Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 48: Mendelsche Vererbungslehre -------------------------------------- Sooo... und gleich das nächste Kapitel als Ausgleich für die lange Wartezeit. Ich freue mich schon auf eure Kommentare! ^_^ ___________________________________________________________________________________ „Hey Alter, wo warst du?“, erkundigte sich Tristan leise flüsternd, nachdem er sich neben ihm niedergelassen hatte. „Hrmhrm“, machte Herr Koriami auf sich aufmerksam und bat um Ruhe im Klassenraum. Joey beließ es daher bei einem nichtssagenden Schulterzucken und sah scheinbar aufmerksam nach vorn. Erst später, als Herr Koriami ihnen alle heute zu beantwortenden Fragen mitgeteilt hatte, konnten sie sich unter dem Deckmantel der Zusammenarbeit miteinander unterhalten. Der Fachraum hatte den angenehmen Nebeneffekt, dass in diesem die Tische nicht einzeln standen, sondern immer vier nebeneinander angeordnet waren. So konnten auch Thea und Yugi, welche rechts von ihm arbeiteten, der Unterhaltung folgen. „Und, wo musstest du nun vorhin noch unbedingt hin?“ „Ich hatte mein Biobuch vergessen.“ „Mensch Joey, das vergisst du in letzter Zeit aber häufiger“, stellte Tristan herausfordernd fest. „Ich habe halt zurzeit viel um die Ohren“, verteidigte sich dieser. „Und was genau?“, hakte Thea leise nach, während sie die nächste Seite umblätterte. Schnell überlegte sich Joey, was von den vielen Dingen, die sich in letzter Zeit in seinem Leben geändert hatten, am Ehesten während einer Unterrichtsstunde erzählt werden konnte, ohne gleich einen Aufruhr zu provozieren. „Ich… habe einen neuen Job“, ließ er schließlich nach kurzem Grübeln verlauten. „Ach ja? Was denn?“, erkundigte sich Yugi neugierig. „Ich arbeite jetzt als Kellner.“ „Verdient man da mehr?“ „Ja. Ein bisschen zumindest.“ „Aber dann musst du ja bestimmt immer lange arbeiten.“ „Hm“, gab Joey auf Yugis Feststellung nur einsilbig zurück. „Ey Leute, mal ne ganz andere Frage, weiß jemand was mit“, stirnrunzelnd deutete Tristan auf ein paar der Begriffe im Biologiebuch „…‘dominant rezessivem Erbgang“ anzufangen? Oder hier… Was ist die Spaltungsregel, Uniformitätsregel oder Neukombinationsregel?“ „Das hatten wir doch alles schon mal“, rutschte es Joey ungewollt heraus. /Mist. Hör auf, laut zu denken/, rief er sich selbst zur Ordnung. „Ja klar. Irgendwann im letzten Jahrhundert! Daran kann sich doch kein Schwein mehr erinnern. Du etwa?“ Keine gute Frage. Joey zögerte. Die korrekte Beantwortung würde lediglich zu dem führen, was er zu vermeiden versuchte: ein Aufruhr unter seinen Freunden. Zumindest würden sich weitere Fragen ergeben, die sich nicht unter den wachsamen Blicken des Lehrers klären ließen. Außerdem wusste er gar nicht, ob er dafür schon bereit war. Immerhin hatte er noch ganze 5 Stunden 34 Minuten und 8 Sekunden Zeit. „Seh‘ ich aus wie ein wandelndes Lexikon? Nee. Pass halt besser im Unterricht auf, dann musst du mich nicht immer mit diesen Fragen löchern.“ „Als wenn ich dich immer damit löchern würde! Du weißt doch eh nie was“, giftete Tristan. „Na, ich weiß zumindest schon mal, dass es was mit unserem Erbgut zu tun hat“, verteidigte sich Joey. „Super, das kann man ja aus der Überschrift ‚Vererbungslehre‘ auch so gar nicht ableiten“, ließ Tristan ihn mit sarkastischem Unterton wissen. „Du konntest das offensichtlich nicht, sonst hättest du ja nicht gefragt.“ „Und ob, nur das mich das ja nicht weiterbringt.“ „Das ist dann aber nicht mein Problem.“ Der überhebliche, angriffslustige Ton von Joey ließ den Braunhaarigen aufhorchen. Er stutzte. „Man, wie bist du denn überhaupt drauf? Streitet Kaiba nicht mehr genug mit dir, dass du jetzt auf mich losgehst, oder was?“ „Ich… nein… Sorry, Tristan“, entschuldigte sich der Blonde, als ihm bewusst wurde, dass der Andere Recht hatte. Er war einfach überreizt, da er nicht so recht wusste, wie er sich aus seinen ganzen selbst gewobenen Fallstricken wieder herauswinden sollte. Statt die einzelnen Knoten zu lösen, gelang es ihm mit jeder Minute, die verstrich, neue hineinzusetzen. „Probleme, Hündchen?“, erkundigte sich eine belustigte Stimme aus dem Hintergrund. Kaiba arbeitete direkt eine Bank weiter und hatte NATÜRLICH eine ganze Bankreihe für sich allein. „Halt‘ die Klappe, Kaiba!“, forderte ihn Joey ohne aufzublicken grummelnd auf. Ein kurzes, gehässiges Lachen folgte, ehe Kaiba sich wieder seinem eigenen Buch zuwandte. „Vielleicht… sollten wir uns erst mal der anderen Frage zuwenden…“, warf Yugi vermittelnd ein. „Hm“ „Hm“ Stimmten Tristan und Joey gleichermaßen zu und legten ihren Streit vorerst bei. Voller Tatendrang diskutierten Yugi und Tristan anschließend darüber, wo sie weitere Informationen rund um die Vererbungslehre finden können, währenddessen Thea bereits in ihrem Biologiehefter nach Hinweisen suchte. Ein kleines, nerviges, schadenfrohes Flüstern aus dem Hintergrund wies Joey, von den anderen unbemerkt, freundlich auf einen Umstand hin, den er mit aller Macht zu verdrängen versuchte. „Falls du auf den passenden Moment gewartet hast, es ihnen zu sagen… DAS war er gerade.“ Und diese fiese, nagende Stimme sollte Recht behalten. Auch in dem nächsten und übernächsten Unterrichtsblock ergab sich für den Schüler keine weitere passende Gelegenheit, seine Freunde auf die Ergebnisse vorzubereiten. Ihm wollte einfach nie ein passender Gesprächsbeginn einfallen und Kaiba, der sich ständig irgendwie in ihrer Nähe aufzuhalten schien, war ihm dabei keine große Hilfe. Was aber, in Anbetracht dessen, dass er ständig sein Handy in Beschlag hatte, auch nicht sein Anliegen zu sein schien. Somit wurde auch die sechste Stunde an diesem Tag mit einem durchdringenden Klingeln der Schulglocke beschlossen, ohne dass Joey einen nennenswerten Schritt weitergekommen wäre. Doch nun, da die ersten Schüler in Richtung der Informationstafeln strömten, ließ sich das Thema nicht länger aufschieben. Kaum, dass sie den Raum hinter sich gelassen hatten, versuchte der Blonde seine Freunde noch einmal zurückzuhalten. „Ey Leute, es gibt da etwas, das ihr wissen solltet, bevor…“ „Hey Joey, warte mal noch zwei Minuten. Du kannst gleich loslegen, ich will nur schnell mal meine Ergebnisse ansehen“, ließ Tristan ihn wissen und stapfte an ihm vorbei. Schnell hielt Joey ihn an seinem Arm zurück. „Mensch Tristan, nun bleib doch mal stehen. Ich… will da jetzt gerade noch nicht hin.“ „Du vielleicht nicht. Ich schon.“ „Ja und wir auch“, informierte ihn Thea. Yugi, der die Probleme an ganz anderer Stelle vermutete, lief ebenfalls geradewegs an ihm vorüber. „Mach dir keine Sorgen, so schlimm werden deine Ergebnisse schon nicht sein.“ „Das befürchte ich allerdings auch“, stöhnte Joey. Seine Freunde waren schon außer Hörweite. Schnell nahm er seine Beine in die Hand und setzte ihnen nach, um sie vielleicht doch dazu zu bewegen, noch keinen Blick auf die Tafeln zu werfen. Doch als er sie endlich eingeholt hatte, war es schon zu spät. Sie hatten die Glaskästen, in denen die Tafeln hingen, längst erreicht und versuchten nun nur noch, einen Blick durch die Menge und auf die Ergebnisse zu erhaschen. Noch standen zu viele davor, um freien Blick zu haben, doch Tristan nutzte eine der Lücken und schummelte sich bis nach vorne durch. Yugi versuchte indes, sich auf Zehenspitzen zu stellen, um besser sehen zu können, doch es war absehbar, dass ihm das nicht gelingen würde. Tief Luft holend, setzte Joey ein letztes Mal dazu an, sich vorab zu erklären. „Yugi, bevor du die Ergebnisse siehst, wollte ich dir gern noch…“ Doch die anderen Mitschüler seines Jahrgangs gaben ihm keine Chance mehr, den Satz noch zu beenden. Die ersten hatten ihn, nach Sichtung der Ergebnisse, bereits entdeckt und ein jeder fühlte sich verpflichtet, irgendeinen Kommentar dazu abzugeben. „Ey Wheeler! Du bist ja cool! Wie hast du das denn hinbekommen?“ „Ja. Damit hätte ich bei dir ja nie gerechnet!“ „Hast du die Ergebnisse vorher geklaut, oder was?“ „Hast du Lust, mit mir mal was essen zu gehen?“ „Kannst du mir bei Gelegenheit mal den Namen deines Nachhilfelehrers sagen?“ „Bist ja doch gar nicht so blöd, wie du immer tust.“ Währenddessen hatten auch Yugi und Thea eine der neu entstandenen Lücken genutzt und waren bereits bis zu den Ergebnissen vorgedrungen. Er selbst war groß genug um auch von seinem derzeitigen Platz aus einen guten Blick auf die Platzierungen zu haben. Was auch nicht schwer war, da die ersten drei Plätze größer und dicker gedruckt waren, als der Rest. „Ich frage mich, warum du nur 487 von 500 Punkten hast, Hündchen. Bei deinem Gedächtnis hätte ich erwartet, dass du mindestens genauso gut wie ich abschneidest. Ich bin enttäuscht“, flüsterte ihm die jegliche seiner Nerven tötende Stimme hinter ihm zu, welche ihm schon den ganzen Tag immer im Nacken zu hängen schien. Der belustigte Unterton strafte die Worte von Kaiba allerdings Lügen. Da er noch vor ihm stand, musste auch er sich nicht anstrengen, die eigene Platzierung von ihrem Standpunkt aus zu sehen. Allerdings vermutete Joey, dass Kaiba die Ergebnisse ohnehin schon aus dem Schulcomputer kannte. Natürlich hatte man ihm seine erreichte Punktzahl bereits einen Tag zuvor per Post mitgeteilt - man ging schließlich davon aus, dass ein Kaiba Wichtigeres zu tun hatte, als sich höchst selbst vor irgendwelche profanen Tafeln zu stellen. Dennoch sah er scheinbar interessiert weiter in die Richtung der Aushänge und ließ es so aussehen, als stünde er rein zufällig hinter Joey. Dieser zuckte nur die Schultern. Ihm waren seine Ergebnisse egal. „Was kann ich für die ganzen Historiker?“, maulte er leise zurück. „Die drehen die Geschichte doch immer so hin, wie es ihnen gerade gefällt. Du kannst dir ansehen, was du willst. Egal welches Schriftstück die Archäologen ausbuddeln - es sind fast immer die niedergeschriebenen Ansichten der Gewinner. Und die so genannten Archäologen legen sich dann irgendein nettes Bild zurecht, ohne auch nur entfernt zu wissen, was wirklich passiert ist“, teilte er Seto mit und nahm damit Bezug auf das Fach, welches ihn um ganze dreizehn Punkte gebracht hatte. Für jemanden wie ihn, der sich an die ganze Geschichte der vergangenen 5000 Jahre erinnern konnte, war es nicht leicht, eine Arbeit über geschichtliche Fragen zu schreiben. Es hatte ihm widerstrebt, sich ständig den verdrehten Ansichten der Geschichtsschreiber anzupassen. Jede Zeit legte das Vergangene auf ihre eigene Weise aus. Auch wenn er schlecht sagen konnte, dass er es besser wusste, musste er sich diesen ganzen Halbwahrheiten doch nicht anschließen. „Ich wundere mich allerdings, warum du nicht die volle Punktzahl erreicht hast“, konterte Joey im Anschluss. „Das Zeichnen überlasse ich lieber dir, Hündchen“, wehrte Seto die nicht wirklich gut verborgene Spitze in seinen Worten ab. Kunst war eben nicht seine Stärke. Damit ließ Kaiba sich wieder unauffällig ein Stück zurückfallen und lehnte sich an eine der Säulen in der Nähe der Schaukästen. Einige Kommentare seiner Mitschüler später, hatte sich die Menge zumindest so weit gelichtet, dass Joey seine Freunde wieder sehen konnte. Diese schienen inzwischen ihre eigenen Ergebnisse gefunden zu haben und ließen ihren Blick nun zu den Bestplatzierten wandern. Wie bei allen Schülern der Schule, war die Neugierde groß, wer wohl zu den ersten dreien ihres Jahrganges gehörte. Dass Seto Kaiba unter ihnen war, verwunderte eigentlich niemanden. Der andere Name, der kurz darauf folgte, schien die drei allerdings in eine schwere Glaubenskrise zu stürzen. Binnen der nächsten Minute, in welcher sie nur auf die Namen starrten, verschwand auch der Rest der Schüler und begab sich auf den Weg nach draußen. Der Unterricht war für heute beendet. Zögernd betrachtete Joey die Gesichter seiner Freunde, während er langsam auf sie zuging. Thea, welche noch immer den Blick nicht von den Ergebnissen lösen konnte, konnte er nicht einschätzen, da sie genauso aussah, wie sonst auch. Yugis Mund hingegen war leicht geöffnet. Wenn man genauer hinsah, konnte man eine ganze Armee kleiner Fragezeichen sehen, die es sich auf seinem Gesicht bequem machten und auch noch ein paar, die um ihn herum tanzten. Und dann war da noch Tristan, welcher nur verwirrt zu der Tafel und wieder zu ihm sah. Etwas verunsichert, wie er mit dem, was er dort las, umgehen sollte, entschied er sich schließlich für ein breites Grinsen. „Wow Alter! Wie hast du das geschafft?“ Auch Yugi und Thea wandten sich nun zu ihm, nachdem sie sicherheitshalber noch ein weiteres Mal die Ergebnisse und die Platzierung überprüft hatten. 1. Seto Kaiba 495 Punkte (von 500) 2. Joseph Jay Wheeler 487 Punkte . . 22. Yugi Muto 413 Punkte . . 30. Thea Gardner 377 Punkte . . . . 67. Tristan Taylor 245 Punkte . . „Das würde mich auch interessieren“, warf Thea ein. „Sag mal, kanntest du die Fragen, die dran kamen?“, erkundigte sich Tristan, immer noch breit grinsend. Doch man merkte ihm an, dass er einfach nicht wusste, wie er sonst damit umgehen sollte. Joey schüttelte nur mit dem Kopf. „Das ist es ja, was ich euch schon den ganzen Tag sagen will.“ „Was denn?“, hakte Thea nach. „Ich brauchte die Fragen nicht zu wissen. Ich musste nicht mal lernen. Die Antworten kannte ich auch so“, gab er unglücklich zu. „Klar, Joey. Es glaubt ja auch niemand, dass du geschummelt hast. Du musstest ganz schön büffeln, hm?“, beruhigte ihn Yugi. „Ich wusste immer, dass du das kannst Joey, Und jetzt hat sich das endlich mal bezahlt gemacht. Also ich finds super!“, bekräftigte der Kleinste der Runde. Ein bekümmertes Seufzen war die Antwort. „Yugi… ich muss für sowas nicht lernen“, versicherte Joey noch einmal – nur für den Fall, dass es noch immer nicht angekommen war. „Ich musste eigentlich nie irgendwas lernen“, setzte er peinlich berührt hinzu. „Du spinnst, Alter!“, informierte ihn Tristan lachend. „Das kannst du deiner neuen Freundin erzählen. Mal im Ernst, wer hat dir beim Lernen geholfen? Eine dieser Nachhilfeschulen kanns ja nicht gewesen sein, die kosten alle eine ganze Stange Geld…“ /Na toll… Das hat man davon, wenn man so lange so tut, als hätte man von nichts auch nur den geringsten Schimmer und ein Kopf wie ein Sieb. Am Ende wird einem nicht mal mehr geglaubt, wenn man die Wahrheit sagen will. Wie ging doch gleich die Geschichte von dem Hirten und dem Wolf…?/ Kurz überlegte er, wie er den anderen verständlich machen konnte, was er meinte, ehe er sich schließlich abermals an Tristan wandte. „Tristan, kannst du mir eine der Fragen aus dem Biounterricht von heute früh nochmal stellen?“ Irritiert sah der Braunhaarige ihn an. „Was…? Welche meinst du?“ „Ganz egal, irgendeine davon.“ „Klar… aber…“ Seufzend unterbrach Joey seinen fragend dreinblickenden Freund. „Tus einfach.“ Die Schultern zuckend, beugte sich Tristan zu seinem Rucksack und entnahm ihm das Biologiebuch der Abschlussklasse. Zügig blätterte er zu der Seite, auf welcher er auf all die Fragen vom Morgen gestoßen war und wählte spontan eine davon aus. „Was ist ein dominant rezessiver Erbgang?“ Gespannt auf das, was nun kommen würde, sah er auf seinen besten Freund. Dieser schloss für wenige Sekunden seine Augen, nickte kurz und holte tief Luft, ehe er ohne Stottern oder Pausen zur Beantwortung seiner Frage ansetzte. „In Ordnung. Dazu solltest du zuerst wissen, was ein Allel ist. Ein Allel bezeichnet eine mögliche Ausprägung eines Gens, das sich an einem bestimmten Ort auf einem Chromosom befindet. Bei einem dominant-rezessiven Erbgang setzt sich ein Allel bei der Ausprägung eines Merkmals gegenüber einem anderen Allel durch. Das sich durchsetzende Allel wird als dominant bezeichnet, das andere als rezessiv. Die Augenfarbe beim Menschen wird beispielsweise dominant-rezessiv vererbt, wobei das Allel für braune Augen dominant und das Allel für blaue Augen rezessiv ist. Bekommt ein Kind von einem Elternteil die Erbinformation für blaue Augen und vom anderen die für braune Augen, so wird das Kind braune Augen haben. Die Erbinformation für das rezessive Allel, also in diesem Fall die blauen Augen, bleibt aber trotzdem erhalten. Diese Information kann dann an die nächste Generation weitergegeben werden. So ist schon mal klar, dass beispielsweise Kaibas biologische Eltern vermutlich beide blauäugig gewesen sein müssen. In mehr als nur einem Sinne, wenn sie ihn zur Welt gebracht haben…", konnte er es sich nicht verkneifen, wie nebenbei einfließen zu lassen. Als er sah, dass die Augen seiner Freunde im Begriff waren, den Suppentellern in der Schulmensa merklich Konkurrenz zu machen, räusperte sich Joey hastig, ehe er seine Erklärung kurz und bündig zum Ende brachte. "Wie dem auch sei. Bei einem diploiden Organismus sind die in den Mendelschen Regeln – die hast du ja heute früh auch schon genannt – beschriebenen Aufspaltungen zu beobachten. Bei dominant-rezessiver Vererbung gleichen die Nachkommen oft völlig einem Elternteil, da sich nur das dominante Gen durchsetzt - die Merkmale des rezessiven sind zwar wie gesagt im Erbgut vorhanden, kommen aber in dieser Generation nicht zur Ausprägung.“ Ruhig sah Joey auf seine Freunde und ließ seine Antwort wirken. „Bitte?!“, erscholl es aus drei Mündern nahezu gleichzeitig. Mit einem dumpfen Ton rutschte das Biologiebuch, mit dessen Hilfe dieser die Antwort der Frage mit den Worten von Joey abgeglichen hatte, aus Tristans Händen und landete unsanft auf dem Boden. Mit aufgerissenen Augen starrte nicht nur der Braunhaarige auf seinen Freund, als hätte man ihn ohne sein Wissen gegen einen anderen ausgetauscht. Thea war unter der spätsommerlichen, leichten Bräune ziemlich blass geworden. Ihre Augen wanderten unbeständig zwischen dem Blonden, dem Biologiebuch und den Ergebnissen hin und her, als hätte sie alle Mühe zu erfassen, was sie gerade gehört hatte. Bei Yugi bestand hingegen zu befürchten, dass er womöglich niemals wieder ein Wort mit ihm sprechen würde. Oder zumindest nicht konnte, denn trotzdem er den Mund mehrmals schloss und öffnete, war nicht ein Ton von ihm zu hören. Man sah deutlich, dass ihm etwas auf der Zunge lag, es wollte jedoch nicht so leicht heraus. Ein leises Klicken ertönte und riss Tristan wenig später aus seiner Starre, in welche er sich bereits während der Erklärung unfreiwillig begeben hatte. Die Augen verdrehend, warf Joey einen kurzen Blick in Richtung Kaiba, welcher in diesem Moment mit einem zufriedenen Zug um den Mund sein Handy wieder in seine Tasche gleiten ließ. Es war offensichtlich, dass er seine heutigen Ziele als voll erfüllt ansah. „Ok. Wo ist die Kamera?“, erkundigte sich Tristan und sah sich auffordernd um. Offenbar hatte er seine Stimme ein wenig eher wiedergefunden als Yugi. „Welche Kamera?“, erkundigte sich Joey irritiert. „Na, die hier irgendwer versteckt hat. Oder willst du mir erzählen, dass du das alles einfach so wusstest?“ „Nun ja... ja“, gab der Blonde kleinlaut zu. "Aber… wie kann das sein… Ich meine, vorhin wusstest du doch noch nichts. Und dann hast du noch nicht mal richtig mitgearbeitet…", stellte sein bester Kumpel stammelnd fest. "Um ehrlich zu sein, wusste ich es schon." Verlegen zuckte Joey die Schultern. "Ich habs letztes Jahr schon gelesen." "Wie, du hast es 'letztes Jahr gelesen'?", hakte Yugi nun auch staunend nach. Joey war erleichtert. Er hätte Yugis Großvater - und auch Atemu - nie wieder unter die Augen treten können, wenn Yugi durch sein Verschulden für immer verstummt wäre. Entschuldigend blickte Joey in die Runde. „Immerhin haben wir das letztes Jahr alles schon mal durchgekaut. Ich muss sowas selten noch einmal lesen, um zu wissen, was in einem Text stand. Eigentlich wusste ich immer so gut wie alles, was ihr mich gefragt habt. Die Chance, dass ich bei den Prüfungen hätte durchfallen können, lag bei etwa 1 zu 3.456.687 Millionen.“ „Aber wie…“ Seufzend deutete Joey vage auf seinen Kopf. „Photografisches Gedächtnis. Naja… eine besondere Form davon. Ich kann einfach nichts vergessen. Nicht einmal, wenn ich wollte. Alles, was ich mal gelesen, gehört oder gesehen habe, ist hier oben gespeichert. Quasi nicht steuerbar.“ Für viele andere mochte das sehr reizvoll sein, für ihn war es in all den Jahren eine Last gewesen, da er diese Fähigkeit bereits seit 5000 Jahren mit sich herumschleppte. Was zwangsläufig dazu führte, dass er sich an jedes einzelne Leben, das er bisher geführt hatte, erinnern konnte. Etwas, das er mehr als nur einmal verflucht hatte. „Aber das ist… Wahnsinn. Einfach nicht möglich! Ich meine… du bist Joey“, verkündete Tristan mit verwirrtem Blick. Seine letzten Worte und die entsprechende Geste in Richtung seines Kumpels machte deutlich, dass er 'Joey' und 'überdurchschnittliche Intelligenz' nicht miteinander in Vereinbarung bringen konnte. Er stand immer noch unter Schock. Neben ihm ließ sich Thea in die Hocke sinken und nahm das heruntergefallene Biobuch zur Hand, um es umsichtig wieder in Tristans Tasche zu packen. Joey vermutete aber, dass diese Handlung eher dazu diente, ihre Unsicherheit zu kaschieren. Er hatte es an Theas Augen gesehen. Oder vielmehr nicht gesehen, denn seit der Zurschaustellung seiner Fähigkeiten, versuchte sie tunlichst, den Blickkontakt mit ihm zu vermeiden. Die Vermutung lag nahe, dass sie noch nicht recht wusste, wie sie auf diese Eröffnung reagieren sollte. „Sieh es ein, Taylor. Das Hündchen ist schlauer als du“, mischte sich indes Seto in das Gespräch ein und verließ seinen Platz an der Säule. Tristan, noch immer damit beschäftigt, das alles zu verkraften - immerhin hatte er bisher geglaubt, er und der Blonde wären auf einer Wellenlänge, was das Lernen anbelangte - beachtete den Größeren nicht weiter. Etwas, das bisher noch nie vorgekommen war. Er schien noch immer zu beschäftigt, dass alles zu verarbeiten. Wider erwarten war es Yugi, welcher den Schock als erster langsam zu verdauen begann und die neue Situation akzeptierte. Dies mochte wohl auch der Tatsache geschuldet sein, dass er in seinem kurzen Leben bereits mit zahlreichen merkwürdigen und unmöglich erscheinenden Situationen konfrontiert war. Immerhin hatte er seinen Körper einige Zeit mit einer anderen Seele teilen müssen. Dies mochte wohl auch der Grund dafür sein, dass er seine Gedanken als einziger der drei Freunde bereits in eine neue, wichtige Richtung lenken konnte. „Mensch Joey, warum hast du uns das denn nicht viel eher gesagt?“, verlangte er mit ungewöhnlich ernstem Gesicht zu wissen. Unsicher sah dieser ihn an. Es war schwer zu bestimmen, ob Yugi sauer auf ihn war oder nicht. Seine zusammengezogenen Augenbrauen ließen es zwar vermuten, sein ruhiger Tonfall deutete aber an, dass ihm lediglich an einer ehrlichen Aussprache gelegen war. „Irgendwie hat es sich einfach nie ergeben. Außerdem war ich nicht sicher, wie ihr dann reagieren würdet.“ Thea hatte sich beim Klang von Yugis Stimme inzwischen auch wieder aufgerichtet und den Blonden betrachtet, als würde sie ihn heute das erste Mal sehen. Joey erkannte an ihrer Haltung, dass auch sie sich mit der neuen Situation anzufreunden begann. Bei seiner Antwort, verdrehte sie allerdings dermaßen übertrieben die Augen, das man vermuten könnte, sie könne direkt in sich selbst hineinblicken. Umso fester richteten sich diese im Nachhinein wieder auf ihn. Energisch stemmte sie ihre Arme in die Seite. „Joey! Wir sind Freunde, oder?“ Es waren ihre ersten Worte, seit seiner 'Enthüllung'. Der Angesprochene nickte. „Ich hoffe.“ „Da gibt es nichts zu hoffen, Joey. Natürlich sind wir deine Freunde!", setzte Yugi nach. Er überlegte kurz, zuckte dann mit den Schultern. "Es hat schon was, wenn du so viel weißt“, ließ er ihn wissen. "Immerhin bist du damit doch quasi sowas wie ein wandelndes Lexikon, oder?", erkundigte er sich in einem kurzen Anflug von Humor. Joey war ihm insgeheim dankbar, dass er versuchte, die Situation für ihn ein wenig zu entspannen. Der Kleinere hatte schon immer ein gutes Gespür für die Gefühlswelt seiner Freunde gehabt und ahnte vermutlich, wie unwohl er sich derzeit in seiner Haut fühlte. „Na ich weiß nicht… Es wäre noch cooler gewesen, wenn du uns mal eher was gesagt hättest. Zumindest mir“, mischte Tristan sich verstimmt ein. Ihn schien seine Verwandlung in ein allwissendes Genie, seinem zweifelnden Blick nach zu urteilen, am wenigsten zu gefallen. Bestürzt sah Joey den Kumpel an, der ihn von allen in diesem Leben am längsten kannte. Dieser atmete ein weiteres Mal binnen der letzten Minuten tief ein und aus, ehe er fortfuhr. „Naja… immerhin hättest du mir dann beim Lernen helfen können, Alter“, setzte dieser mit einem leicht schmollenden Blick auf seine eigene Platzierung hinzu. Ein kleines Lächeln im rechten Mundwinkel deutete jedoch darauf hin, dass er seine Worte nur halb so ernst meinte und bereits damit begonnen hatte, seinem besten Kumpel zu verzeihen, dass er ihn so lange angelogen hatte. Erleichtert atmete Joey auf. Breit lächelnd ließ er Tristan wissen, dass er ihm dafür bei den richtigen Prüfungen helfen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)