Time to remember von seththos ================================================================================ Kapitel 28: Die Oase I ---------------------- @sarokavar: Ich hoffe, meine Mail kam an. ^.~ Tjaja... Seto sieht langsam klarer und auch bei Seth hat sich inzwischen Einiges verändert und Jono... zeigt ganz unvermutet ein paar neue Seiten seines Wesens. Aber lies selbst... ^.~ @Primavera: Minuspunkte? 'Nur' wegen der erotischen Anspielungen? Kann ich gar nicht verstehen.. *unschuldig blinzel* Du sagtest, der Name springt ins Gesicht. Welcher Name und warum? ^_^ Übung hat er tatsächlich... immerhin ganze 5000 Jahre Erfahrung, das will schon was heißen. *g* Aber Kaiba ist kein Stalker. Nur... besorgt? Fürsorglich? -_-* Aber mal im Ernst, wenn du ihn jetzt schon für einen Stalker hältst... was meinst du wohl, was aus ihm wird, wenn er erkennt, dass er Joey tatsächlich liebt? *lach* @Sy: Nix da. Kein Stalker! (siehe Primavera) 'Wir wissen ja, wie er an die Infos gekommen ist'? Wer ist 'wir'? Meinst du das königliche Wir und damit dich selbst oder beziehst du mich da zwangsläufig mit ein? *G* ICH weiß ja, was er weiß und woher er es weiß. Aber ich ahne, dass du ein sehr aufmerksamer Leser bist und es wahrscheinlich auch schon erkannt hast. Allerdings bist du dann die Erste, die das anspricht. *GGG* Also: Glückwunsch. *lach* Und was den Kindergarten und Yugi anbelangt... sagen wir mal so: Der Pharao ist nicht gerade als Tratschtante bekannt und hat ohnehin ja selbst erst vor ein paar Monaten erfahren, dass Jono sich an alles erinnern kann. Im Prinzip hat er ja schon in Ägypten Jonos Geheimnisse für sich behalten und ihm seine Freiheiten belassen. ^.~ Wie immer viel Vergnügen beim Durchstöbern des nächsten Kapitels. ___________________________________________________________________________________ ~~~~~~~~~~ Seth sah hinauf zur glühenden Sonne am Himmel. Vor drei Tagen hatten sie sich einer Karawane von Viehtreibern angeschlossen. Inzwischen waren sie nur noch eine Tagesreise von ihrem Zielort entfernt. Der Hohepriester war dankbar dafür. Im Tempel nahe Asyut würde das erste Mal seit Tagen ein vernünftiges Nachtlager auf ihn warten. Inzwischen hatte er bereits mehrere Trainingskämpfe im Wechsel mit Jono und Ilai absolviert und seine Knochen taten zugegebenermaßen weh. Wann immer sie sich von den anderen unbeobachtet hatten zurückziehen können, hatten sie Ringen und die Handhabung der Axt trainiert. Der derzeitige Anführer ihrer kleinen Gruppe hatte sich zunächst gewundert, dass er sich ausgerechnet Jono als seinen Lehrmeister ausgesucht hatte, doch schlussendlich hatte er seinen Argumenten nichts entgegensetzen. Er konnte ihm glaubhaft erklären, dass es durchaus sinnvoller wäre, sich zu Beginn mit einem Rekruten zu messen, um die Grundtechniken zu wiederholen, ehe er einem so starken Gegner wie Ilai selbst gegenüber stünde. Jono hatte die Anweisungen seines ‚Anführers‘ äußerlich gelassen und vollkommen ergeben entgegengenommen. Seth kannte seinen alten Spielkameraden allerdings noch gut genug, um in seinen braunen Augen das Wort ‚Rache‘ lesen zu können, als er sich ihm zum ersten Mal gestellt hatte. Immerhin hatte Jono ihm ausdrücklich vermittelt, dass er nicht gegen ihn kämpfen wolle. Dem entsprechend lag Seth die ersten fünf Male beim Ringen stets nach wenigen Sekunden auf dem Rücken, ohne dass Jono Rücksicht auf seine eingestaubten Fähigkeiten genommen hätte. Das Ringen war in Ägypten eine beliebte Sportart und diente nicht nur dem Training, sondern auch, um sich untereinander in seinen Kräften zu messen. Früher, als er im Garten des Tempels zum Spaß mit Jono gerungen hatte, hatte er selbst häufig die Oberhand behalten. Das hatte sich mit den Jahren anscheinend grundlegend geändert. Nichts anderes war von dem Anführer des mächtigsten Heeres, des Heeres des Pharaos, zu erwarten gewesen. Hätte Jono sich bereits beim ersten Mal besiegen lassen, hätte er ernsthaft an dessen Qualifikationen gezweifelt. So weckte es seinen Kampfgeist und stachelte zusätzlich seinen Stolz an. Ein anderer Nebeneffekt des Ringens war, dass er auf diese Weise diesem verführerischen Körper jederzeit nahe komme konnten, ohne dass es den anderen auffiel. Er musste zugeben, dass die nachfolgenden sieben Male, in denen Jono ihn niedergerungen hatte, auch nur darauf zurückzuführen waren, dass er es genoss, wenn Jono auf ihm lag und seinen heißen Körper an ihn presste, um ihn unten zu halten. Erst, als Jono ihm, in sein Ohr flüsternd, den Hinweis gab, dass das Ziel der Übungsstunden ein anderes war, hatte er schließlich ein Einsehen und wandte sich ernsthaft dem Kampf zu. Beim dreizehnten Versuch gelang es ihm schließlich, den Kleineren niederzuwerfen. Innerlich aufseufzend rieb er sich mit der rechten Hand über seine neueste Blessur am linken Oberarm. Jono hatte ihn dort gestern mit dem Handstück seiner Axt hart getroffen. „Zerstampfte Weinrebenblätter sorgen dafür, dass die Verfärbung schneller verschwindet. Obwohl ich nicht weiß, ob mir das gefallen würde.“ Ein süffisantes Lächeln im Gesicht, schloss Jono zu ihm auf. Wachsam sah Seth sich um, ehe er eine entsprechende Antwort gab. „Ich weiß, dass du mich gern leiden siehst.“ „Leiden? Sei nicht albern! Es ist nur ein blauer Fleck.“ „Mein ganzer Körper ist ein blauer Fleck.“ Lakonisch zuckte Jono die Schultern. „DU wolltest unbedingt gegen mich kämpfen.“ „Ja, weil ich weiß, dass du gut bist.“ „Gut ist eine Untertreibung. Es gibt niemanden in meiner Armee, der seinem Feind schneller den Tod bringt, als ich.“ Bitterkeit klang in Jonos Worten. Es war keine Übertreibung, keine Angeberei – sondern eine Tatsache. Einen Moment schritten sie still nebeneinander her. „Ich könnte dich besiegen, Jono“, stellte Seth schließlich fest. Der Blonde warf ihm einen kurzen prüfenden Blick zu. Schließlich ging er auf den wieder etwas locker gewordenen Tonfall ein. „Ja, aber nur mit ein paar deiner magischen Tricks.“ „Einer reicht vollkommen.“ „Bist du sicher?“ Seth warf ihm ein herausforderndes Lächeln zu. „Ja. Aber ich tu‘s nicht. Denn ich habe das Gefühl, dass ich dir damit das Vergnügen rauben würde, mich unter dir liegen zu sehen. Aber keine Sorge: Ich liege gern unter dir.“ Flüsternd ergänzte er „noch schöner wäre es allerdings, wenn ich gleichzeitig auch in dir wäre.“ Jonos Blick verdüsterte sich. Von den anderen unbemerkt, senkte er seine Stimme, damit keiner ihrer Begleiter ihr Gespräch belauschen konnte. Niemand der anderen Soldaten hatte bis jetzt bemerkt, wie nah sich die beiden gekommen waren. Seth sollte es egal sein, doch Jono war offensichtlich darauf bedacht, dass dies auch sie blieb. „Du kannst sicher sein, Seth, dass ich es kein zweites Mal dazu kommen lassen werde. Das war etwas Einmaliges.“ Seth ließ sich von dem drohenden Tonfall nicht beeinflussen. „Ja, da stimme ich zu. Etwas einmalig Gutes.“ Jono nickte zustimmend. Dieser Fakt ließ sich nicht von der Hand weisen, auch wenn er es offenbar gern getan hätte. „Das lässt sich schwer leugnen. Aber zu viel des Guten ist ungesund. Ich habe nicht vor, ein zweites Mal mit dir das Lager zu teilen.“ Überraschung spiegelte sich auf Seths Gesicht. „Lager? Ich kann mich an kein Lager erinnern, das wir geteilt hätten.“ Frustriert packte Jono ihn am Arm und zog ihn dichter zu sich heran. Zischend ließ er Seth wissen: „Diesen Abend wird es kein zweites Mal geben, Seth. Es war nett, aber nicht mehr.“ „So?“ Skeptisch sah Seth ihn an. Den festen Griff an seinem Arm ignorierte er geflissentlich. Fragend und die Ruhe selbst beugte er sich vor. „Warst nicht du es, der mir sagte, er habe darauf gewartet, dass ich ihn ebenso gern will, wie er mich?“ „Ja. Aber jetzt hatten wir beide, was wir wollten. Damit wurde jegliches Verlangen, dass ich für dich empfand, hinlänglich befriedigt. Danke.“ „Das kann ich von meinem nicht behaupten.“ „Das ist dein Problem“, ließ Jono ihn tonlos wissen. Nonchalant erwiderte Seth: „Keine Sorge, Jono. Ich habe vor, es auch wieder zu deinem zu machen.“ „Dann hoffe ich, dass du ein guter Verlierer bist, denn das wird dir nicht gelingen.“ Seth ließ sich von dem abweisenden Tonfall des Anderen nicht irritieren. Seit ihrer gemeinsamen Nacht fiel es ihm täglich ein kleines Stück leichter, hinter Jonos scheinbar so mühsam aufgebaute Fassade zu blicken. Was wohl auch daran liegen mochte, dass er ihn seitdem kaum eine Sekunde aus den Augen gelassen hatte. Im Stillen hatte er seit Tagen jedes Gespräch und jede Geste von ihm verfolgt. Noch immer lag vieles im Dunkeln, aber er hatte zumindest verstanden, dass nicht alles, was Jono sagte, auch das war, was er wirklich wollte. Und um das Eine und das Andere auseinander zu halten, war es am besten, wenn man Jono mit seinem Körper, statt mit seinem Mund reden ließ. Diese Schlussfolgerungen im Hinterkopf, meinte er daher nur: „Lass uns das nach dem nächsten Kampf entscheiden.“ Grimmig warf der Blonde ihm von der Seite einen kurzen vernichtenden Blick zu. „Mach dich nicht lächerlich, Priester. Bei jedem gerechten Kampf stünde der Sieger bereits zu Beginn fest.“ „Oh, ich zweifle nicht daran, dass du am Ende die Oberhand hättest, Jono. Doch wer oben liegt, hat noch lange nicht gewonnen.“ Seth behielt den vertrauten Tonfall bei, gleichwohl er spürte, dass Jono versuchte, sich wie so oft in den letzten Tagen von ihm zu distanzieren. Doch er würde nicht zulassen, dass sie sich noch einmal so sehr voneinander entfernten. Er hatte noch in der Nacht beschlossen, dass er Jono niemand anderem überlassen würde. Dieser Beschluss war unumstößlich. Ohne auf Seths Worte noch weiter einzugehen, wandte der Blonde sich ab. Gerade wollte der Hohepriester ihn wieder zurückrufen, als sie aus geringer Entfernung eine kleine Staubwolke in ihre Richtung kommen sahen. Nur wenige Minuten später konnten sie einen Mann auf einem Esel ausmachen, welcher in ihre Richtung ritt. Kaum angekommen, versammelte sich die Gemeinschaft der Karawane um den Handelsreisenden, der er, seiner Kleidung nach zu urteilen, sein musste. Blut klebte an seiner Tunika und eine Wunde klaffte auf seinem Handrücken. Der Rücken seiner Kleidung war zerfetzt und hing zum Teil in kurzen Bahnen von seinem Körper. Die Sonne hatte bereits begonnen, rote entzündete Male auf seiner Haut zu hinterlassen. Er schien leicht desorientiert und blickte sich hilfesuchend unter den Reisenden um, welche am Kopf der Karawane liefen. Seth zögerte nicht lange und holte seinen Wasserschlauch hervor, um ihn dem Mann zu reichen. Dieser nahm ihn dankbar entgegen und nahm langsam und am ganzen Körper zitternd das Wasser in sich auf. Seine Kehle war vom Wüstensand ausgedörrt. Erschöpft ließ er sich in den heißen Sand sinken und holte ringend nach Luft. Die Umstehenden, inzwischen hatten sich annähernd dreißig Männer und Frauen um ihn versammelt, warteten geduldig. Schließlich hob er an zu sprechen, während ein mitreisender Tempelarzt sich um seine Hand kümmerte. „Hinter dem nächsten Hügel liegt die Oase Charga. Wir kamen letzte Nacht dort an. Als Rah gerade seine ersten Strahlen zur Erde schickte, überfielen uns Syrier aus dem Hinterhalt. Ich konnte als einziger fliehen, um Hilfe zu holen. Meine Frau und mein Sohn, sie…“ Ein Raunen entstand unter den dreißig Reisenden. Keiner von ihnen konnte so gut kämpfen, dass er es mit kampferprobten Syriern aufnehmen konnte. Es handelte sich vorrangig um Bauern, die ihr Vieh in die nächste Stadt zum Verkauf treiben wollten. Es gab keinen Weg, die Oase zu umgehen. Wenn die Rinder nicht bald Wasser zu saufen bekamen, verendeten sie womöglich in der Wüste. „Wie viele Männer konntest du zählen?“, erkundigte sich der Tempelarzt, während er nebenbei seine Wunde versorgte. „30 oder 40 … es ging alles so schnell … ich weiß es nicht.“ „Du sagtest, es sei im Morgengrauen passiert. Doch nun ist es schon Mittagszeit…“ „Sie hielten die anderen gefangen. Ich selbst konnte mich zwar verstecken, jedoch keinen Weg aus dem Lager der Männer herausfinden. Erst jetzt, als einige Wasser holen gingen …“ Überlegend sah Seth zu Jono und Ilai. Wenn sie sich hier einmischten, bedeutete dies, dass sie womöglich ihren besten Schutz auf dieser Reise aufgeben mussten – ihre Anonymität. Nach dem Bericht des Mannes zu urteilen, war es sehr wahrscheinlich, dass die Banditen auch sie überfallen würden. Da sie kein Vieh hatten, konnten sie die Oase sicher umgehen, doch damit würden sie die anderen ihrem Schicksal überlassen. Zudem waren einige der anderen Leute, die in der Oase gefangen genommen worden waren, vermutlich noch am Leben. „Von woher kommt Ihr?“, erkundigte sich Jono inmitten des Aufruhrs bei dem Mann. „Aus Asyut.“ Jonos Blick verhärtete sich. Seine Stimmung schlug um. „Dann seid Ihr und die deinen dem Todesgott geweiht.“ Die umstehenden Viehtreiber sahen sich erschrocken an. Gemurmel entstand, doch niemand wagte es, zu wiedersprechen. Syrier waren vor allem an der Grenze des Landes für ihre Grausamkeit gefürchtet. Ohne ein weiteres Wort wandte Jono sich von dem Verletzten ab. Es war offensichtlich, welche Entscheidung er getroffen hatte. Der Anblick seiner steifen Haltung reichte aus, um zu wissen, dass er den Mann seinem Schicksal überlassen wollte. Rah allein wusste den Grund. In all der Zeit seit ihrem Wiedersehen, hatte Jono sich den Menschen gegenüber, die er als Heerführer zu schützen geschworen hatte, stets sehr pflichtbewusst verhalten. Irgendetwas an dem Mann oder dem, was er gesagt hatte, hielt ihn davon ab, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Wenn es nach Jono gegangen wäre, das glaubte Seth zu erkennen, hätten er selbst und die Soldaten die Oase gemieden und ihre Tarnung aufrecht erhalten. Dank Horus und Rah war Jono aber durch sein eigenes Versteckspiel ebenfalls an einige Verhaltensregeln und an Gehorsam gegenüber Ilai gebunden. Der Hohepriester wusste nicht, warum Jono so harsch reagierte, doch wenn Ilai eine andere Entscheidung als er fällen würde, würde er dieser, seiner Tarnung zuliebe, wahrscheinlich nicht entgegenwirken. Es galt also, zuerst Ilai zu überzeugen. Seth hatte nicht vor, die Menschen der Karawane und die der Oase ihrem Schicksal überlassen. Kurz überlegte er, ob er gleich mit dem Mann reden sollte, verwarf den Gedanken aber wieder und ging stattdessen Jono hinterher. Außer Hörweite der anderen, hinter einem größeren Felsen, hielt er ihn schließlich auf. „Was ist los?“ „Es hat keinen Sinn, zu helfen. Die, die dort sind, sind ohnehin schon tot. Würden wir nun zu der Oase reisen, würden wir nur unsere Mission gefährden.“ „Und was ist mit unseren Begleitern? Du weißt ebenso gut wie ich, dass sie mit ihrem Vieh keine andere Wahl haben.“ Jono schwieg. Seth suchte nach Argumenten. „Einige der Menschen in der Oase leben wahrscheinlich noch. Wir sollten zumindest versuchen, ihnen zu helfen.“ Als er sah, wie Jonos Augenbrauen sich bei seinen Worten ein weiteres Mal einander näherten, begriff er es. Die Erkenntnis traf ihn hart. „Du denkst auch, dass sie noch leben! Aber du willst ihnen absichtlich nicht helfen?! Warum?! Diese Menschen kommen aus Asyut! Unserer Heimatstadt! Was…“ Dass dies eines der schlechtesten Argumente war, die er hätte wählen können, wurde ihm erst klar, als Jono ihn zornig korrigierte. „Aus MEINER Heimatstadt. DU hast dort nie gelebt.“ „Ein Grund mehr für dich, den Menschen zu helfen!“ „Sicher nicht!“, schnappte Jono. Zornig drehte er sich zu Seth um. „Für mich ist es ein Grund mehr, ihnen NICHT zu helfen!!“ Aufmerksam betrachtete Seth das Gesicht des Blonden. Er erkannte ihn kaum wieder. „Wenn sie aus Asyut stammen, ist ihr Tod sicher kein Verlust für Ägypten.“ Der Hohepriester ahnte, dass er hier an etwas rührte, dass Jono keinem anderen preisgeben wollte. Vielleicht lag dort, in Asyut, der Schlüssel zu seinem veränderten Wesen. Doch ganz gleich, was Jono zu seiner Reaktion veranlasst haben mochte, es gehörte nicht hierher. „Jono, was auch immer dich zu deiner Haltung den Menschen aus Asyut gegenüber beeinflusst haben mag, es ist Vergangenheit. Ich bin sicher, dass du keine ganze STADT für die Verfehlungen einiger Weniger verantwortlich machen kannst.“ „WAS WEIßT DU SCHON?!“ „NICHTS!“, gab Seth ebenso heftig zurück. Seine gesamte angestaute Frustration über all die ungeklärten Fragen brach aus ihm heraus: „DENN DU HÜTEST DEINE VERGANGENHEIT BESSER, ALS ALLE SCHÄTZE, DIE JE IN EINES DER GROSSEN GRÄBER GELEGT WURDEN! UND DAS, OBWOHL ich! EIN TEIL DIESER VERGANGENHEIT BIN!“ Erst jetzt, da er es aussprach, verstand er seine eigenen Gefühle, die über die letzten Monate hinweg in ihm gelodert hatten. Es verletzte ihn, dass Jono ihm nichts von seiner Vergangenheit, aus all den Jahren bis zu ihrem Wiedersehen, erzählt hatte. Er wäre es ihm verdammt noch mal schuldig gewesen, nachdem er damals so plötzlich verschwunden war. Er war sein Freund gewesen! Der einzige und wahrscheinlich beste, den er je gehabt hatte. Zumindest hatte er das mal geglaubt. Doch diese Gedanken behielt er für sich. Sie gehörten nicht hierher. Ebenso wenig, wie die offene Rechnung, die Jono offensichtlich noch immer mit den Bewohnern von Asyut offen hatte. Tief durchatmend zwang er sich zur Ruhe. „Jono. Du hast geschworen, das Volk Ägyptens mit deinem Leben zu schützen.“ Der Heerführer schnaubte verächtlich, als Seth ihn an das Gelübde erinnerte, das jeder neu eingesetzte oberste Heerführer gegenüber dem Pharao leisten musste. Die Augen zu Schlitzen verengt, trat er dicht an den Hohepriester heran. „Da liegst du falsch, Seth. Das ist die Aufgabe des Pharaos. Ich habe mein Leben nur einem einzigen Menschen versprochen. Niemandem sonst. Und dieses Gelübde gedenke ich zu halten.“ Seth sah ihn stirnrunzelnd und zurechtweisend an. „Doch indem du geschworen hast, den Pharao mit deinem Leben zu schützen, hast du auch einen Teil seiner Bürde übernommen. Und seine Bürde ist das Volk Ägyptens.“ Jono hielt inne. Eine passende Antwort schien ihm bereits auf den Lippen zu liegen. Doch statt sie Seth direkt ins Gesicht zu schleudern, drehte er sich zu Ilai um, welcher in diesem Augenblick mit den anderen zu ihnen stieß. Bereits wenige Augenblicke später berieten sich der Hohepriester und die Soldaten, ausgenommen Jono, über ihr weiteres Vorgehen. Kaum jemand schenkte dem blonden jungen Mann Beachtung. In den Augen der anderen war er nur ein Rekrut. Eben jener Rekrut hatte sich daher indessen still auf einen größeren Felsen neben die anderen gesetzt. Die seichten Wellen aus Sand waren bereits vor zwei Tagen einem öden Landstrich aus Fels und Gestein gewichen. Nur wenige Bäume, Sträucher und einzelne Grashalme hielten sich in dieser unwirtlichen Gegend mit nur wenig Wasser am Leben. Kaum ein Tier war weit und breit zu sehen. Wenn überhaupt, waren in dieser sengenden Hitze nur einige Käfer mit hartem Chitin-Panzer oder ein paar Echsen und Schlangen zu Hause. Jeder, der zu lange in dieser Gegend verweilte und seine Nahrung aufbrauchte, würde früher oder später elend sterben. Daher gab es für die dreißig Leute der Karawane und ihre nahezu vierzig Rinder, sieben Pferde und acht Esel keine andere Wahl. Sie waren auf die vor Ihnen liegende Oase angewiesen. Sie selbst hatten noch genügend Dörrfleisch und Wasser, um einen weiteren Tagesmarsch in Kauf zu nehmen. Demnach stand lediglich zur Debatte, ob man die Karawane als Geleitschutz zur Oase begleiten oder sie ihrem Schicksal überlassen sollte. „Wir können nicht wissen, ob die Syrier noch dort sind“, meldete Elias sich gerade zu Wort. „Wir können es aber auch nicht ausschließen“, gab Ilai zu bedenken. „Wenn wir mit ihnen gehen, müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir uns enttarnen müssen.“ „Aber wenn wir nicht mitgehen, Elias, überlassen wir die Menschen hier bewusst der Gefahr, den Tod zu finden. Keiner von ihnen kann ernstlich etwas gegenüber zwanzig oder dreißig kampferfahrene Syrier ausrichten.“ „Ach, aber ihr vier könntet das?“, warf Jono süffisant ein. Überrascht blickte Ilai auf den jungen Rekruten. Männer seines Standes, ohne hinreichende Kampferfahrung, hatten bei solchen Gesprächen gewöhnlich nichts zu sagen. Wären sie in einem Lager in Ägyptens Hauptstadt gewesen, hätte er den jungen Mann sicher zu recht gewiesen. Doch dies war eine besondere Situation und es gab Wichtigeres zu klären, als einen vorlauten Rekruten in seine Schranken zu weisen. Ilai ließ seinen Einwurf daher unkommentiert. Yanis, nur fünf Jahre älter als Jono, sich aber schon zahlreicher Schlachten rühmend, griff seinen Kommentar hingegen augenblicklich auf. Immerhin stand endlich wieder etwas in Aussicht, das versprach, spannend zu werden. Er war nicht umsonst der Armee des Pharaos als Söldner beigetreten. In den letzten Jahren hatte er sich bereits zwei Ränge hoch gearbeitet. Mit jedem guten Kampf und jeder Auszeichnung kam er seinem Wunsch nach Anerkennung innerhalb der Armee immer näher. Er war nicht dazu geboren, einen kampfunerfahrenen Priester als Fußsoldat quer durch Ägypten zu geleiten! Sein Ziel war der Kampf. „Sicher, Rekrut.“ In herablassendem Ton wies er Jono unter Nennung seines Ranges wieder auf seinen Platz in der Armee hin. „Wir alle sind bereits in zahlreiche Schlachten gezogen. Ein paar Syrier können uns nicht die Stirn bieten.“ „Die Stirn sicher nicht, aber einen Pfeil in Eurem Herzen“, korrigierte Jono ihn, ohne sich von der offenen Zurechtweisung irritieren zu lassen. „Bevor ein Pfeil mein Herz trifft, werde ich bereits vier von ihnen auf ihre ewige Reise geschickt haben“, ereiferte sich Yanis. „Wie hilfreich. Dann bleiben ja nur noch sechsundzwanzig – oder vielleicht auch mehr, immerhin konnte der Mann in der Nacht schlecht zählen – für den Rest von euch übrig. Für einen Priester, der mit einer Axt noch immer sich selbst mehr verletzt als seine Gegner und drei weitere Soldaten. Und wenn die dann auch noch tot sind, können sich die vollkommen kampfunerfahrenen, vom Reisen ausgedörrten Männer, Frauen und Kinder dieser Karawane ja um die verbleibenden Syrier kümmern.“ In gewohnt sarkastischer Art, schloss er seine Betrachtung der bevorstehenden Ereignisse ab. „Ihr habt Recht. Ich denke, Euer Plan hat durchaus Aussicht auf Erfolg.“ Endgültig damit aus der Fassung gebracht, von einem Rangniedrigerem einfachen Rekruten so vorgeführt zu werden, schoss Yanis mit allen Mitteln zurück. „Mir ist nicht entgangen, dass Ihr Euch in der Aufzählung nicht mitgerechnet habt. Wo werdet Ihr sein?“ Yanis baute sich bedrohlich vor dem Jüngeren auf. Gleichwohl Elias und Aziz ihn an beiden Armen zurückhielten, brodelte es sichtlich in ihm. Jono hingegen ließ sich davon nicht verunsichern und blieb weiter, sich seiner selbst vollkommen sicher, auf dem Felsen sitzen. Gelassen sah er zu dem anderen auf. „Ich habe mich nicht mitgezählt, da ich nicht vorhabe, bei einem Selbstmordkommando mitzumachen. Dazu habe ich mich nicht bereit erklärt, als ich diese Mission übernommen habe. Ihr etwa?“ „Dann wollt Ihr diese Menschen hier ihrem Schicksal überlassen?“ „Nun tut nicht so, als ginge es Euch um diese Menschen! Diese Menschen kennen die Gefahren der Wüste. Hier heißt es fressen oder gefressen werden. Sie rechnen täglich damit. Diesmal sind sie sogar vorgewarnt. Wenn sie schlau sind, verstecken sie ihre wertvollsten Güter und geben alles andere heraus, um die Syrier zufrieden zu stellen. Dann kommen sie wenigstens mit ihrem Leben davon. Wenn Ihr allerdings, Eure Axt schwingend, in das Lager von Syriern einfallt, nur um Euch einen höheren Platz im Gefolge des Pharaos zu erobern, liefert Ihr diese Menschen dem sicheren Tod aus – zumindest wenn Ihr sie nicht alle töten könnt. Die Syrier mögen es nicht, wenn man sich gegen sie wehrt. Das hat Euch der Mann bereits zur Genüge bewiesen. Und wie es aussieht, töten sie die Menschen noch nicht einmal, denn wäre dies ihr Wunsch, wäre der Mann sicher nicht lebend entkommen.“ „Ihr arroganter kleiner Bastard!“, donnerte Yanis und holte aus, um den Rekruten zu recht zu weisen. Hart traf seine Faust auf das Gesicht des Blonden. Dieser sah die Gefahr kommen, wich aber nicht aus, sondern empfing den Schlag offenen Auges. Seth wusste, wenn Jono gewollt hätte, hätte er verhindern können, dass der andere ihn auch nur streifte. Dennoch flog sein Kopf, vom Schlag getroffen, zur Seite. Der schmale aber sehnige Körper rührte sich hingegen keinen Millimeter. Sein provozierender Unterton war verschwunden, als er sich dem anderen wieder zuwandte. An seine Stelle trat eine deutliche Warnung in die steinbraunen Augen des Blonden. „Ich denke, das habe ich verdient, nach dem, was ich über Euch sagte. Auch wenn es der Wahrheit entsprach. Schlagt Ihr mich jedoch nur noch ein weiteres Mal, schwöre ich Euch, dass ich Euch so zurichte, dass Ihr Euer eigenes Gesicht im Spiegel des Nils nicht mehr wiedererkennen werdet.“ „Ihr lasst Euch sogar von einem untrainierten Priester niederringen und wollt mir drohen? MIR?“ Jono blieb ihm eine Antwort schuldig. Seth war keineswegs schwach. Auch er trainierte seinen Körper täglich. Allein die Technik des Ringens und des Axtkampfes waren ihm durch fehlende Übung noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Vermutlich hätte Yanis ihn kein einziges Mal schlagen können, wäre er auch nur einmal gegen ihn angetreten. Seth schwieg dazu. Bisweilen war es von Vorteil, unterschätzt zu werden. Inzwischen sah Ilai sich gezwungen, dem Gebaren seiner Männer Einhalt zu gebieten. „Jono! Yanis! Es reicht! Während dieser Mission sind wir auf einander angewiesen. Wenn ihr euch die Köpfe einschlagen wollt, wartet, bis wir zurückgekehrt sind!“ Wiederholt ergriff Elias die Arme von Yanis und zog den wutschnaubenden und in seiner Ehre gekränkten Soldaten von Jono zurück und versuchte, ihn zu beruhigen. Erneut ergriff Ilai das Wort. „Jonos Argumente sind nicht von der Hand zu weisen. Wir sollten uns nicht einbilden, zu Fünft gegen eine kampferfahrene Truppe von Syriern vorgehen zu können.“ „Ilai, ich denke wir…“ Noch bevor er seinen Satz beenden konnte, wurde Aziz von Ilai unterbrochen. „Dennoch denke ich, dass wir es tun sollten. ‘Wir sind nicht nur die Beschützer des Pharaos, wir sind auch die Beschützer dieses Landes und aller Menschen, die darin leben‘, waren einst die Worte von unserem Heerführer, Anoubis Ano-Oobist. Ich denke, er hatte Recht. Diese Menschen haben in den vergangenen Tagen ihr Essen, ihr Wasser und ihr Feuerholz mit uns geteilt. Auch wenn ihr Leben nicht unmittelbar gefährdet ist, sind wir doch für ihren Schutz verantwortlich.“ Seth, Yanis, Elias und Aziz nickten zustimmend. Allein dem Hohepriester war die Ironie dieser Argumentation bewusst. Dass Jonos eigene Worte als Anoubis nun dazu führen würden, dass gegen seinen Willen gehandelt wurde, hätte er sich sicher auch nicht vorstellen können. Es war wohl nicht immer hilfreich, wenn Soldaten einem zuhörten. „Tz.“ Aus den Augenwinkeln nahm Seth ein resigniertes Kopfschütteln von Jono wahr. „‘Doch achtet auf euch. Denn jedes Leben, und sei es auch noch so klein, ist wertvoll. Daher begebt euch nicht in eine Gefahr, die ihr nicht abschätzen könnt und beginnt keine Schlacht, die zu gewinnen aussichtslos ist‘, waren dies nicht auch die Worte von Anoubis?“ Missmutig sah Jono in die Runde. „Warum nur, erinnern sich Menschen immer nur an den Teil solcher Reden, der ihnen für ihre eigene Situation gerade passend erscheint?“, erkundigte er sich, ohne eine wirkliche Antwort zu erwarten. Es stand in den Gesichtern der vier Männer geschrieben, dass sie nicht mehr umzustimmen waren. Die Augenbrauen im Ärger zusammengezogen, erhob er sich von seinem Sitzplatz und kehrte der kleinen Truppe den Rücken. Niemand schenkte ihm, als Rekruten, weitere Beachtung. „Ich denke, meine Kraft wird uns nützen, auch ohne, dass auffällt, wer ich bin.“ Langsam entfernte Jono sich von den anderen. „Ich genieße den Schutz von Seth. Er war nicht nur der Patron meiner Geburt sondern auch der Quell meiner Macht. Mit Hilfe eines Sandsturmes sollte es uns eigentlich möglich sein, den Syriern gegenüber einen Vorteil zu erlangen, meint Ihr nicht auch?“ Jonos Schritte stockten. Kurz ballten sich die Fäuste des Blonden. Für wie idiotisch und sinnlos er diese Idee diesmal hielt, ließ er nicht verlauten. Kopfschüttelnd aber zielstrebig sonderte er sich von den anderen ab und strebte zu den Männern der Karawane und ihren Packeseln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)