuchten herauszufinden, wer von ihnen wohl am Betrunkensten war, was sich als gar nicht so einfach herausstellte und lachten über jeden noch so derben Blödsinn. Es war schon weit nach vier Uhr, als sie sich schließlich endgültig überschwänglich verabschiedeten, da jede Hemmung bereits seit Stunden im Alkohol ertränkt worden war. Greg fuhr mit Mona und Mario nach Hause, während Emily und Adrian, Patrick auf dem Weg zu ihrer Wohnung bei ihm absetzten. So konnte Adrian auch seinen Freund unbesorgt zu Hause im Bett wissen, ohne sich noch weitere Gedanken darüber machen zu müssen. Er selbst war schon ganz dösig und um keinen Deut nüchterner, obwohl ihm wenigstens nach dem fettigen Essen nicht schlecht war. Gerade noch so, schaffte er es, dem Taxifahrer die richtige Summe zu geben, ehe er Emily beim Aussteigen half. Nicht nur aus reiner Selbstlosigkeit hielt er ihren Arm auch weiterhin fest, während sie die furchtbar vielen Treppen hinauf stiegen. Er brauchte diesen Halt, da er sonst Gefahr lief, zu stolpern. „Mann, normalerweise trinke ich wirklich nicht so viel. Tut mir wirklich leid. Für heute kannst du mich vergessen…“, gestand er ihr leise und hielt sich noch ein bisschen enger an ihrem Arm fest. Inzwischen war es ihm egal, was sie davon halten mochte. Er war zu betrunken, um sich noch Sorgen darüber zu machen. „Ssscht! Die Nachbarn…“ Wahrscheinlich war Emilys Flüstern und ihr Zischen wesentlich lauter als Adrians kleiner Kommentar, aber wenn nicht, würden die eventuell lauernden Nachbarn sicher auf das alberne Kichern reagieren, das sie nicht unterdrücken konnte. Zu allem Überfluss ließ sie auch noch ihren Schlüsselbund auf die Fußmatte fallen, was zwar keinen zusätzlichen Lärm machte, das wirkliche Heimkommen aber noch weiter verzögerte. Als sie endlich den Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt und es geschafft hatte die Tür aufzuschließen, dachte sie schon Adrian wäre an die Wand gelehnt neben ihr eingeschlafen. Wieder musste sie leise kichern und griff seine Hand, um ihn hinter sich in die Wohnung zu ziehen. Absolut nicht ladylike ließ sie sich im Flur auf den Hintern plumpsen, schob die Tür zu und befreite sich endlich von den unbequemen Schuhen, während Adrian in der Küche verschwand. Sie war völlig fertig. Nicht nur, dass sich ihr der Kopf drehte und ihr Magen unter der riesigen Portion Fish&Chips, die sie verdrückt hatte, lautstark protestierte, sie war einfach unendlich müde. Eigentlich wusste sie, dass es eine bescheuerte Idee war, sich hinzulegen, denn vermutlich würde sie nie wieder hochkommen, aber die Holzdielen sahen in ihrem Zustand einfach verführerisch aus. Nein, nicht hinlegen. Aber zumindest kurz ausruhen. Mit anscheinend letzter Kraft krabbelte sie neben die Küchentür und lehnte sich dort mit dem Rücken an die Wand. Ihre Beine streckte sie von sich und sah sich die Striemen an, die ihre Riemchenschuhe hinterlassen hatten. Emily hatte keine Ahnung, wie lange sie dort gesessen und auf ihre Füße gestarrt hatte, bevor ihr auffiel, dass sie auch Durst hatte. Gott, der Weg in die Küche war so weit. Eigentlich hätte sie nur umfallen müssen, dann wäre sie da gewesen, aber selbst das schien ihr zu anstrengend. „Adrian…“ Immer noch flüsterte sie laut, was sie abermals zum Kichern brachte, während sie versuchte um den Türstock herum in die Küche zu sehen. Beinahe wäre sie dabei doch noch umgefallen. „Adrian, hilfst du mir hoch?“ Wie es schien, war er noch besser auf den Beinen als Emily, was er kaum für möglich gehalten hätte. Aber im Gegensatz zu ihr stand er noch, als sie ihn mit dieser seltsamen Tonlage rief und dann wieder kicherte. Oh ja, definitiv betrunkener als er. Er war noch nicht so lustig, dass er ständig kichern musste. Aber eigentlich neigte er bei zu hohem Alkoholkonsum auch nicht dazu. Etwas schlingernd kam er Emily zu Hilfe. Er griff ihr unter die Achseln, um sie so hoch zu ziehen. Zwar hielt sie sich an seinen Hüften fest, half ihm aber ansonsten kein bisschen mit. Was die Sache schwieriger gestaltete. Eigentlich wäre es kein Problem gewesen, sie hoch zu heben, er war stark und sie leicht, aber dabei in seinem Zustand auch noch das Gleichgewicht zu halten, war dann doch eine ganz schöne Herausforderung. Schließlich lehnte er sie sicherheitshalber gegen die Wand und stützte sich selbst daran ab, bis der Raum sich nicht mehr länger um ihn drehte. Allerdings bekam er von der Kücheneinrichtung ohnehin nicht mehr viel mit. Adrian sah nur noch sie. Ihre dunklen Augen, das leicht verwischte Maskara am unteren Rand ihrer Wimpern, das ihr noch mehr Tiefe im Blick verlieh. Er konnte ihr Parfum deutlich riechen. Dezent und doch verführerisch für seine Sinne. Ihre Hände lagen warm auf seiner Hüfte. Seine eigenen hatte er inzwischen zu ihrer Taille wandern lassen. Mit einem Mal schienen seine eingelullten Sinne deutlich verschärft. Sein Herz schlug ihm in blinder Verzweiflung heftig gegen die Brust, da sie ihm so nahe war. Das Flattern in seinem Bauch wurde zu einem tobenden Orkan und durch seine Adern rauschte pures Adrenalin. Emily ließ sich zu einem ausgedehnten Zwinkern hinreißen, in dessen Verlauf sie seinen Duft einatmete. Ihre Hände, mit denen sie sich beim Aufstehen an ihm festgehalten hatte, lagen immer noch auf seiner Hüfte und sie hatte das Gefühl, sie hätten sich mit Adrians glattem Hemd in einer Weise von selbst verbunden, dass sie sie selbst mit größtem Kraftaufwand nicht mehr von dort weg bekommen konnte. Adrians blaue Augen blitzten ihr unter seinen hellen Wimpern entgegen, während sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „Dankeschön.“ Bei dem Wort sah sie ihn ein wenig verträumt an und ließ ihn immer noch nicht los. Im Gegenteil schienen ihre Hände Emily gar nicht mehr zu gehorchen, sondern zogen Adrians Körper sanft ein wenig zu sich heran, bis kaum ein Blatt Papier zwischen sie gepasst hätte. Dennoch berührten sie sich nicht. Zumindest nicht, bis Emily ihre Lippen auf die von Adrian drückte. Sie dachte nicht darüber nach, fragte sich nicht, ob es richtig war, sondern tat es einfach, weil es zu einem unwiderstehlichen Drang geworden war, es zu tun. Noch immer umfing sie sein Duft und seine Lippen waren so weich, dass sie gar nicht anders konnte, als ihren Kuss vorsichtig darauf zu hauchen. Sie war nicht fordernd, sondern wollte ihm im wahrsten Sinne des Wortes einen Kuss geben, keinen von ihm verlangen. Er war endgültig verloren. Es kribbelte überall dort, wo Emily ihn berührte und Funken sprühten in seinem Bauch, als er kostend an ihrer Unterlippe sog und somit einen Hauch ihres Geschmacks erhaschen konnte. Es übermannte ihn. Leise stöhnend, presste er ihren Körper enger an die Wand, damit er nicht den Halt verlor, während er seinen Mund fordernd gegen ihre Lippen presste und mit seiner heißen Zunge darüber glitt, um sie zu überreden, sich für ihn zu öffnen. Es war ein überwältigendes Gefühl für ihn. Trotz des Nebels in seinem Gehirn wusste er doch, dass dieser eine Kuss alle anderen davor endgültig ausradierte, als hätte es sie nie gegeben. Denn sie alle waren bedeutungslos und das hier das einzig Wahre. Genau danach hatte er so lange gehungert, ohne es wirklich zu wissen. Adrian brach fast unter der Wucht dieser Erkenntnis zusammen, wäre da nicht Emily gewesen, die ihn auf unerklärliche Weise aufrecht hielt, obwohl ihre Hände ihn niemals hätten stützen können. Er wollte sie. Wollte sie so sehr, wie noch nie etwas zuvor in seinem Leben und genau das war es, was ihn davon abhielt, ihr in seinem Rausch hier auf der Stelle die Kleider vom Leib zu reißen. Erst jetzt machte sich der Alkohol in ihrem Blut so richtig bemerkbar und zwar, indem er sich langsam aber sicher verzog. Emily bekam erst mit, was eigentlich tatsächlich passierte, als sie von Adrians Körper gegen die Wand gedrückt wurde. Ihr Kuss war angestachelte Neugier gewesen, die sich schon länger als die vergangenen Stunden dieser Nacht aufgestaut hatten, aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass zwei unterschiedliche Dinge zur gleichen Zeit passieren würden. Von beiden konnte Emily nicht sagen, welches sie mehr erschütterte. Als sie bereits seine Zunge zwischen ihren Lippen spüren konnte, wie sie fordernd in ihren Mund glitt und seine Hände ihre Taille umschlangen, wurde Emily mit einem Schlag bewusst, dass Adrian sie küsste. Kein kleiner freundschaftlicher Kuss auf die Lippen, weil sie betrunken waren und sich gut verstanden. Nein, das hier war eine völlig andere Kategorie von Kuss, den er leicht stöhnend von ihr einforderte. Emilys Augen öffneten sich wie von selbst, um ihn überrascht, ja fast schon schockiert anzusehen, aber sie sah nur seine geschlossenen Augen. Ihre Hände wussten nicht, ob sie ihn wegstoßen oder seine Körper noch näher an ihren ziehen sollten. Völlige Verwirrung machte sich in ihr breit und doch gerade jetzt begriff sie die zweite Sache, die sie nicht nur schockierte, sondern ihr fast Angst machte - Sie wollte ihn. Adrian löste all das in ihr aus, was sie sich bei einem ersten Kuss wünschte. Ihr Herz schlug schneller, bis es so viel Sauerstoff durch ihren Körper pumpte, dass Emily das Gefühl hatte, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Gleichzeitig schlug ihr Magen Purzelbäume und sie hätte am liebsten laut gelacht. Es schien irgendetwas aus ihr herausbrechen zu wollen, was schon seit einiger Zeit geschlummert hatte. Und dennoch… Emily erwiderte Adrians Kuss eine Weile, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Augen immer wieder aufsprangen und sie sich nicht fallen lassen konnte. Ihre Hände entschieden sich doch dazu, ihn ein wenig wegzudrücken, als ihre gegensätzlichen Gefühle endlich Emilys Hirn erreicht hatten. Was tat sie hier denn bloß? Und was zur Hölle tat Adrian? Verwirrt und einigermaßen entsetzt von der Situation sah sie ihm ins Gesicht. Zuerst konnte sie keine Kraft für irgendwelche Worte aufbringen. Und als sie es schließlich schaffte, waren sie völlig zusammenhangslos. Das drückte zwar aus, was sie empfand, half aber bestimmt nicht weiter. „Was… Aber du…“ Sie holte zweimal tief Luft und stellte erschrocken fest, dass ihr auf einmal die Tränen in die Augen stiegen. „Ich… Es tut mir leid, Adrian, ich wollte dich nicht…“ Ihr entkam ein leiser Schluchzer, während ihr schon eine Träne über die Wange lief. Ihr langsamer Verstand ließ sie erst jetzt erkennen, warum ihr Körper so auf das alles reagierte. Sie hatte Angst. Angst, dass Adrian sie aus Mitleid geküsst hatte. Dass er sich eigentlich vor dem hier ekelte und sie ihn dazu gezwungen hatte, etwas zu tun, das er nicht wollte. Sie ließ den Kopf hängen und versuchte sich zu beruhigen, während ihre Hände sich immer noch an seinen Seiten festhielten. Ihr Murmeln war leise und leicht unverständlich, als sie zu einer weiteren Entschuldigung ansetzte. „Bitte verzeih mir… Ich weiß ja, dass du nicht…“ Ihre Blicke begegneten sich und Emily merkte, wie nah sie sich immer noch waren. Kaum eine Hand breit von einander entfernt. „Ich mag dich und ich hab nicht nachgedacht.“ Sein Herz machte Freudensprünge, während sie sich küssten, auch wenn es entsetzlich falsch war. Adrian wusste es. Doch nichts erschien ihm jemals so schwierig, wie das einzig Richtige zu tun. Seine Lippen mussten sich von ihr trennen. Seine Hände mussten sie los lassen. Ihre Wärme durfte ihn nicht länger umfangen, ebenso wenig wie ihr Duft! Es war nicht richtig, noch länger zuzulassen, dass er sich diesem Gefühl hingab, das so viel besser war, als alles bisher Erlebte. Aber er schaffte es einfach nicht. Adrian würde sich selbst das Herz zerquetschen, wenn er jetzt von ihr abließ. Zumindest fühlte sich allein der Gedanke daran, bereits so schmerzhaft an. Am Ende war es Emily, die den Kuss beendete und ihn dazu zwang, von ihr abzulassen. Er hatte ihre Gegenwehr gespürt, obwohl sie ihn noch immer berührte, dennoch gehorchte er. Das fröhliche Flattern in seinem Magen wurde mit einem Schlag zu scharfen Klauen, die sich in seine Eingeweide bohrten, als er ihr entsetztes und zugleich verwirrtes Gesicht sah. Noch dazu füllten sich ihre Augen mit Tränen, während sie undeutliche Worte stammelte, was ihm noch mehr zusetzte. Verdammt, genau deshalb hatte schon die ganze Zeit in seinem Kopf der Alarm geschrillt. Sie hatte ihm zwar einen Kuss gegeben, aber er in seinem Rausch hatte nicht einmal darüber nachgedacht, sondern einfach nur zugelassen, dass er seinem Gefühl nachgab. Wäre er auch nur annähernd nüchtern gewesen, wäre ihm schon bei dieser einen unschuldigen Berührung klar gewesen, dass sie damit nichts hatte bezwecken wollen. Sie wusste, oder besser gesagt, sie glaubte, dass er auf Männer stand. Wie hätte sie denn wissen können, dass das der Funke gewesen war, der das Dynamit seiner Gefühle zum Explodieren brachte? Er war ja so ein verdammter Idiot! Sie ließ den Kopf hängen und versuchte sich weiter zu entschuldigen, dabei war er hier alleine schuld. Er hatte nicht nachgedacht, denn hätte er das getan, dann säße er jetzt nicht so tief in der … Ach, was dachte er da? Das war gerade der Todesstoß gewesen! „Emily…“, begann er unbeholfen. Adrian hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun konnte, um den Schaden einzugrenzen. Wenn es nur um ihn gegangen wäre, hätte er den Schmerz in seiner Brust irgendwie ertragen können, auch wenn da etwas in ihm kurz vorm Erwachen stand, was ihn fast umhaute. Nie zuvor hatte er so gefühlt, was im Moment nicht gerade eine Hilfe war, da es ihn nur noch mehr verwirrte, als der Alkohol und diese andere Art von Rausch ohnehin schon taten. Aber darum ging es nicht. Emily musste völlig schockiert sein. „Emily, bitte hör auf dich zu entschuldigen.“ Sanft berührte er ihr Kinn und hob es vorsichtig an, damit sie ihn wieder ansah. Eine Träne lief ihr über die Wange, die er mit dem Daumen weg wischte. Verdammt, ihm wurde schwindelig. „K-Können wir uns hinsetzen?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er sie mit sich auf den Boden. Bis zu einem Sessel hätte er es nicht mehr geschafft. Alles drehte sich, aber er versuchte sich auf das zu konzentrieren, was jetzt wichtig war. Wie gerne wäre er wieder nüchtern, denn obwohl diese ganze Situation seinen Kopf etwas geklärt hatte, spürte er sich trotzdem nicht richtig. „Hör mir zu.“, begann er noch einmal, sah sich kurz um und fischte ein Geschirrtuch von der Theke, ehe er es dazu verwendete, ihr die Tränen zu trocknen. „Das war nicht dein Fehler, hörst du? Ich habe nicht nachgedacht.“ Hätte er das doch bloß getan. „Ich…“, er suchte in seinem vernebeltem Gehirn nach den richtigen Worten, fand aber nur einzelne Eindrücke, was nicht sehr hilfreich war. „Ich mag dich auch. Wäre das nicht so, dann hätte ich nicht … ich könnte nicht…“ Leise stöhnend hielt er sich seinen Kopf. Er war absolut nicht in der Lage, eine ordentliche Konversation zu führen. Gerne hätte er dieses Gespräch auf später verschoben, wenn er wieder zusammenhängend denken konnte, doch dazu war es zu wichtig. „Ich bin zwar betrunken, aber ich wollte dich küssen…“, gestand er schließlich, ohne sie anzusehen. Das konnte er einfach nicht. „Die ganze Zeit schon…“ Emily verfiel sofort in Schweigen, als Adrian sie dazu aufforderte, sich nicht mehr zu entschuldigen. Sie sank in sich zusammen und saß ihm nun gegenüber, mit der Wand immer noch in ihrem Rücken. Sie fühlte sich in diesem Moment so verletzlich, dass sie sich am liebsten in das Eck zwischen Wand und Küchenzeile zurückgezogen hätte. Aber bewegen konnte sie sich auch nicht. Die Stimmung, die sie beinahe zu erdrücken drohte, hatte sie regelrecht an Ort und Stelle festgetackert. Als er ihr mit dem Geschirrtuch die Tränen wegwischte, hätte diese kleine Geste beinahe das Gegenteil bewirkt. Emily biss die Tränen tapfer hinunter, die sich in ihr aufstauten und ihr sogar den Hals so zuschnürten, dass es fast wehtat. Es war nicht ihr Fehler? Sie hatte ihn doch an sich gezogen und sich ihm aufgedrängt. Natürlich war es ihr Fehler! Sein leises Stöhnen ließ tatsächlich eine neue Träne über ihr Gesicht kullern, die sie aber sofort mit dem Geschirrtuch auffing, das sie Adrian aus der Hand genommen hatte. Gerade wollte sie schlechtes Gewissen wie eine Dampfwalze überrollen, als Adrian mit seinen Worten die Zeit anzuhalten schien. Emily hörte die Uhr über der Tür ticken, doch es hätte sie nicht im Geringsten verwundert, wenn jedes Staubkorn in der Luft in diesem Moment in seiner Bahn zur Erde aufgehalten worden wäre. „Ich versteh nicht.“ Sie sprach leise und ihre Stimme hörte sich heiser an, denn ihr Hals war wie Schleifpapier, an dem sich die Luft vorbei rieb, die Emily zum Atmen brauchte. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken, was wieder ein Schwindelgefühl in ihr hervorrief. Allerdings wusste Emily nicht genau, ob es allein am Alkohol lag. „Wie meinst du das – die ganze Zeit schon?“ Die dunkle Ecke neben sich kam Emily immer verführerischer vor, je länger sie vor Adrian saß, der sie nicht ansah, sondern ein gesteigertes Interesse für die Brotkrümel auf dem Parkett entdeckt zu haben schien. Es war zwar dumm zu sagen, dass der Alkohol nicht nur seine schlechten Seiten hatte. Aber so war es. Adrian fühlte sich zumindest soweit betäubt, dass er zwar Angst hatte, aber sie ihn nicht vollkommen erstarren ließ. Nur weil sein Gehirn sich halb taub anfühlte, konnte er das sagen, was ihm im nüchternen Zustand so unglaublich schwer gefallen wäre. Nicht, dass es jetzt leichter war, aber im Grunde war schon alles egal. Beinahe wünschte er sich, sie nicht zurück geküsst zu haben. Die stille Eifersucht, die unerklärliche Sehnsucht, ja selbst die Einsamkeit war leichter zu ertragen, als diese neuen Gefühle, die er nicht kannte, aber so viel schlimmer waren, da er sie nicht mehr fühlen konnte. Nicht nachdem, was er gleich sagen würde. Hätte er sich doch niemals diesen kleinen Blick ins Paradies erhascht. Die Folgen waren vernichtend. Er war aschfahl im Gesicht, als er seinen Blick endlich hob und Emily unendlich schuldig ansah. Das war besser, als seine verletzliche Schwäche zu zeigen, oder wie sehr sein Herz wehtat. Seltsamerweise war seine Stimme zwar leise, aber vollkommen ruhig. Wie die Ruhe vor dem Sturm. So schwer es auch fiel, er würde jede Reaktion akzeptieren, selbst wenn ihm das den Boden unter den Füßen wegriss. „Ich habe dir bei unserem ersten Treffen gesagt, dass ich mich nicht für Frauen interessiere. Genauso wenig wie ich mich für Männer interessiere. Männer, Frauen, sie alle waren mir egal, solange sie mich in Ruhe ließen.“ Seine Augen brannten, weil er nicht blinzelte, dennoch sah er sie weiter an. Konnte nicht wegschauen. „In letzter Zeit hat sich das verändert. Ich mag dich. Ich fühle mich in deiner Nähe wohl und geborgen. Weißt du, wie viele Frauen das von sich behaupten können?“ Er wartete auf keine Antwort. „Keine. Auch nicht in der Zeit vor dir. Emily, ich bin nicht schwul. War ich nie und werde ich nie sein. Patrick ist ein guter Freund, genauso wie Tyson, aber mehr nicht.“ Wenn das so weiterging, würde er sich gleich übergeben müssen. Seine Brust zog sich viel zu eng zusammen, so dass er kaum Luft bekam und seine Eingeweide wurden regelrecht gequetscht. Dennoch hielt er sich tapfer aufrecht. Bereit das Urteil über sich ergehen zu lassen. Emily fühlte, wie ihr heiß wurde und sich der Raum um sie herum einzuschränken begann. Sie konnte den Druck spüren, der sich zwischen ihr und Adrian aufbaute und mit jedem Wort schwerer wurde, das er sagte. Sie sagte gar nichts, da sie hoffte, er wäre mit seiner Erklärung noch nicht zu Ende. Aber nach einer Weile musste sie zumindest wieder Luft holen, was sie anscheinend währen Adrian sprach völlig vergessen hatte. Das Geräusch, das sie dabei verursachte, hörte sich an wie ein gequälter Seufzer und kam tiefer aus ihrem Inneren, als sie es für möglich gehalten hätte. Ihr Kopf schwamm immer noch auf einem weichen Kissen aus Alkohol, was ihre Reaktion nur noch weiter verzögerte, da sie das, was er ihr gesagt hatte, für sich selbst kaum ordnen konnte. Adrian war nicht schwul. Soviel hatte sie verstanden. Immerhin war das die letzte Aussage gewesen, die er gemacht hatte. Verdammt, wenn sie nicht so benebelt gewesen wäre, dann hätte sie ihm bestimmt auch besser folgen können. Aber eines drängte sich ihr mit ziemlicher Schärfe auf und ließ sich nicht leugnen. Allerdings wollte sie es unter dem Blick seiner eisblauen Augen nicht selbst in den Raum stellen. Er hatte sie angelogen. Zwar hatte er nie wörtlich gesagt, dass er homosexuell war, aber ihm war von Anfang an klar gewesen, dass Emily das dachte. Und dass sie ihn nur unter dieser Bedingung bei ihr einziehen lassen würde. Dann hatte er ihr das alles nur vorgespielt? Das Poster in seinem Zimmer und das vermeintliche Date mit Patrick… Gott, sie hatte ihn mehr oder weniger dazu gezwungen sich mit diesem Mann zu treffen… Noch länger konnte sie seinem Blick nicht standhalten und sah auf ihre Knie. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Finger sich in ihre Knöchel krallten und sie ließ vorsichtig los. Was bedeutete das denn nun alles? Emily schüttelte den Kopf, was keine gute Idee war, da ihr davon sofort schwindelig wurde und sie anfing schnell zu atmen, um einen Anfall von Übelkeit hinunter zu kämpfen. Was war denn überhaupt wichtig? Sie schien Adrian für eine unbestimmte Zeit völlig vergessen zu haben und auch als sie den Blick wieder hob, um ihn zu betrachten, schien sie seine Anwesenheit nicht wirklich wahrzunehmen. Sie sah sich sein Gesicht an, als wäre es ein Bild von ihm. Emily wollte feststellen, was sie tun sollte und hoffte, dass die Antwort in Adrians Gesicht zu finden war. Allerdings brachte sein Anblick sie nur noch mehr durcheinander. Wieder hatte er nur in Andeutungen gesprochen. Ok, er war nicht schwul. Und er mochte sie. Aber wie sehr denn? Dem Kuss nach zu urteilen, von dem er behauptet hatte, er hätte ihn sich schon lange gewünscht… „Was sollen wir jetzt tun?“ Sie sah ihn Hilfe suchend an. Zumindest ihre Gefühle setzten sich schlagartig wie ein Puzzle zusammen, als sie ihn nun wieder als eine eigene Person erkannte. Das vorhin bei dem Kuss war keine Einbildung gewesen. Die Gefühle hatten sie beinahe von den Füßen gefegt. Das konnte nicht allein am Alkohol liegen. Aber… „Da ist Richard.“ Sie hatte es ganz leise gesagt, konnte aber sehen, wie Adrian bei dem Namen unmerklich zusammen zuckte. Sofort griff sie seine Hand und hielt sie fest. „Ich weiß nicht… Wir sollten das vielleicht nicht jetzt und hier…“ Aber die Frage schwirrte immer noch in ihrem Hirn. Was sollten sie tun? Gerade jetzt in diesem Augenblick. Es wäre Emily schon lächerlich vorgekommen, wenn sie jeder in ihrem eigenen Zimmer, jeder in einem leeren Bett übernachtet hätten. Wenn es denn die Wahrheit war, was Adrian gesagt hatte. Ihre Augen flehten ihn an, sie nicht zu belügen, als sie die nächste Frage stellte. „Willst du… Willst du, dass wir zusammen sind?“ Emily hatte ja keine Ahnung, welche Horrorvorstellungen sich in seinen Gedanken bildeten, während sie ihn so lange warten ließ. Das Warten und die Ungewissheit waren tausendmal Schlimmer, als Vorwürfe, Beschimpfungen oder Verachtung je hätten sein können. Adrians Verstand kannte viele grausame Dinge, darum war er sein schlimmster Foltermeister. Vielleicht konnte er deshalb so schwer glauben, dass sie ihn schließlich einfach nur fragte, was sie jetzt tun sollten? Diese Reaktion hätte er nicht erwartet. Andererseits war sie so wie er nicht wirklich in der richtigen Verfassung, um klar denken zu können und schon gar nicht, um Entscheidungen zu treffen. Vielleicht kam das Unwetter erst mit der Ernüchterung. „Da ist Richard.“, murmelte sie leise und es war, als würde man ihm eine gezackte Klinge ins Herz stoßen, als er das hörte. Trotz der Betäubung war der aufflammende Schmerz so heftig, dass er zusammen fuhr und beinahe gestöhnt hätte. Diesen Kerl hatte er unglaublicher Weise vollkommen vergessen. Nun war er jedoch wieder deutlich präsent. Adrians Welt war kurz davor endgültig zusammen zu brechen, als Emily ihm einen Rettungsanker hin warf, in dem sie seine Hand nahm. Adrian starrte sie fassungslos an, ließ dann aber den Kopf hängen und drückte ihre Hand an sein heftig pochendes Herz. Emily hatte Recht, sie waren im Moment beide nicht in der Lage klar zu denken, sie sollten dieses Gespräch also besser auf später verschieben. Immerhin konnte er nicht einmal sagen, ob er es überhaupt noch schaffte, vom Fußboden aufzustehen. Das war doch wohl ein untrügliches Zeichen für den desolaten Zustand seines Gehirns. Als Emily weiter sprach, musste Adrian sich stark konzentrieren, um den Sinn ihrer Worte erfassen zu können. Aber Anfangs glaubte er, sich verhört zu haben. „Wie bitte?“, fragte er völlig verunsichert. „Du … trotz der Lügen … ich …“ Die Hand, welche die von Emily hielt begann heftig zu zittern. Diese Möglichkeit lag so fern von jeglichen Eventualitäten, die er gefürchtet oder eben nicht gefürchtet hatte, dass er nichts damit anfangen konnte. Zwar verstand er den Sinn, aber nicht den Zusammenhang. Also sagte er einfach die Wahrheit. „Emily … ich will dich … wir sollten das aber nüchtern besprechen … kein guter Zeitpunkt jetzt.“ Wenn sie es im Augenblick wirklich so meinte, wie sie gesagt hatte, dann musste er so fair sein, ihr die ganze Geschichte zu erzählen, wenn sie wieder bei klarem Verstand waren. Er wollte sie nicht noch länger anlügen müssen. Sollte wirklich der äußerst unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sie zusammen kamen, dann musste Emily wissen, worauf sie sich da einließ. Adrian war in Sachen Beziehung ein totaler Anfänger. Das würde für sie bestimmt nicht leicht werden. Aber auch darüber konnte und wollte er jetzt nicht länger nachdenken. „Gehen wir ins Bett … hat heute keinen Sinn mehr…“, meinte er schließlich etwas beruhigt. Mühsam zog er sich an der Theke hoch und blieb einen Moment taumelnd stehen, bis der Schwindel nachließ. Danach half er Emily dabei, vom Boden aufzustehen. Er hielt sie an der Taille fest, sowohl um sie zu stützen, als auch selbst gestützt zu werden. Aus rein praktischen Gründen, schlug er schließlich den Weg zu seinem eigenen Zimmer ein. Adrian wusste nicht, ob er sich heute noch mit Emilys Kissenplage auf ihrem Bett hätte anlegen können. Es war sogar höchst unwahrscheinlich. Würden sie sich nicht gegenseitig abstützen, er hätte sich der Länge nach auf dem Boden ausgestreckt und würde dort seinen Rausch ausschlafen. Auch wenn es lange dauerte, so standen sie schließlich bei ihm im Zimmer vor seinem Futon. „Du kannst es dir noch anders überlegen.“, nuschelte Adrian, dessen Kopf schon so schwer wie ein Zementbrocken war. „Wenn ich dich … in dein Bett bringen soll … sag es … aber ich bin mir sicher … wenn ich jetzt in die Vertikale gehe … komme ich nicht mehr hoch.“ Mühsam streifte er sich die Schuhe ab. Emilys Hirn erfasste nur noch den Sinn von ‚gehen wir ins Bett’ und sie nickte langsam und mit Dankbarkeit in ihren Augen. Zwar hatten sie noch gar nichts wirklich geklärt, aber es fühlte sich zumindest nicht so an, als würde die Situation an ihrem Herzen nagen und sie wach halten. Wahrscheinlich hätte sie so gut wie nichts und niemand mehr lange wach halten können. Sie ließ sich wiederum von ihm aufhelfen und tappte schweigend hinter ihm her in sein Zimmer, wo Adrian ihr noch einmal die Möglichkeit gab, sich anders zu entscheiden. Wenn sie aus der ganzen Sache raus wollte, dann konnte sie das jetzt. Sie müsste einfach nur sein Zimmer verlassen und in ihr eigenes Bett verschwinden. Morgen würde so oder so ein Gespräch anstehen, das sich gewaschen hatte. Genau das gab ihr noch den letzten Schubs und sie streichelte Adrian kurz über den Rücken, bevor sie sich noch einmal umdrehte. „Bin gleich wieder da.“ Mit Adrian in einem Bett zu schlafen war eine Sache, aber sie würde es nicht nackt tun. Also machte sie sich auf den unheimlich langen Weg in ihr eigenes Zimmer und kramte unter ihrer Überdecke nach ihrem Schlafanzug. Nachdem Emily verschwunden war, um sich vermutlich so bettfertig wie möglich zu machen, schälte er sich aus seiner Hose, zwang sich dazu, die Knöpfe seines Oberteils zu öffnen, was sich als äußerst schwierig erwies, da es Knoten in Schlaufen waren. Irgendwann schaffte er es jedoch, danach schlurfte er taumelt auf eine beliebige Seite des Bettes, schlug die Decke zur Seite und ließ sich auf die Matratze nieder. Obwohl ihm nicht kalt war, zog er sich die Decke bis zum Hals hoch, da er es einfach nicht mehr geschafft hatte, sich auch noch ein Shirt zu seiner Boxershorts anzuziehen, das Alex‘ Spuren verdeckt hätte. Sein Hals war inzwischen eher grün und blau, und auch die meisten Kratzer waren nur noch als blasse Linien zu erkennen, aber die auf seinem Rücken konnte man nicht übersehen. Zum Glück würde Emily noch betrunken genug sein, um es nicht zu bemerken. Vor allem, da er sich sowieso unter der Decke befand. Emily konnte kaum glauben, dass sie es auch noch ins Bad schaffte, um sich abzuschminken. Das Zähneputzen ließ sie allerdings mit leicht schlechtem Gewissen ausfallen. Sie war einfach zu müde und Adrian würde sich hoffentlich nicht daran stören. Als sie schließlich im Schlafanzug wieder in sein Zimmer kam, lag er schon im Bett. Emily war sich nicht sicher, ob er schon eingeschlafen war, zog aber vorsichtshalber sehr leise die Tür zu und ging um sein Bett herum zur freien Seite. Dort schlug sie die Decke zurück und steckte ihre Beine darunter, bevor sie es sich bequem machte. Adrian hatte es wohl nicht geschafft die Augen noch offen zu halten und war eingeschlafen. Aber das konnte ihm Emily nicht verdenken. Ihr selbst waren die Lider so schwer, dass sie es kaum noch schaffte sich zu ihm umzudrehen und einen Arm um ihn zu legen, bevor sie weg driftete. Kapitel 20: 20. Kapitel ----------------------- Am nächsten Morgen dröhnte sein Schädel wie das Innere einer schlagenden Glocke. Das helle Licht vor seinem Fenster stach ihm regelrecht in den Augen. Er hatte einen ekligen Geschmack im Mund und ihm war schlecht. Ja, so fühlte sich definitiv ein ausgewachsener Kater an. Einen Moment blinzelte Adrian, um die Uhrzeit ablesen zu können. Irgendetwas mit zwei Uhr Nachmittags musste es sein, er war sich allerdings nicht sicher. Sein Gehirn kam nur stotternd in die Gänge, aber dafür arbeitete sein Körper bereits auf Hochtouren. Er musste dringend wo hin. Also schlug er langsam die Decke zur Seite und wollte sich aufrichten. Überrascht starrte er auf die fremde Hand, die da warm auf seinem Bauch lag. Mit einem Schlag fiel Adrian alles wieder ein und die Erkenntnis schien seinen Kopf zum Explodieren zu bringen. „Scheiße.“, stöhnte er gequält und presste seine Hände gegen die Schläfen, während er die Augen fest verschlossen hielt. Trotzdem. Er musste jetzt unbedingt ins Badezimmer! Also legte er sanft die Hand zur Seite und schlüpfte aus dem Bett. Die Bodendielen knarrten, als er wie ein Geist ins Bad wanderte, um seiner Blase einen Freundschaftsdienst zu erweisen. Danach putzte er sich erst einmal ausgiebig die Zähne, um den ekligen Geschmack aus dem Mund zu bekommen. Sein nächster Gang war unter die eiskalte Dusche, um wieder einen klaren Kopf und muntere Lebensgeister zu bekommen. Danach ging es ihm schon wesentlich besser. Nur noch mit einem Handtuch um die Hüften bekleidet, kochte er starken Kaffee, richtete zwei Gläser mit Aspirin her, stellte noch genügend Mineralwasser bereit und setzte sich dann an den Küchentisch. Sein Kopf sank mit der Stirn auf die Holzplatte. Er war ja so was von fertig. Natürlich hatte er Emily in seinem Bett nicht vergessen, aber er wollte sich nur einen Moment von seinem Kater erholen, danach würde er sich anziehen und sich den Dingen stellen, die da mit absoluter Sicherheit kamen. Die Klospülung und das anschließende Rauschen der Dusche weckten Emily endgültig auf. Als Adrian aufgestanden war, hatte sie noch beschlossen das Tageslicht einfach zu ignorieren und sich die Decke lieber bis zu den Ohren nach oben zu ziehen, sowie die Augen gar nicht erst aufzumachen. Da Adrians Abwesenheit sich allerdings hinzog, schlug Emily doch irgendwann die Augen mühsam auf und suchte im Zimmer nach einer Uhr. Auf dem Nachtkästchen am anderen Ende des Bettes fand sie einen Wecker, der halb drei Uhr nachmittags anzeigte. Ganz vorsichtig drehte sie sich auf den Rücken, da sie wusste, dass ihr Magen bei einem Kater ihr absoluter Schwachpunkt war. Das letzte Mal war sie auch nicht überrascht gewesen, nach der Sauftour mit Julie am nächsten Morgen über der Kloschüssel hängend zu enden. Heute wollte sie das allerdings dringend vermeiden. So unter Adrians Decke in seinem Zimmer, das sie bis jetzt mehr oder weniger erst dreimal betreten hatte, kam sie sich fremd und ein wenig Fehl am Platze vor. Alles roch nach ihm, vor allem seine Bettwäsche, sodass sie sich von seiner Gegenwart völlig eingeschlossen fühlte, obwohl er gar nicht im Raum war. Und anscheinend hatte er auch nicht unbedingt vor, zurück zu kommen. Zumindest hörte sie ihn auf dem Flur vom Bad in die Küche laufen und kurze Zeit später das Glucksen der Kaffeemaschine. Was erwartete oder erhoffte sich Adrian jetzt von ihr? Dass sie aus seinem Bett aufstand und zu ihm in die Küche kam? Oder dass sie auf ihn wartete? Vor allem die Tatsache, dass er bereits geduscht hatte, scheuchte sie schließlich aus dem Bett und zog sie ebenfalls ins Bad, wo sie nur schnell unter die Dusche sprang, um sich anschließend wieder den Pyjama über zu ziehen. Außerdem holte sie das Zähneputzen nach und trank schon jetzt ein paar Schlucke Wasser, um ihren Magen ein wenig zu beruhigen. Er fühlte sich nicht so aufgewühlt an, wie beim letzten Mal, aber wenn sie an das Gespräch dachte, das ihnen bevorstand, war sie sich verdammt sicher, dass sich das schnell ändern konnte. Emily zitterte vor Anspannung, als sie in die Küche trat, wo sie Adrian allerdings nicht vorfand. Dankbar schüttete sie eines der vorbereiteten Aspirin-Getränke hinunter und kaute auf einem trockenen Stück Brot herum. Setzen konnte sie sich nicht, denn ihr ganzer Körper schien unter Strom zu stehen, auch wenn sie gleichzeitig völlig ausgelaugt war. Emily wollte Adrian nicht in sein Zimmer nachlaufen, also trug sie die Getränke, die er vorbereitet hatte, auf einem Tablett ins Wohnzimmer und hüllte sich dort in eine Decke. Umziehen würde sie sich später. Im Moment fiel ihr für diese Anstrengung kein triftiger Grund ein. Ihre Finger spielten nervös an einem losen Faden der Decke herum, während sie auf Adrian wartete. Schon bei dem Gedanken, dass er bald in der Tür auftauchen könnte, schlug ihr das Herz bis zum Hals. Nachdem er Emily ins Bad gehen hörte, hob er mühsam seinen zentnerschweren Kopf von der Platte und stand widerwillig auf. Das war jetzt ein guter Zeitpunkt, sich etwas anzuziehen, bevor sie sich endgültig gegenüber standen. Allein der Gedanke daran, ließ sein Herz schneller schlagen und Adrian hatte Angst. Dennoch hatte er sich gestern geschworen, sein Leben zu ändern, nicht davonzulaufen und sich den Dingen zu stellen, die da auf ihn zukamen. Für Emily war das bestimmt ebenso schwierig, darum wollte er es nicht noch schlimmer machen, in dem er sich drückte. Auch wenn er am Liebsten in irgendein Loch gekrochen wäre, um der Wahrheit nicht ins Auge sehen zu müssen. Obwohl, was war jetzt eigentlich nun die Wahrheit? Während Adrian sich eine graue Jogginghose und ein schwarzes Shirt anzog, versuchte er das gestrige Gespräch in der Küche noch einmal Revue passieren zu lassen. Hatte ihn Emily wirklich gefragt, ob er mit ihr zusammen sein wollte? Irgendwie glaubte er noch immer, dass er sich das nur eingebildet hatte, oder das alles nur Wunschdenken war. Irgendwas war da auch noch mit Richard gewesen, was in ihm sofort wieder diese heftige Eifersucht zuschlagen ließ. Er konnte den Typen nicht ausstehen und das war eine Tatsache. Wenigstens hatte er eine schwierige Sache schon hinter sich. Emily wusste jetzt, dass er nicht schwul war. Ein Problem weniger. Blieben noch unendliche mehr. Adrian zog sich noch weiche Socken an, ehe er sich auf die Suche nach seiner Mitbewohnerin machte, die er dann auch schon im Wohnzimmer antraf. Sein Herz wollte sich gar nicht mehr beruhigen und das ganze Adrenalin führte zu noch heftigeren Kopfschmerzen, aber das hatte er verdient. „Gute Morgen.“, nuschelte er also leicht geknickt, ehe er um die Couch herum schlurfte, sich sein Glas mit dem Aspirin nahm, es in wenigen Zügen leerte und sich dann mit einer weiteren Decke auf seine Seite der Couch setzte. Erst dann wagte er, Emily anzusehen, was ihm unglaublich schwer fiel, doch er hielt dieser Prüfung stand. „Zuallererst habe ich das Bedürfnis, mich dafür zu entschuldigen, dass ich dir gestern den schönen Abend versaut habe. Ich hatte wirklich Spaß.“ Er rieb sich über das stoppelige Kinn, ehe er sich mit beiden Händen die Schläfen massierte, was vielleicht seine Kopfschmerzen milderte, aber sicherlich nicht seine Gefühle beruhigen konnte. Es fühlte sich so an, als stünde er gerade unter einer heißkalten Dusche an Emotionen, die seinen Körper durchschüttelten. Einerseits war da die Angst, es könnte alles noch schlimmer werden, andererseits erinnerte er sich noch haargenau an den Kuss und welche Dinge da auf einmal in ihm explodiert waren. Gefühle von denen er geglaubt hatte, dass es sie nicht wirklich gab. Anscheinend hatte er sich verdammt noch mal geirrt. „Es tut mir auch leid, dass ich dich wegen meiner sexuellen Ausrichtung im Unklaren gelassen habe, aber als ich bei dir einziehen durfte, hätte ich niemals erwartet, dass sich die Dinge so entwickeln würden. Ich hoffe doch, dass du trotzdem nicht annimmst, ich könnte dir etwas antun, während du schläfst oder andere Dinge, vor denen du dich klugerweise vorsiehst.“ Zwar konnte er nicht von Emily verlangen, dass sie ihm nach all diesen Dingen vertraute, aber er würde ihr doch niemals etwas antun, sie bestehlen oder gar ermorden. Emily hatte nicht damit gerechnet, dass Adrians Anblick sie gleich derart aus dem Takt bringen würde. Beinahe hätte sie sich an dem Kaffee verschluckt, an dem sie gerade genippt hatte, als er in der Wohnzimmertür auftauchte und ihr einen guten Morgen wünschte. Als er sich ein wenig umständlich hinsetzte, musste Emily sich mit Gewalt zwingen keine Schutzhaltung anzunehmen, sondern ihn einfach nur anzusehen, während er es sich gemütlich machte. Sobald sich ihre Blicke trafen, musste sie lächeln. „Guten Morgen.“ Am liebsten hätte sie das schon vorhin im Bett gesagt, aber dass er geflüchtet war, hatte seine Vorteile. Sich hier – so zu sagen auf neutralem Boden – zu unterhalten war Emily wesentlich lieber als in Adrians Zimmer oder sogar in seinem Bett. Am liebsten hätte sie seine Entschuldigung mit einer leichten Geste weggewischt, weil eigentlich klar war, dass er gar nichts versaut hatte. Sie, Emily, war es doch gewesen, die ihn an sich gezogen und ihn geküsst hatte. Bei der Erinnerung daran und vor allem, an seine Reaktion schien irgendetwas in ihrem Magen auf und ab zu hüpfen. Sie spürte deutlich, dass es Adrian wichtig war, zu sagen, dass ihm der Abend gefallen hatte. Allerdings fühlte sie sich ein wenig so, als würde er ihr den schwarzen Peter zuschieben, indem er nicht über das sprach, was nach ihrem Heimkommen passiert war. Aber das war auch von Anfang an ihr eigenes Werk gewesen, also war es wohl legitim, dass sie mit diesem Thema rausrückte. Sie dachte am besten gar nicht darüber nach, was im schlimmsten Fall passieren konnte. „Du hast gar nichts versaut.“ Sie sah ihm mit einem Lächeln in die Augen. „Freut mich, dass es dir gefallen hat. Ich hatte auch viel Spaß.“ Emily biss sich sichtlich auf die Unterlippe, während sie überlegte, wie sie auf seine zweite Entschuldigung reagieren sollte. „Ich glaube dir, dass du nichts Schlimmes vorhattest, als du hier eingezogen bist.“ Sein letzter Kommentar, der sich tatsächlich etwas besorgt angehört hatte, brachte sie sogar ein wenig zum Lachen. Aber mit sehr ruhiger, leiser Stimme fuhr sie fort und wusste, dass sie sich nun unweigerlich zu dem Thema hintastete, das ihnen beiden wohl schwer im Magen lag. „Denkst du wirklich, dass ich Angst vor dir habe? Immerhin habe ich in deinem Bett übernachtet… Adrian, ich…“ Ihr Herzschlag schien ihre Stimmbänder außer Gefecht gesetzt zu haben, denn sie musste sich kurz räuspern, bevor sie mit leicht kratziger Stimme fortfahren konnte. „Ich hab die Frage gestern ernst gemeint.“ Sie hatte unter der Dusche noch einmal gründlich darüber nachgedacht. Adrian hätte ihr sicher die Möglichkeit gegeben, alles wieder ungeschehen zu machen. So wie Emily es jetzt tat. Seine Antwort gestern lag ihr noch in den Ohren, aber im nüchternen Zustand konnte er eventuell ganz anders denken. Sie bereitete sich jetzt schon einigermaßen auf seine Zurückweisung vor, auch wenn sie es nicht würde ertragen können. Deshalb wandte sie auch den Blick von ihm ab und harrte der Antwort, die da kommen würde. Da er noch immer nicht ganz fassen konnte, was hier gerade vor sich ging, war es schwierig einen passenden Ansatz zu finden. Aber mit irgendetwas musste Adrian beginnen, sonst würde Emily glauben, sein Schweigen wäre Antwort genug und er würde sie abweisen. Natürlich tat er das nicht. Obwohl er sich seiner Gefühle nicht im Klaren war, so war er doch mehr als nur bereit, herauszufinden, wohin sie beide das alles führte. „Ich würde gerne ja sagen, Emily. Weil ich zumindest weiß, dass du mir mehr bedeutest, als Tyson, der wie ein Bruder für mich ist. Aber fairerweise solltest du wissen, dass ich noch nie … auf diese Art mit jemandem zusammen war. Oder besser gesagt, ich weiß nicht, wie eine normale Beziehung auszusehen hat. Diejenige die ich hatte, erschien mir damals normal, heute weiß ich, dass sie das absolut nicht war.“ Er goss sich von dem Mineral ein und nahm einen großen Schluck, um seine trockene Kehle zu befeuchten. Dieses Thema war ihm verdammt unangenehm, da es noch dazu ziemlich aktuell zu sein schien. Leider. „Natürlich bin ich bereit, zu lernen, mich anzupassen, dir entgegen zu kommen, mich … zu öffnen. Aber willst du es mit mir überhaupt versuchen, wenn du all meine Fehler, Macken, Geheimnisse und vergangene Erlebnisse kennst?“ Nervös spielte er mit dem Verschluss der Flasche herum, während er sich dazu zwang, weiter zu sprechen, auch wenn er sich am liebsten selbst zum Schweigen gebracht hätte. Doch er würde Emily nicht mehr hintergehen. Es war zwar ein ganz schöner Brocken, was er so als Gesamtpaket darstellte, aber das war nun einmal er. Sie sollte die Chance haben, zu entscheiden, ob sie das alles wirklich haben wollte, oder ob sie sich doch lieber einen unkomplizierteren Typen suchen sollte. „Außerdem ist da noch Richard.“, fügte er vorsichtig noch an, bevor er die Bombe loslassen konnte. Wenn dieser Typ zwischen ihnen stand, konnte er sich die ganze Wahrheit sparen. Dann wäre es besser, wenn sie nicht alles von ihm wusste. Zumindest könnte das ein halbwegs normales Zusammenleben garantieren, auch wenn er jedes Mal halb wahnsinnig wurde, wenn er an ihren Boss und sie zusammen dachte. Emily musste ihn nach den Momenten, die quälend langsam vergingen, einfach wieder ansehen. Adrian konzentrierte sich aber scheinbar auf die Mineralwasserflasche und überlegte sich seine Antwort sehr genau. Als er schließlich anfing zu sprechen, klopfte Emilys Herz irgendwo in der Magengegend weiter, was sich sehr unangenehm anfühlte und ihr noch dazu elend werden ließ. Was er sagte und noch dazu seine Haltung überzeugten Emily nicht davon, dass Adrian sie wirklich haben wollte. Er würde gerne ja sagen. Das hörte sich wie eine nett verpackte Abfuhr an. Allerdings überwand sie sich und hörte ihn weiter an, bis er sie mehr oder weniger fragte, ob sie sich denn sicher war, dass sie ihn tatsächlich haben wollte. Emily setzte gerade zu einer Antwort an, als Adrian ihr im übertragenen Sinne mit einem Hammer gegen die Brust schlug. Richard. Jetzt konnte sie dem Drang wirklich nicht mehr widerstehen und zog ihre Knie an die Brust, die sie mit den Armen umschlang. Wie viel sollte sie Adrian denn erzählen? Was wollte er denn wissen? „Ich liebe Richard nicht.“ Das war die reine Wahrheit und das hatte Emily schon von Anfang an gewusst. Sie hatte darauf gehofft, dass sie in die Beziehung mit dem älteren Mann irgendwie mit der Zeit hinein wachsen würde, aber eigentlich war es schon zu Ende gewesen, bevor es angefangen hatte. „Gestern Nacht…“ In dem Kuss war alles gewesen, was Richard ihr nie würde geben können. Emily schluckte schwer und stützte ihr Kinn auf den Knien ab, bevor sie weiter sprach. „Es wäre nicht fair von mir, weiter zu machen. Egal, was … zwischen uns passiert.“ Warum fiel es ihr bloß so schwer darüber zu sprechen? Warum konnte sie noch nicht einmal dieses kleine Wörtchen ‚uns’ aussprechen, ohne dass ihr Innerstes sich zusammen zog und ihr Herz angstvoll klopfte? Weil Adrian noch nicht ja gesagt hatte. Es gab noch kein ‚uns’. Noch war die Gefahr groß, dass es gar kein ‚uns’ geben würde. „Ich mache Schluss mit Richard.“ Das räumte hoffentlich zumindest dieses Hindernis aus dem Weg. Emily zitterte leicht und konnte den Druck kaum mehr aushalten. Was würde Adrian ihr denn noch sagen? Irgendetwas lag ihm offensichtlich noch auf dem Herzen, das ihm mehr zu schaffen machte, als die Tatsache dass er noch keine befriedigende Beziehung gehabt hatte. Die Sache mit Richard erleichterte ihn so unendlich, dass es sich anfühlte, als würde man ihm einen riesigen Felsbrocken von der Brust nehmen. Bis gerade eben war er sich nicht sicher gewesen, ob Emily nicht doch zu Richard gehen würde. Der Kerl sah anständig aus, hatte sicherlich die Qualitäten, um ihr ein gutes Leben bieten zu können und vermutlich könnte man ihn heilig sprechen. Ganz anders als Adrian. „Ich werde nicht weiter wegen ihm nachfragen. Das geht mich nichts an. Ich bin nur froh, dass du nach gestern Nacht … die Sache mit ihm beenden willst.“ Sie hatte ohnehin nie vor Glück übergesprüht, wie eng konnte diese Beziehung schon gewesen sein? Bestimmt enger, als seine bisherigen, aber was wusste er schon von der Liebe… Zittrig fuhr er sich durchs Haar und vermied mehr denn je, den Blick mit ihr, damit er nicht noch mehr Schwäche zeigte. „Um ehrlich zu sein. Es hat mich wahnsinnig gemacht, dich bei ihm zu wissen. Ich wusste bis dahin noch nicht einmal, wie sich rasende Eifersucht anfühlt.“ Seine Stimme wurde immer leiser, doch schließlich wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Emily zu, um ihr in die Augen sehen zu können. „Dieses Wissen hat … es hat mich ganz schön zerfressen.“ Beschämt senkte er den Blick und schluckte hart. „Darum war ich in letzter Zeit so komisch. Ich hatte … Probleme die Fassung zu bewahren. Aber das ist … jetzt nicht so wichtig…“ Das war es also gewesen. Sofort machte sich schlechtes Gewissen in Emily breit. Ein Gefühl, das sie in der Gegenwart von Adrian allmählich gewohnt zu sein schien. Aber diesmal half er ihr es relativ schnell verschwinden zu lassen. Sie hatte nichts von seinen Gefühlen für sie gewusst, wie hätte sie denn auch? Genau darum hatte sich Adrian doch bemüht und es meisterhaft hinbekommen, dass sie nicht die Spur einer Ahnung davon gehabt hatte, dass er sie auf diese Art und Weise mochte. Sein Brustkorb hob und senkte sich deutlich, während er sich mit tiefen Atemzügen innerlich sammelte, um jetzt mit den eigentlichen Problemen aufzuwarten. „Das gestern Nacht mag vielleicht im Rausch passiert sein, aber es war garantiert nicht der Alkohol, der mich dazu getrieben hat, den Kuss zu erwidern. Er hat mir vielleicht die Hemmungen genommen, aber die Wahrheit ist, dass du Empfindungen in mir auslöst, die mir fremd sind. Es hat sich … um ehrlich zu sein … verdammt gut angefühlt, dich zu küssen und ich würde es jederzeit wieder tun. Das sollst du wissen. Denn das ändert sich nicht, egal wie du dich am Ende entscheidest. Ich bin mir sicher.“ Seine Stimme klang ernst und aufrichtig, als er das sagte, dann zog Adrian sich die Decke bis zu den Hüften hinab, drehte sich leicht zur Seite und zog sein Shirt aus. „Das hier ist ein Teil meiner Vergangenheit…“, begann er mit kühler, distanzierter Stimme zu erzählen, da er versuchte, es nicht emotional an sich heran zulassen, was Alexandra ihm vor kurzem angetan hatte. Dabei strich er über die langen Kratzspuren auf seiner Seite und dem Rücken, während er ins Leere starrte. „Das ist die Handschrift meiner einzigen Zusammenkunft mit einer Frau, die man wohl Beziehung nennen könnte. Alex hat mich vor kurzem aufgespürt und mir damit ihren Beweis der Zuneigung erbracht. Du kannst dir also vorstellen, wie unser Verhältnis zueinander aussah." Als er ihr nun mehr als deutlich sagte, dass er sie gern geküsst hatte, es wieder tun wollte, breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus und sie hätte ihm gern gesagt, dass sie das freute. Aber bevor sie noch etwas erwidern konnte, zog er sich das Shirt über den Kopf und die Stimmung änderte sich schlagartig. Sein Körper war von Kratzspuren übersät, von denen vor allem die ins Auge sprangen, die von seiner Seite bis auf seinen Rücken verliefen. „Das hat dir eine Frau angetan?“ Ihre Stimme war so leise, dass er sie vielleicht gar nicht gehört hatte. Emily schob ihre Füße unter sich, um sich nach vorn zu lehnen und ihn zu berühren, aber Adrian warf sein Shirt auf den Boden und wickelte sich in die Decke ein, bevor sie ihn über die kurze Distanz zwischen ihnen auf dem Sofa überwinden konnte. "Was ich dir eigentlich damit sagen will, ist, dass das hier ein vergleichsweise harmloser Teil meiner Vergangenheit ist.“ Er konnte Emily bei diesen Dingen einfach nicht in die Augen sehen. Vielleicht hätte sie dort mehr gesehen, als gut für sie war. „Ich habe dir erzählt, ich sei von Zuhause abgehauen, als ich sechzehn war.“, begann er nun leiser, jedoch ebenso kühl. „In diesen Jahren bis zu meinem 19. Geburtstag bin ich durch die mir selbst auferlegte Hölle gegangen. Du hättest mich nicht wieder erkannt...“ Für einen Moment hielt er mit seinen Worten inne, ehe er nur noch leise flüsterte: „Ich weiß, dass ich es dir sagen sollte, sagen muss, wen du da eigentlich vor dir hast. Aber die eigentliche Frage ist, ob du es auch wirklich hören willst? Denn danach gibt’s kein Zurück mehr.“ Endlich blickte er ihr in die Augen. Angst hatte seine Pupillen geweitet und das Blau verdunkelt, doch es lag auch Entschlossenheit darin. Sie war hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis ihn einfach in die Arme zu nehmen, während er sprach und ihm aus dieser kleinen Entfernung, die er von selbst nicht überwunden hatte, nur zuzuhören. Emily konnte fast sehen, wie er eine unsichtbare Mauer zwischen ihnen hochzog. Nein, sie sollte ihn nicht berühren. Im Moment ging es Adrian darum, dass er wissen wollte, ob sie ihn noch berühren wollte, wenn er ihr alles erzählt hatte. Also würde sie ihm zuhören und dann entscheiden, auch wenn sie sich jetzt noch ziemlich sicher war, wie die Entscheidung ausfallen würde. Wieder lehnte sie sich zurück und setzte sich in offener Haltung vor ihn hin. Wenn er sich ihr schon offenbaren wollte, dann hatte sie nicht vor, ihm das noch schwerer zu machen. Allerdings nahm sie sich ihre Kaffeetasse, um sich zumindest an irgendetwas festhalten zu können. „Ich höre dir zu.“, sagte sie schwach nickend. Sie würde ihm also zuhören und er würde reden. Adrian setzte damit alles auf eine Karte. Er wusste, er müsste ihr nicht alles sagen. Immerhin waren das Dinge aus seiner Vergangenheit, mit denen er größtenteils abgeschlossen hatte. Aber wie, wenn nicht so, sollte sie verstehen können, warum er nicht wie andere Männer war? Adrian kuschelte sich noch enger in die Decke und legte seinen Kopf nach hinten, so dass er das Aquarium beobachten konnte, während er versuchte, den ganzen Informationen in seinem Gehirn, eine geordnete Reihenfolge zu geben. Der gelbe Fisch war wieder einmal dabei, den Plastikturm zu erobern, was Adrian ein schwaches Lächeln abrang, ehe er ernst wurde und zu erzählen begann. Er berichtete Emily ausführlich die erste Zeit nach seiner Flucht. Wie er sich vor der Polizei versteckt hatte, da seine Eltern ihn natürlich suchen ließen. Er war von einem Ort zum anderen weiter gezogen, immer weiter weg von zu Hause. Den ersten einsamen Winter verbrachte er hauptsächlich frierend auf der Straße beim Trampen. Nach einer Weile war ihm das Geld knapp geworden. Es war ihm jedoch gelungen, noch etwas Miete für ein kleines Zimmer aufzubringen. Die Wohnung teilte er sich mit zwei arbeitslosen Typen, die den ganzen Tag schliefen und nachts immer unterwegs waren. Adrian hatte nie wirklich mitbekommen, was seine Mitbewohner so trieben, da er sich drei Jobs besorgt hatte, um über die Runden zu kommen, aber es reichte kaum zum Leben. Schon damals war ihm klar geworden, dass er nun zwar frei und eigenständig war, aber noch weniger Zeit für sich alleine hatte, als bei sich zu Hause. Wenn er gekonnt hätte, er wäre damals wieder zu seinen Eltern zurückgegangen, doch da war es bereits zu spät gewesen. Er arbeitete fast rund um die Uhr. Morgens trug er Zeitungen aus, mittags stand er am Fließband einer Verpackungsfabrik, abends jobbte er in einer Bar als Kellner. So sah sein Tagesablauf sieben Tage die Woche aus. Adrian kam vielleicht auf höchstens vier Stunden Schlaf pro Tag. Deswegen hatte er schließlich eine Tablette von seinem Mitbewohner angenommen, die ihn wieder fit machte. Allerdings bekam er so immer mehr Probleme mit dem Einschlafen, weshalb er sich schließlich jeden Tag nach der Arbeit auch noch eine Schlaftablette rein zog, um überhaupt zur Ruhe zu kommen. Morgens dann wieder die Tablette für den Start. Mittags eine kleine Aufmunterung in Form einer Pille und so begann sich der Teufelskreislauf zu schließen, bis er eines Tages beim Kellnern einfach zusammen gebrochen war, da sein Körper diese Belastung nicht mehr länger hatte ertragen können. Daraufhin hatte sein Boss ihn fristlos entlassen. Das Geld für die Miete und die Pillen reichte nun nicht mehr, weshalb er Probleme mit seinen Mitbewohnern bekam, die ihn schließlich raus schmissen. Eine Zeit lang war er noch bei ‚Freunden‘ unterkommen, die ihn in die schöne schmerzfreie Welt des Heroins einführten, da die Tabletten Adrians Sorgen nicht mehr hatten tilgen können. So bekam er auch seinen ersten Job als Dealer, damit er sich den Stoff überhaupt noch leisten konnte, aber zu mehr reichte es nicht. Weder Essen noch Kleidung waren so wichtig, wie der nächste Schuss. Anfangs hatte Adrian noch gedacht, er könnte jederzeit damit aufhören, doch als die Polizei eine Razzia im Park durchführte und sein Lieferant verhaftet worden war, war er dazu gezwungen worden, mehrere Tage ohne H auszukommen, was ihn fast umgebracht hätte. Zumindest hatte es sich so angefühlt. Von da an war ihm seine Sucht bewusst geworden. Irgendwann reichte es von vorne bis hinten nicht mehr. Also versuchte er sich mit seinen Bezugsquellen irgendwie anders zu arrangieren. Was ihn schließlich zu seinem ersten Blowjob brachte, den er für minderwertigen Stoff als Gegenleistung vollzog. Nachdem er sich dazu überwunden hatte, erkannte er eine neue Einkommensquelle im Verkauf seines eigenen Körpers, um sich seinen Vorrat an Drogen zu sichern. Jetzt brauchte er das Heroin nicht mehr nur, um seine Sucht zu befriedigen, sondern auch um seinen neuen Job ertragen zu können. Seine Freier waren immer nur Männer. Manchmal waren es ganz nette Typen, aber an anderen Tagen wurde er fast zu Tode gequält. Doch das war egal gewesen. Durch die Drogen hatte er sich selbst nicht mehr richtig gespürt und er musste auf den Strich gehen, da er immer höhere Dosen brauchte, um überhaupt noch in diesen Zustand der Sorglosigkeit zu kommen, nachdem er sich nach all dem Mist so sehr sehnte. Es war um die Zeit seiner Volljährigkeit gewesen. Jede Dröhnung hätte seine letzte sein können, doch einer seiner besonders brutalen Freier kam dem goldenen Schuss zuvor. Adrian erinnerte sich nicht mehr an die Stunden der Misshandlung. Im Krankenhaus erzählte man ihm später, dass er halbtot auf der Straße gefunden worden war. Er hatte sowohl innere, als auch äußere Verletzungen davon getragen und wäre fast verblutet. Dennoch erstattete er keine Anzeige. Das war der Tag, an dem er Gabriel – einen unglaublich netten Typen von der Sozialhilfe für Stricher – kennen gelernt hatte. Es war Gabriel gewesen, der Adrian mit seinen einfühlsamen Worten wachgerüttelt hatte. Der ihm sagte, dass er sein Leben noch ändern könnte, wenn er es denn wirklich wollte. Ein Leben ohne Sucht, ohne Gewalt und ohne Hunger. Lange nachdem Gabriel gegangen war, hatte Adrian noch wach gelegen und über die Möglichkeit eines Entzugs nachgedacht. Damals hatte er nicht mehr genug innerliche Stärke besessen, um sich wirklich dafür entscheiden zu können. Also ließ er es auf das Ergebnis seines Befundes ankommen. Wenn ihm die Ärzte gesagt hätten, er würde ohnehin bald an allen möglichen Krankheiten sterben, die er sich mit seinem Lebenswandel eingefangen hatte, hätte er das Krankenhaus verlassen und ohne zu zögern, so lange weiter gemacht, bis er wirklich tot war. Doch das Schicksal hatte mit ihm Anderes im Sinn gehabt. Seine Verletzungen würden heilen, die Unterernährung konnte behoben werden und ansonsten war er den Umständen entsprechend gesund. Kein Hepatitis, kein HIV und auch kein Aids. Also entschloss er sich für den langen Weg des Entzugs. Dort musste er erst wieder lernen, was es hieß, in einem sozialen Umfeld zu leben. Er lernte wieder zu lachen und auch zu weinen. Man hörte ihm zu und verurteilte ihn nicht. Niemand sah ihn schräg an oder zeigte mit dem Finger auf ihn und vor allem hatte er die Möglichkeit, sich Gedanken über seine Zukunft zu machen. Sich einen Traum zu suchen, dem er nachstreben konnte. Tanz war seine Therapie. Die Bewegung tat ihm gut, half ihm über schlimme Phasen des Entzugs hinweg und wurde zu seiner neuen, positiven Droge, der er unbeschwert nachgehen konnte. Schließlich war er clean. Sein Körper hatte sich erholt und auch seelisch war er lange nicht mehr so belastet, wie noch am Anfang des Entzugs. Nach seiner Entlassung riet man ihm, auch weiterhin zu einem Therapeuten zu gehen, allerdings hörte er nicht auf diesen Rat. Stattdessen ging er seine eigenen Wege. Anfangs bekam er Unterstützung vom Staat, doch er wollte sich nicht zu lange darauf verlassen. Also suchte er sich wieder Arbeit. Dieses Mal wollte er sich jedoch nicht durch mehrere Jobs zu Tode schuften, weshalb sein erster Weg zum House of Boys ging. Ein professionelles Etablissement für männliche Prostituierte. Während des Entzugs hatte er mit einigen Gleichgesinnten darüber gesprochen und das man dort nicht nur gut behandelt wurde, sondern auch eine Möglichkeit zum Schlafen hatte. Außerdem wurde dort peinlichst darauf geachtet, dass die Angestellten sauber, gut genährt und mit ausreichend Kondomen ausgestattet waren. Adrian hatte diesen Weg deshalb eingeschlagen, da das etwas war, von dem er eine Ahnung hatte. Die Bezahlung war um Vieles besser, als er gewohnt war und er hatte genügend Ruhezeiten und freie Tage. Außerdem war der Kundenkreis ein völlig anderer. Für gewalttätige Freier gab es Sicherheitspersonal, das bei Problemen einschritt und so für die Sicherheit der Prostituierten sorgte. Dort erhielt Adrian auch zum ersten Mal einen weiblichen Kundenkreis, der so ganz anders, als die Männer waren. Es gab Frauen, die einfach nur seine Gesellschaft schätzten und den Sex als das Sahnehäubchen eines gelungenen Tages betrachteten. Manche wollte noch nicht einmal mit ihm schlafen, sondern einfach nur von ihm unterhalten werden. Da er wohlerzogen war, konnte sich Adrian einer wachsenden Beliebtheit im House of Boys erfreuen, bis er schließlich Natasha kennen lernte. Eine üppige Frau Mitte vierzig, die ihm gerne beim Strippen zusah. Sie war einst selbst eine Stripperin gewesen und konnte ihm somit einiges über dieses Handwerk beibringen. Eines Tages nahm sie ihn in einen Stripclub mit, dessen Inhaber ein guter Freund von ihr war. Sie erzählte ihm von Adrian und dass er das Potential zum Stripper hatte, wenn er noch etwas übte und zugleich seine Ausdauer, seine Beweglichkeit und Geschmeidigkeit trainierte. An diesem Abend durfte Adrian vortanzen und bekam wenige Wochen später den Job, als ein anderer Stripper gekündigt hatte. Das war das Ende vom House of Boys und Adrians Anfang als erotischer Tänzer. Die erste Arbeit, die er je geliebt hatte. Von dieser Arbeit konnte er sich jedoch nur eine ganz schäbige Wohnung leisten, also behielt er einige seiner weiblichen Kunden bei, die nichts dagegen hatten, ihn privat zu bezahlen. Durch dieses zusätzliche Einkommen fühlte er sich finanziell halbwegs sicher und das war ihm sehr wichtig gewesen. So konnte er langsam aber sicher seinen Lebensstandard erhöhen. Er wechselte die Stripclubs, arbeitete sich in immer bessere Lokale hoch, bis er schließlich beim Shadow gelandet war, das sehr gut bezahlte und somit seinen Job als Callboy langsam überflüssig machte. „Außerdem fällt es mir seit der Beziehung mit Alexandra unglaublich schwer, meinen Körper auch weiterhin zu verkaufen.“, setzte er schließlich zum letzten Teil seiner Geschichte an, die bisher nur so aus ihm heraus gesprudelt war. „Sie war die erste Freundin nach meinem Entzug, mit der ich es versucht habe. Ich habe ihr vertraut. Habe ihr von meiner Vergangenheit erzählt. Für mich war der Sex mit ihr etwas Besonderes, da es einmal nicht zu meinem Broterwerb gehörte. Doch nach einem Streit, erklärte sie mir, dass sie nur deshalb mit mir zusammen war, weil ich gut im Bett bin und sie außerdem meinen Körper scharf findet. Von Liebe oder Zuneigung war nie die Rede gewesen. Weshalb ich mit ihr Schluss machte, was ihr natürlich gar nicht gefallen hat. Aber noch nie in meinem Leben bin ich so verletzt worden, wie von ihr. Denn selbst als Stricher habe ich eine Gegenleistung für meine Dienste bekommen. Sie hingegen, hat mich restlos ausgenutzt und genau dort zugeschlagen, wo es mir am aller meisten wehtut.“ Erschöpft schloss Adrian die Augen. „Ich habe im Augenblick leider auch einige psychische Probleme, Emily.“, setzte er müde an. „Seit Alex war mir jede Art von körperlicher Intimität zuwider, da es ohnehin nichts mehr mit meinen eigenen Gefühlen zu tun hatte. Dieses Empfinden hat sie mir völlig genommen, nach dem sie mich so ausnutzte. Doch dann traf ich dich und mit einem Mal ist es mir so, als würde ich wieder richtig zu leben beginnen. Der Kuss gestern … das war so … überwältigend…“ Zitternd legte er sich den Arm über die Augen. Kein einziges Mal hatte er Emily ansehen können, während er erzählte, da er sich für all das so unendlich schämte. Selbst jetzt noch, wo das Meiste hinter ihm lag. Denn so oder so, er war nicht gut genug für sie. Sie hatte jemanden verdient, der emotional nicht so verkrüppelt war wie er. „Zum ersten Mal … habe ich bei einem Kuss den Wunsch verspürt, er möge nicht der letzte gewesen sein…“, flüsterte er leise, während sich seine Brust regelrecht zuschnürte. Das alles hatte ihn ganz schön ausgelaugt. Emily hatte zugehört. Sie hatte unter der Decke auf ihrem Sofa gesessen, mit der Kaffeetasse in der Hand und hatte sich Adrians Geschichte angehört. Eine Geschichte voller Gewalt, Drogen und psychischen Verletzungen. Irgendwann im Verlauf seiner Erzählung hatte sie ihn nicht mehr ansehen können. Wie seltsam kam es ihr vor, dass ein Bild, dass man sich von einem Menschen machte, so trügen konnte. Inzwischen wusste Emily gar nicht mehr, was sie am Anfang über Adrian gedacht hatte. In den letzten paar Stunden hatte sich alles, aber auch wirklich alles, was sie über ihn gedacht hatte, als falsch heraus gestellt. Adrian hatte ihr alles anvertraut, was ihn ausmachte. Es kam ihr so vor, als wären es nur schlechte Dinge, die er ihr berichtet hatte und mit Verzweiflung krallte sie sich an den Dingen fest, die vielleicht den Adrian zu dem zusammen setzen konnten, was sie kannte. Oder zumindest zu dem, den sie geglaubt hatte zu kennen. Sie saß immer noch völlig still vor ihm und versuchte darüber nachzudenken, was sie jetzt tun sollte. Er hatte ihr gerade erzählt, dass er seinen Körper für Drogen verkauft hatte. Sie konnte akzeptieren, dass er das hinter sich hatte – er war clean. Sie brauchte ihn nicht einmal prüfend anzusehen, um ihm das zu glauben. Aber was war mit den Dingen, die sie betrafen, sollte sie sich dazu entscheiden, es auf eine Beziehung ankommen zu lassen? Eine Sache schnürte ihr den Magen besonders zusammen. Adrian hatte nicht etwa gesagt, dass es ihm schwer gefallen war, sich während seiner Beziehung zu Alexandra zu prostituieren. Nein, er hatte von danach gesprochen. Danach war jetzt. Augenblicklich stürzten so viele Emotionen auf sie ein, dass sie das Zittern ihrer Hände in den Wellen des Kaffees sehen konnte, der beinahe über den Tassenrand schwappte. Wie hatte sie das alles nicht mitbekommen können? Sie hatte doch nur eine Mitbewohnerin für das leere Zimmer gesucht… Und jetzt hatte sie nicht nur einen Mann in ihrer Wohnung, nein, er verkaufte seinen Körper an Frauen, war drogenabhängig gewesen und sie hatte sich in ihn verknallt. Das setzte ihr am meisten zu, denn es war die Wahrheit. Seine letzten Worte hatten mehr in ihr ausgelöst als seine ganze tragische Geschichte. Es mochte selbstsüchtig und herzlos sein, aber Emily hatte bei seinem Geständnis vor allem zu dem Zeitpunkt etwas empfunden, zu dem er ihr sagte, dass sie ihm etwas bedeutete. Ihr völlig verwirrtes Herz hatte in diesem Moment noch verstanden, dass genau das am Wichtigsten war und war in ihrer Brust herum gesprungen wie ein Pingpong-Ball. Emily stellte ihre Tasse auf dem Couchtisch ab, zog sich ein Kissen heran und drückte es sich vor den Bauch. Ihr Blick ruhte auf den Fransen der Decke, die zusätzlich um ihren Körper geschlungen war und sie doch nicht warm hielt. Sie holte tief Luft, während die Gedanken in ihrem Kopf hin und her rasten, so dass sie selbst überhaupt nicht folgen konnte. Am liebsten hätte sie sich Block und Stift geholt und eine Pro- und Contra-Liste erstellt. Erst als sie tatsächlich so weit war, etwas zu sagen, fiel ihr auf, dass es hier nicht um sie ging. Verdammt noch mal, wie herzlos konnte sie denn sein? In einem Anflug von Panik presste Emily die Lippen aufeinander und legte das Kissen wieder neben sich auf das Sofa. Sie hörte noch Adrians Worte in ihren Ohren, dass ihm körperliche Intimität zuwider war. Scheißegal. Sie schlug ihre Decke zurück und stand auf. Nach zwei Schritten stand sie neben ihm und fuhr mit der Hand hinter seinen Rücken, dabei darauf bedacht, nicht direkt mit seiner Haut in Berührung zu kommen, sondern die Decke zwischen ihnen zu lassen. Adrian zuckte ein wenig zusammen, was sie allerdings erwartet hatte und sah sie verständnislos an. Mit ihrer Hand bedeutete sie ihm nach vorne zu rutschen und ihr Platz zu machen, was er nach kurzem Zögern auch tat. Sie hatte immer noch nichts gesagt und tat es auch nicht, als sie sich hinter Adrian setzte, beide Arme um ihn schlang und ihren Kopf gegen seinen lehnte. „Es tut mir so leid.“ Sein Herz schlug wild und schnell, als sie sich hinter ihn setzte, ihn mit ihren Armen umschlang und ihren Kopf gegen seinen lehnte. Adrians Augen waren vor lauter Unglauben weit aufgerissen, was sie natürlich nicht sehen konnte. Als Emily sagte, es täte ihr leid, ließ die Verspannung in seinem Körper nach und er lehnte sich gegen ihre Wärme. Ein Arm legte sich um die ihren, während seine andere Hand zu ihrem Gesicht wanderte, sich auf ihre Wange legte und zärtlich darüber strich. Unendlich erleichtert ließ er es zu, dass sie ihn tröstete. Ließ zu, dass sein Körper heftig zu zittern begann und sich seine Augen vertrauensvoll schlossen. Heiße Tränen zogen ihre Spur über seine Wangen, doch er gab keinen Laut von sich und sein Gesicht war ruhig und entspannt. Was auch geschehen mochte, diesen Augenblick des Friedens konnte ihm keiner mehr nehmen. Eigentlich hätte er ihr gerne gesagt, es müsse ihr nicht Leid tun. Mitleid war nicht das, was er von ihr wollte. Doch vielleicht ging Mitleid mit Verständnis einher, darum sagte er nichts dazu, sondern schmiegte sich stattdessen noch enger an sie, als würde er sich in ihrer Wärme und dem Wohlbehagen baden. Es tat so unendlich gut, ihr so nahe zu sein. Wie könnte er ihr das jemals klar machen? Ja, er verabscheute unverbindlichen Sex und derlei Spielchen, aber das hier berührte einen Platz in ihm, wo bisher noch kein Mensch gewesen war. Der Platz, dem noch nie jemand etwas hatte anhaben können. Es war der Ort den er freiwillig für Emily weit öffnete, egal ob sie eintreten würde oder nicht, er gehörte bereits ihr allein. „Auch wenn du mir das vielleicht nicht glaubst…“, begann er ruhig zu flüstern. „…aber in diesem Augenblick bin ich glücklich…“ Emily konnte spüren, wie Adrian in ihren Armen anfing zu zittern. Sie schrieb es der Anspannung zu, die sich über so lange Zeit in ihm aufgebaut haben musste. Vielleicht fiel sie gerade jetzt von ihm ab, wo er seine Geschichte endlich offen hatte legen können. Sie hielt ihn einfach eine Weile fest, ohne sich zu bewegen oder auf seine Worte zu reagieren, die bestimmt eine Antwort verdient hätten. In Adrian hatte sich der Sturm von Gefühlen vielleicht gelegt; in Emily hatte er sie mit seiner Geschichte erst angefacht. Es war nicht so, dass es ihr schwer fiel, ihn in den Armen zu halten oder dass sie sich dazu überwinden musste. Wenn es ihm gut tat, würde sie stundenlang so mit ihm sitzen bleiben. Aber das änderte noch nichts daran, dass sie eine Entscheidung zu fällen hatte. Bei jedem Anderen hätte sie angeboten, es einfach locker zu versuchen und zu sehen, was passierte. Bei Adrian hatte sie das Gefühl, dass das nicht ging. Mit ihm konnte und wollte sie nichts Unverbindliches anfangen, das sich unter vielen guten Umständen zu einer ernsthaften Beziehung entwickeln konnte. Wenn, dann müssten sie es gleich ernsthaft angehen. Mit allem, was dazu gehörte und damit meinte Emily vor allem exklusiv. Sie musste es ihm sagen. Gerade jetzt kam ihr der Zeitpunkt furchtbar schlecht vor, doch sie wusste auch, dass kein besserer kommen würde. Emily hoffte, dass sie ihm nicht noch mehr wehtun würde, mit dem was sie fragen und sagen wollte, aber wenn sie es nicht aus der Welt schaffte, dann hätte dieses zerbrechliche ‚wir’ von Anfang an keine Chance. „Adrian?“ Ihre Stimme klang überraschend fest und klar, als hätte sie sich durch ihr Schweigen ausgeruht, um nun die Kraft für das zu haben, was noch kommen würde. Glücklicherweise konnte er ihre Augen nicht sehen, die sich noch mehr ins Schwarze verfärbten, als sie weiter sprach. „Ich kann das nicht, wenn du weiter diesen … diesen Job machst.“ Normalerweise war sie keine Frau, die einem Mann, den sie gern hatte, Vorschriften machte, aber das mit seinem Callboy-Geschäft würde sie nicht überstehen. Er musste sich zwischen dem Geld – etwas Anderes schien er laut seinen Worten daraus sowieso nicht zu ziehen – und Emily entscheiden. Sie war nicht Alex. Ihr würde es etwas ausmachen, wenn sie ihn bei anderen Frauen wusste. Das machte ihr sogar im Nachhinein etwas aus und ihr wurde wieder flau im Magen. Ihre Stimme hatte sich doch zu einem Flüstern gesenkt und zitterte ein wenig. „Ich weiß nicht, ob ich das sein kann, was du brauchst… Aber ich wäre gern mit dir zusammen.“ Warum machte ihr das dann eine solche Angst? Sie hatte vor der letzten Nacht noch nicht einmal wirklich darüber nachgedacht und jetzt würde eine Zurückweisung jeglicher Art ihr Herz brechen. Inzwischen hielt sie nicht mehr Adrian fest, sondern hatte im Gegenteil das Gefühl, sich an ihm zu stützen. Adrian öffnete wieder die Augen, als sie seinen Job erwähnte. Sein Blick war finster und kühl, doch sein Herz flatterte heftig in seiner Brust. Sofort drückte er ihre Arme enger an seine Brust, während er das Gefühl über sich ergehen ließ, was ihre Worte bei ihm auslösten. Erleichterung. Da war definitiv Erleichterung. Alleine die Vorstellung, er würde auch nur noch einmal gefühllosen Sex haben, bereitete ihm Übelkeit. Er wollte kein Spielzeug mehr sein, auch wenn er sich selbst dazu gemacht hatte. „Ich will ehrlich zu dir sein. Selbst wenn es dich nicht gebe, ich hätte diesen Job nicht länger machen können. Ich wollte das schon lange nicht mehr. Denn beim letzten Mal ging es mir danach so schlecht, dass ich mir kaum noch ins Gesicht sehen konnte, ohne mein altes Ich wieder zu sehen.“ Er holte einmal tief Luft, damit seine Stimme nicht allzu sehr bebte. „Ich will das nicht mehr. Erst recht nicht, wenn ich dich dadurch verletze.“ Adrian drehte seinen Kopf zu ihr herum, so dass er ihr ins Gesicht sehen konnte. Seine Hand wanderte zu ihrem Nacken, während er ihr tief in die Augen blickte und sie ernst ansah. „Ich wäre auch gerne mit dir zusammen, denn ich weiß, dass du bist, was ich brauche. Aber ich will nicht nur mit dir zusammen sein, weil ich dich brauche, sondern weil da mehr ist… Ich weiß nicht was… Aber ich bin gerne bereit, es herauszufinden.“ Sein ernstes Gesicht verwandelte sich zu einem sanften Lächeln. „Und zwar jetzt…“ Langsam beugte er sich ohne Eile zu ihr, denn sie sollte wissen, was er vorhatte, als er zärtlich seine Lippen auf die ihren legte, während sein Blick sich mit dem ihren verfing. Schon alleine diese leichte Berührung ließ sein Herz wild in seiner Brust springen. Sein Magen flatterte, als hätte er einen kleinen Vogel darin und durch seine Adern schossen Endorphine in ihrer reinsten, ursprünglichsten Form. Emily lächelte zurück, als er ihr sagte, dass er mehr für sie empfand, als sie nur zu brauchen. Das bedeutete ihr so viel, dass sie ihn noch einmal fester an sich drückte, bevor er sich weiter zu ihr umdrehte. Er küsste sie noch sanfter als sie ihre Lippen gestern auf seine gelegt hatte. Allerdings lag nun wesentlich mehr in der Berührung, als es noch in der letzten Nacht der Fall gewesen war. Beinahe konnte Emily es zwischen ihnen knistern hören, auch wenn sie wusste, dass das nur Einbildung war. Sie wollte ihn küssen, aber noch war da etwas, das sie erledigen musste. Emily war einfach nicht der Typ, der zwei Sachen am Laufen hatte. Auch wenn sich das mit Adrian erst entwickeln musste, wollte sie nicht, dass auch nur eine Kleinigkeit zwischen ihnen stand. Um ihn nicht doch noch zu erschrecken, streichelte sie Adrian über die Wange und lächelte ihn an, noch bevor sie sich von ihm löste. „Lass’ mich noch die Sache mit Richard erledigen.“ Mit einem Kuss auf Adrians Stirn schickte sie sich an aufzustehen, hielt dann aber doch noch inne, bevor sie ihn allein ließ. Sie sah ihm in die hellen Augen. „Ich werde hinfahren. Zumindest soviel muss ich ihm zugestehen.“ Dass Adrian davon nicht begeistert war, konnte sie ihm ansehen, deshalb küsste sie ihn noch einmal kurz auf die Lippen und lächelte ihm zu, während sie seine Hand drückte und dann endgültig aufstand. „In spätestens zwei Stunden bin ich wieder da. Ich hol uns noch was zu Essen.“ Am liebsten hätte sie ihn gar nicht allein gelassen, aber es würde sie einfach zu sehr belasten, wenn sie Richard im Unklaren ließ. Das musste Adrian jetzt einfach akzeptieren. Sie zog sich schnell an und verabschiedete sich hastig von ihm, damit sie das Ganze so schnell wie möglich hinter sich bringen konnte. Es war nicht gerade angenehm, gerade jetzt an Richard erinnert zu werden, aber Emily hatte Recht und Adrian vertraute ihr. Sie hatte sich sein Vertrauen schon lange verdient, doch nun war er sich dem auch wirklich sicher. Darum ließ er sie gehen, als sie aufstand, um sich anzuziehen. Vielleicht war das auch ganz gut so, denn in der Zeit, wo sie weg war, konnte er ebenfalls seine Dinge regeln. Er würde jede seiner Kundinnen anrufen, selbst wenn sie sich schon ewig nicht mehr gemeldet hatten und ihnen sagen, dass er nicht mehr auf dem Markt war und auch nie wieder sein würde. Danach würde er die Nummern löschen und nie wieder einen Gedanken darauf verschwenden. Ja, das war eine verdammt gute Idee. Emily verabschiedete sich und war verschwunden. Danach zog er sich selbst ordentlich an, trank noch ein paar Gläser voll Wasser, um den Kater aus seinem Körper zu spülen. Zum Telefonieren setzte er sich in den Flur, da er keine der anderen Zimmer mit der Erinnerung daran behaftet haben wollte, wie er mit seinem alten Leben abschloss. Der Flurboden konnte sich geehrt fühlen, denn das war ein denkwürdiger Moment. Es war irgendwie seltsam, zu wissen, dass sich zwischen Emily und ihm plötzlich so viel verändert hatte und daran nur ein einziger Kuss die Schuld trug. Aber wenn Adrian an die Gefühle dachte, die ihn jedes Mal überfluteten, wenn er sie küsste oder sie ihn, dann wunderte ihn gar nichts mehr. So frisch es noch war. So heftig war es auch. Kapitel 21: 21. Kapitel ----------------------- Emily hatte die Szene schon fast aus ihrem Hirn verbannt, als sie mit dem Auto in ihre Straße einbog. Die Zeit, die sie beim Einkaufen verbracht hatte, war länger gewesen, als die eigentliche Trennung von Richard gedauert hatte. Es hatte keine Vorwürfe gegeben, kein Geschrei. Er hatte ihre Entscheidung hingenommen, auch wenn man ihm durchaus angesehen hatte, dass er nicht sehr glücklich darüber war. Doch aus irgendeinem Grund machte er sich nicht einmal die Mühe, Emily von der Trennung abzuhalten, obwohl er es offensichtlich wollte. Emily hoffte einfach, dass das Ganze an ihrem Verhältnis als Chef und Angestellte nicht schwierig machen würde. Aber an sich glaubte sie daran, dass Richard auch in diesem Fall ein Gentleman sein würde und nichts im Museum herum erzählte. Warum sollte er das auch tun? Als Emily endlich ihren Wagen geparkt hatte und um das Fahrzeug herum ging, um die Einkaufstüten aus dem Kofferraum zu holen, fiel ihr ein anderes Auto auf, das langsam vorbei fuhr. Es kam ihr irgendwie bekannt vor, als hätte sie es heute oder auch früher schon ein paar Mal gesehen. Den Fahrer konnte sie nicht genau erkennen, weil der VW beschleunigte, bevor er an ihr vorüber fuhr. Aber Emily war sich sicher eine dunkelhaarige Frau hinter dem Steuer gesehen zu haben. Sie zuckte die Schultern. Wahrscheinlich hatte die Dame nur eine Hausnummer gesucht. Endlich in der Wohnung angekommen, sprang ihr Adrian fast entgegen. „Uah, ganz vorsichtig.“ Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange und trug den Einkauf in die Küche. Haufenweise Gemüse schaute oben aus dem Papier heraus und Emily lehnte das Ganze gegen die Wand hinter der Arbeitsfläche, damit nichts herausfallen konnte. Dann zog sie sich die Schuhe aus und kickte sie in den Flur. Adrian wuselte hinter ihr in der Küche herum wie aufgezogen. Sie stoppte ihn, indem sie ihre Arme um seine Taille schlang und ihm in die Augen sah. „Wenn du mir schnippeln hilfst, ist das Essen in einer halben Stunde fertig. Was hältst du davon, wenn wir unseren DVD-Marathon fortsetzen?“ Aber vorher wollte sie noch etwas Anderes tun. Sie hatte Adrian vorhin in seinem Tun unterbrochen und stellte sich nun auf die Zehenspitzen, um es wieder gut zu machen. Sie schloss die Augen, noch bevor sich ihre Lippen berührten und atmete seinen Duft ein, den sie schon jetzt liebte. Adrian kam gar nicht dazu, ihr seine Meinung wegen des DVD-Marathons kund zu tun. Denn schon vergaß er, was sie gesagt hatte, als sie sich ihm entgegen streckte und die Augen schloss. Um es ihr von Anfang an leichter zu machen, umschlang er sie mit seinen Armen und beugte sich zu ihr hinab. Auch er schloss die Augen, um sich ganz allein auf das Gefühl ihrer weichen Lippen konzentrieren zu können. Blut rauschte ihm laut in den Ohren, als sie sich sanft küssten. Adrian war weit nicht so stürmisch, wie gestern unter dem Einfluss von Alkohol, aber das lag daran, dass ihm sein gestriges, betäubtes Körperempfinden nicht auf das vorbereitet hatte, was er jetzt empfand. Es raubte ihm schier den Atem, während er an ihrer Unterlippe sog, sanft über ihre Oberlippe leckte, ihre Mundwinkel mit Küssen bedeckte und dann in sanftes Knabbern überging. Mit einem Mal schien es viel zu heiß im Raum zu werden, noch bevor sich überhaupt ihre Zungen berührten. Was wirklich sehr merkwürdig war, denn normalerweise ließen ihn Küsse mehr oder weniger eiskalt. Emily jedoch brachte sein Blut zum Kochen. Nach Atem ringend riss er sich schweren Herzens von ihren Lippen los und sah sie mit glühenden Augen an. „Ich denke, ich sollte mit dem Gemüse anfangen, sonst wird das Essen sicherlich nicht in einer halben Stunde fertig.“, beteuerte er fast atemlos, ehe er sie ganz los ließ und sie anlächelte. Wahnsinn, diese Frau ließ ihn alles andere als eiskalt! Was ihm wirklich gefiel, aber auch Verwirrung auslöste. Adrian war es einfach nicht gewohnt, so heftig auf diese Berührungen zu reagieren, aber bei Gott, er würde sich sicherlich nicht lange dagegen wehren. Er vertraute Emily wirklich aus ganzem Herzen. Er hatte keine Angst, sich auf sie einzulassen. Wusste jedoch nicht, wie sich die Sache zwischen ihnen noch entwickeln würde. Das würde sich noch zeigen. Auf alle Fälle war er froh, keine Geheimnisse mehr vor seiner Mitbewohnerin zu haben. Das machte ihn wesentlich lockerer, auch wenn es sich immer noch seltsam anfühlte, dass sie jetzt alles wusste. Wie musste es da erst ihr gehen? Adrian konnte sich das kaum vorstellen. Und damit er nicht weiter darüber nachdenken musste, begann er mit Emilys Anweisungen das Gemüse zu schneiden, während sie es weiter verarbeitete. Warum konnte ihr Hirn nicht wenigstens beim Küssen eine Pause einlegen. Manchmal wünschte ‚Frau’ sich doch wirklich, sie hätte auch ein zweites Gehirn, in das ihr Blut fließen könnte, um ihrem nervenden Kopf die Einsprüche zu verbieten. Sie mochte Adrians Kuss. Wie in der vergangenen Nacht knisterte es auf ihren Lippen und sie musste unter seinen Berührungen vor Glück lächeln, bis sich eben dieses unschöne Organ einschaltete. Adrians Kuss war weder zurückhaltend noch fordernd. Er wusste was er tat und es fühlte sich gut an. Emily verfluchte sich dafür, dass sie tatsächlich darüber nachdachte, ob das seine professionelle Technik war. Verdammt! Daran würde sie bestimmt noch eine Weile zu knabbern haben. Als er sich allerdings ohne eine Spur von Anzüglichkeit von ihr löste und sie anstrahlte, fiel es ihr nicht schwer, diese Gedanken zu vertreiben. Vorerst zumindest. Sie würde es ihm nie sagen. Das waren ihre eigenen Gespenster. Aber schon jetzt überlegte sie, wie es ihr gehen würde, wenn es einmal zu mehr kommen sollte, als zu einem Kuss. „Ich weiß gar nicht mehr, haben wir uns den dritten Teil von Terminator angesehen?“ Irgendwie war inzwischen so viel passiert, dass er sich wirklich nicht daran erinnern konnte. „Ich glaube, beim zweiten Teil bin ich auf der Couch eingeschlafen.“, grübelte er laut vor sich hin, während er Emily immer wieder einen lächelnden Seitenblick zu warf und dabei ziemlich aufpassen musste, keinen Finger beim Schneiden zu verlieren. „Bitte?“ Er hatte irgendwas von Terminator gesagt und sie hatte ihm gar nicht zugehört. Kochen entspannte sie immer ungemein und sie nutzte die Handgriffe, die ihr vor allem bei diesem Rezept leicht von der Hand gingen, zum Nachdenken. Wie von selbst warf sie das Gemüse, das Adrian in kleine Würfel geschnitten hatte, in die Pfanne, würzte es und briet es ein wenig an, bevor sie es in kleinen Portionen auf Blätterteigscheiben legte und sie zu kleinen Taschen formte, die sie später in den Ofen zum Aufbacken schieben wollte. Sie griff kurz an Adrian vorbei zu den Temperaturreglern und heizte das Backrohr vor. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Aber der dritte Teil ist sowieso nicht einer meiner Favoriten. Hast du denn … Ocean’s Eleven?“ *** Kaum eine halbe Stunde später war das Essen fertig und Emily platzierte jeweils vier der kleinen Taschen mit etwas Quark daneben auf einem großen Teller. Mit beiden Portionen in der Hand drehte sie sich zu Adrian um und sah ihn fragend an. „Sollen wir gleich rüber gehen und während des Films essen?“ Das Gericht eignete sich dazu, da man es mit den Fingern essen konnte. Außerdem zeigte ihr ein Blick auf die Uhr, dass es sowieso schon recht spät war. Nach dem Film würde sie ins Bett verschwinden müssen, damit sie Morgen bei der Arbeit nicht völlig fertig über dem Sarkophag hing. Sie schmunzelte in sich hinein bei der Vorstellung, diesmal nicht ganz so müde zu sein und es daher bewusst genießen zu können neben Adrian einzuschlafen. "Klar, gute Idee.", war seine Antwort auf ihre Frage. Die Teigtaschen mit dem Gemüse waren einfach göttlich! Adrian hätte so was niemals hinbekommen. Nicht, dass er es nicht einmal versuchen würde, aber er war einfach nicht sehr gut im Kochen, da er es nie wirklich gelernt hatte. Natürlich hatte Adrian den gewünschten Film, auch wenn er nicht sehr viel davon mit bekam. Eine Zeit lang konzentrierte er sich auf das gute Essen. Nachdem das Essen weg war, nahm er die Teller und stellte sie schon mal in die Küche. Als er zurückkam, wagte er es, sich nicht auf seine Seite der Couch zu verziehen, sondern sich in die Mitte zu setzen. Mit Tendenz zu Emily, damit er sie berühren konnte, während sie sich den Film zu Ende ansahen. Mehr bewusst, als unbewusst, streichelte er dabei ihren Arm, verschlang seine Finger mit den ihren und genoss dieses Gefühl des Vertrautseins. Selbst mit Alex hatte er nie gekuschelt, was man bei einer Beziehung ja eigentlich hätte annehmen können. Aber sie war einfach nie die Frau für solcherlei Dinge gewesen. Jetzt wusste er immerhin warum. Auch wenn es sich noch sehr ungewohnt anfühlte. Schließlich war auch der Film zu Ende und sie machten sich bettfertig. Das sie nicht jeder in seinem eigenen Zimmer schlafen würden, war ziemlich klar. Fast schon so, wie ein unausgesprochenes Gesetz. Aber wenn sie von nun an eine Beziehung hatten und das sah nun einmal ganz danach aus, würden sie sich wohl auf ein Bett einigen müssen, in dem sie schlafen konnten. Natürlich waren getrennte Zimmer auch gut, um sich nicht dauernd auf dem Hintern zu kleben. Aber gerade nachts wollte er endlich einmal nicht alleine schlafen müssen. Bisher hatte er das immer getan. „Denkst du, ich sollte es einmal mit deiner Kissenplage aufnehmen?“, fragte Adrian grinsend, als sie fertig waren und es nun wirklich Zeit fürs Bett wurde, immerhin musste Emily morgen arbeiten. „Lässt du dir für mich Plüsch wachsen, ja?“ Der Gedanke brachte sie immer noch albern zum Grinsen. Sie konnte sich Adrian so richtig gut als Plüschtier vorstellen, wie er in ihr Zimmer tapste, um es mit ihren Kissen aufzunehmen. „Also sooo viele sind es auch wieder nicht.“ Sie nahm seine Hand und zog Adrian hinter sich her in ihr Zimmer, wo allerdings tatsächlich ungefähr zehn verschieden farbige, bunt bestickte und unterschiedlich geformte Kissen auf ihrem Bett lagen. Emily sah Adrian kurz von der Seite an. „Siehst du?“ Mit einem Lachen tat sie das, was sie jeden Abend tat, bevor sie ins Bett ging. Sie schob die Kissen in die Mitte des Bettes und schnappte sich die vier Ecken der Tagesdecke, um sie wie ein großes Paket von ihrem Bett in den Erker zu den anderen Kissen zu legen. Es war also nicht nötig, dass Adrian sich mutig in den Kampf stürzte. Adrian lächelte amüsiert, als sie ihn wieder an den Plüsch erinnerte. Wie würde er wohl mit diesem Kunststoffhaar aussehen, wo er doch nicht einmal seine eigenen stehen ließ? Es war witzig, daran bestand wirklich kein Zweifel. Vor allem wurde Adrians Grinsen immer breiter, als Emily ihn davon überzeugen wollte, dass sie kein Geschwader von Kissen auf ihrem Bett beherbergte. Für ihn war es eine ganze Menge, doch sie schien das sehr souverän zu lösen. Jetzt war tatsächlich sehr viel Platz auf dem Bett. Mit einem nervösen Kribbeln im Körper wurde sich Adrian in diesem Augenblick bewusst, dass er nur einmal in Emilys Zimmer gewesen war und das war an dem Tag gewesen, als sie sich kennen gelernt hatten. Seit dem hatte er es nie wieder betreten. Es war seltsam, dass die anderen Räume der Wohnung ihm schon so vertraut waren, doch Emilys persönliches Reich noch eine völlig neue Welt für ihn darstellte. Genauso wie die Tatsache, bei ihr im Bett zu liegen. Mit ihr zusammen. Emilys Bett stand mit einer Seite zur Wand, weswegen Adrian nach hinten krabbeln musste, um sich hinzulegen. Emily wollte ihn morgens nicht aus dem Bett scheuchen, wenn sie für die Arbeit aufstehen musste. Sie hatten sich schon vor dem Zähneputzen in ihren jeweiligen Zimmern umgezogen, was es Emily jetzt ersparte, darüber nachzudenken, ob sie sich vor Adrian ausziehen sollte oder nicht. Wieder spielten ihr ihre Gedanken einen Streich und sie wurde etwas nervös bei der Vorstellung, was er sich eventuell von ihr erwarten würde, wenn sie nun zusammen im Bett lagen. Sie schob die Verunsicherung so gut es ging zur Seite und legte sich neben Adrian unter die Decke. Sie war groß genug, dass sie sich beide darin einwickeln konnten, ohne dem jeweils Anderen sein Stück streitig zu machen. Deshalb liebte Emily diese Decke. Man konnte sich zu zweit locker darin einrollen und keiner kam zu kurz. Die Nachttischlampe brannte noch, als sie sich Adrian zuwandte und ihn sich ansah. Sie wohnten jetzt schon eine Weile zusammen und es war ein wenig seltsam ihn nun neben sich im Bett liegen zu sehen. Es war nicht so, dass sie ihn dort nicht haben wollte – ganz im Gegenteil – aber es war noch völlig ungewohnt und neu. Allerdings auch aufregend und Emilys Herz machte einen kleinen Sprung, als er sie anlächelte. Ob es ihm wohl auch seltsam vorkam? Emily knipste das Licht aus und drehte sich dann auf die Seite, Adrian zugewandt. Sie rückte so nah an ihn heran, dass sie ihn im Dunkeln küssen konnte und legte eine Hand auf seine Seite. Unter ihren Fingerkuppen konnte sie die Kratzer spüren, die seine Ex hinterlassen hatte und bemühte sich diese Stellen nicht zu berühren. Langsam konnte sie die Konturen seines Gesichts erkennen, weil sich ihre Augen an das Dunkel gewöhnten. Sie hauchte ihm ein ‚Gute Nacht’ zu, bevor sie ihn noch einmal küsste. Länger diesmal und ein wenig neugierig. Adrian war eigentlich kein scheuer Typ, immerhin konnte er auf die Bühne gehen, ohne auch nur den geringsten Anflug von Nervosität zu zeigen. Auch war es für ihn kein Problem völlig fremde Menschen anzuquatschen, um mit ihnen Smalltalk zu führen, doch hier und jetzt konnte er Emily nur anlächeln, als sie sich zu ihm legte. Sein Herz schlug ihm dabei bis zum Hals und er zitterte ganz leicht vor Aufregung, dabei gingen sie doch nur ins Bett um zu schlafen! Doch Adrians Unterbewusstsein wusste sehr wohl, dass das hier viel mehr bedeutete, als sich nur an diesem geschützten Ort niederzulegen, um sich auszuruhen. Im Schlaf war jeder schutzlos, weswegen sie sich hier gegenseitig im Vertrauen auslieferten. Dieser Gedanke beruhigte ihn etwas, denn er würde sich Emily jederzeit anvertrauen. Sie löschte das Licht und drehte sich dann zu ihm, wobei sie so nahe an ihn heran rückte, dass sie ihn berühren konnte. Ein Schauer durchfuhr seinen Körper, als er ihre Hand auf sich spürte. Sofort schaltete sein Herzschlag in den nächst höheren Gang und das Blut rauschte ihm laut in den Ohren. Er war total nervös und auch unsicher, aber bestimmt ging es ihr nicht besser. Sein eigenes ‚Gute Nacht‘ wurde im Keim erstickt, als sie ihn abermals küsste. Dadurch ermutigt, streckte er die Arme nach ihr aus, um sie näher an sich zu ziehen und sie in seinen Armen halten zu können, während sich ihre Lippen gegenseitig liebkosten. Die Hand auf seiner Seite fühlte sich unglaublich gut an, denn im Gegensatz zu Alex tat Emily ihm dabei nicht weh. Ganz im Gegenteil, sie war so sanft, dass die Gedanken an seine Ex innerhalb kürzester Zeit ausgelöscht wurden. Für ihn gab es da nur noch Emily, weshalb er seine Hand auf die ihre legte und mit ihr zusammen die Kratzspuren bis zu seiner Wirbelsäule nach fuhr, wo er sie wieder frei gab. Es tat so unendlich gut, von ihr berührt zu werden, so dass er sich merklich entspannen konnte. Adrians Hand legte sich auf ihren Hinterkopf, wo seine Finger flüchtig mit ihrem geöffneten Haar spielten. Inzwischen waren ihre Zungen neugierig vorgestoßen, hatten sich abschätzend umkreist, sich flüchtig näher bekannt gemacht, um schließlich in vertrauensvolle Berührungen über zu gehen. Bereits jetzt herrschte ein berauschendes Prickeln in seinem Bauch, was ihn schließlich dazu veranlasste, mit seiner Zunge und seinen Lippen den Rückzug anzutreten. Es war spät und er war für heute noch nicht bereit, näher herauszufinden, was passierte, wenn sie das hier noch weiter trieben, denn das etwas passieren würde, war ihm nur zu deutlich bewusst. Emily brachte sein Blut in Wallung und das mit einem ‚einfachen‘ Kuss. Keine hatte das je vor ihr geschafft, weswegen er sie sanft im Halbdunkeln anlächelte, so dass er gerade noch ihre Konturen erkennen konnte. „Gute Nacht, Emily.“, flüsterte er leise. Seine Worte waren schlicht und einfach, doch der Ton darin, besagte unendlich viel mehr. Er war ihr dankbar, dass er bei ihr sein durfte und hoffte, dass sie zumindest erahnen konnte, wie viel es ihm bedeutete, von ihr so akzeptiert zu werden. Es war mehr, als er jemals von ihr gefordert hätte. Mit einem wohligen Laut, der stark einem kurzen Schnurren eines Katers glich, zog er sie enger an sich, ließ seine Arme jedoch so locker, dass sie sich nicht gefangen fühlte. Danach schloss er die Augen und legte seinen Kopf in das weiche Kissen, aus dessen Stoff er überall Emilys Duft wahrnehmen konnte. Er war regelrecht davon eingehüllt, was ihn nur noch zufriedener machte. Wenn er könnte, er würde für sie beide die Zeit anhalten. Diesmal war sie von seiner Reaktion auf ihren Kuss nicht überrascht. Sie konnte es genießen, dass seine Lippen über ihre glitten und Adrian irgendwann mit einer zaghaften Geste mit seine Zunge über ihren Mund fuhr. Für einen flüchtigen Moment schaltete ihr Hirn noch einmal die Warnleuchte ein, bevor sie diese bewusst wieder ausschaltete und sich entspannte, um den Kuss zu genießen. Es fühlte sich harmlos an, was es für Emily noch reizvoller machte. Sie mochte es einfach neben Adrian im Bett zu liegen und herum zu knutschen, als wären sie verliebte Teenager. Er hatte sie zwar näher zu sich heran gezogen, machte aber keine weiteren Anstalten mehr zu tun, als sie zu küssen. Genau das machte den Kuss zu etwas sehr Besonderem. Adrian gab Emily das Gefühl, als hätten sie alle Zeit der Welt. Deshalb lächelte sie ihn auch an, als er ihr eine gute Nacht wünschte und kuschelte sich in seine Arme, bevor sie die Augen schloss und zufrieden einschlief. *** Der Wecken blinkte in Hellblau, bis Emily kurz darauf klopfte, um ihn zum Schweigen zu bringen. Das Leuchten dimmte langsam herunter, während Emily blinzelnd die Augen öffnete. Sie war in der Nacht nicht einmal bewusst aufgewacht, sondern hatte durchgeschlafen. Allerdings musste sie sich aus Adrians Umarmung befreit haben, denn sie lag an ihrem Rand des Bettes und hatte die Decke um sich geschlungen. Leise drehte sie sich um und suchte den Mann, den sie letzte Nacht mit in ihr Bett genommen hatte. Er konnte sich nicht wirklich verstecken, auch wenn es so aussah, als wenn er sich redlich bemühte. Emily konnte nur einen von Adrians Armen, den dazugehörigen Ellenbogen und die Schulter sehen. Anscheinend lag der Rest seines Körpers unter dem Kopfkissen und der Decke vergraben. Vorsichtig steckte sie ihre Hand unter der Decke aus und berührte das, was vermutlich Adrians Rücken war. Er rührte sich nicht, aber Emily konnte fühlen, dass er ruhig und gleichmäßig atmete. So einen tiefen Schlaf hätte sie auch gerne gehabt. Sie zog die Hand wieder zurück und beschloss ihn einfach weiter schlafen zu lassen. Nachdem sie die Klamotten für die Arbeit zusammen gesammelt hatte, schrieb sie noch einen kleinen Zettel, den sie an ihren Wecker klebte, weil sie hoffte, dort würde Adrian ihn finden. Hallo Schlafmütze! Croissants zum Aufbacken sind im Kühlschrank. Schönen Tag und bis später! Emily In der Arbeit machte sie sich Gedanken darüber, was sie abends kochen sollte. Während sie das letzte Stückchen Blattgold auf die raue Oberfläche tupfte, ging hinter ihr die Tür auf. Emily hatte keine Hand frei und konnte sich in diesem Moment auch nicht umdrehen, da sich das Gold dann wieder gelöst hätte. „Moment, dauert nur eine Sekunde.“ Ihr Besucher sagte nichts, sondern ließ sich auf einem der Drehstühle nieder, die an dem anderen Tisch im Raum hinter Emily standen. Sie konnte das Geräusch, das die Rollen auf dem Boden machten genau hören. Sie erschrak, als Richard mit einem Mundschutz vor dem Gesicht neben ihr auftauchte. „Mein Gott, hast du mich erschreckt.“ Ihr Herz schlug immer noch schnell, obwohl der Schock nicht so groß gewesen war. Sie zwang sich dazu, Richard in die Augen zu sehen, während sie mit ihm sprach. Außerdem wollte sie weder zu kalt, noch zu nett klingen. Verdammt, das Ganze war ihr wirklich ziemlich peinlich. „Erstmal guten Morgen, Emily.“ Sie entspannte sich ein wenig und nickte. „Entschuldige. Guten Morgen.“ Ihre Stimmen hörten sich durch den Stoff des Mundschutzes gedämpft und ein wenig verfälscht an. Aber in dieser Umgebung konnten sie ihn nicht abnehmen. „Die beiden Kisten kommen Morgen an. Bist du so weit, dass du sie untersuchen und für die Ausstellung fertig machen kannst? Sonst lasse ich Brad…“ „Nein!“ Sie hatte eindeutig zu heftig reagiert, was Richard mit einem leicht amüsierten Ausdruck um seine Augen quittierte. „Ich meine,“ sie versuchte es jetzt mit gedämpfter Lautstärke. „Nein, keine Sorge, ich werde rechtzeitig hier fertig. Wenn du eine der Kisten an Brad geben willst…“ Sie wollte nichts von ihm verlangen. Inzwischen hätte es Emily nicht gewundert, wenn Richard aus verletztem Stolz dafür gesorgt hätte, dass sie gar nicht an den beiden Käufen aus Norwegen hätte arbeiten können. „Du bekommst die Moorleiche. Ich weiß, dass dir das was bedeutet.“ Er sah ihr tief und schweigend in die Augen, was Emily vom ersten Moment an sehr unangenehm war. Vielleicht bildete sie es sich ein, aber sie glaubte mehr in seinem Blick zu sehen, als es in dieser Situation angebracht war. „Vielen Dank, Richard. Ich werde mein Bestes tun. Aber damit ich alles schaffe, muss ich jetzt hier weiter machen.“ Sie hatte sich also nicht geirrt. Jetzt sah sein Blick ein wenig verletzt aus. Emily war dankbar, dass er nichts sagte, außer dass er ihren Einsatz zu schätzen wusste. Als Richard den Raum verlassen hatte und Emily sicher war, dass er weit genug weg war, damit er sie weder sehen noch hören konnte, stützte sie ihr Gesicht kurz in ihre behandschuhten Hände. Kapitel 22: 22. Kapitel ----------------------- Adrian kämpfte sich mühsam aus der Umklammerung der Bettwäsche, um sich nach einer Uhr umzusehen. Auf Emilys Wecker fand er einen Zettel mit einer Nachricht. Gähnend nahm er ihn entgegen und las ihn sich gründlich durch. Noch während des Lesens erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht. Es war zwar nur eine kleine Geste von Emily, aber sie machte ihn unheimlich glücklich, da das noch nie jemand für ihn getan hatte und er es sehr schön fand, dieses Zeichen schon nach dem Aufwachen von ihr zu finden, gerade weil sie ihn schon so früh hatte verlassen müssen. Wenigstens war morgen Freitag, weshalb sie dann das ganze Wochenende für sich hatten, bis auf die Tatsache, dass er abends arbeiten musste. Aber daran würden sich beide wohl gewöhnen müssen. Adrian stand auf, machte Emilys Bett und versuchte die Kissen so gut wie möglich darauf zu arrangieren. Obwohl er nicht wusste, ob sie es besser machen würde, war er sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Danach zog er sich seine Sportsachen an, um eine morgendliche Runde Joggen zu gehen. Gegen Mittag herum, besuchte er Mrs. Jenkins. Er bat sie, dass sie ihm heute ein Gericht beibrachte, da sie ohnehin kochen wollte. Also schrieb er einen Einkaufszettel mit den Zutaten und machte sich noch schnell auf den Weg, um das Gewünschte zu besorgen. Den Rest des Nachmittags hockte die alte Lady auf ihrem Stuhl in der Küche und gab ihm in befehlsmäßigem Ton Anweisungen, wie er das Chicken Marsala richtig zubereiten musste. Dabei achtete sie peinlichst genau auf jeden seiner Handgriffe und Adrian glaubte zwischenzeitlich durchdrehen zu müssen, doch unter den wachsamen Augen der alten Dame gelang ihm das Wunder und am Ende war ein genießbares Gericht entstanden, das auch noch gut aussah. Da Adrian vorhatte, mit Emily zu Essen, die bald nach Hause kommen würde, ließ er die alte Lady ihre Portion essen, die sie natürlich sofort gründlich beurteilte und ihm noch einige Tipps zur Zubereitung mit gab. Doch im Endeffekt war sie mit ihm sehr zufrieden, weswegen er in Ruhe den Abwasch machen konnte, während er ihr zuhörte und ein Gericht für morgen besprach. Schließlich war auch das erledigt und er verabschiedete sich dankend, ehe er mit dem eingepackten Essen in seine Wohnung zurückging. Dort stellte er das Gericht noch einmal ins Rohr, um es warm zu halten, deckte derweil den Tisch und machte noch Salat dazu. Hoffentlich würde es Emily schmecken. Dem Geruch nach zu urteilen, konnte es aber nicht so übel sein und Mrs. Jenkins lebte immerhin auch noch. Was bei ihrem beachtlichen Alter schon einem Wunder gleichkam. Emily fand zuerst keinen Parkplatz und kurvte noch zweimal um den Block herum, bevor ein anderer Wagen wegfuhr und sie sich die Lücke mit ihrem Mini erobern konnte. Sie stieg langsam die Treppe hoch und kramte schon nach dem Schlüssel in ihrer Handtasche, als ihr Handy klingelte. Als sie es in die Hand nahm, ließ sie natürlich den Schlüssel wieder in die Untiefen der Tasche fallen, was ihr einen kleinen Fluch entlockte. „Hey Em! Wie geht’s? Sorry, dass ich so lange nichts habe hören lassen! Aber mir geht’s gut, keine Sorge. Bin nicht mehr mit Luke zusammen – der hat sich als Vollidiot entpuppt. War ja klar.“ Emily kramte seelenruhig weiter in ihrer Tasche, bis sie eine Lücke in Julies Redefluss ausmachte und erstmal ‚Hallo’ sagte. „Das mit Luke tut mir leid. Ich dachte, ihr versteht euch richtig gut…“ „Ja, dachte ich ja auch!“ Dass Julie immer so schreien musste, wenn sie am Telefon war. Endlich schaffte Emily es den Schlüssel aus der Tasche zu ziehen und aufzuschließen. Ein köstlicher Duft nach Essen schlug ihr entgegen und zog sie auf direktem Wege in die Küche. „Aber weißt du, irgendwann entpuppen sich doch alle Männer als Idioten. Weißt du, was Luke gemacht hat?!“ Emily strahlte Adrian an, der in der Küche stand und formte ein lautloses ‚Hi’ und dann ein von Augenrollen begleitetes ‚Julie’ mit ihren Lippen. „Ja, weißt du, man darf die Hoffnung nicht aufgeben… Irgendwann wir schon der Richtige…“ „Weißt du was? Ich geb’s aber auf. Ich dachte wirklich Luke wäre anders als die Anderen, aber sie sind doch alle gleich…!“ Julie lamentierte weiter, während Emily zu Adrian hinüber ging, eine Hand auf seinen Bauch legte und ihn zur Begrüßung kurz auf die Lippen küsste. Leider hatte sie dabei vergessen den Hörer weit genug von ihrem Gesicht weg zu halten. „Em? ... Em, was machst du?“ Sofort war Emily wieder ganz Ohr und lief sogar ein wenig rot an. „Entschuldige, ich war kurz abgelenkt.“ Sie streichelte leicht abwesend über Adrians Bauch, bevor sie mit dem Handy am Ohr versuchte, ihre Jacke auszuziehen, gleichzeitig Julie zuhörte und in den Flur zurückging, um sich die Schuhe abzustreifen. „Hör mal, Julie, wollen wir uns vielleicht einfach treffen und du erzählst mir in Ruhe, was passiert ist?“ Sie einigten sich auf den nächsten Abend und endlich legte Julie auf, wobei sie nicht vergaß, Emily noch einmal darauf hinzuweisen, dass alle Männer sowieso bloß hirnlose Trottel waren. Nach dem Gespräch hatte sie das Gefühl, ihr Ohr sei völlig rot und würde im Dunklen leuchten. Erst jetzt fiel ihr richtig auf, dass Adrian gekocht und sogar schon den Tisch für sie beide gedeckt hatte. „Das riecht ja lecker. Was gibt’s denn?“ Noch dazu hätte sie gern gewusst, warum er auf einmal kochte. Das hatte er bis jetzt noch nie getan und Emily erinnerte sich daran, dass Adrian einmal zugegeben hatte, dass er nicht sonderlich gut kochen konnte. Na, da würde sie sich überraschen lassen. Während er das aufgebackene Weißbrot aus dem Rohr nahm, hörte er Emilys Gespräch zu. Viel konnte er nicht daraus interpretieren, doch offenbar ging es um einen Mann. Schließlich kam Emily zurück, als er gerade den Korb mit dem aufgeschnittenen Brot in die Mitte des Tisches stellte. „Ich hoffe, es schmeckt auch.“, begann er noch etwas breiter lächelnd. „Heute gibt’s Chicken Marsala. Mrs. Jenkins war so nett, mir das Gericht beizubringen. Ihr selbst fällt es inzwischen schon schwer, für sich zu kochen. Hast du gewusst, dass sie früher sogar eine Spitzenköchin gewesen war?“ Adrian zog für Emily den Stuhl zurück, damit sie sich setzen konnte und ließ sich dann ebenfalls auf seinen Sesseln nieder. Er wartete, bis Emily sich genommen hatte, ehe er sich selbst etwas auf den Teller gab. „Ich hab ihr das Versprechen abnehmen können, dass sie mir das Kochen beibringt. Da ich unter der Woche ohnehin viel Zeit habe, dachte ich mir, ich hole diese Fähigkeit nach. Denn eigentlich macht es Spaß, aber mir hatte es bisher keiner beibringen können.“ Das gut gewürzte und angebratene Hühnchen schmeckte wirklich so gut, wie es roch. Das hätte er wirklich nicht gedacht, vielleicht besaß er ein ungeahntes Talent im Kochen. Bestimmt würde sich das bald zeigen. „Wie war dein Tag?“, fragte er schließlich und fügte gleich weiter an. „Gibt’s wieder Männerprobleme bei Julie?“ „Sehr lecker. Du scheinst talentiert zu sein, wenn du so ein gutes Hühnchen schon beim ersten Versuch hinbekommst.“ Sie war froh, dass er unter der Woche etwas zu tun hatte. Mrs. Jenkins würde sich über Adrians Hilfe sicher freuen, auch wenn sie es vielleicht nicht zugab. Die alte Dame war sehr eigensinnig und würde nie eine Schwäche zeigen, was in ihrer derzeitigen Situation nicht unbedingt der richtige Weg war. „Schön, dass du dich um sie kümmerst.“ Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln. „Und ich habe offensichtlich auch noch etwas davon. Großartig, kann ich da nur sagen.“ Genüsslich ließ sie sich noch ein Stück Hühnchen auf der Zunge zergehen. Sie unterhielten sich über Mrs. Jenkins, Emilys Arbeitstag – wobei sie Richards Besuch aussparte – und alles Mögliche, wie auch Julies neueste Einstellung zu Männern, während sie aßen und den Fruchtsaft tranken. Emily war dankbar, dass Adrian diesmal darauf verzichtet hatte, einen guten Wein zum Essen auszusuchen. Ihr Magen würde sicher Jubelsprünge machen, denn mehr Alkohol hätte er sicher nicht ausgehalten. Sie dachte an die Nacht zurück und wie Adrian ihr hoch geholfen hatte. Wie nah sie sich gewesen waren und wie gut sich das angefühlt hatte. Wie überwältigt sie auch von seinem Kuss gewesen war. Er hatte sie an die Wand gedrückt… So bestimmt… Sie biss von einem Stück Brot ab und sah auf ihren Teller, um sich nicht anmerken zu lassen, wie ihr bei diesen Gedanken, die sie sich gerade zusammen spann, die Röte ins Gesicht stieg. Selbst wenn Adrian es sah, würde er es vielleicht dem Essen zuschreiben. Es war nun mal gut gewürzt gewesen. Das Tischgespräch war interessant und teilweise auch witzig, weil Julie einfach eine Nummer für sich war. Adrian überlegte sich, ob er sie wirklich nicht Tyson vorstellen sollte. Die beiden würden sicherlich ein ganz schön explosives Paar abgeben, denn beide redeten sie gut und gerne. Wenn Julie auch noch so sehr auf Sex stand wie Tyson, dann würden die Gespräche sicher kürzer ausfallen als die Aktivitäten. Ein Versuch wäre es auf jeden Fall einmal wert, aber diesen Vorschlag würde er sich noch gut überlegen. Beim Abwasch ging es zwischen Emily und ihm ruhig zu. Sie schien in Gedanken versunken zu sein, denn ohne dass sie es bemerkte, hielt sie immer wieder in ihrer Tätigkeit inne und bekam diesen glasigen Blick, den er nicht deuten konnte. Adrian fand es faszinierend, ihr dabei zuzusehen, während er das Geschirr abwusch. Manchmal bildete er sich ein, eine leichte Röte würde sich auf ihre Wangen zaubern, aber sicher war er sich da nicht. Dennoch fragte er sich, woran sie wohl dachte. Bereits bevor sie mit den Essen fertig waren und zusammen den Tisch abräumten, fiel Emily etwas ein, das sie gern tun würde. Es war bestimmt ziemlich albern und eigentlich war es nicht die Jahreszeit und eigentlich gab es keinen Grund, außer dass sie es sich sehr schön vorstellte. Sie überlegte hin und her, ob sie fragen sollte oder nicht. War es noch zu früh, um so etwas vorzuschlagen? Wahrscheinlich. Vielleicht bald. Emily würde den Gedanken im Hinterkopf behalten. Für Regentage. Im wahrsten Sinne des Wortes. Über einen Teller hinweg, den sie gerade abtrocknete, sah sie Adrian an. „Und? Auf was hast du Lust?“ Es war nur eine einfache Frage gewesen, aber jetzt hörte es sich in ihren Ohren fast zweideutig an. Wahrscheinlich würde es Adrian gar nicht auffallen. Emily hatte sich auf dem Nachhauseweg überlegt, ob sie… Innerlich seufzte sie über sich selbst. Es hatte gar keiner Überlegung bedurft, um heraus zu finden, dass sie Sex mit Adrian haben wollte. Aber das würde wohl etwas kompliziert werden, wenn sie alles richtig verstand, was er ihr erzählt hatte. Sie würde warten müssen, bis er so weit war. Natürlich war das gar kein Problem, aber wenn sie ihn sich so ansah, wusste sie nicht, ob sie sich lange genug zusammen nehmen konnte, völlig die Finger von ihm zu lassen. Ob sie ihn gar nicht von sich aus berühren durfte? Emily war ein geduldiger Mensch, aber furchtbar neugierig. Auch auf Adrians Körper, von dem sie ja schon Einiges gesehen hatte. Sie war gespannt, wie lange es dauern würde, bis er ihr erlaubte, ihn auch an … speziellen Stellen zu berühren. Es kribbelte in ihrem Magen, als sie daran dachte. Sie hätte ihm gern ein wenig Vergnügen bereitet, bestimmt war es schön, seine Reaktion zu sehen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass sie den Teller schon eine ganze Zeit lang völlig unnötig abtrocknete und stellte ihn grinsend in den Hängeschrank zu den anderen. Ihm selbst schwirrte die Frage im Kopf herum, wie sich der heutige Abend noch entwickeln würde. Schon jetzt hätte er sie am liebsten an sich gezogen und sie geküsst, bis ihnen beide der Atem ausging. Dieser Drang, sie zu berühren, war ungewöhnlich intensiv und faszinierend neu für ihn. Bei den meisten anderen Frauen war da eher immer der Gedanke von Überwindung gewesen, bevor er sie berührt hatte. Außerdem schalteten sich dann meistens zuverlässig seine Emotionen ab, weshalb es ihm nichts bedeutete, wenn er sich von den Frauen küssen ließ oder er sie küsste. In diesem Zustand konnten sie Dinge mit ihm machen, von denen Tyson wohl nie genug bekommen würde, er jedoch musste Lust jedes Mal vortäuschen, um sich das Geschäft nicht zu versauen. Es war deprimierend einen Orgasmus vorzutäuschen, was er in vielen Fällen hatte tun müssen, um die Frauen und meistens auch die Männer anzuspornen. Zum Glück achteten seine ehemaligen Kunden wenig auf seine Körpersprache, weshalb Adrian lediglich das Kondom schnell genug hatte verschwinden lassen müssen, um die Täuschung aufrecht zu erhalten. Bei Emily war das etwas anderes. Da war sich Adrian sicher. Er konnte nicht sagen, ob es mit ihr klappen würde, jedoch würde er ihr nie etwas vorspielen. Wenn er allerdings an die Küsse dachte, wurden seine Sorgen gemildert. Die Ansätze von körperlicher Erregung dabei waren da gewesen. Bestimmt würden sich diese Gefühle bei zunehmender Intensität noch steigern. Adrian war schon jetzt gespannt darauf, wie sich alles entwickeln würde. Emilys Frage - auf was er denn Lust hätte - verstand er natürlich sofort als zweideutig. Immerhin war das Erkennen von versteckten Botschaften, wagen Andeutungen und zurückhaltenden Gesten ein Teil seines Erfolgs gewesen. Allerdings wusste er nicht, ob er darauf reagieren sollte. Vielleicht hatte sie das gar nicht beabsichtigt. Kurzerhand entschied sich Adrian für den Mittelweg. Nachdem Emily den Teller weggestellt hatte, nahm er ihr mit einem sanften Lächeln das Geschirrtuch aus der Hand und strich ihr zärtlich mit der Hand von der Schläfe aus, über die Wange bis zu ihrem Kinn, während er ihr näher kam, so dass sie mit dem Rücken zur Anrichte stand. „Ich bin noch unentschlossen.“, gestand er mit ruhiger Stimme, die das genaue Gegenteil von seinem rasenden Herzschlag darstellte. Seine Hand legte sich in ihren Nacken, während sein Daumen ihr weiterhin über die Wange streichelte und er noch etwas näher rückte, so dass sich ihre Becken fast berührten. „Ich hoffe daher, dass du mir meine Aufdringlichkeit verzeihst, aber ich habe dich den ganzen Tag lang vermisst.“ Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab, während er sich langsam über sie beugte und ihrem Gesicht mit dem seinen somit immer näher kam. Dabei legte sich seine andere Hand auf ihre Taille. „Sehr vermisst…“ Oh Gott, sein Herz schlug ihm heftig bis zum Hals, während er das sagte und bereits genau wusste, was er gleich tun würde. Das Prickeln in seinem Bauch wurde zu einem heftigen Rauschen, das sich überall in seinem Körper auszubreiten schien. Es wunderte ihn, dass sie seinen rasenden Herzschlag nicht hören konnte. Doch am Beben seiner Lippen konnte sie es fühlen, als er sie küsste. Zunächst sanft und zurückhaltend, doch je länger sie sich berührten, je mehr wollte er von diesem Gefühl. Weshalb sein Mund schließlich drängender darum bat, von ihr eingelassen zu werden. Seine Zunge sehnte sich nach der Berührung der ihren, ebenso wie er Emilys unvergleichlichen Geschmack vermisste. Adrians Finger, mit denen er ihr sanft über das Gesicht streichelte, waren noch etwas feucht vom Abspülen, was eine kühle Spur auf ihrer Wange hinterließ. Die Luft zwischen ihnen schien sich immer mehr aufzuladen, je näher Adrian an sie heran rückte. Der Körperkontakt war nicht aufdringlich. Zumindest empfand Emily es nicht so. Aber Adrian hatte eine Präsenz, die sie jedes Mal fast umhaute, wenn er ihr so nahe war. Das war bis jetzt noch nicht oft geschehen und vielleicht lag es auch daran, dass es ihr fast so vorkam, als könnte sie seine Ausstrahlung mit Händen greifen. Bei jedem anderen hätte sie das höllisch eingeschüchtert. Selbst jetzt, wo Adrian vor ihr stand, seine Hand in ihren Nacken legte und dadurch vielleicht unwillkürlich ihre Bewegungen bestimmte, musste sie schlucken und bekam Herzflattern vor Aufregung. Er konnte das hier. Emily war sich bewusst, dass Adrian diese Bewegungen schon so oft vollführt hatte, dass sie für ihn vielleicht gar nichts mehr bedeuteten. Frauen zu verführen war sein Job. Gewesen. Sie musste sich seine Vergangenheit endlich aus dem Kopf schlagen. Wenn sie es nicht konnte, wie sollte sie dann von ihm verlangen, dass er es tat. Seine leicht zitternden Lippen lösten eine Woge der Erleichterung in Emily aus. Vielleicht war sie doch anders, als die anderen. Wenn Adrian sie behandelt und betrachtet hätte wie eine seiner Kundinnen, dann hätte er nicht nervös sein müssen. Auch seine Hand zitterte leicht, als er sie an ihre Taille legte, was Emily glücklich strahlen ließ. Das bekam Adrian gar nicht mit, der bereits seine Augen geschlossen hatte, um sich dem Kuss zu widmen. Emily ließ sich fallen, um das Gleiche zu tun. Er küsste anders, als jeder andere Mann, den sie so berührt hatte. Er war sanft und nicht aufdringlich, obwohl er bestimmt wirkte. Zu Emilys großer Freude bestand er nicht sofort darauf ihr die Zunge in den Hals zu stecken, sondern widmete sich ihren Lippen, was sie nur allzu gern erwiderte. Ein wenig knabberte sie an seiner Unterlippe, bevor sie seinen weichen Mund auf ihrem wieder auskostete. Auf sein Bitten gab sie fast augenblicklich nach und öffnete sich ihm, um seine Zunge einzulassen. Sie stupste sie mit ihrer eigenen Zungespitze an, fuhr über seine Lippen und Zähne, bevor sie ihren Körper näher an ihn drückte und ihre Zunge seine umkreiste. Wieder ermahnte sich Emily selbst nicht so viel zu denken, konnte aber nicht verhindern, dass sie nur sehr zaghaft ihre Hände auf Adrians Hüften legte. Erst als er sich nicht dagegen sträubte, schob sie sein Hemd ein wenig hoch und ließ ihre Daumen über seine Haut streicheln. Wieder waren da die Kratzer, die Alex hinterlassen hatte, aber Emily ignorierte diese, um Adrian nicht daran zu erinnern. Sie küsste ihn weiter und wartete ein wenig ab, wie er auf ihr Streicheln reagieren würde. Emily wollte ihn nicht in einer Weise berühren, die er als unangenehm empfand. Ein heißer Schauer jagte seine Wirbelsäule hinab, als er ihre Hände auf sich spürte. Emily schien noch zu zögern, was ihn etwas verunsicherte, da er nicht sagen konnte, was genau diese Verzögerung hervorrief. Lag es an ihm, oder war sie ebenso nervös wie er bei diesem vorsichtigen Herantasten? So oder so, ihre Daumen auf seiner nackten Haut verursachten ein sehnsüchtiges Ziehen in seinem Bauch und die Stellen ihrer Berührungen schienen zu prickeln. Das ihr Körper dem seinen entgegenkam, animierte ihn dazu, auch seine Hände forschender über sie gleiten zu lassen. Die Hand in ihrem Nacken fuhr langsam jede Kontur ihrer Wirbelsäule nach, bis sie von der Kante der Anrichte in ihrem Rücken gestoppt wurde, weswegen Adrian Emily mit seiner anderen Hand enger gegen seine Hüfte drückte, um sie von dem Möbelstück wegzuziehen. Eher unbewusst bewegte sein Körper sich gegen ihre Hände, um ihnen zu zeigen, dass er diese Berührungen nur zu gerne willkommen hieß. Adrian konnte es zwar kaum fassen, aber er wünschte sich tatsächlich, sie möge ihn mit den ganzen Händen anfassen und nicht nur mit den Daumenspitzen. Eigentlich hätte er es hassen müssen, sie auf sich zu spüren, die fremde Wärme auf seiner Haut zu fühlen und die forschenden Berührungen zu ertragen, doch das Gegenteil war der Fall. So wie seine Hände über Emilys Körper glitten, um jede ihrer Rundungen und erregenden Kurven zu erforschen, um sich ein Bild von ihr machen zu können, genauso wollte er von ihr erforscht werden. Es gab nichts, was er vor ihr verbergen wollte, selbst die Kratzspuren von Alex kümmerten ihn nicht. Allerdings fragte er sich dummerweise, ob sein Körper ihr wohl gefallen würde. Es war schon seltsam. Jedes Wochenende zog er sich vor Frauen aus, tanzte für sie und ließ sich anfassen, ohne sich auch nur im Geringsten darum Sorgen zu machen. Doch hier mit Emily in der Küche, voll bekleidet und ohne den geringsten Hauch von anzüglichen Bewegungen, fragte er sich, ob er ihren Erwartungen gerecht werden konnte. Vielleicht gefiel ihr gar nicht, was sie da berührte. Vielleicht machte ihr die Tatsache, dass schon unzählige Hände diese Haut berührt hatten, etwas aus. Ihm selbst fiel es ja schon schwer, sie sich mit Richard vorzustellen, auch wenn das vorbei war. Wie musste es da erst ihr gehen? Adrian ermahnte sich, nicht so viel zu denken. Das konnte jeden Funken von aufkommender Lust im Keim ersticken und dabei wusste er, dass es ihm ohnehin nicht sehr leicht fiel. Zumindest bei anderen Frauen. Bei Emily war es, als würde sie in ihm einfach einen Schalter umlegen, der ihn plötzlich mit Emotionen nur so überflutete. Leider eben nicht nur mit guten Gefühlen. Sonst hätte er es immerhin nicht nötig, sich wegen seines Aussehens und seiner Vergangenheit Sorgen zu machen. Mit einem Mal überkam ihn ein schrecklicher Gedanke, der ihn vollkommen erstarren ließ. Was wenn sie das nur aus Mitleid tat, weil sie ihn gerne hatte? Abrupt ließ Adrian von ihr ab und taumelte bis zur Theke zurück, wo er sich den Ellenbogen stieß, allerdings massierte er sich den Schmerz nur nebenbei weg, während er Emily leicht gequält ansah. Sein Atem ging schneller, was noch an den Nachwirkungen des Kusses lag, doch sein Herz tobte nicht nur deshalb wie wild in seiner Brust. Er hatte Angst, dieser dämliche Gedanke könnte sich bewahrheiten! Natürlich hatte Emily keine Ahnung, wieso er plötzlich von ihr gewichen war, weshalb er auch verzweifelt nach den richtigen Worten suchte. Aber natürlich würde nichts von dem was er fühlte, sich so einfach in eine ausgefeilte Rede verpacken lassen. Also stammelte er einfach auf gut Glück los. „Emily… Ich…“ Mühsam versuchte er seinen Atem wieder zu beruhigen, was gar nicht so einfach war. „…da gibt es etwas … das ich gerne… wissen würde…“ Nun sprich schon, du Idiot! „F-Fällt es dir schwer … mich anzufassen?“ Zwar versuchte er sich dazu zu zwingen, sie anzusehen, doch er konnte nicht. Also heftete er sich an den Anblick seiner nackten Zehenspitzen fest. „Ich meine, du musst das nicht tun, wenn du nicht willst. Ich könnte verstehen, wenn dich das eher abstößt. Immerhin…“ Er hob schließlich doch unendlich traurig den Blick: „…bin ich nichts weiter als Gebrauchtware…“ Gerade war sie im Begriff gewesen, ihre Hände unter sein Shirt zu stecken. Emily hatte nur darauf gewartet, dass Adrian ihr auf irgendeine Weise zu verstehen gab, dass sie das tun durfte. Dass es ihm nichts ausmachte von ihr berührt zu werden. Ihr Herz hatte einen freudigen Sprung vollführen und ihr Körper sich noch ein wenig mehr an ihn schmiegen wollen. Doch dann war er vor ihr zurückgewichen, als hätte er sich an ihren Händen verbrannt. Deshalb sah sie auch zuerst verständnislos auf ihre Finger, bevor sie zu Adrian hinüber sah, der sich den Ellenbogen rieb und völlig außer Atem vor der Küchentheke stand. Als wäre das nicht genug gewesen, schien ihr jedes seiner Worte einen Dolch ins Herz zu treiben. Sie hatte doch etwas falsch gemacht. Wie hatte sie nur so dumm sein können! Wahrscheinlich hatte sie seine Reaktion doch falsch interpretiert und… Bei seinen letzten Sätzen, die er weniger zu ihr, als zu ihrem Küchenfußboden sagte, zuckte sie schmerzlich zusammen. „Was?“ Sie war so entsetzt, dass sich das einzelne Wort fast durch den Raum zwischen ihnen schnitt. „Nein, ich…“ In ihrem Hirn schienen sich die Versionen der Antwort, die sie geben konnte, wie eine Weggabelung vor ihr aufzutun. Nur eine führte auf Adrian zu und die anderen würden ihre Beziehung egal welcher Art wahrscheinlich völlig zerstören. Leider wusste Emily nicht, welcher Weg der richtige war, also griff sie auf das zurück, das für sie bis jetzt am besten funktioniert hatte. Sie war ehrlich. „Ich finde das überhaupt nicht abstoßend.“ Ihr Stimme wurde sehr sanft und sie ging zu ihm hinüber. Als sie direkt vor ihm stand, legte sie ihre Hände leicht auf seine Hüften. Er schien in den letzten Augenblicken geschrumpft zu sein. Wie konnte er bloß so grausam zu sich selbst sein und sich selbst als Ware bezeichnen? Bereits Emily hatte der Begriff, den er für sich selbst verwendet hatte, so wehgetan, dass sie bloß beim Gedanken daran in Tränen hätte ausbrechen können. Sie sah ihm mit ihren Augen in seine eisblauen. „Hör’ zu, Adrian. Ich berühre dich gern. Aber es ist alles nicht so einfach.“ Mit dem Finger fuhr sie über die Stelle, an der unter seinem Shirt die Kratzer verliefen. „Du hast Striemen auf deiner Haut, die dir erst vor Kurzem jemand verpasst hat, dem du vertraut hast. Jemand, den du gern hattest.“ Bei dem Gedanken musste sie einen Hauch von Eifersucht hinunter kämpfen. Diese Alex hatte ihn nicht verdient und Emily hoffte bloß, dass Adrian das klar war. „Es erscheint mir so, als hätte dich bis jetzt fast jeder so behandelt, als wärst du sein Eigentum. Das will ich nicht. Du gehörst mir nicht. Ich mag dich und freue mich unendlich, dass du mich auch auf diese Weise magst, aber das heißt nicht, dass ich mir einfach nehme, was ich will.“ Nun musste sie sich etwas zusammennehmen, um auch noch die letzten Worte über ihre Lippen zu bringen. Sie hatte sich für den ehrlichen Weg entschieden, also würde sie ihn auch zu Ende gehen. „Ich bin unsicher, wenn ich dich berühre. Aber das liegt sicher nicht daran, dass ich es nicht will. Ganz im Gegenteil sogar.“ Ihr fiel selbst gar nicht auf, dass sie während sie sprach, mit ihren Händen über seine Seiten streichelte. „Aber ich will dich nicht verletzen. Ich will nicht aufdringlich sein, weil ich… Weil ich Angst habe, dass du meine Berührungen als unangenehm empfinden könntest.“ Sie konnte das Bedürfnis, sich an ihn zu lehnen, kaum ertragen. Es war so groß, dass sie innerlich zitterte, auch wenn es sich äußerlich nur dadurch zeigte, dass sie die Lippen ein wenig aufeinander presste, als würde sie sich konzentrieren, um ein paar Tränen hinunter zu kämpfen. Was nicht ganz falsch war. Der Gedanke, dass sie ihn schon verlieren könnte, bevor sie ihn gehabt hatte, war unerträglich. Seltsamerweise hatte Adrian nicht den Drang, vor Emily zurückzuweichen, wie er eigentlich angenommen hätte, als sie auf ihn zukam. Immerhin fühlte er sich mit einem Mal wie der letzte Dreck. Der es nicht wert war, von ihr gemocht zu werden. Verdammt noch mal, er war bisher doch tatsächlich nicht mehr gewesen als ein Objekt! Von vorne bis hinten ausgenutzt, erniedrigt, herabgewürdigt und für fremde Zwecke missbraucht worden und das alles freiwillig. Durch seine Adern zogen einst harte Drogen die Runden und manchmal kam es ihm immer noch so vor, als könnte man ihm seine Vergangenheit schon aus einer Meile Entfernung ansehen. Es war egal wie oft er sich wusch, wie gut er sich um seinen Körper kümmerte, ihn hegte und pflegte, seine Seele konnte er nicht reinwaschen. Das musste doch selbst Emily sehen können… Ihre Hände ruhten auf seinen Hüften so warm und weich wie reinigendes Feuer, doch letztendlich waren ihre Worte das, was ihn am meisten traf. Ohne es zu wollen, begann sein ganzer Körper unter der Wucht ihrer Aussage zu erbeben und das Blut rauschte ihm jetzt so laut in den Ohren, dass er sich konzentrieren musste, um auch noch den Rest ihrer Sätze zu verstehen. Adrian konnte nicht sprechen. Ein Kloß so groß wie seine Faust schnürte ihm schmerzhaft die Kehle zu, als er dieser einzigartigen Frau in die dunklen Augen blickte und sehr wohl ihre Gefühle darin lesen konnte. Sie meinte es ernst. Jedes einzelne Wort war die Wahrheit. Der Damm in ihm und um seine Gefühle herum, bekam erst kleine Risse, konnte den gewaltigen Mächten die hier am Werk waren, jedoch nicht mehr länger standhalten und wurde schließlich restlos fortgerissen. Sofort sprudelten heftige Emotionen auf ihn ein. Er hatte Angst, war nervös, wollte weglaufen, sich irgendwo verstecken und nie wieder hervor kommen. Doch die ewig währende Einsamkeit hätte er in diesem Augenblick nicht mehr länger ertragen können. Darum wischte er diese Gefühle mit einer entschlossenen Geste fort und nahm Emilys Hände zwischen die seinen. Während er ihren Blick erwiderte, führte er sie langsam an seinen Mund und küsste zärtlich und dankbar jede ihrer Handflächen, ehe er sie an sein heftig schlagendes Herz legte. Seine Stimme war rau, aber ruhig, als schließlich die Angst von ihm abfiel und er die Wahrheit dahinter erkannte. „Ich vertraue dir Emily und zum ersten Mal in meinem Leben reagieren mein Körper und Verstand so ganz anders, als ich es bisher erlebt habe, wenn mich jemand berührt. Wenn DU mich berührst. Davor habe ich Angst. Aber nicht etwa, weil du mir wehtust, sondern weil das alles so neu für mich ist.“ Vielleicht klang das ziemlich seltsam, immerhin konnte es kaum jemand an Erfahrung mit ihm aufnehmen, aber das hier war nicht sein Gebiet. Hier war er der Neuling, der sich nicht auskannte und erst lernen musste. Das wollte er Emily verständlich machen, in dem er wieder ihre Hände nahm, sie unter sein Shirt schob und leicht auf seinen nackten Bauch legte. Ganz sanft und nicht drängend, sie könnte ihre Hände jederzeit wieder wegziehen. „Hier zum Beispiel. Das löst sehr … kribbelnde Gefühle aus.“, gestand er beschämt, während sich sein Atem wieder leicht beschleunigte. „Wie kleine elektrische Schauer, die durch meinen Bauch flitzen.“ Er hätte es auch einfach in einem einzigen Wort zusammenfassen können. Das war eindeutig ‚Erregung‘. Aber obwohl er für gewöhnlich locker über Lust, Sex und Intimität reden konnte, so war das bei Emily etwas anderes. Es waren nicht einfach nur Gefühle die seinen Körper betrafen. Es erschien ihm … wertvoller. Als wäre da mehr als er mit Worten beschreiben könnte. „Darum … wenn es dir nichts ausmacht … würde ich gerne von dir berührt werden… Weil es sich einfach … gut anfühlt. Fast genauso gut, wie dich zu berühren.“ Ein schüchternes Lächeln erschien auf seinen Lippen, als er mit einer seiner Hände über ihre Wange strich und mit dem Daumen über ihre Lippen fuhr, die er so unendlich gerne küsste. Es hörte sich an, als würde er von sich denken, er käme von einem anderen Planeten. Als wüsste Adrian nicht, was er mit all den Emotionen und Gesten anfangen sollte, die jeder Mensch als natürlich empfand. Das konnte Emily nicht nachvollziehen, aber sie versuchte es zumindest zu verstehen. Sie war überrascht, als er ihre Hände küsste und sie dann unter seinem Shirt auf seine Haut legte. Sein Bauch war vollkommen glatt und fest. Etwas das Emily auch neu war, so wie vieles andere an Adrian. „Natürlich macht es mir nichts aus.“ Sie flüsterte und öffnete kaum ihre Lippen, als er mit seinem Daumen darüber fuhr. „Ich tu es gern. Sehr gern sogar.“ Und noch etwas anderes tat sie gern. Emily lehnte sich vor, stupste mit ihrer Nasenspitze kurz an seine, bevor sie ihn sanft auf die Lippen küsste. Ihre Hand, die immer noch auf seinem Bauch lag und die er losgelassen hatte, wanderte an seiner Seite entlang und ein wenig nach oben. Sie streichelte bis über seinen Rücken und der Wirbelsäule folgend wieder nach unten, bis sie von seinem Hosenbund gestoppt wurde. Währenddessen machte sie mit ihrem Kuss dort weiter, wo sie vorhin aufgehört hatten. Diesmal dachte sie allerdings nicht darüber nach, was Adrian alles von ihr oder über irgendwelche anderen Frauen denken könnte. Daher fiel ihr Kuss auch intensiver und nach einer Weile auch leidenschaftlicher aus als der vorherige. Irgendwann, Emily hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, wurde ihr das Rumstehen in der Küche zu unbequem. Außerdem tat eine kurze Verschnaufpause ihnen sicher beiden gut. Emily fühlte sich, als wäre ihr der Kuss mit Adrian direkt ins Blut übergegangen und nun glühte ihr ganzer Körper vor Freude und Erregung. Ein wenig atemlos sah sie ihm in die Augen und ergriff seine Hand. „Sollen wir es uns ein wenig gemütlicher machen?“ Das konnte alles zwischen Kuscheln auf der Couch und ein wenig mehr Körpererkundung im Bett bedeuten. Emily ließ Adrian die Wahl. Trotz ihrer gegenseitigen Eingeständnisse, konnte Adrian noch nicht richtig los lassen, was Emily aber schließlich dadurch behob, dass sie ihn auf eine Weise küsste, die ihm die Nackenhärchen zu Berge stehen ließ, so sehr stand er dabei unter Strom. Wie leicht es doch auf einmal war, sie in seine Arme zu ziehen, dabei ihre Hände auf sich zu spüren, während sie sich mit immer leidenschaftlicheren Küssen gegenseitig anfeuerten. Adrian schien beinahe in seinen eigenen Säften zu kochen, als sich Emily schwer atmend von ihm löste und auch er musste sich eindeutig eine Atempause eingestehen. Also umschlangen seine Finger die Hand, mit der sie ihn ergriffen hatte und einen Sekundenbruchteil überlegte er, wo sie das hier alles heute noch hinführen würde. Es war keine leichte Entscheidung gewesen, Emily schließlich ins Wohnzimmer zu führen, wo er sich mit ihr zusammen auf die Couch nieder ließ. Natürlich hatte Adrian auch an ihre Betten gedacht, aber irgendetwas hielt ihn noch von diesem entscheidenden Schritt ab, weswegen er sozusagen neutralen Boden gewählt hatte. Wenn es wirklich so weit kommen sollte, könnten sie sich immer noch für das weiche Matratzenlager entscheiden. Er begann Emily erneut zu küssen. Das Sitzen war eine Erleichterung, denn inzwischen waren seine Knie bereits ganz weich geworden, während etwas anderes an ihm, langsam an Härte zunahm. Zum Glück trug er heute enge Jeans, weshalb das noch nicht wirklich auffiel. Aber stieg das Knistern und die Temperatur in diesem Raum weiterhin so an, konnte bald nichts mehr verdecken, welche Gefühle Emily in ihm auslöste, ohne dass sein Körper auf das arbeitsmäßige Routineprogramm zurückgegriffen hätte. Adrian wusste nur zu deutlich, dass das hier für ihn und Emily war, weil er es wollte und nicht weil er es musste. Inzwischen fühlte er sich frei von jeglichem Gefühl des Gegenstandes. Hier mit Emily zusammen war es ebenso ein Teil seines Verstandes und Herzens, wie seines Körpers. In diesem Moment beschloss er, sich vollkommen fallen zu lassen und erst danach zu sehen, wo und wie er aufschlagen würde. Seine forschenden Hände wanderten nun deutlich mutiger unter ihr Oberteil, um ihre nackte, weiche Haut spüren zu können, die er zu gerne auch einmal schmecken würde. Doch im Moment war er vollkommen mit ihren Lippen und ihrer Zunge zufrieden und beschäftigt. Weswegen er sich derweil damit begnügte, mit seinen Händen ihren Körper zu erforschen. Er erkundete jeden Zentimeter ihres Rückens, fuhr unter der Druckstelle ihres BHs entlang, den er ihr schließlich öffnet, ohne ihn weiter auszuziehen. Seine Absicht lag darin, ihr diesen Druck von der Haut zu nehmen, damit diese sich von der einschnürenden Enge erholen konnte. Danach wanderten seine Hände nach vorne zu ihrem Bauch. Seine Daumen zogen kleine Kreise um ihren Bauchnabel, fuhren den Bund ihres Rocks entlang, bis sie den Weg nach oben einschlugen. Je näher er dabei ihren Brüsten kam, umso mehr spannten sich seine Muskeln an, da das Ziehen in seinem Bauch dadurch noch intensiver wurde und somit auch das sehnsüchtige Verlangen in seinen Lenden zunahm. Inzwischen ging sein Atem unregelmäßig und schnell, da ihm das Blut nur so durch die Adern schoss und somit mehr an Sauerstoff von ihm verlangte. Schließlich entkam ihm sogar ein leises Stöhnen, das er damit dämpfte, in dem er seine Lippen wieder gegen Emilys Mund drängte. Emily wusste nicht erst jetzt diese riesige Couch zu schätzen, aber gerade in diesem Moment war sie mehr als glücklich, dass sie zu zweit darauf so viel Platz fanden. Wieder hatte sie eine fast kindliche Freude daran mit Adrian einfach herumzuknutschen. Sie saßen nebeneinander, sich halb zugewandt und küssten sich. Erforschten die Lippen des anderen mit ihren eigenen, ließen ihre Zungen miteinander spielen, als wäre das alles totales Neuland. Nur zu deutlich spürte Emily Adrians Hände unter ihr Oberteil gleiten. Er fuhr ihren Rücken hinauf und öffnete ihren BH. Sie rechnete damit gleich anschließend seine Hände auf ihren Brüsten zu spüren, doch zuerst widmete sich Adrian ihrem Bauch, den sie unwillkürlich ein wenig einzog, als er sie berührte. Sie war in keinem Fall dick, aber in dieser Haltung hatte sie das Gefühl sich etwas besser in Position bringen zu müssen. Immerhin konnte man bei Adrian mit voller Ernsthaftigkeit behaupten, dass er kein einziges Gramm Fett zu viel auf den Hüften hatte. Sie fühlte nur Muskeln unter der glatten Haut seines Bauches, den sie allmählich auch immer weiter nach oben streichelte. Dabei schob sie natürlich auch sein Shirt immer weiter nach oben. Schließlich erreichte sie seine wohl definierten Brustmuskeln, die sie mit den Fingern bis zu seinem Schulterbogen entlangfuhr, um dann an seinem Schlüsselbein wieder zur Mitten hin zu streicheln. Wieder stellte sie verwundert und sogar ein wenig seltsam fasziniert fest, dass er nirgendwo auch nur ein Härchen hatte stehen lassen. Emily war einfach zu neugierig, als das sie es hätte beim Fühlen belassen können. Sie ließ kurz von seinen Lippen ab, um ihn etwas atemlos anzulächeln. Seine blauen Augen schienen nur so zu funkeln, aber vielleicht bildete sich Emily das auch nur ein, weil sie selbst sich in einer positiven Weise wahnsinnig aufgewühlt fühlte. Ihre Hände lagen immer noch auf seiner Brust und sie sah Adrian fragend an, als sie sie langsam weiter nach oben schob, um schließlich das Shirt zu greifen. „Darf ich?“ Er ließ sich von ihr ausziehen und lächelte, als sie fasziniert mit den Fingern über seine Haut fuhr. Sie hatte ihn schon öfter halb nackt gesehen, aber jetzt wo sie ihn auch berühren durfte, hatte das eine ganz andere Qualität. Man hätte ihren Gesichtsausdruck fast konzentriert nennen können, als ihre Finger auf zärtliche Wanderschaft von seinem Hals hinunter zu seinem Bauchnabel gingen. Sie fuhr die Muskeln nach, streichelte mit der flachen Hand über seinen Bauch und sah dabei zu, wie sich sein Brustkorb beim Atmen hob und wieder senkte. Seine Körper war nicht nur haarlos, sondern auch mit vielen Sommersprossen übersäht, die zu den Eigenheiten seiner Haarfarbe gehörten. Es war mehr als Neugier, als sich Emily überlegte, wie Adrian wohl … unter dem Hosenbund aussah. Normalerweise legte sie keinen gesteigerten Wert darauf, sich diesen Teil des Mannes anzusehen, aber irgendwie… Peinlich berührt sah sie Adrian in die Augen und lief rot an. Ihre Finger waren wie von selbst zu dem Knopf seiner Jeans gewandert und hatten Kreise darauf gezogen, während sie nachgedacht hatte. Sofort zog sie die Hand weg und legte sie wieder auf seinen Bauch, bevor sie ihn wieder küsste. Diesmal aber weniger intensiv, um ihnen beiden mehr Luft zum Atmen zu lassen. Ihre Hände auf seinem Körper fühlten sich einfach fantastisch an. Er genoss jede noch so kleine Berührung, während er das Gefühl dabei tief in sich abspeicherte, um sich vielleicht einmal in Zeiten der Not wieder daran zu erinnern. Die Hände der Frauen im Club waren nur wie lästige Fliegen, die er nicht abschütteln konnte. Sie waren nichts weiter, als ein paar Unannehmlichkeiten in seinem Job, erst recht wenn er dazu im Vergleich nun Emilys Hände hernehmen konnte. Wie dankbar er ihr doch war, als sie ihm das Shirt auszog. Die kühle Luft schaffte etwas Linderung für seine erhitzte Haut, doch natürlich schürte Emily sein inneres Feuer nur noch weiter, anstatt es zu löschen. Ein neugieriges Prickeln erfüllte ihn, während er ihr dabei zusah, wie sie seinen Oberkörper sowohl mit ihren Händen, als auch mit den Augen erkundete. Noch immer lagen seine Hände dabei auf ihr, doch während sie ihre Neugier nach ihm stillte, lehnte er sich etwas zurück und schöpfte nach Atem, der sich trotzdem kaum beruhigen konnte. Wie könnte er auch, wenn ihre Finger elektrisierend über seine Brust nach unten zu seinem Bauch wanderten und er sie schließlich sogar am Bund seiner Hose spürte. Besonders bei diesen Berührungen beobachtete er Emilys Mimik sehr genau. Sie sah fast schon konzentriert aus, aber auch neugierig. Sie stellte keinesfalls offene Lüsternheit dar oder sah so aus, als würde sie sein Fahrgestell begutachten, um zu prüfen, ob er sein Geld wert sein würde. Nein, sie war einfach neugierig und das schmeichelte ihm. Auch wenn er sich fragte, wieso sie so nachdenklich mit den Fingern den Knopf seiner Jeans. Am liebste hätte Adrian sie gebeten, dem Warten einfach ein Ende zu setzen, da sie durchaus tun durfte, wonach ihr im Augenblick war. Wenn das beinhaltete, dass sie den immer größer werdenden Druck seiner Lenden etwas milderte, war er vollkommen damit einverstanden. Aber er wollte sich ihr nicht aufdrängen, darum erwiderte er mit einem wohligen Seufzen ihren Kuss, und ließ nun seine Hände weiter über ihren Körper wandern, den er ebenfalls faszinierend fand und eindeutig noch weiter erkundet werden musste. Für die Arbeit hatte sie wieder eine Bluse getragen, deren Knöpfe er nun langsam öffnete, um auch mehr von ihr sehen zu können. Immerhin war Emily was das anging, noch vollkommen neu für ihn. Sie hatte ihn schon oft in Shorts gesehen, er sie jedoch nie in Unterwäsche. Dieser Gedanke hatte etwas sehr reizvolles an sich. Adrian war den Anblick von vielen nackten Frauen gewohnt, deren Anblick ihn mehr oder weniger vollkommen kalt gelassen hatte, aber bei Emily reichte schon seine Fantasie aus, um seinen Puls zu beflügeln. Immerhin wusste er noch ganz genau, wie sie im Bikini ausgesehen und wie heftig er auf sie in der Sauna reagiert hatte. Allein das ließ ihn noch ein bisschen härter werden. Als er schließlich die Knöpfe ihrer Bluse vollständig geöffnet hatte, schob er ihr den Stoff von den Schultern. Um ihr aber das Kleidungsstück ganz ausziehen zu können, musste sie kurz von ihm ablassen, was ihm eigentlich gar nicht so recht gefiel, aber das konnte er durchaus hinnehmen, wenn er dafür mehr von ihr sehen durfte. Ihr BH hing ihr nun locker und in faszinierend schmeichelnder Position um den Brustkorb. Den Zweck des Stützens erfüllte er schon lange nicht mehr, seit Adrian ihn geöffnet hatte, dafür beflügelte er aber die Versuchung, den Stoff nur ein Stückchen beiseite zu schieben, um diese wunderbaren Brüste ansehen zu können. Da Adrian im Moment aber ohnehin noch mit Emilys Lippen beschäftigt war, war ihm selbst sehen nicht vergönnt, weshalb er sich mit fühlen zufrieden gab. Seine Hände wanderten ihren Bauch entlang. Umkreisten die erregenden Rundungen ihres weiblichen Körpers bis hinauf zu ihrem Brustbein. Danach wagten sich nur noch seine Fingerspitzen über die zarte Haut von Emilys Brustansatz, bis zum Stoff ihres BHs. Schmetterlingsartig streichelten seine Finger über den Stoff, umrundeten die Spitzen ihrer Brüste, die er dadurch nur erahnen konnte, ihm aber ein kehliges Schnurren entlockte. Oh Gott, er wollte mehr davon! Mit jedem Knopf ihrer Bluse, den Adrian öffnete, wurde das Kribbeln in Emilys Bauch größer. Deshalb half sie ihm auch, sie so schnell wie möglich von der Bluse zu befreien. So hatte sie auch die Hände wieder frei, um ihn zu streicheln, ihre Fingerspitzen über seine Haut gleiten zu lassen und seinen Körper weiter zu erkunden. Doch das taten nicht nur ihre Lippen. Sobald er sich bis zu ihren Brüsten vorgearbeitet hatte, ließ sie von seinen Lippen ab und küsste sich vorsichtig zu seinem Ohr. Sie leckte an seinem Ohrläppchen, bevor sie es zwischen die Lippen nahm, daran saugte und schließlich ein wenig neckend daran knabberte. Obwohl seine Hände nur über den Stoff ihres BHs glitten und sie den Druck seiner Finger deshalb nicht zu deutlich spüren konnte, streckten sich ihre Brustwarzen ihm entgegen. Seine Berührungen waren sanft, aber das konnte ihm durch den dünnen Stoff nicht entgehen. Wieder hörte sie einen Ton, der sich stark nach einem Schnurren anhörte und sie zum Schmunzeln brachte. Das passte zu dem Bild, das sie sich von Adrian als plüschigem Kämpfer gemacht hatte. Das Herz sprang ihr freudig in der Brust herum und es war wie bei ihrem ersten Kuss, als Emily sich gefühlt hatte, als würde in ihrem Körper ein Feuerwerk angezündet werden. Sie konnte das Flattern in ihrem Magen deutlich spüren und genoss es in vollen Zügen. Das war es wohl auch, was sie dazu brachte, ihre Hände auf Adrians Brust zu legen und ihn ein wenig nach hinten zu drücken. Sie wollte sich mit ihm hinlegen, was er auch augenblicklich verstand. Wieder dankte Emily leise dem Möbelhaus für diese großartige Couch. Sie konnten bequem auf der Seite nebeneinander liegen und sich ansehen. Oder in ihrem Fall mit dem Küssen fortfahren, was Emily ebenfalls mehr als recht war. Eigentlich hätte er es nicht für möglich gehalten, doch nun, da sie sich in der Horizontalen befanden, spürte er einen erneuten Adrenalinstoß, den er seiner Aufregung zuschreiben konnte. Es war so verdammt seltsam für ihn, sich so zu fühlen, dass er für einen Moment lang wie gefangen von diesem Gefühl zu sein schien. Für Adrian hatte das einfach keine Logik, denn für Gewöhnlich wüsste er genau, was er in dieser Lage tun würde. Je nach Wunsch des oder der anderen richtete er individuell seine Handlungen danach aus. Hier allerdings fehlte ihm dafür etwas vollkommen Entscheidendes – die objektive Nüchternheit. Adrian war in diesem Augenblick ganz und gar nicht auf nüchterne Weise erregt, die für Gewöhnlich kaum der Rede wert war, erwähnt zu werden und sicherlich nicht objektiv, da ihm sein Denkvermögen in rasanter Geschwindigkeit abhanden zu kommen drohte. Ganz im Gegenteil. Er war regelrecht durcheinander, wusste nicht, auf welches Gefühl er nun genau reagieren sollte, da sie ihn von allen Seiten zu bombardieren schienen. Sex war soviel leichter, wenn man dabei stets die Kontrolle behielt und nicht zu ließ, dass es einen überrollte, aber schon jetzt war Adrian klar, dass nicht die Kontrolle den erstrebenswerten Zustand darstellte, sondern das Vergnügen und die Lust dabei und vielleicht auch einmal das Gefühl der Verbundenheit zu verspüren, das er nicht kannte. Es war schließlich der Kuss von Emily, der ihn aus seinem kurzen Zustand der Unsicherheit riss. Adrian wurde sich wieder bewusst, dass er sich dazu entschlossen hatte, das hier zuzulassen. Natürlich konnte hier keine Nüchternheit aufkommen, immerhin wurde er von den verschiedensten Gefühlen voll und ganz berauscht. Niemals hätte er sich davon distanzieren können. Außerdem wäre es verdammt grausam, wenn er sich vor Emily und den Emotionen verschloss, die sie ihm bereitete, während sie selbst sich ihm öffnete. Das hätte er niemals gewollt, selbst wenn es bedeutete, die Kontrolle seines Körpers über kurz oder lang abzugeben. Um nicht weiter darüber nachdenken zu müssen, beschloss er, dass Emilys BH nun nur noch hinderlich war und er ihn ihr ausziehen wollte. Immerhin lagen sie so eng beieinander, dass sie sich nur dementsprechend drehen brauchte, um ihm den Einblick auf ihre weiblichen Rundungen zu verwehren, sollte das ihr Wunsch sein. Auch wenn er hoffte, sie würde sich vor ihm nicht verstecken wollen, immerhin war das völlig unnötig. Er wusste schon jetzt, dass ihm das gefallen würde, was sie zu bieten hatte. Wer außer ihr hatte es denn bisher geschafft, ihm allein durch visuelle Reize zu einer Erektion zu verhelfen? Da sich niemand auf diese Frage meldete, zog er ihr geschickt den BH aus, während sie über seine Brust streichelte und kaum einmal unterbrechen musste, bis das zierliche Teil irgendwo in Vergessenheit geriet. Eigentlich hatte sie sich zurückhalten wollen. Aber jetzt, wo sie so nah neben Adrian lag und mit ihren Händen immer wieder über seinen Oberkörper streichelte, wanderten ihre Finger fast automatisch weiter nach unten. Über den Bund seiner Hose wagten sie sich hinaus und streiften entlang der Naht seiner Jeans seinen Oberschenkel hinunter. Wieder drohte ihr Hirn ihr in die Quere zu kommen, doch da dieses Organ heute schon genug angerichtet hatte, schob Emily es zur Seite und ließ ihre neugierige Hand an der Innenseite von Adrians Oberschenkel nach oben wandern. Er ließ es nicht nur zu, sondern legte sein oberes Bein sogar ein wenig nach hinten, damit sie mehr Platz hatte, ihn zu streicheln. Als sie zwischen seinen Schenkeln angekommen war und bis zum Knopf seiner Jeans fuhr, konnte sie unter dem unflexiblen Stoff spüren, warum Adrian ihr ein wenig entgegen kam. Sie sah ihm in die Augen, während sie den Knopf und anschließend vorsichtig den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Wenn er ihre Hand aufhalten wollte, die nun forschend über seine Short und deren Inhalt fuhr, konnte er das jederzeit tun. Allerdings wäre es Emily lieber gewesen, wenn er sie hätte weitermachen lassen. Adrian hatte eigentlich vor, seine wagen Forschungen ihres Brustkorbs zu intensivieren, doch mit stockendem Atem bekam er plötzlich mit, wohin Emilys Hände marschierten. Sein Freund begann deutlich zu pulsieren, als er sie über seine Hüften wandern spürte. Okay, darauf war er absolut nicht vorbereitet gewesen, weshalb er fast vor ihren Händen zurückgezuckt wäre, als Emily bei der Innenseite seiner Oberschenkel angekommen war. Panik schien ihn beinahe zu packen, da er nicht damit gerechnet hatte, so heftig auf vergleichsweise noch harmlose Berührungen zu reagieren. Doch dem war so. Sein Herz schien mit einem mal nicht nur in seiner Brust zu schlagen, sondern auch in der Spitze seiner Erregung pochte sein Puls heftig und das Ziehen darin wurde beinahe schmerzhaft. Adrian gestand es sich nur ungern ein, aber das war nun deutlich mehr, als er seit seiner Zeit als Stricher je bei irgendeine Art von Verkehr empfunden hatte. Selbst bei Alex, bei der er sich noch eher hatte gehen lassen können, war es nicht so intensiv gewesen, dass es ihm beinahe dem Atem raubte. Halt suchend krallten sich seine Hände in die Polsterung der Couch, während sein Körper fast instinktiv richtig handelte. Er öffnete seine Schenkel etwas, um Emilys Hand mehr Spielraum zu geben. Außerdem war seine Jeans inzwischen wirklich viel zu eng, was sie wohl nur zu gut erkennen konnte, als sie darüber strich. Adrian biss sich auf die Unterlippe und hielt den Atem an, als Emily ihm in die Augen sah, während sie langsam erst den Knopf öffnete und dann vermutlich auch den Reißverschluss, denn mit einem Mal ließ der beengende Druck auf seinem besten Stück nach. So sehr er auch um Fassung oder wenigstens um Zurückhaltung rang, der nächste Nervenkitzel machte all das zu Nichte, als nur noch der dünne Stoff seiner Short ihre Hand von seiner Härte trennte und ihm schwindlig dabei wurde. Erst dadurch fiel Adrian auf, dass er noch immer den Atem anhielt, den er mit einem Seufzer entweichen ließ. Nun war es wohl endgültig vorbei mit seiner Fassung, obwohl er ohnehin nie vorgehabt hatte, sie aufrecht zu erhalten. Aber es war trotzdem irgendwie beschämend für Adrian, dass er hier so abging, während Emily den Inhalt seiner Hose erforschte. Es musste ihr doch verdammt seltsam vorkommen, dass er bereits beim Vorspiel auf Hochtouren kam. Er, der normalerweise Stundenlang durchhalten konnte, ohne auch nur einmal zu kommen. Oder besser gesagt, gar nicht zu kommen. Aber das würde er ihr wohl niemals gestehen können. Dazu war es ihm viel zu peinlich und bei ihr schien dieses Problem ohnehin nicht vorzukommen. Es war also nicht erwähnenswert. Adrian biss sich fast die Unterlippe blutig, bis er seine Bedenken endlich vollkommen über Bord warf und seine leisen Seufzer der Lust das Wohnzimmer erfüllten. Nicht immer sah er Emily dabei in die Augen. Viel eher schloss er sie immer wieder, wenn ihn eine weitere Welle von prickelnden Gefühlen überrollte und sich dabei sein Rücken aufbäumte. Emily hatte nun eindeutig die Kontrolle über ihn, über seinen Körper und über seine Gefühle. Seine Panik war verschwunden. Mit seinen Reaktionen, die doch recht intensiv waren, hatte Emily nicht gerechnet. Eher mit dem Gegenteil davon. Sie hatte angenommen, dass sie Kunststücke vollführen musste, damit sich in und auch an Adrian überhaupt etwas regte. Aber dem war ganz und gar nicht so. Sie sah, dass er sich auf die Unterlippe biss, als zuerst nur ihre Fingerspitzen über seine Short fuhren, um sich ein wenig mit Adrians bestem Stück bekannt zu machen. Hätte er abwartend und vor allem abschätzend auf ihre Berührungen reagiert, wäre Emily bestimmt augenblicklich unsicher geworden. Sie hätte sich gefühlt wie auf dem Prüfstand, verglichen mit all den Frauen, die ihn vorher berührt hatten. Aber so, wie sich sein Blick immer wieder verschleierte, bevor er ganz die Augen schloss und seine kleinen Seufzer waren Beweis genug, dass es nicht so war. Oder er war ein verdammt guter Schauspieler. Emilys rasendes Herz schien bei diesem Gedanken aus dem Takt zu kommen und erst nach einiger Verzögerung schmerzhaft weiter zu schlagen. Natürlich war es möglich, dass Adrian etwas mehr Begeisterung vorspielte, als er empfand. Aber warum hätte er das tun sollen? Emily hoffte inständig, dass sie über so etwas schon hinaus waren, bevor sie überhaupt gegenseitig Hand aneinander legten. Sie wollte nicht wieder eine Diskussion vom Zaun brechen. Nicht jetzt und vor allem nicht, wenn Adrian tatsächlich so intensiv empfand, wie sein Gesicht und seine Atmung vermuten ließen. Bei dem, was sie vorhatte, würde Emily schlussendlich sowieso erfahren, ob alles Schauspiel gewesen war oder nicht. Männer konnten das nun mal nicht verbergen. Der Gedanken beruhigte sie ungemein und selbst wenn sie Adrian nicht bis zum Schluss brachte, wäre das in Ordnung. Sex wollte sie heute sowieso nicht haben. Der Gedanke traf sie so überraschend, dass sie kurz einen Blick auf Adrians Gesicht warf, ob er ihre Erkenntnis vielleicht gehört hatte, obwohl sie gar nicht gesprochen hatte. Es war einfach noch zu früh. Sie mochte Adrian, das stand nicht zur Debatte, aber sie wollte eindeutig mehr für ihn empfinden als das, bevor sie ganz bis zum Ende mit ihm ging. Es mochte seltsam sein, aber sie empfand es als angemessen nur mit Adrian zu schlafen, wenn sie ihn liebte. Das hielt sie aber nicht davon ab, mit dem weiter zu machen, was ihm offensichtlich in der jetzigen Lage gefiel. Schon eine Weile hatten ihre Finger seine Erregung und den restlichen Inhalt seiner Shorts durch den dünnen Stoff hindurch untersucht. Jetzt war sie neugierig nackte Tatsachen zu spüren. Da sie aber immer noch nicht wusste, wie er wohl darauf reagieren würde, wenn sie aufs Ganze ging, lehnte sie sich etwas vor, um seinen Hals zu küssen. Flüchtig und zärtlich, um ihn nicht davon abzulenken, dass ihre Hände seine Jeans ein wenig nach unten schoben und sich schließlich nicht von dem Bund seiner Shorts davon abhalten ließen, ihn weiter zu erspüren. Mit geschlossenen Augen küsste sie weiter seinen Hals, während sie fasziniert über seine glatte Haut streichelte. Zuerst ohne seine Erektion zu berühren, glitt sie weiter nach unten, streichelte ein wenig seine empfindliche Haut, bevor sie doch die Hand ganz um ihn legte. Einen Moment wartete sie ab. Ein wenig ängstlich, sie könnte ihm doch zu schnell vorgehen, bewegte sie ihre geschlossene Hand langsam nach oben und dann wieder zum Ausgangspunkt zurück. Mit Gewalt musste er seine verkrampften Finger von der Couch lösen, damit er Emilys Haar berühren konnte. Es war so weich zwischen seinen Fingern, dass es sich wie Seide anfühlte. Allerdings hatte sie ihr Haar noch immer streng zurück gebunden. Vorsichtig öffnete er es ihr, bevor ihre Hand unter den Bund seiner Shorts fuhr und ihm somit das Denken äußerst erschwerte. Unbewusst begann er ihre Kopfhaut zu massieren, danach ihren Nacken, bis sich seine Finger immer wieder fest um ein paar Strähnen ihres Haares schlossen, aber so, dass er ihr nicht wehtat. Lichtblitze schienen hinter seinen geschlossenen Lidern zu explodieren, als er ihre warmen Finger auf seiner heißen Erregung spürte. Dabei sog er scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, bis er nun deutlicher als bisher aufstöhnte und sich wieder die Unterlippe wund biss, um nicht zu laut zu werden, was ihm nur mäßig half, denn sein ganzer Körper bebte bereits vor Anstrengung, da er sich dazu zwang, so ruhig wie möglich liegen zu bleiben. Am liebsten hätte er sich unter Emilys Berührungen wie eine Schlange gewunden, doch er wollte nicht, dass sie aufhörte, weswegen er ihr keinen Anlass dazu lieferte. Oh verdammt! Diese langsamen Bewegungen machten ihn fast wahnsinnig, so gut fühlten sie sich an. Wie war das alles nur möglich? Nun legte sich sogar schon ein leichter Schweißfilm über seine Haut, während seine Oberschenkelmuskeln leicht zu zucken begannen. Eine Weile hielt er tapfer durch, genoss diese süße Qual in vollen Zügen, doch nachdem seine Atmung immer flacher wurde und seine Seufzer immer kürzer aufeinander folgten, musste er schließlich eingreifen. Es wäre unmöglich, noch einen Moment länger durchzuhalten, bis ihm vollkommen die Kontrolle abhanden käme. Also öffnete Adrian die Augen, fasste sanft nach Emilys Händen und zog sie zu sich hoch, um sie auf sein heftig rasendes Herz zu legen. Einen Moment lang, musste er nach Atem ringen, bis er wieder in der Lage war zu sprechen. Dann lächelte er Emily zärtlich mit erhitztem Gesicht an. „Noch nicht…“, hauchte er ihr mit vollkommen rau gewordener Stimme zu. Bevor er sich der Erlösung hingab, wollte er mit so klarem Kopf wie möglich Emilys Weiblichkeit erforschen. Denn Adrian war sich nicht sicher, ob er nach diesem lang ersehnten Orgasmus noch fit genug dazu sein würde. Außerdem galt für ihn in dieser Sache immer Ladys First. Adrian wischte sich das Haar aus dem Gesicht, während er sich langsam aufrichtete. Gott, seine Haut glühte wie im Fieber, so heiß hatte sie ihn gemacht. Seltsam. Normalerweise kam er nur bei körperlicher Betätigung ins Schwitzen. Aber hier hatte er nur dagelegen und nichts getan und trotzdem klebten ihn ein paar feuchte Haarsträhnen an seinen Schläfen. Adrian stützte sich auf einen Arm ab, während er mit dem anderen Emilys Körper umschlang und sie an sich zog, während seine Lippen zärtlich die ihren umgarnten. Er spürte deutlich ihre Brüste an seinem Körper und wie deren harte Spitzen über seine Haut strichen. Das Gefühl war wunderschön. Sie war wunderschön und die Gefühle, die sie in ihm auslöste. Emily war die Einzige für ihn. Das wurde Adrian immer klarer, nur wie weit das reichte, musste er noch herausfinden. Während sie wieder mit ihrem Zungenspiel begannen, legte er Emily langsam auf den Rücken, um sich über sie beugen zu können. Zwar löste sich dadurch wieder sein Körper von ihrem, doch nicht vollständig, immerhin war da immer noch seine Hand auf ihrem Bauch, der unter seinen Berührungen immer wieder etwas zuckte. Ein wahrer Kenner genoss es, sich langsam ein Bild von der Herrlichkeit von Brüste zu machen, anstatt einfach roh hin zu grabschen und grob drauf los zu kneten. Weshalb er erst die weiche Wölbung mit seinen Fingern umrundete, prüfend mit seinem Daumen die Rundung ihres Ansatzes entlangfuhr und danach erst mit seinen Fingerkuppen die zarte Haut rund um ihre Brustwarzen erkundete. Adrians kurzes Stöhnen und dass er sich immer wieder in ihren Haaren und an ihrem Nacken festhielt, während sich ihre Hand mit ihm befasste, ließen Emily heiße Schauer über den Rücken bis zu ihrem Po hinunter laufen. Es kribbelte in ihrem Bauch und breitete sich tiefer aus, je kürzer und angestrengter Adrians Atemzüge unter ihrer Behandlung wurden. Sie fühlte, wie erregte sie selbst allein durch die Tatsache wurde, dass Adrians Bauchmuskeln immer wieder zuckten und ihm anscheinend ziemlich warm wurde. Deshalb war ihre Überraschung nicht nur positiv, als er ihre Hand ergriff und sie von sich wegzog. Sofort ließen auch ihre Lippen von ihm ab und ihr Gesichtsausdruck sah bestimmt annähernd so schuldig aus, wie sie sich fühlte. Auf der Stelle fingen ihre Gedanken an zu rasen. Hatte sie etwas falsch gemacht? Sofort war sie sich sicher, dass sie ihn völlig falsch angefasst hatte und ihm wehtat, anstatt ihn langsam auf den Höhepunkt zuzuführen. Emily kam sich wie eine blutige Anfängerin vor, über die Adrian in Gedanken nur amüsiert lachen konnte. Sein Lächeln und seine Worte konnten sie ansatzweise beruhigen, aber ganz schüttelten sie den Gedanken doch nicht ab. Allerdings ließ Adrian ihr keine Zeit länger nach zu denken oder sogar nachzufragen. Er zog sie an sich und sie konnte seine warme Haut auf ihrem Bauch und an ihren Brüsten spüren. Ein Gefühl von Geborgenheit beschlich sie, als sie kurz so in seinem Arm lag und sich von ihm küssen ließ. Ihre Hand, die er vorhin auf seine Herzgegend gelegt hatte, rutschte ein wenig an seiner Brust hinunter und zu seinem Rücken, um sich festzuhalten, als er sich über sie beugte und sie dadurch auf die Couch gebettet wurde. Während Adrians Hand über ihren Bauch und weiter hinauf glitt, öffnete Emily die Augen. Sie küsste ihn weiter, wollte aber sein Gesicht betrachten. Seine geschlossenen Lider mit den hellen Wimpern und den Sommersprossen auf seiner Haut. Die Haare, die ihm ein wenig feucht in der Stirn klebten. Erst jetzt fiel ihr auf, wie gut ihr doch sein Duft gefiel. Genüsslich schloss Emily wieder die Augen und hatte das Gefühl Adrian zu schmecken und ihn regelrecht einzuatmen, während er sanft ihre Brüste streichelte. Seine Berührungen lösten eine Gänsehaut aus, die sich von den Armen bis zu ihrem Bauch zog. Das Erschauern ihres gesamten Körpers hatte aber wenig damit zu tun, dass ihr zu kalt war. Eher im Gegenteil, denn nicht nur Adrians Haut war inzwischen ziemlich aufgeheizt. Emily war noch nicht so weit, dass sie lustvolle Seufzer von sich gegeben hätte, aber seine Berührungen, die schleichend und vorsichtig waren, erfüllten sie mit einem wohligen Prickeln, das sich bestimmt schnell steigern würde, sollte er in tieferen Gefilden auf Forschungsreise gehen wollen. Sein Daumen umkreiste neugierig die Härte ihrer Brustwarze, ehe er für einen Moment seine Hand ganz um ihre Brust legte, um sie vollkommen spüren zu können. Sie fühlte sich einfach wunderbar in seiner Hand an. So weich und voll und kein bisschen künstlich. Wie manche Frauen sich für Silikon entscheiden konnten, war ihm noch immer ein Rätsel, aber das war wohl Geschmackssache. Adrian auf jeden Fall, legte wert auf Natürlichkeit. Das Verlangen ihre Haut zu schmecken, wurde immer größer, obwohl er Emily wirklich unheimlich gerne küsste. Dennoch ließ er schließlich von ihren Lippen ab, um über ihren Hals zu küssen. Seine Zunge fuhr die pochende Vene ihrer Halsschlagader entlang, während er Emilys Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und sie zu massieren begann. Der Geschmack ihrer Haut war einfach fantastisch, genauso wie der Duft, der ihm dabei in die Nase stieg. Adrian bekam dadurch einen Hunger, der nichts mit Nahrung zu tun hatte, den er dennoch stillen wollte. Langsam glitt er an Emilys Körper hinab, um mit seinen Lippen über ihr Schlüsselbein, lecken zu können, ohne sich dabei verbiegen zu müssen. Schließlich löste sein Mund die Funktion seiner Hand ab. Adrians Zungenspitze zog feuchte Kreise um die harten Brustwarzen, immer wieder abwechselnd, damit keine zu kurz kam. Danach sog er an ihnen, knabberte zärtlich an dem weichen Fleisch um die Brustspitzen herum, ehe er wieder zu lecken begann. Währenddessen wanderte seine freie Hand ihre Seite entlang nach unten zu der weichen Kurve ihres Beckens. Emily hatte wie so oft für die Arbeit einen Rock angezogen, der Adrian jetzt regelrecht dazu verführte, seine Hand ihren Oberschenkel hinab gleiten zu lassen, um den Saum des Rocks weiter nach oben zu schieben. Es erregte ihn sehr, dass die Stelle zwischen ihren Schenkeln so leicht erreichbar war. Da Adrian nicht zu stürmisch vorgehen wollte, obwohl sie bei ihm auch nicht anders vorgegangen war, ließ er seine Hand ihren Oberschenkel entlang nach oben gleiten und achtete dabei sehr genau auf ihre Körpersprache. Emily vergrub ihr Gesicht in Adrians Haaren, die sich ganz anders anfühlten, als sie erwartet hatte, viel weicher. Das brachte sie auch dazu, eine ihrer Hände von seinem Rücken zu lösen und seinen Nacken zu kraulen. Sie selbst mochte es sehr im Nacken geküsst oder leicht berührt zu werden, daher tat sie das auch gern für andere. Allerdings war sie darauf gefasst, dass Adrian diese Berührungen nicht mochte. Er wäre nicht der Erste gewesen, den es an dieser Stelle unangenehm kitzelte. Doch sobald sie seine Hand unter den Saum ihres Rocks wandern spürte, hielt sie sowieso inne. Seine Hand war warm und schob den Stoff ihres leichten Rocks immer weiter nach oben, je weiter er sich auf Emilys Mitte zutastete. Um ihm die Reise ein wenig zu erleichtern, zog Emily ihr Knie an und stellte ihren Fuß auf das Sofa, so wie sie es damals in der Sauna ganz unbedacht getan hatte. So gab sie Adrian viel Freiraum, konnte aber jederzeit ihr Bein zur Seite legen, um seinen Bewegungen Einhalt zu gebieten, wenn das denn nötig sein sollte. Im Moment bezweifelte sie das allerdings. Er war sanft und zurückhaltend, und wusste wahrscheinlich gar nicht, wie gut Emily diese einfühlsame Art gefiel. Sie bewegte sich leicht, sodass sie ihm ihren Oberkörper für weitere Liebkosungen noch mehr freigab und zitterte ganz leicht in der Erwartung, dass seine Hand ihren Rock noch weiter nach oben schieben würde, um sich einen Weg zu einem sehr sinnlichen Ziel zu suchen. Ihre freie Hand, die nicht damit beschäftigt war ihm den Nacken zu kraulen, wanderte seinen Rücken in kleinen Spiralen hinauf und hinunter. Emily war fast enttäuscht, dass sie Adrians Hintern in dieser Position nicht erreichen konnte. Sie musste sich damit begnügen den Bund seiner Shorts ein wenig nach unten zu schieben und über den Ansatz seiner Pobacken zu streicheln, was ihr allerdings auch ein kleines Lächeln entlockte. Es gab noch so viel zu entdecken. Da sie ihm mit ihrer Bewegung entgegen kam, schob er ihr den Rock schließlich bis ganz hoch zur Hüfte, doch anstatt ihr Zentrum der Lust anzusteuern, glitt er mit deutlichem Druck über die zarte Haut der Innenseite ihrer Schenkel bis zu ihrer Kniekehle hinauf. Sein Mund arbeitete sich forschend zwischen dem Tal ihrer Brüste entlang weiter hinab, um sich der zarten Haut am Ansatz ihrer Brüste zu widmen. Danach leckte er eine feuchte Spur ziehend zu ihrem Bauchnabel, den er spielerisch umrundete, nur um sich wieder nach oben zu knabbern. Eigentlich hätte er nun den Weg ganz nach unten eingeschlagen, um Emilys Schoß mit seiner Zunge zu verwöhnen, aber Adrian konnte es nicht. Vielleicht, wenn sie ihm Zeit gab und geduldig war, könnte er es eines Tages versuchen, doch im Moment bekam er das Gefühl nicht aus den Kopf, wie oft er dazu gezwungen worden war, Frauen zu lecken. Dabei hasste er es so sehr, dass ihm manchmal dabei sogar schlecht wurde. Weswegen er schließlich seine Hand zur Mitte ihres Schoßes führte. Geduldig streichelte er die Ränder ihres Slips entlang, ließ seine Finger immer wieder darunter gleiten, bis er seine ganze Hand auf das heiße Zentrum legte. Er konnte die Hitze selbst durch den dünnen Stoff spüren, die von ihr ausging, während er ihren Venushügel massierte. Adrian schnurrte leise gegen ihre Haut, als er seine Finger langsam und forschend unter den Bund ihres Slips führte. Jeden Zentimeter, den er sich vorwagte, jagte ihm heiße Schauer die Wirbelsäule hinab, wo er Emilys Hand am Ansatz seines Pos deutlich spürte. Seine Erregung begann sich wieder mit einem Pochen bemerkbar zu machen, als er seinen Zeige- und Mittelfinger tastend nach ihrem Kitzler forschen ließ. Sie war so heiß an der Stelle, dass es sein eigenes Feuer im Inneren wieder mächtig anzufachen schien. Mit kreisenden Bewegungen versuchte er herauszufinden, wie, wo und auf welche Weise es Emily am Schönsten fand. Denn keine Frau war gleich, so viel hatte ihm seine Erfahrung gezeigt. Für ihn war Emily ein verschlossenes Buch, dessen Inhalt er erst nach und nach entdecken wollte. Wieder vergrub sie ihr Gesicht in seinen Haaren und atmete seinen Duft tief ein, während sie die tastenden Berührungen seiner Hand in ihrem Schoß genoss. Seine Finger fuhren achtförmige Kurven auf ihrer heißen Haut, was sie nur noch mehr befeuchtete. Eine Weile schloss Emily die Augen, lehnte sich zurück und ließ Adrian erforschen, was er entdecken wollte. Ihr war es nur recht, denn allmählich beschworen seine Fingerkuppen mehr herauf, als den normalen Genuss von seiner Haut auf ihrer. Ein untrügliches Prickeln breitete sich von den Stellen aus, an denen er über sie glitt und verbreitete sich in kleinen Schüben in ihrem Körper. Ihr Rock rutschte noch ein Stück höher, fast über ihren Bauchnabel hinweg, als Emily ihren Körper ein wenig nach unten, Adrian entgegen schob. Sie wollte ihn nicht mehr länger zurückstehen lassen und außerdem war die Neugier auf seinen Hintern viel zu groß geworden, je länger sie mit dem kleinen Teil davon vorlieb hatte nehmen müssen, den sie unter seiner Shorts freigelegt hatte. Die Hand, mit der sie ihn bis jetzt dort gestreichelt hatte, wanderte nun tiefer, kniff ihn schelmisch einmal in diese knackige Stelle, um ihn dann an der Hüfte etwas herum zu drehen. Nun lag er wieder eher neben ihr und Emily konnte sich an seinem tief hängenden Hosenbund wieder dorthin vortasten, wo sie vorhin in ihrem Tun von Adrian unterbrochen worden war. Die Pause hatte lang genug gedauert, fand sie zumindest. Vorsichtig fuhr sie zuerst nur mit dem Zeigefinger unter den Bund seiner Shorts, um sie von seinem Körper weg und nach unten zu ziehen. Nicht besonders weit, aber weit genug, dass sie den Teil von ihm sehen konnte, den sie kaum einen Augenblick später mit ihren Fingern umschloss. Diesmal wandte sie sich ihm etwas forscher nur mit den Fingerspitzen am obersten Punkt seiner Erregung zu. Allerdings war sie sehr vorsichtig, um ihm nicht wehzutun, solange ihre gleitenden Bewegungen nicht durch ein paar Tropfen seiner Lust erleichtert wurden. Bei Emily selbst musste Adrian sich diesbezüglich keine Sorgen machen, wie sie etwas errötend feststellte, als er kurz mit den Fingerspitzen in sie eintauchte. Mit einem kleinen Seufzer schob sie ihr Becken ein wenig vor, um seinen Fingern entgegen zu kommen. So wohl, so sicher und zu gleich so erregt hatte er sich noch nie gefühlt. Emily war für ihn nicht einfach nur eine Frau und schon gar nicht eine gewöhnliche Mitbewohnerin, sie war für ihn pure Sinnlichkeit in einem weiblichen Körper verpackt. Ein Körper, der ihn zum Schnurren brachte, der ihn erhitzte und den er mit der Hingabe behandeln wollte, die er keiner anderen Frau je geben würde. Immerhin war sie alleine es, die sich seinen Respekt verdient hatte. Wie schön ihr Lächeln doch war, wenn sich dabei ihre Wangen vor Hitze röteten und ihre dunklen Augen zu zwei tiefen Seen wurden, in denen man sich nur zu leicht verlieren konnte. Sie war es, die er wollte. Sie allein. Als sie sich weiter an ihm hinab gleiten ließ, um somit endlich an seinen Hintern heran zu kommen, ließ er von ihren Brüsten ab, um sich wieder liebevoll um ihren Mund zu widmen den er bereits vermisst hatte. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen, als sie ihm kokett in den Hintern kniff. Adrian fand, dass ihre Hand perfekt dorthin gehörte und sie ruhig weiter die Muskeln durchkneten durfte, bis er es deutlich kribbeln spürte. Gerade als Adrian in Emilys heiße Feuchtigkeit glitt, konnte er spüren, wie sie ihm die Shorts etwas weiter nach unten zog und sich kühle Luft auf seine pochende Erektion ausbreitete, ehe elegante Finger seine Spitze umschlossen. Sofort war da wieder der Stromstoß, der sich bis tief in seine Wurzel und den Bauch vorarbeitete, bis ihm einen Moment lang der Atem stockte. Seine Augenlider flatterten vor Erregung auf, während er seine Finger tiefer in die Hitze zwischen Emilys Schenkel gleiten ließ. Sie war so feucht und heiß, dass er das Gefühl hatte, er könne sich an ihr verbrennen. Er stöhnte in den Kuss hinein, als er seine Hand so weit ihren Körper hinab gleiten ließ, dass seine Finger vollkommen in die Nässe eintauchten, während sein Handballen den Knoten ihrer Lust mit kreisenden Bewegungen und leichtem Druck massierte. Instinktiv stieß sein Becken leicht nach vor, bis er sich wieder in der Gewalt hatte, aber der Drang war einfach da. Dagegen konnte und wollte er nichts machen. Er liebte es, wie sie ihn in der Hand hielt und das meinte er Wort wörtlich. Mit der freien Hand, mit der er sich bisher abgestützt hatte, fuhr er wieder zu ihrem Haar und ihrem Nacken, da sie das offenbar mochte. Langsam aber sicher, ging ihm abermals der Atem aus, immerhin ließ Emily ihn ganz und gar nicht kalt, was man auch an den ersten Tropfen seiner Lust erkennen konnte und an dem unwillkürlichen Zucken seiner Oberschenkelmuskeln. Daher unterbrach er immer wieder den Kuss, um leise Laute von sich zu geben und Emily dabei tief in die Augen zu sehen, wie sie auf seine Berührungen reagierte, als er zwei Finger in sie gleiten ließ. Alleine das Gefühl ließ heftig schlucken. Es erregte ihn ungemein, wenn er sie erregen konnte. Ein Kreislauf der durchaus sehr gut funktionierte, wie er feststellen konnte. Oh ja, Adrian wusste sehr genau, was er tat. Als er seine Finger in sie gleiten ließ und gleichzeitig mit seinem Handballen von außen Druck auf sie ausübte, kniff sie die Augen zusammen und gab ein kleines, lustvolles Seufzen von sich. Sie presste ihre Lippen gegen seine, nur um nicht laut aufzustöhnen, aber wenn er so weiter machte, würde Emily solche Laute nicht mehr lange unterdrücken können. Was sie allerdings noch mehr anspornte und das Kribbeln in ihrem Körper an Intensität und Hitze zunehmen ließ, war Adrians reflexartige Bewegung gegen ihre Hand. Sie ließ ihre Fingerspitzen so weit nach unten gleiten, dass seine nun feuchte Spitze ihre Handfläche berührte, die sie leicht bewegte, während sich ihre Fingerkuppen wieder nach oben massierten. Emily wusste, dass Adrian sie immer wieder ansah, aber lange konnte sie seinen Blicken nie standhalten, denn inzwischen wand sie sich so unter seinen Berührungen, dass es fast anstrengend war, sich auf ihre Hand an ihm zu konzentrieren. An den Stellen, wo sich ihre Körper berührten, konnte Emily eindeutig den Schweißfilm spüren, den ihre Aktionen hervorriefen. Wieder änderte sie die Position ihrer Finger um seine Erregung und massierte ihn nun mit geschlossener Hand in immer schneller werdenden Bewegungen. Nach einer Weile hielt sie inne, um mit dem Daumen kleine Kreise auf seiner Spitze zu fahren, bevor sie das Ganze wieder von vorn begann. Währenddessen konnte sie immer weniger Laute der Verzückung hinunter kämpfen. Ein ganz bestimmtes Kribbeln bahnte sich unter Adrians Fingern auf ihrer Haut und in ihrem Inneren an, das sie dazu verleitete, sich noch einmal in einen intensiven Kuss zu stürzen. Allerdings nahm das erhitzte Flattern in ihrem Bauch, das sich wie viele kleine Sektbläschen zu ihrer Körpermitte drängte immer mehr zu und raubte ihr schließlich den Atem. Emily vergrub ihr Gesicht an Adrians Hals und versuchte zumindest noch ein paar Augenblicke durchzuhalten. Sie konnte es in ihrer eigenen Lage kaum sagen, aber sie bildete sich zumindest ein, auch unter ihrer Hand ein leichtes Zucken in Adrians Lenden gespürt zu haben. Adrian hatte das Gefühl, es müsse ihn gleich zerreißen, so heftig schossen ihm diese prickelnden Schauer in seine Spitze, wo sie sich immer enger zu einer gewaltigen Masse verdichteten. Er fühlte, wie nass seine Hand bereits war, mit der er Emily diese wunderbaren Laute entlockte, ohne Gnade davor zu kennen, ihr auch nur einen Moment der Erholung zu gönnen. Sie gönnte ihm auch keine. Selbst die Küsse lenkten ihn nicht von dem ab, was ihre Hand mit ihm anstellte. Unter der er sich zuckend wand und immer heftiger pulsierte. Schließlich bekam er kaum noch etwas von seiner Umgebung mit. Er hörte durch den Nebel seiner Lust, wie Emilys Atem ebenso schnell wurde, wie seiner und sich ihre Laute mit den seinen verbanden. Seine Hand bewegte sich zielstrebig in ihrem Schoß, das spürte er, aber er dachte keinen Moment mehr darüber nach, wie genau er es anstellte, sie auf den Höhepunkt zu zutreiben. Da es funktionierte, machte er sich keine Gedanken darüber, was er ohnehin nicht konnte. Adrian spürte deutlich einen Orgasmus anrollen, der sich mit seinen Vorboten bereits jetzt schon so gewaltig von dem unterschied, was er gewohnt war, dass er beinahe Angst davor hatte, los zu lassen. Doch das würde ihm auch nichts mehr nützen, da zu viele Faktoren dabei mithalfen, seinen Widerstand zu brechen. Alleine Emilys Schoß, der sich immer wieder kontraktionsartig um seine Finger zusammenzog, während sein Handballen immer schneller rieb, machte ihn halb wahnsinnig vor Lust. Dann war da noch ihre Hand, die genau zu wissen schien, wie sie ihn völlig um den Verstand bringen konnte. Hinzu noch die erotischen Laute, der Duft ihrer Haut und die Hitze zwischen ihren Körpern und er war verloren. Allerdings rettete ihn für einen Moment die Tatsache, dass Emilys Bewegungen ins Stocken gerieten, als sie ihr Gesicht an seinem Hals vergrub und starke Beben ihren Körper durchfluteten. Seine Finger wurden stark zusammen gedrückt, während er seine Bewegungen nun verlangsamte, um Emilys Gefühle in die Länge zu ziehen. Doch genau diese Tatsache war es, die ihn schließlich überwältigte. Die Vorstellung, sie würde sich so um seine Erektion klammern, wäre er in ihrer feuchten Hitze, war einfach zu viel für sein Gefühlsepizentrum. Mit seiner freien Hand zog er Emilys Oberkörper nahe an sich, wobei er sein Gesicht in ihrem Haar versteckte und das laute Stöhnen zu unterdrücken versuchte, während es ihn regelrecht durchschüttelte. Vor seinen geschlossenen Lidern schien ein wahres Feuerwerk zu explodieren, woraufhin Sternchen folgten, als die erste Welle seinen Atem stocken ließ. Fast schon hilflos drängte er sich an Emilys Körper, da das einfach verdammt viel auf einmal war, wenn man dieses Gefühl schon so unendlich lange nicht mehr gehabt hatte und dabei auch lange nicht so heftig. Doch schließlich, nachdem auch das letzte Nachbeben überstanden war, sank er schwer atmend zusammen und hielt seine Augen geschlossen, um sich wieder zu sammeln. Noch immer ruhte seine Hand zwischen Emilys Schenkel, er hatte aber keine Ahnung, wie bei ihr der Stand der Dinge war. Davon hatte er leider überhaupt nichts mitbekommen. Am liebsten hätte Emily in Adrians Hals gebissen, um das Seufzen zumindest ein wenig zu unterdrücken, dass er ihr mit seiner Hand entlockte. Sie war hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis sich seinen Fingern ein wenig zu entziehen und ihm aber gleichzeitig doch nicht entkommen zu wollen. Erstaunlicher Weise verlangsamte Adrian seine Bewegungen genau im richtigen Moment, was den Orgasmus weniger intensiv, aber länger durch Emilys Körper prickeln ließ. Sie drückte ihren Mund an seinen Hals, kniff die Augen zusammen und versuchte sich mit ihrer freien Hand an seinem Rücken festzuhalten, was aber nur ansatzweise funktionierte. Jeder Muskel in ihrem Körper schien sich gleichzeitig zusammenzuziehen und sich dann nur quälend langsam unter leichten Zuckungen wieder zu entspannen. Gerade wollte sie sich von Adrian lösen, als er sie fest an sich heran zog und nun sein Gesicht in ihren Haaren vergrub. Sie spürte durch den Schleier ihres eigenen ermatteten Körpers hindurch, wie Adrian durchgeschüttelt wurde und sich von den lustvollen Empfindungen mitreißen ließ. Selbst als sie an der Nässe, die ihre Finger heiß bedeckte, spüren konnte, dass er gekommen war, löste sich Adrian nicht von ihr, sondern schien sich nur ein wenig zusammenzurollen. Er rang genauso nach Atem wie Emily selbst und seine Hand lag bewegungslos in ihrem Schoß. Sie schob ihr Becken ein wenig zurück, um sich ihm zu entziehen und drehte sich so um, dass sie sich Bauch an Bauch gegenüber lagen. Ihre Hand ließ ihn noch nicht frei, bis er erschlaffte und sie seine Shorts wieder nach oben zog. Ihr selbst wäre es auch ganz lieb gewesen, ihren Slip wieder in Ordnung zu bringen, aber dazu würde sie noch früh genug kommen. Im Moment genoss sie Adrians Atem, der langsam wieder ruhiger wurde, an ihrem Hals und Nacken zu spüren und mit ihrer Hand die auf seinem Rücken lag, kleine Kreise auf seiner Haut zu zeichnen. Nach einer Weile hatte sie das Gefühl, Adrian sei eingeschlafen. Sicher war sie sich allerdings nicht und löste sich deshalb nur sehr vorsichtig von ihm, um sich sein Gesicht anzusehen. Die Erschöpfung war wirklich erdrückend, nachdem seine innere Hitze nachgelassen hatte und nur noch leicht nachglimmte. Aber das war nicht der Grund, wieso er wie reglos liegen blieb. Mit geschlossenen Augen erspürte er jeden Zentimeter seines Körpers. Er war berauscht, seine Haut prickelte noch leicht und er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr. Adrian kam zu dem Schluss, dass es keine Droge der Welt hiermit aufnehmen konnte. Emily an sich zu spüren, wie sie seinen Rücken zärtlich streichelte, ihr Duft in seiner Nase und das Gefühl ihrer seidigen Haare auf seiner Haut, das alles war einfach so unbezahlbar. Denn trotz des Friedens in seinem Körper flatterte der kleine Vogel immer noch in seinem Bauch, sogar noch heftiger, als sich Emily langsam etwas von ihm löste und er die Augen öffnete, um sie anzusehen. Ihre Augen waren wunderschön, erst recht wenn sie ihn auf diese Weise ansah, als gebe es im Augenblick nur ihn alleine. Ein sanftes Lächeln umspielte seinen Mund, als er ihr zärtlich über die Wange streichelte. Sein Herz quoll dabei regelrecht über vor Wärme und Zuneigung für sie. Adrian war ihr so unglaublich dankbar für alles, was sie ihm gegeben hatte. Nicht nur die Berührungen, sondern auch das Vertrauen, die Zärtlichkeiten, das Gefühl jemand zu sein, den sie mochte. „Danke.“, flüsterte er kaum hörbar und fügte etwas lauter hinzu: „Ich hatte vergessen, wie schön es sein kann.“ Erst recht mit jemandem, den er so sehr mochte wie Emily. Doch er konnte nur schwer sagen, dass er schon lange den Glauben an Sex oder etwas Ähnlichem verloren hatte. An diesem Abend hatte sie ihm das Gegenteil gezeigt. Sie hatte ihm bewiesen, dass es gut sein, sich schön anfühlen konnte, ohne Verpflichtungen oder Druck. Einfach nur weil man es wollte. Emily erwiderte nichts auf Adrians ‚Danke’. Er musste sich bestimmt nicht für das bedanken, was sie getan hatte. Darum ging es doch im Grunde. Es machte ihr Spaß ihm etwas zu geben und sie hätte es genauso gern getan, wenn er ihr nicht gleichzeitig zu den gleichen Wonnen verholfen hätte. Sie lächelte ihn an und küsste ihn auf die Nasenspitze, bevor sie sich an ihn kuschelte und die Augen schloss. Sein Körper war so schon warm, dass Emily jetzt schon wusste, wie groß die Überwindung sein würde, ihn loszulassen. Auch wenn es nur für die Zeit war, die sie im Bad benötigte, um sich bettfertig zu machen. So lagen sie noch eine Weile auf ihrem Sofa, jeder in den Armen des anderen und genossen ihre Nähe. Erst nach wenigen Minuten fiel Emily das Geräusch des Wasserfilters am Aquarium auf, das leise plätscherte. Bestimmt lag es nicht nur daran, aber allmählich musste sie sich kurz entschuldigen. Sie stützte sich auf einen Arm und sah über Adrian hinweg auf die Uhr am DVD-Player. Es war bereits 22Uhr, was eigentlich bedeutete, dass sie ins Bett gehen konnte. „Sollen wir schlafen gehen? Ich muss Morgen ein bisschen früher raus. Wann fängst du denn an zu arbeiten?“ Adrian blinzelte sie auf eine Art an, die vermuten ließ, dass er gerade dabei gewesen war, einzuschlafen und sich von den beiden Fragen ein wenig überfordert fühlte. Emily streichelte ihm über die Seite und stand langsam auf, während sie ihren Slip kurz zurecht rückte und den Rock nach unten zog. „Ich geh schnell ins Bad. Du kannst dir die Antworten überlegen.“ Im Spiegel konnte sie sehen, dass ihre Schminke total verwischt war und ihr eine Haarsträhne an der Stirn klebte. Sie hatte gar nicht richtig mitbekommen, wann Adrian ihr die Haare geöffnet hatte. Die Dusche würde sie erst Morgen früh nehmen, aber jetzt musste sie auf jeden Fall kurz ihre Blase erleichtern, bevor sie sich abschminkte und sich die Zähne putzte. Es war seltsam mit bloßem Oberkörper wieder ins Wohnzimmer zurück zu gehen, wo Emily ihre Bluse und ihren BH aufsammelte und dann Adrian fragend ansah. Während Emily im Bad war, setzte er sich auf, um wieder richtig wach zu werden. Dabei suchte er ihre Kleidungsstücke zusammen und legte sie neben sich auf die Couch, die zum Glück keine verdächtigen Flecken abbekommen hatte, wofür er sehr dankbar war. Als Emily wieder von ihrem Ausflug im Bad zurück war, hatte er gerade die Fische gefüttert und die Abdeckung wieder darauf gelegt. „Ich bin sehr für Schlafengehen.“, gestand er mit einem vielsagenden Lächeln, ehe er seinen Blick wieder auf die Fische richtete, um zu sehen, ob auch keiner auf die Idee gekommen war, mit dem Bauch nach oben zu schwimmen. „Ich muss immer so um acht Uhr abends zur Arbeit, wenn sich was ändert, gibt man mir aber vorher Bescheid.“ Was bedeutete, dass sie sich morgen nur ganz kurz sehen konnten, bis er los musste und dann erst so gegen fünf Uhr morgens wieder heim kam. Das war schade, aber leider nicht zu ändern. Schlafengehen klang mehr als verführerisch. Emilys Augenlider waren ziemlich schwer und sie freute sich schon darauf, in Adrians Armen einzuschlafen. „Ok, ich hab Julie versprochen, dass ich mich Morgen mit ihr treffe, um über Luke zu lästern.“ Sie zuckte lächelnd mit den Schultern, während sie ihn ein wenig entschuldigend ansah. „Ich weiß nicht, was er getan hat, aber Rituale sind nun mal Rituale.“ Wenn Julie eigentlich keinen Grund hatte, auf ihren Ex sauer zu sein, dann würde sie sich einen ausdenken. Und um ehrlich zu sein, genoss es Emily sich in diese übertriebenen Geschichten ein wenig einzubringen, indem sie die entsetzte beste Freundin spielte. Vor allem weil sie wusste, dass Julies Beziehungen normalerweise von Anfang an nicht ernst zu nehmen waren. Es traf sich also ganz gut, dass Adrian im Club arbeiten würde. Dann könnte sich Emily mit Julie treffen, ohne dauernd daran denken zu müssen, dass sie gleichzeitig wertvolle Zeit mit ihm verbringen könnte. „Ist gut. Mach das." Er musste lächeln, ehe er von einem Gähnen durchgeschüttelt wurde, das ihn wieder antrieb, in die Gänge zu kommen. "Ich brauche nicht lange, dann komm ich ins Bett.“ Adrian kam auf Emily zu und gab ihr einen flüchtigen Kuss, ehe er ebenfalls ins Badezimmer ging, um zu Duschen. Die Haare würde er sich allerdings erst morgen waschen, also trocknete er sich nur ab, zog sich noch frische Boxershorts an, ehe er in das einzige Bett ging, in das er wollte. Emilys Bett mit ihr zusammen darin. Während er auf seine Seite krabbelte und er sich in die weiche Decke kuschelte, kam ihm flüchtig der Gedanke, wie es ihm wohl morgen in der Arbeit gehen würde. Natürlich waren auch einige seiner Kollegen und Kolleginnen in einer festen Beziehung und tanzten trotzdem im Club, aber von einigen wusste er, dass es nicht immer ganz ohne Diskussion von Statten ging. Adrian wusste auch nicht, wie er die Berührungen von anderen empfinden würde, jetzt, wo Emily eigentlich das alleinige Recht dazu hätte. Doch selbst wenn es nicht ganz leicht war, seinen Job würde er nicht aufgeben wollen. Während Adrian sich im Badezimmer frisch machte, ging Emily in ihr Zimmer und legte sich die Klamotten für den nächsten Tag zurecht. Außerdem sah sie seit Langem mal wieder auf ihr Handy. Das Display zeigte sogar ein kleines Briefcouvert mit der Nummer zwei davor an. Die erste Nachricht war von Julie, mit der Frage, wann und wo sie sich Morgen genau treffen wollten. Emily antwortete halb neun in ihrer Stammkneipe von früher. Immerhin wollten sie sich unterhalten, was in Emily die Hoffnung aufkeimen ließ, dass sie nicht in einem Tanzclub enden würden. Aber man konnte ja nie wissen. Die zweite Nachricht war von Mona, die wissen wollte, ob Emily einer Freundin ein Buch über das antike Ägypten empfehlen könnte. Emily beschloss ihre große Schwester erst am nächsten Tag aus der Arbeit anzurufen. Das mit dem Buch würde schon nicht so wahnsinnig eilen. Also ließ sie sich auf die Bettkante sinken, nachdem sie die Kissen und die Überdecke wieder ordentlich im Erker verstaut hatte und dachte darüber nach, was sie am Wochenende tun konnten. Sie wollte so viel Zeit wie möglich mit Adrian verbringen. Allerdings musste sie darauf Rücksicht nehmen, dass er erst in den Morgenstunden von seinem anstrengenden Job nach Hause kam. Mit einem Lächeln auf den Lippen stellte sie fest, wie seltsam es war, dass sie jetzt schon zusammen wohnten. Bis jetzt hatte noch nie eine von Emilys Beziehungen so lange gehalten, dass sie hätte mit dem Mann zusammen ziehen wollen. Das mit Adrian war auch deshalb ganz anders als alles andere, das sie bis jetzt erlebt hatte. Und noch dazu fühlte Emily keine Angst deswegen. Wenn es funktionieren sollte, dann würde es so sein. An einen anderen Ausgang dachte sie gar nicht. Sie hatte viel zu viele Schmetterlinge im Bauch, um negative Gedanken in ihren Kopf zu lassen. Das Gefühl steigerte sich noch, als Adrian ins Zimmer kam und sich wieder auf die hintere Seite des Bettes kuschelte. Er sah ein wenig nachdenklich drein, was sich aber änderte, als sie ihm über die Wange streichelte und ihm einen Gutenachtkuss gab. Er roch nach Duschgel und sein Körper war kühl unter der Decke. Emily stellte noch den Wecker, löschte dann das Licht und kuschelte sich in Adrians Arme, bevor sie die Augen schloss und sich ins Land der Träume gleiten ließ. Eigentlich hätte man meinen können, Adrian wäre jetzt so müde, dass er sofort eingeschlafen wäre, nachdem Emily das Licht gelöscht hatte, doch tatsächlich konnte er nicht sofort einschlafen. Er genoss das Gefühl sehr, Emily im Arm zu halten und ihre Wärme an seinem halbnackten Körper zu spüren. Ihre Atmung wurde mit der Zeit ruhiger, also war sie wohl eingeschlafen. Gedankenverloren strich er ihr durchs Haar, das sie wenigstens beim Schlafen nicht zu bändigen versuchte. Adrian fand, die strenge Art passte nicht wirklich zu ihrem Wesen. Genauso wie ihre strenge Arbeitskluft. Doch vielleicht musste sie so unnahbar und energisch wirken. Wer weiß, vielleicht gab es viele Männer bei ihr in der Arbeit, bei denen sie sich durchsetzen musste. Dann wäre ihr Erscheinungsbild nur zu verständlich. Dennoch, Emily gefiel Adrian im Schlabberlook genauso, wie in ihren Weggehklamotten. Das, was sie beim Karaokeabend angehabt hatte, hätte ihn fast von den Socken gehauen. Sie konnte wirklich sehr sinnlich sein, wenn sie wollte und bestimmt wusste sie das auch. Wenn nicht, würde er sie garantiert noch einmal darauf hinweisen. Sie wusste es vielleicht nicht, aber für Adrian war sie das größte Geschenk, das ihm das Schicksal hatte machen können. Zärtlich zog er sie noch etwas näher an seine Brust, wo er ihren warmen Atem auf seiner Haut spüren konnte. In diesem Moment war es für ihn klar, würde es sie nicht mehr geben, wüsste er nicht mehr, was für einen Sinn sein Leben noch hätte. Natürlich, er hatte auch Träume wie z.B. ein eigenes Haus, einen Hund, nette Nachbarn. Eigene Kinder wären ihm nie wirklich in den Sinn gekommen, da er sich einfach nicht hatte vorstellen können, dass es jemals eine Frau in seinem Leben geben könnte, die ihn so nahm, wie er war und die trotz seiner Vergangenheit keine Probleme damit hatte, ihn zu berühren. Nun, vielleicht wäre die Frau nicht das Problem gewesen, sondern er. Adrian hatte sich nicht vorstellen können, dass er jemals mehr empfand, als nur gewöhnliche Sinnesreizungen, doch das tat er. Heute Abend hatte Emily ihm gezeigt, wie es sich anfühlte, wenn auch das Herz mitmischte – Es war wunderschön gewesen. Adrian hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf ihr Haar, ehe er schließlich die Augen schloss und mehr als nur zufrieden einschlief. Die Zukunft würde zeigen, wie viele seiner Träume am Ende wahr werden würden. Kapitel 23: 23. Kapitel ----------------------- Der pink leuchtende Wecker klingelte zu einer Zeit, die Emily mit einem unwilligen Laut reagieren und ihre Hand ein wenig härter als sonst auf den Störenfried klopfen ließ. Ihrer Meinung nach war es noch viel zu früh, um beim ersten Weckerklingeln sofort aus dem Bett zu springen. Da drehte sie sich lieber noch einmal zu Adrian um, der mit einem Arm über dem Gesicht auf dem Rücken lag und leise schnarchte. Ein Glücksgefühl breitete sich in Emily aus, als sie ihn eine Weile betrachtete. Sie konnte nicht anders, als sich noch einmal neben ihn zu legen und ihn an sich zu drücken, was sein Schnarchen kurz ins Stocken brachte und ihn dazu bewegte sich zu ihr umzudrehen. Allerdings schlief er sofort weiter, ohne auch nur die Augen zu öffnen. Das würde Emily wohl noch lange faszinieren, dass er so fest schlief, dass ihn selbst Berührungen nicht ganz aufwecken konnten. Jetzt konnte sie ihm noch einen Kuss auf die Lippen hauchen, bevor sie tatsächlich aufstehen musste, um sich für die Arbeit fertig zu machen. Sie füllte einen Becher mit Kaffee, aß das letzte Croissant und blätterte in der Zeitung. Keine aufregenden Nachrichten. Aber sie freute sich schon darauf in ein paar Wochen oder Monaten die Schlagzeile vom neuen Kauf des Museums und deren Eingang in die permanente Ausstellung lesen zu können. Dieser Gedanke drängte sie dazu, endlich in Schwung zu kommen und zum Museum zu fahren, wo gerade als sie eintraf, der Sarkophag von ein paar Männern im Blaumann abtransportiert wurde. Heute Nachmittag könne Emily ihn sich schon an seinem neuen Platz in der Ägyptenabteilung ansehen, meinte einer der Arbeiter mit einem strahlenden Lächeln. Emily versicherte ihm, dass sie das auf jeden Fall tun würde. In der Mittagspause sah sie sich ihr Werk tatsächlich an, wie es nun unter dem schützenden Glaskasten aussah, der schon am nächsten Tag für die Öffentlichkeit freigegeben werden würde. Als Emily aus dem Haupteingang trat, um noch ein wenig frische Luft zu genießen, beschlich sie ein seltsames Gefühl. Das Auto, das gerade vorbei fuhr, kam ihr bekannt vor. Allerdings konnte sie nicht zuordnen, warum oder wo sie es vielleicht gesehen haben konnte. Warum sollte sie sich an einen unauffälligen VW erinnern, von dem es sicher tausende in dieser Stadt gab? Mit einem kleinen Kopfschütteln trat sie zurück ins Gebäude und hatte den Zwischenfall schon vergessen, bevor die große Tür eine weitere Runde hinter ihr gedreht hatte. Immer wieder sah Emily von ihrer Arbeit auf und überlegte, was Adrian wohl gerade zu Hause tat. Vielleicht ließ er sich von Mrs. Jenkins wieder ein neues Gericht beibringen. Das hätte Emily in keinem Fall gestört. Das Hühnchen hatten sie zusammen mehr als gut hinbekommen. Außerdem war Emily irgendwie froh, dass sich die beiden Gesellschaft leisteten. Die alte Dame würde ihr Adrian sicher nicht streitig machen. Bereits eine halbe Stunde, bevor sie nach Hause fahren konnte, sah Emily ständig auf die Uhr, wodurch die Zeit nur noch langsamer verging. Es konnte sein, dass sie Adrian gar nicht mehr in der Wohnung antraf. Vielleicht hatte ihn sein Boss doch früher in den Club beordert. Erst auf der Fahrt vom Museum zu ihrem Haus kam Emily der Gedanke an Adrians Job. Sie hatte gesehen, was er tat und ihr war bewusst, dass es zu seinem Beruf gehörte andere Frauen anzumachen. Sie fassten ihn auch an, wenn er sich nicht vom Bühnenrand fernhielt. Emily konnte nicht entscheiden, ob ihr das etwas ausmachte. Es hätte sie interessiert, was Adrian darüber dachte. Ob er der Meinung war, dass sie eine feste Beziehung führten? Emily hätte es sofort als das bezeichnet, auch wenn sie keinen Sex miteinander gehabt hatten. Es waren auch erst drei Tage, aber Emily hätte sich nie dazu entschlossen, jetzt einen Rückzieher zu machen. Sie war glücklich. Mit diesem Gefühl im Bauch erreichte sie ihre Wohnung und schloss die Tür auf, die Nase schon neugierig darauf ausgerichtet den eventuellen Duft eines guten Abendessens zu erschnuppern. *** Am Morgen alleine in Emilys Bett aufzuwachen, fühlte sich seltsam an. Er wachte schon so lange alleine auf, dass er es eigentlich schon gewöhnt sein müsste, doch das war immerhin nicht sein eigenes Bett und somit fiel ihm deutlicher auf, was darin fehlte. „Ach, Emily…“ Er seufzte. So wie es mit ihren Jobs aussah, könnten sie von Glück reden, wenn sie überhaupt einmal zusammen im Bett aufwachten. Noch dazu hatte er das Problem, dass er Emily am Morgen nicht hörte. Noch nicht einmal ihren Wecker. Weshalb sie immer ohne ihn aufstehen musste. Aber das würde er strikt ändern. Wenigstens unter der Woche, wollte er ihr auch am Morgen begegnen. Vielleicht konnten sie dann auch zusammen frühstücken. Da er während der Woche sowieso nicht arbeiten musste, wäre das kein Problem für ihn. Wer früher den Tag begann, der schaffte mehr. So sagte es zumindest seine Mutter. Bevor seine Gedanken über seine Mutter fußfassen konnten, schlug er die Decke beiseite und zog sich an. Wieder machte er Emilys Bett, frühstückte Müsli mit frischen Äpfeln und Naturjoghurt, ehe er sich zu einer Runde Joggen auf machte. Da er mit Mrs. Jenkins bereits gestern das Gericht für heute besprochen hatte, konnte er auf dem Nachhauseweg auch gleich die Zutaten vorbei bringen. Heute würde es hausgemachte Pizza mit vier verschiedenen Belägen auf einem Backblech geben. Hoffentlich schmeckte Emily so etwas. Bestimmt würde aber auch für sie die passende Geschmacksrichtung dabei sein. Die alte Lady meinte, es würde ihm ganz gut tun, Grundrezepte zu lernen. In diesem Fall war es der Pizzateig, den er selbst machen musste. Aber Adrian freute sich schon auf diese Herausforderung. Doch bevor er bei seiner Nachbarin anläutete, sortierte er seine Schmutzwäsche in Weiß- und Buntwäsche. Dazu nahm er noch ein paar Sachen von Emily, da er so die Maschine voll bekam und schaltete sie dann ein. Die Waschmaschine konnte ruhig ihre Arbeit tun, während er bei Mrs. Jenkins aufräumte und sie ihm alte Geschichten aus ihrem Leben erzählte. Natürlich räumte er nur immer so nebenbei auf, damit es nicht zu auffällig war, weshalb er zu ihr kam. Dazu machte er ihr noch einen köstlichen Entspannungstee, fragte dezent nach, ob sie vielleicht Hilfe bei der Post bräuchte, da er erst letztens die 3. Mahnung einer unbezahlten Telefonrechnung gefunden hatte. Der Betrag war nicht sehr hoch, aber trotzdem konnte das ganz schön unangenehm werden. Weshalb er sie einfach bezahlte. Immerhin steckte ihm die alte Lady ohnehin immer wieder ‚Trinkgeld‘ zu, das er erst immer beim Entleeren seiner Taschen fand. Es war ja wirklich nett von ihr, aber wirklich völlig unnötig. Nachdem er auch die dritte Runde gewaschen hatte und im Trockner gelandet war, verabschiedete sich Adrian für eine Weile von der alten Lady, um die Wäsche gleich zu bügeln und wegzuräumen. Wenigstens das konnte er sehr gut, da er bereits während des Entzugs gelernt hatte, wie man seine Kleidung sauber hielt und vor allem auch so Faltenfrei wie möglich. Etwas seltsam war es zwar schon, Emilys Unterwäsche zusammen zu legen und ihre Sachen zu bügeln, aber er wollte nicht einfach ihre Wäsche übrig lassen. Hoffentlich nahm sie ihm das nicht krumm. Obwohl er zugeben musste, sie hatte wirklich ein paar Schätze dabei, die er zu gerne einmal an ihr sehen würde. Da er letztendlich nicht an ihren Kleiderschrank gehen wollte, da das Emilys absoluter Privatbereich war, tat er die zusammengelegten Sachen feinsäuberlich in einen Wäschekorb und stellte ihn am Fuße ihres Bettes. Für die Blusen nahm er von sich ein paar Kleiderbügel und hängte sie ihr außen an den Kleiderschrank. Dann verstaute er noch seine eigenen Sachen und machte sich auf dem Weg um Mrs. Jenkins ein geduldiger und aufmerksamer Kochschüler zu sein. Immerhin sollte das Essen fertig sein, bevor Emily nach Hause kam. Auf dem Weg checkte er noch einmal sein Handy und fand eine Nachricht von Patrick darauf. Hallo Adrian! Na, Hübscher, wie geht’s dir? Ich hoffe ihr habt es gut nach Hause geschafft. War wieder ein klasse Abend! Trotz des Singens. Bist du irgendwann am Wochenende frei? Lieben Gruß, P. Schnell schrieb er zurück. Hi, Süßer! Ja, das mit dem Singen war schon etwas speziell, aber auf jeden Fall lustig. Beim nächsten Mal können wir uns ja bei einer dieser Castingshows bewerben. ;) Das Wochenende über muss ich wieder arbeiten und die Tage habe ich mir für Emily reserviert. Aber hättest du nicht Lust, mich bei der Arbeit im Club zu besuchen? Du könntest mir dabei helfen, mir die Frauen vom Hals zu halten, während wir uns dringend unterhalten müssen. Es gibt Neuigkeiten! Nur wenn du Lust hast. LG Adrian Mit einem Lächeln legte Adrian sein Handy wieder weg und konnte just in diesem Augenblick die Haustür hören. Sofort begann es in seinem Bauch zu kribbeln. „Hi.“ Emily hatte ihre Arme noch um Adrians Körper geschlungen und konnte selbst kaum glauben, wie fröhlich sie sein Anblick machte. So hatte sie sich schon lange nicht mehr gefühlt. Erst jetzt fiel ihr auf, wie sehr sie die Schmetterlinge im Bauch und dieses ständige Gefühl grundlos grinsen zu müssen, vermisst hatte. Adrian war schon fertig für die Arbeit, das konnte sie an seinen Klamotten erkennen. Aber der Duft und das Geräusch des Backofens aus der Küche überzeugten sie davon, dass er noch nicht ganz unterwegs war. Sie drückte sich noch einen Moment an ihn, während sie seine Frage nach ihrem Tag beantwortete. „War ganz gut. Sie haben den Sarkophag gleich in die Ausstellung aufgenommen. Morgen können ihn sich die Besucher ansehen. So was macht mich schon immer ein wenig stolz. Auch wenn niemand von meiner Arbeit erfährt.“ Das war auch nicht wichtig. Emily hatte schon lange gelernt, dass es darauf ankam, dass sie selbst wusste, was sie getan hatte. Anerkennung bekam sie von ihren Kollegen, die ihre Arbeit zu würdigen wussten. Das Publikum genoss einfach das Ergebnis und das war gut so. Adrian schlang seinen Arm um ihre Taille und küsste ihren Nacken. „Also ich werde ihn mir auf jeden Fall ansehen. Dann wirst du mir ganz genau erklären müssen, was du daran gemacht hast, wie du es gemacht hast und überhaupt, gibt’s eigentlich auch Vor- und Nachherfotos?“ Wenn ja, würde sie die ihm vorher auch zeigen müssen. Immerhin interessierte es ihn wirklich, was sie so den ganzen Tag trieb. "Wir werden sehen, ob du bis zu den Nachherfotos überhaupt durchhältst." Ein wenig widerwillig löste sie sich von Adrian und strahlte ihn an. „Du hast wieder gekocht, stimmt’s?“ Die Frage klang so hoffnungsvoll, dass das unterstreichende Knurren ihres Magens fast lächerlich wirkte. Emily hielt sich die Magengegend und ging erwartungsvoll auf die Küche zu. Vor dem Herd ging sie in die Hocke, um heraus zu finden, was Adrian heute Schönes gezaubert hatte. „Pizza! Super, das ist genau das Richtige.“ Am liebsten hätte sie die Pizza mit Adrian auf der Couch verdrückt, während sie sich einen Film ansahen oder einfach nur redeten. Aber das ging heute nicht. Das mit ihrem gegenläufigen Zeitplan würde noch eine ganz schöne Herausforderung werden. Automatisch sah Emily auf die Uhr über der Tür und zog sich an der Küchenzeile hoch. Sie hatten nur noch ungefähr 45 Minuten, bevor Adrian weg musste. Aber die Pizza sah fertig aus. Der Käse war wunderbar zerlaufen und braun an den Rändern und das Ganze roch sehr verführerisch. Irgendwo in einer Schublade fand Emily sogar ein besonderes Messer zum Pizza schneiden, das ihr ihre Mutter einmal geschenkt hatte. Damit konnte man den Teig und den Belag durchtrennen, ohne allerdings das Backpapier und das Blech darunter zu beschädigen. Emily suchte sich ein Stück mit viel Gemüse aus und trug ihren Teller zum Tisch. Als sie sich auf den Stuhl sinken ließ, entkam ihr ein kleiner Seufzer. Der Tag war allein wegen des frühen Aufstehens anstrengend gewesen. Wenn sie nur daran dachte, dass Adrians Job bald anfing, wurde sie noch schlapper. Schon die Tatsache, dass sie sich mit Julie treffen würde, erschien ihr als viel zu viel Aufwand. Aber was tat man nicht alles... „Sag mal,…“ Zwischen genüsslichem Kauen sah, sie ihn fragend an. „Willst du eigentlich heute in deinem Bett schlafen? Also ich meine, soll ich in deinem Bett auf dich warten?“ Das hörte sich ja seltsam an. Sie würde sich ja nur schlafen legen. Aber Emily konnte sich vorstellen, dass es Adrian nach der Anstrengung recht war, sich in seinem Bett schlafen zu legen. Adrian verschluckte sich wirklich, als Emily ihm diese seltsame Frage stellte. Denn kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, erschien vor ihm ein Bild, wie sie knapp bekleidet auf der Bettdecke seines Bettes auf ihn wartete. Deutlich bereit für alle Schandtaten! Erst nachdem Adrian wieder normal atmen konnte und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte, sah er Emily mit einem Grinsen an. „Also wirklich, du solltest mich solche Sachen nicht fragen, während ich gerade etwas im Mund habe.“ Gewissenhaft schob er dieses Bild von ihr zur Seite und versuchte den Sinn dahinter zu verstehen. Danach schüttelte er schließlich langsam den Kopf. „Du kannst gerne in dem Bett schlafen, das dir am liebsten ist. Ich werde dir folgen.“ Während er das sagte, legte er das Besteck weg und stützte sich auf seine Hände. Er sah Emily aufmerksam mit seinen huskyblauen Augen an und lächelte sanft. „Hast du für morgen schon etwas vor?“ In dem Moment vibrierte sein Handy in der Hose, weshalb er leicht zusammen zuckte, ehe er es hervorzog, kurz die SMS von Patrick las und schnell zurück schrieb: Gut, ich würde mich sehr freuen. Such im Club einfach nach mir, du wirst mich sicherlich nicht übersehen können. ;) A. Adrian packte das Handy weg und sah nun mit uneingeschränkter Aufmerksamkeit wieder Emily an. Den Rest der Pizza ließ er auf seinem Teller. Er konnte wirklich nicht so viel Essen. Bei seinem Kommentar musste sie lachen. Er hatte es also genau falsch verstanden. Das war ja zu erwarten gewesen. „Ok, dann lass’ dich überraschen.“ Sie wusste selbst noch nicht, in welches Bett es sie später ziehen würde. Immerhin hatte sie auch noch etwas vor und wenn es sehr spät wurde, konnte die Gewohnheit durchaus Überhand gewinnen und sie würde sich in ihr eigenes Bett verkriechen. Aber noch musste sie sich sowieso nicht festlegen. Ob sie ihm sagen sollte, wie sehr sie sich jetzt schon darauf freute, wieder an ihn geschmiegt im Bett zu liegen? Weil er ja noch vor ihr saß, entschied sie sich dagegen. Mit einem Schmunzeln biss sie ein weiteres Stück von der Pizza ab, das lange Käsefäden zog, die sie mit der Gabel aufwickelte, um sie sich in den Mund zu stecken. Manchmal musste Essen eben auch gelernt sein, aber bei Pizza durfte man sich nicht so haben. Außerdem war Adrian ihr kleiner Fauxpas gar nicht aufgefallen – er hatte im richtigen Moment eine SMS in sein Handy getippt. „Nein, habe nichts vor.“ Mit gespielt ernster Miene dachte Emily kurz nach. „Was hältst du von lang ausschlafen, spät frühstücken und wenn du magst, kann ich dir am Nachmittag eine kleine Führung durchs Museum geben.“ Das würde sie nur tun, wenn er wirklich Lust dazu hatte. Emily hätte verstehen können, wenn ihm das zu langweilig war. Manche Menschen interessierten sich einfach nicht für Museen. Jedem das Seine. Allerdings hatte Emily das Gefühl gehabt, dass Adrian durchaus interessiert war und ihm die Ausstellung gefallen könnte. Sie würden nicht den Fehler machen, den viele Besucher begingen und versuchen sich alles auf einmal anzusehen. Das laugte einen nur aus und am Ende war man nicht mehr fähig, auch nur einen einzigen Eindruck aufzunehmen. Emily würde ihm nur die Abteilung über das alte Ägypten zeigen, in der auch ‚ihr’ Sarkophag seit heute stand. In diesem Moment fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte, Mona wegen des Buches über die Ägypter anzurufen. Das würde sie vielleicht noch schaffen, bevor sie sich mit Julie im Pan traf. „Das klingt toll. Gerne. Ich freu mich schon drauf.“ Und das meinte er jetzt nicht nur, um ihr eine Freude zu machen, sondern weil er sich wirklich darauf freute. Immerhin war es gleich etwas anderes, jemanden dabei zu haben, der einem auch etwas über die Ausstellungsstücke erzählen konnte. Außerdem war er einfach nur froh, sie bei sich zu wissen, mit ihr reden zu können, vielleicht hatte sie auch nichts dagegen, mit ihm Händchen zu halten. Immerhin war er schon jetzt traurig darüber, dass er sie gleich verlassen musste. Er berührte sie gerne, liebte die Wärme ihrer Haut, ihren Duft und das seidige Haar. Was ihn gleich auf einen weiteren Gedanken brachte. Adrian setzte seinen besten Hunde-Welpen-Blick auf, den er konnte. „Würdest du für mich morgen deine Haare offen tragen? Es gefällt mir sehr, wie es bei jeder deiner Bewegungen im Licht glänzt oder der Wind damit spielt.“ Aber allen voran mochte er es, seine Finger daran hinab gleiten zu lassen. Bevor er noch beschämt zur Seite blicken konnte, sah er auf seine Uhr und fuhr hoch. „Oje, ich muss los.“ Er sprang von seinem Stuhl auf, stellte sein Teller neben die Abwasch und zog dann Emily in seine Arme, um sie leidenschaftlich zu küssen. Die ganze Nacht würde er an diesem einen Kuss zehren müssen, bis er sie wieder hatte. Ganz klar, sie war inzwischen so etwas wie eine Droge für ihn geworden. Ob sie damit ein Problem haben würde? Langsam ließ er sie widerwillig los und lächelte sie entschuldigend an. „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend mit Julie, obwohl ich nicht weiß, ob es das ganz trifft.“ Im Flur zog er sich seine beigefarbene Lederjacke und die Sneakers an. Danach küsste er Emily noch einmal zum Abschied, bis er sich im Laufschritt auf den Weg zur Arbeit machen musste. Immerhin hatte er heute den ersten Auftritt des Abends und danach kurz Pause, bis es entweder in den Käfig oder auf die Tische ging. Je nachdem, wer heute mit ihm Schicht hatte. „Alles klar, dir auch einen schönen Abend. Bis später.“ Da sie kaum von ihm lassen konnte, als er sie zum Abschied küsste, schob sie ihn ein wenig aus der Tür hinaus. Mit einem Lächeln wandte sie sich dann dem Abwasch zu und stellte sehr überrascht und begeistert fest, dass Adrian die Wäsche erledigt hatte, als sie in ihr Zimmer trat. Die Blusen hängte sie in den Schrank, hatte aber keine Zeit mehr auch den Rest der Wäsche zu verstauen. Wenn sie pünktlich sein wollte, musste sie sich schnell umziehen, noch ein wenig Make-up auflegen und dann auch schon los in die Stadt. Kapitel 24: 24. Kapitel ----------------------- Glücklicher Weise hielt eine Buslinie bloß einen Block vor dem Pan, sodass sie nicht weit zu Fuß gehen musste. An diesem Abend trug Emily wieder eine Jeans mit einem dunkelroten Shirt, auf dem hinten zwei Engelsflügel angedeutet waren. Es war nicht zu auffällig und nicht zu dezent für die kleine Bar, die bereits so früh am Abend recht voll war. Hierher kamen die Nachtschwärmer, um noch etwas zu essen, bevor sie auf Tour gingen. Etwa gegen elf leerte sich der Laden bis auf die Gäste, die tatsächlich wegen der gemütlichen Atmosphäre und den guten Getränken gekommen waren. Julie war noch nirgendwo zu sehen, also schnappte Emily sich den letzten kleinen Tisch, der in einer Ecke der Bar frei war und bestellte sich einen alkoholfreien Cocktail mit vielen Erdbeeren. Als die Kellnerin ihr das große Glas mit dem Papierschirmchen darin vor die Nase stellte, betrat auch Julie das Lokal. Emily winkte sie zu sich herüber und küsste sie zur Begrüßung auf die Wange. Ihre Freundin hatte sich wieder so sehr aufgetakelt, dass Emily sich in dem engen Shirt mit den Flügeln auf dem Rücken sofort wieder unauffällig vorkam. Das war ihr ganz recht so, denn wie Julie mit ihrem Ausschnitt, der mindestens bis zu ihrem Bauchnabel zu reichen schien und dem anliegenden Glitzerhalsband in pink, würde sie sich nicht in den dunkelsten Tanzschuppen trauen. „Also, was war los.“ Innerlich hatte sich Emily schon zurückgelehnt, was sie nun auch tatsächlich tat. Mit dem Cocktail in der Hand hörte sie Julie zu, die über Luke herzog, der es gewagt hatte, mit seiner Exfreundin zu telefonieren und mit ihr Essen zu gehen. Julie hatte sich sofort entschieden dem einen Riegel vorzuschieben. Wer mit ihr ging, hatte kein anderes Privatleben mehr. Lukes Entscheidung war klar ausgefallen und Julie war seit ungefähr drei Tagen wieder solo. Allerdings nicht mehr lange, so wie sie von ein paar Soccerfans an der Bar angestarrt wurde. Julie hätte nur mit den Fingern schnippen müssen und sie wäre in dieser Nacht nicht allein nach Hause gefahren. Da war sich Emily ziemlich sicher. Immerhin hatte sie das bei manchen Nach-Trennungs-Gesprächen mit ihrer besten Freundin schon erlebt. Sie quatschten die ganze Sache bis ins letzte Detail durch, bestellten sich noch zwei Runden Getränke, bis Julie so angeheitert war, dass sie Emily so laut von Lukes Können oder Nicht-Können im Bett erzählte, dass die Leute am Nebentisch rote Ohren bekamen. Emily konnte nur den Kopf schütteln, obwohl ihr bei den Berichten eher zum Lachen gewesen wäre. Der arme Luke. Wenn er wüsste, wie viel Leute nun über seine Vorlieben in Sachen Sex informiert waren, hätte er sich vermutlich nie wieder in die Öffentlichkeit gewagt. Emily hätte nicht damit gerechnet, aber irgendwann war Julies Redeschwall erschöpft – oder schien zumindest so weit zu erlahmen, dass sie fragte, was es bei Emily Neues gab. „Oh, eigentlich nicht viel.“ Sie hatte so schnell geantwortet, dass ihr erst jetzt bewusst wurde, was sie da gesagt hatte. Gerade Julie wollte sie nichts von der Sache mit Adrian erzählen. Ihre Reaktion konnte sie sich gar nicht ausmalen, aber Emily war sich sicher, dass sie nicht positiv ausfallen würde. Sie konnte sich nur noch zu gut daran erinnern, wie ihre Freundin Adrian damals angestarrt hatte… Irgendwann würde sie es ihr erzählen. Aber nicht jetzt, wo alles noch so frisch und zerbrechlich war. Sie wollte sich dieses Freudengefühl, das sie jedes Mal hatte, wenn sie an ihn dachte, nicht von Julie mies machen lassen. Also erzählte sie ihr nur, dass sie mit Richard Schluss gemacht hatte, in der Arbeit alles gut lief und kam gar nicht zu mehr, weil Julie durch irgendetwas neuerlich an Lukes Unverschämtheiten erinnert wurde. Emily hätte beinahe aufgeatmet. Es fühlte sich fast gut an, ihr großes Geheimnis vor dieser Quasselstrippe geheim zu halten. Morgen würde sie endlich Mona anrufen und es ihr erzählen. Bei ihrer großen Schwester waren ihr die Reaktion und ihre Gedanken wichtig. Bei Julie nicht, wie sie wieder einmal ein wenig schockiert feststellte. Emily schlürfte an ihrem Cocktail, der himmlisch nach Sahne und Erdbeeren schmeckte und drehte anschließend das kleine Schirmchen zwischen den Fingern, während sie Julie immer noch so viel Aufmerksamkeit schenkte, wie sie aufbringen konnte. Es war schon relativ spät und Emily konnte das Gähnen, das sich in ihr aufstaute kaum noch unterdrücken. Sie war mehr als dankbar, dass das Pan um eins, also in einer halben Stunde zumachte. Nichts, was Julie sagte, würde Emily davon abhalten, nach Hause zu fahren und ins Bett zu gehen. Sie war schon zu lange auf den Beinen, um noch irgendwo das Tanzbein zu schwingen. Das sagte sie Julie auch, die resignierend aufgab und sich ebenfalls in einen Bus setzte, um nach Hause zu fahren. Als Emily zu Hause ankam, war sie eigentlich viel zu müde, um sich noch zu duschen. Da sie aber in Adrians Bett auf ihn warten wollte, war es gar keine Frage, dass sie sich noch unter den kühlen Wasserstrahl quälte. Nachts musste man ein wenig Geduld aufbringen, bis das Wasser einigermaßen heiß aus der Leitung kam und dazu hatte Emily keine Lust. Sie duschte also nur kurz und trocknete sich leicht bibbernd ab, bevor sie in ein frisch gewaschenes und gebügeltes Nachthemd stieg und in Adrians Zimmer ging. Ohne ihn war es hier sogar noch fremder als sonst. Sie kam sich ein wenig wie ein Eindringling vor. Aber Adrian hatte ihr erlaubt, hier zu sein, daher schob sie das Gefühl zur Seite und legte sich auf seinen großen Futon. Die seidige Bettwäsche war ebenfalls kühl und ließ sie ein wenig schaudern, bis sie sich an Emilys Körperwärme aufgeheizt hatte. Emily rollte sich zusammen und schloss die Augen. Sie wünschte Adrian mit leiser Stimme schon mal eine gute Nacht, obwohl sie sicher war, dass sie aufwachen würde, wenn er sich zu ihr legte. *** Wie zu erwarten war, war Adrian heute ausnahmsweise einmal wirklich nervös, als er wieder die große Bühne betrat, um seine Nummer abzuziehen. Gerade freitags war die Bude immer gerammelt voll, da die Woche für jeden sehr lang gewesen war und unbedingt nach Abwechslung und Entspannung gelechzt wurde. Der einzige Vorteil der großen Hauptbühne war, dass Adrian sich darauf bewegen konnte, wie er wollte, ohne dass man ihn wirklich erreichen konnte. Weswegen er leidenschaftlich wie immer tanzte und die Frauenherzen höher schlagen ließ. Das ein oder andere, würde den Damen sicher auch ins Höschen rutschen, aber das war nun einmal sein Job. Sein Boss bestand wie immer darauf, Adrian in irgendwelchen Lederklamotten zu stecken, die er zum Glück auch schnell wieder ausziehen konnte, da diese Art der Kleidung sehr schnell zu heiß wurde, so schnell und wild wie er zu den Bässen tanzte. Ganz im Gegensatz zu seinen Gewohnheiten sah Adrian sich heute einmal die Zuschauer genauer an. Zwar war es schwierig viel zu erkennen, da es sehr dämmrig war und die Spots auf ihn gerichtet wurden, aber er wollte trotzdem rechtzeitig sehen, ob Patrick ihn heute Nacht tatsächlich besuchen kam. Fast schon gegen Ende seiner Tanznummer hin, wo er nur noch den Tanga am Körper trug und mit der Metallstange anbandelte, glaubte er, Patrick in der Menge ausgemacht zu haben. Allerdings verlor er ihn so schnell wieder aus den Augen, dass er versucht war, es als Einbildung abzutun. Schließlich drehte er noch eine Schlussrunde, ehe er hinter dem Vorhang verschwand und Melinda, seine vollbusige Kollegin ihn ablöste. Immerhin wollten die Männer im Club auch unterhalten werden. Weswegen sie sich immer wieder abwechselten. Außerdem gab es auch genug Frauen, die gerne ihrem eigenen Geschlecht beim Tanzen zusahen. Im Umkleideraum zog er sich rasch seine Jeans und sein Shirt über, um sich in den öffentlichen Bereich zu begeben und nach Patrick zu suchen. Er fand den Blauäugigen schließlich in der Nähe der Bar. Sofort bereitete sich ein Lächeln auf Adrians Gesicht aus. Er freute sich wirklich jedes Mal, wenn er den anderen sah. Der Kauf der Fische hatte ihm wirklich nicht nur gute Haustiere eingebracht, sondern auch einen guten Freund. Patrick hatte sich für die Nacht in Schale geworfen. In der Arbeit war heute so allerhand schief gegangen, dass ihm die Gelegenheit ins Shadow zu gehen und Adrian zu treffen sehr gelegen kam. Ein wenig Alkohol würde auch dazu beitragen, dass er den Kunden vergaß, der ihn als Tunte bezeichnet hatte. Gott, wie er diese Leute verabscheute. Da konnte man sich noch so ein dickes Fell zulegen, wenn ein derartiger Kommentar zu unerwartet kam, traf es Patrick eben doch. Deshalb hatte er beschlossen, sich heute ein wenig zu präsentieren. Ob es jemanden außer ihm selbst interessierte, war ihm egal. Aber er fühlte sich verdammt wohl in seiner engen dunklen Jeans und seinem Shirt, das in einem sexy Stil ein wenig abgerissen aussah und so, als hätte man mit weißer Farbe wild darüber getropft. Als er sich in die Schlange vor dem Club einreihte, konnte er bereits die Bässe hören und angedeutet auch die Musik. Ein wenig seltsam kam sich Patrick schon vor, bei dem Gedanken Adrian gleich beim Tanzen zu sehen. Es würde ihn bestimmt nicht kalt lassen in der Weise, dass er den Rothaarigen inzwischen wirklich als guten Freund betrachtete. Es wäre ihm auch bei jedem anderen Freund seltsam vorgekommen, ihn für eine Horde von lüsternen Frauen strippen zu sehen. Was wohl die Neuigkeiten waren? Ob Adrian gegenüber Emily endlich mit der Wahrheit rausgerückt war? Und wenn ja, wie viel der Wahrheit hatte er ihr erzählt? Wie hatte sie reagiert? Patrick sah bestimmt aufgeregt aus, als er schließlich vor dem Türsteher stand, der ihn in den Club winkte, ohne auch nur kurz gezögert zu haben. Drinnen sah Patrick seinen Freund sofort. Diesen Hintern hätte er in jedem Kostüm wieder erkannt. Egal wie schummrig das Licht auch war. Mein Gott, was musste der Kerl auch hetero sein! „Hi. Schön, dass du gekommen bist. Freut mich total.“ Adrian umarmte den anderen kurz, ehe er ihn an der Hand nahm und mit sich durch die Menge zog. „Komm, ich bin heute im VIP-Bereich zuständig, also wirst du wohl oder übel dorthin müssen, wenn du mit mir reden willst.“ Hoffentlich war es für Patrick okay, wenn er Adrian sozusagen hautnah vor sich hatte, während er arbeitete. Aber Adrian war es tausendmal lieber, sein Freund war sozusagen sein ‚Kunde‘ als irgendeine Clique von gerade volljährigen Tussis, die im Geld ihrer Väter schwammen und den Alkohol noch nicht gewöhnt waren. Die waren mit Abstand die schlimmsten und dabei musste Adrian auch immer nett bleiben, egal was sie taten. Manchmal war er schon kurz davor gewesen, die Security zu rufen. Da Adrian es gewohnt war, sich immer wieder einmal durch diese Menge zu kämpfen, kam er schnell voran, bis sie bei einer Tür mit zwei Türstehern davor ankamen, auf der in fetten roten Lettern VIP stand. Adrian legte seinen Arm freundschaftlich um Patrick und lächelte Sean und Paul freundlich an. „Falls der Boss fragen sollte, ich bin heute schon ausgebucht.“ Er griff in seine Hosentasche und zog ein fettes Bündel mit Stripdollars heraus, mit denen er vor den Anwesenden vor der Nase herum wedelte. „Ihr wisst, was ihr zu tun habt.“ Beide nickten ihm grinsend zu und öffneten schließlich die Tür. „Keine Störungen, schon verstanden.“ „Danke, Jungs. Ihr seid die Besten!“, verabschiedete sich Adrian von seinen beiden Arbeitskollegen, mit denen er auf sehr gutem Fuß stand und zog Patrick mit sich. Der VIP-Bereich unterschied sich sehr vom Rest des Clubs. Hier gab es offene Séparées, die dennoch genügend Privatsphäre boten, um nicht von den anderen Kundschaften abgelenkt zu werden. Man konnte als Gast sogar seine eigenen Musikwünsche kundtun und hier liefen auch ständig knapp bekleidete Kellnerinnen herum, um für ausreichend Sprit zu sorgen. Die Séparées waren mit einer bequemen Ledercouch in Schwarz ausgestattet, die sich um die drei geschlossenen Seiten, des gemütlichen Raums bog. In der Mitte befand sich ein großer, abgerundeter Tisch der auf Hochglanz poliert worden war, so dass sich sein Körper später darin spiegeln würde, denn das war Adrians Arbeitsplatz. Die Tische waren natürlich nur halb so hoch, wie ein Esstisch, aber er diente natürlich auch einem ganz anderen Zweck. Die Wände hinter der Couch waren mit schwarzem Samt behangen und der offene Bereich mit einem roten Transparentvorhang abgetrennt, der für die Privatsphäre sorgte, aber auch noch genügend Aussicht bot, falls es in einem der Séparées Ärger geben sollte. Adrian zog Patrick in den abgelegendsten Bereich, schob den Vorhang beiseite und ließ ihn durch. „Setz dich schon mal und bestell dir etwas zu Trinken. Ich komme gleich.“ Damit drückte er ihm die Stripdollar in die Hand, die hier ebenfalls als Bezahlung dienen konnten, da sie auch von den Angestellten verwendet wurden. Das Geld, das man nicht ausgeben wollte, konnte man am Ende der Nacht in Bares umtauschen. Für gewöhnlich bezahlten Gäste die Stripper und Stripperinnen nur mit Stripdollars. „Ach, und such dir doch schon mal Musik aus. Hinter dir ist ein Display mit einer Musikauswahl. Immerhin muss ich wenigstens den Anschein von Arbeit wahren.“ Adrian zwinkerte seinem Freund noch ein letztes Mal zu, ehe er sich kurz in die Umkleideräume zurückzog, um sich ein durchsichtiges Nylonshirt anzuziehen, das hauteng anlag und eigentlich nichts verbarg, aber wenigstens das Gefühl von Angezogensein vermittelte. Dazu noch die enge Lederhose von seinem Auftritt von vorhin und die schwarzen Militärstiefel. Adrian würde sich nicht ganz ausziehen müssen, es sei denn Patrick wollte es so. Immerhin war der Gast König. „Ist das dein…“ bevor Patrick den Satz beenden konnte, war Adrian schon aus der kleinen Plüschecke verschwunden und hatte ihn allein gelassen. „Oh Gott…“ Patricks Handflächen wurden feucht und er fühlte sich so unwohl wie schon lange nicht mehr. Er hatte schon vorhin nicht zusehen können, als Adrian noch auf der Hauptbühne des Clubs für so viele Menschen getanzt hatte. Und jetzt sollte er eine Privatvorstellung bekommen?! Ihm wurde heiß und kalt bei dem Gedanken. Auch wenn er schwul war, war er trotzdem ein Kerl, so wie Adrian auch. Er würde wahrscheinlich in albernes Lachen ausbrechen, um seine wahnsinnige Unsicherheit zu verbergen. Allmählich kam es ihm so vor, als wäre es ein Fehler gewesen, hier her zu kommen. Und hier arbeitete Adrian jedes Wochenende? Patrick lief es eiskalt den Rücken hinunter, wenn er daran dachte, er müsste auf einem dieser blank polierten Tische stehen und sich vor den Augen gleich mehrerer Menschen ausziehen. Er hoffte bloß, dass man davon ausgehen konnte, dass die Tänzer nicht völlig unbekleidet auftreten mussten. Nun war Patrick kein bisschen spießig, aber gegen reine Fleischbeschau hatte er etwas. Vor allem, wenn es sich dabei um einen Freund von ihm handelte. Er bestellte sich bei der nur ansatzweise bekleideten Kellnerin einen Mai Tai und lehnte sich zurück, um auf Adrian zu warten. Vielleicht stellte er sich das auch alles schlimmer vor, als es im Endeffekt war. Immerhin wollte Adrian mit ihm reden. Das würde er tanzend bestimmt nicht wirklich hinbekommen. Patrick hoffte wohl das erste Mal in seinem Leben darauf, vertrauen zu können, dass kein Männerhirn Multitasking sonderlich gut beherrschte. In seiner Nervosität legte er die Dollars, die Adrian ihm in die Hand gedrückt hatte auf dem Polster neben sich ab und sah die Musikauswahl auf dem kleine Display durch. Die meisten Titel sagten ihm nicht viel, also entschied er sich für irgendeinen und drückte auf play. Das Lied erklang nicht annähernd so laut wie in dem Bereich, in dem das normale Publikum zugelassen war, was Patrick ein wenig beruhigte. Auf dem Weg zurück musste sich Adrian an einer Gruppe von ebenjenen Jugendlichen vorbei drängen, denen er heute zum Glück entkommen war. Obwohl es in diesem Fall Männer waren, die sich ausgerechnet in dem Séparée gegenüber von seinem niederließen und zu grölen anfingen, als Jessica – die chinesische Verführung – bei ihnen erschien und sich ohne Umschweife auf den Tisch begab. Sie lächelte Adrian freundlich zu, ehe sie ihre Arbeitsmine aufsetzte. Der Lärm der Truppe wurde gedämpft, als er wieder bei Patrick ankam, mit einem kurzen Blick nach hinten, sah er aber noch ganz genau die Szenerie. „Du glaubst wirklich nicht, wie dankbar ich dir bin.“, flüsterte Adrian Patrick zu, nachdem er sich von dem Anblick losgerissen hatte. „Mhm.“ Mehr als ein zustimmendes Brummen brachte Patrick nicht zustande. Sein Körper wollte sich noch nicht ganz entspannen, auch wenn sein Geist rasend versuchte, ihm einzureden, dass sich Adrian bestimmt nicht vor ihm entkleiden und zu diesem Song auf dem Tisch räkeln würde. „Was sind die Neuigkeiten?“, platze er vor lauter Nervosität völlig zusammenhangslos heraus und sah Adrian ein wenig unsicher an. Nach dem der Vorhang hinter ihm zugefallen war, sah er Patrick an, der wohl im Augenblick den Wunsch verspürte, in irgendein Loch kriechen zu können. Oje. Adrian hatte daran gar nicht mehr so wirklich gedacht. Patrick war nun wirklich nicht der Typ, der ständig in solchen Clubs abhing. „Tut mir echt leid, dass ich dich hierher geschleppt habe. Aber ich wusste nicht, wann ich sonst einmal mit dir alleine in aller Ruhe reden könnte. Die Wochenenden sind bei mir immer ziemlich stressig. Außerdem ersparst du mir einen Abend grabschender Hände.“ Adrian wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, während er dabei zu lächeln versuchte, ehe er auf den Tisch zu ging und sich mit den Händen daran abstützte. „Keine Sorge, ich werde mich nicht vor dir ausziehen.“ Das war keine Frage, sondern eine Feststellung. Er würde es wirklich nicht tun, aber sein Job war nun einmal, den Abend auf diesem Tisch zu verbringen, oder bei besonders gut zahlenden Kunden sogar auf dessen Schoß. Letzteres würde heute sicherlich nicht geschehen. Da Adrian nicht wusste, wann sein Boss die übliche Runde drehen würde, kroch er schließlich doch auf den Tisch, blieb aber lediglich knieend vor Patrick sitzen und versuchte den anderen davon abzulenken, in dem er ihm die Neuigkeiten erzählte. „Stell dir vor, an dem Abend, als wir dich nach dem Karaoke nach Hause gebracht haben, waren Emily und ich so voll, dass wir irgendwie in der Küche am Boden gelandet sind. Genau dort hat sie mich auch auf den Mund geküsst.“ Adrian ließ seine Botschaft wirken, während er nur leicht mit seinem Körper der Musik folgte, aber alles andere als aufreizend. Viel mehr glich es einfach einem hin und her wippen seines ganzen Torsos. „Nun ja, ich schätze, es war einfach nur so eine Art: Danke-für-den-schönen-Abend-Kuss.“ Adrian senkte den Kopf und sah sich selbst in die Augen, als er die Tischplatte betrachtete. Nicht nur Patrick kam sich dabei komisch vor, aber anders ging es nun einmal nicht, außerdem waren seine vorherrschenden Gedanken ohnehin Emily gewidmet. Hoffentlich kam sie gut nach Hause. „Leider war ich so besoffen, dass ich ganz vergessen hatte, dass ich für sie ja immer noch schwul war. Ich hab sie also zurückgeküsst und das nicht gerade leicht.“ Nun konnte er deutlich spüren, wie seine Wangen zu glühen begannen, als er an den Vorfall dachte. Damals hatte er wirklich noch große Angst gehabt, er hätte nun alles versaut, dank Emily war da nun nur noch pures Glück. Was sich auch in seinem Lächeln äußerte, als er wieder hoch blickte. „Emily und ich konnten uns einigen, dieses Thema am nächsten Tag zu besprechen. Das war die erste Nacht, dass sie bei mir im Bett geschlafen hat. Natürlich habe ich davon wenig mitbekommen. Ich war einfach zu betrunken.“ Adrian seufzte, als er schließlich auf das danach folgende Gespräch zusteuerte. Sein Herz klopfte wieder heftig, als er daran dachte und um sich etwas davon abzulenken, drehte er sich so herum, dass Patrick nur noch seinen Rücken sehen konnte, ehe er sich flüssig mit dem Oberkörper bewegte, als wäre er eine Schlange. Während er den Kopf leicht nach hinten kippen ließ, sprach er weiter. „Ich hab ihr alles gesagt. Wirklich alles.“, gestand er mit leicht zitternder Stimme, die gerade noch die Musik übertönen konnte. „Ich dachte schon, das wäre das Ende, aber anstatt mich nun abzuweisen, hat sie mich in den Arm genommen. Aber nicht nur das.“ Adrian warf einen kurzen Blick zu der Meute auf der anderen Seite hinüber. Inzwischen war Jessica bis auf ihren Slip und dem Strumpfbändchen vollkommen nackt, was den Typen sehr zu gefallen schien. Bis auf einen. Ein Blondschopf mit wachsamen grauen Augen, starrte lediglich ins Leere. Er saß ganz am Rande der Menge und schien nicht gerade glücklich auszusehen. Vermutlich hatten ihn seine Freunde nur mit geschleppt, während diese Szene ganz und gar nicht nach seinem Geschmack war. Wäre nicht das erste Mal. „Ich bin mir zwar nicht hundertprozentig sicher, wie Emily das sieht. Aber von meiner Sicht aus, sind wir beide jetzt zusammen.“ Jetzt war Patrick wieder ganz Kumpel mit mehr als einem Ohr für das, was Adrian ihm da gerade erzählt hatte. Er lehnte sich sogar mit den Unterarmen auf den kleinen Tisch, um nicht über die Musik hinweg rufen zu müssen. Wahrscheinlich diente das ungewollt der Tarnung, weil es durch den halb durchsichtigen Vorhang so aussah, als würde Patrick sich Adrian nähern, um ihm ein paar der Dollars zuzustecken oder ihn zu berühren. Aber er behielt seine Hände bei sich. Eigentlich hatte er schon völlig vergessen, dass sie – oder zumindest Adrian – hier eine Show abziehen mussten. „Sie hat dich geküsst? Oh Mann, dass sie so betrunken war… Entschuldige.“ Sofort war Patrick aufgefallen, dass sich das ziemlich gemein anhörte und er legte kurz seine Hand auf Adrians Schulter, bloß um sie sofort wieder wegzuziehen. Hier kam er sich in dem abgetrennten Séparée noch ausgelieferter vor, als normalerweise in aller Öffentlichkeit. „Das meinte ich nicht so, wie’s geklungen hat. Aber ich hätte ihr nie zugetraut, dass sie dich einfach küsst. Muss seltsam gewesen sein. Oder hattest du etwa damit gerechnet?“ Wenn ja, musste Adrian wesentlich bessere Antennen haben, als Patrick. Ihm war nicht aufgefallen, dass Emily sich ihrem damals noch bloßem Mitbewohner ein paar Zeichen gab. Ok, sie hatte ihn ein paar Mal berührt, aber das hatte doch recht harmlos ausgesehen. Und dann hatte sie auch noch sofort mit Adrian in einem Bett geschlafen. Na ja, so wie sich das anhörte nur geschlafen, aber trotzdem. „Nein, da geht’s dir wohl gleich wie mir. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass sie mich küsst. Kein Wunder, dass ich wie ein hungriges Tier über ihren Mund hergefallen bin. Sie hat mich damit vollkommen überrumpelt.“, gestand Adrian schließlich. „Tut mir leid, wenn ich zu neugierig bin.“ Er stoppte kurz und warf Adrian einen schelmischen Blick zu. „Vielleicht liegt es an der Umgebung, aber was genau soll denn Aber nicht nur das eigentlich heißen? Warst du etwa unanständig, mein Freund?“ Eigentlich erwartete er nicht wirklich eine Antwort, aber es war ihm danach – wohl auch Dank des Mai Tais, der ihm langsam zu Kopf stieg – Adrian noch etwas erröten zu lassen. Immerhin hatte sein Freund ihm einen ganz schönen Schreck eingejagt mit all dem hier. Da Patrick die Unterhaltung gut von dem abzulenken schien, was Adrian hier tat, wagte er es, ein bisschen intensiver zu tanzen, wobei er dabei vermied, Patrick speziell damit anzusprechen. Es war eher so, als würde er sich für sich selbst bewegen. Als der andere allerdings fragte, ob Adrian unanständig gewesen sei, stockte er doch einen Moment komplett, was ihn aus dem Rhythmus brachte, ehe er sich wieder fing. „Da wir hier ja unter uns sind, kann ich es dir wohl verraten.“ Womit Patrick natürlich wieder erreicht hatte, das Adrians Gesicht zu glühen begann und nicht nur das. Ein leichtes Prickeln fuhr durch seinen Körper, als Adrian sich an letzten Abend erinnerte. Wobei seine Augen einen ganz verträumten Ausdruck bekamen. „Wir haben nicht miteinander geschlafen, falls du das denkst. Aber beschweren kann ich mich auch nicht. Garantiert nicht.“ Adrian drehte sich auf den Bauch, um Patrick ansehen zu können. „Ich glaube, bevor ich hier noch weiter erzähle, könntest du sicher noch einen Drink vertragen.“ Er grinste seinen Freund spitzbübisch an, ehe er sich wieder auf die Knie begab, um einen neun Tanz mit seinem Körper anzufangen. Dabei schweifte sein Blick eher zufällig wieder zu Jessicas Runde hinüber. Seine Augen trafen sich einen Moment lang mit denen des Blonden, der, kaum dass er sich ertappt fühlte, wieder zu Boden starrte. „Jetzt müssen wir aber auch jemanden für dich finden. Typen wie du, dürfen einfach nicht auf dem Markt bleiben.“ Adrian kroch etwas näher, um den anderen ins Ohr zu flüstern. „Übrigens, von Mann zu Mann. Du siehst heute wirklich zum Anbeißen aus.“ Mit einem breiten Grinsen lehnte er sich zurück und tanzte weiter, wobei er nun immer mal wieder wie zufällig seinen Blick ganz leicht in Richtung Blondie schweifen ließ. Da der andere es nicht bemerkte, hatte Adrian die Möglichkeit, dessen Gesichtsausdruck zu interpretieren. Neugier lag in dem Blick des anderen, während dieser ihn und Patrick beobachtete. Aber auch etwas Gequältes. Was definitiv der Männerrunde zuzuschreiben war, in dessen Umgebung er sich nicht wirklich wohl zu fühlen schien. Patrick war sich nicht sicher, ob es eine gute Idee war, noch einen Mai Tai zu trinken. Der Erste saß ihm jetzt schon in den Knochen. Aber die Kellnerinnen hier schienen so getrimmt zu sein, dass sie sogar aufs geflüsterte Stichwort reagierten. Ohne von Adrian überhaupt Notiz zu nehmen, nahm sie Patricks Bestellung mit einem Lächeln entgegen und stellte keine fünf Minuten später ein Bitterlemon vor ihm ab. Der Alkohol in seinem Blut würde für die heutige Nacht sicher ausreichen. Außerdem fühlte er sich von Adrians Kompliment sehr geschmeichelt. Da sein Freund sich auch sehr gut anzog, solange er hier nicht den Anheizer fürs Publikum spielte, war ihm seine Meinung durchaus etwas wert. Nach einem kurzen Nippen an seinem Getränk sah Patrick Adrian verständnislos in die blauen Augen. „Ach, ich weiß nicht. Ich hab im Moment das Gefühl beziehungstechnisch wird sich in nächster Zukunft nichts bei mir tun. Ich hab im Moment keine Lust darauf, mich anzustrengen und mich zum Affen zu machen, bloß damit mich mal jemand mit nach Hause nimmt.“ Das war gerade verdammt ehrlich gewesen. „Kann ich verstehen, aber sag mir trotzdem, ob dir der Blonde da drüben gefällt. Der scheint nämlich ein reges Interesse an unserer kleinen Runde zu haben.“ Patricks Augenbrauen arbeiteten sich vor Erstaunen über sich selbst nach oben und er sah einen Moment lang gar nirgendwo hin. Bis Adrian ihn auf den Blonden am Tisch gegenüber aufmerksam machte. Er sah nicht schlecht aus, war vielleicht ein wenig älter als Patrick und Adrian, aber hatte ganz offensichtlich auf jeden Fall keinen Spaß an dem Strip der asiatischen Tänzerin. „Der ist ganz süß. Könnte vermutlich auch in meinem Team spielen.“ Da war sich Patrick sogar ziemlich sicher. Oder der Andere war hetero und hatte sich gerade von seiner Freundin getrennt oder etwas Ähnliches, das ihn so von nacktem Fleisch ablenken konnte. „Aber ich weiß nicht…“ Was war bloß aus dem Patrick geworden, der diesem Rothaarigen mit dem Knackarsch im Zoogeschäft seine Nummer zugeschoben hatte. Patrick hatte es sich eine ganze Weile nicht eingestehen wollen, aber dieser Abend im El Muerte und der Dämpfer, den ihm Adrian ungewollt verpasst hatte, saß tiefer, als man vermutet hätte. „Ach komm schon, Patrick. Du siehst heute wirklich heiß aus, das musst du unbedingt ausnützen. Vor allem glaube ich nämlich auch, dass er in deinem Team spielt. Glaub mir, ich arbeite schon lange genug hier, um die Menschen relativ gut einschätzen zu können.“ Und der Typ an dem anderen Tisch schien noch nicht einmal sagen zu können, welche Haarfarbe Jessica hatte, so selten hatte er sie angesehen. Wenn er also nicht gerade zu ihnen herüber sah, fand er auch noch den Drink in seiner Hand interessanter als die Stripperin. Wenn das mal kein deutliches Zeichen war! „Gib dir einen Ruck. Die Stripdollar gehören dir. Lade ihn doch einfach zu einer Runde ein. Dann muss er sich dort drüben nicht mit diesen Jüngelchen abgeben. Zur Not bin ich auch noch da, aber bis dahin, kennen wir zwei uns einfach nicht.“ Adrian zwinkerte Patrick verschwörerisch zu, während er weiter tanzte. Natürlich wollte er seinen Freund nicht unter Druck setzen, wenn diesem wirklich nicht danach war. Aber bestimmt hätte ein kleines Zeichen genügt und Blondie hätte die Kids stehen gelassen, um hier herüber zu den richtigen Männern zu kommen. Kapitel 25: 25. Kapitel ----------------------- Luca knirschte lautlos mit den Zähnen, als sein kleiner Bruder wieder einmal einen ordinären Kommentar zu den Titten der Stripperin abgab, woraufhin seine Freunde mit Gegröle einstimmten. Was machte er hier eigentlich noch mal? Ach ja, ihre Mutter hatte ihn ja dazu gezwungen, den Babysitter zu spielen. Hätte sein Bruder nicht ausgerechnet heute Geburtstag, wäre er dem garantiert nicht nachgekommen, aber so sah er sich leider dazu genötigt, darauf aufzupassen, dass niemand zu Schaden kam. Dabei würde das ohnehin nicht vorkommen. Sein kleiner Bruder war zwar eine Nervensäge, aber konnte durchaus auch Verantwortung tragen. Leider schien das ihre Mutter nicht einsehen zu wollen, weshalb sie ihn regelrecht angebettelt hatte, mit hier her zu kommen, wenn sie ihren jüngeren Sohn schon ganz und gar nicht von diesem Unternehmen hatte abhalten können. Klar, die Stripperin war nicht schlecht, sie konnte sich bewegen, aber leider interessierte ihn das ja so ganz und gar nicht. Verdammt gelangweilt trank Luca schon sein zweites Glas Gin Tonic und sah genervt auf die Uhr. Es konnte noch Stunden dauern, bis er hier weg kam. Dabei war heute Freitag! Er sollte um die Häuser ziehen und einige Lokalitäten unsicher machen. Stattdessen schlief ihm lediglich langsam sein Hintern ein. Wäre da nicht diese heiße Nummer im gegenüberliegenden Séparée, er würde bestimmt schon vor sich hin schnarchen. Dabei war es nicht so sehr der Tänzer, der ihn dabei interessierte, sondern die offensichtliche Tatsache, dass hier noch jemand vom anderen Ufer saß. Wieso sonst, sollte ein Mann einen männlichen Stripper ganz für sich alleine haben wollen? Patrick kniff die Lippen zusammen und überlegte fieberhaft. Der Kerl am anderen Tisch sah wirklich nicht schlecht aus und so wenig, wie er sich für die halbnackte Dame interessierte, gab es vielleicht tatsächlich Chancen. Selbst wenn nicht. Patrick wäre nicht das erste Mal an jemanden geraten, der ihm dann meistens leicht verunsichert mitteilte, dass er eine Freundin zu Hause hatte. Damit wurde man schon irgendwie fertig. Manchmal ging es schneller und manchmal dauerte es etwas länger. Das war es auch nicht, was ihm hauptsächlich Sorgen bereitete. Er sah Adrian an, der sich inzwischen ein wenig freier auf dem kleinen, spiegelnden Tisch bewegte. Jeder der ihn sah, hätte durchaus glauben können, dass er hier nur seinen Job machte und versuchte Patricks visuelle Wünsche zu erfüllen. Dem Dunkelhaarigen wurde bei dem Gedanken schon wieder ganz anders. Er griff nach seinem Bitter Lemon, um irgendetwas in der Hand zu haben, das ihn von dem Séparée, Adrians Tanzbewegungen und dem Kerl am anderen Tisch ablenkte. Vielleicht sollte er sich einfach entschuldigen und nach Hause gehen. Mist, dabei hatte er sich heute auf einen langen Abend eingestellt. Er hatte sich doch wirklich hübsch gemacht. Also warum sollte er es nicht versuchen? Doch was, wenn der Blonde nicht an ihm, sondern an Adrian interessiert war? Immerhin war der Rothaarige hier derjenige mit dem durchsichtigen Shirt und den geschmeidigen Bewegungen. „Du glaubst doch nicht, dass ich ihn hier rüberhole, damit er dir auf den Schritt starren kann.“ Wieder zu ehrlich. Verdammt. Dieser Mai Tai war echtes Teufelszeug! Und selbst wenn es nicht so lief, dass der Blonde von Adrian mehr angezogen war, als von Patrick… Das wäre ihm vor seinem Freund genauso unangenehm. Er wollte doch nicht flirten, wenn er von Adrian dabei beobachtet wurde. Gott, brachte ihn das alles durcheinander. Und dabei fiel ihm gar nicht richtig auf, wie er schon eine Weile zu dem blonden Kerl hinüber sah. Erst als dieser wieder einmal den Blick in ihre Richtung schweifen ließ, zuckte Patrick regelrecht zusammen und sah errötend auf das Glas in seiner Hand. Allerdings konnte er nicht anders als noch einmal einen schüchternen Blick zu riskieren, bei dem sich sein Blick mit dem des anderen traf. Wie es seine Art war, lächelte Patrick sogar freundlich, nur um es zwei Sekunden später zu bereuen. „Nimm’s mir nicht übel, aber es ist nun mal mein Job, dass mich andere anstarren. Und glaub mir, wäre der Typ nur auf eine Show aus, dann würde er nicht dauernd zu dir hinüber sehen. Also lass…“ Adrian verstummte, als er sah, wie Patrick dem anderen ein deutliches Zeichen gab. Immerhin lächelte er den anderen an. Das war meistens schon genug. „…lass mich meinen Job machen und amüsier dich endlich wieder einmal.“ Damit setzte Adrian seine eigene professionelle Maske auf und begann nun auf eine Weise zu tanzen, die zwar etwas bot, aber nicht zu viel für Patrick wurde. Außerdem war es nun ganz und gar unpersönlich, was seinem Freund sicher sofort auffallen würde. Gerade als Luca drauf und dran war, dieses Possenspiel zu verlassen und sich seine eigene Unterhaltung zu suchen, rettete ihn der heiße Typ im Nachbarséparée. Zuerst dachte er noch, er hätte sich den Blick des anderen nur eingebildet, da dieser zu schnell wieder weggesehen hatte. Doch als dieser dann wieder den Kopf hob und sogar ein freundliches Lächeln aufsetzte, stand Luca’s Entschluss fest. Weg von dem Kindergarten, hinein in die Erwachsenenwelt! Im Geiste betete er darum, nicht gleich einen Arschtritt zu kassieren, weil er versuchte, bei dieser netten kleinen Party mitzumachen, als er schließlich aufstand, seinem Bruder noch einen Hunderter in die Hand drückte, damit der bloß Frieden gab und schließlich auf das andere Séparée zu ging. Mit einem charmanten Lächeln schob er den Vorhang etwas zur Seite und lehnte sich gelassen mit seinem Drink an die Wand. „Tut mir leid, wenn ich einen Augenblick lang dein nettes Abendprogramm unterbreche, aber ich wollte fragen, ob man bei deiner Erwachsenenparty mitmachen kann? Der Kindergarten dort drüben, bringt mich sonst noch ins Koma.“ Während er das sagte, musterte er sein Gegenüber ungeniert und befand, dass das wirklich ein scharfes Kaliber war. Den Stripper ignorierte er einfach. Professionalität war zwar gut in diesem Geschäft, aber nichts woran Luca interessiert wäre. „Ich zahle auch Eintritt.“ Mit einem Lächeln zog er einen Schein aus seiner engen Jeanshose und hielt ihn zu einem langen Streifen gefaltet in der Luft. Adrian war wirklich eine Nummer für sich. Noch bevor der Blonde den Vorhang zur Seite schob, hatte er auf professionell umgeschaltet und bewegte sich auf eine Art zur Musik, die Patrick bei jedem Fremden wahrscheinlich mehr als gefallen hätte. Aber das hier war sein Freund und das würde er nicht vergessen. Wenn der fremde Kerl auch nur andeuten würde, dass Adrian sich entkleiden sollte, würde Patrick einschreiten. Es war ja verdammt nett, dass Adrian ihm einen Flirt an Land zog, aber deswegen würde Patrick ihn dem anderen nicht als Fleischbeschau zum Fraß vorwerfen. Überraschte stellte Patrick allerdings fest, dass der Blonde Adrian gar keines richtigen Blickes würdigte, als er in das kleine Séparée trat. Er musterte Patrick in einer Weise, die nur zu deutlich klarstellte, dass er hier jemanden vor sich hatte, der im gleichen Team spielte wie er. Und wenn es mehr von der Sorte gäbe, dann wäre Patrick glücklich gewesen. Die grauen Augen des Typs wurden von langen Wimpern überschattet und sein Dreitagebart stand ihm ausnehmend gut. Patrick stand insgeheim auf die Kerle, die zwar wussten, wie gut sie aussahen, es aber durch Bodenständigkeit ein wenig mehr hervorhoben. Sein Gegenüber sah so aus, als wäre er gerade aus einem Australienurlaub zurückgekehrt und hatte beschlossen das Flair des Surfers und Naturabenteurers mitzubringen. Sein weißes Shirt, das seine Muskeln und die braune Haut umspielte saß zwar perfekt, sah aber einfach locker aus. Als er mit dem Geldschein wedelte, warf Patrick einen prüfenden Blick auf Adrian, der sich gerade in lasziver Geste über den Brustkorb nach unten strich. Patrick konnte das versteckte Lächeln seines Freundes spüren. Na gut, dann mal das strahlende Lächeln angeschaltet und nichts wie los. Patrick würde schnell herausfinden, ob Blondie nicht nur gut aussah. Aber egal wie es sich entwickelte, er würde Adrian nicht allzu lange auf diesem glänzenden Serviertablett tanzen lassen. „Klar. Hier ist noch genug Platz, setzt dich dazu.“ Er lächelte dem Blonden zu und rückte nur eine Spur zur Seite, um ihm in der samtigen Ecke Platz zu machen. Das Bündel Stripdollars, das Adrian ihm zugesteckt hatte, stopfte er sich unauffällig in die Hosentasche, um sie dem Rothaarigen später wiederzugeben. Immerhin waren das seine Einnahmen. Und weil er Adrian noch einen Mai Tai und das Bitter Lemon schuldig war, blickte er zwischen dem Blonden und seinem Freund hin und her, bevor er sagte: „Ich denke es wäre nur gerecht, wenn du den Eintritt unserem Tänzer überlässt.“ Es gab sicher eine dezentere Möglichkeit als Adrian das Geld irgendwo unter die Kleidung zu stecken. Und wie der Blonde reagieren würde, war schon mal ein Zeichen, ob Patrick ihn mochte. Auch wenn es ein gemeiner Test war, denn der Fremde wusste ja nichts von der Freundschaft zwischen Patrick und dem Tänzer. „Na, wenn das so ist, lege ich gerne noch einen drauf.“ Luca zog noch einen Geldschein aus seiner Hosentasche, den er ebenfalls länglich faltete, ehe er sich neben seine neue Unterhaltung für diesen Abend setzte. Wenn das was wurde, dann sicherlich nicht nur für diesen Abend. Dessen war sich Luca deutlich bewusst, immerhin konnte er kaum die Augen von diesem heißen Sahneschnittchen lassen. Alleine das ausgefallene Shirt lockte immer wieder dazu, sich die Muskelpartien darunter vorzustellen. Doch bevor er es sich gemütlich machen konnte, beugte er sich zu dem Stripper vor, der einen Moment für ihn inne hielt und steckte die beiden Scheinchen in dessen rechten Stiefel. Das ging am Schnellsten und machte nur zu deutlich klar, dass er jemand anderen eigentlich unterhaltsamer fand. „Ich bin übrigens Luca.“ Er streckte dem anderen die Hand hin, während er diese wahnsinns Augen musterte. „Und darüber hinaus verdammt dankbar, von dir gerettet worden zu sein. Dafür bin ich dir was schuldig.“ Seine weißen Zähne blitzen, als er lächelte und dann einmal einen genaueren Blick auf den rothaarigen Stripper warf. Es war Luca schon vorhin aufgefallen, dass die beiden zwar schon eine ganze Weile am Werk waren, der Stripper aber immer noch alle Klamotten anhatte, was eigentlich nicht unbedingt üblich war. „Ich muss schon sagen, mir gefällt dein Stil.“, gestand er dem Dunkelhaarigen. „So wie ich das sehe, scheinst du nicht auf nacktes Fleisch aus zu sein.“ Er machte eine vielsagende Geste, der den Stripper und den Tisch mit einschloss. Dieser schien sich ohnehin nicht von der Unterhaltung stören zu lassen. Er tanzte einfach weiter. „Ich meine, nichts gegen gut gebaute Körper, aber wo bleibt denn da die Fantasie, wenn man alles vor die Nase geknallt bekommt?“ Seine Augen richteten sich wieder auf seinen Sitznachbarn, während sich sein Tonfall um eine Spur verdunkelte. „Außerdem macht es mehr Spaß, wenn man beim Ausziehen mithelfen darf.“ Luca zwinkerte dem anderen ungeniert zu, ehe er einen Schluck von seinem Getränk nahm. Na, da konnte man doch nur sagen: Test mit Bravour bestanden. Note eins. Hätte sich Luca, wie er sich vorstellte, an Adrians Hosenbund gewagt, hätte Patrick das Ganze schon abgebrochen, bevor es überhaupt begann. Aber jetzt schenkte er seinem Gegenüber ein breites Lächeln und reichte ihm die Hand. „Ich bin Patrick. Und den Gefallen hab ich dir gern getan. Wie kommst du eigentlich zu der Gruppe? Scheint ja nicht gerade dein … Bereich zu sein.“ Auf den doch recht direkten Flirt seines neuen Banknachbarn reagierte Patrick gelassen. Er hatte sich schon viel anzüglicheren Sprüchen ausgesetzt gefühlt. Das war manchmal einfach nur eine Masche oder dazu da ein wenig Schüchternheit zu überspielen. Welche der beiden Varianten Luca fuhr, konnte Patrick allerdings nicht sagen. Also würde er einfach mal drauf einsteigen und sehen, was passierte. Er lehnte sich locker zurück und legte seinen Arm über die Lehne der Sitzbank, was ihn ziemlich lässig erscheinen ließ. „Ach, darauf bist du aus? Verziehst du dich wieder, wenn ich dir sage, dass ich kein Junge für eine Nacht bin?“ Sein Lächeln war charmant und gewinnend. Und es prallte nicht an seinem Gegenüber ab, sondern zauberte ihm ebenfalls ein weiteres Grinsen aufs Gesicht, das seine weißen, ebenen Zähne blitzen ließ. Luca machte es sich ebenfalls etwas bequemer auf der Ledercouch, wobei er den Stripper schon völlig vergessen hatte. Der müsste ihm schon direkt auf dem Schoß herumtanzen, um wieder seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Wovon ihm der Blonde verdammt noch mal abriet. „Ach weißt du, das ist das Los der großen Brüder. Meine Funktion hier, diente lediglich als Babysitter. Was eigentlich gar nicht nötig ist, denn wenn ich nicht wüsste, dass mein Bruder bereits verantwortungsbewusst handeln kann, säße ich jetzt nicht hier bei dir, sondern würde mir weiterhin den Po platt sitzen, um Anstandsdame zu spielen.“ Bei Patricks nächsten Worten, die er ziemlich locker und charmant rüber brachte, konnte Luca gar nicht anders, als sich etwas vor zu beugen, um dem anderen tiefer in die Augen sehen zu können. „Ich wäre wirklich bestürzt, wärst du nur ein Junge für eine Nacht. So viele Möglichkeiten und nur so wenig Zeit. Nein, den Stress gebe ich mir nicht.“ Luca trank sein Glas aus und stellte es beiseite, ohne sich etwas Neues zu bestellen. Ein deutliches Zeichen, dass er nicht vorhatte, hier Wurzeln zu schlagen. Weshalb er auch einen Augenblick später anfügte. „Wie wär’s. Die Nacht ist noch jung. Hast du Lust ein bisschen um die Häuser zu ziehen? An Freitagabenden sitze ich eigentlich nicht einfach nur herum, um mich Unterhalten zu lassen.“ „Kannst du deinen Bruder denn einfach hier sitzen lassen?“ Mit einem Schmunzeln nickte Patrick zu der Meute hinüber, die fleißig Scheine in das Strumpfband der Stripperin steckten. Sie tat Patrick wirklich leid und wieder konnte sich der Dunkelhaarige gar nicht vorstellen, dass Adrian so etwas jedes Wochenende über sich ergehen lassen musste. Patrick nippte an seinem Bitter Lemon und ließ den Blonden ein bisschen warten, obwohl er seine Entscheidung bereits gefällt hatte. Als er sein Glas abstellte, lächelte er wieder sein strahlendes Lächeln und legte den Kopf etwas schräg. „Ok, lass uns ein bisschen auf Tour gehen. Aber wenn du dich nicht anständig benimmst, mach ich die Fliege.“ Noch immer war sich Patrick nicht sicher, wie viel von diesen Andeutungen Luca ernst meinte. Er hatte wirklich keine Lust nur für heute Nacht einen Bettgefährten zu haben. Auch wenn das auch reizvoll erschien, aber auf so etwas hatte er im Moment einfach keine Lust. Wie es nun mal seine Art war, dachte er positiv und hoffte, dass er Luca’s Anspielungen richtig verstanden hatte. Und selbst wenn sich der Blonde am Ende nach einer Nacht verziehen sollte… So wie er aussah, würde es zumindest eine sehr interessante Nacht werden. „Und ob ich das kann. Der Kerl ist erwachsen. Unsere Mutter kann eben einfach nicht die Nabelschnur durchtrennen. Aber das ist ja nicht mein Problem“ Er lächelte, dachte aber nebenbei noch einmal schnell darüber nach, wie sehr er seinem Bruder vertrauen konnte … ach egal. Sollte sich dieses hormongesteuerte Geburtstagskind während seiner Abwesenheit irgendwie hinter Gitter bringen, würde Luca mit Freuden die Kaution bezahlen, solange er herausfinden durfte, wie heiß Patrick wirklich war. Weshalb er gar nicht vorhatte, sich nicht anständig zu benehmen. Immerhin lag noch das ganze Wochenende vor ihm und das wollte er garantiert nicht alleine verbringen. Außerdem, nach der Nummer mit der Stripperin brauchte er nun eindeutig wieder mehr männliche Anreize. Nicht, dass er am Ende noch Gefahr lief, Geschmacksverwirrungen zu bekommen. Ein Blick auf Patrick und er wusste wieder, warum er schwul war. Also holte er einen Zwanziger aus seiner Jeans und gab ihn dem Dunkelhaarigen. „Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich mich daneben benehmen sollte, kannst du dir damit sofort ein Taxi nehmen. Sieh es als so eine Art Pfand an.“ Danach stand er auf, um seinem Bruder noch einmal Verantwortungsgefühl einzubläuen, der daraufhin versprach, anzurufen, falls es Ärger geben sollte und ansonsten auch alleine Heim finden würde. Die beiden Männer standen auf und als Luca zum anderen Séparée hinüber ging, um sich von seinem Bruder zu verabschieden, drückte Patrick Adrian das Dollarbündel in die Hand. „Siehst du, das hast du nun davon,“ setzte er mit einem breiten Grinsen an. „Jetzt musst du dich doch wieder vor kreischenden Mädels ausziehen. Nur weil du mir diesen Leckerbissen auf den Hals hetzen musstest.“ Patrick ging um den Tisch herum und zog den Vorhang ein Stück zur Seite. „Danke. Und küss’ Emily von mir, ja?“ Adrian lächelte Patrick zurückhaltend an, um die Maske seiner Professionalität nicht zu zerstören, aber seine Augen waren offen und freundlich. „Ach was, mit denen werde ich schon fertig. Also, schnapp ihn dir, Tiger.“ Danach kletterte er vom Tisch und ging sich nach neuen Kunden umsehen, ohne noch einmal auf Patrick zu achten. Der würde sein Ding schon durchziehen, da war er sich sicher. Außerdem würde er ihm spätestens am Montag einen vollständigen Bericht abverlangen. Darauf konnte sein Freund schon mal gefasst sein. Kapitel 26: 26. Kapitel ----------------------- Sie waren nur ein paar Blocks vom Shadow aus gelaufen und standen schließlich vor einem Club, aus dem Musik erklang, die ihnen beiden zusagte. Das war gar nicht einfach gewesen, weil Patrick kein sonderlicher Musikfan war und Luca mehr oder weniger hinterher lief, bis der sich einen Club ausgesucht hatte. Natürlich hätte Patrick Einspruch erhoben, wenn er die Musik hätte nicht ausstehen können, aber selbst wenn sie nur erträglich war, wollte er in den Club. Luca hatte sich nämlich in der kurzen Zeit, die sie nebeneinander hergelaufen waren, als durchaus freundlicher Kerl heraus gestellt, mit dem Patrick sich sogar unterhalten konnte, ohne dauernd anzügliches Flirtverhalten an den Tag legen zu müssen, um seinen Begleiter bei Laune zu halten. Im Club steuerten die beiden sofort auf die Bar zu, wo Patrick für sich und Luca Drinks bestellte, die prompt geliefert wurden. Er hob seinen Vodka-O von der lila beleuchteten Theke und prostete dem Blonden lächelnd zu. Der Mai Tai hatte sich zwar ein wenig in seiner Blutbahn verteilt, aber Luca sah so aus, als würde Patrick heute wieder das Tanzbein schwingen müssen. Dafür würde der Alkoholpegel noch nicht ausreichen. Also trank er einen großen Schluck und sah sich ein wenig um. Hier war er noch nie gewesen und fand auch keine bekannten Gesichter in der Menge. Es war kein ausgesprochener Schwulenclub, obwohl er nach einer Weile ein knutschendes Männerpärchen auf der anderen Seite der Tanzfläche entdeckte. Daraufhin warf er einen verstohlenen Blick auf Luca, der ihm ein gewinnendes Grinsen schenkte. „Hast du was für Musik übrig oder geht’s dir ums richtige Feeling fürs Tanzen?“ Wenn er wieder an einen Meistertänzer geraten war, würde sich Patrick allmählich fragen müssen, ob er sich nicht mehr Spezialitäten als seinen Hüftschwung zulegen sollte. Er hätte nicht gedacht, dass sie schon nach so kurzer Zeit, zu richtigen Gesprächen überwechselten, obwohl sie sich noch fast vollkommen Fremde waren. Doch für Luca war das bereits das untrügliche Zeichen auf eine gute Gesellschaft. Wenn man nach einer Stunde immer noch nicht miteinander warm wurde, musste man sich ernsthaft fragen, woran es liegen mochte. Bei Patrick hatte Luca keinerlei Probleme ‚warm‘ zu werden. Ganz im Gegenteil, nachdem sie sich schließlich für einen Club entschieden und jeweils einen Drink in der Hand hatten, spürte er bereits die Glut der aufziehenden Hitze. Hier war man eindeutig nicht nur zum Trinken oder wegen der Musik, sondern auch zum Tanzen. Weshalb sich Luca auch einen Jack Daniel’s bestellt hatte, um die letzten nicht vorhandenen Hemmungen über Bord werfen zu können. Wenn er tanzte, wollte er sich nicht zu viele Sorgen um die umstehenden Leute machen müssen. Allerdings konnte er die nur richtig mit einem gewissen Alkoholpegel im Blut von Anfang an ausblenden. Die Starthilfe würde er sich heute gönnen. „Ich bin für beides. Musik ohne Tanzen ist wie tanzen ohne Musik. Meistens jedenfalls.“ Luca konnte nicht gerade behaupten, ein Spitzentänzer zu sein, aber für den guten Durchschnitt reichte es auf jeden Fall. Sofern er auch noch den richtigen Tanzpartner hatte, konnte es auch ganz schön heiß her gehen. Patrick würde ihm heute auf jeden Fall nicht entkommen. Er wollte unbedingt auch einmal das anfassen, was seine Augen schon seit mehr als einer Stunde im Geiste auszogen. Natürlich nicht mit der reinen Absicht, Patrick ins Bett zu bekommen, doch der andere ließ ihn nun einmal auch nicht von der Hüfte abwärts tot sein. „Und was ist mit dir? Bereit mit mir das Tanzbein zu schwingen?“ Oh bitte sag ja! Patrick war sehr froh, dass er niemanden hier kannte, als Luca ihn zum Tanzen aufforderte. Ein paar interessierte Blicke ernteten sie schon, als Patrick sich die Hand seines Begleiters griff und ihn mitten auf die Tanzfläche zog. Hier wurden sie weniger beobachtet, als wenn sie irgendwo am Rand oder in der Nähe der Bar stehen geblieben wären. Der Song, den der DJ im Moment aufgelegt hatte, lag Patrick nicht besonders, weshalb er das Standardprogramm abfuhr. Er bewegte sich leicht zum Rhythmus, machte ein paar Schritte, aber es war einfach nicht so, dass ihn die Musik mitriss. Das änderte sich schlagartig, als er bekannte Töne aus den Lautsprechern quellen hörte. Es war keiner seiner Lieblingssongs, aber zumindest einer, bei dem jeder den Refrain mitsingen konnte und daher wurde die Stimmung sofort ausgelassen und auch ein wenig albern. Das feuerte Patrick dazu an, ebenfalls mitzuträllern, allerdings leise, um Luca nicht in die Flucht zu schlagen und sich ein wenig auf seinen Tanzpartner zu zu bewegen. Der Kerl war wirklich nicht schlecht und Patrick fühlte sich einigermaßen wohl in seiner Haut, was viel ausmachte und ihn noch mehr ermutigte. Dass er so ausgelassen tanzen würde, hätte er noch heute Nachmittag nicht gedacht. Schon gar nicht mit einem Mann, um den ihn bestimmt jeder im Raum beneidete. Die Musik hätte teilweise besser sein können, aber für Heute würde es wohl reichen. Außerdem war Luca wirklich nicht wegen der Musik sondern wegen Patrick hier. Was sich auf jeden Fall lohnte, als schließlich zu einem Lied gewechselt wurde, mit dem sie beide gut klar kamen und die Stimmung super auflockerte. Luca konnte sich ein breites Grinsen einfach nicht verkneifen, als er erkannte, dass nicht nur er sich auf den anderen zu tanzte. Dabei beobachtete er den anderen ganz genau, während er seinen Körper einfach im Rhythmus mit bewegte. Wow, dieser Hüftschwung konnte sich sehen lassen! Stellte Luca mit einem anerkennenden Blick fest, während der Drang in ihm immer stärker wurde, seine Hände auf diese Hüften zu legen und nicht nur dorthin. Kein Wunder, dass sie schneller aneinander gerieten, als vermutet, immerhin hatte auch er den Weg zu Patrick eingeschlagen, genauso wie dieser auf ihn zu getanzt war. Inzwischen rauschte der Alkohol ihm angenehm durch die Adern, was ihn nicht nur locker, sondern auch wagemutiger machte. Denn kaum, dass sich ihre Körper berührten, konnte er nicht mehr widerstehen und musste Patrick einfach seine Hände auf die Hüften legen. Dabei sah er dem anderen tief in die faszinierend blauen Augen. In diesem Augenblick schrie eine Stimme in ihm: DEN WILL ICH! Was seinen Blick auch etwas heißblütiger werden ließ, als er sich eng an den Körper des anderen schmiegte und seine Fingerspitzen leicht unter das Shirt des anderen gleiten ließ, um dessen heiße Haut zu spüren. Luca biss sich lasziv auf die Unterlippe, als er das Prickeln auf seinen Fingerspitzen spürte, mit denen er Patricks Haut direkt berührte. Beinahe wäre Patrick zurück gezuckt, als er Luca’s Hände auf seinen Hüften spürte. Aber in diesem Moment war der Alkohol sein Freund, der ihm riet, nicht zu schnell zu reagieren. Allerdings konnte Patrick nichts gegen den Adrenalinschub machen, der ihm das Herz flattern ließ, als Luca sich an ihn drängte und seine Finger unter Patricks Shirt schob. Normalerweise war Patrick nicht von der wahnsinnig schüchternen Sorte und hatte auch kein Problem mit Berührungen, aber in Luca’s Blick lag eindeutig Erotik verborgen. Patrick wusste nicht genau, wie er damit umgehen sollte, denn schon lange hatte ihm kein Mann mehr so direkt zu verstehen gegeben, dass er gefragt war. Aber immerhin tanzten sie nur. In der Menge waren sie völlig unauffällig, was Patrick dazu verleitete, sich einfach mit dem Blonden mit zu bewegen und seine Berührungen zuzulassen. Es war ja nicht so, dass es sich schlecht anfühlte. Genau das Gegenteil war der Fall und allmählich wurde Patrick verdammt warm in diesem Raum mit all den Menschen und Luca so nah, dass er ihn auf seiner Haut spüren konnte. Patrick konnte selbst nicht sagen, ob er sich nur an dem anderen festhielt oder ob es ein Entgegenkommen war, als seine Hand auf dessen Schulter legte und sie in seinen Nacken führte, was bewirkte, dass sie sich noch ein wenig näher kamen. Die grauen Augen des anderen veränderten ihre Helligkeit im Licht der bunten Spots immer wieder auf einen Weise, dass Patrick fast Angst bekam, sich darin zu verlieren. Er kam beinahe aus dem Takt, als ihn ein Knistern traf, das bewirkte, dass er heute nicht allein schlafen wollte. Es musste kein Sex sein, ganz und gar nicht. Aber diese Hände auf seiner Haut würden sich unter einer Decke und ohne die vielen Augenpaare, die auf ihnen ruhten noch so viel besser anfühlen. Luca konnte es nicht leugnen. Nachdem Patrick seine Hände auf seine Schultern und den Nacken gelegt hatte und sie sich dadurch noch enger aneinander schmiegten, herrschte pure Elektrizität zwischen ihnen. Von dem Knistern auf seiner Haut angefangen, über die größer werdenden Hitze ihrer Körper, bis hin zu den vielsagenden Blicken zwischen ihnen. Es war alles vorhanden, was Luca brauchte, um nicht nur gewaschene Adrenalinstöße zu bekommen, sondern auch dieses bedeutende Ziehen in seinem Bauch zu fühlen. Die Menge hatte er dabei schon völlig ausgeblendet und der Musik folgte er eher instinktiv, als noch bewusst. Doch die Hand, die sich auf Patricks knackigen Hintern legte und diesen prüfend erforschte, war mehr als bewusst gesteuert. Ebenso, wie seine andere Hand, die diesen heißen Body Zentimeter für Zentimeter erkunden wollte, sich jedoch damit zufrieden gab, Patricks Seite unter dem Shirt entlang zu streicheln. Lucas Hunger nach Patrick stieg mit jeder Minute, die sie länger so eng aneinander tanzten. Ein ‚Nein‘ würde er zwar akzeptieren, aber nur schwer wegstecken können. Darum tastete er sich Schrittweise an die Sache heran. Immerhin konnte er Patrick sowieso nicht mitten auf der Tanzfläche vernaschen, aber dass er dieses Sahneschnittchen heute noch ordentlich auskosten wollte, stand außer Frage. Zumindest für ihn war das klar. In einem erneuten Anflug von Wagemut kniff er Patrick sanft aber deutlich in den Hintern und drückte somit dessen Unterleib noch enger an seinen eigenen. Die Reibung die dabei entstand, ließ einen Moment lang seinen Atem stocken, als er nun nicht nur ein Ziehen in seinem Bauch spürte. Luca zog seine Hand unter Patricks Shirt nur deshalb weg, um sie ihm in die Halsbeuge zu legen. Seine Finger umschlangen den Nacken des anderen, während er sich langsam vor beugte. Er konnte der Versuchung einfach nicht mehr widerstehen. Die ganze Zeit schon, waren seine Blicke immer wieder zu den Lippen des anderen gewandert, nur um fest zu stellen, dass sie von Augenblick zu Augenblick immer verlockender wurden. Weshalb er einfach den Versuch wagte. Wenn das Patrick zu schnell ging, konnte er es ihm ruhig sagen, damit hatte Luca wirklich kein Problem. Aber er wusste nun einmal auch genau, was er wollte und das war nun einmal der Typ mit den unfassbar schönen Augen. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals, als er flüchtig die Lippen von Patrick mit seinen eigenen streifte. Dabei hielt er die Augen offen, um auf dessen Reaktion zu achten. Spätestens als Luca ihm an den Po griff und ihn mit fester Hand näher an sich zog, rutschte Patrick sein Herz zunächst in den Magen und dann sofort in die Lendengegend, um dort weiter zu schlagen. Vielleicht hätte er vor all diesen Menschen um ein bisschen mehr Anstand bitten sollen, aber die Spannung, die sich zwischen ihm und dem Blonden aufgebaut hatte, war beinahe schmerzhaft. Patrick ließ eine seiner Hände am Rücken nun auch unter Lucas weißes Shirt wandern, wo er auf leicht verschwitzte Haut traf. Er ließ seine Fingerspitzen quer über den Rücken seines Tanzpartners ziehen, bis ihm kurz das Herz stehen blieb und er dachte, er würde sich nie wieder bewegen können, als Luca ihm die Hand in den Nacken legte und ihn sanft ein wenig auf sich zu zog. Der andere näherte sich so langsam, dass Patrick nicht genau wusste, ob sich ihre Lippen tatsächlich treffen würden und er kam sich fast dumm dabei vor, dass er seinem Begleiter kaum entgegen kam. Das änderte sich, als die Berührung von Lucas Lippen auf seinen den Bann zu brechen schienen. Patrick konnte die Musik nicht mehr hören, aber der Bass war wohl in sein Blut übergegangen, das in dieser heißen Situation wohl entschlossen war, nur ein einziges von Patricks Organen ordentlich zu versorgen. Er drückte sich noch ein bisschen mehr an Luca, in der irrigen Hoffnung der würde nicht spüren, was los war. Patrick schloss die Augen und erwiderte den Kuss, auch wenn er das Gefühl hatte, die Blicke der Heteros um sie herum würden ihnen beiden wahrscheinlich die Hinterköpfe durchbohren. Luca hätte nicht damit gerechnet, dass es ihn so sehr reizte, diese absolut unwiderstehlichen Lippen zu küssen! Fast im gleichen Augenblick, als Patrick sich näher an ihn drängte, war sein Kuss nicht nur eine leichte Berührung der Annäherung, sondern schlug in Verlangen um. Erst recht, da er nur zu deutlich etwas an seiner Hüfte spürte, das vor wenigen Momenten sicherlich noch nicht zu spüren gewesen war. Gewiss trug auch er seinen Teil dazu bei, weswegen es gut war, dass sie Jeanshosen trugen, so fiel es nicht so sehr auf, wie sehr sein Blut bereits kochte. Allerdings wurde er sich nur zu deutlich bewusst, dass sie hier in keinem Schwulenclub waren und deshalb ungeniert angestarrt wurden. Weshalb Luca den Kuss auch löste, ehe er vollkommen ausarten konnte. Dafür beugte er sich aber zu Patricks Ohr vor und hauchte ihm mit rauer Stimme zu: „Wenn ich dir verspreche, dass du kein Junge für eine Nacht für mich bist, würdest du dann mit mir an einen ruhigeren Ort kommen?“ Ein wenig atemlos lehnte Patrick seine Wange an die von Luca, während der ihm etwas zuraunte. Über die Schulter seines Begleiters konnte er zwei Männer sehen, die sich von der Szene abwendeten, während ihre Freundinnen kichernd weiter gafften. Am liebsten hätte Patrick Luca gleich noch einmal geküsst, nur um den Umstehenden eine Show zu bieten und ihnen zu zeigen, wie egal sie ihm alle waren, aber das Angebot seines Begleiters klang besser. „Ok.“ Er ließ sich von Luca an der Hand durch die Menge führen und hielt den Kontakt sogar bei, bis sie draußen vor der Tür standen, wo sie die kühle Nachtluft umfing und die Musik nur noch gedämpft zu hören war. Gott, diese bescheuerte Frage lauerte schon hinter jeder Ecke: Zu mir oder zu dir? Die kühlende Nachtluft milderte nur etwas sein erhitztes Gemüt, doch er hatte auch nicht vor, ganz abzukühlen, bis er mit Patrick vollkommen alleine war. Darum zog er ihn auch noch einmal an sich, um ihn mitten auf dem Bürgersteig zu küssen, weil ihm ohnehin alles andere egal war, ehe er meinte: „Meine Wohnung liegt ungefähr zehn Blocks von hier. Mit dem Taxi wären wir in Nullkommanichts dort.“ Er streckte schon mal die Hand aus, um eines der gelben Gefährte zu sich heran zu winken, die hier ohnehin massenhaft verkehrten, da das eine äußerst belebte Straße war. „Wenn du noch näher wohnst, gib mir bitte Bescheid.“ Nicht, dass er drängeln wollte, aber er konnte es kaum erwarten, mit Patrick alleine zu sein. *** Im Taxi hatten sie es gerade noch geschafft die Finger von einander zu lassen, aber bereits im Lift zu Lucas Appartement waren sie regelrecht knutschend über einander hergefallen. Patrick war sich nicht sicher, wer wen an die Wand des kleinen Aufzugs gedrückt und kurz den Alarm ausgelöst hatte, aber das ‚Pling’ der erreichten Etage kam auf jeden Fall viel zu früh. Nein, es brachte sie nur näher zu Lucas Wohnung, wo sie endlich ungestört sein würden. Patrick wusste nicht, wann er das letzte Mal so auf einen Kerl reagiert hatte, den er gerade erst kennen gelernt hatte. Wahrscheinlich noch nie. Am liebsten hätte er Luca schon auf dem Hausflur das Hemd vom Leib gerissen, aber die vielen Türen, an denen über den Appartementnummern die Spione prangten, hielten ihn davon ab. Er versuchte sich verzweifelt wieder ein wenig herunter zu kühlen, während sein Begleiter die Tür aufschloss und sie endlich in der kleinen Wohnung standen. Patrick sah Luca einen Moment etwas unschlüssig an, immerhin wussten sie beide, weswegen sie hier waren. Aber er war hier der Gast, also würde er sich benehmen. Zumindest bis ihm sein Gastgeber auch nur das winzigste Zeichen gab. Luca heizte die Tatsache unglaublich an, dass Patrick sich wohl gerade ebenso fühlte, wie er. Wieso sonst, hätten sie schon wie wild im Lift knutschen sollen? Das Taxi schien schon eine große Bürde zu sein, aber der Weg zu seiner Wohnung, war doch unendlich lange. Umso besser, dass er endlich die Tür zu seiner Wohnung hinter ihnen schließen konnte. Luca steckte den Schlüssel von innen ins Schloss, ehe er sich auch schon wieder an Patrick heran schmiss und nun nicht von irgendwelchen Komponenten daran gehindert werden konnte, dem anderen das Shirt über den Kopf zu ziehen, während er ihn hungrig mit seinem Körper an die Tür presste. Als seine Hände endlich richtig nackte Haut berühren konnten, stöhnte Luca zufrieden in den leidenschaftlichen Kuss hinein. Irgendwie fanden sie noch Zeit, auch im das Hemd auszuziehen, ehe er den anderen auch schon mit Händen und Füßen in sein Schlafzimmer dirigierte, aus reiner Bequemlichkeit natürlich. Wie es auch gekommen war, kaum dass sie auf der Matratze lagen und sich ihre Zungen auch weiterhin einem feurigen Tanz hingaben, waren Lucas Hände schon in Patricks Hose gewandert. Er konnte einfach nicht länger widerstehen. Kapitel 27: 27. Kapitel ----------------------- Nach dem Adrian den Türstehern mitgeteilt hatte, dass er wieder frei war, kamen auch schon drei Ladys Mitte Dreißig, die wohl so etwas wie einen Mädelsabend veranstalteten. Sie legten ganz schön flotte Musik auf, weshalb Adrian nicht sehr viel Zeit hatte, um über all das nachzudenken, was ihm so durch den Kopf ging. Er funktionierte einfach, zog sich anzüglich aus, ließ sich anfassen und sammelte das Trinkgeld ein. Es berührte ihn weniger, als über das Wetter zu sprechen. Wenn ihm heute Nacht eines klar geworden war, dann die Tatsache, dass sein Job ein Job war und auch nicht mehr. Es machte ihm Spaß, sich zu bewegen, aber weder erregte es ihn, wenn man ihn dabei anfasste oder nur ansah, noch merkte er sich auch nur die Gesichter seiner Kundinnen. Das Einzige, was sein Herz berühren konnte, war der Gedanke an Emily und wie sie in seinem Bett schlief, um es für ihn warm zu halten. Schließlich ging auch diese Nacht vorüber und wurde bereits vom ersten Morgengrauen aufgehellt, als er endlich den Schlüssel ins Schloss zu seiner Wohnung steckte, um Heim zu kommen. Am liebsten, wäre er sofort zu Emily gegangen, doch er wollte unbedingt duschen. Immerhin roch er nach den verschiedensten Parfummischungen, die er nur durch die reinigende Kraft des Wassers loswerden konnte. Niemals würde er sich so zu Emily legen. Erst als er mit feuchten Haaren und nur noch einem Handtuch bekleidet in sein Zimmer ging, um sich eine Boxershorts aus dem Kasten zu holen, sah er sich bereit dazu, an sein Bett heran zu treten und lächelnd auf das Gesicht seiner Mitbewohnerin herab zu sehen. Er war noch immer nicht angezogen, was er gleich nachholen würde, aber vorher musste er unbedingt noch etwas dringend nachholen. Vorsichtig stützte er sich mit den Händen auf der Matratze ab, um sich über sie zu beugen. Zärtlich berührten seine Lippen die weiche Haut der ihren, wie der fedrige Flügelschlag eines Schmetterlings, ehe er sich wieder von ihr löste. Emily lächelte sanft, als Adrian ihre Lippen berührte, wachte aber weder von der Berührung noch von seiner Gegenwart auf. Sie schlief tief und fest, sodass ihr Körper sie so lange wie möglich davor bewahren wollte, aufzuwachen. Als Adrian allerdings zu seinem Schrank hinüber ging und die Tür öffnete, um sich eine Shorts heraus zu holen, drehte sich Emily mit einem kleinen Laut um. Sie blinzelte mit einem Auge und sah Adrian dabei zu, wie er sich die Shorts überstreifte. Im Zwielicht konnte sie nicht viel erkennen, aber trotzdem zauberte sein Anblick ihr ein Lächeln aufs Gesicht. „Hallo…“ Ihre Stimme klang leise und zerbrechlich, weil ihre Stimmbänder wohl nicht mit ihr zusammen aufgewacht waren. Sie war so müde, dass sie wieder die Augen schloss, während sie darauf wartete, dass Adrian zu ihr ins Bett kam. Bei ihrem gehauchten ‚Hallo‘ schloss Adrian leise die Schranktür und kam ans Bett. Er hob die Bettdecke an und fuhr mit einer Hand darunter, wo er wohlige Wärme spüren konnte. Mit einem Gefühl von unendlichem Glück und greifbarer Erleichterung, glitt er hinein in dieses warme Nest, zog die Decke bis zu seinem Hals hoch, ehe er unter der Decke nach Emily tastete und sie dann eng an sich zog, als er sie fand. Er schlang fast schon besitzergreifend die Arme um sie und sog mit geschlossenen Augen die Wärme ihres Körpers tief in sich auf. Wie sehr er sie doch vermisst hatte! Nun war es ihr Duft, der ihn einhüllte und den er mit einem Gefühl von Stolz auf der Haut trug. Kein Parfum der Welt könnte es in diesem Augenblick mit ihr aufnehmen, aber er hätte sie ohnehin nicht geteilt. Liebevoll küsste er ihr weiches Haar, die Haut ihrer Wangen, ihre geschlossenen Augenlieder, die Nasenspitze und noch einmal ihren herrlichen Mund, ehe er ihr leise zu hauchte. „Jetzt bin ich wirklich Zuhause.“ Adrians Körper war kühl und seine Haare feucht, was Emily sofort noch etwas mehr aus dem Schlaf riss, als er sie an sich zog. Ein kleiner Schauer kroch ihr vom Scheitel bis zu den Zehenspitzen hinab, der allerdings nicht nur mit Adrians kühler Haut zu tun hatte. Als er ihr Gesicht küsste, um ihr dann zu sagen, dass er sich bei ihr zu Hause fühlte, kuschelte sich Emily an ihn. „Schön, dass du da bist.“ Er musste bestimmt müde und wahnsinnig kaputt sein nach den vielen Stunden körperlicher Arbeit. Emily sank schon wieder in ihren Schlaf zurück, bevor sie ihn überhaupt fragen konnte, wie die Arbeit gelaufen war. *** Sie hatte sich regelrecht um Adrians Körper geschlungen, als sie aufwachte. Ihr Kopf lag auf seiner Schulter, während ihr Arm über seiner Brust und eines ihrer Beine über seinen lag. Und zu allem Überfluss hätte sie sich gern noch enger an ihn gedrängt. Emily floss vor Gefühlen für Adrian fast über, als sie ein Auge aufschlug. Sie bewegte sich vorsichtig, um ihn nicht aufzuwecken. Allerdings fiel ihr bereits im nächsten Moment ein, dass er wahrscheinlich selbst dann nicht aufgewacht wäre, wenn sie sich nackt auf ihn geworfen hätte. Wenn Adrian schlief, dann schlief er. Emily fragte sich wirklich, wie er je einen Termin einhielt, für den er einen Wecker gebraucht hätte, um ihn aus dem Schlaf zu holen. Ihr eigener Wecker hatte das Kunststück schon mal nicht zu Wege gebracht. Schnell schlich sie sich ins Bad und ging auf die Toilette. Als sie sich die Hände gewaschen hatte, sah sie auf ihre Armbanduhr, die auf dem kleinen Regal neben dem Waschbecken lag. Schon fast Mittag. Eigentlich war sie wach, wollte Adrian aber nicht um seine wertvollen Stunden Erholung bringen. Immerhin war heute Abend wieder eine Schicht Tanzen angesagt. Also zog Emily sich an und ging auf den Markt, um frisches Gemüse, Käse, Fisch und ein paar Kräuter im Topf für das Küchenfenster zu kaufen. Sie rechnete nicht damit, dass Adrian während ihrer Abwesenheit aufwachen würde. Zur Sicherheit hatte sie ihm einen Zettel an seinen Wecker neben dem Bett geklebt. Bleib liegen, wenn du möchtest. Bin bald wieder da. Kuss, Emily Es war eine verlockende Vorstellung, dass sie nachher noch ein wenig zum Kuscheln unter seine Bettdecke zurückkehren konnte. Immerhin hatten sie in der letzten Nacht und auch vorhin, als Emily aufgestanden war, nicht viel von einander gehabt. Mit einem Rucksack voller guter Dinge, einer weiteren Tasche und den Kräutern bepackt, kam sie nach Hause, stellte alles in der Küche an den richtigen Platz und öffnete schließlich Adrians Zimmertür. Inzwischen war es fast halb zwei und sie hätte sich durchaus angestrengt ihn zu wecken, wenn er noch schlafen sollte. Immerhin wollten sie noch ins Museum und Zeit miteinander verbringen, bevor er wieder zur Arbeit musste. Als Adrian endlich wach wurde, griff er noch mit geschlossenen Augen nach Emily, riss sie dann aber auf, als er nichts fand. Sie war bereits aufgestanden. Er war wieder ohne sie aufgewacht, was ihn langsam wirklich frustrierte. Aber sie konnte natürlich nichts dafür, dass er in ihrer Nähe so gut schlief, wie schon lange nicht mehr und dementsprechend auch viel zu lange brauchte, um von selbst wach zu werden. Morgen würde er sich seinen Wecker stellen, denn mehr als sechs Stunden Schlaf brauchte er am Wochenende wirklich nicht, wenn er unter der Woche das Pensum an Ruhe wieder aufholen konnte. Also stand er schließlich auf, nahm den Zettel von seinem Wecker und legte ihn sorgfältig zu dem anderen, den er von ihr bekommen hatte. Danach ging er ins Bad, um sich die Haare zu ordnen, sich zu rasieren und um die Zähne zu putzen. Gerade als er sich sein Aftershave auftrug, hörte er die Wohnungstür. Also war sie wieder zurück. Leise öffnete er die Badezimmertür und sah sie gerade noch in sein Zimmer gehen. Mit einem Grinsen trat er hinter sie, wurde natürlich schon vom Dielenboden verraten, aber er wollte sie ohnehin nicht erschrecken. Stattdessen zog er sie von hinten an seine nackte Brust, beugte sich zu ihr herab und küsste sie seitlich auf den Hals. „Ich denke, ein Guten Morgen trifft es nicht ganz.“ Aber das war ihm so was von egal, denn noch bevor sie etwas darauf sagen konnte, drehte er sie zu sich herum und küsste sie dieses Mal richtig. Dabei versuchte er wirklich sich zurückzuhalten. Doch die Sehnsucht nach ihr, die über die Nacht zugenommen hatte, ließ sich nicht verbergen. Mit heißen Küssen schlang er die Arme eng um sie, vergrub eine Hand in ihrem Haar und streichelte mit der anderen ihren Rücken hinab. Wenn er nicht von Sauerstoff abhängig wäre, würde er niemals mehr von ihr ablassen, doch leider brauchte er Luft zum Leben, weshalb er sich schließlich dazu gezwungen sah, wenigstens den Kontakt mit ihren Lippen zu unterbrechen. Bei ihrem Anblick fielen ihm sofort noch Patricks Worte ein und er hauchte ihr einen dezenten Kuss auf die Stirn. „Den soll ich dir von Patrick geben. Mehr bekommt er aber nicht!“ Er lächelte. Sofort wurde sie dafür entschädigt, dass Adrian bereits aufgestanden war und entgegen ihrer Hoffnung nicht mehr in seinem Bett auf sie wartete. Gerade wollte sie etwas auf sein Guten Morgen erwidern, als er ihr schon die Luft mit einem langen Kuss abschnitt. Als er sie wieder losließ und ihr den Kuss von Patrick auf die Stirn hauchte, strahlte sie ihn liebevoll an und streichelte über seine Arme. Das war das erste Mal, dass sie ihn so richtig in vollem Licht mit bloßem Oberkörper sah, seit sie zusammen im Schwimmbad gewesen waren. Man sah die Kratzer auf seiner Haut noch ein wenig, aber sie verheilten gut und würden ihn nicht lange entstellen. Emily fragte sich, ob das Licht im Club so schummrig war, dass niemandem diese Verletzungen aufgefallen waren. Oder wurden sie für seinen Auftritt überschminkt? Na gut, so nah wie ihr gerade kam Adrian hoffentlich niemandem, für den er tanzte. Emily musste den Gedanken abwehren, ob Adrian sich vor manchen Kunden wohl ganz ausziehen musste. Es war keine richtige Eifersucht, aber ein mieses Gefühl sich vorzustellen, dass sie ihn selbst noch nie ganz nackt gesehen hatte und andere Frauen das noch heute gegen Geld haben konnten. Sie hatte wohl etwas gedankenverloren auf seinen Bauch gesehen und über seine Kratzer gestreichelt, was man hoffentlich in alle möglichen Richtungen interpretieren konnte. Sie küsste ihn auf die Brust und machte sich dann von ihm los, um ihm zuzuzwinkern. „Ich mache uns Frühstück, ja? Hast du Lust auf Cappuccino?“ Sie hatte irgendwo noch eine dieser italienischen Kannen und Espresso herum stehen. Die musste sie nur auf den Herd stellen und würde mit aufgeschäumter Milch einen guten Cappuccino hinbekommen. Außerdem hatte sie Brötchen und Marmelade vom Markt mitgebracht. Alles, was man für ein gemütliches Frühstück brauchte, war also vorhanden. „Oh ja, bitte.“ Emily konnte ja nicht wissen, dass er zwar nur sehr selten Cappuccino trank, aber diesem Getränk sehr verfallen war. Es war für ihn reinstes Genussmittel. Dass sie ihm anbot, ihm einen zu machen, bedeutete ihm daher doppelt so viel, als es ohnehin schon tat. Doch bevor er ihr in die Küche folgte, um ihr beim Frühstückmachen zu helfen, ging er in sein Zimmer zurück, um sich eine locker sitzende Jeans anzuziehen, die ihm tief auf der Hüfte saß. Dazu noch eines seiner schwarzen Shirts und einem gemütlichen Ausflug stand nichts mehr im Wege. Allerdings hielt Adrian in der Bewegung inne, womit er noch einen guten Ausblick auf seinen Bauch und den Kratzern hatte. Sie waren bereits gut verheilt und in der Arbeit stellten sie kein Problem dar. Natürlich bekam er ab und zu ein paar anzügliche Bemerkungen deswegen, aber die Ladys schien das nicht zu stören und sein Boss wusste ja, wer das getan hatte. Also konnte er ihm deswegen auch keine Standpauke halten. Weswegen ihn das alles schon gar nicht mehr kümmerte, doch Emily hatte sie so seltsam angesehen. Gerne hätte er gewusst, was ihr dabei durch den Kopf gegangen war. Denn dass sie sich wegen irgendetwas Gedanken machte, konnte sie nicht leugnen. Er hatte es ganz genau gesehen. Seufzend zog er sich das Shirt ganz hinunter und ging in die Küche, um den Tisch zu decken. Zwar lächelte er dabei, dennoch war er sich bewusst, dass es noch viele Dinge gab, die sie noch zu klären hatten. Keiner von ihnen konnte so tun, als wäre nichts. Dafür gab es zu viele unausgesprochene Dinge. Alleine seine Lüge lag ihm irgendwie immer noch auf dem Gemüt. Adrian wollte immer ehrlich zu Emily sein, denn er wusste ja nun, dass er ihr alles sagen konnte, dennoch, für sie musste das alles seltsam sein. Konnte sie ihm überhaupt vertrauen, wo sie doch wusste, dass er sie so sehr belogen hatte, ohne mit der Wimper zu zucken? Mit aller Kraft schob Adrian diese Gedanken bei Seite. Hier und jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um ihnen nachzugehen. Immerhin hatten sie einen schönen Tag vor sich, den er niemals mit schlechter Stimmung verderben wollte. Adrian half Emily so gut er konnte dabei, wie er es schon in Zeiten ihrer Mitbewohnerschaft getan hatte, wenn sie zusammen einmal Zeit verbringen konnten. In diesem Sinne hatten sie einen großen Vorteil. Sie wussten bereits die Angewohnheiten des anderen und wenn sie sich schon während ihrer Zeit als bloße Mitbewohner nicht vertragen hätten, wäre es wohl niemals so weit wie jetzt gekommen. Doch anscheinend waren sie ein gutes Team. Genüsslich nahm Adrian einen Schluck von dem hervorragenden Cappuccino, als sie endlich am Tisch saßen. „Und? Was gibt’s an der Juliefront zu berichten? Sind jetzt offiziell alle Männer schwanzgesteuerte Idioten?“, fragte er sie grinsend, da er sich so eine aufgebrachte Julie richtig gut vorstellen konnte und er vermutete, dass diese Person eigentlich ebenfalls zu der hormongesteuerten Bevölkerung gehörte. „Ach, das sind Männer in Julies Welt schon vor Lukes Abfuhr gewesen.“ Mit einer nebensächlichen Geste wedelte sie ihre Hand in der Luft herum, während sie einen Schluck Cappuccino nahm und die Tasse dann auf den Tisch stellte. „Aber es ist immer wieder faszinierend, mit anzusehen, wie schnell sie ihre Männer vergisst. Jetzt regt sie sich noch furchtbar über Luke auf und ist wahrscheinlich tatsächlich verletzt, aber Morgen könnte sie mir schon eine neue Eroberung vorstellen.“ Sie schüttelte ansatzweise den Kopf. „So was könnte ich nicht. Schon gar nicht in der Folge, wie Julie die Männer abschleppt und wieder fallen lässt.“ Zwischen Marmeladenbrötchen und mehr Cappuccino erzählte sie Adrian von Julies Gejammer und deutete an, dass sie jetzt auch über jede Bettgeschichte der beiden Bescheid wusste. „Dinge, die ich nie erfahren wollte. Und unsere Tischnachbarn sicher auch nicht.“, sagte sie lachend, bevor sie sich zurücklehnte und mit ihrem Fuß aus Versehen an den von Adrian stieß. Ihre erste Reaktion war, ihn weg zu ziehen, aber dann entschied sie sich doch dagegen und streichelte mit ihren Zehen ein wenig seine Wade hinauf. Dabei lächelte sie ihn an und hielt die Tasse mit beiden Händen an ihren Mund. Es war nur noch ein winziger Schluck Kaffee darin, den sie zuerst ein wenig in dem weißen Porzellan herum schwenkte, bevor sie ihn austrank. Dabei ließ sie Adrian nicht aus den Augen. „Und wie war deine Nacht?“ „Solange es sie einmal nicht wirklich ernsthaft erwischt, soll sie ihren Spaß nur haben. Ich könnte das auch nicht, aber was bin ich doch froh, nicht wie Julie zu sein.“ Den Stress hätte er keine Woche ausgehalten. Immerhin schien Emilys Freundin trotz des Männerverschleißes doch immer sehr emotional daran zu hängen. Sonst würde sie es immerhin nicht tun. Adrian musste auch mitlachen, als er sich vorstellte, wie das Gespräch über Julies Sexleben verlaufen sein musste. Das passte wirklich zu dieser Frau. Arme Emily. Das muss schrecklich peinlich gewesen sein. Aber sie hatte es wenigstens überstanden. Bis zur nächsten Runde. Einen Moment lang zuckte Adrian zusammen, als er etwas seinen Fuß streifen spürte, doch als er in Emilys Augen sah und wie sie ihn anblickte, begann er nicht nur zu begreifen, sondern auch sein Puls beschleunigte sich merklich. Mit leicht zittrigen Fingern stellte er seine Tasse weg, dabei sehr deutlich ihre Zehen spürend, wie sie seine Wade hoch glitten. Wie schaffte es diese Frau nur, ihn immer wieder so aus der Fassung zu bringen? Denn, dass er gerade mehr als nur überrascht war, konnte er nicht leugnen. Dennoch setzte er ein Lächeln auf und beugte sich etwas über den Tisch, um sich auf seinen Ellenbogen abzustützen, während er tief in diese dunklen Augen blickte. „Patrick hat mich über die erste Hälfte der Nacht gerettet, in dem er mir Gesellschaft geleistet hat und wir uns unterhalten konnten. Danach hat er mich allerdings kläglich in Stich gelassen, als er mit diesem blonden Schönling abzog.“ Adrian sagte das in einem Tonfall, der besagte, dass er absolut nicht böse auf seinen Freund war. Ganz im Gegenteil. „Danach war’s relativ ruhig.“, fügte er noch hinzu, konzentrierte sich aber schon jetzt mehr auf ihren Fuß als auf das Gespräch. Denn was sie konnte, konnte er auch. Während er also etwas weiter die Beine auseinander nahm, damit Emily genug Platz für ihre … Pläne hatte, wie auch immer sie aussahen, griff er langsam mit einer Hand unter den Tisch, um ihren Fuß am zarten Knöchel ihrer Fessel zu streicheln, was ihm unheimlich gut gefiel. „Ach tatsächlich? Patrick hat sich einen blonden Schönling aufgerissen?“ Emily hielt ihren Fuß, den Adrian unter dem Tisch streichelte, ganz ruhig, während der andere nun vorsichtig an der Innenseite seines Oberschenkels entlang strich, bevor sie ihn zwischen seinen Beinen auf dem Stuhl ablegte und mit ihrem Ballen leicht über den Reißverschluss seiner Jeans fuhr. Sie hatte keine Ahnung, wie intensiv Adrian diese Berührung spüren konnte. Aber das war auch nicht so wichtig. Solange es ihm nicht unangenehm war, würde Emily weiter machen. „Erzähl mir mehr. Wie groß? Wie alt? Gutaussehend und nix dahinter oder ein Glückstreffer? Hat Patrick allein in seinem Bett geschlafen?“ Wenn er jetzt sagte, dass er das alles nicht wusste, würde Emily unter Garantie mit den Augen rollen. Sie hatte noch nie verstanden, dass Männer bei ihren Freunden nicht neugieriger waren, was deren Begleitung anging. Hatte Emily überhaupt eine Ahnung, was sie da gerade im Begriff war, bei ihm auszulösen? Offensichtlich schon, sonst würde sie es wohl kaum darauf anlegen. Immerhin fiel es Adrian schwer, sich auf das Thema zu konzentrieren, während ihr anderer Fuß die Innenseite seiner Schenkel entlang nach oben fuhr. Dass sich kurz seine Augen ein Stück weiteten, als er ihren Fuß direkt auf seinem Schritt spüren konnte, war das einzige Zeichen, das er ihr im Augenblick gönnte. Immerhin war er doch positiv überrascht, welche versteckten Seiten er da gerade an seiner heißbegehrten Mitbewohnerin entdeckte. Zwar konnte er durch den dicken Stoff lange nicht so intensiv fühlen, wie es ohne gewesen wäre, aber bei Gott, das reichte auch schon aus, um auch noch seinen Herzschlag stark ansteigen zu lassen. Weswegen er ihren anderen Fuß auch auf sein Knie ablegte, um sich mit einer langsamen Fußmassage ihre Wade hinauf zu arbeiten. „Sehr groß…“, teilte er ihr mit einem zweideutigen Grinsen mit. „Zumindest größer als Patrick, vielleicht so groß wie ich. Blond mit interessanten grauen Augen. Drei Tagebart, braungebrannt und mit einem Körper, von dem sich sicher so einige Männer gerne ein Scheibchen abschneiden würden. Aber das Wichtigste ist wohl, dass er in Patricks Team mitspielt. Das konnte man wirklich nicht übersehen.“ Adrian rutschte etwas weiter seinen Stuhl hinunter, damit er Emilys Fuß deutlicher spüren konnte, was ihn nun tatsächlich schlucken ließ. „Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er mich gar nicht beachtet hat, obwohl ich gerade am Arbeiten war. Also ja, ich schätze Patrick musste heute wirklich nicht alleine schlafen. Wenn er überhaupt dazu gekommen ist.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter, während sein Blick intensiver wurde. „Und du? Hast du schon Pläne für heute Abend?“ „Nein, noch keinen wirklichen Pläne. Ich wollte Mona anrufen. Zum Quatschen.“ Irgendjemandem musste sie es bald erzählen, sonst würde sie vermutlich irgendwann platzen. Manchmal war es doch schwer kein Mann zu sein. Dann hätte sie sich wahrscheinlich einfach gefreut und alles schon in ihrem Inneren verschlossen, bis sie jemand tatsächlich danach fragte. Als Adrians Hand ein Stück weiter ihre Wade hinauf strich, überlegte Emily, wie viel sie Mona erzählen sollte. Sie würde gern die Meinung ihrer Schwester über alles hören, was ihr wegen Adrian durch den Kopf ging. Aber wahrscheinlich wäre es ihm nicht recht, wenn sie ihre große Schwester über seine Vergangenheit einweihte. Das verstand Emily durchaus und beschloss erstmal langsam anzufangen und Mona zu fragen, was sie von Adrians Job hielt. Und ob Emily sich total bescheuert verhielt, weil sie wegen der Frauen, die ihren Freund begafften, ein wenig eifersüchtig war. Unvermittelt hielt sie inne und sah Adrian einen Moment mit ausdruckslosem Gesicht an, bevor sie anfing zu strahlen wie ein Honigkuchenpferd. Sie hatte ihn in Gedanken gerade als ihren Freund bezeichnet. Sie nahm das Kraulen ihrer Fußspitze an seinem Schritt wieder auf und spielte glücklich grinsend an ihrer Serviette herum. Welchen interessanten Gedanken hatte sie denn da gerade verfolgt? Wie gerne er doch wissen würde, was sie dachte! Aber hatte er denn nicht den Mut dazu, einfach zu fragen? Wenn sie es ihm nicht sagen wollte, würde er es immer noch akzeptieren. Seine Hand glitt weiter ihr Bein hinauf, weswegen er sich etwas über den Tisch lehnen musste, um die Innenseite ihres Schenkels erreichen zu können. Wollte er noch weiter, müsste er sich auf sein Teller legen, aber bis es soweit war, begnügte er sich mit jeden einzelnen Zentimeter dieses sinnlichen Körperteils, während ihre Berührung ihm langsam Hitze aufsteigen ließ und zugleich begann ihm tatsächlich sein Herz in die Hose zu sacken. „Verrate mir einen interessanten Gedanken von dir und du bekommst auch einen von mir.“, sagte er mit halb gesenkter Stimme. Emily sah Adrian eine Weile an, während sie sich darum bemühte, die Massage mit ihrem Fuß ein wenig abzuwechseln. Mit ihrem großen Zeh fuhr sie am Reißverschluss der Jeans nach oben, um dann eine Spirale zur Mitte hin zu ziehen und anschließend mit ihrem Ballen wieder hoch und runter zu streichen. Am liebsten hätte sie Adrian sogar von hier aus die Hose geöffnet, um besser an ihn heran zu kommen, aber für dieses Kunststück würde sie noch eine Weile üben müssen. Es gefiel ihr, dass er sie nicht so gut erreichen konnte, wie sie ihn. Die Situation hielt ihn insoweit auf Abstand, dass sie ihm ein bisschen sinnlichere Aufmerksamkeit schenken konnte, als er ihr. Es mache Emily Spaß ihn ein wenig aus der Fassung zu bringen und sie würde das Spielchen so weit treiben, wie er sie ließ. Auch wenn ihr klar war, dass sie nicht so geschickt mit ihrem Fuß umgehen konnte, wie es mit ihren Hängen möglich gewesen wäre. „Einen interessanten Gedanken? Hmm…“ Wahrscheinlich wollte er auf das hinaus, was sie hatte derart erstrahlen lassen. „Es mag vielleicht albern klingen, aber ich habe mich gerade darüber gefreut, dass…“ Mitten im Satz hielt sie inne und auch die Massage in Adrians Schritt stoppte abrupt, als ihr der Gedanke kam, dass er es gar nicht so sah, wie sie. Es waren erst so wenige Tage. Aber Adrian musste doch klar sein, dass sie mit Richard Schluss gemacht hatte, um mit ihm zusammen zu sein. Ein wenig schüchtern, was gar nicht dem entsprach, was ihr Fußballen gerade wieder begann, sah sie auf ihre Finger, bevor sie wieder zu Adrian hochblickte. „Ich hab mich darüber gefreut, dass ich dich als meinen Freund betrachte.“ Es war die Wahrheit. Und wenn er ihr sagen wollte, dass er das anders sah, dann würde er das tun müssen. Vielleicht sah er es aber auch genauso wie sie und freute sich darüber, dass sie mit ihm zusammen sein wollte und sie als Paar sah. Als Emily ihren Gedanken mitteilte, vergaß Adrian sogar für einen Moment ihren Fuß in seinem Schritt, als er sich aufrichtete. Fast hätte er gefragt, ob sie das wirklich ernst meinte, aber er kannte die Antwort auch so. Wenn sie nicht mit ihm zusammen gewesen wäre und ihn als Freund ansehe, würde sie dann überhaupt wert darauf legen, ihn zu berühren? Um ganz ehrlich zu sein, auch wenn es Emily war, so würde es ihn doch irgendwie kränken, wenn sie das nur einfach so tun würde. Doch da sie nun bestätigte, was Adrian schon die ganze Zeit empfand, aber nie wagte wirklich laut auszusprechen, genoss er ihre Aufmerksamkeit umso mehr. Sanft nahm er wieder ihren Fuß zwischen seine Hände, lehnte sich aber nicht noch einmal nach vorne, weil ihn das sonst in einen ganz schön beengenden Notstand gebracht hätte. Immerhin ließ ihn dieser forsche Fuß ganz und gar nicht kalt. Trotzdem brachte er ein glückliches Lächeln zustande. „Ich bin froh, dass du mir das gesagt hast.“, gestand er leise. „Nicht, dass ich Zweifel an dem hatte, was wir haben, aber manchmal muss man es einfach hören. Vor allem, weil ich ohnehin schon die ganze Zeit über nur dich im Kopf habe.“ Leicht verlegen, rührte er im Rest seines Cappuccinos herum, während er immer wieder tiefer Atem holen musste, da er langsam wirklich hart wurde. Schließlich lächelte er sie wieder an. „Aber das ist nicht der Gedanke, den ich dir im Austausch für deinen geben wollte.“ Einen Moment lang überlegte er noch, ob er es wirklich aussprechen sollte, andererseits konnte Offenheit sicherlich nicht schaden. „Du solltest vielleicht wissen, dass deine … Berührungen für mich etwas ganz … Besonderes sind.“, begann er langsam und etwas zögerlich. „Seit ich… Seit ich sexuell aktiv bin, war es für mich nie das, was es jetzt ist.“ Er starrte auf die Tischplatte, während seine Finger Emilys Fußknöchel liebevoll streichelte. „Es hat mich emotional nie mitgerissen. Ich kann das leider nur schwer in Worte fassen, aber ich hoffe, du verstehst, was ich damit sagen will. Das auf der Couch, das war …“ Jetzt schweifte sein Blick an die Decke, als würde er dort die richtigen Worte finden, die er suchte. Da er sie nicht fand, sah er wieder Emily an. „…das war mein erster Orgasmus seit langem.“ Seit wie lange, musste er ihr zum Glück wohl nicht sagen. Es reichte schon das Gewicht dieser Information, weshalb Adrian hoffte, dass Emily jetzt nicht einfach mit dem aufhörte, was sie da im Begriff war, mit ihm zu tun. Emily stutzte einen Moment, als sie Adrians Worte hörte. Noch mehr Geheimnisse. Und ihr das zu eröffnen, war bestimmt so schwer gewesen wie alles andere zuvor. Immerhin war er ein Mann und daher war es bestimmt mit einer kleinen Folter gleichzusetzen, dass er seiner neuen Freundin erzählte, dass er schon seit geraumer Zeit Probleme hatte, zu kommen. Emily legte den Kopf etwas schief und sah ihn mit einer Mischung aus Überraschung und schemenhafter Neugier an. Bestimmt trat ein kleines Glitzern in ihre Augen, als ihr eine fixe Idee kam. „Ach ja?“ Ihr Lächeln wurde ein wenig anzüglich, als sie ihm zuerst das Bein entzog, das er weiterhin gestreichelt hatte. „Na, dann haben wir wohl Einiges aufzuholen.“ Emily hoffte, dass das nicht idiotisch klang, aber was sie vorhatte, würde Adrian wohl von ihrem letzten Satz ablenken. Sie zog auch ihren Fuß von seinem Schritt weg, was Adrian einen fragenden Blick entlockte und schob dann ihren Stuhl zurück. Sie glitt wortlos unter den Esstisch und ließ ihm gar keine Zeit zurückzuzucken, bevor sie mit beiden Händen seine Waden und Oberschenkel hinauffuhr. Der Knopf und der Reißverschluss waren schnell geöffnet, aber jetzt musste Emily auf Adrians Mitarbeit warten, um ihm die Jeans und auch seine Shorts vom Hintern ziehen zu können. Emily war eigentlich ganz froh, dass Adrian ihr Gesicht nicht sehen konnte, denn so sicher, wie es vielleicht wirken mochte, war sie auch wieder nicht. Er hätte sie sofort stoppen können, wenn er gewollt hätte und dann wäre es ihr vermutlich ziemlich peinlich gewesen, so auf ihn losgesprungen zu sein. Aber wenn er wirklich schon so lange darauf verzichtet hatte, dann würde er ihr keine großen Kräfte entgegen setzen. Emily ließ also ihre Hände unter den Bund seiner Jeans und auch seiner Short gleiten und schob sie auffordernd nach unten. Kapitel 28: 28. Kapitel ----------------------- Adrian machte große Augen, als er die Situation endlich zu begreifen begann. Dennoch war er wie erstarrt, als er plötzlich Hände auf seinen Schenkeln spürte. Zwar konnte er Emily nicht sehen, aber verdammt, es reichte auch schon das aus, was er von ihr fühlte! Sein Atem wurde schneller, als sie ihm den Knopf und den Reißverschluss seiner Hose öffnete. Natürlich konnte sie nicht übersehen, was da zum Vorschein kam, als er sich mit den Händen auf dem Stuhl abstützte, um sein Becken etwas anzuheben, damit sie ihm die Hose leichter runterziehen konnte. Eigentlich wäre anzunehmen, Adrian könnte in dieser Situation gar nicht mehr nervös sein, aber im Augenblick traf das durchaus zu. Nervös, aufgeregt, wieder mit diesem Flattern im Bauch, mit einem Herzen das ihm nicht nur bis zum Hals sondern auch bis tief in seine Erektion schlug und zittriger Atmung. Er war wirklich ein verdammt guter Ex-Stricher, was? Da er keine Ahnung hatte, was Emily als nächstes tun würde, klammerte er sich am Sitz seines Stuhls fest, schloss die Augen und versuchte seine Atmung zu beruhigen. Na, da hatte sie ihn doch schneller nackt zu Gesicht bekommen, als sie erwartet hätte. Zwar wieder nicht völlig nackt, aber das würde Emily irgendwann auch nachholen. Jetzt würde sie sich um das kümmern, was sie gerade mit Adrians Hilfe ausgepackt hatte. Vorsichtig fuhr sie mit ihren Fingern an der Außenseite seiner Oberschenkel entlang, bis sie seine Hände am Stuhl erreichte und sie streichelte. Sie sah sich sein Geschlecht einen kurzen Augenblick lang an und war wirklich überrascht von dem Anblick. Wenn Adrian wüsste, dass sein ungewöhnlicher Stil in Emily ein wenig das Spielkind heraus kitzelte, hätte er es sich vielleicht überlegt, sich doch ein paar Haare zuzulegen. Oder auch nicht, dachte sie grinsend. Er verkrampfte sich ziemlich, was sich hoffentlich bald ändern würde. Emily wollte ja, dass ihm das hier gefiel. Sie küsste sein Knie zuerst ganz vorn auf der Kniescheibe, um dann sacht auf die Innenseite seines Schenkels zu wandern. Ihre warme Zunge leckte ein wenig in kleinen Kreisen über seine Haut, während sie sich küssend immer weiter auf seine Mitte zuarbeitete. Allerdings ließ sie ihn noch ein bisschen warten, indem sie das gleiche Spielchen auf seinem anderen Oberschenkel begann und ihre Hände um seinen Po herum wandern ließ. Sie hielt kurz inne und bedeutete ihm mit leichtem Druck ihrer Hände ein Stück nach vorn zu rutschen. So konnte er sich besser zurücklehnen und Emily hatte mehr Freiraum für das, was sie zu tun gedachte. Ihre Hände beließ sie an seinem Hintern, wo sie ihn ein wenig mit Streicheleinheiten verwöhnte, während sie mit ihrer Zunge forsch an der Innenseite seiner Oberschenkel leckte, um auf dem Weg zur anderen Seite Küsse auf besonders empfindliche Stellen zu setzen. Mit der Zunge fuhr sie die weiche, empfindliche Haut entlang, um die sich die wenigsten Frauen kümmerten und ließ Adrians 'kleinen' Freund im Moment noch ein wenig allein stehen. Es dauerte etwas, bis Adrian sich wieder gefasst hatte, oder besser gesagt, bis er sich an die Situation angepasst hatte. Emilys Hände waren wirklich hilfreich und dass sie ihn auf so spielerische Weise verwöhnte. Denn wenn er eines gelernt hatte, dann das die meisten Frauen, die das hier bei ihm hatten tun wollen, meist ohne große Umschweife auf den Punkt gekommen waren. Nicht, dass ihnen das etwas genützt hätte. Immerhin hatte er Emily gerade gestanden, dass er Probleme mit dem ‚Kommen‘ hatte. Wobei die Betonung auf ‚hatte‘ lag. Denn bei ihr gab es wirklich keine Probleme bisher. Ganz im Gegenteil, sie schaffte es erstaunlich schnell bei ihm Lust und Erregung zu wecken. Was anderen Frauen nicht wirklich gelungen war. Da das hier eindeutig für Adrian war, konnte er es auch akzeptieren, hier den Passiven zu geben. Er musste ohnehin einmal lernen, richtig abzuschalten, wobei Emily ihm dabei eine große Hilfe war. Mit geschlossenen Augen und dem Kopf im Nacken genoss er immer mehr ihre Küsse, wie sie sich von seinem Knie ausgehend eine feuchte Spur über die Innenseite seines Oberschenkels zog. Die Stellen, die sie dabei mit ihren Lippen berührt hatte, prickelten angenehm auf der Haut und zugleich brachte es sein Herz dazu, noch mehr Blut in sein Geschlecht zu pumpen. Als Emily sich auch an seinem anderen Oberschenkel vor gearbeitet hatte, war er bereits nicht mehr verkrampft, sondern höchstens vor Erregung angespannt. Ihre Hände auf seinem nackten Po fühlten sich wunderbar an. Von ihm aus, könnte sie ihn ruhig ungefragt jederzeit dort anfassen. Bei ihr hatte er absolut nichts dagegen, wenn sie einmal diesem Drang nachgab. Daher war er auch nur zu bereitwillig dabei, als sie ihn unausgesprochen aufforderte, noch etwas den Stuhl entlang nach unten zu rutschen, was es ihm leichter machte, sich an den Sessel zu lehnen, während er zugleich seine Beine noch etwas weiter spreizte. Sein erster Seufzer entkam ihm, als Emilys Zunge heiß und rau über die sensible Haut seiner Hoden leckte. Wieder krallten sich seine Hände in das Holz unter ihm, doch dieses Mal vor Lust. Denn dass ihm das nicht nur ein heftiges Kribbeln im Bauch bescherte, sondern auch ein Zucken in seiner Erektion, war unter dieser Behandlung fast vorherzusehen gewesen. Emily widmete sich seiner zarten Stelle ausgiebig mit ihrer Zunge. Leckte, fuhr kleine Kreise und stupste, bis sie ihn nicht mehr länger warten lassen wollte. Sie konnte sehen, dass sich die Haut über seinen Hoden ein wenig zusammenzog, was sie als Zeichen sah, dass er sich durchaus wünschte, sie würde allmählich zur Sache kommen. Ihre Lippen küssten sich langsam ihren Weg nach oben, bis zu seiner Spitze, über die Emily dann auch einmal leckte, bevor sie ganz vorsichtig in Schlangenlinien eine feuchte Spur wieder zu seiner Wurzel hinunter beschrieb. Ohne ihre Hände würde sie so allerdings nicht genug ausrichten können, um Adrian weiter zu bringen. Also gab sie ihr Kraulen an seinem Hinterteil auf, strich um seinen Körper herum und ließ ihre Handflächen auf den Innenseiten seiner Oberschenkel ruhen. So konnten ihre Daumen an der Stelle weitermachen, die ihre Zunge vorhin hatte verlassen müssen, während Emily ihre Lippen um Adrians Erektion schloss und zunächst vorsichtig in ihrem Mund daran leckte, bevor sie anfing daran zu saugen. Sie ging langsam und bedächtig vor, um herauszufinden, was Adrian gefiel. Wenn er wirklich Probleme hatte, sich zum Orgasmus treiben zu lassen, würde sie stark auf ihn eingehen müssen. Aber das sollte sie nicht stören, immerhin hatte sie das hier angefangen, um ihm Vergnügen zu bereiten. Zunächst musste er sich ein wenig vorkommen wie ein Lolli, der dauernd Emilys Zunge zu spüren bekam, egal ob sie ihn in ihren Mund aufnahm oder nur um seine Spitze kleine Kreise zog. Sie änderte immer wieder die Intensität ihrer Berührungen und hörte genau auf die Laute, die sie Adrian entlockte. Emily versuchte das zu tun, was ihm besonders gefiel. Er sollte ihr gar nicht sagen müssen, was ihn anheizte, auch wenn er das durchaus tun konnte, wenn er das Bedürfnis dazu hatte. Immer wieder entspannten und verspannten sich seine Hände um das stabile Holz unter ihm, während Emily ihn auf eine Weise folterte, die jeden Mann in die Knie gezwungen hätte. Bei Adrian brachte sie auf jeden Fall seine Schenkel zum Zucken, während sein Atem zu beben begann. Was auch ein Grund dafür war, dass er nun durch den Mund atmete, denn er brauchte deutlich mehr Sauerstoff, als noch zuvor, um all seine Körperfunktionen aufrecht zu erhalten. Genussvoll biss er sich dabei immer wieder auf die Unterlippe, wenn sich etwas besonders gut anfühlte, da er ein Stöhnen zu unterdrücken versuchte. Doch als sich Emily schließlich hingebungsvoll um seine harte Erregung kümmerte, ließ er von seiner leicht geschwollenen Lippe ab und schnappte nach Luft. Ihre Zunge fühlte sich heiß, rau und feucht auf seiner zarten Haut an, während sie ihn wie ein Eis am Stiel leckte. Nun begannen auch noch seine Oberarmmuskeln vor Anspannung zu zittern, da er sich so fest an den Stuhl krallte. Der Drang, in ihr Haar zu fassen, war enorm, doch er hätte nicht sagen können, ob er ihr im Feuer der Lust dabei wehgetan hätte. Außerdem gab es Frauen, die das nicht mochten, da einige Männer dadurch ihre Bewegungen zu kontrollieren versuchten. Adrian war zwar nicht der Typ, aber das Holz war ihm als Puffer wesentlich lieber, als Emilys weiches Haar. Als sie schließlich auch noch zu saugen anfing, stöhnte er leise auf, während er gequält das Gesicht verzog und seinen Rücken etwas durchbog. Das fühlte sich so fantastisch an, dass er es gar nicht richtig beschreiben konnte. Aber auf jeden Fall durchlief dieses Gefühl ebenso seine Hoden, wie seinen Schaft bis es sich in seiner zuckenden Spitze sammelte. Wenn Adrian nicht wüsste, dass er absolut gesund war, hätte er spätestens jetzt von Emily verlangt, dass sie ihm ein Kondom überziehen sollte. Da er sich allerdings alle sechs Monate testen ließ und bisher das Ergebnis immer negativ ausgefallen war, überließ er diese Entscheidung ihr. Auf jeden Fall würde Adrian es nicht verhindern können, dass schon bald die ersten Lusttropfen zu Tage kamen. Er wollte sich auch gar nicht zurückhalten. Adrians Stöhnen schien direkt in Emilys Körper zu fahren und in ihrem Magen herum zu wirbeln. Es fühlte sich so an, als könnte sie seine Lust auch in ihrem Körper spüren, wie sie in ihrem Herz und ihrem Magen herum klopfte. Er bog den Rücken durch und rutschte etwas unruhig auf dem Stuhl herum, was Emily aber nur sagte, dass sie es richtig machte. Es tat ihr wirklich mehr als leid in dieser Situation zu unterbrechen, aber da sie von seiner Vergangenheit wusste, konnte sie nicht anders, als sich zu versichern. Sie ließ einen Augenblick von ihm ab und küsste entschuldigend seinen Oberschenkel, während sie ihn klar verständlich fragte, ob er sicher war, dass sie kein Kondom brauchten. Es hätte ihr die Luft abgeschnürt und noch einiges andere, wenn er jetzt damit heraus gekommen wäre, dass ihm irgendetwas fehlte. Es war wirklich ein dummer Moment mit Zweifeln zu kommen, aber anscheinend verstand er sie und versicherte ihr mit leicht brüchiger Stimme, dass er absolut in Ordnung war. Das war alles, was sie hören wollte. Sie küsste noch einmal seinen Bauch bevor sie ihre Finger etwas intensiver kraulen ließ und ihn wieder in ihren Mund nahm. Abermals begann sie an ihm zu saugen wie an einer Leckerei, die er für sie tatsächlich als Ganzes darstellte. Nach einer Weile spürte sie unter ihrer heißen Zunge, die immer wieder Schlangenlinien und Kreise um ihn zog, sich anschlich, um dann rau über ihn zu streichen, dass sich sein Vergnügen nun auch in Tröpfchen zeigte, die ihm entkamen. Emily schloss daraufhin eine ihrer Hände um seine Erregung, und fuhr mit ihrer Zungenspitze in Zickzack-Linien an der zarten Haut entlang, die sich von seiner Eichel zurückgezogen hatte. Sie ließ auch ihre Lippen über diese äußerst empfindliche Stelle wandern und zupfte sehr vorsichtig an ein paar Stellen, während sie mit ihrer Hand leicht massierende Bewegungen durchführte. Emily konnte sehen, wie Adrians Oberschenkelmuskeln und sein Bauch immer öfter zuckten, aber sie hörte mehr auf die Laute, die er von sich gab. Sie jagten ihr immer wieder wohlige Schauer über den Rücken und in ihre Magengrube. Sie liebte es, ihn so vor Lust erzittern zu spüren und auch zu hören. Inzwischen war es verdammt schwer, still zu halten, da er am liebsten auch irgendetwas berührt oder getan hätte, um sich abzulenken oder um von dem etwas abzugeben, was ihm Emily da zu Teil werden ließ. Er war es einfach nicht gewohnt, es einfach zuzulassen, ohne etwas dafür zu geben. Eigentlich hatte er sich schon lange nur ans Geben gewöhnt, so dass es ihm nicht leicht fiel, auch einmal zu nehmen. Allerdings ließ ihn Emily ohnehin keine andere Wahl, als sie auch noch die Hand zur Hilfe nahm, um ihn noch mehr zu reizen. Langsam aber sicher, wurde seine Atmung immer schneller und flacher. Seine Oberschenkel zitterten heftig, genauso wie seine Bauchmuskeln. Blut rauschte ihm in den Ohren, während er sich selbst ungeniert stöhnen hörte. Denn inzwischen war auch die letzte Hemmung gefallen. Der Stuhl knarrte protestierend, als er sich fester denn je daran festklammerte, da die Gefühle in seinen Lenden sich zu einem gewaltigen Ball zusammenzogen und kurz davor standen, durchzubrechen. „Emily…“, stöhnte er rau, während sein Kopf in den Nacken fiel. „Gleich...“, versuchte er sie keuchend zu warnen. Aber es war klar, dass er nur noch wenige Augenblicke durchhalten konnte, wenn sie ihn weiterhin so forderte. Emilys Herz schlug schneller, als sie seine Warnung hörte. Gerade hatte sie ihn tief in ihren Mund aufgenommen und saugte an ihm, während ihre Zunge um ihn spielte. Langsam ließ sie ihre Lippen bis zu seiner Spitze gleiten und folgte mit ihrer Hand, die ihn weiter mit schnellen, kräftigen Bewegungen massierte. Erst als er noch einmal aufstöhnte und sie deutlich ein Zittern spüren konnte, das sich durch seinen ganzen Körper zog, schloss sie die Augen. Sie hätte von ihm ablassen und mit ihrer Hand weiter machen können, aber das hätte Adrian eventuell aus dem Rhythmus gebracht. Wenn sie schon auf seine Schwierigkeiten Rücksicht nahm, dann würde sie das in diesem Falle bis zum Ende tun. Mit ihrer Zunge übte sie noch einmal mehr Druck auf ihn aus, während sie kleine Kreise zog und schnell an seiner empfindlichen Eichel saugte. Wenn es Fehlalarm gewesen sein sollte, würde sie so noch eine Weile durchhalten, auch wenn ihr inzwischen schon fast unangenehm heiß unter dem Tisch wurde. Als sie ihn so tief in den Mund gleiten ließ, schloss Adrian mit angehaltenem Atem die Augen, ehe er sich mit einem Ruck an der Tischkante festkrallte, woraufhin das Geschirr darauf klirrte, was er aber keinen Moment lang beachtete. Emily tat gut daran, sich mit ihrem Mund wieder etwas zurückzuziehen, da Adrian sich kaum noch beherrschen konnte. Ungewollt zuckte seine Hüfte leicht nach vor, als wolle sie in die heißfeuchte Mundhöhle von Emily stoßen, während seine Nerven zum Zerreißen gespannt waren. Er fühlte es bereits kommen, noch ehe es vollkommen da war. Sein Körper bebte zwar schon eine Weile, doch nun begann seine pulsierende Erektion heftig zu zucken. Der knisternde Ball purer Ekstase brach sich seinen Weg an die Oberfläche, gerade als Adrian die Spitze seiner beschleunigten Atmung erreichte und dabei Emilys Namen stöhnte, bis es ihm schier die Luft raubte. Die erste Welle seines Orgasmus überschwemmte ihn so heftig wie einen Felsen in der Brandung. Wieder klirrte der Tisch mit dem Zittern seines Körpers, während er von Lust gepeinigt das Gesicht verzog und sich nicht dagegen sperrte, wie er sich in Emilys Mund ergoss. Wieder war da das kleine Feuerwerk hinter seinen geschlossenen Augenlidern, das sich wie kleine bunte Explosionen seinen Gefühlen anzugleichen schien. Emily half ihm dabei mit rhythmischen Bewegungen die nächsten abebbenden Wellen zu reiten, bis er ermattet und heftig keuchend im Sessel zusammensank und mit einem Mal alle Spannung aus ihm wich. Erst jetzt fiel ihm der Schweißtropfen auf, der ihm die Schläfe entlang glitt und auch seine Stirnfransen klebten ihm feucht auf der Haut. Seine Muskeln zuckten noch immer, von der nachlassenden Anspannung, während sich in seinem Körper pure Seligkeit ausbreitete. Ziemlich schnell entließ sie ihn aus ihrem Mund, um nach der Serviette auf ihrer Tischseite greifen zu können. Alles schön und gut, aber Schlucken war nicht ihr Ding. Nachdem sie sich unauffällig seines Ergusses entledigt hatte, streichelte Emily Adrian seitlich über die Oberschenkel, küsste seinen Bauchnabel und kam schließlich endlich unter dem Tisch hervor. Vorsichtig, um den Tisch nicht noch weiter ins Schwanken zu bringen, setzte sie sich auf Adrians Schoß und küsste seine Nasenspitze. Ein paar Schweißperlen standen ihm auf der Stirn und Emily schmiegte sich an seinen Oberkörper, ohne ihn allerdings mit den Armen zu umschlingen. Sie wollte nur bei ihm sein, heiß genug war ihnen beiden, auch ohne sich in den Armen zu liegen. Sie konnte sein Herz schlagen spüren und wie er immer wieder zwischen den tiefen Atemzügen schluckte. Am liebsten hätte sie ihm einen langen Kuss gegeben, aber das hätte ihn wahrscheinlich in diesem Moment ein wenig überfordert. Er musste erstmal wieder runter kommen, bis er aufnahmefähig für solcherlei Dinge wurde. Also lächelte Emily nur vor sich hin, während sie seine Hand nahm und mit ihrem Daumen über seinen Handrücken streichelte. Als sich seine Atmung wieder beruhigt hatte, sah siey Adrian ins Gesicht und streichelte von der Schläfe aus über seine Wange. Immer noch sah er ziemlich erhitzt aus und seine Wangen waren gerötet. Aber das stand ihm eigentlich recht gut. Emily strich ihm noch eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor sie sich anschickte aufzustehen. Er brauchte eine Weile, bis er zumindest wieder so weit gefasst war, dass es nicht in seinen Ohren klingelte. Während Emily auf seinem Schoß saß und sich an ihn schmiegte, legte er seine zitternden Hände auf ihre Hüften und versuchte seine Atmung langsam aber sicher wieder zu beruhigen. In seinen Blick lag noch immer ein Nachhall der Lust, die sie ihm bereitet hatte. Manche würden auch einfach nur sagen, man sah ihm an, dass er gerade Sex gehabt hatte, wenn auch nur eine Form davon. Natürlich saß er hier mit herunter gelassenen Hosen, was nicht zu übersehen war, aber damit meinte er nicht sein Aussehen, sondern die Botschaft, die seine Ausstrahlung aussandte. Als Emily seine Hand ergriff und sanft streichelte, erwiderte er diese Berührung, bis er wieder ganz da war und ihr mit einem sanften Lächeln im Gesicht in die Augen blickte, während sie ihn streichelte. Mit einem Mal wollte sie aufstehen, doch das verhinderte er, in dem er einen Arm um ihre Taille legte und sie auf sich fest hielt. Mit der anderen streichelte er ihren Nacken, ehe er sie daran herunter zog, um sie küssen zu können. Es war ein sanfter Kuss, dankend, liebevoll, zärtlich und ganz und gar kostbar wie jeder andere Kuss, den sie ihm gewährte. Adrian war nach ihrer wunderbaren Antwort versucht, ihr zu sagen, dass er wirklich keine Probleme mit seiner Erregung hatte, wenn es mit ihr war. Doch er behielt diesen Gedanken für sich, damit ihr diese Erkenntnis selbst kam, wenn der richtige Zeitpunkt dafür gekommen war. Der Kuss endete schließlich, als er sich zurückzog und sie endlich aufstehen ließ, da ihm von der Hüfte abwärts merklich kühl wurde. Es war ein seltsam peinlich berührter Moment, als er unterm Tisch seine Hose und die Shorts hervor fischte und sie sich wieder anzog. Da konnte er noch so oft die ganze Nacht lang strippen, das hier würde immer etwas vollkommen anderes sein, denn hier bedeutete es ihm etwas. Doch schließlich war seine Kleidung wieder geordnet und er konnte seinen kalt gewordenen Cappuccino austrinken und das halbe Marmeladebrötchen aufessen. Irgendwie bekam er dabei das Strahlen nicht aus seinem Gesicht. Obwohl er auch ein schlechtes Gewissen hatte, dass Emily dabei so kurz gekommen war. Doch er nahm sich in Gedanken fest vor, dass er sich dafür auf jeden Fall revanchieren würde. Emily hatte das starke Bedürfnis, Adrian durch die Haare zu wuscheln, als der so zufrieden sein Frühstück beendete, dass es einfach nur Spaß machte, ihm dabei zuzusehen. Den Tisch räumten sie nur sporadisch ab und ließen das dreckige Geschirr neben der Spüle stehen, um zumindest noch ins Museum zu kommen, bevor die ersten Sammlungen geschlossen wurden. Da heute der erste Tag war, an dem der Sarkophag gezeigt wurde, konnten sie bestimmt damit rechnen ihn sehen zu können, bis das Museum um sechs seine Pforten schloss. Kapitel 29: 29. Kapitel ----------------------- Für Emily war es ein wenig seltsam, auf dem Besucherparkplatz vor dem großen Haupteingang zu parken und nicht wie gewöhnlich hinter dem Gebäude, wo sich die Büros und das Archiv anschlossen. Sie stiegen aus dem Mini, Emily schloss ab und blieb kurz neben Adrian stehen, der anscheinend den Eindruck des riesigen Gebäudes in sich aufnahm. Sie waren noch nicht lange in diesem Koloss aus Glas und Beton untergebracht und so wie sie Adrians Leben einschätzte, war er wohl nicht so oft ins Museum gegangen. Um das allein zu tun, musste man sich schon sehr für einzelne Ausstellungen interessieren. Als sie auf das Gebäude zugingen, knirschte der Kies unter ihren Schuhen und die Vögel zwitscherten schon fast aufdringlich in den Bäumen, die den Eingangsbereich mit der breiten Treppe säumten. Aber hier herrschte zumindest ein wenig Schatten und auf den Bänken zwischen den Eichen und auf einem kleinen Rasenstück saßen ein paar Pärchen oder Familien mit Kindern, die im Faltplan des Museums nach dem richtigen Weg suchten. Im Eingangsbereich vor den Kassen war es bereits so kühl, wie im restlichen Gebäude, dessen Luft durch eine Klimaanlage umgewälzt wurde. Es war wirklich viel los für einen so sonnigen Samstagnachmittag. Emily griff Adrians Hand und ging mit ihm zu einer der unbesetzten Kassen, neben der ein Museumswärter in dunkelblauer Weste stand, der sie sofort erkannte. „Miss Grayson, wie geht’s? Was machen Sie denn hier an Ihrem freien Tag?“ „Mir geht’s gut Stan, danke. Und selbst?“ Sie bekam ein Nicken und ein wissendes Lächeln von dem ältlichen Wärter, als sein Blick auf die verschränkten Finger von Emily und ihrem Begleiter fiel. „Wie ich sehe, wollen Sie ihr Baby besuchen. Na, dann kommen Sie mal durch.“ Er zog einen Schlüssel, an einer silbern glitzernden Kette aus seiner Hosentasche und schloss die Schranke auf, die man normalerweise mit einem Ticket entriegeln musste. Emily hatte das System noch nie gefallen. Es erinnerte sie mehr an eine U-Bahn-Station als an ein Museum. Natürlich wurde so verhindert, dass irgendjemand in die Ausstellungsräume kam, ohne eine Karte gekauft zu haben, aber es brach doch sehr mit dem Stil, den sich Emily für ein Museum vorstellte. Wieder dachte sie an das schöne Haus in Norwegen, das so viel mehr nach der Art von Museum ausgesehen hatte, das Emily so liebte. „Vielen Dank, Stan.“ Der Wärter sah ihnen mit einem Lächeln hinterher, als Emily mit Adrian auf die Antikensammlung zusteuerte und setzte sich anschließend auf einen kleinen Hocker neben der Tür zur Steinzeitsammlung und blätterte in der Wochenendeausgabe der Tageszeitung. Vor dem Durchgang zur Ägyptensammlung hielt Emily kurz an, um Adrian auf das Relief über der Tür hinzuweisen, auf der verschiedene Gottheiten zu sehen waren. Ihre Begeisterung war aber erst der Anfang. Sie erzählte ihm alles Mögliche über die kleinen Stücke der Sammlung, zeigte ihm Tafeln, die normalerweise niemand las, auf denen aber zusätzliche Abbildungen zu sehen waren und nach einer Weile standen sie vor dem mit roten Samtband abgesperrten Sarkophag, der unter einem Glaskasten eingeschlossen war. Emily sah ihn sich fast ehrfürchtig an, weil er hier so präsentiert wirklich noch schöner aussah, als auf dem Tisch in ihrem Labor. Ein zufriedenes Lächeln spielte um ihre Lippen, als sie sich vorbeugte, um sich den Blattgoldfläche an der Wange, die besonders schwierig wieder herzustellen gewesen war, genau anzusehen. Kaum, dass sie hinter den Schranken waren, bekam Adrian große, wenn nicht sogar riesige Augen. Es gab so viel zu sehen, dass er gar nicht wusste, wo er als Erstes hinschauen sollte. Auch hierbei war ihm seine Freundin eine große Hilfe. Sie zeigte ihm ein Relief über der Tür zur ägyptischen Ausstellung. Ohne das er fragen musste, erklärte sie ihm, wie die verschiedenen Gottheiten hießen und wofür sie einst zuständig gewesen waren. Adrian hatte schon immer der Gott Anubis fasziniert und dazu die Göttin Bastet. Aber auch Horus fand er aufregend. Was vermutlich auch an den Tierköpfen lag. Im weiteren Verlauf ihrer Führung, verwandelte er sich ganz und gar in einen aufmerksamen Zuhörer, stellte immer wieder interessierte Fragen und gab erst Ruhe, wenn Emily sie ihm bis ins kleinste Detail beantwortet hatte. Zusätzlich wies sie auch auf Dinge hin, die ihm gar nicht in den Sinn gekommen wären, bis er schließlich so erfüllt mit neuen Informationen war, dass er sich schon regelrecht in dieses Zeitalter hineinversetzt fühlte. Die authentische Umgebung trug wohl auch einen Großteil dazu bei. Schließlich erreichten sie einen Bereich, der mit Samtbändern abgesperrt war. Dahinter stand ein Glaskasten mit einem Sarkophag. Emilys Baby – so hatte der Wächter ihn doch genannt. Da Emily nichts sagte, als sie näher traten, nahm er sich von selbst die Zeit, um ihn sich sehr genau anzusehen. Man sah ihm an, dass er alt war, doch Emily hatte ihm wieder den Glanz und die Erhabenheit von Früher zurückgegeben. So wie er jetzt aussah, konnte man sich kaum vorstellen, wie er vorher ausgesehen haben musste. Die wunderschönen Verzierungen und Symbole an den Seiten betrachtete sich Adrian in der Hocke, ehe er sich wieder aufrichtete, um an die Stirnseite des Sarkophags zu gehen. Das Gesicht schien aus purem Gold zu bestehen und auch der Rest davon war immer wieder mit Blattgold veredelt worden. „Wow.“, entkam es ihm schließlich fasziniert nach minutenlanger Stille, als er wieder Emilys Hand ergriff und sich dicht neben sie stellte. „Ich hätte nicht gedacht, dass er so prachtvoll sein würde. Wie schlimm war der Zustand, bevor du an ihm zu arbeiten begonnen hast?“ Adrian wollte wirklich alles wissen. Wie Emily arbeitete, wieviele Stunden sie damit verbrachte, einzelne Passagen wieder herzustellen. Welche Verfahrensmethoden es gab, um alte Teile zu erhalten und wie man unrettbare Dinge neu ersetzte. Seine Neugier schien unersättlich zu sein. Emily strich sich ihre Haare hinters Ohr, die sie heute für Adrian offen gelassen hatte und richtete sich wieder auf, als er um den Glaskasten herum zu ihr zurückkam. Sie hätte nie gedacht, dass sie mit ihm einmal Händchen haltend vor diesem Sarkophag stehen würde. Glücklich lächelte sie in sich hinein und fing an Adrian seine Fragen zu beantworten. Dass der erdene Sarkophag in gar keinem allzu schlechten Zustand gewesen war. Es war lediglich die Farbe und das Gold abgeblättert gewesen und das Relief hatte unter dem Schmutz und Staub gelitten, dem das Kunstwerk ausgeliefert gewesen war. Außerdem hatten sich beim Transport Risse im Deckel gebildet, die als erstes wieder behoben werden mussten, um eine Grundstabilität herzustellen. „Die Schwierigkeit ist eigentlich, dass man die Materialien, mit denen man arbeitet so authentisch wie möglich halten will. Ich habe mit Farben gearbeitet, die aus den gleichen Bestandteilen zusammengesetzt sind, wie die Originalfarben, die beim ersten Bemalen des Sarkophags verwendet wurden. Das war eine Menge Aufwand.“ Aber es hatte sich auf jeden Fall gelohnt, denn nun erstrahlten die blauen Bänder des Kopfschmuckes in einem leuchtenden Blau, das mit dem Gold des Gesichts durchaus konkurrieren konnte. „Beim Auftragen des Blattgolds muss man nur darauf achten, nicht zu stark zu atmen, weil einem sonst ein ganz schöner Wert in die Lungenflügel geraten kann.“ Sie grinste zu Adrian hoch, erzählte ihm aber dann doch, dass sie deshalb einen Mundschutz tragen musste. Nach dieser Tour, von der sich Adrian mit Informationen bestimmt erschlagen fühlte, schlug sie vor, im Park hinter dem Museum noch ein wenig auszuruhen. „Wir können uns einen Kaffee im Restaurant holen.“ Außerdem wollte sie noch schnell im Shop vorbei einen Flyer für Mona besorgen. Die meisten Bücher über Ägypten hatten ein Werbelesezeichen oder eine Karte, auf der man den Preis, die Seitenzahl und den Klappentext ablesen konnte. Adrian stimmte Emilys Vorschlag zu. Sein Kopf schwirrte etwas von den vielen Dingen, die er sich natürlich auch merken wollte. Aber bestimmt, vergaß er wieder einen Großteil davon. Doch speziell die Dinge, die Emily betrafen, würde er sicherlich nicht vergessen. Bevor sie ins Restaurant gingen, um sich einen Kaffee zum Mitnehmen zu holen, schauten sie noch im Museumsshop vorbei, wo es wieder unglaubliche Dinge zu sehen gab. Kein Wunder, dass einige Kinder bei solch großer Auswahl manchmal verrückt wurden, wenn man schon als Erwachsener zu tun hatte, sein Kaufverhalten auf Vernunft und nicht auf Lust und Laune auszurichten. Dennoch konnte Adrian nicht widerstehen und kaufte sich ein schwarzes Lederband mit einem kleinen silbernen Ank als Anhänger. Das würde ihn immer an diesen Besuch erinnern, außerdem mochte er dieses Symbol. Nachdem auch Emily gefunden hatte, was sie suchte, holten sie sich den Kaffee und Adrian wollte unbedingt auch ein Stück Erdbeerkuchen dazu haben, da er bis morgen früh nichts mehr essen würde. In der Sonne war es draußen ganz schön warm, weshalb sie sich ein ruhiges Schattenplätzchen in der weichen Wiese unter einem Baum suchten. Der Park war wirklich schön angelegt worden, mit Kieswegen, schönen Holzbänken, Wasserspendern, einem kleinen Springbrunnen und immer wieder bunten Blumen und Sträuchern. Die Natur war auch ein Grund, wieso Adrian fast jeden Tag joggen ging, weil er sonst nie in den Genuss von Pflanzen und Bäumen kam. So aber, lief er immer in einem Park seine Runden, um sich auch etwas fürs Auge zu gönnen. Als der Wind mit Emilys offenem Haar spielte, musste er lächeln, während er dem Drang nachgab, seine Hand auszustrecken, um ihr darüber zu streichen. Überhaupt liebte er es, sie einfach nur so anzufassen. Während des ganzen Museumsaufenthaltes hatte er entweder ihre Hand gehalten, oder ihr beiläufig über den Rücken gestrichen. Irgendwie hatte er sie immer berührt, auch wenn er das meistens gar nicht bewusst getan hatte. Es schien so, als müsse er so viele Berührungen nachholen, die er im Laufe seines Lebens versäumt hatte. Während sie so nebeneinander saßen und die frische Luft genossen, nippte Adrian ab und zu an seinem Kaffee, bis er die Kette aus der kleinen Papiertüte zog und sie sich um legte. So schnell würde er sie nicht mehr abnehmen, da sie ihn mit stiller Freude erfüllte. Er teilte auch seinen Kuchen mit Emily, wobei er keinen Protest duldete, immerhin gab es ihm ein wohliges Gefühl seine Dinge mit ihr zu teilen. Natürlich kam er auch nicht darum herum, ihr schließlich einfach ein Stück Kuchen zwischen die Lippen zu schieben und sie dabei vollkommen zufrieden anzulächeln. Mit dem Zeigefinger berührte Emily den Anhänger, den sich Adrian im Museumsshop gekauft hatte. „Das steht dir.“, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen und nippte dann wieder an ihrem Kaffee. Für die letzten Schlucke nahm sie den Plastikdeckeln von dem Pappbecher, damit sie den Milchschaum ebenfalls genießen konnte und stellten dann den leeren Becher neben sich auf den Rasen. Sie strahlte schon eine Weile und konnte gar nicht genau sagen, woran es genau lag. Sie hatte Adrians kleine Berührungen genossen und hatte sogar sehr schmunzeln müssen, als er ihr immer wieder übers Haar gestrichen hatte. Jedes Mal, wenn sie in seine eisblauen Augen sah, schien sich ihr Herz auszudehnen und in jubelnden Sprüngen ihren gesamten Körper zu erfüllen. Und was sie besonders freute, war die Tatsache, dass Adrian glücklich aussah. Er war gelöster, als sie ihn je erlebt hatte. Sie scherzten miteinander und mussten gar nicht verliebt tun, weil es sich einfach so ergab. Emilys Herz hüpfte wieder, als sie gerade davor war, in Adrians Blick zu versinken. Sie war in ihn verliebt. Es war nicht nur ein kleines Verknallt sein, sondern schon mehr, als sie lange für einen Mann nach so kurzer Zeit empfunden hatte. Sie streichelte seine Wange und lehnte sich dann vor, um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu hauchen. Als sie sich wieder von ihm löste, sah sie ihn mit verliebten Augen an und lehnte sich dann an ihn und sah den Leuten zu, die an diesem schönen Tag im Park spazieren gingen. Irgendetwas brachte sie auf einmal dazu, sich ein wenig umzudrehen und zu den Büschen ein ganzes Stück neben ihnen zu sehen. Außer, dass sich ein paar Äste bewegten, konnte sie aber nichts erkennen und tat das seltsame Gefühl mit einem winzigen Kopfschütteln ab. „Adrian… Was hältst du davon, dass wir am Montag zusammen essen gehen? Ich finde deine Kochkünste großartig, aber irgendwie hätte ich Lust auszugehen. Wir könnten nur ins Pan gehen, oder so. Kennst du das? Die haben richtig gutes Essen und die Atmosphäre ist wirklich schön. Danach könnten wir ins Kino.“ Zufrieden saß er mit Emily im Arm da, während sie sich an ihn lehnte. Die Welt schien auf einmal viel sonniger und voller Schönheit zu sein. Es war seltsam. Da er sich doch noch recht gut an Zeiten erinnern konnte, wo die Welt zu seiner persönlichen Hölle geworden war. Dort, wo jetzt lachende Kinder spielten, waren in seiner Erinnerungen abgerissene Kids, mit Augen, die vom Elend uralt geworden waren. Hinter gepflegtem Rasen lauerten harter Asphalt, stinkende Mülltonnen, benutzte Spritzen, massenhaft Kippen, steinhart gewordene Kaugummis, weggeworfene Kondome, tote Ratten und manchmal auch Menschen. Der Gestank von Urin und Verwesung lag so schwer in der Luft, dass es einem Vorkam als würde man bei jedem Atemzug verseucht werden. Wie lieblich war da der Duft von den Blumen, das frische Gras, Harz von den Bäumen, Kaffee und Kuchen, Emilys Körper. Mehr als zufrieden mit der Welt lehnte Adrian seinen Kopf an den von Emily um noch intensiver ihren Geruch in sich aufsaugen zu können. Die rauen Ecken und Kanten seiner Vergangenheit wurden durch Rundungen und Weichheit abgelöst. All das konnte er in seinen Armen finden und noch viel mehr. Emily war sein persönlicher Himmel geworden. „Wenn es dir nicht zu spät wird, würde ich gerne mit dir Essen gehen.“, beantwortete er ihr fast schon flüsternd, weil er diesen Moment der Ruhe nicht zerstören wollte. „Kino klingt toll. Ich war schon seit…“ Er überlegte kurz. „Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht mehr, wann ich das letzte Mal gewesen bin. Ich glaube, das war noch vor der Amtszeit des jetzigen Präsidenten.“ Was wirklich lange her sein musste. *** So gerne er auch mit Emily im Park saß, schließlich kam doch der Zeitpunkt, an dem sie nach Hause mussten. Adrian wollte nur ganz kurz bei Mrs. Jenkins vorbei schauen, um zu sehen, ob sie mit dem Essen selbst klar kam, danach wollte er noch duschen und sich umziehen. Ehe er sich leider von Emily loseisen und zur Arbeit gehen musste. Heute nervte es ihn wirklich gewaltig, dass er den Abend nicht mit ihr verbringen konnte. Doch er schluckte seinen Ärger vorerst hinunter, um ihm dann beim Tanzen Platz zu machen. Emily brauchte seinen Unmut nicht zu spüren, immerhin war es sein Problem, dass er am Wochenende nie frei hatte. Allerdings könnte er sich schon einmal überlegen, ob er nicht ein paar Zusatzschichten machte, um wenigstens am nächsten Wochenende frei zu kriegen. Wenn sein Boss ihm wohlgesonnen war, würde das hoffentlich klappen, aber hundertprozentig sicher war es nicht. Eigentlich wollte sie ihn absolut nicht gehen lassen. Aber es war nun mal so, dass er am Wochenende arbeiten ging und frei hatte, wenn sie im Museum war. Daran ließ sich nichts rütteln und irgendwie würden sie damit schon klar kommen. Allerdings wäre sie gerade jetzt gern jede Minute des Tages mit Adrian zusammen gewesen. Ihr Abschiedskuss sagte ihm bestimmt, wie sehr sie es hasste, ihn gehen zu sehen und sich schon jetzt darauf freute, dass er später nach Hause kam. Sie würde wieder im Bett auf ihn warten. Nachdem Adrian gegangen war, nahm Emily ihr Handy vom Ladegerät und machte es sich mit einer Kanne Tee auf dem Sofa gemütlich. Sie tippte Monas Nummer ein, die auch nach dem dritten Läuten ran ging. Zuerst fragte Mona nach der Buchempfehlung, die Emily ihr geben sollte. „Ich war heute mit Adrian im Museum und hab eine Karte für dich mitgebracht. Das Buch kenne ich. Es ist recht informativ und hat auch noch richtig schöne Bilder im Großformat. Ich kann dir einfach die Karte schicken oder willst du nur den Titel?“ Emily diktierte Mona den Autor, Titel und die ISBN-Nummer, damit sie das Buch bestellen oder irgendwo besorgen konnte. Danach unterhielten sie sich über Gregs Besuch und wie lustig der Karaokeabend doch gewesen war. Mona gab Emily eine Traumvorlage, indem sie darauf hinwies, wie wenig sie und Mario vom Adrian und Emilys letztem Duett mitbekommen hatten. „Aber ich hab gesehen, dass ihr echt süß zusammen wart. Verdammt schade, dass er…“ „Ist er nicht.“ Schweigen in der Leitung, die wegen der Handyverbindung leise knisterte. „Was?“ Emily erzählte mit einem riesigen Grinsen auf dem Gesicht, was passiert war. Dass sie Adrian geküsst hatte, dass er ihr gestanden hatte, er sei nicht schwul und dass sie nun zusammen waren. Seine Lebensgeschichte ließ sie aus und auch das Problemchen, das er ihr heute gestanden hatte. Aber über etwas, das sie doch beschäftigte, wollte sie mit ihrer Schwester sprechen. „Naja… ich wusste ja, dass er diesen Job macht. Und ich weiß, dass es nur tanzen ist… Aber Mona, ich war da und hab ihn einmal gesehen. Diese Weiber hätten ihm am liebsten die Haut vom Leib gerissen, um noch mehr Nacktheit zu sehen.“ „Ich kann gut verstehen, dass dich das ein bisschen stört.“ Emily seufzte leise und überlegte, wie sie es noch besser ausdrücken konnte. „Eigentlich sollte es mich nicht stören. Er tut ja nichts…“ Sie wedelte, nach Worten suchend, in der Luft herum. „Er tanzt für sie. Aber sie dürfen ihn anfassen. Und ich weiß nicht, ob er sich ganz auszieht und das würde mich einfach wahnsinnig machen.“ „Em… kannst du ihm das nicht sagen?“ „Nein.“ Ihre Stimme war leise geworden. „Nein, das Tanzen ist seine große Leidenschaft. Mehr als das. Und er hat mir schon mal gesagt, dass er es nicht aufgeben wird, weil es ein ganz normaler, legaler Job ist.“ Sie konnte sich erinnern, wie aufbrausend sie seine Reaktion empfunden hatte. Er würde nichtmal verstehen, dass es ihr etwas ausmachte. „Wahrscheinlich mache ich mir viel zu viele Gedanken.“ „Habt ihr denn…?“ Der Zusammenhang erschloss sich Emily überhaupt nicht, weswegen sie zuerst nicht reagierte. Dann wurde sie ein wenig rot, als sie an die kleine Aktion am Morgen dachte. „Was hat das damit zu tun?“ „Also habt ihr.“ „Nein, haben wir nicht. Aber mal ehrlich, was hat denn meine kindische Eifersucht damit zu tun, ob wir Sex hatten?“ „Naja… Ich weiß auch nicht. Aber wenn er Sex mit dir hätte, müsstest du dir vielleicht weniger Gedanken darüber machen, dass er es mit jemand anderem tut.“ „Ich glaube ja gar nicht, dass er es mit jemand Anderem tut…“ Oder glaubte sie das? Emily musste hart schlucken, als sie in ihr Inneres horchte, um heraus zu finden, ob sie Adrian nicht vertraute. Ob es möglich war, dass sie ihn sich mit einer seiner Kundinnen vorstellen konnte, wie er auf der Toilette oder in einem Hinterzimmer des Shadow billigen Sex mit ihr hatte. Nicht, um bezahlt zu werden, sondern einfach nur, weil er es wollte. Einen kurzen Moment stieg Panik in ihr auf, die sich aber wieder legte, sobald ihr einfiel, was Adrian ihr alles gestanden hatte. „Nein, ganz ehrlich, ich vertraue ihm. Er würde mich nicht betrügen. Es geht einfach nur darum, dass er angegafft wird und ihn andere Frauen als Lustobjekt sehen und ihn angrapschen dürfen, wie es ihnen gefällt.“ „Daran wirst du aber nichts ändern können.“ In resignierendem Tonfall antwortete Emily kleinlaut. „Ich weiß. Ich wollte es dir auch einfach nur erzählen, weil ich sonst irgendwann geplatzt wäre, wenn ich es nicht von der Seele bekommen hätte.“ „Hör’ zu, Schwesterchen. Nimm dir doch die Sache nicht gleich so zu Herzen. Ihr seid zusammen und ich bin mir sicher, dass du Recht damit hast, dass Adrian dich nicht hintergehen würde. Solange er nicht davon erzählt, welche heißen Frauen ihn angefasst haben, musst du dir sicher keinen Sorgen machen.“ Das beruhigte Emily nur ansatzweise, aber sie würde schon irgendwie damit klarkommen. Nachdem sie aufgelegt hatte, kam Emily allerdings nicht gleich zur Ruhe. Deshalb sah sie sich noch einen Film im Spätprogramm an, bis sie gegen ein Uhr nachts in Adrians Bett ging. Auch Sonntag war schön gewesen. Sie hatten die kleine Ausschweifung vom Samstag nicht wiederholt und auch sonst nichts dergleichen, sondern waren in sportliche Aktivität ausgebrochen, indem sie früh aufgestanden und einen Ausflug in die Kletterhalle gemacht hatten. Emily hatte diesen Sport noch nie vorher ausprobiert, genauso wenig wie Adrian, aber es machte ihr verdammt viel Spaß die Wände mit den Handgriffen hochzukrabbeln und sich am Ende am Seil wieder hinunter zu lassen. Allerdings konnte sie einmal mehr überhaupt nicht verstehen, wie Adrian auch noch die ganze Nacht durchtanzen wollte. Sie selbst lag schon gegen zehn völlig fertig in ihrem Bett. Und als sie den Wecker einstellte, war ihr schon klar, dass sie in der Früh auf keinen Fall würden aufstehen wollen. Aber sie freute sich schon wahnsinnig darauf am Abend mit Adrian ins ‚Pan’ zu gehen. Sie hatte sogar ihr rotes Shirt mit den Engelsflügeln in ihre Handtasche gepackt, damit sie sich noch in der Arbeit umziehen konnte, bevor sie sich direkt in der kleinen Bar mit Adrian traf. *** Wie dankbar er doch war, dass er nach der Hauptbühne für einen der Käfige eingeteilt worden war. Nach der total lustigen Kletteraktion am heutigen Tage, war er wirklich leicht erschöpft und emotional nicht konzentriert genug, um seine Schilde immer aufrecht zu erhalten. Weswegen es ihn teilweise gestört hätte, wenn man ihn zu oft anfassen würde. Denn auch wenn er seinen Job wirklich mochte, so war er nicht immer in der Lage, das Gegrabsche zu ertragen. Immerhin fühlte er sich zu Emily gehörig und dazu gehörte nicht nur sein Herz und seine Seele, sondern auch sein Körper. Besonders im VIP-Bereich musste er sich immer sehr in sich zurückziehen, während er die Gäste bediente. Denn dort war es fast Gang und Gebe, dass man engen Körperkontakt hielt. Wie es seine Kolleginnen aushielten, ihre Brüste direkt am Gesicht von fremden Männern zu reiben, verstand er nicht. Weswegen er schließlich auch in einer seiner Fünfzehnminutenpausen Jessica ansprach, die sich zusammen mit einem Orangensaft und ihrem Handy auf die Couch im Pausenraum gesetzt hatte. Adrian hüllte sich in seinen Morgenmantel und setzte sich auf einen der weichen Sessel. „Hi, Adrian.“, begrüßte die asiatische Schönheit ihn auch schon. Man sah es ihr nicht an, aber sie war um einige Jahre älter als er und schon vor seiner Zeit im Club tätig. Weswegen er sich ausgerechnet sie ausgesucht hatte. Von ihr wusste er am Meisten. „Hallo, Jess.“, begann er überlegend, aber noch ehe er weiter sprechen konnte, hatte sie ihre SMS schon abgeschickt und sich ihm zugewandt. „Na, wie ist sie so?“ „Wer?“, fragte er völlig verwirrt. „Wer wohl, deine neue Freundin? Woher ich das weiß?“ Sie setzte ein breites Lächeln auf. „Glaub mir, das hab ich sofort gesehen, als du bei der Tür hereingekommen bist. Du kannst mir also nichts vormachen, ich weiß Bescheid.“ Adrian sah sie noch verwirrter an. Woraufhin sie zu lachen begann. „Ach, Adrian. Ich beobachte schon so lange Menschen, dass mir dein verändertes Verhalten sofort aufgefallen ist. Seit ich dich kenne, warst du immer irgendwie auf Automatik. Zwar immer nett und freundlich, aber nie wirklich mit deiner ganzen Persönlichkeit dabei. Und dann, plötzlich wie aus heiterem Himmel, hast du immer so nachdenklich gewirkt. Da wurde ich schon neugierig, aber da du dabei auch immer etwas frustriert ausgesehen hast, habe ich dich lieber in Ruhe gelassen. Aber der Hammer kam erst, als du dieses Wochenende zu deiner Schicht erschienen bist!“ Adrian sank etwas in seinen Stuhl zusammen, weil sie ihn so durchschaut hatte. War es ihm wirklich so deutlich anzusehen? Dabei dachte er immer, er hätte seine Gefühle unter Kontrolle. „Ich habe dich wirklich noch nie so gesehen. So voller Leben, deine Augen strahlen, du hast eine Ausstrahlung, als würdest du einen Haufen Glück mit dir herum schleppen und dann immer dieser spezielle Blick, wenn du denkst, es sieht keiner. Da denkst du an sie, oder?“ „Ja.“, gestand er schließlich. Er konnte Jess wohl sowieso nichts vormachen. „Sie heißt Emily. Wir sind zwar erst seit Kurzem zusammen, dennoch gibt es da ein paar Dinge, die mir Sorgen machen.“ Jessica stellte ihren Orangensaft ab und lehnte sich in ihrem hauchdünnen Morgenmantel etwas nach vor. „Erzähl.“ „Du bist doch seit fünf Jahren verheiratet, oder?“ Sie nickte. „Was sagt dein Mann zu dem Beruf, den du ausübst? Ich meine, wie geht es dir dabei, dich von fremden Männern anfassen zu lassen, während Zuhause dein Mann auf dich wartet?“ Adrian wusste nicht, ob sie verstand, worauf er hinaus wollte, doch das tat sie sehr wohl. „Will sie, dass du deinen Job aufgibst?“, fragte sie ihn daher in einem sanften Tonfall. Er schüttelte schwach den Kopf, denn um ehrlich zu sein, er wusste es nicht. Ihm fiel nur wieder ihre Reaktion ein, als sie ihn hatte tanzen sehen und das war sicherlich nicht positiv zu bewerten gewesen. „Nein. Es geht mir auch nicht darum. Da ich meinen Job sowieso nicht aufgeben will. Aber ich würde gerne, dass es leichter für uns beide ist. Leider habe ich keine Ahnung, wie ich das bewerkstelligen soll.“ „Aufklärung.“, warf Jess ein. „Mein Mann hatte alle möglichen Horrorszenarien im Kopf, was meinen Beruf anging, bis ich ihm lang und breit erklärt und auch gezeigt habe, was wir eigentlich wirklich tun. Es ist ja nichtn so, dass man gerne von fremden Menschen angefasst wird, aber wir beide haben gelernt damit zu leben, weil es dazu gehört. Wir nehmen das nicht ernst. Ich meine, würde ich jeden dieser Trottel ernst nehmen, würde ich wohl verrückt werden. Dir geht es doch bestimmt auch so.“ Adrian nickte. Nein, ihre Kunden konnten sie wirklich nicht ernst nehmen. „Ich kann dir zwar keinen todsicheren Tipp geben, was das angeht, weil jeder Mensch unterschiedlich mit solchen Dingen um geht. Aber manchmal hilft es wirklich, wenn man dem Schrecken seine Macht nimmt. Ich zum Beispiel, habe meinem Mann erst alles erklärt, danach habe ich ihm gezeigt, wie ich tanze, wenn ich arbeite und wie ich tanze, wenn ich es für ihn tu. Danach sagte er mir, der Unterschied wäre so krass wie Tag und Nacht. Natürlich wäre er froh, wenn ich nicht weiter arbeiten würde, aber er macht sich auch keine falschen Vorstellungen mehr davon.“ Adrian nickte nachdenklich und stand dann auf, da die Pause gleich rum war. „Danke, dass du mir das so erklärt hast.“ Auch wenn er nicht glaubte, dass er es mit Emily ebenso machen würde. Aufklärung … ja, er konnte wenigstens mit ihr darüber reden, falls sie wirklich einmal eine Äußerung zu seinem Job machen sollte. Immerhin hatte sie bisher nichts erwähnt und es war nur für ihn ein Bedürfnis gewesen, etwas Licht ins Dunkel zu bringen. „Adrian…“ Er hob den Kopf und drehte sich noch einmal zu Jess um. „Ja?“ Sie kam mit einem Lächeln näher und legte ihre Hände auf seine Schultern, um auch wirklich seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Du machst das schon. Und denk nicht zu viel an diese Weiber. Sie es doch einfach einmal so, das was sie sehen und berühren wird niemals das sein, was du wirklich bist. Denn das gehört ganz alleine dir und deiner Freundin, wenn du es zulässt.“ Sie drückte ihm noch einen Kuss auf die Wange, ehe sie sich zurück an die Arbeit machte und auch er endlich in die Gänge kam. Als er an diesem Morgen heim kam, ging er zuerst duschen, danach richtete er schon einmal alles grob für ein Frühstück her, damit das nicht mehr Emily erledigen musste, wenn sie aufstand. Schließlich kroch er zu ihr in sein Bett, wo sie auf ihn gewartet hatte, zog ihren warmen Körper an sich und vergas wenigstens in diesem Augenblick alles um sich herum. Doch er schlief nicht ein, sondern schnappte sich noch verstohlen sein Handy und tippte eine kurze Nachricht an Patrick: ~Hey, Kumpel. Hast du das Wochenende lebend überstanden? Melde dich doch einmal bitte, damit ich weiß, ob die Sache mit dem blondne Schönling was geworden ist. LG A.~ Danach legte er das Handy weg und begann eine Strähne von Emilys Haar zu streicheln, während er ihr beim Schlafen zusah. Heute würde er nicht schlafen, bis sie aufstehen musste, denn wenigstens dieses Mal, wollte er mit ihr zusammen frühstücken, ehe sie zur Arbeit musste. Danach konnte er immer noch schlafen und sich auf ihren Abend vorbereiten. Emily hatte bemerkt, wie Adrian zu ihr ins Bett gekommen war und sie an sich gezogen hatte. Aber nach dem Klettern am Sonntag konnte sie sich nicht zu mehr als einem kleinen Kuss auf seine Brust und ein leises ‚Hallo’ durchringen, bevor sie den Arm um ihn legte und zufrieden weiterschlief. Der Wecker riss sie so unerwartet aus dem Schlaf, dass ihr die Augen brannten und sie sich halb über Adrian warf, um das schrille Piepsen zu beenden. Als das nervtötende Geräusch verstummt war, ließ sie sich auf Adrian zusammensinken und schloss kurz die Augen, bevor sie sich aufraffte und ihm einen Guten-Morgen-Kuss gab. Der Kuss weitete sich so weit aus, dass sie an seinem Ohrläppchen knabberte, bis sie mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck von ihm abließ. Sie würde pünktlich in der Arbeit erscheinen müssen, wenn sie heute Abend ins ‚Pan’ und danach noch ins Kino gehen wollten. Daher fiel die Dusche und das Frühstück auch eher kurz aus, was vielleicht auch daran lag, dass Emily sich mehr Zeit nahm auf Adrians Schoß zu sitzen und an seinem Hals zu knabbern, als an ihrem Brötchen Sie schnappte sich einen Apfel und stopfte ihn in ihre Handtasche, während sie schon in den Flur unterwegs war. „Ok, wir sehen uns dann heute Abend. Sag Mrs. Jenkins liebe Grüße und dass sie eine tolle Lehrerin ist.“ Sie konnte sich kaum von Adrians Lippen lösen, bis ihr ein Blick auf die Uhr zeigte, dass sie nun aber wirklich los musste. Kapitel 30: 30. Kapitel ----------------------- „Miss Grayson, Sie haben es heute Abend aber eilig.“ Stan war von seinem Posten an einer der Kassen aufgestanden, die ihm bei der Nachtschicht als Überwachungsstandort dienen würde, wenn er nicht seine Runden durch das Gebäude zog. Auf dem Bildschirm, der normalerweise die Kassenfunktion anzeigte, war ein gevierteltes Bild zu sehen, das ebenfalls in bestimmten Zeitabständen wechselte. Mal waren der Eingangsbereich, dann verschiedene Teile des Museums zu sehen. Es war eine langweilige Schicht, weil nachts normalerweise weniger als nichts passierte. Daher freute er sich, die Restauratorin an diesem Abend noch zu sehen, nachdem schon alle Besucher das Museum verlassen hatten. Er wusste, dass Emily Grayson immer bis sieben arbeitete, was wohl auch heute der Fall war. Aber es war bereits ein paar Minuten nach sieben und sie hatte sich umgezogen. In ihren Kostümen, die sie normalerweise zur Arbeit trug, gefiel sie Stan besser als in den schwarzen Stoffhosen und dem roten Oberteil mit den Flügeln auf dem Rücken. Aber sie war noch jung, da war die Mode eben anders, als zu seiner Zeit. Emily hielt kurz bei ihm an und kramte in ihrer Tasche nach ihren Autoschlüsseln, wobei sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr erhaschte. Sie hielt schon halb die Tür auf, als sie ihm strahlend antwortete. „Ja, ich bin mit meinem Freund verabredet.“ „Oh, ihr rothaariger Begleiter vom Wochenende?“ So was hatte sich Stan schon gedacht. Miss Graysons Augen hatten auf eine bestimmte Weise geleuchtet, als sie diesen Mann mit ins Museum gebracht hatte. „Genau der.“, sagte Emily lachend und war nun wirklich schon fast zur Tür hinaus. „Ich muss noch bis in die Stadt fahren und bin eigentlich schon fast zu spät.“ Sie würde nicht mehr als zehn Minuten später kommen als verabredet und hatte sich zumindest schon in ihr rotes Top geworfen. Die Haare flossen ihr offen über Schultern und Rücken, bis der Wind durch die Tür sie ein wenig aufwirbelte. „Na, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Abend.“ „Gute Nacht, Stan. Bis Morgen.“ Sie winkte ihm durch die Glastür noch einmal zu, bis sie sich auf den Weg zu ihrem Mini machte. Normalerweise parkte sie auf dem Mitarbeiterparkplatz direkt hinter dem Gebäude, aber am Morgen war kein Platz mehr frei gewesen, sodass Emily ein ganzes Stück weit vom Museum entfernt hatte parken müssen. Das nervte sie jetzt ziemlich, was sie ihre Schritte beschleunigen ließ, die auf dem Kies knirschten. Wieder blickte sie auf die Uhr und überlegte, ob sie Adrian eine SMS schreiben sollte, dass sie später kommen würde. Sie holte das Handy heraus und suchte nach seiner Nummer, als sie ein Motorengeräusch aufblicken ließ. Emily wollte dem Fahrer noch mit einem Winken bedeuten, dass er vergessen hatte sein Licht anzuschalten. Das passierte, wenn man irgendwo losfuhr, wo Straßenlaternen die Umgebung beleuchteten, aber auf diesem Teil des Parkplatzes war es schon relativ dunkel. Jäh hielt Emily inne, als ihr klar wurde, dass der Wagen genau auf sie zuhielt. Und er beschleunigte und das Motorengeräusch hörte sich fast aggressiv an. In Emily stieg Panik auf, was dazu führte, dass sie das Handy fallen ließ und sich umdrehte, um davonzulaufen. Ihre Handtasche wurde beim dem Aufprall aus Emilys Hand gerissen und bis auf den Rasen neben dem Parkplatz geschleudert. Die Fahrerin des dunklen VWs bremste nicht einmal ab, als Emilys Körper hart auf dem Blech der Motorhaube aufschlug und dann über die Frontscheibe hinweg seitlich hinunter rutschte. Sie fühlte den Boden nicht, auf dem sie landete und auf der Seite liegen blieb. Der Wind zupfte an ihrem Haar, das wie ein dunkler Schleier über ihrem Gesicht lag. *** Als er sich für das Abendessen fertig machte, flatterten seine Finger nur noch so vor Aufregung, weshalb er die meiste Zeit auch mit hirnlosen Tätigkeiten verschwendete, bis Adrian absolut in Stress geriet und gerade noch verhindern konnte, dass er sich zwei verschiedene Socken anzog. Kaum zu glauben, was für ein Nervenbündel er wurde, nur weil er Emily den ganzen Tag nicht gesehen hatte und heute einmal ganz alleine mit ihr am Abend wegging. Dementsprechend hibbelig war er, als sich Emily zu verspäten schien. Natürlich war er am Ende doch noch viel zu früh im Pan aufgetaucht, weshalb er sich schon einmal etwas zu Trinken bestellt hatte. Aber inzwischen war sie schon eine knappe halbe Stunde überfällig, was eigentlich ganz und gar nicht zu ihr passte. Sie war sicherlich ein pünktlicher Typ und wenn sie dann doch einmal zu spät kam, würde sie doch sicher anrufen? Oder? Adrian konnte nicht sagen, woran es lag, aber allmählich machte sich in ihm ein ganz und gar grauenvolles Gefühl breit. So als hätte er etwas wahnsinnig Wichtiges vergessen, nur dass er sich weder daran erinnern, noch etwas dagegen unternehmen konnte. Die Kellnerin im Pan hatte so etwas noch nie gemacht und kam sich doch sehr seltsam dabei vor, als sie dem rothaarigen Gast auf die Schulter tippte. „Entschuldigen Sie bitte…“ Sie beugte sich ein wenig vor, um ihm das Polaroid zu geben, auf dem er selbst mit einer dunkelhaarigen Frau unter einem Baum sitzend zu sehen war. Die beiden küssten sich. Eine sehr romantische Szene. Allerdings stand darunter in schwarzen Lettern eine seltsame Botschaft geschrieben. Und es war auch nicht die gleiche Frau wie auf dem Photo gewesen, die der Kellnerin den Auftrag erteilt hatte, es dem Mann zu übergeben. „Eine Dame hat mir das hier für Sie gegeben. Aber sie ist schon wieder gegangen. Sie meinte, ich solle Ihnen schöne Grüße von Alex ausrichten.“ Manche Leute hatten schon komische Anwandlungen. Aber ihre Kollegin hatte der Kellnerin gesagt, dass so etwas durchaus von Zeit zu Zeit einmal vorkam. Allerdings sah der Mann eher verwirrt und nicht gerade glücklich aus, als er die Botschaft auf dem Photo las. Du glaubst doch nicht, dass ich das einfach so zulasse? Wer schrieb denn so was auf ein Photo und ließ es einem Bekannten von einer Kellnerin zustecken? Gerade als sich auch noch ein eisiges Gefühl um sein Herz schlang und er schon wieder auf die Uhr sah, tippte ihm eine Kellnerin auf die Schulter, was ihn fast erschrocken zusammen fahren ließ. Doch er schob seine aufkommende Panik mit Gewalt zur Seite und sah die Kellnerin lächelnd an, als sie ihm etwas in die Hand drückte mit Grüßen von Alex. Adrians Herz setzte einen schmerzvollen Moment lang aus und er vergaß wie man atmete, als er das Foto ansah. Er hätte noch nicht einmal die Botschaft lesen müssen, um die Situation mit einem Schlag zu begreifen. Hätte man ihn bei lebendigem Leibe gehäutet und danach durch den Fleischwolf gedreht, es hätte nicht schlimmer sein können, als dieser Augenblick. Mit seiner letzten Kraft zwang er sich dazu, weiter zu atmen, ehe er aufstand, der Kellnerin einen Geldschein auf den Tisch knallte, mit einem Trinkgeld das wohl ewig in ihrer Erinnerung bleiben würde. Schon auf dem Weg zum Ausgang zog Adrian sein Handy aus der Tasche und wählte Emilys Nummer, wobei er sich zweimal vertippte, ehe er endlich eine Verbindung bekam, allerdings war besetzt. Dennoch drückte er gleich auf die Wahlwiederholung, während er sich ein Taxi herbeiwinkte und im eisigen Tonfall die Adresse von dem Museum nannte. Erst da fiel ihm auf, das er noch immer das Foto in seinen völlig verkrampften Fingern hielt, bis er es schließlich in seine Hosentasche stopfte und weiter Emilys Nummer wählte. Vergeblich. Auf halbem Weg bekam er einen Anruf rein, den er eigentlich abgewürgt hätte, doch es könnte ja Emily sein. Tatsächlich, als er ihre Stimme hörte, sank er heftig zitternd im Sitz zusammen, wobei sein Herz wie wild vor Erleichterung raste, bis er vollkommen erstarrte. Es gab wirklich keinen Muskel in seinem Körper, der in diesem Augenblick nicht bis zum Zerreißen gespannt war, während er dieser schmerzlichen Stimme zuhörte. „Bis gleich.“ Er legte auf und schob das Handy in seine Hosentasche, ehe er sich zum Taxifahrer vorbeugte, um ihm die neue Adresse zu sagen. Danach lehnte er sich zurück und starrte reglos aus dem Fenster. Emily war im Krankenhaus. Ihre Schwester hatte ihm das gerade mitgeteilt und dass alles so aussah, als wäre Emily angefahren worden. Fahrerflucht. Alex… Innerlich starb Adrian tausend Tode, als er das Krankenhaus betrat, doch nach außen hin war er unnatürlich ruhig geworden. Sein Gesichtsausdruck verriet absolut gar nichts, als er sich mit ruhiger, tonlosen Stimme am Empfang nach Emily Grayson erkundigte. Wo man ihm noch keine Auskunft über ihren Zustand geben konnte, da sie erst vor kurzem eingeliefert worden war. *** Mona saß auf einem grünen Plastikstuhl an der Wand des kleinen Wartebereichs und sah auf den grauen Fußboden. Schon zum hundertsten Mal fuhr sie mit ihrem Blick den Rand der Fliese nach, was sie aber nicht von ihren Gedanken ablenkte. Die Polizei hatte bei ihrer Mutter angerufen, die sich dann völlig aufgelöst bei Mona gemeldet hatte. Emily war etwas passiert. Viel mehr hatte sie von ihrer Mutter, die wegen des Anrufs des Polizisten vollkommen neben sich stand, nicht erfahren. Mario hatte sie und ihre Mutter ins Krankenhaus gebracht, wo sie erfahren hatten, was passiert war. Oder zumindest, was vermutet wurde. Fahrerflucht. Ob nun ein Unfall oder Absicht, war nicht klar. Erst nach einer Weile war Mona eingefallen, dass sie Adrian anrufen sollte. Dann stellte sich das Problem, dass sie seine Nummer nicht wusste. Sie war beinahe in Panik ausgebrochen, als ihr bewusst wurde, dass sie ihn nicht informieren konnte. Allerdings hatte ihr der Zufall aus der Not geholfen, als der Polizist, der im Krankenhaus wartete, um mit der Familie zu sprechen, ihr Emilys Handy gegeben hatte. Er meinte es hätte immer wieder geklingelt, aber er hätte nicht antworten dürfen. Mona hatte an Adrians Tonfall gehört, dass er sie zuerst nicht erkannt hatte. Schlimmer noch… Sie hörten sich am Telefon verdammt ähnlich an. Einen kurzen Moment vergrub Mona ihr Gesicht in ihren Händen, bevor sie zu ihrer Mutter hinüber sah, die am Fenster stand und hinaus starrte. Mario war unterwegs, um Kaffee zu besorgen. Das hier konnte noch eine Weile dauern, hatten die Ärzte gesagt. In Monas Augen wollten sich Tränen sammeln, die sie wütend hinunter kämpfte. Sie würde nicht sterben. Das würde Emily ihnen allen nicht antun! Hätten sie Emily doch wenigstens sehen können, bevor sie zur Notoperation hierher gebracht wurde. Vielleicht hätte es ihrer kleinen Schwester geholfen die Stimme von Mona und ihrer Mutter zu hören. *** Sie sah, dass es ihm schwer fiel sie anzusehen. Adrian war nur zwanzig Minuten nach Monas Anruf im Krankenhaus angekommen und saß nun zusammen gesunken auf einem der grünen Stühle. Mona hatte ihn umarmt und ihrer Mutter kurz vorgestellt, die nur genickt und ihn mit einem wahnsinnig traurigen Lächeln begrüßt hatte. „Sie haben uns noch nichts gesagt.“ Mona konnte Adrians Augen unter seinen Haaren nicht sehen, die ihm ins Gesicht fielen. Er hatte sich mit den Ellenbogen auf die Knie gelehnt, hörte ihr aber offensichtlich zu. „Als wir angekommen sind, haben sie Em gerade hier rein gebracht. Wir wissen nicht mal, wie lange es dauern wird.“ Am liebsten hätte sie ihn gefragt, wer denn so was tun würde, aber darauf hatte er sicher genauso wenig eine Antwort wie sie. Und es würde die Sache nur noch schmerzlicher machen. Nach einer Weile kam Mario zurück und legte Adrian kurz eine Hand auf die Schulter, bevor er ihm einen Kaffee anbot. Mona hielt sich an dem Pappbecher fest, als wäre es ihr Rettungsanker. Ihre Mutter hatte gar nicht auf Mario reagiert, sondern starrte wieder aus dem Fenster. Im Warteraum traf er auf Mona und Emilys Mutter. Es war ein Schock Emilys Schwester zu sehen. Doch es half etwas, dass er inzwischen deutlicher den Unterschied zwischen ihnen erkennen konnte, dennoch, allein der Anblick war im Augenblick zu fiel. Darum begrüßte er kurz Emilys Mutter, ehe er sich auf einen der hässlichen Plastikstühle sinken ließ. Regungslos hörte er Mona zu, lehnte dann den Kaffee von Mario ab und war sich irgendwie bewusst, dass er absolut neben der Spur stand. Er ließ es noch nicht einmal zu, dass seine Gedanken sich in seinem Kopf drehten. Stattdessen herrschte dort gähnende Leere. Da gab es nur einatmen … ausatmen … einatmen …ausatmen… „Sind sie die Angehörigen von Miss Emily Grayson?“ Der Arzt war relativ jung und sah in seiner grünen OP-Kluft recht blass aus. Mona war aufgesprungen und ihre Mutter hatte endlich eine Reaktion gezeigt und sich am Fenster zu ihnen umgedreht. Mona ging zu ihr hinüber und hielt ihre Hand, die genauso zitterte wie ihre eigene. Die Stimme ihrer Mutter klang brüchig, als sie antwortete. „Ja, ich bin ihre Mutter. Geh… Geht’s Emily gut?“ Der junge Arzt sah auf sein Klemmbrett, bevor er sich ihnen wieder zuwandte und lächelte. „Ja, ihr geht’s den Umständen entsprechend gut. Die OP war allerdings etwas schwierig. Ihre Lunge ist verletzt worden und sie hatte auch an anderen Organen innere Blutungen. Glücklicher Weise ist ihrem Kopf nichts passiert. Wahrscheinlich nur eine Gehirnerschütterung.“ Er hielt inne, um Mona und ihrer Mutter einen beruhigenden Blick zuzuwerfen. „Wir werden sie heute Nacht auf der Intensivstation lassen, um kein Risiko einzugehen.“ „Können wir zu ihr?“ Diesmal wurde die Miene des jungen Mannes ein wenig traurig, als würde er die Antwort nicht gern geben. „Leider nein. Aber sie wird in ca. zehn Minuten auf die Station gebracht. Dann können sie ihre Tochter zumindest sehen. Aber bitte erschrecken Sie nicht. Sie wird an ziemlich viele Geräte angeschlossen sein, die ihr das Atmen erleichtern und ihre Funktionen überwachen.“ Selbst als schließlich ein Arzt kam, der ihnen den Zustand von Emily mitteilte und wie schwer sie verletzt war, war da keine Erleichterung. Dabei hätte er froh sein müssen, dass sie wenigstens noch lebte und vermutlich auch durchkommen würde, aber selbst das fühlte er nicht. Da war nur eisige Kälte in seiner Brust und das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, wenn er sich nicht immer wieder auf seine Atmung konzentrierte. Gewaltsam zwang Adrian sich dazu, sich zu bewegen, als die angekündigten zehn Minuten rum waren, und Emily verlegt wurde. Wie ein Schatten folgte er ihrer Familie, als diese kurz nach Emily sah. Tatsächlich war der Anblick der vielen Geräte, Schläuche und Kabel an ihr absolut nicht mit dem Menschen übereinzubringen, der heute Morgen noch auf seinem Schoß gesessen hatte. Was mit ein Grund war, wieso er sich eher im Hintergrund aufhielt, während sich Emilys Familie um sie scharte und ihren Gefühlen den Ausdruck gaben, der bei ihm vollkommen fehlte. Doch wie lange noch? Emily wurde weg gebracht, was ihm beinahe das Herz herausriss, wenn es sich nicht ohnehin schon so anfühlen würde. Da niemand sie heute mehr besuchen konnte, setzte er sich wie ein Zombie wieder in den Warteraum, stützte sich auf seine Knie und starrte ins Leere. Der Raum war doch zum Warten gedacht? Also würde er genau das tun. Etwas anderes konnte er im Moment ohnehin nicht tun. Er brachte noch nicht einmal die Kraft auf, den einen Gedanken zuzulassen, der ihn vollkommen niedergeschmettert hätte und dessen Beweis zusammengeknüllt in seiner Hosentasche ruhte. „Adrian?“ Monas Schminke war verlaufen und sie hatte Salz in den Augenwinkeln kleben, als sie sich vor ihm in die Hocke sinken ließ, um ihn anzusprechen. Sie waren schon mehrere Stunden hier. Es war sogar schon nach Mitternacht. „Wir fahren Mom nach Hause. Sollen wir dich mitnehmen?“ Ihr war schon klar, dass er hier bleiben würde, bevor er ihr ins Gesicht sah und mit seltsam emotionsloser Stimme antwortete. „Ich habe der Schwester gesagt, dass du zur Familie gehörst.“ Normalerweise hätten sie Adrian nicht zu Emily gelassen, selbst wenn etwas passieren sollte. Er war nicht mit ihr verwandt, nicht mit ihr verheiratet. Aber die Schwester hatte seinen Namen notiert und Mona versprochen ihn zu Emily zu lassen, sobald sie Besuch bekommen konnte. Sie drückte ihm einen kleinen Zettel in die Hand, auf der einen Nummer stand. „Mein Handy. Bitte, wenn was ist…“ Sie wagte nicht den Satz zu Ende zu sprechen, weil ihr schon wieder die Tränen kamen. Mona drückte kurz Adrians Hand und stand dann auf. „Ich komme Morgen vor der Arbeit wieder her. So gegen halb sechs. Irgendwann solltest du auch nach Hause gehen. Dich ein bisschen ausruhen.“ Mona war sich sicher, dass Adrian alles andere tun würde, als nach Hause zu fahren in die Wohnung, wo Emily überall präsent war. Nur widerwillig ließ sie ihre Schwester und auch Adrian im Krankenhaus allein, aber die beiden waren hier am besten aufgehoben und ihre Mutter brauchte Monas Unterstützung und tatsächlich Ruhe, die sie hier nicht bekommen konnte. Als Mona zu ihm kam, um ihn zu fragen, ob er mit fahren wollte, brauchte er noch nicht einmal zu überlegen. Nichts würde ihn jetzt von hier weg bringen. Weswegen er schließlich den Zettel mit Monas Nummer entgegen nahm und ihr leise dafür dankte, dass sie der Schwester Bescheid gegeben hatte. Natürlich er gehörte nicht zur Familie und war auch nicht mit Emily verwandt, aber warum war sie dann die Einzige, die ihm so nahe wie niemand sonst stand? Die Welt war heute alles andere als logisch, befand er, nachdem Mona sich verabschiedet hatte, ehe er wieder in die Leere zurück sank und erneut zu Boden starrte. Er hatte kein Zeitgefühl mehr, höchstens die Erschöpfung seines Körpers sagte ihm langsam, wie die Stunden vergingen, aber er ignorierte es einfach. Kapitel 31: 31. Kapitel ----------------------- „Mr. Loken?“ Die Krankenchwester hatte leise gesprochen, um den Mann nicht aufzuwecken, falls er eingeschlafen sein sollte. Er wartete jetzt schon seit Anfang ihrer Schicht in dem kleinen Raum und saß auf diesem unbequemen Stuhl, ohne sich groß zu rühren. Die Schwester der Patientin war vor einer Stunde hier gewesen und hatte mit ihm gesprochen. Allerdings nur kurz, bevor sie Miss Grayson kurz besucht hatte und dann wieder gegangen war. Sie würde nachmittags wiederkommen. Die Ärzte hatten ihr noch nichts sagen können, aber in dieser Stunde hatten sie zumindest entschieden, dass die Patientin stabil genug war, Besuch zu empfangen. Mit einem Lächeln hatte die Krankenchwester sich aufgemacht, es dem Mann im Warteraum mitzuteilen. Jetzt reagierte er darauf, dass sie seinen Namen nannte und sah sie mit müden Augen an. „Sie können mit in Miss Graysons Zimmer kommen, wenn Sie möchten.“ Nach kurzem Überlegen, das sie seiner Müdigkeit zuschrieb, folgte er ihr wortlos und befolgte anstandslos den Bestimmungen, die für die Intensivstation galten, um den Patienten zu schützen. Die Krankenchwester zog die Lamellen vor der Glaswand die in den Flur zeigte zu und deutete auf den Sessel neben dem Bett der Patientin, auf die sie bereits eine Decke gelegt hatte. „Sie können so lange bleiben, wie sie möchten. Der Stuhl lässt sich ausklappen. Gönnen Sie sich ein wenig Ruhe.“ Sie berührte seinen Arm und schenkte ihm ein ermutigendes Lächeln, weil er so aussah, als wäre er sich nicht sicher, ob er das hier tun konnte. Wortlos folgte er schließlich der Schwester, tat alles was sie ihm auftrug und prallte dann fast vor der unsichtbaren Wand in Emilys offener Zimmertür ab. Es war, als würde sich alles dagegen sperren, den Raum zu betreten, da alles, was dann auf ihn einschlagen würde, zu viel für ihn wäre. Sein Unterbewusstsein wusste das, sein Herz wusste das, aber sein Verstand war es, auf den er hörte. Also betrat er das Zimmer, versuchte mehr denn je, sich zusammenzureißen, wenigstens bis die Schwester weg war. Als er endlich mit Emily alleine war, trat Adrian an ihr Bett und sah auf sie herab. Ihr Anblick brach ihm wohl zum tausendsten Mal das Herz, weshalb er die Hände zu Fäusten ballte und den dicken Klos im Hals hinunter schluckte. Dabei konnte er noch immer den Zettel spüren, den Mona ihm gegeben hatte und den er immer noch in der Hand hielt. Nein, er konnte noch nicht loslassen. Denn es war seine Schuld. All das war seine Schuld. Emilys Zustand, die Gefahr in der sie geschwebt hatte, die Schmerzen die sie beim Aufwachen haben würde, das alles war ihm zu verdanken! Adrian schnappte heftig nach Luft, als sein Verstand wieder zu arbeiten begann, nachdem stundenlang nur Sendepause geherrscht hatte. Mit zitternden Fingern zog er das zerknüllte Foto aus seiner Hosentasche und verließ beinahe fluchtartig den Raum. An der Rezeption erkundigte er sich nach dem Namen und dem Revier des Polizisten, der am Unfallort gewesen war. Danach suchte er sich einen ruhigen Ort zum Telefonieren. Er rief im Revier an und gab den Grund für seinen Anruf bekannt, weshalb man ihn auch sofort durchstellte. Kurz unterhielt er sich mit dem Polizisten, erklärte in knappen Worten, dass er wusste, wer Emily angefahren hatte. Oder besser gesagt, wer versucht hatte, sie umzubringen. Daraufhin teilte ihm der Polizist mit, dass er gleich vorbei kommen würde, um seine Aussage aufzunehmen, da Adrian sich strikt weigerte, das Krankenhaus zu verlassen, solange Alex noch auf freiem Fuß war. Er hielte es zwar für unwahrscheinlich, dass sie extra hierher kommen würde, um ihr Werk zu beenden, aber er wollte auf Nummer sicher gehen. Adrian wartete reglos im Warteraum auf die Ankunft des Polizisten, der schließlich auch kam und mit dem er sich in ein Ärztezimmer zurückzog. Die nächste Stunde erzählte er ihm alles, was er über Alex wusste, welche Motive sie vermutlich hatte und gab ihm dann auch noch das Drohfoto. Schließlich, als alle Fragen beantwortet waren, ging Adrian wieder zu Emily zurück, setzte sich neben sie auf den Stuhl und brach zusammen. Die ganze Zeit über hatte er funktioniert, mit kühler Berechnung und Logik gesprochen, doch nachdem er alles getan hatte, was er konnte, brachen seine Emotionen aus ihm hervor, ohne dass er sie noch stoppen konnte. Sein Körper wurde hemmungslos geschüttelt, als er das Gesicht in seinen Händen vergrub und sich lautlos den Schmerz von der Seele weinte. Dabei immer die Worte im Kopf, dass alles seine Schuld war und Emily hätte tot sein können. *** Patrick hatte sich sofort den Nachmittag frei genommen und auf den Weg ins Krankenhaus gemacht, als er Adrian in seiner Mittagspause angerufen und von ihm erfahren hatte, was passiert war. Luca hatte angeboten mitzukommen, aber Patrick war sich sicher, dass Adrian nicht zu viele Leute um sich haben wollte. Bevor er zur Rezeption ging, um nach der Zimmernummer zu fragen, kaufte er in dem kleinen Shop im Eingangsbereich einen Strauß bunter Blumen und einen Ballon, der aussah wie ein großes Smiley-Gesicht. Natürlich war es albern, aber so hatte Emily noch mehr zu schmunzeln, wenn sie aufwachte. Nachdem er von der Schwester erfahren hatte, in welchem Zimmer Emily lag, holte er den Fahrstuhl und fuhr rauf in den dritten Stock. Zumindest lag sie nicht mehr auf der Intensivstation, aber der Anblick, der sich Patrick bot, als er leise den Raum betrat, war dennoch erschütternd. Emily hing nicht nur am Tropf, sondern war mit einem Monitor verbunden und hatte einen dünnen Schlauch quer übers Gesicht gelegt, der bis in ihre Nase reichte und durch den sie wohl Sauerstoff zugeführt bekam. Auf dem weißen Bettzeug sah sie völlig verloren aus. Aber da stand ihr Adrian in nichts nach. Sein Freund hatte nicht einmal aufgesehen, als Patrick das Zimmer betreten hatte. Erst als er die Tür hinter sich schloss, verirrten sich Adrians Augen in seine Richtung. Er hatte Ringe unter den Augen und war aschfahl. Er sah aus, als hätte er Tagelang nicht geschlafen und Patrick war sicher, dass er auch nichts gegessen hatte, seit das hier passiert war. „Hallo.“, sagte er leise, als er die Blumen auf dem Nachttisch abstellte und den Ballon daran festband. „Hey Emily. Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt, Mädchen.“ Er streichelte ihre Hand, aus der glücklicherweise kein Schlauch hervorkam und die sich weich und warm anfühlte. Sie antwortete nicht, zuckte nicht einmal mit den Wimpern, als er sie ansprach, aber Patrick war sich trotzdem sicher, dass sie ihn hörte. Er lächelte sie an, ließ dann ihre Hand los und wandte sich an das Häufchen Elend, das normalerweise sein hoch gewachsener Freund war. Wie immer ungefragt ließ er sich neben Adrian auf dem Sessel nieder und schlang ihm einen Arm um die Schultern. Er konnte beinahe spüren, wie zerbrechlich Adrian war und zog ihn an sich, um ihm über die Haare und mit der anderen Hand über den Rücken zu streicheln. Gott, er musste sich schrecklich fühlen, wenn das stimmte, was er am Telefon erzählt hatte. Patrick warf einen kurzen Blick auf Emilys ruhiges Gesicht, was ihm beinahe die Tränen in die Augen trieb. Das würde schon wieder werden. Ganz bestimmt. Er würde Adrian irgendwie dazu zwingen, mit ihm hinunter in die Cafeteria zu kommen und etwas zu essen. Es tat Emily sicher gut, dass er hier war, aber sie würde sicher nicht wollen, dass er sich geißelte. Zum Glück war Adrians emotionaler Ausbruch vorbei, bevor Patrick angerufen hatte. Sonst hätte er es niemals geschafft, auch nur ein Wort über das Geschehene zu verlieren, ohne nicht gleich sofort erneut zusammenzubrechen. Doch inzwischen hatte er einen relativ stabilen Grad seiner Gefühle erreicht. Was bedeutete, dass sein Brustkorb in Flammen stand und zugleich von einer Hydraulikpresse zerquetscht wurde. Sein Kopf hämmerte wie ein Presslufthammer, doch wenigstens konnte er das Zittern seines Körpers unterdrücken, als er so schweigend und vor sich hin starrend neben Emily saß, ohne sie bisher auch nur einmal berührt oder mit ihr gesprochen zu haben. Natürlich redete er sich selbst ein, dass er nur darauf wartete, bis sie wieder aufwachte, doch er hätte trotzdem dabei ihre Hand halten können. Als Patrick hereinkam bemerkte er ihn zunächst gar nicht, sondern sah erst hoch, als er die Tür zugehen hörte. Zum Glück war er inzwischen weit über Heulkrämpfe hinaus, sonst hätte er beim Anblick seines Freundes sofort wieder damit angefangen, als dieser auf eine Art mit Emily sprach, für die er im Moment keine Kraft besaß. Richtig hart wurde es aber, als der andere sich neben ihn setzte und ihn an sich zog, um ihn zu trösten. Das hätte beinahe die versiegten Tränenquellen erneut zum Sprudeln gebracht, doch letztendlich wollte Adrian sich nicht in Patricks Arme flüchten, da es nicht richtig war. Adrian hatte weder Schutz noch Trost verdient. Er musste alleine damit klar kommen. Weswegen er sich schließlich auch von dem warmen Körper löste, während er sich selbst eiskalt anfühlte. Adrian spürte, wie sich seine Mundwinkel zu einem leichten Lächeln verzogen, auch wenn es so überhaupt nicht zum Rest seines Gesichtes passte. „Danke, dass du da bist.“ Gott, war das wirklich er? Würde er mit etwas mehr Gefühl sprechen, könnte er glatt als sprechender Leichnam durchgehen. „Ich will Emily nicht verlassen, könntest du mir vielleicht etwas zu Essen besorgen?“ Klar, er hatte schon ewig nichts mehr gegessen, aber selbst wenn er es würde, er könnte nichts hinunter bekommen. Dazu war sein Magen wie zugeschnürt. Vermutlich war Patrick froh, dass Adrian so leicht nachgab, was das Essen anging, da die Schwestern es schon versucht hatten, er sich aber strickt dagegen gesperrt hatte. Noch ein letztes Mal klopfte er seinem Kumpel dankbar auf die Schultern, ehe der sich aufmachte, um etwas Vitamine, Proteine und Eiweiß für ihn aufzutreiben. Als Patrick gegangen war, wartete Adrian noch einen Augenblick, ehe er sich zum ersten Mal richtig an Emily wandte. Vorsichtig, als könne er sich verbrennen, ergriff er ihre Hand, streichelte ihr sanft über die weiche Haut ihrer Innenseite und hielt sie fest, während er sich über ihr Gesicht beugte. „Ich bin hier, Emily.“, flüsterte er kaum hörbar, während er ihre eine Strähne aus dem Gesicht strich und dann zärtlich ihre Stirn küsste. „Ich liebe dich, Emily. Vergiss das nie.“ Er legte sanft wieder ihre Hand ab und ging. Patricks Erscheinen hatte ihn soweit stabilisiert, dass er wieder etwas unternehmen konnte. Zwar würde die Polizei nach Alex suchen, doch er würde sicherlich nicht untätig daneben sitzen. Adrian sah sich nicht um, bis er eines der gelben Taxis erreicht hatte und vom Krankenhausgelände gefahren war. Dann erst zog er sein Handy hervor und rief die einzige Nummer an, die er wohl niemals vergessen würde – Alex. Natürlich könnte sie inzwischen eine andere Nummer haben, aber er würde es trotzdem versuchen. Er musste unbedingt mit ihr reden und zwar persönlich. Als Patrick zurück in Emilys Zimmer kam, war er nur kurz überrascht, dass Adrian verschwunden war. Sein Herz krampfte sich ein wenig zusammen, als er die Plastiktüte in seiner Hand fühlte, in der das Sandwich und noch ein paar andere Sachen lagen, die er für seinen Freund besorgt hatte. „Hätte ich mir denken können.“ Sie kannten sich vielleicht noch nicht besonders gut, aber Patrick schimpfte ein wenig mit sich selbst, dass er nicht sofort misstrauisch geworden war, als Adrian gefragt hatte, ob er ihm etwas zu essen besorgen könnte. Das war zu einfach gewesen. Er hatte noch nicht einmal mit ihm über das hier gesprochen. Über das, was mit Emily passiert war und vor allem darüber, wer das getan hatte. Mit einem kleinen Seufzer legte er die Tüte neben Emilys Blumen auf dem Nachttisch ab und ging dann um ihr Bett herum, um sich auf dem Stuhl niederzulassen, auf dem Adrian bestimmt die ganze Nacht und den ganzen Tag lang gesessen hatte, ohne ein Auge zuzutun. „Du glaubst doch nicht, dass er was wirklich Dummes tut, oder?“ Er sah Emily fragend an, die ihm natürlich nicht antworten konnte und lächelte leicht. Dann lehnte er sich vor und berührte ihre Fingerspitzen, denn diesmal hinderte ihn eine Kanüle daran über ihren Handrücken zu streicheln. „Emily, du musst schnell wieder aufwachen. Sonst bringt er vielleicht nicht diese Alex, aber sich selbst um. Ich glaube, dass er sich ziemliche Vorwürfe macht. Und nur du kannst ihm sagen, dass er das nicht tun muss. Nur dir wird er das glauben, hörst du?“ Wieder lächelte er sie an und lehnte sich dann ein wenig in dem Stuhl zurück, ohne allerdings ihre Finger loszulassen. Ihm war vorhin aufgefallen, dass Adrian ihre Hand nicht gehalten hatte. Er konnte sich vorstellen, warum. Sogar ihm selbst machte der Monitor mit den Kurven und dem blinkenden Herzchen, das Geräusch des Beatmungsgeräts und vor allem Emilys blasses Gesicht ziemlich Angst. Wie musste es Adrian da erst ergangen sein? *** Sie saß in einem Straßencafé, die Beine übereinander geschlagen, was ihren schwarzen Lederrock so weit hoch rutschen ließ, dass jeder Mann, der vorbei ging seine Phantasie noch nicht einmal mehr anstrengen musste, um zu erraten, was sie darunter trug. Das Handy vibrierte auf der Tischplatte. Alex schob ihre Sonnenbrille ein wenig nach oben, um auf das Display zu sehen, bevor sie einen ihrer schwarz-rot lackierten Fingernägel dafür benutzte, es aufzuklappen. Ihr Ohrring klimperte ein wenig gegen das Plastik, als sie sich das kleine Telefon ans Ohr hielt. Ihre Stimme klang freundlich und fast ein wenig verschmitzt, als sie das Gespräch annahm. „Hallo Süßer. Schön, dass du anrufst. Was gibt’s?“ Sie nippte an ihrem Getränk, während sie dem Anrufer zuhörte. „Du klingst aufgebracht, Schatz. Natürlich können wir uns sehen, kein Problem. Jetzt gleich? Ok, wo?“ „Du klingst aufgebracht, Schatz.“ Als Adrian das hörte, wäre er am liebsten durch den Hörer gekrochen, um Alex den zierlichen Hals umzudrehen, doch anstatt sich dieser Vorstellung hinzugeben, versuchte er seine Stimme zu beruhigen. Was er vorhatte, bedurfte Fingerspitzengefühl, er durfte einfach nicht seinen Emotionen die Oberhand überlassen, denn dann würde sein Plan scheitern. Also erklärte er so kalt und tonlos wie möglich, dass er Alex in seiner alten Wohnung sehen wollte und zwar so schnell wie möglich. Sie kannte den Weg, weil sie ihn dort oft genug besucht hatte und Adrian hatte das Glück, dass er noch einen Monat Kündigungszeit hatte, ehe er den Schlüssel abgeben musste. Zwar war die Wohnung so gut wie fast leer geräumt, aber die ein oder andere Sache würde sich schon noch finden lassen. *** Als er in den leeren Räumen seiner Ex-Wohnung herum wanderte, während er auf Alex wartete, kam er sich wie diese Räumlichkeiten vor. Kalt, verlassen und leer. Hier hatte es Emily nie gegeben, was er sich kaum vorstellen konnte. Doch das war auch gut so. Er könnte das nicht, wenn auch nur irgendetwas ihn an sie erinnert hätte. Dann würde seine Wut hervorbrechen und nur Gott wusste, ob er sich dann noch beherrschen konnte. Als es klingelte zuckte er heftig zusammen, doch dann setzte er die Maske auf, die er schon bei so vielen Gelegenheiten getragen hatte. Deshalb schlug Adrian Alex nicht die Tür ins Gesicht, als sie vor ihm stand, sondern machte Platz. „Komm rein.“ Ruhig und berechnend. Mehr musste er nicht sein. „Du hast mich warten lassen.“, gab er ihr als leichten Vorwurf hin. Sollte sie damit anfangen, was sie wollte. Das hier war im Grunde nichts als nur ein Spiel, aber doch so viel mehr. Adrian schloss hinter ihr die Tür und lehnte sich gegen das Holz. „Bravo. Du hast es tatsächlich geschafft, dass ich hier bin.“ Kälte. Mehr war da nicht in seiner Stimme. „Ich wusste schon immer, dass du eine Frau mit Prioritäten bist, aber deine Aktion war mehr als ich dir zugetraut hätte. Ich bin…“ Er gab vor, nach den passenden Worten zu suchen, obwohl er ganz genau wusste, was er wollte. „…überrascht. Das muss ich zugeben. Und jetzt? Du hast gewonnen, ich bin hier, was willst du von mir?“ Er trat einen Schritt von der Tür weg und sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an, aber das würde sie ja wohl kaum überraschen. „Willst du mich?“ Er lächelte eisigkalt, während er damit begann sein Hemd aufzuknöpfen. „Gib’s doch zu. Du willst mich ficken, stimmts?“ Er zog sich das Hemd aus. Ihre Kratzer waren kaum noch zu sehen, aber er würde Dutzende davon hinnehmen, um zu erreichen, was er wollte. „Ach, nein, stimmt ja. Du willst sicher, dass ich dich ficke!“ Adrian kam noch einen Schritt näher auf sie zu, während er seine Gürtelschnalle öffnete und ihn durch die Schlaufen seiner Hose zog, ehe er ihn ebenso auf den Boden fallen ließ, wie das Hemd. Seinen kleinen Vorwurf ignorierte sie einfach und trat in seine Wohnung, als würde sie ihr gehören. Alex schob die Sonnenbrille auf ihre Haare hinauf und sah sich mit einem Lächeln um. Fast wie in alten Zeiten, auch wenn die Wohnung doch recht leer aussah. Als er sie wieder ansprach, drehte sie sich mit Überraschung im Blick um. „Aktion?“ Als sie weiter redete, konnte sie ein kleines Zucken ihres Mundwinkels nicht unterdrücken. Ihre Augen funkelten ihn an. „Ich weiß gar nicht, wovon du redest.“ Lässig stemmte sie eine ihrer Hände in die Hüfte, nahm ihre Sonnenbrille nun doch ab und kaute ein wenig lasziv auf einem der Bügel herum, während sie ihm dabei zusah, wie er sich das Hemd aufknöpfte. Sie wich keinen Zentimeter zurück, als er auf sie zukam, sich des Hemdes und seines Gürtels entledigte und ihr diese Worte an den Kopf warf. Was er konnte, konnte Alex schon lange. Sie hatte Erfahrung darin andere zu verletzen. „Dachte ich’s mir.“ Ihre Stimme war fast ein überlegenes Schnurren, als sie nun die Sonnenbrille sinken ließ und mit ihren manikürten Fingernägeln einen ihrer alten Kratzer auf seinem Bauch nachfuhr. „Früher hab ich dich nicht so schnell aus deinen Klamotten bekommen. Dein Mädchen hat dich also nicht ausreichend gefordert, was? So sah sie auch nicht aus.“ Ihr entkam ein winziges Lachen, als sie die Vergangenheitsform benutzte und sah ihm dabei ins Gesicht. Adrian konnte vielleicht vor vielen Menschen seine Gefühle verstecken, aber Alex hatte schon immer gewusst, wo sie ihn treffen konnte. Er schien tatsächlich ein wenig an dieser Frau gehangen zu haben. Ihr Fingernagel glitt nun unter den Bund seiner Hose und schnippte mit Hilfe ihres Daumens seinen Hosenknopf auf. „Dir ist doch klar, dass es besser so ist, oder? Dass du wieder bei mir bist.“ Adrian ignorierte den Schmerz in seiner Brust, als Alex diese Worte sagte. Sein Körper litt ohnehin an Qualen, die ganz und gar von seiner Seele ausgingen. Sie konnte ihn also nicht noch mehr verletzen, als sie es ohnehin schon getan hatte. Weswegen purer Hass in seinen Augen loderte und sie so kalt wie Polareis machte. Doch natürlich wusste er, dass ihr das egal war. Seine Gefühle waren ihr schon immer egal gewesen, Hauptsache er war willig und daran konnte sie im Augenblick keine Zweifel haben, da er es zuließ, wie sie ihm den Knopf seiner Hose öffnete. Bevor sie jedoch weiter gehen konnte, packte er ihre Handgelenke, drehte sie so herum, dass ihre Hände auf dem Rücken lagen und sie mit ihrer Kehrseite zu ihm da stand. Er hatte sie fest im Griff, doch nicht so fest, dass er Spuren auf ihrer Haut hinterlassen würde. Was sie natürlich garantiert lieber hätte. Er sollte ihr wehtun. Das hatte er aus dem letzten Mal gelernt, doch diese Genugtuung würde er ihr niemals geben. „Du hast Recht.“, flüsterte er ganz dicht von hinten an ihr Ohr, so dass sich ihre Körper berührten. „Ich bin nicht mehr wie damals.“ Mit diesen Worten umschlang er sie mit einem Arm, während seine andere Hand ihre Handgelenke auf dem Rücken hielt. Danach zerrte er sie mit sich durch den Flur hinein in sein altes Schlafzimmer, wo noch immer das Eisenbett samt abgezogener Matratze stand. Die Möbel gehörten alle nicht ihm, weshalb er sie in der Wohnung gelassen hatte. Dennoch waren die Räume wie ausgestorben. „Darum zeige ich dir, was neu ist.“ In seiner Stimme schwang stille, berechnende Wut mit, was er auch noch dadurch untermauerte, dass er sie auf die Matratze stieß und zu sich herum drehte, so dass sie ihn ansehen musste. Wenn er eines nun ganz deutlich wusste, dann war es die Tatsache, dass er ihr an körperlicher Stärke überlegen war. Das war er schon immer gewesen, doch sie hatte es geschafft, seinen Geist zu dominieren, weshalb er sich immer schwächer als sie vorgekommen war. Doch nun kannte er die Wahrheit. Seit er Emily kannte und liebte, war er mehr, als nur ein willenloses Spielzeug. Er war zu einem fühlenden Wesen geworden. „Weißt du noch, was dein Lieblingsspiel gewesen ist?“, fragte er so dicht über ihren Lippen, dass er sie fast küsste. Lieber würde er sich die Zunge abbeißen, als das zu tun, doch sie durfte nicht misstrauisch werden, weshalb er ihr auch so nahe kam, obwohl ihm schon bei ihrem bloßen Anblick übel wurde. „Und welches Geschenk du mir zu Weihnachten gemacht hast?“ Adrian klemmte sie so unter seinem Körper ein, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte, während er mit der anderen Hand den Rand der Matratze entlang fuhr und schließlich darunter griff, um etwas hervor zu holen. Das Metall fühlte sich kalt und leider auch viel zu vertraut unter seinen Fingern an, als er Alex‘ Geschenk ihrer ‚Liebe‘ ans Licht beförderte und es ihr vor die Nase hielt, damit sie es ganz genau erkennen konnte. Es waren Handschellen. Doch nicht etwa das Sexspielzeug mit dem Plüsch, sondern echte Handschellen, die ziemlich wehtun konnten, wenn man sie länger trug und daran gerissen wurde. Er kannte das Gefühl nur zu gut. Obwohl er sie seit seiner letzten Session mit Alex nicht mehr hervor geholt, was mehr als ein Jahr her war. Doch damals sah die Sachlage ganz anders aus. Adrian war der Unterlegene und sie hatte ihn gefesselt. Eindeutig ein Zeichen seines Status als Spielzeug. „Wieso hast du mir nicht schon früher gesagt, dass du gerne die Rollen getauscht hättest?“, hauchte er ihr gegen den Hals, während er ihren Körper unter sich weiter in die Mitte des Bettes schob und das Metall um eines ihrer Handgelenke einschnappen ließ. „Ich hätte dir den Gefallen mit Vergnügen getan.“ Das war eine Lüge, aber es war nicht als solche zu erkennen. Außerdem biss er ihr dabei leicht in den Hals, während er den Brechreiz unterdrücken musste, den er von ihrem Parfum bekam. Seine Hände glitten von ihren Hüften angefangen über die Seite ihrer Brüste bis zu ihren Armen, die er ihr ausstreckte, bis er ihr die Hände um zwei der Metallstangen legte, damit sie sich daran fest halten konnte. „Aber weißt du, was ich dir schon die ganze Zeit sagen wollte?“ Ohne hinzuschauen, fädelte er die Handschellen um eine der soliden Metallstangen und ließ sie an ihrem zweiten Handgelenk einschnappen. Jetzt saß sie in der Falle. Er richtete sich etwas auf, um ihr in die Augen sehen zu können. „Du warst der größte Fehler in meinem Leben und wenn ich die Möglichkeit hätte, meine Vergangenheit noch einmal zu ändern, dann hätte ich dich an jenem Abend in der Disco schon als das entlarvt, was du in Wirklichkeit bist.“ Mit angewidertem Blick ging er von ihr runter und trat ein paar Schritte vom Bett weg, an dem sie nun gefesselt war. „Dein Innerstes ist so hässlich, wie deine Verderbtheit. Wenn ich dich nur sehe, könnte ich kotzen. Das war’s Alex. Ich werde nie wieder dein Spielzeug sein.“ Und sollte sie jemals noch einmal Hand an Emily legen, würde er nicht mehr so nett zu ihr sein. Ohne noch einen letzten Blick auf sie zu werfen, ging er wieder zurück in den Flur, während er sich seine Hose wieder zuknöpfte, den Gürtel umschnallte und sich sein Hemd anzog. Danach holte er sein Handy aus der Tasche und wählte die Nummer von Officer Barkley, der seine Aussage aufgenommen hatte. Er teilte ihm tonlos mit, dass das gesuchte Fluchtfahrzeug auf dem Besucherparkplatz der Wohnsiedlung stand und dazu nannte er ihm auch noch die genaue Adresse, damit man Alex gleich mit abholen konnte. Erst wenn Adrian sie in Gewahrsam wusste, würde er ins Krankenhaus zurückkehren und sich vielleicht nicht mehr ganz so schuldig fühlen. Selbst wenn das nicht der Fall sein sollte, so war dann doch wenigstens Emily nun in Sicherheit. Vor allem beruhigte ihn das Wissen, dass dieses wütend vor sich hin fluchende Miststück da in seinem Ex-Schlafzimmer ihr nichts mehr anhaben konnte. *** Patrick war drauf und dran die Wände hochzugehen. Adrian war schon viel zu lange weg. Was tat er bloß, warum ließ er Emily so lang allein? Allmählich war er nicht mehr ganz so zuversichtlich, dass sein Freund nichts Dummes anstellen würde. Also verließ er für einen Moment das Zimmer und wählte Adrians Nummer. „Hey. Wo bist du, ich… Ja, mit ihr ist alles in Ordnung. Ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht. Kommst du wieder her?“ Das Geräusch war seltsam unwirklich, deshalb ließ sie die Augen geschlossen und versuchte herauszufinden, woher es kam. Ihr Körper fühlte sich seltsam pelzig an und sie konnte sich wegen irgendetwas, das auf ihr lag, nicht bewegen. Aber das beunruhigte sie nicht weiter. Sie musste sich gar nicht bewegen. Sie hörte weiter dem Geräusch zu. Es klang ein wenig so, als würde man Luft durch einen Strohhalm pusten. Aber es war regelmäßig und irgendwie leiser. Vielleicht fühlte sie das Geräusch auch mehr, als sie es hörte. Der Gedanke kam ihr genauso seltsam vor wie alles andere um sie herum. Eigentlich hatte sie gedacht, dass jemand da wäre. Sie hatte Stimmen gehört und jemanden, der ihr sagte, dass er da sei und dann, dass sie aufwachen müsste. Aber aufwachen… Eigentlich war sie doch wach, oder nicht? Sie bewegte ihre Finger. Oder zumindest versuchte sie das, denn sie war nicht ganz sicher, dass es funktionierte. Niemand bewegte sich oder nahm ihre Hand. Es war wohl niemand da. Also entschied sie sich nicht aufzuwachen. Ein bisschen Schlaf würde ihr gut tun. Und dann müsste sie auch dieses Geräusch nicht mehr hören. Patricks Hand verkrampfte sich um das Handy, als die Schwester ziemlich schnell auf ihn zukam, um ihn dann aber stehen zu lassen und in Emilys Zimmer zu verschwinden. Er hatte Adrian noch ein wenig am Telefon behalten wollen, weil er sehr aufgeregt wirkte, auch wenn sich seine Stimme immer noch tonlos anhörte. Aber jetzt hatte Patrick in seiner Überraschung und der aufsteigenden Panik mitten im Satz unterbrochen, was Adrian am anderen Ende der Leitung sofort aufgefallen war. „Ich weiß nicht. Eine Schwester ist gerade zu Emily ins Zimmer rein gegangen… Nein. Dann wären auch Ärzte hier… Ich seh nach ihr. Du bist sowieso bald hier.“ Adrian sagte nichts, was Patrick noch mehr mitnahm, als wenn er den Anderen hätte schluchzen oder fluchen hören. Alles hätte er mehr verstanden als Stille. „Sie lässt dich nicht allein, Adrian. Komm’ einfach her. Sie braucht dich.“ Er legte auf und merkte erst jetzt, dass ihm eine Träne über die Wange lief. Scheiße, das konnte Emily Adrian nicht antun. In der Erwartung von allem Möglichem öffnete er die Tür und sah die Schwester an dem Monitor neben Emily herumdrücken. „Ist alles in Ordnung?“ Krankenschwestern erschreckte wohl nichts so leicht oder sie waren einfach nur verdammt gut darin, es zu verbergen. Diese hier schenkte ihm ein Lächeln, was ihn sofort ein wenig beruhigte. „Ja, ihr geht’s gut. Der Monitor hat ausgeschlagen und ich dachte, dass sie vielleicht aufwacht.“ Sie lächelte Emily an und berührte ihre Schulter, bevor sie noch ein paar letzte Einstellungen an dem Monitor vornahm und dann wieder an Patrick vorbei den Raum verlassen wollte. „Ich denke, dass sie ihr nur ein wenig gut zureden müssen. Dann wird sie schon bald aufwachen.“ *** Als Patrick anrief, transportierten sie gerade Alexandra ab, was Adrian mit Argusaugen beobachtete, ohne sie wirklich anzusehen. Natürlich ahnte er schon das Schlimmste, da sein Freund vermutlich noch immer bei Emily im Krankenhaus war, doch dieser beruhigte ihn, oder zumindest versuchte er es. Adrian würde im Augenblick nichts so leicht beruhigen. Er war völlig durch den Wind, am Ende seiner Kräfte und stand kurz davor, einfach durchzudrehen. Doch wieder einmal war es Emily, die ihn davor bewahrte, einfach überzuschnappen. Der Gedanke an sie, hielt ihn aufrecht, auch wenn er zugleich niederschmetternd war. Es ergab wie immer keinen Sinn, doch Adrian hielt ohnehin nichts mehr von Logik. Es gab Dinge auf der Welt, die hatte einfach keine Logik. Nachdem er aufgelegt hatte und Alex sicher in Gewahrsam war, machte Adrian sich schleunigst wieder auf den Weg zum Krankenhaus. Jetzt hielt ihn nichts mehr davon ab, an Emilys Bett zu sitzen, ihr die Hand zu halten und darauf zu warten, dass sie aufwachte. Was er schließlich auch tat, als er endlich ihr Zimmer betrat, an Patrick vorbei marschierte und sich neben ihrem Bett auf den Stuhl platzierte. Nicht nur aus reiner Bequemlichkeit, sondern weil er wusste, dass seine Beine ihn nicht mehr lange tragen würden. Er war vollkommen fertig. Zum Glück berichtete ihm Patrick davon, dass Emily wohl einmal kurz davor gestanden war, aufzuwachen, was ihm etwas Mut machte, doch bevor er es nicht mit eigenen Augen sah, würde er es nicht glauben können. Also lehnte er sich mit seinem halben Oberkörper und dem viel zu schweren Kopf auf ihr Bett, strich vorsichtig über ihre Hand und blickte ununterbrochen auf ihre Gesichtszüge, ob sich dort nicht doch etwas regte. Sprechen konnte er nicht mehr, obwohl er ihr gerne so viel gesagt hätte, doch irgendwie wäre alles sinnlos gewesen. Außerdem war sein Tränenspeicher wieder aufgefüllt, weshalb ihm permanent lautlose Tränen über die Wange liefen und in der Bettwäsche versickerten. Adrian nahm sie gar nicht wahr, fühlte nur noch die warme Haut unter seiner Hand und das Brennen in seiner Brust. Selbst seinen Freund blendete er vollkommen aus und reagierte gar nicht auf ihn. Da war jetzt nur noch Emily. Kapitel 32: 32. Kapitel ----------------------- Patrick hatte Adrians stumme Tränen erst nach einer Weile bemerkt. Er sah einfach völlig fertig aus und solange Emily nicht aufwachte, würde sich das wahrscheinlich auch nicht ändern. Am liebsten hätte Patrick seinem Freund über den Rücken gestreichelt, aber diesmal gab er dem Bedürfnis nicht nach. Hier ging es nicht darum Adrian zu trösten, sondern ihn auf seine Art mit der Situation fertig werden zu lassen. Immerhin war er so weit, dass er sich Emily näherte und ihre Hand nahm. Er hatte sogar so viel mehr getan, indem er diese psychisch labile Frau hinter Gitter gebracht hatte, die Schuld daran war, dass Emily hier im Krankenhaus lag. Leise stand Patrick auf und ging zur Tür, um die beiden allein zu lassen. Seine Beteuerung, dass er nicht weit weggehen würde, hörte Adrian bestimmt gar nicht. Diesmal war es anders. Sie hatte schlafen wollen, aber irgendetwas zwang sie dazu, aufzuwachen. Emily war sich sicher, dass jemand sich neben ihr bewegte. Ziemlich nah an ihrem Arm. Außerdem war da eine Hand, die ihre hielt. Als sie die Augen aufschlug, brannte ihr das Licht auf der Netzhaut, obwohl es gar nicht wirklich hell in dem Raum war und es war so anstrengend, dass sie sie eigentlich gleich wieder schließen wollte. Doch sie tat es nicht. Sogar noch mehr Anstrengung erforderte es ihren Kopf zu drehen, um endlich zu sehen, wessen Hand sie da umschlungen hielt. Als sie ihn sah, fing sie sofort an zu lächeln und drückte seine Hand noch etwas fester. „A…ian.“ Sie brachte sie keinen Ton heraus, aber das war ihr egal. Sie war überglücklich ihn zu sehen. Auch wenn sie im nächsten Moment erschrocken war, wie blass und abgekämpft er aussah. Außerdem hatte er geweint. Seine Augen sahen völlig verquollen aus und waren gerötet. Es kam Emily so vor, als wäre sie so weit von ihm entfernt gewesen, wie noch nie zuvor. Die Tränen, die sich in die Freiheit kämpften, konnten wohl am besten ihr überquellendes Herz zum Ausdruck bringen. Er sollte da nicht nur herum stehen. Er sollte nicht so traurig auf sie hinunter sehen. „Kommst … du … mir?“ Fast hätte man das als Flüstern durchgehen lassen können. Emily war es egal, ob die Krankenhausvorschriften irgendetwas darüber sagten. Adrian sah so müde aus, als hätte er mindestens zehn Tage nicht geschlafen. Er musste sich hinlegen und sie wollte ihn in den Armen halten. Ihre Hand war verdammt pelzig und schwer, aber irgendwie schaffte sie es, ihn ein wenig an sich heran zu ziehen. Er würde sie ein kleines Stück zur Seite schieben müssen und die Kabel waren sicher auch im Weg, aber Emily hätte sie sofort alle abgerissen, wenn sie Adrian dafür bei sich spüren konnte. „…müde aus…“ Ihr selbst fielen schon wieder die Augen zu, aber sie versuchte ihn so lange in ihrem Blickfeld zu behalten, wie sie konnte. Seine Hand würde sie sowieso nie wieder loslassen. Sie war wieder da. Sie war wieder bei ihm. So recht konnte er es noch nicht fassen. Erst als Tränen ihre Wange hinab strömten und sie etwas zu sagen versuchte, stand er leicht schwankend auf, um sich über sie zu beugen, ihr zärtlich die Tränen von den Wangen zu wischen und ihr einen Kuss auf die Stirn zu geben. Mehr wagte er im Augenblick nicht, da sie so zerbrechlich aussah, wie er sich fühlte. Als sie auch noch wollte, dass er zu ihr ins Krankenhausbett kam, da er vermutlich wie die Müdigkeit selbst aussah, schüttelte er leicht den Kopf. Schob den Sessel aber weiter ihr Bett nach oben, damit er seinen Oberkörper direkt neben ihrem Kopf ablegen konnte. Seine Hand hielt noch immer die ihre, während seine andere sanft und zärtlich über ihren Kopf streichelte. Emily hatte wenigstens versucht zu sprechen, auch wenn es ihr kaum gelang, Adrian brachte nicht einmal ein einziges Wort heraus. Dachte er zumindest, bis er seine Stirn an ihre Wange lehnte und in neue Tränen ausbrach, während er ihr mit bebenden Lippen zuflüsterte: „Ich liebe dich, Emily … Ich liebe dich so sehr … Geh nicht … Bitte verlass mich nie wieder … Ich … ertrage es … nicht noch einmal…“ Emily hatte seine Worte gehört, konnte ihren Ohren aber zunächst gar keinen Glauben schenken. Was Adrian ihr da sagte, schien wie eine Flutwelle auf sie einzustürzen. Ihn verlassen? Wieder? Aber sie hatte doch gar nicht… Was war denn nur…? Es war alles so verwirrend, dass ihr Kopf anfing zu schmerzen, wogegen nur Adrians Hand ein wenig half, die ihr sanft durchs Haar streichelte. „Sei … nicht traurig… Ich werd … nicht weggehen…“ Ihre Stimmbänder schienen nur aneinander vorbei zu kratzen, was höllisch wehtat und bewirkte, dass sie wieder ein wenig husten musste. Unter dem Brennen, das sich in ihrer Lunge ausbreitete, stöhnte sie leise auf und hielt sich mit der freien Hand die Brust über der Decke, bis sich ihre Atmung wieder beruhigt hatte. Aber selbst die Tatsache, dass es gleich wieder schmerzen würde, hielt sie nicht davon ab, Adrian mit der freien Hand über den Nacken und dann das Kinn hinunter zu streicheln. Leicht hob sie sein Kinn an, damit er ihre Lippen sehen konnte. Er sollte verstehen, was sie sagte, wenn er sie schon nicht hören konnte. „Ich liebe dich auch." *** Vor drei Tagen war Emily aus dem Krankenhaus entlassen worden. Und sie langweilte sich derart, dass sie bald die Wände hochgehen würde. Es war Wochenende und Adrian war entweder beim Arbeiten oder Emily zwang ihn, sich auszuruhen. Das endete jetzt schon seit drei Tagen so, dass sie den ganzen Tag im Bett oder auf der Couch herum lagen, DVDs guckten oder wenn Adrian nicht da war, las Emily in dicken Schmökern herum. Sie hatte sogar die Fütterung der Fische übernommen, allerdings hatte sie gestern gesehen, dass Adrian mit Argusaugen kontrolliert hatte, ob auch noch kein Fisch mit dem Bauch nach oben schwamm. Eigentlich ging es ihr ganz gut. Sie hätte noch ein wenig im Krankenhaus bleiben können, aber dann wäre sie vermutlich an Langeweile gestorben, auch wenn sie jeden Tag Besuch bekam. Sie hatte einfach in ihre vier Wände zurückkehren wollen und die Ärzte hatten ihr bestätigt, dass das auch in Ordnung sei. Sie sollte nur zu große Anstrengungen vermeiden und sich ausruhen. Für Emily hätte das normalerweise so viel bedeutet wie: Gehen sie keine Langstrecken laufen oder Tiefseetauchen, aber Adrian war da anderer Meinung und kettete sie mehr oder weniger in der Wohnung fest. Gestern hatte sie ihn mehr oder weniger aus der Wohnung und zur Arbeit gejagt, damit er ihre schlechte Laune nicht ausbaden musste. Schmunzelnd sah sie zu den Fischen hinüber und klappte das Buch zu, das sie auf ihren Knien balancierte. Er war ja so süß, wenn er sich so um sie kümmerte. Aber Emily fühlte sich nicht schlecht. Sie musste nicht bemuttert werden, das hatte man im Krankenhaus viel zu lange getan. Wie sollte das nur in den beiden folgenden Wochen werden, die sie noch von der Arbeit krank geschrieben war? Sie durfte raus gehen und Spaziergänge unternehmen, aber zu viel sollte sie auch nicht tun, damit niemand aus dem Museum sie sah, wenn sie doch eigentlich das Bett hüten sollte. Also würde sie wieder mit Adrian ausschlafen und dann weiter sehen. Zu einem Spaziergang konnte sie ihn sicherlich überreden. Und wenn sie ehrlich war, genoss sie es auch sehr, in so nah bei sich und ständig um sich zu haben. Im Krankenhaus waren sie sich nie wirklich nahe gewesen, obwohl er sie täglich besucht hatte. Am liebsten hätte sie sich jederzeit an ihn geschmiegt, nur um seine Wärme zu spüren, auf die sie so lange hatte verzichten müssen. Aber Adrian behandelte sie wie ein rohes Ei. Als könnte sie unter seinem Arm zerbrechen, wenn er sie nachts an sich zog. Irgendwie musste sie ihm klar machen, dass es nicht so war. Gegen Mitternacht, als der zweite Thriller im Fernsehen vorbei war, ging sie unter die Dusche und ins Bett. Eigentlich war sie nicht sonderlich müde, weil sie den ganzen Tag nichts gemacht hatte, also versuchte sie auf Adrian zu warten. Um zwei Uhr war sie doch eingeschlafen. Das Wochenende nach Emilys Unfall hatte Adrian sich krankgeschrieben. Er wäre auch ganz und gar nicht dazu in der Lage gewesen, seine Schicht zu überstehen. Bestimmt wäre er schon nach einer Stunde zusammen gebrochen oder hätte sich so ungelenk bewegt, dass sich alle gefragt hätten, was dieser Nichtskönner da auf der Bühne überhaupt zu tun hatte. Adrian war die Pause ganz recht, denn auch wenn er es nie zeigte, so erholte er sich nur sehr langsam, von den Anstrengungen der ersten Tage, während er sich so gut er konnte, um Emily kümmerte. Überhaupt könnte man schon meinen, er wäre regelrecht von ihr besessen. Wenn er in ihrer Nähe war, wollte er ständig irgendetwas für sie tun, sie umsorgen, sie pflegen, ihr gesellschaftleisten und ihr total auf die Nerven gehen, auch wenn Letzteres eher unbeabsichtigt war. War er jedoch einmal nicht bei ihr, kreisten ständige seine Gedanken um sie. Ob sie alles hatte, was sie brauchte? Wie es ihr wohl ging? Würde sich ihr Zustand vielleicht doch mit einem Mal verschlechtern, statt zu verbessern? Was wenn irgendetwas nicht mit ihren Werten stimmte? Doch am Schlimmsten war da die Angst um sie. Sie fraß ihn jede Nacht auf, wenn sie ihn schließlich nach Hause schickte, damit er sich ausruhen konnte. Aber sie wusste nicht, dass er selbst dann nicht sehr gut schlief und immer wieder von Alpträumen geplagt wurde. Er hatte so schreckliche Angst, sie zu verlieren, dass es ihn fast schon wahnsinnig machte. War es denn nicht immer so? Ging es einmal so richtig bergauf, kam dann nicht auch schon die Abwärtsspirale? Bedeutete das dann nicht, dass er im Augenblick seines größten Glücks wieder alles verlieren würde? Dabei wusste Adrian sehr wohl, dass Alex nicht mehr auftauchen würde. Sie saß in der Psychiatrischen fest und würde dort auch für sehr lange Zeit nicht mehr heraus kommen. Dann aber fragte er sich, ob es ihr nicht doch irgendwie gelang, zu entkommen, nur um ihr Werk zu beenden. Adrian wusste selbst, dass diese ganzen Gedanken, Sorgen und Ängste Großteils absolut unberechtigt waren, dennoch konnte er sich nur sehr langsam wieder entspannen und die Sorgen einmal ruhen lassen. Er wusste einfach nicht, wie er dagegen angehen konnte, außer einfach jeden Tag aufs Neue zu erleben, wie die Welt in Ordnung war und das es nichts gab, was er fürchten müsste. Doch schon einmal war sein Weltbild in seinen Grundfesten erschüttert worden. Wie sollte er das jemals vergessen? Wenigstens gab ihm Emily Halt. Solange er bei ihr war, waren seine Ängste gemildert, da er wenigstens dabei sein würde, sollte etwas passieren. Vielleicht würde er dann in der Lage sein, etwas zu unternehmen. Doch die Zeiten ohne sie waren umso härter. Aber auch damit würde er irgendwann klar kommen. Bis die Routine des Alltags ihn wieder hatte, konnte es noch etwas dauern, aber die Schienen dafür waren gelegt. Es würde wieder alles gut werden. Dennoch, mit einem hatte er immer noch Recht. Sollte Emily ihn jemals verlassen, auf welche Weise auch immer, er würde es nicht verkraften. Sie war zu seinem Leben geworden. Auch wenn er ihr diese Bürde niemals so deutlich auferlegen würde. Selbst das Tanzen war für ihn keine Therapie mehr, hielt es ihn doch davon ab, bei Emily zu sein. Dennoch gab er den Job nicht auf, denn es war eine solide Instanz in seinem Leben, die er brauchte, um sich im Alltag neu zurecht zu finden. Umso erleichtert war er dafür jedes Mal, wenn er endlich Heim kam, sich unter die Dusche stellte und dann zu Emily ins Bett kroch. Inzwischen hatte sich so etwas wie ein festes Muster entwickelt. An den Wochenenden, wo er arbeiten musste, wartete sie in seinem Bett. Wenn er aber unter der Woche zuhause war, schliefen sie in dem von Emily. So kam keines der Betten zu kurz und es machte auf seine Weise Spaß. Auch wenn Adrian deutlich spürte, das Tag X kommen würde und zwar sehr bald. Mit Tag X meinte er den Augenblick, an dem Emily sich dazu bereit erklärte, wieder fit genug zu sein, um ihm näher zu kommen, als nur Umarmungen und Küsse. Sie hatten noch nie miteinander geschlafen und für Adrian war diese Tatsache nun noch weiter entfernt als bisher. Sein Verstand sagte ihm, dass sie bald vollkommen gesund sein würde und selbst jetzt schon kleine Anstrengungen verkraften konnte, aber sein Geist sperrte sich gegen dieses Wissen. Jedes Mal wenn er daran dachte, schob sich dieses Bild vor seine Gedanken, wie sie zerbrechlich und bleich in den Laken des Krankenhausbettes lag, von Kabel, Schläuchen und Monitoren eingekeilt. Auch das hatte er Emily bisher verschwiegen, aber lange konnte er es nicht mehr verheimlichen. Nicht wenn Tag X gekommen war. Es war Montagmorgen, als er sich zu Emily ins Bett legte, sie in seine Arme zog und versuchte, seine endlosen Gedanken endlich wieder zum Schweigen zu bringen. Sie war vielleicht müde genug, um kurz darauf wieder einzuschlafen, er jedoch brauchte nun immer sehr lange dafür. Da er dabei aber meistens die Augen schloss, fiel es nicht so sehr auf. Auch wenn Adrian es nicht zugeben wollte, Alex hatte auf ihre Weise bekommen, was sie wollte. Nichts war mehr so, wie es vorher war. Es schien sogar noch komplizierter geworden zu sein. Kapitel 33: 33. Kapitel ----------------------- Emily schlug die Augen auf und sah auf den Wecker. Eigentlich hatte sie doch wach bleiben wollen, aber sie hatte nicht einmal mitbekommen, wie Adrian nach Hause gekommen war. Es war gegen zehn und Emily putzmunter. Sie überlegte, ob sie aufstehen, Frühstück machen und duschen gehen sollte, um Adrian weiter schlafen zu lassen. Aber sie entschied sich dagegen. Stattdessen rutschte sie eng an ihn heran und küsste ihn auf die Wange. Von ihm kam keine Reaktion. Nicht mal ein Zucken seiner Augenlider oder eine winzige Bewegung. Wie immer schlief er wie ein Stein. Dabei sah seine Haltung einigermaßen unbequem aus. Er lag auf dem Bauch, hatte die Arme unter dem Kissen verschlungen und das Ganze irgendwie unter seinen Kopf gestopft. Es war reine Neugier, was Emily dazu verleitete die Decke anzuheben, unter der sie beide lagen, und sich seinen Körper anzusehen. Ihr kam es so vor, als hätte sie das schon ewig nicht mehr getan. Vielleicht sogar noch nie so bewusst wie jetzt. Sein Shirt war hoch gerutscht, so dass ein Stück Rücken zwischen diesem Stoff und dem seiner Short hervorschaute. Emily rutschte ein Stück die Matratze hinunter und streichelte mit der Hand über diese nackte Stelle an seinem Rücken. Sogar hier hatte er Sommersprossen. Sie suchte sich eine besonders runde auf seiner Seite heraus und drückte einen Kuss darauf. Wenn das die anderen bloß nicht neidisch machte, dachte sie mit einem Grinsen. Mit diesem Stück Haut an seinem Rücken und seinen nackten Beinen war sie noch nicht zufrieden. Trotzdem ließ sie ihre Finger erstmal an seinem Bein hinab wandern, bis zu seiner Kniekehle und dann auf dem anderen Bein wieder hinauf. Hatte er sich doch bewegt? Emily hielt kurz inne, entschied dann aber doch, dass sie sich das leichte Zucken nur eingebildet haben musste. Wie ein kleines, neugieriges Wesen kletterten ihre Finger weiter nach oben, bis sie das Bein seiner Shorts erreicht hatten. Dort machten sie halt und Emily prüfte sozusagen die Lage, indem sie den lästigen Stoff ein wenig nach oben schob. Wieder war da eine besonders runde Sommersprosse, die es beinahe darauf anlegte, geküsst zu werden. Emily war sich mit ihren Fingern einig, dass es unter der Shorts noch mehr solcher Sommersprossen geben musste. Also schob sie Adrians Beinkleid so weit sie konnte nach oben und sah sich interessiert die Pobacke an, die sie dabei freilegte. Am liebsten hätte sie hinein gebissen, aber das fand sie dann doch etwas unfair. Also begnügte sie sich damit, die Sommersprossen mit Küssen zu bedecken, von denen sich gleich vier auf Adrians Hinterteil versammelt haben mussten. Nun musste sie auch seine zweite Pohälfte erkunden. Rein aus Symmetriezwecken natürlich. Wieder kicherte sie leicht in sich hinein und schob den Stoff nach oben. Adrian träumte davon wie er in seinem alten Bett bei seinen Eltern lag und wieder einmal seinen Frust am Kopfkissen ausließ, in dem er daran herum biss und sich überlegte, was er mit den kostbaren Stunden der Nacht anstellen konnte, wo alle dachten, er würde schlafen. Irgendetwas verschob die Decke unter der er lag, aber da das hier ein Traum war, ließ ihn das völlig kalt. Lieber kaute er weiter an dem Kissen herum, das inzwischen den Geschmack von heißen Himbeeren angenommen hatte. Mhmmm … lecker. Heiße Liebe mit ganz viel Vanilleeis. Etwas schien über seinen nackten Rücken zu streichen. Fühlte sich warm und auch etwas feucht an. War das Figaro? Der kleine weiße Pudel, der einem fast noch mehr leid tun konnte als Adrian, da er diese vollkommen gestörte Frisur über sich ergehen lassen musste, obwohl er eindeutig ein Rüde war? Könnte sein. Egal. Adrian mochte den Hund. Wäre nicht das erste Mal, dass der seinen Sabber auf ihm verbreitete, auch wenn er sich dieses Mal stark zurück zuhalten schien. Stattdessen nahm er noch einen kräftigen Mund voll Heißer Liebe und seufzte vergnügt. Dann fiel ihm ein, dass er dazu gerne auch etwas zu knabbern hätte. Schokowaffeln oder so etwas in der Art. Ein Kichern entkam ihm, als Figaro ihn an den Kniekehlen besabberte, was verdammt kitzelte. Unwillig versuchte er der Bewegung zu entkommen, doch da erschien auch schon ein Teller Brownies auf seinem Nachttisch, wonach er sofort griff. Seltsam, wieso rochen sie nicht wie Brownies sondern nach … Blüten, etwas fruchtigem, zugleich dezent und zart. Es gab keinen Namen dafür. Egal, er mochte diesen Geruch, weshalb er zufrieden in den Brownie biss und genussvoll stöhnte. Das ist war aber auch einfach zu lecker. Leicht überrascht über das komische Gefühl an seinem Hintern, drehte er sich etwas zur Seite, schloss aber wieder die Augen, um den Brownie zu genießen und zugleich in diesen herrlichen Duft abzugleiten, in den sich sein Kissen plötzlich verwandelte. Langsam dämmerte es Adrian, dass das unmöglich Figaro sein konnte, der da unter der Decke zu Werke ging. Da waren keine kalte Schnauze, keine sabbernde Zunge und auch nicht dieser deutliche Geruch nach Hund. Da war nur dieser aphrodisierende Duft überall auf ihm und um ihn. Aber was war da noch? Hände? Das Gefühl von Haaren, die über seine Haut glitten? Oh vielleicht könnte das einer dieser Träume werden, von denen Tyson ihm immer gerne erzählte. Und von denen er auch ab und zu schon welche gehabt hatte. Allerdings hatten die sich bisher anders geäußert. Egal, er wollte nicht wählerisch sein, immerhin war das um so viel besser. Der Geschmack von diesem Duft lag ihm sogar auf der Zunge. Mehr, er wollte mehr davon haben. Adrian drehte sich im Schlaf auf die Seite und seufzte immer wieder vor sich hin, hatte dabei aber ein sehr zufriedenes Gesicht aufgesetzt. Allerdings konnte man in dieser Position sehr deutlich erkennen, wovon kein gesunder Mann im Schlaf verschont blieb. Emily hatte ihre Hände von ihm genommen, als Adrian sich umdrehte. Wahrscheinlich war es ihre Schuld gewesen, aber damit konnte sie leben. Immerhin war er noch nicht einmal aufgewacht. Sie hatte kurz unter der Decke hervor gesehen, um sich dessen zu vergewissern. Kurz überlegte sie, ob sie doch wieder nach oben kommen und aufstehen sollte. Aber sie hatte inzwischen ein Ziel und außerdem machte das hier so viel mehr Spaß, als aufzustehen. Eigentlich war es ja unfair, dass Adrian gar nichts davon mitbekam, was sie hier tat, aber sie hatte ja nicht vor, ihm wehzutun. Diesmal schob sie sein Shirt ein wenig nach oben. Weit konnte sie es nicht bewegen, da er darauf lag, aber es ließ sich doch ein fast befriedigend großes Stück Bauch frei legen, auf dem sie mit ihren Fingern große Achten zog. Dann lehnte sie sich vor und drückte ihr Gesicht leicht an seine Muskeln, um seinen Duft einzuatmen. Er war so schön warm und roch so gut. Ein wenig neckisch schleckte sie an der Haut kurz über seinem Bauchnabel, um zu testen, ob er genauso gut schmeckte, wie er roch. Die Kombination verwirbelte ihr fast die Sinne. Sie küsste ihn unter einem kleinen zufriedenen Seufzen. Nicht von selbst oder aus Automatismus, sondern weil sie es wollte, wanderten ihre Lippen zu seinen Hüftknochen und sie leckte auch dort vorsichtig über seine Haut. Erst als sie sich ein wenig zurücklehnte, um seinen Körper wieder besser betrachten zu können, bemerkte sie etwas, das eine ihrer Augenbrauen nach oben wandern ließ. Emily war klar, dass nicht sie oder ihre Berührungen der Grund für die Reaktion waren. Reine Biologie. Aber trotzdem feuerte es sie nur noch mehr dazu an, ihre Finger wandern zu lassen. Zuerst nur einen, dann beide Zeigefinger schob sie unter den Bund seiner Short und zog sie ein Stück herunter. Wieder blockierte sein Körper, der auf dem Stoff lag, aber Emily sah sich trotzdem interessiert das an, was sie an die Oberfläche befördert hatte. Mit einem Finger hielt sie den Bund der Short nach unten, damit ihre Fingerspitze der anderen Hand einen sanften Kreis fahren konnte. Es waren keine Sommersprossen zu sehen. Aber dafür konnte Adrian ja nichts und Emily entschied sich, dass es nicht nett gewesen wäre, ihn nur deswegen an dieser Stelle ohne Kuss zu lassen. Während sie ein wenig an seinem Bauchnabel leckte und an der zarten Haut knabberte, fuhr ihre Hand in forschender Mission von vorn in das Bein seiner Shorts und kraulte ein wenig die weiche Haut zwischen seinen Beinen. Diesmal kicherte sie grundlos, aber es wunderte sie einfach so sehr, dass ihn all das nicht aufwecken konnte. Wahrscheinlich würde sie bald sogar enttäuscht sein, wenn ihre Mission ohne Erfolg zu Ende gehen sollte. In Adrians Traum schien jemand die Zimmertemperatur stark nach oben gedreht zu haben. Denn obwohl er sich schon längst die Decke vom Körper gestrampelt hatte, war ihm immer noch so heiß, als läge sie immer noch auf ihm. Aber nicht nur das. Da waren feingliedrige Hände auf seinem Körper und etwas, dass sich wie weiche Lippen anfühlte. Oh ja, das war ein sehr guter Traum. Wenn das so weiter ging, konnte er es garantiert mit denen von Tyson aufnehmen. Nur dass in seiner Vorstellung keine vollbusigen Blondinen um ihn herum ciercten und ihm in kleinen knappen Hausmädchenkostümen alle Wünsche von den Augen ablasen. Zwar hatte es in Adrians ‚Gefängnis‘ auch Dienstmägde gegeben, aber die waren garantiert nicht sein Typ gewesen, war doch keine jünger als Dreißig und auch wenn er es sich nicht hundertprozentig bewusst war, so lag hier sein sechzehnjähriges ich im Bett und träumte von unanständigen Dingen. Ob unanständig oder nicht, es gefiel ihm und nur das zählte für ihn. Weshalb er sich nicht gegen die Berührungen sperrte, sondern ihnen viel mehr entgegen kam. Er machte Platz, wo er glaubte, eine Geste oder dieses … Lecken zu behindern. Drehte sich sogar von der Seite langsam in die Rückenlage und erschauderte merklich, als etwas seine Hoden kraulte. Allerdings schien ihm diese Geste auch den Traum entreißen zu wollen. Adrian spürte deutlich, wie er drohte, aufzuwachen, denn sein Bewusstsein kam langsam durch die Nebel seines Schlafes durch. Das Bett seiner Jugend verwandelte sich in das Bett seiner Gegenwart. Der Duft war ihm nun vertrauter als je zuvor und er konnte ihn endlich beim Namen nennen. „Emily…“, seufzte er flüsternd, ohne jedoch diesen Dämmerzustand zu verlassen. Allerdings war er nun dazu in der Lage, etwas gegen diese Hitze zu unternehmen, in dem er vor sich hin murmelte, die Decke packte und von sich zog. Allerdings kam er mit dieser Bewegung nicht sehr weit, was ihn auch nicht unbedingt störte. Hauptsache sein Oberkörper war nicht mehr davon bedeckt. Also konnte er sich wieder diesen prickelnden Empfindungen hingeben. Unter der Decke horchte Emily, weil sie glaubte, Adrian hätte ihren Namen genannt. Aber sicher war sie sich da nicht, denn sein Murmeln wurde durch die Bettwäsche so sehr gedämpft, dass sie kaum etwas verstehen konnte. Das änderte sich auch dann nicht, als Adrian sich auf den Rücken drehte und die Decke von seinem Oberkörper schob. Beinahe hätte seine Hand Emilys Kopf gestreift, aber sie hatte sich an seine Hüfte geschoben, wo sie nun immer noch lag und an seine Haut atmete. Bedächtig kraulte sie ihn weiter, zog langsam kleine Kreise auf seiner empfindlichen Haut, bis ihr allmählich zu warm wurde. Um Luft zwischen ihre Körper zu lassen, schob sie sich ein wenig von ihm und klappte die Decke über ihrem Kopf so um, dass eine Lücke entstand, durch die Frischluft kam. Außerdem konnte sie so wieder besser sehen, was ihr sehr gut gefiel. Adrians 'kleiner' Freund lag immer noch ausgestreckt halb im Freien, da Emily ihn immer noch nicht ganz von der Shorts befreien konnte. Aber ein wenig mehr Luft konnte sie ihm verschaffen. Während sich ihre Hand in seiner Hose ganz um seine Hoden legte und die Fingerspitzen seine Erektion ein wenig massierten, fuhr sie mit dem freien Zeigefinger unter den Bund seiner Shorts und zog ihn so weit herunter, wie sie konnte. Es durfte doch bitte nicht so schwierig sein, ihn von diesem Stück Stoff zu befreien… Emily entschloss sich heute einmal die Prinzessin zu sein und ihren Prinzen wach zu küssen. Allerdings in einer Version, die sie ihren Kindern sicher nie vorlesen würde. In kleinen Kreisen leckte sie von Adrians Bauchnabel nach unten, bis sie auf seine Erregung traf und diese in gleicher Art behandelte. Vielleicht musste sie zuerst ihn wach küssen, damit Adrian aufwachte? Das sollte kein Problem sein. Emily nahm sich Zeit, küsste an der glatten, zarten Haut hinunter, die sich um die Muskeln spannte, streichelte mit beiden Händen darüber, um dann ihre Lippen wieder nach oben wandern zu lassen. Inzwischen schien sich auch der Besitzer des Körperteils, dem sie hier ihre Aufmerksamkeit schenkte, immer mehr zu regen. War es ein Traum? War es Wirklichkeit? Adrian war hin und her gerissen, zwischen dem was er fühlte und dem was er glaubte zu wissen. Er war definitiv nicht vollkommen wach, aber fühlten sich Träume so echt auf der Haut an? Leise stöhnend begann er sich zu winden, als nun nicht nur die weiche Haut seines Gehänges verwöhnt wurde, sondern sich auch deutlich etwas an seiner härter werdenden Erektion zu schaffen machte. Dann waren da auch immer wieder dieses sinnliche Lecken über seine Bauchmuskeln und der warme Atem auf seiner Haut. Als er schließlich auch noch eine heiße Zunge direkt auf dem Gipfel seiner empfindlichsten Stelle spürte, fühlte er sich wieder an den Tag in der Küche zurück versetzt, wo Emily ihn auf eine Weise verwöhnt hatte, bei der er nicht gedacht hätte, dass es ihm jemals gefallen würde. Aber alles was sie mit ihm anstellte, gefiel ihm. „Emily…“, flüsterte er wieder ihren Namen, während er den Kopf unruhig hin und her drehte. Mit aller Gewalt, wollte er in diesem schönen, sorgenfreien Traum bleiben, aber andererseits trieb ihn etwas immer mehr in den Wachzustand, bis es nicht mehr zu verhindern war. Adrian wachte auf, während er verwirrt über seinen seltsamen Traum die Stirn runzelte und zu gleich zu begreifen versuchte, warum es sich immer noch so anfühlte, als könne er die Hände, Lippen und diese fantastische Zunge auf seiner Haut spüren. Mit geschlossenen Augen begann es ihm zu dämmern. Er atmete etwas schneller. Ihm war heiß. Da war dieses heftige Flattern in seinem Bauch. Sein Puls raste. Glückshormone wurde ausgeschüttet und er war mehr als nur deutlich erregt. Das musste er nicht einmal sehen, um es zu wissen. Oder um zu erfahren, wem er diesen Zustand zu verdanken hatte. Langsam glitt seine Hand seine Seite hinab, unter die Decke, wo er auf weiches, seidiges Haar traf, in das er seine Finger vergrub, als Emily ihm ein heftiges Prickeln durch seine Lenden jagte und er sich überrascht aufbäumte und dabei nicht nur die Augen aufriss, sondern auch seinem Mund wollte ein tiefer, männerlicher Laut der Lust entkommen, den er sich gerade noch verbeißen konnte. Tag X war also gekommen und in seinem derzeitigen Gefühlszustand schien ihm das gar nicht mal so schlimm zu erscheinen. Allerdings war er sich auch nur zu deutlich bewusst, dass schon wieder Emily es war, die ihn verwöhnte. Ungefragt zwar, aber jetzt wo er wach war, konnte und wollte er etwas daran ändern. Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, konnte er Tag X noch etwas hinaus zögern. Er wollte nicht, dass sie sich zu sehr anstrengte. Also richtete er sich leicht auf seinen Ellenbogen auf, schlug die Decke zur Seite und musste schmunzeln, da es so richtig nach Ertappen aussah, was sie da tat. „Dir auch einen schönen guten Morgen. Mein Freund und du haben sich wohl schon begrüßt.“ Oh ja und wie sie das getan hatten. Trotzdem zog er sie an den Schultern zu sich heran und legte sie halb auf seinen Brustkorb, während er sich wieder in die Kissen sinken ließ. Noch immer leicht lächelnd, aber auch mit einem Gefühl von Aufregung im Magen, küsste er diese köstlichen Lippen, deren Geschmack er niemals überdrüssig wurde. Erst war es nur ein leichter Kuss zur Begrüßung, doch schnell wurde er wieder hungrig nach mehr, erst recht, da sie ihn schon so entfacht hatte, dass er ohnehin noch mehr als das wollte. Viel mehr. Obwohl er wusste, dass er nicht so viel verlangen sollte. Dennoch legte er Emily schließlich neben sich in die Kissen, beugte sich über ihren Körper und ließ rasch seine Lippen ungefragt, ihren Hals entlang gleiten. Seine Zunge schmeckte sie genüsslich an jedem einzelnen Zentimeter ihrer Haut. Adrian konnte weder seine Zunge, seine Lippen noch seine Hände stoppen. Emily hatte ihn im Halbschlaf mehr erregt, als er gedacht hätte, denn dort war die Welt sorgenfrei gewesen und irgendwie schien auch jetzt noch alles abgerückt zu sein. Weshalb er seine Hände auch forsch unter ihr Pyjamaoberteil schob, um die weiche und warme Haut ihres Bauchs, ihrer Seiten und vor allem ihrer Brüste zu spüren, die wenigstens einmal nicht von einem BH befreit werden mussten. Als er seine Daumen über die samtenen Brustwarzen gleiten ließ, entkam ihm ein zufriedenes Stöhnen. Das fühlte sich einfach so richtig an, dass es einfach nicht falsch sein konnte. „Guten Morgen. Wir dachten, wir fangen schon mal ohne dich an. Willst du mitmachen?“ Er wollte. Emily war fasziniert, wie leicht er sie bloß an den Schultern auf sich ziehen konnte. Natürlich war er größer als sie, aber sie hatte sich noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht, dass er auch so viel stärker war. Allerdings drückte er sie schließlich sehr sanft in die Kissen, um sich aus ihrem Kuss zu lösen und ihren Hals mit Berührungen zu liebkosen, die ihr Schauer durch den Körper jagten. Dazu trug auch bei, dass sie seine Erregung an ihrem Körper entlang streichen spüren konnte, als er sich über sie beugte. Emily wollte ihm gar keine Zeit gönnen, sich wieder zu entspannen. Das Spielchen gefiel ihr und Adrians Hände, die sehr zielstrebig unter ihr Oberteil wanderten, um über ihre Brüste zu streicheln, entlockten ihr ein Lächeln. Ihre Hände hatten schon vorhin unter der Decke Erkundungen durchgeführt, weswegen sie jetzt nicht langsam vorgehen wollten. Sanft, aber bestimmend schob sie ihm die Shorts vom Po, was Dank der Tatsache, dass sie ihm vorn schon halb abhanden gekommen waren, bedeutete, dass sie ihm bis auf die Oberschenkel rutschten. Zunächst begnügte Emily sich damit, ein Bein um Adrian zu schlingen und seine Pobacken mit ihren Fingern zu massieren und zu streicheln. Ab und zu wanderten sie ein wenig seinen Rücken hinauf, um dann aber wieder zu seinem Hintern zurückzukehren. Seine Muskeln fühlten sich so gut unter ihren Fingerkuppen an, dass sie ihn an dieser Stelle gar nicht ausgiebig genug berühren konnte. Während sie diesen Teil seines Körpers erkundete, kümmerte sich Adrian unter ihrem Schlafanzug um ihre empfindlichen Brustwarzen, die durchaus auf seine Berührungen ansprangen. Emily vergrub ihr Gesicht in Adrians Haaren, die ihm etwas wuschelig vom Kopf abstanden und schnurrte leise an sein Ohr. Schon jetzt wollte sie ihn so nah bei sich spüren, wie noch nie. Mit den Händen um seinen Po, zog sie ihn noch näher an sich heran und schlang nun beide Beine um ihn. Sie wusste nicht genau, ob er die Wärme ausstrahlte oder sie mit seinen prickelnden Berührungen auf ihrer Haut erzeugte, aber Emily wäre es lieb gewesen, wenn sie bald beide aus ihren Klamotten heraus gekommen wären. Kapitel 34: 34. Kapitel ----------------------- Sein Widerstand war noch da, bröckelte aber immer mehr, je mehr nackter Haut Adrian von Emily frei legte und ihr Duft ihn umhüllte, als würde es sein Gehirn benebeln. Oh Mann, wie sehr er es doch mochte, wenn sie seinen Hintern auf diese Weise bearbeitete! Zugleich trieb es ihn an, ihr das Pyjamahemd bis zum Hals hoch zu schieben, um ihre nackten Brüste freizulegen, über die sein Mund sogleich hungrig herfiel. Es gab keine Zweifel daran, dass Adrian es liebte, einfach nur in Emilys Nähe zu sein. Kuscheln, Küsse und Umarmungen waren das, wovon er jeden Tag aufs Neue lebte. Emily war sein täglich Brot, seine Luft zum Atmen, die Wärme, welche die leere Kälte in seinem Inneren vertrieb. Würde sie ihm nur das geben, er könnte nicht glücklicher sein. Aber trotz all der Bedenken, der Sorge um sie und seiner Ängste, war da auch immer das Bedürfnis ihr immer noch näher zu sein. Manchmal kam es ihm sogar so vor, als würde er sie mit seiner Präsenz erdrücken. Würde er es nicht immer wieder erleben, wie sie ihn auf diese ganz besondere Weise ansah, ihm dieses wärmende Lächeln schenkte und ihn immer wieder auf eine Art berührte, die sowohl seinen Körper, als auch seine Seele streichelte, er könnte nicht glauben, dass sie ihn wollte. Zumindest nicht so sehr, wie er sie wollte. Und dass er sie wollte, war nur zu offensichtlich. Keine Frau begehrte er bisher so sehr wie sie und bestimmt würde es auch niemals eine nach ihr tun. Sein Herz gehörte ihr. Für immer, wenn sie es denn wollte. Als Emily nun auch ihr zweites Bein um ihn schlang, presste sie dadurch seine Härte der Länge nach gegen ihren Schoß. Selbst durch den dünnen Stoff hindurch konnte er ihre Hitze spüren und nicht nur das. Sein Rücken wölbte sich, da sonst sein Mund von ihren Brüsten hätte ablassen müssen, jetzt da sie ihn so umklammert hielt. Dabei rutschte seine Shorts noch weiter die Oberschenkel hinab, bis er sie kurzerhand irgendwie von sich strampelte, ohne genau zu wissen, wie genau ihm das gelungen war. Auch Emily zog er kurzerhand das Hemd über den Kopf und warf es auf den Boden, ehe sein Schlafshirt ihrem Kleidungsstück folgte. Es würde ohnehin nur stören und das wollte er auf keinen Fall. Adrian seufzte bei dem Gefühl seiner Haut auf ihrer auf, als er sich wieder auf sie herabsenkte und gerade noch so an ihren Hals kam, während er sich auf seinen Unterarmen neben ihr abstützte. Es fühlte sich so an, als würde warmer Samt seinen Körper sinnlich umschmeicheln, wobei sich ihr Duft langsam mit dem seiner Haut vermischte und eine völlig neue Kreation hervor brachte, die ihm nun wirklich die Sinne vernebelte. Worüber hatte er sich noch mal schnell Sorgen gemacht? Darüber, dass sich Emily überanstrengen könnte? Dann würde er wohl einfach gut für sie sorgen müssen. So einfach war das. Adrians Körper drehte sich mit ihr halb auf die Seite, damit seine Hand ihren Rücken entlang zu ihrem Gesäß streicheln konnte. Unterdessen spielte seine Zunge neckisch mit ihrer und zugleich doch deutlich klarmachend, wie sehr er sie wollte. Seine Hand massierte ihren Po, während er ihre ganzes Becken dadurch enger an seines drückte. Sie hatte noch immer ihre Pyjamahose an, für die er im Augenblick gemischte Gefühle empfand. Einerseits war er froh über dieses einzige Hindernis, das ihn davon abhielt, sie hier und jetzt auf der Stelle zu nehmen, andererseits machte es ihn halb wahnsinnig, die lockende Hitze zwischen ihren Schenkeln auf seiner pulsierenden Erregung zu spüren und dennoch nicht darin versinken zu können. Dass seine Hüften sich eher selbstständig an ihr rieben, machte die Sache wirklich nicht besser. Weshalb er schließlich nach Atem schnappend sich von ihren Lippen löste und Emily leicht keuchend ansah. „Bitte…“, begann er, musste dann aber erst einmal schlucken, um sich einen Moment zur Besinnung rufen zu können. Auch wenn ihm das kaum gelang. „Bitte, Emily… Darf ich… Lässt du mich … dich küssen? Hier meine ich…“ Seine Hand glitt von ihrem Po ausgehend um ihre Hüfte herum und versuchte dann irgendwie Platz zwischen ihnen zu finden. Doch schließlich war alles so arrangiert, dass seine Hand direkt auf ihrem Venushügel lag, was ihn buchstäblich zum Zittern brachte. Emily hatte ja keine Ahnung, wie sinnlich und begehrenswert sie auf ihn wirkte. Genauso wenig wie sie wusste, dass er gerade etwas tun wollte, dass er für gewöhnlich hasste. Doch seltsamerweise ergriff erregende Vorfreude von ihm Besitz, als er es sich lediglich in Gedanken vorstellte. Beinahe hätte ihn das alleine ein Stöhnen abgerungen, weshalb er sich stattdessen auf die Unterlippe biss und darauf wartete wie Emily sich entscheiden würde. Adrian wusste aus Erfahrung, dass es Frauen gab, die das nicht tun wollten, für andere hingegen gehörte es zum Standardprogramm. Es gab unzählige Möglichkeiten, doch die einzige auf die es ankam, war die von Emily. Ganz automatisch stimmte sie ein wenig in die Bewegungen seines Beckens ein und konnte ihn durch den Stoff ihrer Hose durchaus deutlich spüren. Kurz bevor ihr vor Sauerstoffmangel schwarz vor Augen werden konnte, lehnte Adrian sich zurück und sah sie mit seinen eisblauen Augen ziemlich durchdringend an. Auf seine Frage war sie keinesfalls vorbereitet gewesen. Vor allem, weil er sie gebeten hatte. Hätte er gefragt, ob er es tun ‚sollte’, wäre Emily die Lust sicher sofort vergangen. Sie wollte sich nicht wie eine seiner ehemaligen Kundinnen vorkommen. Augenblicklich ärgerte sie sich über diesen Gedanken. Das war doch schon Geschichte. Außerdem sah Adrian erstaunlicher Weise so aus, als wäre er ein kleiner Junge, der vor dem Schaufenster eines Süßigkeitenladens wartete, der endlich geöffnet wurde. Also nickte Emily ganz sacht und sah ihm dabei in die Augen. Leider würde das bedeuten, dass er ihr seine Körperwärme entzog, aber der Teil ihres Körpers, auf dem seine Hand gerade ruhte, schrie ihr zu, dass ihr schon schnell warm genug sein würde. Als Emily einwilligte, überschlug sich sein Herz fast vor Freude und Spannung. Weshalb er sie noch einmal in einen stürmischen Kuss zog, ehe er sich langsam ihren Körper hinab schob. Er musste sich einen Moment lang komplett von ihr lösen, um ihr die Hose ausziehen zu können. Vielleicht hätte er nicht so direkt dabei vorgehen sollen, aber sag einem Kind es soll nicht von der Schokoladencremetorte naschen, die direkt vor seiner Nase steht und es wird es erst recht tun. Nachdem nun auch noch das letzte Stückchen Stoff zwischen ihnen verschwunden war, kniete sich Adrian vor Emily aufrecht hin und nahm eines ihrer Beine zwischen seine Hände. Während er ihr von der Fessel hinab zur Kniekehle streichelte, küsste er ihre Wade und leckte über ihre weiche Haut. Unterdessen streichelte eine seiner Hände über ihren Bauch, zu ihrem Hüftknochen, über die Außenseite ihres Oberschenkels zu der Innenseite hinab zu dem Zentrum ihrer Hitze, auf das es ihn bereits schmerzlich hinzog. Dennoch nahm er sich die Zeit sich seinen Weg dorthin über ihre Haut zu knabbern, während er sich langsam in eine gemütliche Position zwischen ihren Beinen legte, bis Emilys Oberschenkel halb auf seinen Schultern ruhten. Seine Hände waren an ihrer Seite entlang gewandert, um ihre Hüften herum, um sich eng an ihren Körper zu legen und sich mit ihren wohlgeformten Brüsten zu beschäftigen, während seine Zunge heiße Linien die Innenseite ihrer Schenkel entlang zog. Lauernd umkreiste er großzügig das Zentrum seines ganz speziellen Universums. Doch am Ende war die Macht der Anziehung einfach zu groß, um lange ausgedehnte Lustspielchen zu spielen. Weshalb Adrian schließlich seinen Mund direkt über das Zentrum ihrer Lust legte und Emily dabei von unten herauf ansah, um keine ihrer Reaktionen zu verpassen. Er könnte wirklich nicht behaupten, dass ihm das nicht gefiele, was er hier tat. Denn er brauchte nur einmal seine Zunge in ihr Zentrum zu tauchen, um von ihrem Geschmack schier überwältigt zu werden. Stöhnend flatterten seine Augenlider einen Moment lang auf und zu, während er zu saugen begann. Er konnte es kaum fassen, aber das hier war so viel besser, als er es sich jemals hätte vorstellen können. Was auch seine geschickten Bewegungen nur zu deutlich zeigten, die sich nun eifrig daran machten, Emily vor Wonne zum Beben zu bringen und nicht nur dazu. Er wollte sie hören und schmecken, wie sie unter diesem ganz besonderen Zungenkuss für ihn zerfloss. Nein, das hier war ganz und gar nicht so, wie die anderen Male, als er es für Geld getan hatte. Emily fühlte sich Adrian in dieser Position völlig ausgeliefert. Selbst wenn sie gewollt hätte, wäre es schwierig gewesen, ihm zu entkommen. Aber das wollte sie nicht, ganz bestimmt nicht. Er hatte sich nicht sonderlich zurückhaltend an sie herangetastet, aber das machte nichts. Emily lehnte sich zurück und ließ ihn tun, was er tun wollte. Die Hitze seiner Zunge auf ihrer Haut schien ihre eigene um Einiges zu übertreffen und sie gleichzeitig zu schüren. Seine Hände, die an ihren Seiten empor glitten und sich um ihre Brüste schlossen, entspannten sie. Emily schloss die Augen, auch um sich von Adrian nicht so beobachtet zu fühlen. Er durfte sie gern ansehen, aber damit sie sich ganz auf das einlassen konnte, was er tat, sollte sie seinen Blickkontakt zumindest am Anfang meiden. Sie spürte seinen Atem bald nur noch als Teil seiner Bemühungen auf ihrer Haut. Zuerst schien es ihr so, als würde sich das Ganze nur angenehm und entspannend anfühlen. Sie genoss seine Streicheleinheiten und seine Lippen, die sich um ihren empfindlichsten Punkt schlossen auf eine Weise, die sie schnurren und tief durchatmen ließen. Sie gab sich ihm total hin auf eine Art, wie sie es noch nie zuvor getan hatte. Sie vertraute ihm so vollkommen, dass sie beinahe in eine Art Halbtraum abglitt. Eine Weile dachte Emily, dass Adrian gar nichts erreichen würde. Bis ein kleiner Schauer ihre Haut traf, als hätte sie ein Windhauch berührt. Ihre Brustwarzen streckten sich nach vorn, gerade in dem Moment, als Adrian einen Finger über sie gleiten ließ. Emilys Mundwinkel zuckte leicht und sie merkte fast gar nicht, wie sie ihr Becken nach vorne kippte, um Adrian mehr Freiraum zu geben. Sie wusste nicht, warum das Gefühl auf einmal so intensiv wurde, aber Emily hatte das Bedürfnis sich irgendwo festzuhalten. Also packte sie die Decke, die immer noch neben ihnen auf Adrians Seite des Bettes lag und gab einen überraschten Laut von sich, der unweigerlich in weitere kleine Seufzer überging. Ihre Atmung änderte sich so schnell, wie das Prickeln unter Adrians Lippen und seiner Zunge gekommen war. Wenn das so weiter ging, war sie fertig, bevor sie überhaupt angefangen hatten. Mit einer Hand griff sie in seinen Nacken. „Adrian… Adrian, warte…“ Ihr entkam noch ein Seufzer, als ein Schaudern sogar durch ihre Oberschenkel lief. Mit verschleiertem Blick und ein wenig stockendem Atem sah sie ihn an. Sie glaubte zu wissen, was er vorhatte. Und sie wollte etwas Anderes. Es würde seine Entscheidung sein. „Ich würde gern mit dir schlafen.“ Sie streichelte weiter seinen Nacken und lächelte ihm zu, während er weiter zwischen ihren Schenkeln lag. „Wenn du nicht möchtest…“ Sie ließ ihm die freie Wahl, aber es wäre ihr so viel lieber gewesen, das hier mit ihm zusammen zu beenden, als unter seiner geschickten Zunge allein. Ihr Geschmack schien in seinem Mund regelrecht zu explodieren, so sehr genoss er ihn. Kein Wunder, dass es ihn nur noch mehr erregte, vor allem, da sie nach einer Weile mit ihren Seufzern heiße Schauer über seinen Körper jagte, die ihm durch Mark und Bein gingen und sich in der Spitze seiner Erregung ballten. Vermutlich war es eine Mischung aus allem, dass er ihre Hand in seinem Nacken zunächst gar nicht bemerkte, bis sie seinen Namen nannte und er hochsah, ohne seinen Mund von ihr zu nehmen. Als sie ihm mitteilte, dass sie mit ihm schlafen wollte, war es wie ein sinnlicher Stromschlag. Leicht keuchend hob er schließlich doch den Kopf an, konnte ihr aber einen Moment lang gar nicht in die Augen sehen, da sie vermutlich das Gefühlschaos in ihm bemerkt hätte. Er wollte mit ihr zusammen sein. Er wollte in ihr sein, sie um sich spüren, ihre Hitze auf seiner Haut fühlen. Aber er war auch unsicher. Da gab es so viele Dinge, die in seinem Kopf herum schwirrten, bis er geistig eine Tür davor zu stieß und an Emilys Körper entlang nach ob kroch. „Das will ich auch.“, gestand er schließlich mit belegter Stimme und erhitzter Haut. Zwar hatte er immer noch Angst, es könnte ihr zu viel werden, aber er würde ihr niemals schaden. Damit er es sich nicht doch am Ende noch einmal anders überlegte, versuchte er es mit Ablenkung. Weshalb er Emilys Lippen erneut eroberte, während seine Hand zu seinem Nachtisch tastete, wo er schließlich den Griff für die Schublade fand, um sie zu öffnen. Es raschelte leicht, als seine Finger sich über die Gegenstände darin bewegten, bis er weit hinten fand, wonach er suchte und seine Hand darum schloss. Adrian ließ nur kurz von Emilys Lippen ab, um die Verpackung des Kondoms vorsichtig mit den Zähnen zu öffnen. Für alles weitere brauchte er nicht einmal hinzusehen. Darin war er ohne Frage sehr geübt. Als alles dort war, wo es sein sollte, sah er Emily noch einmal fragend an. Doch er fragte sie nicht, ob sie bereit war, das würde nur seine eigene Unsicherheit offenbaren, weswegen er sie einfach in seine Arme zog. „Ich liebe dich, Emily.“, flüsterte er ihr leise zu. Emily ließ sich in den Kuss ziehen, der sich so gut wie immer und gleichzeitig doch so anders anfühlte. Eigentlich müssten sie dieser Sache gar keine so wahnsinnig große Bedeutung zumessen. Immerhin waren sie keine Teenager mehr. Aber es schien so unglaublich viel auf dieser Situation zu lasten. Adrians Vergangenheit, die bedeuten konnte, dass für ihn das hier von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Oder noch schlimmer: Ihn sogar ab einem gewissen Grad abstoßen würde. Emily hatte Angst davor, dass sie etwas in ihm auslösen könnte, was ihre gesamte Beziehung zerstörte. Dieser Knoten löste sich allerdings sofort, als Adrian ihr zuraunte, dass er sie liebte. Das ließ ihr Herz höher schlagen, als es wahrscheinlich der beste Sex gekonnt hätte. Sie war ihm völlig verfallen. Daran würde nichts etwas ändern. „Ich liebe dich auch.“, hauchte sie vorsichtig an sein Ohr. Er hatte sie so eng an sich gezogen, dass ihr Kinn an seinem Hals ruhte, während sie die Beine für ihn spreizte. Wie schon vorhin, als er sich das Kondom übergezogen hatte, wirkten Adrians Bewegungen ein wenig automatisiert. Er brauchte seine Hand nicht zu Hilfe zu nehmen, um den Punkt ihrer größten Hitze zu finden und in einer langsamen, glatten Bewegung in sie einzudringen. Emily löste sich von seinem Hals und nahm Adrians Gesicht in ihre Hände, bevor sie ihn sanft auf die Lippen küsste. Ihr Puls schien in neue Höhen zu schnellen und Adrians Körper wärmte sie bereits jetzt in einem Maße, das ihr eine leichte Röte ins Gesicht trieb. Das Prickeln, das er mit seinem Mund verursacht hatte, schien nur abgeebbt zu sein, um nun, da sie ihn in sich spürte, von neuem zu erwachen. Emily winkelte ihr Bein an und fuhr so mit ihrem Oberschenkel an dem von Adrian entlang, während sich ihre Hand wieder seinem Po zuwandte. Die andere wanderte von seinem Gesicht in seinen Nacken und zog ihn ein wenig an sie heran, um ihn intensiv und leidenschaftlich zu küssen. Sie liebte seine weichen Lippen, deren Berührungen sich wie Seide auf den ihren anfühlten. Langsam schon Emily ihr Becken gegen seins, was dafür sorgte, dass sie ihren Mund nur fester auf den von Adrian drückte, um einen Laut der Verzückung zu unterdrücken. Es genügte für ihn, dass Emily seine Liebe auch in Worten erwiderte, um seine letzten Bedenken beiseite zu räumen. Dazu musste er noch nicht einmal den enormen Unterschied fühlen, als er in sie glitt. Die Hitze, die ihn umfing und die Enge war bis auf die noch so kleinste Empfindung ganz und gar Emily. Da war keine Unverbindlichkeit, keine fremde Ausstrahlung, sondern nur Erkennen. Sie war es die er von ganzem Herzen wollte. Sie war es, die ihn in sich aufnahm und das nicht nur bildlich gesprochen. Adrian spürte ganz deutlich, dass er ihr etwas bedeutete. Weswegen das alles hier für ihn in einem völlig neuen Licht erschien. Zum ersten Mal wollte er sich in dieser engen Hitze verlieren. Minuten lang, Stunde lang, unendlich lang... Auch Adrian dränge sich mit seinen Lippen enger an Emily, als sie ihr Becken gegen ihn drückte. Dabei war er sich deutlich im Klaren, dass das nicht lange ausreichen würde, um ihre Laute zu verbergen. Denn schließlich begann er langsam seine Hüften zu bewegen. Er erforschte genau jede einzelne Empfindung, die er dabei verspürte. Das wunderbare Gefühl, wie sich ihre Haut aneinander schmiegte. Wie sie sich jedes Mal um ihn zusammen zog, wenn er sie erneut eroberte. Die kleinen Schauer, die ihn dabei überfluteten und ihn schließlich doch zum Stöhnen brachten. Er fühlte sich zittrig und das nicht nur allein wegen seiner Erregung. Wenn Adrian es bei einem Wort hätte benennen müssen, dann würde er wohl nur eines dazu sagen. Das hier war ganz und gar ‚erfüllend‘. In jeder Bewegung lag der Wunsch, Emily Nahe zu sein, sich mit ihr in andere Sphären zu bringen und vor allem diese reine, unbefleckte Lust dabei zu spüren. Bei all den Malen davor, war Adrian froh gewesen, wenn es schnell vorbei war. Doch selbst noch so unbedeutende Jobs hatten an ihm immer den schalen Nachgeschmack von Schmutz hinterlassen. Jetzt wusste er, dass es damals auch nichts anderes gewesen war. Dank Emily hatte er jedoch nun die Gelegenheit seine Vergangenheit endgültig hinter sich zu lassen, um einer neuen Welt entgegen zu treten. Einer Welt voller sinnlicher Erfüllungen die immer mit Liebe verknüpft sein würden. Dafür war er ihr unendlich dankbar. Nachdem sich sein Atem immer weiter beschleunigte, da ihn das hier alles andere als kalt ließ, legte er seinen Kopf neben den von Emily, um ab und zu zwischen dem Luftholen ihren Hals zu verwöhnen oder ihr leise ins Ohr zu stöhnen, während sein Körper sich nun schneller bewegte. Das Flattern in seinem Bauch breitete sich in seinem ganzen Körper aus, während kleine Geschwader von elektrisierenden Blitzen sein Rückgrat hinab in seine Mitte wanderten. Die pulsierende Hitze in ihm wurde immer größer, so dass sein Körper von einem feinen Schweißfilm überzogen wurde, ihn aber keines falls stoppte, um wieder abkühlen zu können. Emilys Hände waren zunächst seinen Körper entlang zu seinen Seiten und dann auf seinen Rücken gewandert, wo sie große Kreise zogen, während er sich in ihr bewegte. Lange würde sie sich so nicht ablenken können, weswegen ihre Finger fast wie magnetisch wieder zu Adrians Hintern gezogen wurden. Als sie ihre Hände auf seinen Po legte, konnte sie seine Muskeln spüren, die sich zusammenzogen, wenn er sich in sie schob. Das schien die Intensität nur noch zu verstärken und Emilys Finger gruben sich ein wenig in seine Haut, allerdings ohne ihm wehzutun. Auch mit ihren Beinen hielt sie sich leicht an ihm fest, so dass ihr gesamter Körper von Adrians Rhythmus beeinflusst wurde. Gerade diese Nähe machte für Emily das Besondere aus. Sie wollte keine akrobatischen Übungen oder ständigen Stellungswechsel. Sie wollte das hier. Einfach so nah wie möglich bei Adrian zu sein, seinen Atem an ihrem Hals zu spüren, seine kleinen verzückten Laute zu hören und von ihm zu eigenen Seufzern der Lust gedrängt zu werden. Wie damals auf der Couch klebten ihre Körper vom Schweiß beinahe zusammen. Emily bog ihren Rücken etwas durch und schlängelte sich ein wenig unter Adrians Körper, da sie sonst zu nicht viel mehr die Freiheit hatte. Aber sie genoss es ihn auf sich zu spüren, obwohl sie am Zucken seiner Oberarmmuskeln sehen konnte, dass es auf Dauer sicher anstrengend für ihn sein musste, sich nicht einfach auf sie zu legen. Genauso schnell und unerwartet wie zuvor begann das Prickeln in Spiralen von dort auszugehen, wo sie Adrian so erfüllend in sich spüren konnte. Reflexartig drückten sich ihre Oberschenkel stärker gegen Adrians Beine und Emily entkam ein langer Seufzer, während sie erzitterte. Sie musste hart schlucken, was sich ihre Atmung noch mehr überschlagen ließ. Beinahe hätte sie husten müssen, aber das blieb ihr glücklicherweise doch erspart. Ein neuerliches Stöhnen neben ihrem Ohr und ein drängender Stoß von Adrians Hüften ließen sie wieder nach Luft schnappen. In kleinen Wellen weitete sich das Kribbeln und Prickeln immer weiter aus, während Adrians Laute ein kleines Feuerwerk in ihrem Magen zu entzünden schienen. Eigentlich konnte sie ihm gar nicht mehr näher kommen, als in diesem Augenblick, aber dennoch versuchte sie es, indem sie sich leicht ins Hohlkreuz legte und die Arme um seinen Rücken schlang. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, was vermutlich mit den Silvesterkrachern in ihrem Bauch dafür sorgte, dass sich ihre Atmung beinahe überschlug und nur noch in winzigen Seufzern, gemischt mit einem hohen Stöhnen über ihre Lippen kam. Sie konnte fühlen, wie sich ihre Zehen verkrampften, während sie versuchte sich noch stärker an ihn zu schmiegen und bloß den Kontakt ihrer Lenden so wenig wie möglich zu unterbrechen. Als ein Prickeln durch ihren gesamten Körper ging, das ihr die Nackenhaare aufstellte, hauchte sie seinen Namen. Flüssiges Feuer schoss durch seine Adern, während sich sein Atem regelrecht zu überschlagen begann. Inzwischen zog er sich immer nur noch ein Stück aus Emily, ehe er erneut so tief in sie glitt, dass sich ihre Leiber berührten. Sie schienen beide perfekt zusammen zu passen, wie für einander geschaffen und was anderes wollte Adrian auch gar nicht. Seine Stöße wurden merklich schneller, jedoch wechselte er auch immer wieder zu kurzen Intervallen in denen er sich ganz in ihr versenkte und dann seine Hüften kreisen ließ, ehe er wieder zu stoßen begann. Seine Arme trugen ihn nicht mehr lange, weshalb er Emilys Berührung nachgab, als sie die Arme um seinen Oberkörper legte. Er ließ sich an sie heran ziehen, spürte dadurch deutlich ihre Brüste gegen sich reibend, während sie sich im selben Rhythmus bewegten. Da er sein Gewicht nicht zu schwer auf ihr verlagern wollte, schob er seine Arme unter ihren Rücken. Eine Hand umschlang zärtlich aber deutlich fühlbar ihren Nacken, während die andere zu ihrem Kreuz hinab glitt, um ihr Becken in dieser Position zu belassen, die ihn so viel näher an sie heran ließ. Der wunderbare Duft ihrer Haut verstärkte sich, je heißer ihr Körper sich an seinem schmiegte, als wären sie zwei glühende Metallstücke, die miteinander verschmelzen wollten. Zumindest spürte er deutlich, dass nicht nur Adrian den Drang besaß, Emily so nahe wie möglich zu sein, obwohl das fast schon unmöglich war, da sie ohnehin schon eng aneinander klebten und sich heiß und innig liebten, während ihre gemeinsamen Laute sein Schlafzimmer erfüllten. Besonders Emilys Stöhnen ging ihm heftig prickelnd bis in die Fingerspitzen, wobei er wie von selbst genau jene Bewegungen ausübte, die ihr die sinnlichsten Seufzer entlockten und ihn zugleich mit einem gewaltigen Feuerwerk in den siebten Himmel zu befördern drohten. Die Zündschnur war verlegt, das Streichholz ausgeblasen und die Lunte brannte. Unaufhaltsam bahnte sich das knisternde Feuer seinen Weg auf das hochexplosive Ziel zu. Adrians Sinne waren so vernebelt, neben ihm hätte eine Granate hochgehen können und er hätte es nicht mehr bemerkt. Was er aber sehr wohl mitbekam und ihn nur noch wahnsinniger machte, war Emilys heftige Atmung, die seiner in nichts nach stand. Ihre Tonlage hatte sich inzwischen um einige Oktaven gesteigert, während seine eigene Stimme sich regelrecht in rauen Samt zu verwandelt haben schien. Er wusste, er stand kurz vor der Schwelle wo es kein Zurück mehr gab, dennoch ließ er sich weiter treiben, war wie der Funke der nur ein Ziel kannte, auf das er energisch zu steuerte. Seine Hand krallte sich nicht verletzend aber deutlich spürbar in ihr Haar, während er heftig gegen ihren Hals atmete. Bis zu diesem Zeitpunkt waren seine Augen geschlossen gewesen, doch als Emily seinen Namen flüsterte und er bereits tief in ihr zuckte, riss er sie ungläubig auf, als der Funke die Ladung erreicht hatte und alles in tausenden von kleinen bunten Lichtern in seinem Schoß explodierte. Das Gefühl war so überwältigend und stark, dass ihm der Atem stockte und sein ganzer Körper sich zuerst komplett anspannte, ehe er in Kaskaden von Schauern durchgeschüttelt wurde. Einen Moment lang wusste Adrian nicht wie ihm geschah. Er bekam den absoluten Tunnelblick, seine Ohren schienen voller Watte zu sein, da sich mit einem Mal alles so dumpf anhörte und sogar sein Herz kam aus dem Takt, ehe es rasend weiter schlug. Schließlich schnappte er hörbar nach Luft und der Zauber war vorüber. Seine Sinne kehrten allmählich zurück, dafür machte sich selige Erschöpfung in ihm breit. Emily vergaß völlig die Welt um sie herum, als Adrian seine Hände um ihren Nacken und ihren Rücken schloss und sie sogar noch enger an seinen Körper zog. Sie hatte nicht gedacht, dass sie ihm noch näher sein konnte, aber er schien sich trotz seiner schnellen Stöße kaum mehr von ihr zu lösen. Mit zitternden Fingern hielt sie sich weiterhin an seinem schweißnassen Rücken fest und ließ sich von seinem Rhythmus vollkommen mitreißen. Am liebsten hätte sie es noch stundenlang hinaus gezögert, um Adrian weiter in sich spüren zu können, aber so wie seine Muskeln bereits auf ihr zuckten, würde daraus nichts werden. Seine Hände auf ihrer Haut, seine Laute, die von seinem abgehaktem Atem unterbrochen wurden. All das riss Emily mit sich und ließ ihren Körper in schwindelnde Höhen taumeln. Einen Moment lang hatte sie Angst, ihre Lungen könnten mit dieser Anstrengung nicht mithalten, da ihre Atemzüge sich fast raspelnd anhörten. Aber Emily kümmerte sich nicht darum, sondern hörte Adrian dabei zu, wie er sich selbst auf den Höhepunkt zuarbeitete, bis sich seine Muskeln schließlich krampfartig zusammen zogen, um sich dann in sinnlichen Kaskaden wieder zu entspannen. Emilys Becken bewegte sich in sanften Schwüngen weiter, um das Kribbeln, das sich langsam unter Adrians Berührung ausbreiten wollte, zu verstärken. Adrian musste gar nicht viel tun, denn sein Zucken in ihrem Innern und das kleine Knistern, das zwischen ihren Körpern hin und herzuwandern schien, reichte völlig aus. Wie von selbst drückte sich ihr Rücken noch mehr durch und Emily schaffte es sogar Adrians Körper über ihr ein wenig anzuheben. Ihr entkam ein verzückter Laut und sie konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihr Gesicht in ihrem weichen Kissen oder Adrians Haaren vergraben sollte. Als das elektrisierende Prickeln langsam nachließ und sie sich entspannen konnte, küsste sie Adrians Hals. Ganz vorsichtig atmete sie tief durch, wobei sie darauf achtete, ob das winzige Seitenstechen schlimmer wurde oder nicht. Sie entschied, dass sie einfach nur aus der Übung war, was sich hoffentlich bald ändern würde. Grinsend vor überschwänglicher Freude streichelte sie Adrians Seiten. Am liebsten hätte sie seinen gesamten Körper noch einmal gekrault und gestreichelt. Ohne Hintergedanken, einfach nur, weil sie seine glatte, helle, mit Sommersprossen gesprenkelte Haut so liebte. Genauso wie den Rest von ihm. "Ich bin so froh, dass du bei mir bist. Ich liebe dich.", sagte sie so leise, dass er es vielleicht nicht hörte und es so nicht völlig lächerlich finden konnte, weil ihre Augen vom Sex noch verträumt glitzerten. Zum ersten Mal in seinem Leben wollte Adrian sich nicht sofort zurückziehen. Am Liebsten wäre er einfach weiterhin mit Emily im Arm dagelegen, die Wärme um ihn spürend und die Geborgenheit in jede seiner Zelle fühlend. Aber es ging leider nicht, weshalb er sich schließlich doch von ihr lösen musste. Doch bevor er es konnte, hörte er Emilys leise gehauchte Worte. Adrian hob seinen Kopf, um ihr lächelnd in die Augen sehen zu können. „Du sprichst mir direkt aus der Seele.“ Leicht zittrig küsste er sie sanft auf die Lippen, ehe er sich schließlich von ihr löste, nach der Taschentücherbox auf seinem Nachtkästchen griff und sich kurz von ihr abwandte. Danach kroch er wieder zu ihr und zog sie in seine Arme, während er glücklich, ausgepowert und absolut zufrieden die Augen schloss. „Ich wünschte, die Zeit könnte stehen bleiben.“ Doch selbst wenn sie es nicht tat, so hoffte er doch, dass es noch viele dieser Augenblicke mit Emily gab. "Und da das wohl sehr unwahrscheinlich ist, werden wir das noch ganz ganz ganz oft wiederholen müssen, sobald du wieder vollkommen fit bist." Adrian meinte das mit vollem Ernst. Da gab es keine Zweifel mehr. Seine Angst hatte sich fast zur Gänze aufgelöst und wenn er es genau nahm, konnte er sogar stolz auf seinen 'kleinen' Freund sein, denn der schien ganz genau zu wissen, bei welcher Frau er zu funktionieren hatte und bei welcher er Protest einlegen musste. Nicht, dass Adrian ihn noch einmal vor die Wahl stellen würde, denn Emily war die Eine und da war er sich so sicher, wie bei keiner anderen Sache in seinem Leben. "Ich liebe dich auch, Emily..." Epilog: 35. Kapitel ------------------- Das Wochenende war einfach wunderschön gewesen. Adrian hatte ganze vier Tage hintereinander frei bekommen und natürlich jede freie Minute genützt, um die Zeit mit Emily zu verbringen. Sie hatten es sogar bis ins Kino geschafft. Das gemeinsame Kochen und Kuscheln danach war auch nicht zu verachten gewesen und heute hatten sie auch noch den ganzen Tag im Zoo verbracht. Wann war Adrian denn das letzte Mal in den Zoo gekommen? Vielleicht hatte es Emily deshalb so leicht gehabt, ihn von seiner Faszination für Raubtiere abzubringen und dafür sein Interesse für die kleinen Pinguine zu wecken. Aber Mal ehrlich, wie hätte er sich auch ihrer Begeisterung für diese Tiere entziehen können? Gar nicht. So viel stand schon einmal fest. Auch ein Grund, weshalb er nun mit ihr auf ihrer gemeinsamen Couch saß und sich mit ihr zusammen Happy Feet ansah. Na ja. Wirklich etwas davon mitbekommen tat er nicht. Stattdessen war seine volle Konzentration auf die Chipstüte gerichtet, die auf Emilys Schoß lag und von der sie sich beide eifrig bedienten. Adrian musste sich regelrecht dazu zwingen, nicht gleich eine ganze Hand voll von dem salzigen Knabberzeug in den Mund zu stopfen. Das wäre vielleicht etwas zu auffällig gewesen. Trotzdem konnte er es kaum noch erwarten, bis diese verdammte Tüte endlich leer war oder zumindest so gut wie. Um sich von seiner Aufregung etwas abzulenken, legte Adrian sein Kinn auf Emilys Kopf und zog sie noch etwas enger in seine Arme. Am liebsten hätte er sie nie wieder losgelassen. Er konnte einfach nicht genug von dieser Frau bekommen. Nach einer Weile, als Adrian erneut in die Tüte griff, konnte er endlich den kleinen Metallgegenstand spüren, den er vorhin heimlich dort platziert hatte. Anstatt ihn allerdings herauszuziehen, schnappte er sich einen der letzten Chips und überließ es Emily den Ring zu entdecken. Wie schon die ganze Zeit über hätte Emily vor Glück ständig vor sich hingrinsen können. Dabei war nicht nur ihre gekonnte Bekehrung von Adrian Schuld, der jetzt statt der Löwen in Zukunft kleine süße Pinguine im Zoo ansehen wollen würde, oder dass er sich einmal so lange für sie frei genommen hatte, wie noch nie. Noch nicht einmal die überstandene Gerichtsverhandlung und die beachtliche Summe an Schmerzensgeld, die ihr zugesprochen worden war, konnte sie so wirklich glücklich machen. Sondern viel mehr das Gefühl in Adrians Armen. Die Arme eines Mannes von dem sie deutlich spüren konnte, dass er sie liebte und wollte und alles für sie tun würde. Bei dem sie keine Angst haben musste, dass er sie aus einer Laune heraus verließ, sie für irgendwelche Kumpels versetzte oder von ihr verlangte, zu später Stunde noch das Haus zu verlassen. Nicht so wie Zach gewesen war. Mit Adrian hatte sie keine Angst vor der Zukunft, sondern wagte es viel mehr, sich manchmal sogar kleinen Tagträumen hinzugeben. Kleine Kinder mit roten Haarschöpfen spielten bisweilen eine große Rolle darin. Allerdings wusste sie noch nicht, wie Adrian dazu stand, weshalb sie es bisher unerwähnt gelassen hatte und auch jetzt würde sie es tun. Stattdessen griff sie erneut in die Chipstüte, während ihre Augen auf den Film gerichtet waren und hielt verwundert inne. Als Emily verwundert den Ring aus der Tüte zog, nahm Adrian ihr ihn mit einem warmen Lächeln aus der Hand und stand auf, um sich vor sie auf den Boden zu knien und feierlich zu ihr aufzusehen, wenn schon der Rest seines Antrags nicht ganz den konventionellen Vorstellungen entsprach. Aber genau so hatte er es beabsichtigt. Sein Herz ging wie ein Presslufthammer und durch seine Adern wurde das Adrenalin in Strömen gepumpt. Er war wirklich verdammt nervös, aber zum Glück konnte man das seiner Stimme nicht anmerken. Dass er so lange heimlich vor dem Spiegel geübt hatte, war eine gute Entscheidung gewesen. So musste er sich noch nicht einmal räuspern, sondern konnte frei heraussagen: „Emily Grayson. Du bist meine Mitbewohnerin, meine beste Freundin, meine große Liebe, mein Leben. Es vergeht kein Tag an dem ich nicht ohne dich sein möchte. Du bist das Erste, an das ich beim Aufwachen denke und dir gilt auch mein letzter Gedanke, bevor ich einschlafe. Du bist die Frau meiner Träume und darum wünsche ich mir nichts sehnlicher, als dass du auch ein Teil meiner Familie wirst. Der einzigen Familie die mich so akzeptiert, wie ich bin und die ich haben möchte. Darum frage ich dich, Emily ... willst du mich heiraten?“ Schon als Adrian ihr den Ring aus der Hand nahm, fing Emilys Herz an zu stolpern. Die Zeit schien sich zu verlangsamen und ihr wurde auf einmal kalt, bevor ihr die Röte ins Gesicht schoss. Sie merkte richtig, wie ihr Gesicht glühte und ihre Wangen einen immer roteren Ton annahmen, während Adrian sich vor sie kniete und diese wunderschönen Worte zu ihr sagte. Immer wieder musste Emily sich zwingen, auch wirklich zuzuhören, anstatt verdattert auf den Ring und Adrians Lächeln zu sehen. Er wirkte kein bisschen nervös, sein Herz schien ihm nicht vor Aufregung aus dem Hals springen zu wollen. Ganz anders als das von Emily, das sich auf den Weg gemacht hatte, sich ihr auf die Zunge zu legen, damit es auch ja hinaus hüpfen konnte, sobald sie die Lippen öffnete. "Ich..." Und da war es auch schon passiert. Emily musste lachen, als sie die warme Woge spürte, die Aufregung, die Liebe zu Adrian und dass er eigentlich genauso nervös war, wie sie selbst. Voller Freude im Bauch ließ sie sich einfach vom Sofa und damit auf Adrians Schoß rutschen, schlang die Arme um seinen Hals und küsste ihn. Küsste ihn immer und immer wieder und das "Ja" nach jedem Kuss konnte er bestimmt nicht überhören. Eine andere Antwort wäre ihr nie in den Sinn gekommen. -Ende- --------------------------------- So meine Lieben. Ich weiß, das war ein äußerst kurzes Vergnügen, obwohl es ewig gedauert hat, aber endlich ist es soweit und ich kann die Geschichte abschließen. Ich hoffe, sie hat euch gefallen und meine Freundin und ich würden uns sehr über einen abschließenden Kommentar freuen. Danke, dass ihr dabei wart und bis hier her durchgehalten habt. Ihr seit die Besten! Alles Liebe und liebe Grüße manekiCarrie & Darklover Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)