Castle Homicida von KeiKirjailija ================================================================================ Kapitel 21: Ein Bund für das Leben (Cruors Vergangenheit) --------------------------------------------------------- Kapitel 21: Ein Bund für das Leben (Cruors Vergangenheit) Geboren im tiefen Mittelalter, als Sohn einer mit Kindern reichbeschenkten Familie, wuchs Cruor im Elend auf. Seine Familie war arm und es gab so viele Mäuler die gestopft werden wollten. Jeden Tag arbeitete sein Vater Stunde um Stunde bis in die tiefste Nacht. Morgens verließ er das Haus, in der Nacht kam er heim. Und immer wirkte sein Blick leer und ausdruckslos. Er arbeitete, damit sie lebten, keinem anderen Sinn diente seine Existenz. Cruor verstand es damals nicht ganz. Er sollte es noch verstehen lernen. Aber in seiner Kindheit sah er nur, wie das Leben seinem Vater immer mehr die Kraft entriss und er sich jeden Tag aufs Neue aus dem Haus schleppte, damit die vielköpfige Familie leben konnte. Doch auch dieses Leben verlief nicht so, wie man sich Leben vorstellte. Als Cruor geboren wurde, hatte er fünf Geschwister. Er war nicht ganz ein Jahr alt, als er das erste Mal dem Tod begegnete. Einer seiner Brüder starb, an dem Hunger. Es war schon immer schwer, das Essen richtig aufzuteilen, wenn es so viele Leute mit so unterschiedlichen Prioritäten gab, und von dem Grundbedürfnis einfach zu wenig. Der Neugeborene bekam dies wohl nicht einmal wirklich mit, denn seine Mutter wurde bald wieder schwanger und als Cruor drei Jahre alt war, hatte er erneut fünf Geschwister. Die Winter waren kalt und hart, das Haus war klein und es gab nicht viele Möglichkeiten sich in der Nacht warm zu halten… Deutschland war schon immer kalt gewesen, doch in dem Jahr als Cruor sechs Jahre alte geworden war, ging ein Sturm dem schweren Winter voraus. Und er entledigte Cruors Familie einer ihrer Hauswände. In der Nacht kam der Vater von der Arbeit und versuchte alles daran zu legen, die Wand wieder aufzubauen. Er kam zu spät. Drei von Cruors Geschwistern überlebten den Winter nicht. Darunter sein jüngster Brüder und zwei älterer Schwestern. Cruor war einer der Unglücklichen, die überlebten, während seine Geschwister mit jedem Tag kälter wurden und ihre Haut bleicher… Er sah zu und er verstand nicht, wie all das passieren konnte. Verstand auch nicht, warum sie und nicht er. Er verstand nicht, was passierte oder warum. Er verstand auch nicht, wie seine Eltern das zu lassen konnten, ohne die Fähigkeit zu wissen, dass sie nichts ändern konnten und selbst so unglücklich waren Kind um Kind zu Grabe tragen zu müssen. Die Zeiten änderten sich und während der höfliche Adel sich aus dem Staub erhob und mit sich einige halbwegs gebildete Bauern und Leibeignen nahm, ging es dem abgeschlagenen ungebildeten Volke immer schlechter… Cruor war mit seinen Eltern und seiner Schwester nun allein und auch wenn das Geld nun für mehr Essen reichte, lagen nur noch mehr düstere Zeiten vor ihnen. Seine Mutter wurde krank. Sie schleppte es Jahre nach dem schlimmen Winter mit sich rum, aber sie klammerte sich nur noch mit einer knochigen Hand am Leben fest. Ein Leben, das sie für nichts führte. Sie war immer alleine. Alleine mit ihren Kindern, für die sie doch nichts tun konnte. Und in manchen eisigen Nächten fühlte sie sich schuldig, sie in die Welt gesetzt zu haben. Schuldgefühle zogen an ihr und als schließlich ein harter Winter ihr drei ihrer Kinder nahm, gab sie langsam aber sicher auf. Die Krankheit kam schleichend und sie hielt sich lange an der Mutter fest. Sie hatte noch den Wunsch gehabt, ihre anderen zwei Kinder aufwachsen zu sehen, auch wenn sie selbst nicht wusste, ob dies eine Option für die Beiden gewesen war. Die Zeit zog an ihr. Und sie zog sie abwärts. Cruor war damals wohl der erste gewesen, der gewusst hatte, wie krank seine Mutter war, aber hatte nichts tun können. Mit elf Jahren war er alt genug gewesen gemeinsam mit seiner zwölf Jahre alten Schwester auf den Markt zu gehen, während der Vater arbeiten war und die Mutter sich um das Haus kümmerte. Er merkte, dass es seiner Mutter schlecht ging, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Er suchte nach Medizin, ohne zu wissen, was das eigentlich war. Auf dem Tisch eines Mannes erkannte er Flaschen. Er fragte sich, ob dies Medizin war, ob es seiner Mutter helfen konnte, aber er wusste es nicht. Und wenn er es gewusst hätte, hätte er sich nicht leisten können. All die Stände auf dem Markt waren eine Quälerei für den Jungen, der doch nie etwas gehabt hatte. Er wollte seiner Mutter so gerne helfen. Er war noch klein und an diesem schicksalshaften Tag war es voll auf dem Markplatz. Die Flaschen zogen ihn an. Seine Mutter trank viel Wasser, weil sie krank war. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ihr diese Flaschen nicht auch helfen würden. Und er griff einfach zu. In dem Moment fühlte er sich schrecklich, aber wenn man daran dachte, wofür er es tat. War es dann nicht richtig? Wenn es richtig war, all seine Geschwister sterben zu sehen, während sein Vater alles für die Familie gab… Dann konnte er Junge sich nicht vorstellen, dass für einen guten Zweck stehlen nicht auch etwas richtiges sein konnte. Es gab keinen Zusammenhang, aber die Flasche war so schwer in seiner Tasche, dass Cruor leichte Gedanken brauchte, um sie weiter tragen zu können. Zu Hause angekommen, zeigte er seiner Mutter die Medizin. Sie war sehr wütend auf ihn und es war nicht die richtige Flasche. Der Junge fühlte sich schrecklich und hilflos. Und er wusste, dass er etwas Falsches getan hatte. Dennoch beruhigte ihn seine Mutter. Sie lobte seinen Versuch, ihr helfen zu wollen, aber es half nichts. Auch Cruors Schwester hatte etwas von dem Markt des Dorfes mitgebracht. Eine schreckliche Krankheit. Erst Jahrhunderte später sollte Cruor den Namen der Krankheit erfahren, die seine Schwester mit sich zog. Sie bemerkten es nicht sofort. Was es auch war, es wartete noch ein paar Marktbesuche ab. Cruor hatte an diesem Tag die gestohlene Flasche zurückgestellt, ungesehen. Und er froh darüber. Er fühlte sich leichter, doch etwas Neues hatte seine Aufmerksamkeit erregt. Dort an seinem Stand lag ein Buch. Aufgeschlagen mit großer Schrift. Er dachte an all die Zeit, in der seine Mutter klagte, dass die Arbeit als Bauer des Vaters so wenig Geld brachte. Er dachte an die Dichter, die doch Geld von den Königen bekamen, um zu lesen und zu schreiben. So sah das alles in Cruors kleiner Welt aus. Und er dachte sich, wenn er schon kein Geld für Medizin hatte, vielleicht könnte er so viel verdienen, dass man damit seiner Mutter helfen konnte. Er musste das Buch haben und lernen. Und dann wenn er Geld hatte, würde er das Buch doppelt bezahlen. Es klang fair, auch wenn es nicht richtig war. Doch der Junge war verzweifelt. Mit jedem Tag ging es seiner Mutter schlechter. Und der Neunjährige griff nach dem Buch. Es wäre wohl gut gelaufen, hätte in diesem Moment nicht die Schwester neben ihm begonnen zu husten… Neben ihm zitterte sie am ganzen Körper und brach auch noch zusammen. Es war komisch, denn sie zitterte, obwohl sie ganz warm war, Cruor war verwirrt und er war panisch, denn all die Leute sahen ihn mit einem Mal an. Und er wusste nicht, was er tun sollte. Er war bloß ein Junge, der dachte, er könnte das richtige tun. Seine Schwester zuckte unter Schmerzen. Sie konnte sich nicht bewegen. Cruor griff nach ihrem Arm und zog sie fort. In der anderen Hand hielt er noch immer das Buch. Er hatte es aus Reflex einfach weiter fest gehalten. Und er hörte die Leute schreien hinter ihm. Seine Schwester schrie auch. Sie hatte Schmerzen und Cruor verstand es nicht. Aber er brachte sie nach Hause. Dort legte er sie in das Bett und versuchte sich um sie zu kümmern. Sie war heiß, als lege sie im Feuer. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht und noch immer zitterte sie. Cruor verstand das nicht. Er versuchte ihr zu helfen, aber es wurde nicht besser. An ihrem Bein hatte sie eine kleine blutige Stelle, als hätte sie ein Insekt gebissen. Konnte ein so kleines Tier ihr so einen Schmerz zu fügen. Cruor untersuchte sie, aber er konnte nichts finden. Er war zu jung, zu unfähig etwas zu tun. Auch die Mutter war noch krank. Sie war ans Bett gebunden und konnte all das nur vom anderen Ende des Raumes mit ansehen, wie ihre Tochter sich im Todeskampf unter Schmerzen wandte. Cruor versuchte alles, aber so schleichend es begonnen hatte, so ging es mit einem Mal ganz schnell. Er konnte sie nicht bis zur Ankunft des Vaters am Leben halten. Sie konnte nicht mehr sprechen. Sie bewegte sich unruhig unter Schmerzen und immer mehr öffnete sich ihre Haut und das Blut trat heraus. Nichts wollte sie davon abhalten, dass sie blutend da lag und nach und nach immer mehr aus dem Leben schied. Cruor konnte nur zusehen und nicht verstehen. Es war das erste Mal, seit der Tod ein ständiger Begleiter seiner Familie war, dass er weinte… Er kniete am Bett seiner toten Schwester und tränkte die blutigen Laken noch weiter mit seinen Tränen, bis der Vater in der Nacht heim kam und ein weiteres Kind tot vorfand. Dies auch war der Moment, in dem er sich veränderte. Bisher hatte er mit all der Gleichgültigkeit den Tod betrachtet, doch in dieser Nacht wurde Cruors Vater wütend. Ihm wurde die Sinnlosigkeit seines Lebens bewusst. Man konnte es ihm nicht übel nehmen. Er lebte, um sie am Leben zu halten, und er schuftete Tag für Tag ohne Pause, damit sie lebten und… sie lebten nicht… Er war inzwischen ein alter Mann, der immer gleichgültig vor sich hin gelebt hatte, aber die Hilflosigkeit und die Sinnlosigkeit machte ihn in dieser Nacht wirklich wütend. So wütend, wie Cruor ihn nie gesehen hatte. Er schrie und wütete, dass der Junge Angst bekam und sich schließlich mit seinem gestohlenen Buch im Schrank versteckte… So verging die Zeit. Sein Vater wurde oft wütend, wenn er von der Arbeit kam und immer dann versteckte Cruor sich mit dem Buch im Schrank. Zum Markt konnte Cruor nicht mehr gehen. Er traute sich nicht mehr. Und so las er immer nur in dem Buch und nach und nach verstand er die Zeichen, die Buchstaben waren. Er konnte sie nur langsam in Verbindung setzen, aber er verstand immer mehr und da er viel Zeit hatte, lernte er all das Auswendig. Es war ein komisches Buch. Mit vielen komischen Abbildungen von komischen Kreaturen, aber Cruor hatte nichts anderes und die Zeit verstrich. Seine Mutter wurde immer schwächer, aber der Junge traute sich nicht wieder auf den Markt zu gehen und er traute sich auch nicht, ihr das Buch zu zeigen, er konnte nur hoffen, dass er schnell genug Lesen und Schreiben lernte, um mit Geld seine Mutter retten zu können… Jeden Tag übte er selbst Buchstaben zu malen und er dachte auch wirklich besser zu werden. Doch er war zu spät. Seine Mutter verstarb, als er zwölf Jahre alt wurde. Er konnte nichts dagegen tun. Sie schlief einfach ein und war tot. Drei Jahre lang hatte Cruor das Haus nicht verlassen, um sie zu retten, aber es half nichts und an diesem Tag hatte er Angst davor, dass sein Vater nach Hause kam und seine Mutter tot fand. Cruor wusste nicht, was er tun sollte. Er hatte keine Beziehung zu seinem Vater, weil dieser nie da gewesen war. Und in den letzten Jahren, war er immer wenn er da war wütend geworden. Er war schon wütend gewesen, als seine Tochter, die er kaum kannte starb, aber seine Frau? Cruor verstand so viel, dass es schlimm werden würde, wenn er auch sonst nichts verstand…Unter Tränen verabschiedete er sich von seiner Mutter und flüchtete… Er lief davon. Alles, was er mit sich nahm, war sein Buch… Er wusste gar nicht, wo er hin sollte. Er lief einfach aus dem Dorf raus. Am Wald entlang immer weiter. Er wusste nicht, was jetzt noch werden sollte, aber er konnte nicht zu Hause bleiben. Zu Fliehen war jedoch ebenfalls eine schlechte Entscheidung gewesen, wie sich herausstellen sollte. Denn er war nicht lange Unterwegs, da hörte er Stimmen hinter sich. Stimmen, die ihn erkannt hatten. Und er auch erkannte die Männer… Die Männer, denen er das Buch gestohlen hatte. Und sie waren noch immer wütend… Selbst wenn er gewollt hätte, Cruor konnte nicht weglaufen, er konnte nicht fliehen, sie holten ihn ein und sie griffen ihn an. Aber etwas war an alle dem merkwürdig… Denn die, die ihn angriffen, das waren keine Menschen mehr. Es waren Wölfe. Der Junge wusste nicht, wie ihm geschah, er hatte keine Chance. Wie hätte der unterernährte Junge, der nie in seinem Leben lange das Haus verlassen hatte, auch kämpfen sollen? Er verstand es nicht. Er wusste nicht, was hier passierte. Er hatte damit gerechnet Ärger zu bekommen. Vielleicht sogar Prügel zu bekommen, aber dass sie ihn umbrachten und zerfleischten. Cruor verstand es nicht. In diesem Moment wusste er noch nicht, dass es das letzte Mal sein sollte, dass er etwas nicht verstand. Geglaubt hätte er an so eine Hoffnung sowieso nicht, denn er fühlte sich, als würde er sterben. Die Tiere bissen Fleisch aus seinem Körper rissen seine Haut auf. Doch dann stoppten sie mit einem Mal. Der Junge konnte die Augen nicht öffnen, selbst wenn er es tat war alles schwarz von ihnen. Aber er hörte Stimmen. „Da kommt jemand…“, murmelte eine dunkle Stimme. „Wir können ihn doch nicht so hier liegen lassen. Was ist wenn er sich verwandelt?“ „Er ist doch schon fast tot. Nimm das Buch, wir müssen hier weg! Sie werden glauben, dass es die wilden Tiere waren. Er ist tot, bevor jemand etwas wissen kann. Problem gelöst!“ Sie würden ihn einfach qualvoll sterben lassen, Cruor konnte es nicht glauben, aber er war auch zu schwach, sich zu wehren oder gar etwas zu fühlen. Die fremden Männer verschwanden und andere Personen kamen zu ihm. Der Junge glaubte nicht daran, dass es etwas ändern würde. Das war das Ende für ihn. Da ertönte eine weibliche Stimme, die sein Leben verändern sollte. „Schau dir das an… Der arme Junge….“, murmelte sie und wurde langsam lauter. „Das geht uns nichts an, lass uns weiter gehen“, antwortete ein Mann ihr. „Nein. Er ist noch am Leben… Wie kann das… Oh, schau dir die Bisse an. Das war kein normales Tier. Wölfe haben ihn angegriffen. Werwölfe. Atticus, du weißt, dass es unsere Pflicht ist, ihn zumindest hier wegzuschaffen und anständig zu begraben.“ Cruor wollte sagen, dass er nicht tot war, aber er zu schwach dazu. „Es ist nicht unsere Aufgabe, sondern die der Wölfe. Ich erledige keine Aufgaben für diese niederen Kreaturen. Hörst du?“, wandte der Mann ein. Die junge Frau seufzte. Cruor spürte eine kalte Hand an seiner Stirn. „Wir müssen uns darum kümmern. Sollte er sich verwandeln und sie ihn finden… Wie schnell kommen sie in ihrem Aberglauben dazu, dass wenn Werwölfe existieren, dass auch wir echt sind?“, dachte sie laut nach und streichelte durch Cruors mit Blut verklebtem Haar, es fühlte sich gut an. „Der arme Junge… So ein kleines Kind noch. Ich kann diese Verantwortungslosigkeit die manche von uns an den Tag legen einfach nicht ausstehen…“ Cruor konnte nicht anders. Es fühlte sich gut an und vertraut. Obwohl es schmerze öffnete er die Augen. Und langsam erschien das Bild der jungen Frau vor ihm. Sie kniete bei ihm, in einem See aus Blut und er konnte sich denken, wie schlimm es um ihn stand. Ihre Blicke trafen sich und die Frau lächelte. „Du bist noch am Leben… da hast du ziemliches Glück gehabt…“, flüsterte sie, „Und offensichtlich hältst du dich nach all dem Schmerz noch immer am Leben fest… Es ist unsagbar.“ „Du weißt doch gar nicht, ob er sich verwandeln wird.“ „Diese Bisse sind eindeutig von einem Werwolf. Es ist unsere Pflicht ihm zu helfen und ich werde ihm helfen.“ „Ich werde dir nicht dabei helfen, dass du das weißt!“ „Ich brauche deine Hilfe auch nicht“, etwas Kaltes lag in der Stimme der Frau, doch nun legte sie beide Hände an Cruors Gesicht. „Habe keine Angst“, flüsterte sie ihm zu, „Ich lasse dich dem Tod nicht gegenübertreten, ich bin nun hier…“ Er wusste nicht warum, aber er fühlte sich sicher bei ihr. „Was hast du vor? Du willst doch für einen dahergelaufenen Köter nicht unsere Vorräte verschwenden, oder?“ Cruor hörte ein leichtes Lachen über sich. Und er spürte ihre Hände an seinen Wunden. Es war ein schmerzendes Gefühl. Aber er vertraute ihr. Vielleicht lag es daran, dass er keine andere Möglichkeit hatte, oder er hatte wirklich etwas gespürt. Das Gefühl verging schnell und Cruor verlor das Bewusstsein… Er erwachte in einem kleinen Haus in einem Bett. Vorsichtig öffnete er die Augen und versuchte sich aufzurichten. Noch immer schmerzte sein Körper, aber seine Wunden waren vollständig verbunden und versorgt. Unsicher sah er sich um. „Du bist erwacht“, die junge Frau mit den dunklen Haaren trat auf ihn zu, „Wie geht es dir? Du hast lange geschlafen, aber dadurch konnten deine Wunden sich gut regenerieren“, wieder legte sie die Hand an seine Stirn, „Du bist bestimmt hungrig…“ Cruor sah sie erstaunt an: „Danke…“, murmelte er schwach. Die Frau stand auf und kam mit einem rohen Stück Fleisch wieder. In seinem ganzen Leben hatte Cruor noch nie so ein großes Stück Fleisch gesehen, geschweige denn es für sich zu essen zu haben. Seine Familie hatte sich niemals Fleisch leisten können. Und er musste zugeben, dass er schon mindestens einen ganzen Tag nichts gegessen hatte und sein Magen genauso wie die frischen Wunden schmerzte. Aber er wusste nicht, wie er das rohe Fleisch essen sollte. Die Frau sah ihn an. „Du musst dich nicht zurückhalten. Es ist in dir und wenn der Hunger zu groß wird, wird es durchkommen. Lass ihm seinen natürlichen Lauf.“ „Können wir ihn bald wieder aussetzen? Ich habe kein Interesse an einem Haustier!“, mischte sich auch der Mann wieder ein, doch die Frau ignorierte ihn. Cruor blickte das Fleisch an. Sie hatte recht, er spürte etwas in sich, aber er wusste nicht, ob er diesem Gefühl im Inneren folgen sollte. Auf der anderen Seite hatte diese Frau ihn gerettet, es gab keinen Grund ihr zu misstrauisch. Und er hatte Hunger… All das kam zusammen und es dauerte nicht lange, da passierte es ganz von selbst. Sein Körper veränderte sich ohne sein Einwirken. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Die Klauen, die Zähne, das Fell. Er fühlte sich anders, doch auch bei weitem nicht schlechter als Mensch. Und er konnte in das Fleisch beißen, er konnte essen und er hatte das Gefühl das erste Mal in seinem Leben wirklich zu essen. Doch als er geendet hatte, beschlich ihn die Angst, wie sollte er sich zurück verwandeln. In Gestalt des grauen Wolfes blickte er die Frau an. Sie streckte die Hand nach ihm aus und lächelte. „Du bist ein guter Junge, ich wusste das… Konzentrier dich auf mich und auf den Menschen in dir… Du bist ein Naturtalent, so wie es aussieht.“ „Erneut: Ich weiß nicht, was du mit diesem verdammten Köter vorhast!“ Auch Cruor achtete nicht mehr auf den Mann, er konzentrierte sich auf die Frau und langsam erhielt er seine ursprüngliche Gestalt zurück. „Was ist das…“, murmelte er verstört. „Willkommen im Kreise der Nacht“, erklärte sie ruhig, „Meine Name ist Necia, ich bin die Tochter des Vampirs. Und du bist von Werwölfen gebissen worden und nun selbst einer von ihnen. Nur so hast du überleben können.“, erklärte sie ihm. „Ihr habt mich gerettet“, stellte er fest und schluckte, „Werwölfe… Dann waren die Sachen in diesem Buch also… wahr?“ Necia legte den Kopf schief. „Schau an, schau an. Atticus, wir haben es hier mit einem gebildeten Wolf zu tun.“ „Mein Name ist Cruor…“, gestand er scheu und sah die Frau an, „Ihr habt mein Leben gerettet, wie kann ich euch dafür danken?“ „Verschwinde“, mischte sich der Mann an und trat neben die Frau, „Schau meine Frau nicht mit diesem Blick an und lass uns in Ruhe, das ist das Mindeste, was du tun kannst, nachdem wir dich gerettet haben!“ „Wir haben ihn nicht gerettet. Ich habe ihn gerettet und es ist nicht deine Entscheidung ihn wegzuschicken, Atticus!“, sagte die Vampirin ernst und sah den Jungen mit einem Lächeln an, „Cruor… Was ist mit deinem Heim? Hast du einen Ort, an den du zurückkehren kannst? Wie dem auch sei, bevor du gehen kannst, müssen wir dir einiges über dein neues Leben beibringen. Alles andere, wäre unverantwortlich. Ich hoffe du verstehst das.“ „Ich habe kein… Heim mehr…“, gestand der Junge und senkte den Blick, „Und bitte… Meine Dame… Ich will meine Schuld begleichen. Ihr rettet mein Leben. Und noch immer wollt Ihr mit helfen. Sagt, was ich für Euch tun kann.“ Necia legte den Kopf schief. „Du bist wirklich süß, Kleiner…“, sie dachte einen Moment nach, „Also… Vielleicht gibt es da etwas, dass du dann tun kannst. Du kannst uns begleiten.“ „Necia…“ „Atticus und ich suchen nach einem Ort, an dem wir bleiben können. Wir sind lange umhergereist. Vielleicht wird es noch eine Weile dauern, aber ich hätte dich gerne an meiner Seite.“ „Necia.“ „Wenn deine Fähigkeiten vollständig ausgebildet sind, gibst du mit Sicherheit einen guten Beschützer ab. Wenn du etwas für mich tun möchtest. Dann begleite mich.“ „Necia!“ „Was sagst du?“ „Liebend gerne, meine Dame…“, sagte Cruor mit einem leichten Lächeln und verneigte sich noch einmal. Schließlich konnte Atticus nichts gegen den Wunsch seiner Frau unternehmen und Cruor begleitete die Beiden auf ihrer weiten Reise, bis sie schließlich ihr Schloss erreichten. Es war noch eine lange Reise von dort bis ins jetzt. Doch Cruor wich niemals von der Seite seiner auserkorenen Herrin und es zeigte sich, dass dies das genau nicht richtige war. Es zeigte sich auch, dass Necia Recht behalten sollte, Cruor war nützlich, damals hatte sie einen Plan gehabt, doch niemals gedacht, dass aus diesem Plan noch so viel mehr werden würde. Niemals gedacht, dass sie ihn einiges Tages viel mehr als nur „nützlich“ finden würde… Der kleine Junge war gerettet und er wuchs heran. Er begann immer mehr zu lesen und zu verstehen und er fand seinen Platz in der neuen Gesellschaft, besser als so manch einer von ihm erwartet hätte. Zur Freude gewisser Personen, so wie zum Ärger anderer. Doch am Ende kam es darauf an, dass Cruor wusste, was er war und wo er hingehörte… Hosted by Animexx e.V. 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