Wiedersehen von Xares ================================================================================ Kapitel 1: Erinnerungen ----------------------- Yuis Sicht: Es war ein Morgen wie jeder andere. Dachte ich wenigstens, als ich aufwachte. Ich lag in meinem Bett, starrte die Decke an und wartete bis meine Mutter kam, um mich aus jenem zu heben. Dies tat sie mit einem freundlichen: „Guten Morgen, mein Sonnenschein!", ging lächelnd in die eine Ecke des Zimmers und öffnete schwungvoll das Fenster. Ich antwortet mit einem: „Morgen, Mami.", was noch nicht einmal halb so glücklich klag wie ihre Begrüßung. „Ich geh kurz in die Küche, mach' Frühstück und bringe es dir. Bin gleich zurück!", sagte sie und lief durch das Zimmer, zurück zur Tür und hinaus, durch die sie eben erst hinein gestürmt ist. Ohne sie wäre ich aufgeflogen, denn selbst die einfachsten Sachen, wie aus dem Bett steigen, könnte ich nicht alleine. Ich heiße Yui, bin 16 Jahre alt und schon seit ich denken kann, querschnittsgelähmt. Ich kann mich kaum erinnern, wie es war “alleine auf den Beinen zu stehen". Wie es sich anfühlt zu gehen, weiß ich natürlich auch nicht mehr. Eine Schule habe ich ebenso lange nicht mehr von innen gesehen, denn Unterricht bekomme ich Zuhause. Es wäre viel zu umständlich mich wieder auf eine normale Schule zu schicken, da jene noch nicht einmal geeignet ist für körperlich Behinderte wie mich. Ich würde meiner Mama dadurch nur noch mehr Probleme machen. Ich bin auch so schon Last genug. Ganz besonders seitdem mein Vater verstorben ist und sie sich alleine um mich kümmern muss. Es ist ein grauenhaftes Gefühl für mich. Ich werde wohl für den Rest meines Lebens eine Belastung für sie sein. Ich liege hier in meinem Bett. Tag ein. Tag aus. Besuch bekomme ich nur selten, eigentlich nie. Früher hatte ich viele Freunde, aber jetzt nicht mehr. Außerdem hatten die meisten von denen sowieso nur Mitleid, vielleicht ist es also besser so. Beschäftigung habe ich keine, außer Fernsehen. Ich frage mich dann immer wieder, wie es wohl wäre das alles machen zu können. Einen Homerun schießen, wrestlen oder einfach nur bei einer Garagenband mitspielen und sich von der Musik mitreißen lassen. Und da sehe ich sie wieder. Bilder, die an Momentaufnahmen erinnern. Das Schulgebäude, die Unterrichtsräume, das Dach, auf welchem wir immer die Pausen verbracht haben. Wir? Doch wer sind eigentlich "wir"? Ich war noch nie auf einer Schule, die so aussieht. Das verwirrt mich total. Am liebsten würde ich ja behaupten, alles würde aus einem Traum oder einem Anime oder so entstammen, aber mein Gefühl sagt mir, dass es nicht so ist. Dafür hänge ich zu sehr an jenen Erinnerungen. Erinnerungen? Aber dazu hätte ich es doch erleben müssen, oder? Das alles verwirrt mich immer mehr. Am schlimmsten ist es jedoch, wenn ich an "Ihn" denke. Ich bekomme dann stets einen gigantischen Kloß im Hals. Ich vermisse ihn. Dabei weiß ich noch nicht einmal etwas über ihn, noch nicht einmal seinen Namen. Er hat schulterlange, blaue, glatte Haare und trägt auch eine von diesen Schuluniformen. Es fühlt sich so an, als hätte ich ihn fast vergessen, so als würde ich ihn durch Vergessen hintergehen. Mir ist deshalb zum Heulen zumute. Doch wie ist das möglich? „Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, Liebling, aber der Herd wollte nicht anspringen.", sagte meine Mutter, während sie zügig durch mein Zimmer zu mir schritt und mich aus meinen Gedanken riss. „Kein Problem", sagte ich und setzte ein freundlicheres Lächeln als zuvor auf. „Iss du schnell auf. Ich muss jetzt leider nämlich gleich los zur Arbeit und ich werde wohl spät kommen, erst um 21 Uhr oder so, da ich heute mehr Schichten bekommen hab. Eine Kollegin ist erkrankt.“, sagte Mama und fügte mit einem traurigen Lächeln hinzu: „Tut mir Leid. Aber es ist kein großes Drama, oder?“ Oh nein, sie macht sich Sorgen. „Kein großes Drama“, antwortete ich und strahlte über das ganze Gesicht, damit es auch authentisch wirkt. Sie wirkte erleichtert. Hinatas Sicht: Es ist warm. Der Schweiß fließt mir die Stirn herunter. „Letzte Round für heute!", brüllt der Trainer uns an. Wir stehen auf dem Baseballplatz und trainieren für die Meisterschaft, die in wenigen Wochen ist. „Los Hinata, gib nochmal alles!", höre ich noch. Der Ball flog durch die Luft und ich rannte. Er flog über den Zaun und das andere Team fing an zu jubeln. „Jaaa, ein Homerun!", riefen sie alle euphorisch. Mein Team hingegen war am Boden zerstört. Der Sieg war so nah. Wir gingen alle in die Turnhalle, um uns zu waschen und umzuziehen. Ich war ziemlich schnell fertig und ging zügig hinaus. Es war zwar noch Mittagszeit, aber ich hatte noch ein Stapel Hausaufgaben, der Zuhause auf mich wartet. „Hinata, kommst du noch mit in die Eisdiele?", wurde ich gefragt, realisierte gar nicht, von wem die Frage stammte, so eilig hatte ich es. „Ne, hab noch was vor, vielleicht nächstes Mal.", rief ich und verließ die Umziehkabine. Ich hatte schlechte Laune, war spät dran in meinem Zeitplan und beschloss deshalb eine Abkürzung durch die kleine Wohnsiedlung zu nehmen. Kapitel 2: Überfall ------------------- Er hatte einen Baseball in der Hand, warf ihn gegen Mauern und Zäune und lief durch die Straßen der Wohnsiedlung. „Ob ich wohl je herausfinden werde, wer sie ist?", murmelte er vor sich hin. "Sie" ist die, an die er so oft denken muss. Sie hat lange pinke Haare und dazu wunderschöne pinke Augen. Aber wer sie ist, ist ihm immer noch ein Rätsel. Sein gedankenverlorenes Herumlaufen erwies sich jedoch als unklug, er wusste nicht mehr, wo er war. Wütend warf er den Baseball durch die Luft, welcher eigentlich an der Mauer neben ihm abprallen sollte. Eigentlich. Er flog über die sehr niedrige Mauer, ein Klirren war zu hören. "Scheiße, ich habe mich verlaufen! Warte. Das klang nach einem zerbrochenen Fenster. Ist das etwa meine Schuld? Oh nein, ich sollte nachsehen!" Also entschloss er sich zu dem Haus zu laufen, über jenem Zaun sein Ball flog. Er klingelte an der Tür und wartete. Keine Reaktion. Er klingelte nochmal, diesmal energischer. Immer noch keine Reaktion. „Hallo?!", rief er und hämmerte gegen die Tür. „Vielleicht ist ja niemand zu Hause. Oder vielleicht doch und ich habe jene Person mit dem Ball K.O. geschlagen? Oh nein! Ich sollte ein Krankenwagen rufen. Nein, erst sollte ich nachsehen, ob wirklich jemand verletzt ist. Am besten schaue ich durch das kaputte Fenster, wer weiß, vielleicht komme ich im Ernstfall dadurch auch rein.“ Also ging er um das Haus zum zerbrochenem Fenster. Ganz vorsichtig bewegte er sich zu jenem, aus Sorge er könne in ein Splitter treten. Am Fenster angekommen, schaute er rein. „Hallo?", rief Hinata, um bloß niemanden zu erschrecken. Eine Antwort kam jedoch nicht. Es lag ein Mädchen dort auf einem weißen Bett, in einem weißen Nachthemd und hatte lange pinke Haare. „Ist das etwa..." Hinata war viel zu sehr fasziniert von ihrem Anblick, um klar denken zu können. Er machte das Loch in dem Fenster vorsichtig größer, so groß, dass er mit der Hand reinkam, um jenes zu öffnen und betrat das Haus. „Sie ist wunderschön und sieht so friedlich aus.", flüsterte er. Er ging langsam auf sie zu, so als hätte er die Sorge, sie könnte bei jeder zu schnellen Bewegung kaputt gehen oder plötzlich verschwinden. „Sie sieht genauso aus, wie die aus meinen Träumen. Ich hab doch so viel Lärm gemacht und sie liegt immer noch ruhig hier. Oh Mann, habe ich sie etwa umgehauen? Atmet sie überhaupt noch?", Hinata war in einem Selbstgespräch, den er laut führte, vertieft. „Ich sollte ihren Puls überprüfen.", sagte er noch und tat jenes dann auch. Seine Hand bewegte sich zu ihrem Hals und er spürte ein leichtes Pochen unter seinen Fingerspitzen. Es erinnerte ihn an das Flattern von den Flügeln kleiner, junger Vögel, nur etwas ruhiger. „Sie hat so eine weiche Haut...", dachte er sich und wollte seine Hand gar nicht mehr zurückziehen. Er schaute in ihr Gesicht und analysierte jenes und kam ihr dabei immer näher. „Was tue ich hier, ich kann doch nicht...", er hielt inne und schaute sie einfach an. Ihre Augen öffneten sich ganz langsam. Sie blinzelte verschlafen und man sah, wie ganz langsam Entsetzten in ihrem Gesicht breit wurde. Pinke Augen unter langen Wimpern starrten ihn entsetzt an. Sie fing an zu schreien:“Hilfe! Hilfe! Mutter, Hil..!" Das letzte Wort bekam sie nicht raus, weil Hinatas Hand ihren Mund fest zu hielt. „Hör auf zu schreien, das ist alles nur ein Missverständnis, okay?!", sagte er total überrumpelt und schlug ihr vor: „Ich werde jetzt meine Hand wegnehmen, aber du versprichst nicht mehr zu schreien, okay?" Das Mädchen nickte. „Okay...", sagt er und zog seine Hand ganz langsam weg. Sie fing wieder an zu schreien: „Hilfe, Hilfe! Vergewaltigung, Misshandl..." Sofort war Hinatas Hand wieder auf ihrem Mund. "Sag mal, was verstehst du nicht unter nicht schreien?!", fragte er dieses mal leicht gereizt. "Ich hatte mich bis eben doch getäuscht, jetzt sei endlich still, damit ich dir alles erklären kann!" Kapitel 3: Bleib ---------------- Yuis Sicht: Er ist es und er steht neben meinem Bett. Der Junge aus meinen Träumen steht gerade neben mir. Auch wenn er sozusagen eben in mein Haus eingebrochen ist, steht er neben mir. Ich würde ihn zu gerne anfassen, um mir sicher zu sein, dass er wirklich da ist, aber das wäre zu auffällig. Immerhin hat er mich ja berührt, um mein Puls zu fühlen, das muss jetzt Beweis genug sein. „So und das wäre dann die ganze Geschichte.“ Was? Er hat schon zuende erzählt? Vielleicht hätte ich mehr zu hören und weniger denken sollen. „Und nun?", fragte ich, um den Eindruck zu erwecken, dass ich Bescheid weiß. „Naja... Da du dem Anschein nach quicklebendig bist... Sollte ich wohl lieber gehen." Es vergingen ein paar Sekunden des Schweigens, die sich für sie anfühlten wie Minuten. „Nein!", sagt ich, ohne zu realisieren, dass ich es wirklich aussprach. „Nein?", fragte er verwirrt. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. „Ähm... du musst bleiben... und warten bis meine Mutter kommt.", lügte ich nun drauf los. Wieso hab ich mir das nur eingebrockt...? „Deine Mutter?", fragte er. „Ja", sagte ich, „damit sie sagen kann, was zu machen ist und wie du deine Schuld begleichen kannst." Wow, ich kann ja doch besser lügen als gedacht. „Schuld?", er war entsetzt, „Ich habe mich doch schon entschuldigt, was willst du noch?" Ich grinste und sagt: „Ich will nichts, aber wenn du Pech hast, meine Mutter vielleicht." Ich kannte ihre Mutter und wusste, dass sie nichts verlangen würde. Ich hatte aber keine Wahl und musste nun zu ende bringen, was ich angefangen habe und ihm nicht die Wahrheit sagen. Er dachte nach. Würde ich es nicht besser wissen, stand plötzlich in seinem Gesicht ein Ausdruck, der sagte, dass er doch nichts gegen diese Situation einzuwenden hat. Ist das möglich? „Okay, von mir aus. Wann kommt deine Mutter denn?", fragte er. Ich war zwar irritiert, bekam aber noch eine Antwort raus: „Weiß nicht... 21 Uhr?" Er war schockiert, aber es gab wohl kein Weg zurück. "Dann sollte ich wohl lieber zu Hause anrufen und Bescheid sagen.", sagte er und setzte sich auf meine Bettkante. „Was tust du da?!", fragte ich leicht entgeistert. „Auf dem Bett sitzen?", antwortete er verwirrt. „Aber doch nicht während ich in jenem liege. Geh runter und setzt dich auf den Boden!", entgegnete ich. Irgendwie wollte ich nicht, dass er mir zu nahe ist. Wer weiß wohin das führen würde! Er stand auf, grinste sie entnervt an und fragte: „Hab ich schon erwähnt, wie nervig du bist, Mädchen?" „Yui", erwiderte ich verschmitzt. „Yui?", fragte er verwirrt. „Ich heiße Yui. Du bist...?" „Hinata.", antwortete er. Hinata also. Komischerweise hatte ich das Gefühl, dass mir dieser Name wirklich sehr vertraut ist. Ob das was zu bedeuten hat...? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)