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Wild Silent Things

von

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morgendlicher Alltag mit Hasen, Kaffee und Gieskannen

Titel: Wild Silent Things
 

Genre: Familie

Warnungen: Humor / Parodie
 

Inhalt: Carrie Ross kommt in seinem Leben ganz gut alleine zurecht, findet er. Zu dumm nur, dass die meisten Leute, vor allem seine viel zu große Familie, da anderer Meinung sind.
 

Kommentar: So selten es auch ist, ich schreibe auch Original. Nur landet das Wenigste im Netz. Hier konnte ich mich endlich mal dazu durchringen, das Kapitel zu posten. Wobei „Kapitel“ vielleicht übertrieben ist. Es war der Beginn einer Story, den ich in einen OneShot um funktioniert habe. Wenn ihr Kritik habt, her damit. Ich bin geübt genug, um über alles zu lachen, was so alt ist. Denn ich den Angaben glaube, die unter Eigenschaften stehen, ist die Geschichte aus 2009. 
 

Viel Spaß beim Lesen

mangacrack
 

xxx
 

Wie immer begann der verdammte Tag mit einem Weckerpiepen. So wie immer und jedes Mal hasste Carrie Ross die Welt dafür. Konnte die Welt sich nicht einmal entscheiden abends zu beginnen? Warum immer morgens?
 

Wahrscheinlich um ihn zu ärgern.
 

Carrie öffnete die Augen und purzelte missmutig von seinem Bett. Wäre er nicht heraus gerollt, so hätte er sich nie überwinden können aufzustehen, doch jetzt wo er auf dem Boden lag und der zum Schlafen zu unbequem war, richtete er sich auf und schälte sich aus seiner Decke, die aus Solidarität mit ihm in den Abgrund gestürzt war. Recht unwillig strich sich Carrie seine dunklen Haare aus dem Gesicht. Sie waren weder lang noch kurz und schienen sich jeden Morgen neu zu entscheiden, wie sie aussehen wollten. Manchmal sah er aus, als hätten sie noch nie einen Kamm gesehen –hatten sie auch nicht, es brachte nämlich nichts - und dann wieder wirkten sie als hätten sie eine vierstündige Haarpflegekur hinter sich.
 

Ihm war es egal, solange sie lang genug waren, sodass er seine Finger darin vergraben konnte.
 

Ich will nicht aufstehen, jammerte Carrie gedanklich und blickte verstimmt zu dem Wecker, der in genau 15 Sekunden wieder piepen und ihn daran erinnern würde, dass er ins Bad musste. Wie vorher gesagt, trat auch genau dieses ein.
 

Ich hasse mein Leben… , dachte Carrie und schlurfte von dannen, hoffend er würde jetzt niemandem begegnen. Er war morgens zu nichts zu gebrauchen und in diesem desolaten Zustand war er einfach kein schöner Anblick.
 

Doch leider, wie Gott es mit dem Schicksal abgesprochen hatte, stolperte er nicht nur über die überdimensionale Topfpflanze vor seiner Tür, sondern traf auch noch seine Schwester im Bad. Carrie fand, dass sie mal wieder abnorm guter Laune war, man hatte morgens vor dem Aufstehen nicht gut gelaunt zu sein, und fragte sich, ob diese Person wirklich mit ihm verwandt sein konnte.
 

„Ich wünsche dir einen wunderschönen guten Morgen, Rie!“, rief sie ihm trällernd entgegen, als er das Bad betrat.
 

Im Gegensatz zu ihm, der nur in Boxershorts und einem T-Shirt bekleidet war, war seine Schwester Kennie bereits vollständig angezogen und aufgestylt. Er fragte sich, wie sie das in der kurzen Zeit schaffen konnte. Schrecklich, so viel Energie am Morgen. Deswegen tat er das, was er jeden Morgen tat: sie und seinen Spitznamen gänzlich ignorieren und sich seiner widerspenstigen Zahnbürste zuwenden. Zum Glück kannte Kennie diese Prozedur am Morgen bereits und redete einfach weiter. Sie wusste ja, dass ihr lieber Bruder morgens keinen Ton über die Lippen brachte und eher wie ein Geist durch das Haus wanderte, als wirklich anwesend zu sein. Nicht, dass er sonst viel redete, aber ab einer gewissen Uhrzeit hörte er wenigstens zu.
 

Carrie fuhr sich erneut durch die Haare und betrachtete sich in dem großen Badezimmer Spiegel. Und schloss die Augen sofort wieder. Nicht das er hässlich aussah, aber er konnte diesen müden Blick und die abgekämpfte Gestalt jetzt nicht ertragen.
 

Ich sehe morgens aus, als wäre ich nachts von einem Elefanten nieder gewälzt worden.
 

Carrie gähnte und stellte die Zahnbürste zurück in den Behälter, von dem er dachte, es wäre der Becher. Er merkte nicht, dass er seine Zahnbürste zu einem Kaktus steckte, der in einem Topf auf der Anrichte vor dem Spiegel stand. Weil er genauso abwesend den Raum verließ, wie er ihn betreten hatte, sah er auch nicht, wie seine Schwester den Kopf schüttelnd den Kaktus von dem unliebsamen Gast befreite.

 

Zurück in seinem Zimmer machte sich Carrie daran in einem Wäschehaufen nach passender Kleidung zu suchen. Er hatte die saubere Wäsche von vor zwei Tagen einfach auf den Boden gelegt, sodass sie sich jetzt, zwecks der vorherrschenden Unordnung, mit der dreckigen vermischt hatte, die immer noch darauf wartete in den Wäschesack gebracht zu werden. Nach einigem Suchen fand Carrie nicht nur eine halbwegs saubere Hose ohne Flecken, da sie dunkel war konnte er das nicht so genau sagen, und ein frisches T-Shirt. Nebenbei entdeckte er seinen lang vermissten Deutschhefter, etwas Geld und einen friedlich schlummernden Luke Skywalker. Luke Skywalker war sein paranoider, schräger und abgedrehter Hase, der mal für ein paar Tage im Haus verschwand und dann irgendwo in einer Topfpflanze wieder auftauchte.
 

Das der sich in diesem Dschungel zurecht findet..., dachte Carrie und setzte den möchtegern Jedi Hasen zurück in seinen Käfig. Er wusste, dass sein Hase dort nicht lange bleiben würde, aber er konnte zumindest gewissenhaft behaupten, er hätte versucht diesem Hasen Benehmen bei zu bringen. Denn das war eigentlich genauso unmöglich, wie seine Mutter davon abzuhalten ihr Haus in ein Dschungel zu verwandeln. Sicher, sie nannte es nur ein bisschen grün im Haus, aber ihr Garten sah aus, als hätte man dem Regenwald einen ganzen Quadratkilometer geklaut und versucht in ihr Grundstück zu pflanzen.
 

Zur Zwischenablage: ihr Grundstück war groß. Carrie wusste nicht genau, wem es eigentlich gehörte, aber auf jeden Fall wohnte ihre gesamte Familie hier drin. Anfangs hatte es wohl mal seiner Oma gehört, die vier Kinder in die Welt gesetzt hatte, wovon drei immer noch hier wohnten. Nämlich seine Mutter, ihre Schwester und sein Onkel. Beide mit jeweils eigenen Kindern, hinzukommend zu vier weiteren Cousins, einer Tante und einem Großelternpaar.
 

Wie gesagt: das Haus war groß und Carrie war sich nicht sicher, ob er wirklich alle Bewohner dieses Hauses kannte.
 

Würde mich zumindest nicht wundern, wenn aus irgendeinem Zimmer noch ein übrig gebliebener Verwandter hervor gekrochen kommt, den ich zuvor noch nie gesehen habe.
 

Seine Familie war schlicht und weg überdimensional. Es war nicht leicht da den Überblick zu behalten, geschweige denn zu wissen, wer gerade hier wohnte und wer nicht. Platz genug bot das Haus auf jeden Fall. Es wurde vor etwa hundert Jahren gebaut und im Stil eines englischen Herrenhauses angelegt worden, vor 80 Jahren von seinem Urgroßvater gekauft, seitdem von seiner Oma und den nachfolgenden Generationen bewohnt. Sein Opa war stinkreich gewesen und hatte sein Vermögen und das Haus und das Geld in seinem Testament der Familie vermacht, unter der Bedingung, dass sie alle zusammen darinnen wohnen mussten. Damit die Familie zusammen hält.
 

Damit hatte der Wahnsinn begonnen.

Er war vielleicht zwei oder drei Jahre alt gewesen, als das der Fall gewesen war und natürlich war die gesamte Familie der Ruf des verstorbenen Oberhauptes gefolgt. Im Moment wohnten, wenn er richtig lag, zwei Studenten, sechs heranwachsende Jugendliche, zwei Kleinkinder, drei Mütter, drei Väter, seine Oma, deren Bruder und damit sein Opa, vier Katzen, drei Hunde, sechs Kaninchen, acht Vögel und eine Schildkröte in diesem Haus. Zählte man die Pflanzen hinzu, die seine Mutter überall hin-, aufgestellt und tatsächlich mit Namen versehen hatte, dann waren es noch mal ein paar mehr. Doch die Pflanzen zählten nicht. Man gewöhnt sich daran, dass es im ganzen Haus grün war und jedes Zimmer einem botanischen Garten glich.
 

In seinem Zimmer standen nur sechs Pflanzen.
 

Da hatte er Glück. Sein Cousin Joseph schlief momentan in einer Hängematte, weil sein Zimmer renoviert wurde und im Gartenzimmer – so was hatten sie, auf Grund dem Wunsch seiner Mutter – kein Platz für eine Luftmatratze, geschweige denn für ein Bett war.
 

-
 

Später stapfte Carrie abwesend die lange Wendeltreppe herunter, passierte den ersten und den zweiten Stock und lief im selben Trott weiter bis er endlich unten angekommen war. Als er den Flur zur Küche betrat, hörte er bereits den alltäglichen Krach. Sich durch einen Vorhang von über düngten Hängepflanzen durch schiebend, suchte Carrie nach einem freien Stuhl an dem großen Esstisch. Es war recht schwierig morgens hier einen Platz zu finden, denn die einst aufgestellte Sitzordnung hielt sowieso keiner ein.
 

Wie auch?
 

Morgens war die vollste Zeit hier. Denn da mussten wirklich alle los, sein Vater und sein Onkel zur Arbeit, die sich wie jeden Morgen hinter ihrer Zeitung verkrochen hatten, seine jüngeren Cousins David und Roy in den Kindergarten, seine älteren Cousins Keith und Kyle zur Uni und der Rest der Bande, das bezog sich dann leider auch auf ihn, zur Schule. Noch nicht aufnahmefähig suchte sich Carrie einen Stuhl und bekam sogleich von seiner Tante Lilian einen Teller in die Hand gedrückt. Sie war die Herrscherin des Haushalts und Verwalterin der Küche. Keiner kam an ihr und ihrem unglaublichen Gedächtnis vorbei.
 

Wenn sie nicht da war, ging die Welt unter. Carrie war sich sicher, dass sie schon längst von dem Internationalen Komitee für Heldentaten ausgezeichnet worden war, nur das seine Tante eben nicht den traditionellen Superhelden Badeanzug trug. Bescheiden wie seine Tante war, hatte sie wahrscheinlich auch die Trophäe abgelehnt oder sich davon stattdessen einen Jahresvorrat an Postezetteln gekauft. Diese Notizzettel bevölkerten das ganze Haus und die Nachrichten darauf verstand sowieso nur seine Tante.
 

Sie behauptete, es war systematisch angeordnet und ganz einfach zu verstehen; sofern man ihr Supergehirn besaß natürlich.
 

Carrie gähnte ausgiebig, als seine Tante an ihm vorbei schritt und zur Küchenzeile lief, um dort wie am Fließband Schulbrote zu schmieren. Sie war der Meinung, Schulessen war ungesund und keine anständige Mahlzeit. Auf jeden Fall drohte sie jedem Prügel an, der es wagte sein Essen wieder mit nach Hause zu bringen.
 

Desorientiert ließ er seinen Blick über den langen Tisch schweifen. Es war zu früh um zu denken, deswegen dauerte es eine Weile, bis er begriff, dass er sich zum Frühstücken auch setzen musste. Als diese Aufgabe bewältigt war, stand die nächste an: Essen finden. Abwesend griff Carrie nach einem Toast und kaute darauf herum. Müsli am frühen Morgen wäre zwar nicht so trocken gewesen, aber die erforderlichen Fähigkeiten kontinuierlich mit einem gefüllten Löffel Essen seinem Mund zu zuführen, war schlichtweg unmöglich. Zeitweise vergaß Carrie das und wunderte sich dann, was fehlte.
 

Seitdem hatte man ihm verboten vor 9 Uhr morgens Müsli zu essen.
 

„Guten Morgen, lieber Bruder“, sagte seine Schwester Kennie und ließ sich neben ihn auf einen Stuhl fallen. „Ein wenig wacher als vorhin?“
 

Diese Frage war wohl rhetorisch gemeint, denn Carrie gähnte nur erneut als Antwort und kaute weiterhin abwesend auf seinem Toast herum.
 

„Müde“, murmelte er dann irgendwann doch und seine Schwester sah ihn erstaunt an. Es war selten, dass ihr Bruder vor neun Uhr etwas sagte. Das er überhaupt redete, war rar. Normalerweise hielt Carrie sich nämlich mit Kommentaren und Erzählungen zurück.
 

„Brauchst du etwas?“, fragte sie fürsorglich. Sie wusste um die alltägliche Morgenmüdigkeit und konnte nicht anders, als etwas Leben in diese müden Augen bringen zu wollen. Doch sie kannte ihren Bruder auch schon lange genug, um zu wissen, was ihn einigermaßen auf Touren bringen konnte.
 

„Kaffee?“, erkundigte sie sich und hielt ihm die dampfende Tasse unter die Nase.
 

Man siehe und staune: das Wunder geschah.
 

Carrie hob tatsächlich Sekunden schnell seinen Kopf und seine Augen fixierten die Tasse. Dann begriff sein Kopf auch sehr schnell, was zu tun war. Tasse greifen, Milch und Zucker rein schütten, um dann einen großen und langen Schluck zu nehmen. Kennie sah ihren Bruder an und bewunderte das Schauspiel, dass sich wie jeden Morgen von neuem wiederholte und noch genauso faszinierend war. Wenn man seine normale Reaktionsgeschwindigkeit im Verhältnis mit Kaffee verglich, war das Lichtgeschwindigkeit.
 

„Hrrrm“, murmelte Carrie etwas vor sich hin und merkte, wie sich seine Wahrnehmung erweiterte.

 

Immerhin war ihm jetzt bewusst, dass ihm jemand gegenüber saß. Nach einigen Anstrengungen seines Gehirns und eine halbe Tasse Kaffee später, war sein Kopf so gnädig ihm zu sagen wer. Es war sein Cousin Joseph, 18 Jahre, der missmutig seinen Hals hin und her reckte. Carrie musste kein Genie sein, um erahnen zu können, was der Arme gerade durchmachte. Vor einiger Zeit hatte er selbst in der Hängematte schlafen müssen und auch wenn man es irgendwie fertig brachte, tatsächlich zu pennen, so war ein steifer Nacken am nächsten Morgen vorprogrammiert.
 

„So ein verdammter Scheiß“, fluchte Joseph vor sich hin und vollführte einige merkwürdige Verrenkungen, um das ziepende Gefühl loszuwerden, das jede Kopfbewegung zur Hölle machte.
 

„Ma!“, beschwerte sich Joseph bei seiner Mutter, die gerade dabei war mit Argusaugen darauf zu achten, dass die beiden Jüngsten am Tisch, David und Roy, nicht begannen sich gegenseitig mit Tomaten zu bewerfen.
 

„Wann ist mein Zimmer endlich wieder fertig? Diese Hängematte ist die reinste Hölle.“
 

Tante Lilian seufzte, entwendete ihrem jüngsten Neffen David die Tomaten Schüssel und machte sich bereit ihrem Sohn die selbe Antwort wie gestern Morgen zu präsentieren.
 

„Am Wochenende Joseph. Du weißt selbst, dass dein Vater und dein Onkel nur dann Zeit haben und wenn du glaubst, ich lasse deinen Opa auf eine Leiter klettern und Tapeten an die Wand kleben, dann wirst du noch eine ganze Woche länger in der Hängematte schlafen.“
 

Damit war alles gesagt und Joseph, der aus Erfahrung wusste, dass er gegen seine Mutter nicht gewinnen konnte, fluchte in sein Frühstück.
 

„Als wenn wir uns keine Luftmatratze leisten könnten. Warum muss auch dieses verdammte Zimmer auch so viele Pflanzen haben?“
 

„Kannst ja versuchen ein paar davon zu entsorgen“, mischte sich nun Josephs jüngerer Bruder Mick ein. „Dieses gelbe Ding auf meinem Fensterbrett stinkt wie die Hölle. Es macht mich verrückt.“
 

„Dann wirf es doch einfach weg“, unterbreitete nun Kennie den Vorschlag.
 

„Hab ich ja versucht, aber Tante Han' schafft es immer wieder dieses Ding zurück zu bringen. Auch wenn ich keinen Schimmer habe, wie sie das anstellt.“
 

Kennie warf ihrem ein Jahr jüngeren Cousin einen mitleidvollen Blick zu. Sie hatte in ihrem 16jährigen Leben schon so einiges an Erfahrungen mit Pflanzen aller Art gesammelt. Vor allem, dass sie nicht verschwinden wollten. Aber die gelbe Pflanze musste wirklich höllisch sein, wenn Mick sich darüber öffentlich zu beschweren wagte. Denn in Sachen pflanzlicher Dekoration kannte ihre Mutter Hanna, im Allgemeinen nur Tante Han' genannt, ebenso wenig Pardon wie ihre Schwester Lilian in Sachen gesunder Ernährung.
 

„Wo ist Ma eigentlich?“, fragte sie, als ihr auffiel, dass ihre Mutter nicht wie üblich um den Tisch schwebte.
 

Zuerst bekam sie keine Antwort, da ihre Cousins sich schon wieder mit ihren eigenen Problemen befassten, als eine raue Stimmte ihr von der Seite erklärte.
 

„Auf Gemüse Patrouille. Hat Sektor B inspiziert und Watson dabei gehabt.“
 

Kennie fuhr schon fast zusammen, als ihr Bruder Carrie ihr Auskunft über den Verbleib ihr beider Mutter gab. Sie hatte die Frage eigentlich nicht an ihn gerichtet, da er meistens sowieso nicht antwortete. Aber immerhin konnte sie mit dem Satz etwas anfangen, so seltsam er auch klingen mochte. Gemüse-Patrouille bedeutete im Grunde nichts anderes, als das sie ihren morgendlichen Rundgang durchs Haus machte und dabei sämtliche Vorhänge und Fenster aufriss, die sie finden konnte. Watson hingegen war eine Gießkanne, die zum Bewässern der Pflanzen gebraucht wurde und nur von ihrer Mutter angefasst werden durfte.
 

Kein Mensch wusste, wie die Gießkanne zum Namen Watson gekommen war. Aber das war nur eine der vielen Merkwürdigkeiten, mit denen die Damen und Herren des Hauses gelernt hatten zu leben. Denn schließlich konnte man keine sechs Kinder im Alter von 5 bis 19 Jahren groß ziehen, ohne nicht ein gewisses Maß ein Toleranz für Spitznamen mitzubringen.
 

Sie wartete, ob ihr Bruder Carrie noch mehr morgendliche Auskünfte von sich geben würde, doch das schien es gewesen zu sein, denn er fixierte schon wieder seine Kaffeetasse, um wohl mit großer Enttäuschung feststellen zu müssen, dass sie bereits leer war. Sie fand, dass Carrie wieder diesen entsetzlich leidvollen Blick drauf hatte, der der Welt zu sagen schien, dass es verdammt viel zu früh zum Aufstehen war. Am besten sie hatte ein Auge auf ihn, sonst brachte er es wieder fertig über dem Frühstückstisch einzuschlafen.
 

Zwar war Carrie drei Jahre älter als sie, aber er hatte in dieser Familie nie die Rolle des großen Bruders übernommen. Das hatten immer Kyle und Keith getan, die Ältesten von ihnen. Aber die beiden waren ja auch im Schnitt acht Jahre älter als sie selbst. Sie war gerade in die Realschule gekommen, als die Söhne ihres alleinstehenden Onkels Booth Abitur gemacht hatten. Inzwischen studierten sie, was die seltsamen Zeiten erklärte, zu denen die beiden Herren geruhten aufzustehen.
 

„Los, Leute“, rief nun ihre Tante und klatschte dabei in die Hände. „Auf, auf oder wollt ihr zu spät zur Schule kommen?“
 

Ein Scharren und Schieben von gerückten Stühlen war die Folge. Sechs Jugendliche erhoben sich gleichzeitig, um den Jackenkampf im Flur zu beginnen. Aaron, ihr kleiner Bruder, war mal wieder der Erste, weil er immer Angst hatte im Ansturm unter zu gehen, wenn er zu spät kam. Dicht darauf folgten Mick und Joseph, die wie jeden Morgen feststellten, dass ihre Jacken sich viel zu ähnlich sahen. Sie selbst nahm die Jacke ihrer Cousine Talie vom Hacken und schmiss sie ihr zu.
 

„Los, Schwesterherz“, meinte sie, „Wir müssen uns beeilen.“
 

Talie war zwar dem Stammbaum nach ihre Cousine, aber sie war zusammen mit Talie in diesem Haus aufgewachsen, deswegen war und blieb Talie ihre Schwester. Und der Kampf gegen neun Brüder, die sich aus älteren, jüngeren und ganz kleinen Cousins wie tatsächlichen Geschwistern zusammen setzten, hatte sie zusammen geschweißt.
 

„Na los, Ken“, lachte Talie und schüttelte ihr braunes wildes Haar. „Beeilen wir uns, sonst verpassen wir den Bus.“
 

Damit stürmte sie aus dem Haus und Kennie ihr hinterher.
 

-
 

Carrie sah seinen Brüdern und Schwestern nach, wie sie aus dem Haus liefen. Er war jetzt noch nicht zur Eile aufgelegt, auch wenn der Kaffee ihn deutlich wacher gemacht hatte. Er griff sich seine eigene schwarze Jacke und trat durch die Haustür, die prompt hinter ihm zufiel. Mit einem weiteren Gähnen schlenderte er den Weg hinunter zum Gartentor, obwohl das nicht ganz einfach war. Selbst ihr Vorgarten war ein einziger Dschungel, der in allen möglichen Farben und Variationen an Blüten gedeihte. Es war schwer zu bestimmen, welche Blüten zu welcher Pflanze gehörten, denn jeden Herbst und Frühling streute seine Mutter Samen über Samen aus und ließ sich überraschen, was dabei herauskam. Carrie duckte sich, um einer Liane zu entgehen, die vom nächsten Baum hing.
 

Dieses Grünzeug war schrecklich. Allein, was er durch tägliche Hausarbeiten und Gerede seiner Mutter wusste, würde ausreichen, um Florist oder Gärtner zu werden. Doch das würde nie im Leben passieren. Als Ferienjob hatte er das schon getan, um sich Geld dazu zu verdienen, aber auf Dauer? Nein.
 

Während Carrie das Gartentor passierte, kramte er seinen Ipod aus der Hosentasche, nur um festzustellen, dass sich die Hörer vollkommen verheddert hatten. Unentschlossen betrachtete er das Wirrwarr. Lohnte der Aufwand die Schnüre zu entknoten? Für die paar Minuten Busfahrt?
 

Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als er an der Straßenecke den Bus sah, der ihn zur Schule bringen würde.
 

„Scheiße!“, fluchte Carrie und lief los.
 

Er war zwar müde und am liebsten hätte er jetzt nichts anderes getan, als sein Kopf wieder in sein Kissen zu betten, aber es half ja nichts. Seine Tante Lilian war zu Hause und um an ihr vorbei zu kommen, um sich wieder ins Bett zu legen, müsste er jetzt schon spontan ein Kind zur Welt bringen. Also lief er los und kam noch gerade rechtzeitig, um sich mit seinen Geschwistern in den engen Bus zu quetschen.
 

Dem Himmel sei dank, dass es sogar so viele waren, dass man sich noch nicht einmal festhalten musste. Durch die Menge der Leute im Bus, wurden sie alle in die Senkrechte gedrückt, wie ein übrig gebliebener alter Glimmstängel in einer neuen vollen Zigarettenpackung.



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