Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 37: Zeichen ------------------- @PenzenMiura: Danke für das ... interessante Kommi. ^_^ Gut zu hören, dass du die Romantik in diesem Fall mal nicht als 'ätzend' empfindest. *lach* Aber ich glaube, ich weiß worauf du hinaus willst. ^.~ Du bist der erste, der schreibt, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. ^_^ Als ich das gelesen habe, dachte ich nur: endlich. Jemand, der die ganze Tragik erkannt hat und mit Joey mitleidet. Das freut mich ungemein - auch wenn sich das vermutlich merkwürdig anhören muss. Du kannst übrigens beruhigt sein - vorerst habe ich diesen Gedanken noch nicht, auch wenn das Schreiben derzeit etwas schleppend vorangeht. Bald werde ich wohl wirklich nur noch wöchentlich veröffentlichen - aber es geht in jedem Fall weiter. ^.~ Das Ende und alle Zwischenschritte sind bereits in meinem Kopf- ich muss sie halt nur noch aufschreiben. *seufz* @Lunata79: Ja. Es waren schon SEHR viele Leben, wie man ja anhand der langen Zeitspanne von 5000 Jahren vermuten kann. Joey hatte es also dementsprechend wirklich nicht leicht, wie man sich denken kann. Und ob Kaiba ihn da wieder rausholen kann... Warten wirs ab. ^_^ *fg* @DarkTiger (Yelizaveta): DANKE! für deinen wunderbaren Kommi. Wie du dir sicher vorstellen kannst, freut es einen als Autor natürlich, solch ein gutes Feedback zu bekommen. Ich werde mich bemühen, dass sich deine Meinung dahingehend auch nicht ändert. Bald werde ich allerdings wohl nur noch wöchentlich hochladen können. Das schnelle Hochladen geht derzeit nur, weil ich einen guten 'Vorsprung' habe. Ich würde mich freuen, wenn du dich davon nicht abschrecken lässt und trotzdem weiter liest. ^_^ @puuppyshipper: Ich mag dich auch. ^_^ Weil du immer kommentierst. Und dann auch noch so schön ausführlich. *g* Ich gebe ehrlich zu, über Joeys Namen habe ich mir noch keine Gednaken gemacht, aber du hast da schonmal ein paar schöne Ideen hinterlassen. *g* Aber auch Setos/Seths Namen habe ich ja nicht prinzipiell mit einem S beginnen lassen. Ich fänds auf gut Deutsch gesagt 'blöd' wenn die jeweiligen Eltern über 5000 Jahre! hinweg alle beim Anblick ihres Sohnes immer nur auf ähnliche Ideen gekommen wären. Zumal sie, wie man durch die Namen ja ein wenig entnehmen kann, nicht durchweg in einem und demselben Land gelebt haben. ^.~ *seufz* So, wie es derzeit aussieht, kann es durchaus passieren, dass die Geschichte 100 Kapis bekommt. Derzeit schreibe ich an Kapitel 59 und bin immer noch nicht fertig. Aber ich lasse es auf mich zukommen - je nachdem, was sich während des Schreibens noch für Gedanken entwickeln. ^.~ Aber gut zu wissen, dass du vorhast, bis zum Ende durchzuhalten. @hammamoto: Jup. Das tut sie. Aber das ändert sich auch wieder. ^_^ Um die Zukunft zu verstehen, muss man die Vergangenheit kennen. *nochmal les* Mensch... was bin ich heute wieder poetisch... *g* @LeyGreywolf: Tjoa... Deine Rechnung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. ^_^* Aber in diese Zeitspanne spielen noch ein paar andere Dinge mit hinein. Dazu aber später. In jedem Fall, das hast du richtig erkannt, ist Joey nicht zu beneiden. Weder jetzt noch in seinen vorigen Leben. Seto allerdings auch nicht. Wenn ich so überlege... Nein. Ich würde mit keinem von beiden tauschen wollen. @Anyu: Da hast du vollkommen Recht. In doppeltem Sinne. Die Geschichten wären sicher interessant - aber ich werde sie wohl nicht erzählen. Das würde eindeutig den Rahmen sprengen. ^_^* Aber vielleicht gibt es an der einen oder anderen Stelle noch einen Hinweis, mal sehen... @Shakti-san: Warum nur Joey sich erinnert hat und Seto nicht wird zu 100% noch geklärt, dazu schreibe ich also an dieser Stelle erstmal nix. ^.~ Was Seto anbelangt, muss ich ihn grad mal in Schutz nehmen. Ich denke, dass man, wenn man gerade mal vollends realisiert hat, dass man früher auch schon ein Leben hatte und der Geliebte möglicherweise ohne Erinnerung vor ihm steht auch in seinem neuen Leben ist... das muss man erstmal verarbeiten. Mal davon abgesehen, dass Joey es ja schon viel länger weiß. Fragt sich also, wer da gemeiner ist. ^_^ Naja... Aber Joey tut mir auch leid, keine Frage. @KFutagoh89: Armer Seto. Immer schimpfen alle mit ihm. ^_^ _____________________________________________________________________________________ Langsam machte Joey sich am nächsten Morgen auf den Weg zur Schule. Es war alles wie immer. Nach der Arbeit war er nach Hause gefahren und hatte die Emails auf seinem Computer kontrolliert. Keine neuen Nachrichten. Es folgten fünf Stunden in traumloser Schwebe. Sein Wecker riss ihn wie jeden Tag aus dem Schlaf. Zähne putzen, essen, anziehen, Sachen packen, losgehen. Schnellen Schrittes betrat er das Schulgebäude Er war pünktlich, wie schon in den vergangenen Wochen. Yugi und die anderen begrüßten ihn fröhlich. Kaiba sah zu ihm. Joey stockte. Der Blick des Braunhaarigen wanderte weiter, hinaus aus dem Fenster. Er ignorierte ihn. Wie immer. Kein Wort vom gestrigen Abend. Seine Seele schrie. Es war egal. So war es gut. So war es immer gewesen. Nichts hatte sich geändert. Nichts WÜRDE sich ändern. Das alles, war nur ein Traum gewesen. Die Fäuste auf seinen Tisch gestützt, den Kopf nach unten gerichtet, brachte er seine Seele brutal zum Schweigen. „Hi Alter!“ Tristan trat an ihn heran. „Mensch, du wirst ja jeden Tag pünktlicher! Was hast du vor? Willst du auf deine letzten Tage an der Schule doch noch zum Streber werden, oder was?“ Ein halb schmerzliches, halb unglückliches Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Blonden aus. Der Braunhaarige deutete es falsch. „Ey, Alter! Mach dir keinen Kopf. Du schaffst das schon! S‘ sind doch nur ein paar Prüfungen, ich bin sicher, wir werden das alles schon irgendwie überstehen.“ Nichts interessierte ihn in diesen Tagen weniger, als diese Prüfungen. Tristan kannte ihn nicht wirklich. Er konnte ihm keinen Vorwurf machen. „Sicher. Du hast Recht.“ Plötzlich wurde der Braunhaarige hibbelig und starrte aufgeregt auf seinen Hals. Ein breites Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht. Übermütig schnappte sich Tristan den etwas Kleineren, klemmte sich dessen Kopf unter seinen Arm und wuschelte ihm kräftig durch die Haare. „Mensch Joey, du bist mir ja einer! Das hättest du doch sagen können!“ Verwirrt starrte dieser ihn an. Yugi und Tea traten hinzu. Sie wollten ebenfalls wissen, was los sei. Grinsend deutete Tristan auf den Hals des Anderen. „Unser Freund hier strengt sich gar nicht für die Schule an, der will nur seiner Freundin imponieren, darauf wette ich!“ Neugierig sahen die zwei auf die Stelle an Joeys Hals, auf die Tristan deutete. Niemand der vier Anwesenden bemerkte das stille Grinsen hinter ihnen. Gut verborgen breitete es sich auf dem Gesicht des jüngsten Firmeninhabers der Stadt aus. Kaiba starrte noch immer aus dem Fenster, doch er verfolgte jedes Wort von dem Kindergarten. Er war sehr zufrieden mit sich. Nun würde niemand mehr daran zweifeln, dass der Jüngere vergeben war. Selbst dann, wenn Joey sich dessen selbst noch nicht bewusst war und es abstritt. Den Rest des gestrigen Abends und einen guten Teil seiner Nacht hatte er, in Gesellschaft eines Cognacglases, damit zugebracht, über die seltsame Situation nachzugrübeln, in der er nun steckte. Alles hatte sich verändert – und doch war alles wie zuvor. Die Erinnerungen an sein altes Leben lagen so deutlich vor ihm, als hätte er sie erst gestern erlebt und nicht schon vor 5000 Jahren. Und doch traf dies nur auf die Erinnerungen zu, die er bereits in seinen nächtlichen Träumen gesehen hatte. Er wusste, es gab noch mehr und doch konnte er nicht darauf zugreifen. Ähnlich einer Datenmenge auf einer Festplatte, welche ihre Geheimnisse erst mit dem richtigen Passwort freigab. Oder wie die Tempeltüren, welche stets mit einem Zauber vor Eindringlingen geschützt worden waren. Man musste den richtigen magischen Befehl kennen, um hineinzugelangen. Beinahe hätte Kaiba gelacht. Seit sein Gehirn beide Erinnerungen – die von Seto Kaiba und die von Seth – als richtig, wahr und real anerkannt hatte, ertappte er sich immer wieder dabei, dass er zwischen seiner alten und seiner neuen Denkweise wechselte. Das Finden von Beispielen aus beiden Zeiten, um Dinge zu beschreiben, war nur einer der zahlreichen Nebeneffekte. Er ahnte, würde ihn derzeit jemand mit Seth ansprechen, würde er vermutlich ohne nachzudenken auf den Namen reagieren – ebenso wie auf den Namen Seto Kaiba. Letztlich fühlte er sich nicht anders als vorher, nicht anders, als er sich vor drei Wochen, drei Jahren oder 5000 Jahren gefühlt hatte. Doch genau das war es auch, was ihm nun Probleme bereitete. Die geballten Gefühle, die er nicht nur für Jono, sondern, unabhängig davon, auch noch erneut für Joey entwickelt hatte, machten ihm sehr zu schaffen. Er wollte, mehr noch als die Wochen zuvor, den Blonden an seiner Seite wissen. /Aber nur, weil ich ihn liebe, heißt das noch lange nicht, dass das umgekehrt genauso ist. Selbst wenn er sich an alles erinnern sollte… Es ist 5000 Jahre her./ Womit er wieder bei der Entscheidung wäre, die er in den frühen Morgenstunden getroffen hatte. Er würde ein Problem nach dem nächsten angehen. Zunächst galt es, herauszufinden, was Joey wusste – und was nicht. Je nachdem würde er seine nächsten Schritte planen. Aber bis es soweit war – unbemerkt blickte er in die Richtung des Kindergartens und lehnte sich zurück - würde er dieses kleine Schauspiel noch ein wenig länger genießen. „Wovon redest du eigentlich?“, erkundigte sich der Blonde. „Na, von dem da.“ Lachend hatte Tea einen kleinen Handspiegel aus ihrer Tasche hervorgezaubert und hielt ihn Joey vor die Nase. Dieser ergriff ihn und versuchte das kleine Teil so zu drehen, dass er seinen Hals darin sehen konnte. Da! Tatsächlich. Dort, für alle sichtbar knapp über dem Kragen seiner Schuluniform, hob sich ein dunkelroter Fleck deutlich von seiner hellen Haut ab. „Das kann nicht sein!“ Erschrocken starrte er reflexartig in die Richtung von Kaiba. Ein anerkennender Pfiff aus Tristans Mund ließ ihn seine Aufmerksamkeit wieder auf seinen umstehenden Freundeskreis richten. Zögernd sah er erneut in den kleinen Spiegel und betastete den Knutschfleck an seinem Hals. „Mensch Joey, du hättest uns doch ruhig sagen können, dass du ne Freundin hast.“ „Hab ich nicht!“, protestierte dieser. „Ach ja, und wo kommt dann der Knutschfleck her?“, wollte Tristan herausfordernd wissen. Joeys Gedanken schweiften zurück an den gestrigen Abend. Vollkommen unvorbereitet flammte erneut das Wort ‚Hoffnung‘ in ihm auf und drohte, ihn von innen zu verbrennen. Als könne er die Flamme so ersticken, flog seine Hand zu dem Mal an seinem Hals. Doch das hätte er besser nicht getan, denn durch seine hastige Bewegung, erregte er wiederholt das Misstrauen seiner Freunde Kaiba, der seine Gesichtszüge inzwischen wieder unter Kontrolle hatte, sah nun doch in die Richtung des Hündchens, der immer noch um eine Antwort verlegen vor seinen Freunden stand. Der Braunhaarige genoss es, den Kleineren so sprachlos zu sehen. Amüsiert betrachtete er sich die roten Wangen des Anderen. Auch der schnelle Blick in seine Richtung war ihm nicht entgangen. In ihrer derzeitigen Situation konnte Joey schwerlich bekannt geben, von wem der Fleck stammte. Doch auch ohne konkreten Namen erfüllte das Zeichen seinen Zweck. Eine deutliche Warnung an alle, sich von seinem Hündchen fern zu halten. Offenbar war der Hinweis jedoch nicht deutlich genug, denn, so musste Kaiba stirnrunzelnd feststellen, Tristan legte abermals sehr vertraulich seinen Arm um Joey und begann, ihn neugierig auszufragen. „Und, wie heißt deine Flamme? Komm schon Joey, uns kannst du es doch sagen? Wo hast du sie kennengelernt? Die muss ja richtig in dich verschossen sein, wenn sie dich so als ihr Eigentum markiert.“ „Was denn, Taylor, neidisch?“, mischte sich Kaiba in das Gespräch ein. Er hatte Joey sicher nicht geküsst, um ihn bereits am nächsten Tag in den Armen eines Anderen zu sehen. Dass Tristan sich bei seiner halb freundschaftlichen halb kumpelhaften Geste nichts weiter dachte, war unerheblich. „Was?“ Scheinbar interessiert trat der Firmenchef näher. Als hätte er ihn nicht schon längst gesehen, warf er einen langen Blick auf das rote Mal. Wäre sein kleiner Bruder anwesend gewesen, hätte er seinen Blick als ‚zufrieden‘ beschrieben. Doch sein kleiner Bruder war nicht da und so konnte niemanden den Ausdruck seiner Augen richtig deuten. Nicht einmal Joey, welcher noch immer in seinem eigenen Gedankenkarussel gefangen war. Wie schon am vergangenen Abend baute sich Panik in ihm auf, vermischt mit dem trügerischen Gefühl, welches nun wieder so schwer auf ihm lastete – doch Kaiba bemerkte nicht, was er dem Jüngeren damit antat. Er war mehr daran interessiert, endlich den Arm von Joeys Schulter verschwinden zu sehen und dessen Kumpel klar zu machen, wie er sich in Zukunft verhalten sollte. Belehrend wandte er sich an Tristan. „Also, wenn ich an deiner Stelle wäre, Taylor, würde ich meine Hände von dem Hündchen nehmen. Offensichtlich hat es schon einen Besitzer.“ Bezeichnend deutete er auf das rote Mal. „Ich nehme an, dass dieser Besitzer nicht allzu glücklich wäre, ihn in den Armen eines anderen zu sehen.“ Von seiner Feststellung aus dem Konzept gebracht, starrte Tristan auf Kaiba. „Du spinnst doch!“, stellte er unumwunden fest, löste aber seinen Arm von der Schulter des Anderen. „Wenn du meinst“, schulterzuckend wandte dieser sich ab. „Ich, an deiner Stelle, würde es aber nicht ausprobieren wollen, Taylor.“ „Mensch, Joey, nun sag doch auch mal was!“, verlangte Tristan. Joey starrte ihn nur an. Seine ganze Schlagfertigkeit hatte sich bereits vor mehreren Minuten in Luft aufgelöst. Niemand hatte es je erlebt, dass Joey nicht auf eine solch offene Provokation seitens Kaiba reagiert hätte. Doch statt auf Tristans Appell zu achten, sah er mit großen Augen zu dem jungen Firmenchef, während seine Hand noch immer den unwiderlegbaren Beweis des gestrigen Ereignisses verdeckte. /Nie hat er einem Hundewelpen so viel Konkurrenz gemacht/, stellte Kaiba mit liebevoller Belustigung fest. Am liebsten würde er die Hand ausstrecken, um die leicht gerötete Wange von Joey streicheln, nur um ihn dann in seinen Arm zu ziehen. Dieses Verhalten hätte unter den Augen ihrer Mitschüler allerdings bei weitem zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen und sich schnell in der Schule herumgesprochen. Dazu waren sie beide zu bekannt. Der Schularzt wüsste noch innerhalb des nächsten Unterrichtsblocks Bescheid. Und auch wenn ihm Tome und damit ihr gesamter Plan langsam aber sicher egal wurde, so wollte er doch zuerst wissen, wem er eigentlich gerade gegenüberstand: Nur Joseph Wheeler oder auch Jono? Sicher könnte er ihn einfach fragen… doch bei Jono war es schon immer besser gewesen, ihm einen Schritt voraus zu sein. Hinzu kam, dass er sich weit bessere Orte als den Klassenraum vorstellen konnte, um Joey davon zu überzeugen, dass er ihn liebte. So begnügte er sich daher mit einem selbstsicheren Grinsen in Richtung des Blonden und wandte sich ab. „Da das Hündchen nichts sagt, habe ich wohl Recht, Taylor.“ Frau Kurami trat ein. Mit einem verunsicherten Blick wandte Tristan ganz von Joey ab und setzte sich auf seinen Platz. Auch Tea und Yugi ließen es vorerst auf sich beruhen. Die Neugierde stand ihnen jedoch ins Gesicht geschrieben und es war anzunehmen, dass sie die nächste Pause nutzen würden, um Joey weiter auf den Zahn zu fühlen. /Ein Vorteil für mich…/ „Herr Wheeler, wenn Sie sich bitte auch setzen würden?“ Wie aus einem Traum erwacht, schreckte Joey bei der Nennung seines Namens auf. Irritiert sah er sich um und musste feststellen, dass er als Einziger im Raum noch stand. Doch seine Gedanken kreisten noch nach wie vor um das, was er im Spiegel gesehen hatte. Ungerührt setzte er sich hin und starrte weiter ins Leere. Dieser Fleck und das Verhalten des Älteren waren ein deutlicher Beweis dafür, dass er das gestern alles nicht nur geträumt hatte. Kaiba hatte ihn tatsächlich geküsst! Geküsst und an Stellen gestreichelt, von denen er nie gedacht hätte, seine Hand jemals dort zu spüren. Er wusste nicht, wie er mit diesem Wissen, mit diesen Erinnerungen umgehen sollte. Vollkommen durcheinander kramte er nach seinem Skizzenblock. Das Malen hatte ihm stets geholfen, Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Auch diesmal hoffte er, durch die Hilfe seines flink über die noch leere Seite gleitenden Bleistiftes, genügend innere Ruhe finden zu können, um sich dieser neuen Wirklichkeit zu stellen. Von dem Moment an, in dem er den Stift auf das Papier setzte, wendete er nur noch zehn Prozent seines Gehirns dafür auf, dem Unterricht zu folgen, die restlichen neunzig Prozent vertieften sich in die Erinnerung an die dunkle schemenhafte Gestalt von gestern. So in konzentrierter Arbeit versunken, entging ihm der Blick des eigentlichen Verursachers des ganzen Chaos in seinem Kopf. Dieser verfolgte interessiert jeden Strich, der in das kleine Buch gesetzt wurde. Er konnte nicht sehen, was er malte, aber das würde sich sehr bald ändern. Einen Unterrichtsblock später, klingelte es zur großen Pause. Geschwind ließ Joey sowohl den Block als auch seinen Bleistift in seiner Tasche verschwinden, ehe er wieder von Tristan und den anderen in Beschlag genommen und nach draußen geführt wurde. Diesmal war Kaiba entgegen der letzten Tage nicht der Erste, der den Klassenraum verließ. „Herr Kaiba, haben Sie noch etwas zu erledigen?“, erkundigte sich Frau Kurami. Alle Lehrer wussten, dass er sich in den Pausen oft seinen Geschäften widmete und ließen ihn in Ruhe. Mit Hilfe seiner großzügigen jährlichen Spende an die Schule hatte er sich zu nahezu allen Räumlichkeiten des Gebäudes den unbegrenzten Zugang gesichert. Wenn er in einer Pause im Raum verbleiben wollte, konnte ihn niemand daran hindern. Mit einem Nicken gab er Frau Kurami zu verstehen, dass heute ein solcher ein Tag sei und er noch ungestört telefonieren müsse. „In Ordnung, dann schließe ich die Tür hinter Ihnen.“ Kaum, dass Frau Kurami den Raum verlassen hatte, schritt Kaiba zum Tisch des Blonden und schnappte sich dessen Tasche. Gezielt durchsuchte er sie nach dem Skizzenbuch. Er wurde fündig. Neugierig ging er mit dem Buch zurück zu seinem Platz und ließ sich dort nieder, um sich die Zeichnungen genauer anzusehen. Langsam blätterte er Seite um Seite weiter. Die Skizzen, die er zu sehen bekam, reichten von Abbildungen der Freunde von Joey, über Spaziergänger im Park, Blumen, Bäumen, Gebäuden, Gegenständen bis hin zu frei erdachten Figuren. In einigen von ihnen erkannte er die Gestalten auf seinen Spielkarten wieder. Anhand der zahlreichen Radierungen konnte man klar sehen, wie lange Joey über diesen Zeichnungen gesessen haben musste. Aber offensichtlich handelte es sich hierbei nur um ein Skizzenbuch für erste grobe Entwürfe – Dinge, die ihm unterwegs ins Auge fielen, und die er festzuhalten gedachte. Manchmal waren mehrere kleine Detailzeichnungen auf einer Seite zusammengeführt worden, ein anderes Mal war nur ein größeres Objekt zu sehen. Zahlreiche bekritzelte Zettel klebten dazwischen oder waren mit einer Büroklammer notdürftig am Rand einer Seite fixiert worden. Er vermutete, dass es irgendwo noch ein zweites oder drittes Buch gab, in denen Joey seine Zeichnungen nochmal überarbeitete und gegebenenfalls kolorierte. Interessiert blätterte er weiter. Die ersten Zeichnungen waren schon weit über ein Jahr alt. Yugi hatte zu dem Zeitpunkt noch wesentlich jünger ausgesehen – wenn das überhaupt möglich war. Eine Seite später, starrte ihn ein anderes, sehr vertrautes, Gesicht an. Sein eigenes. Er, wie er von seinem Platz am Fenster zur Tafel sah. Eine Zeichnung, welche nur aus seiner Erinnerung heraus entstanden sein konnte, denn Joey saß vor ihm. Er hatte ihn trotz der groben Striche gut getroffen. Zwei Seiten weiter fand er ein anderes Bild. Es zeigte ihn als kleine Miniatur seiner selbst. Mit einem überdimensional gezeichneten Laptop auf seinem Rücken, lief die kleine Figur in Richtung seiner Firma, gut erkennbar an dem großen „KC“. Von da an nahm die Anzahl der Zeichnungen seiner Person stetig zu. Beinahe auf jeder Seite fand sich ein kleines oder größeres Bild von ihm. Selbst auf Seiten, die andere Freunde oder Bekannte von Joey zeigten, konnte er sich selbst als kleine Figur in irgendeiner Ecke, einer Tasche oder auf einem Baum entdecken. Während diese Darstellungen nur auf eine vereinfachte Version seiner Person ausgerichtet waren, stellten die Seiten, die nur ihm gewidmet waren, ihn umso detailgetreuer dar. Mal konnte er seinen ganzen Körper, mal nur seinen Kopf mit einem bestimmten Gesichtsausdruck sehen. Und mit jedem Mal, so bemerkte Kaiba beim Umblättern, kamen mehr Details dazu. Angefangen bei seinem Gesicht, über seine Haare bis hin zu seiner Kleidung hatte sich Joey alles genau eingeprägt und abgezeichnet. Eine weitere Seite glitt mit leisem Rascheln von rechts nach links. Sein Herz begann höher zu schlagen. Flugs sah er zum Datum am rechten unteren Rand. Das Bild war im Juli des letzten Jahres entstanden, zur Zeit des Autounfalls. Und tatsächlich, da stand es, wie der Arzt es ihm gesagt hatte, klein aber lesbar: Seth. Sein Name aus alter Zeit. Seine Finger waren eiskalt. Für mehrere Minuten starrte er sich selbst in die Augen, als sähe er in einen Spiegel. Nur, dass sein Spiegelbild wieder die blaue Robe eines Oberpriesters trug. Dieses Bild sagte ihm alles, was er wissen musste. Jono erinnerte sich an ihn! Unruhig ließ er das Buch sinken und schaute aus dem Fenster. Dort unten saß er. Er, den er mehr als alles andere auf der Welt begehrte. Und er hatte ihn nicht vergessen! Glück und Erleichterung durchströmte ihn, doch schnell machte sich Ernüchterung breit. Denn nun stand er wieder vor den Fragen, die ihn schon am gestrigen Abend beschäftigt hatten. Warum hatte er sich nicht zu erkennen gegeben? Warum hatte er nicht mit ihm gesprochen? Liebte er ihn noch? 5000 Jahre waren eine wahrlich lange Zeit. Und auch wenn sie sich einst ein Versprechen gegeben hatten, niemand konnte ‚Liebe‘ beeinflussen. Sie kam und ging, wie es ihr passte. Sein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Abermals warf er einen Blick in das Buch. Intensiv studierte er auch die letzten bemalten Seiten, die allesamt nur noch ihn zu zeigen schienen. Egal, ob in Robe oder Anzug. Schenkte man diesem Buch Glauben, hatte Joey seit Wochen und Monaten nur noch ihn gemalt. Er blätterte noch einmal an den Anfang. Die ersten Seiten glitten durch seine Finger. Yugi, Tea, Tea, Tristan, Yugi, Wald, Bank, Yugi mit Tea und Tristan, Kartenmotive, eine Katze, er selbst, Yugi, Tea und er selbst, eine Oma, er selbst, ein Kind, ein Spielplatz, Kartenmotive, er selbst, Yugi und er selbst, Kartenmotive, Tea, Serenity, er selbst, er selbst, er selbst, Serenity, Yugi, er selbst, er selbst, er selbst, er selbst, die Kaiba Corporaition, die Schule, er selbst, er selbst, Mokuba, er selbst, er selbst, er selbst … er selbst als Hohepriester… Das genügte. Auf der letzten Seite angekommen, schlug er das Buch zu. Joey hatte ihn schon mehr als nur einmal gemalt, bevor er ihn in der Robe des Hohepriesters dargestellt hatte. Dieses Mal würde er auf seinen Instinkt vertrauen. Ohnehin war dieser schon immer seine beste „Waffe“ gegen den Blonden gewesen. Das Klingelzeichen ertönte. Schnell ließ er das Buch in seine eigene Tasche gleiten. Gleich würden sie Sport haben, vermutlich würde Joey das Buch erst zu Hause vermissen. Keinen Moment zu früh ließ Kaiba sich wieder auf seinen Stuhl am Fenster sinken und schaltete sein Netbook ein. Auch heute würde er nicht am Sportunterricht teilnehmen. Zu verlockend war die Aussicht darauf, Joey von den anderen unbemerkt beobachten zu können. Zudem hatte er tatsächlich noch zu arbeiten. Routiniert öffneten er mit ein paar kurzen Anschlägen auf der Tastatur das gewünschte Programm. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe die vage Skizze eines Planes in seinem Kopf Gestalt angenommen hatte. Die Schulklingel ertönte. Rasch tippte er eine kurze Botschaft in das Programm. ‚Hi Joey. Kaiba wird morgen den ganzen Tag beschäftigt sein. Ein wichtiges Meeting in der Grafikabteilung. Hilft dir das weiter? Grüße, Ryuu.‘ Kurz sah er noch einmal auf die spärlichen Informationen. Sie würden reichen. Mit Hilfe der Entertaste warf er den Köder aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)