Ein ungewöhnlicher Mitbewohner von Darklover ================================================================================ Kapitel 12: 12. Kapitel ----------------------- Adrian kam erst sehr spät am Morgen nach Hause. Es war schon neun Uhr, da er nach der Arbeit noch Joggen gegangen war und danach hatte er sich in ein Café gesetzt, um sich wieder zur Besinnung zu rufen. Außerdem fürchtete er sich insgeheim, daheim nicht nur Emily anzutreffen, obwohl er nicht glaubte, dass sie bereits jetzt wieder einen Kerl bei ihr im Bett übernachten ließ. Dennoch, Paranoia waren schwer abzulegen. Schließlich ließ er völlig ermattet die Tür zur Wohnung ins Schloss fallen, zog sich schon halb auf dem Flur aus und schlurfte ins Bad, wo er seinen völlig ausgepowerten Körper ausgiebig duschte, sich dann nur noch ein Handtuch umschnallte und mit tropfenden Haaren in sein Zimmer wandelte, als wäre er gerade einem Zombiefilm entstiegen. Ohne die Tür zu schließen, fiel er oben auf sein Bett und war auch schon eingeschlafen, noch ehe er die Decke unter sich gespürt hatte. Er war ja so was von fertig. Ein Geräusch weckte sie auf und nach kurzer Zeit konnte sie es zuordnen. Es war Adrian, der nach Hause kam. Sie wollte auf die Uhr sehen und sich dann gleich wieder umdrehen; wahrscheinlich war es ungefähr fünf Uhr morgens. Um diese Zeit kam er normalerweise aus dem Club heim. Deshalb war Emily beinahe erschrocken, als sie die leuchtenden Zahlen auf ihrem Wecker sah. Es war bereits Vormittag, für sie Zeit zum Aufstehen. Reflexartig wollte sie aufstehen, um zu sehen, ob es Adrian gut ging, aber das Geräusch der Badtür hielt sie glücklicherweise davon ab. Was hätte sie auch sagen sollen? Sie war weder seine große Schwester, noch seine Mutter. Sie musste sich nicht um ihn kümmern. Mit einem kleinen Hoffnungsschimmer dachte sie außerdem daran, dass sie ihm gesagt hatte, dass er zu ihr kommen könne, wenn es ihm schlecht ging. Da er das nicht tat, blieb sie einfach liegen und schloss noch einmal die Augen, ohne allerdings wieder einzuschlafen. Mit ein wenig klopfendem Herzen dachte sie an den gestrigen Abend und Richards Verabschiedung vor der Tür. Er war anständig und zurückhaltend gewesen. Nett und freundlich wie immer. Außerdem hatten sie eine Menge Spaß gehabt. Und trotzdem… Trotzdem hätte Emily lieber mit dem Mann gesprochen, der gerade leise in ihrer Wohnung über den Gang schlich, als mit dem, der sie gestern zu diesem Luxusdinner ausgeführt hatte. Sie würde sich doch nicht in ihren schwulen Mitbewohner verlieben? Das wäre wieder mehr als typisch für sie. Wenn sie keinen Loser fand, den sie anhimmeln konnte, obwohl er sie noch nicht einmal wollte, dann suchte sie sich eben jemanden, der nicht zu haben war! Sie ärgerte sich so sehr über sich selbst, dass sie nicht anders konnte, als aufzustehen. Ihre Zunge war pelzig und sie hatte einen üblen Geschmack im Mund, vom vielen Wein der letzten Nacht. Auf Zehenspitzen schlich sie auf den Gang und blieb vor Adrians Zimmertür stehen. Sie stand sperrangelweit offen und Emily konnte Adrian nur mit einem Handtuch um die Hüften auf dem Bett liegen sehen. Er sah völlig kaputt aus, mit Ringen unter den Augen und noch nassen Haaren vom Duschen. Emily überlegte, ob sie sich vielleicht zu viel heraus nahm, aber wenn er so liegen blieb, würde er sich wahrscheinlich eine Erkältung einfangen. Die Decken waren einfach zu hoch und die Räume zu kalt. Also hob sie erst einmal seine Klamotten auf, die im Gang herum lagen, legte sie notdürftig zusammen und platzierte sie direkt neben seiner Tür in seinem Zimmer. Dann holte sie eine der Decken aus dem Wohnzimmer und legte sie über seinen Körper, dabei vorsichtig bedacht ihn nicht aufzuwecken. Er rührte nicht einmal eine Wimper, als sie wieder ging und seine Tür hinter sich schloss. Nach dem Frühstück setzte sich Emily mit dem Laptop ins Wohnzimmer, wo das Aquarium fröhlich vor sich hin blubberte und die Fische zufrieden durch das Schloss schwammen. Als Emily das zum ersten Mal sah, war sie völlig aus dem Häuschen. Sie strahlte wie ein kleines Kind und hätte zu gern jemanden neben sich gehabt, dem sie es hätte zeigen können. Als ihr vor allem der gelbe Fisch noch ein paar Mal den Gefallen tat, durch die kleine Öffnung im Turm zu schwimmen, setzte sie sich endlich auf die Couch und surfte im Internet auf der Seite des Museums in Norwegen. Deren Sammlung war beachtlich. Es würde Emily nicht wundern, wenn es noch mehr interessante Objekte zu kaufen gab als die Moorleiche und die Mumie. Nachdem sie ein bisschen recherchiert hatte, gefiel ihr der Gedanke an die Reise nach Norwegen nur noch besser. Auch die Stadt, in der sie unterkommen würden, hatte einiges zu bieten. Museen, schöne Architektur und wirklich schöne Gärten. Allerdings konnte Emily schlecht einschätzen, wie kalt es um diese Jahreszeit in Norwegen war, also googelte sie und war sofort überzeugt, dass sie wohl ein paar dicke Pullover einpacken musste. Weil es schon Dienstag losgehen sollte und sie heute sowieso nicht mehr viel vorhatte, machte sich Emily in der Hochstimmung, die ihr die Bilder aus dem Internet vermittelt hatten ans Packen. Sie zerrte ihren Koffer vom Schrank herunter, wischte erstmal den Staub ab und schlichtete dann Klamotten auf ihrem Bett auf, die in die engere Auswahl kamen, mitgenommen zu werden. Mit Begeisterung suchte sie zusammen passende Unterwäsche heraus, um dann mit einem Set in der Hand stehen zu bleiben. Was dachte sie denn, was in Norwegen passieren würde? Normalerweise zog sie sich nur solche hübsche Unterwäsche an, wenn sie erwartete, dass jemand sie auch sehen würde. Wer der Jemand in diesem Fall wäre, war klar. Aber wollte sie das denn? Wieder beschloss sie, es einfach auf sich zukommen zu lassen. Die endgültige Entscheidung würde sie dann treffen, wenn es so weit war. *** Am frühen Nachmittag wurde er von einem penetranten Klingen geweckt, das ihm einen hämmernden Kopfschmerz verursachte, so laut klingelte es in seinen Ohren. Sein Handy. In seiner Hose. Doch wo hatte er die fallen gelassen? Müde und mit brennenden Augen raffte er sich auf, war aber eigentlich nicht gewillt, sich von dem Bett zu erheben. Da das Klingeln aber nur noch unerträglicher wurde und langsam für sein gematertes Gehirn zu einer Melodie wurde, konnte er sich nun vorstellen, wer ihn da so sehr nervte. Adrian schlüpfte unter der Decke hervor und glitt nackt zu Boden, da er das Handtuch ohnehin schon längst im Schlaf verloren hatte. Die Kälte begann ihn aufzuwecken. Es half. Er konnte jetzt anhand der nervtötenden Melodie seine Hose orten. Sie lag neben seiner Zimmertür, die im Übrigen geschlossen war. Mit dem nackten Hintern am Boden sitzend, lehnte er sich an seine Tür, zog sein Handy hervor und hob ab. Er gab noch nicht einmal ein Brummen von sich. „Hi, Adrian! Na endlich erreich ich dich, Mann. Ich steh direkt vor deiner Haustür. Wollte dich nur vorwarnen, falls du gerade beschäftigt bist.“ Da legte sein bester Freund auch schon auf. Na toll. Da Tyson ihn besser wecken konnte, als ein Kübel voller Eiswasser, kramte er schnell in seinem Schrank nach einer Boxershorts und zog sich ein T-Shirt über, ehe er auch schon hastig über den Gang schlurfte und die Wohnungstür mit einem breiten Gähnen aufmachte. „Lange Nacht gehabt, wie?“, begrüßte ihn sein Freund und drückte ihm eine Tüte mit Fastfood in die Hand, das noch warm war. „Hier für dich. Dachte mir schon, dass du noch nichts gegessen hast. Kann ich reinkommen?“ Das war eigentlich keine Frage, denn er drängte sich schon an Adrian vorbei in den Flur, blieb dann aber artig stehen, als hätte er sich daran erinnert, was Adrian versucht hatte, ihm einzutrichtern. Gegen zwei hörte sie Stimmen auf dem Gang. Oder vielmehr eine Stimme, die ihr überhaupt nicht bekannt vorkam. Aber Adrian musste die Tür geöffnet haben, daher vermutete sie, dass er den Gast kannte. Vielleicht dieser Tyson? Oder doch jemand Anderes? Emily schloss ihren Koffer, der bis auf ihr Waschzeug fertig gepackt war und sah sich dann im Spiegel an. Graue Stoffhose und dunkelgrünes Oberteil mit dicken Socken. Außerdem der für sie typische Pferdeschwanz. So konnte sie Adrians bestem Freund sicher entgegen treten. Sie öffnete ihre Zimmertür und trat auf den Flur, wo Adrian mit seinem Gast immer noch stand und eine Fastfood-Tüte in der Hand hielt. Emily fiel sofort auf, wie müde ihr Mitbewohner aussah. Er hatte ja auch wirklich keine lange Ruhephase bekommen. „Hallo.“ Sie ging auf den ihr unbekannten Mann zu und streckte ihm ihre Hand entgegen und stellte sich vor. Es handelte sich tatsächlich um den viel besagten Tyson. Na, da war sie ja gespannt. „Oh, halloho!“ Tyson nahm die ihm dargebotene Hand und lächelte übers ganze Gesicht, hielt sich aber ansonsten tapfer zurück. Für gewöhnlich begrüßte er Frauen anders, also konnte sich Adrian wohl darauf verlassen, dass sein Freund alles beisammen hielt, was ihm ansonsten so entkam. „Tyson, Emily. Emily Tyson.“ Er musste nicht erwähnen, dass sie seine Mitbewohnerin war und er sein bester Freund. Das wussten beide ohnehin schon. „Ich habe extra mehr zu Essen mitgebracht, falls Sie auch etwas haben möchten.“ Sein Grinsen wurde noch etwas breiter und Adrians Augenbraue schoss fragend in die Höhe. Seit wann siezte Tyson jemanden? Erst recht eine Frau? Aber hallo, da zeigten sich offenbar ganz neue Seiten an seinem besten Freund. Um es dem schwarzhaarigen Typen mit dem breiten Rücken, nicht noch schwerer zu machen, klopfte Adrian ihm auf die Schulter und dirigierte ihn geradewegs in die Küche. „So wie ich dich kenne, hast du dir selbst auch noch etwas mitgebracht.“ Klar, Tyson war immer hungrig. Aber er musste auch eine ganz schöne Statur füttern. Sein bester Freund war fast noch um ein paar Zentimeter größer als Adrian und selbst Adrian konnte man nicht als klein bezeichnen. Außerdem war er von vorne bis hinten wie ein Zuchtbulle muskelbepackt. Kein Wunder. Er war nicht nur Türsteher, sondern auch Rausschmeißer, was ihm haufenweise Mädels einbrachte. „Setz dich doch und reiß dich bloß zusammen.", fügte Adrian noch an, während er Tyson auf einen Stuhl verwies und dann Teller holte, um den Tisch zu decken. Dabei geisterte ihm die Frage durch den Kopf, wie wohl Emilys Abendessen gelaufen war. Aber er hielt sich streng zurück, da jedes noch so zweideutige Detail seinen Freund aus der Reserve locken könnte, damit dieser etwas Unpassendes sagte. „Schöne Wohnung, habt ihr da. Zumindest sieht die Küche schon recht gemütlich aus, vielleicht etwas leer, aber…“ Tyson verstummte, als hätte er Angst, Emily mit seinen Worten zu beleidigen. „Wir wollen uns noch Barhocker kaufen und ein paar andere Dinge. Sieht wirklich noch leer aus.“, half ihm Adrian wie nebenbei aus der Patsche. Er packte das Essen aus – Chinesisch – und nahm schließlich statt den Tellern Schüsseln, damit sie leichter essen konnten. Er liebte es mit Stäbchen zu essen. „Emily, hast du auch Hunger?“, fragte er sie schließlich, ohne sie anzusehen. Adrian war heute noch nicht ganz da, darum konnte er nicht für seine Gesichtszüge verantwortlich gemacht werden. Nebenbei stellte er sich auch noch einen starken Kaffee auf. „Kann ich mich etwas umsehen, während du das Essen auspackst?“, fragte Tyson offensichtlich ungeduldig und war auch schon wieder aufgestanden. „Ehm…ja.“ Adrian suchte den Blick seines besten Freundes und vermittelte ihm eine klare Botschaft. – Lass die Finger bei dir und pass bloß auf, was du sagst – Tyson zwinkerte ihm grinsend zu, ehe er sich auf den Flur begab und einen Blick ins Wohnzimmer warf. „Wow, ihr habt ein Aquarium?“ Begeistert stürmte er ins Wohnzimmer und blieb vor der Glasscheibe hängen. „Hey, Adrian, hast du den Gelben schon mal gesehen? Der schwimmt gerade durch diesen Turm hindurch. Geil, Alter!“ Dank seiner Euphorie über etwas so Simples wie Fische, vergaß er kurzweilig die Zügelung seines Sprachgebrauchs. Aber das war nicht schlimm. Emily mochte Männerfreundschaften. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund sah sie gern dabei zu, wie gute Freunde miteinander umgingen. Vor allem, wenn die Typen so unterschiedlich waren wie Adrian und sein bester Freund. Tyson erinnerte sie sofort an einen etwa Sechzehnjährigen mit zu viel Selbstbewusstsein. Er verhielt sich zwar höflich und ruhiger, als sie erwartet hatte, aber als er begeistert aufsprang, um die Wohnung zu erkunden und mit diesem Kommentar vor dem Aquarium hängen blieb, konnte Emily offensichtlich einen kurzen Blick auf den Tyson erhaschen, wie Adrian ihn kannte. „Ja, Adrian hat sich das Aquarium angeschafft. Ich kann nicht wirklich mit Tieren oder Pflanzen umgehen, daher habe ich nur beim Aussuchen geholfen.“ Emily zeigte Tyson noch das Bad, bevor sie in die Küche zurück gingen und sich an den Tisch setzten. Adrian war so nett gewesen auch für Emily zu decken, aber sie lehnte ab. Das Essen von gestern würde ihr bestimmt noch bis zum Abend reichen. „Danke, ich bin noch gar nicht hungrig. Aber könnte ich eine halbe Tasse Kaffee abzweigen?“ Sie ging zum Kühlschrank hinüber, um die Milch heraus zu holen und sah den dunkelhaarigen Riesen lächelnd an, der an ihrem Küchentisch saß. „Tyson, möchten Sie Cola? Wir haben noch eine Flasche da. Ist aber leider light.“ „Ehm…“ Tyson versuchte auf seinem Stuhl ruhig zu bleiben, doch Adrian sah schon jetzt, dass er gleich loslegen würde. Da er seinem Freund aber vertraute, schenkte er in zwei Tassen Kaffee ein, ohne etwas zu sagen. „Also gerne, solange wir uns duzen könnten? Und Light ist völlig okay.“ Sein Blick wurde wie der von einer treuherzigen Bulldogge. Ein Blick, der schon viele Frauen entwaffnet hatte, sofern er dazu noch seine körperlichen Vorteile anpreisen würde, was er in diesem Augenblick zum Glück nicht tat, da er sonst eine von Adrian eingefangen hätte. Ob er es nun verdiente oder nicht. Da war wieder diese knurrende Bestie in seinem Brustkorb. Da Tyson aber sich anschließend gleich wieder dem Essen widmete – mit Besteck, alles andere wäre zu kompliziert für ihn – war die Gefahr wohl nie wirklich da gewesen. Obwohl, manchmal war ihm Essen wirklich wichtiger als Frauen. Sowas kam durchaus vor. Nachdem er die Kaffeetasse auf Emilys Platz abgestellt hatte, drehte er seinen eigenen Stuhl so herum, dass er sich mit dem Oberkörper auf der Lehne abstützen konnte, während er aß. Das hatte er auch dringend nötig. Wenigstens hatte er keine Probleme, die Stäbchen zu benutzen. „Danke noch mal für das Essen. Echt nett von dir.“, teilte Adrian seinem besten Freund mit, während Emily ihm ein Glas mit der Cola Light vorsetzte. „Kein Ding. Ich weiß ja, dass du nach deiner Arbeit erst immer so spät aufstehst. Heute wieder?“, fragte er, ehe er sich eine große Portion Nudel mit Soße in den Mund steckte. „Ja, heute noch, dann habe ich bis zum nächsten Wochenende frei.“, gab Adrian relativ tonlos zurück. Er war wirklich noch ziemlich müde. „Bin sozusagen befördert worden. Ich muss nur noch drei Tage die Woche arbeiten, außer ich will einmal am Wochenende frei haben. Dann kann ich mal unter der Woche einspringen.“ „Echt? Ist doch klasse. Wann willst du wieder mal weggehen? Das letzte Mal ist schon so verdammt lange her, seid du Alex-" Adrians Blick fuhr hinüber zu Tyson und tackterte ihn regelrecht mit seinen blitzend blauen Augen dort fest. Er spürte, wie es ihm eiskalt den Rücken runter lief. Hätte er doch wissen müssen, dass Tyson sich verplapperte, wenn er mal zu Quatschen anfing. „Ich will kein Wort mehr von Alex hören. Kapiert? Die Sache ist gegessen.“, gab er knirschend zurück und hoffte, dass Emily Alex für einen Kerl hielt und nicht für die Schlampe, die sie eigentlich war. Danach aß er schweigend weiter, oder zumindest versuchte er es, denn auf einmal wurde ihm schlecht. Der verhärtete Gefühlsknoten in seinem Bauch, brachte seinen Magen in Aufruhr. „Entschuldigt mich bitte.“ So ruhig er konnte, stand er auf und schlurfte ins Bad. Dort drehte er das Wasser auf und hängte sich dann über die Kloschüssel, damit man ihn nicht hören konnte. Tyson sah ihm hinterher, als wüsste er mehr, als man ihm an Wissen zutrauen würde. „Sorry, Alter.“, nuschelte er mehr zu sich selbst. Bei dem Gespräch der beiden kam Emily gar nicht wirklich zu Wort. Sie hatte nur kurz genickt, als Tyson ihr das Du angeboten hatte, obwohl sie bestimmt die Ältere war. Aber das machte nichts. Wenn er Adrians bester Freund war, würde er sicher öfter hier auftauchen und Emily sah keinen Grund, warum sie sich auf dieser hoch offiziellen Ebene unterhalten sollten. Das mit Adrians Beförderung hörte sich wirklich gut an. Gerade wollte Emily ihm das auch sagen, als Tyson ihr in die Parade fuhr und sich die Stimmung im Raum blitzartig änderte. Adrians Reaktion war so aggressiv und abwehrend, dass Emily fast kalt wurde. Als er aufstand und aus dem Zimmer verschwand, sah sie Tyson fragend an, der aber seine Nudeln fixierte und eine Entschuldigung vor sich hin nuschelte. Emily hatte noch nichts von ihrem Kaffee angerührt und würde es auch nicht tun. Ihr Körper schien unter Druck zu stehen und sie wusste nicht warum. Da Adrian so schnell und tonlos verschwunden war und eine ganze Weile nicht mehr auftauchte, konnte sie sich nicht viele Sachen vorstellen, die er im Bad tun konnte. Beide Varianten waren nicht erfreulich und Emily tat es richtig leid, dass das Treffen mit Tyson gleich so schlecht begonnen hatte. Um die Stimmung nicht noch unter den Gefrierpunkt sinken zu lassen, wo sie sich gerade befand, wollte Emily irgendetwas sagen. Allerdings kam sie nicht dazu, weil ihr Handy klingelte. Sie entschuldigte sich kurz bei Tyson und nahm ab. „Hallo?“ „Hey Em! Na, wie war’s?“ „Oh, hey!“ Es war Mona, die natürlich neugierig war, wie der Abend mit Richard verlaufen war. „Hast du Zeit mir alles zu erzählen? Ich bin gerade auf dem Weg in die Stadt. Lass’ uns auf einen Kaffee oder so was gehen.“ Emily sah zu Tyson hinüber, der jetzt allein an ihrem Küchentisch saß und bat Mona zu warten. „Ehm, es tut mir total leid, aber ich müsste weg.“ Ihre Miene verfinsterte sich, als sie nach Adrian fragte. „Er ist doch ok, oder?“ Sie wollte Tyson eigentlich nicht so allein hier sitzen lassen, auch wenn er Adrians Freund war. Aber andererseits war es ihrem Mitbewohner vielleicht auch lieber, wenn sie verschwunden war, sobald er wieder aus dem Bad auftauchte. Und Tyson sah so aus, als könnte er durchaus auf sich selbst aufpassen und solange der Teller mit Nudeln vor ihm stand schien er zufrieden. „Hallo, bist du noch da? Ja, ok, ich mach mich auf den Weg. Bis gleich.“ Sie verabredete nur noch schnell, wo sie sich treffen würden und legte dann auf. Im Aufstehen hielt sie Tyson die Hand hin, die er drückte und verabschiedete sich mit echtem Bedauern in der Stimme, wobei es eher der Situation galt, in der sie Adrian allein ließ als seinen Freund. Ihr war kalt und sie konnte einfach nicht anders, als zumindest kurz an die Badtür zu klopfen. Drinnen konnte sie das Wasser laufen hören. „Adrian? Alles ok?“ Adrian atmete flach und schnell, während ihm bereits vor Anstrengung der Schweiß über das Gesicht lief. Doch da rollte bereits die nächste Übelkeitswelle an und er beugte sich schon merklich geschwächt über den Rand der Kloschüssel, um zu würgen. Inzwischen war ohnehin nichts mehr in seinem Magen. Als diese Welle abebbte, ließ er sich vollkommen zu Boden gleiten und hielt seinen heißen Kopf gegen die kühlenden Fließen. Erst aus diesem Blickwinkel wurden ihm die gelben Gummientchen bewusst, die Emily als Zierde gekauft hatte. Es wurde Zeit für eine echte Gummiente, dachte er sich, während sich alles in seinem Kopf drehte. Erst als Emily an die Tür klopfte, wurde er sich bewusst, dass das Wasser immer noch lief. Also raffte er sich langsam hoch und stellte es ab, um die Kosten nicht zu erhöhen. Danach ließ er sich wieder auf den Badezimmerteppich nieder und rollte sich ein. „Ja…“, murmelte er lautlos krächzend, ehe er es noch einmal versuchte. „Alles … in Ordnung.“ Na also, ging doch. Seine Stimme hatte fest geklungen, wenn auch unendlich müde. Genauso fühlte er sich auch und diese hämmernden Kopfschmerzen trieben ihn schier in den Wahnsinn. Gott, er wollte einfach nur noch schlafen! Tyson trat neben Emily an die Badezimmertür. „Geh nur. Ich kümmere mich schon um ihn. Ist nichts Neues für mich.“ Er versuchte Emily beruhigend anzulächeln und unterdrückte den Zwang, sie aus der Wohnung zu schieben. Emily stand im Hausflur und merkte gar nicht, dass ihre Hand zitterte, die krampfhaft die Handtasche festhielt. Sie war soeben aus ihrer eigenen Wohnung geschmissen worden. Noch dazu, weil oder obwohl es Adrian so schlecht ging. Erst jetzt war ihr wieder bewusst geworden, wie wenig sie doch von ihm wusste. Und sie hatte wirklich geglaubt, dass sie Freunde waren und er Hilfe von ihr annehmen würde. „Scheiße.“ Bekümmert stapfte sie die Treppen hinunter und in den fast lächerlich sonnigen Tag hinaus, um sich mit Mona in einem der nahe gelegenen Cafés zu treffen. Als Emily endlich gegangen war, öffnete Tyson ohne zu zögern die Badezimmertür. „Du siehst echt beschissen aus, mein Freund.“ Er beugte sich zu Adrian hinunter und half ihm auf die Beine. „Seit das mit Alex war, hattest doch keine Migräne mehr. Was ist es diesmal?“, fragte er leise und in ruhigem Tonfall, damit er die Kopfschmerzen von Adrian nicht noch verschlimmerte, die bestimmt gewaltige Ausmaße besaßen. Adrian ließ sich mehr oder weniger schon in sein Zimmer tragen und schüttelte nur den Kopf. Er wollte jetzt nicht darüber reden, sondern nur noch den tröstenden Schlaf empfangen, der ihn ohnehin gleich niederstrecken würde. Behutsam legte Tyson seinen Freund auf dessen Bett ab und deckte ihn ordentlich zu. „Wo hast du dein Paracetamol?“ Adrian bekam nicht einmal mehr die Augen auf, aber die Aussicht, auf das Schmerzmittel war zu verlockend. Danach würde das hier alles sehr schnell überstanden sein. Also hob er schwach die Hand und deutete auf ein kleines Täschchen, das in einem sackähnlichen Regal an der Innenseite der Tür hing. Tyson holte ihm die Tabletten und dazu noch Wasser. Er half ihm beim Einnehmen, ehe er dabei zusah, wie Adrian endlich einschlief. Scheiße. Er hatte ihn nicht so aufwühlen wollen. Normalerweise passierte das wahnsinnig selten bei Adrian. Schweigend blieb er sitzen und wartete darauf, dass es seinem besten Freund wieder besser ging. *** Mona erkannte schon als ihre kleine Schwester zur Tür herein kam, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. „Was ist denn passiert? War der Abend so schlimm?“ „Nein… Es ist Adrian, ich…“ Sie erzählte Mona, was passiert war und die Miene ihrer Schwester verfinsterte sich zunehmend, je länger Emily erzählte. „Em, ich weiß, das willst du jetzt nicht hören, aber du solltest dir wirklich nicht so viel dabei denken.“ Als Emily sie ansah, hob Mona sofort abwehrend und entschuldigend die Hände. „Sieh’s doch mal objektiv. Ihr wohnt seit zwei Wochen zusammen. Noch nicht einmal. Hättest du Lust, Adrian zu dir zu lassen, wenn es dir derart schlecht geht, dass du dich im Bad einschließt? Noch dazu wenn zum Beispiel ich ebenfalls da wäre?“ Emily sah ihre Schwester an und musste ihr Recht geben. Trotzdem hatte es ihr ein wenig wehgetan, dass sie so weggedrängt worden war. Aber das würde sie akzeptieren müssen. So schwer es ihr auch fiel. Um ihre kleine Schwester von ihren trüben Gedanken abzulenken, fragte Mona wieder nach dem Dinner mit Richard. Emily erzählte ihr alles haarklein und je näher sie der Verabschiedungsszene kam, desto entspannter wurde sie beim Erzählen. Ebenso, wie es gestern Abend bei der Verabredung gelaufen war. „Und? Hat er dich geküsst?“ Monas Augen hatten einen schelmischen Ausdruck, während sie in ihrer bereits nur noch halbvollen Cappuccinotasse rührte. „Nein.“ „Ach, komm schon!“ „Nein, ehrlich. Kein echter Kuss, nur ein Hauch auf die Wange. Er war anständig.“ „Na ja, auch nicht schlecht.“ „Finde ich auch. Immerhin fliegen wir am Dienstag zusammen für drei Tage nach Norwegen. Da wäre es schon seltsam gewesen, wenn die Verabredung mit einem Kuss geendet hätte.“ „Oh, drei Tage…“ Wieder dieses schelmische Blitzen in Monas Augen. „Glaubst du, dass er was versuchen wird?“ Nach einer Pause fügte sie die Frage hinzu, die Emily nicht einmal sich selbst beantworten konnte. „Was machst du, wenn er was versucht?“ *** Nach einer Weile – es kam ihm gerade mal wie Minuten vor – wurde Adrian wieder wach, da er einen gewaltigen Durst hatte. Kein Wunder, er hatte ganz schön gereihert und jetzt brannte seine Kehle, als hätte er Salzsäure geschluckt. Zum Glück kannte Tyson ihn schon ziemlich gut in dieser Lage, darum stand ein voller Krug mit Wasser und ein bereits gefülltes Glas neben ihm auf dem Nachttischchen. „Wie lange?“, fragte Adrian, als er sich langsam aufsetzte und das Glas an seine spröden Lippen hielt und vorsichtig trank. Nur weil sein Magen sich im Augenblick beruhigt hatte, hieß das noch lange nicht, dass er nicht gleich wieder die Kloschüssel umarmen musste. „Ungefähr eine Stunde. Du fängst dich langsam wieder.“, stellte Tyson fest, der es sich auf Adrians Couch gemütlich gemacht hatte und den halbnackten Mann über Adrians Bett anstarrte. Dabei mit einer Miene im Gesicht, die er nicht deuten konnte. „Emily?“ „Hat einen Anruf bekommen und ist weg.“ Tyson riss seinen Blick von dem Poster los und sah Adrian entschuldigend an. „Hör mal, ich-“ Adrian hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. Keine gute Idee. Sofort klingelte es in seinen Ohren, ebbte aber schnell wieder ab, so dass er dieses Mal einen großzügigen Schluck voll Wasser trinken konnte. „Es ist nicht deine Schuld. Glaub mir. Das hab ich selbst auszubaden.“ Er seufzte. „Woran liegt es denn dann? Ich meine, ich weiß ja, dass ich nicht unbedingt der Typ bin, dem man alles anvertraut, aber du hast mir schon eine ganze Weile nichts mehr erzählt und da ich meines Wissens nach dein einziger Kummerkasten bin, muss sich bei dir schon ganz schön viel aufgestaut haben. Also versuch das jetzt nicht zu leugnen, sondern rede endlich!“ Adrian war zu müde, um über Tysons ernsthafte Offenheit erstaunt zu sein. Gleichzeitig schämte er sich dafür, seinen Freund auf diese Weise vernachlässigt zu haben. Wieder seufzte er. „Okay, die Kurzfassung: Alexandra hat es fast geschafft, mir das Herz zu brechen, in dem sie mir beinhart ins Gesicht sagte, ich wäre nur gut zum Ficken, aber alles darüber hinaus sei ich nicht wert, weil ich nie was besseres sein werde als ein dreckiger Stricher.“ Tyson fiel die Kinnlade hinunter. Erstens hörte er Adrian selten SO offen sprechen und zweitens, wie konnte es diese Schlampe wagen, so etwas zu ihm zu sagen? Doch anstatt nachzufragen, ließ er Adrian weiter reden. „Es war kurz nachdem ich ihr gestanden habe, warum es mir so schwer fällt, mich emotional auf jemanden einzulassen. Eben weil ich es nur gewohnt bin, wie ein Stricher behandelt zu werden, da ich einmal einer war. Ihre Reaktion darauf, kennst du jetzt ja.“ Er strich sich das rote Haar nach hinten und fühlte seine Stirn. Fast normale Temperatur, dennoch zitterte er. „Darum bin ich auch weggezogen. Nicht nur, weil ich jetzt näher an meinem Arbeitsplatz bin, sondern weil sie mich auch nicht mehr erreichen kann. Jetzt muss ich Emily anlügen und vorgeben, ich sei schwul, obwohl ich langsam glaube, dass ich mich für sie interessiere. Zumindest scheint sich das so anzufühlen. Aber ich kann ihr nicht näher kommen, weil sie das nicht verstehen würde und weil sie mich dann vermutlich aus der Wohnung jagen würde, die mir inzwischen ziemlich ans Herz gewachsen ist.“ Er schwieg einen Moment, damit Tyson die Gelegenheit hatte, einmal zu Wort zu kommen, doch das Schweigen wurde nur immer länger. „Außerdem glaube ich nicht, dass ich noch länger meinen Zweitjob ausführen kann.“ Er schlang seine Arme beschützend um sich und starrte auf seine Bettdecke. „Ehrlich, Adrian. Ich habe dir schon längst gesagt, du sollst damit aufhören. Kein Traum ist es wert, dass du dich dafür vorher schon kaputt machst. Du bist jetzt schon völlig verkorkst, das wird dadurch sicher nicht besser werden. Wann oder besser gesagt, wie willst du lernen, eine richtige Beziehung zu führen, wenn du nebenbei diesem Job nachgehst? Könntest du deiner Freundin dabei in die Augen sehen?“ Adrian drehte langsam den Kopf zu seinem Kumpel, der wieder das Männerposter anstarrte und nervös mit den Bändern seiner Jacke spielte. „Wenn es nur das wäre.“ Die Finger hielten inne, Tysons grüne Augen richteten sich auf ihn. „Was ist denn noch das Problem?“ Am liebsten hätte Adrian sein Gesicht in die Decke vergraben und wäre daran erstickt. Es fiel ihm verdammt schwer, das vor seinem Freund zuzugeben, aber er konnte es nicht mehr länger zurück halten. „Es … gefällt mir nicht…“, gab er zögernd zu. „Was gefällt dir nicht?“, hakte Tyson seltsam sanft nach, als könne er mit allem anderen Adrian am Sprechen hindern. Adrian stöhnte gequält, ehe er sich seinem Gefühl beugte. „Der Sex. Ich hasse es. Ich fühle nichts, was angenehm wäre. Ich bin zwar bereit und soweit funktioniert auch alles, aber ich komme nicht zum Punkt. Ich … Ich kann’s nie durchziehen.“ Schweigen. Langes, drückendes, unangenehmes Schweigen. Adrian konnte Tyson nicht ansehen. „Adrian.“, begann da eine seltsam behutsame Stimme. „Ist schon gut, Kumpel.“ Die Matratze senkte sich unter dem Gewicht seines Freundes, wodurch Adrian mit einem Ruck hoch sah. Was? Nervös fuhr sich Tyson durch die Haare. Okay, vielleicht nicht nervös, sondern unsicher. „Um ehrlich zu sein, ich schaff’s auch nicht immer. Hat aber nichts mit deinem Körper zu tun, sondern ist reine Kopfsache. Verstehst du? Ich bin mir sicher, wenn du diese ganze Scheiße einmal hinter dir gelassen hast, wird das auch klappen. Immerhin weiß ich doch, dass du dazu in der Lage bist. Das damals im Ferienlager hab ich nicht vergessen. Gott, was waren wir dämlich.“ Jetzt begann er schwach zu lächeln und Adrian stieg auf diesen Stimmungswechsel nur zu bereitwillig ein. „Soweit ich mich erinnern kann, kamst du nicht einmal in die Nähe des Bechers…“ *** Lang und breit hatten Emily und Mona die Möglichkeiten und Eventualitäten des Norwegentrips auseinander genommen. Aus der Tasse Kaffee, auf die sie sich eigentlich hatten treffen wollen, war ein zusätzliches Abendessen geworden und trotzdem fühlte Emily sich so, als wäre sie keinen einzigen Schritt weiter in ihren Überlegungen. „Aber er ist mein Chef.“, sagte sie zum wiederholten Male, während Mona in ihren Tortellini herumstocherte und die Käsesauce zu einem kleinen See in der Mitte des Tellers zusammen schob. „Warum machst du dir denn darüber Gedanken? Er will doch was von dir! Wärst du diejenige, die sich aus heiterem Himmel an ihn heran schmeißt, wäre das was Anderes.“ Sie sah ihrer Schwester beschwichtigend in die Augen. „Lass’ ihn doch einfach machen. Wenn dir danach ist, könnt ihr euch in Norwegen ein Bett teilen. Und wenn nicht, dann eben nicht.“ Emilys Stimme war leise, als sie antwortete. „Ich will bloß nicht wieder diejenige sein, die er anruft, um das Bett zu teilen und sonst nichts.“ „Glaubst du denn, dass Richard sich derart Mühe geben würde, wenn er nur auf Sex aus wäre?“ Mit einer schwungvollen Geste steckte Mona sich eine Nudel in den Mund und sah sie fragend an. Emily dachte wieder über den Verlauf des Abends nach. „Wahrscheinlich nicht. Sonst hätte er wohl gefragt, ob er noch auf einen ‚Kaffee’ mit reinkommen kann.“ „Na, siehst du. Lass es doch einfach auf dich zukommen. Wie gesagt…“ Ja, „wie gesagt“. Die beiden drehten die Geschichte noch ein paar Mal herum, besahen sich die Fakten oder auch die Vermutungen von allen Seiten und kamen zu dem Schluss, dass Emily würde spontan entscheiden müssen. Noch war eigentlich gar nichts passiert und so konnte es unter Umständen auch bleiben. Nach einer weiteren Stunde setzte Mona Emily vor der Haustür ab und wünschte ihr viel Spaß für die Reise. Immerhin würden sie sich vor Dienstag wohl nicht noch einmal sehen. Als Emily die Treppe zum ersten Stock hinauf stieg, sah sie auf die Uhr. Es war gegen halb acht und Emily hoffte, dass Adrian schon zur Arbeit gegangen war. Das war das erste Mal, dass es ihr unangenehm gewesen wäre, ihm zu begegnen. Sie hätte nicht gewusst, was sie sagen sollte. Sie wäre sich in jedem Fall dumm vorgekommen, egal ob sie ihn gefragt hätte, was passiert war oder nicht. Sie sollte nicht so neugierig sein. Ein wenig vorsichtig schloss sie die Tür auf und lugte in den Flur hinein. Selbst wenn er zu Hause war, schlief er vielleicht oder war im Bad. Emily würde sich einfach in ihr Zimmer verdrücken, außer Adrian fing sie ab und wollte tatsächlich mit ihr reden. Was sie allerdings bezweifelte. *** Er hatte die richtige Entscheidung getroffen. Das wusste er spätestens, als der Bass der Musik ihn umfing. Die Melodie lullte ihn auf eine Weise ein, die Alkohol oder andere Drogen es nie könnten. Es ging ihm schon etwas besser. Eigentlich hätte Adrian wohl lieber Zuhause bleiben sollen, aber er wollte sich von seinem plötzlichen Migräneanfall nicht runterziehen lassen. Immerhin waren die meistens schnell wieder verschwunden, wenn er sich das Schmerzmittel einwarf, sich etwas ausschlief und viel Flüssigkeit zu sich nahm. Im Augenblick spürte er nur noch ein leichtes Brummen im Kopf und da er ohnehin nichts gegessen hatte, war die Übelkeit fast vollkommen verschwunden. Doch was besser geholfen hatte als das Schmerzmittel, war Tyson gewesen. Mann, der Kerl konnte einen immer wieder überraschen. Und heute hatte er Adrian wirklich dermaßen überrascht, wie in den letzten zwanzig Jahren nicht. Andererseits, er hatte nie wirklich zugelassen, dass sein bester Freund auch einmal auf diese Art zu ihm kam. Er hatte immer geglaubt, Tyson wäre für diese Art von Gespräch nicht erwachsen genug. Doch ganz offensichtlich hatte sich Adrian da geirrt. Das Reden hatte geholfen. Erst recht, da sein Kumpel ihn für sein Geständnis nicht ausgelacht oder gar aufgezogen hatte. Nein, ganz im Gegenteil, er hatte Adrian sogar getröstet. Das war wirklich ein Ding! Während des Tanzes, den er dieses Mal etwas vorsichtiger anging, da ohnehin genug Publikum im Club herrschte, überlegte er sich, dass er würde mit Emily reden müssen. Er konnte und wollte das nicht so einfach stehen lassen. Eine Entschuldigung und eine kurze Erklärung für sein Verhalten sollten schon drin sein. Immerhin waren sie jetzt Mitbewohner. Wenn sie sich nicht vertrugen, könnte es keiner allzu lange mehr in dieser Form mit dem anderen aushalten. Also war es beschlossene Sache, mit ihr zu reden. Was sich wiederum besser anfühlte, jetzt da er wieder ein Ziel vor Augen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)