Das Leben in der Balkov Abtei von Misato-6 (Die Hölle auf Erden oder doch nicht?) ================================================================================ Kapitel 14: (K)ein echtes Team? ------------------------------- Kapitel 14: (K)ein echtes Team? Die Woche ging schneller vorbei als Kai es am Anfang für möglich gehalten hätte. Zugegeben er hatte nicht besonders viel gesehen, doch aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass das Leben außerhalb nicht so war wie er es erlebt hatte. Und selbst wenn nicht, so würde er trotz allem lieber dort sein als hier. Allerdings hatte er nicht wirklich eine Wahl. Sein Wille interessiert so gut wie keinen, nicht mal seinen Großvater und er würde es nicht erst wagen ihn darum zu Bitten ganz aus der Abtei herauszuholen. Wozu, er kannte die Antwort eh schon und darüber hinaus hatte dieser das auch mehr als einmal deutlich gemacht. Eine Woche und nicht mehr. Aus diesem Grund stand er nun auch wieder auf dem Vorhof der Abtei, wo gerade einige Lieferanten Waren in das Abteigebäude schleppten. Einer der Aufseher schien jeden Schritt der Lieferanten zu beobachten, während der zweite seinen Schlüsselbund auf den Fenstersims neben der Eingangstür legte und sich herzhaft streckte. Kurz darauf wendete sich sein Blick den Lieferanten zu und er wendete sich zu der Person, die gerade aus dem Gebäude gekommen war. „Es ist doch überraschend wie schnell eine Woche vorbeigehen kann, nicht wahr.“ Schnell schloss Kai bei Boris Worten die Augen. Sogar ein Blinder hätte bei diesen Worten erkannt das Boris, der vor wenigen Minuten aus der Abtei gekommen war, ihn versuchte zu provozieren. „Wo ist dein Großvater.“ „Master Voltaire musste sich um wichtige Geschäfte kümmern, die nicht länger auf sich warten lassen konnten. Doch er lässt ihnen ausrichten, dass sie sich an ihren Teil der Abmachung halten sollen.“ Boris blickte den Buttler bei diesen Worten nur skeptisch an. Er war es ja gewöhnt, dass Voltaire ab und zu seine Angestellten vorgeschickt hatte, doch nie zuvor hatte es einer von diesen für nötig empfunden ihm so entgegen zu treten. Er wusste selbst nicht was es genau war, doch aus irgendeinem Grund wirkte es so, als wollte diese verhindern, dass Kai etwas falsches sagte und dass gefiel ihm gar nicht. „Dann ist ja alles geklärt. Ich werde den Jungen wieder in meine Obhut nehmen.“ „Solange bis es sich Master Voltaire anders überlegt, doch bis dahin wünsche ich einen angenehmen Tag.“ Mit diesen Worten verbeugte sich der Buttler leicht bevor er den Rücktritt antrat. Allerdings war sich Boris bei dieser Aktion nicht sicher, an wen diese jetzt genau gerichtete war. Doch andererseits konnte es ihm auch egal sein. Derweil haftete Kais Blick immer noch auf den Aufsehern, welche die Lieferanten kontrollierten. Genau in dem Moment als der Buttler den Rücktritt antrat, nahm einer der Aufseher die Schlüssel wieder vom Fenstersims und schloss die Türen, durch die die Lieferanten gerade noch ihre Waren geschleppt hatten. „Die Schonzeit ist vorbei, Kai...“ Verwirrt blickte Kai sich zu dem Sprecher um. Er wagte nicht mal diesem zu widersprechen oder irgendetwas zu erwidern. Dafür war er von der plötzlichen Wandlung des Abteileiters noch viel zu geschockt. „…wird Zeit, dass du dich wieder auf die Regeln der Abtei besinnst.“ Nach diesen Worten wendete sich Boris um und ging in Richtung Gebäudeeingang. Auch zögerte nicht lange um ihm zu folgen, es war besser als sich sofort nach seiner Ankunft eine Strafe einzuhandeln. Von diesem Zeitpunkt aus dauerte es nicht lange bis er sich wieder in den vertrauten Hallen des Sektors 5 befand. Boris hatte ihm mehr als deutlich angewiesen, dass er seinen alten Tagesablauf wieder aufnehmen sollte. Wobei dieser wohl eher das Training meinte, als seine sonstigen Aktivitäten in der Abtei. „Kai?“ Überrascht sah sich Kai bei der Stimme um. Der rothaarige, der ihn ungläubig begutachtete schien von Minute zu Minute die Kontrolle über sich zu verlieren. „Wo zum Teufel warst du.“ „Ich…“ Nach diesem Wort stockte er, was sollte er bitte sagen. Dass er bei seinem Großvater war konnte er Tala ja wohl kaum sagen, aber was dann. Er wollte ihn nicht anlügen, doch eine andere Wahl hatte er nicht. „Jetzt red schon!“ „Das ist meine Sache, Tala. Also kümmere dich gefälligst um deine eigenen.“ „Wie bitte? Sag mal hast du sie noch alle? Was soll das ganze? Erst verschwindest du für eine ganze Woche und dann tauchst du auf und willst nicht mal sagen, was los war!“ „Tala, das reicht jetzt!“ „Ach findest du?“ Mittlerweile war Tala mehr als wütend. Nicht nur dass Kai seinen Fragen einfach auswich, nein jetzt mischte sich auch noch Bryan ein „Ja!“ „Ich aber nicht, Bryan. Verdammt noch mal, wir haben gedacht, das Boris sonst was mit dir gemacht hast. Das er dich vielleicht sogar aus der Abtei geschmissen hätte und jetzt tauchst du einfach wieder auf und tust so, als ob nichts gewesen wäre.“ „Wie gesagt, Tala, es geht dich nichts an!“ Mit diesen Worten war die Spannung zwischen den beiden auf dem Höhepunkt und wäre zu einer riesigen Auseinandersetzung herangereift, hätte Kai sich nicht dazu entschieden die Gruppe einfach stehen zu lassen. Eine Tatsache die Tala jedoch noch wütender machte, als er ohnehin schon war. Spencer, Bryan und Ian wussten, dass Tala Reaktion daran lag, dass dieser sich sorgen um Kai gemacht hatten. Sie selbst hatten sich recht schnell damit abgefunden, dass der rotäugige die Geduld von Boris bis zum äußersten getrieben hatte und eine entsprechende Strafe bekommen hatte. Doch wenn sie ehrlich zu sich selbst waren, dann schien Kai nicht mal ansatzweise so zu wirken, als hätte er die letzten Tage leiden müssen, was nun doch etwas ungewöhnlich war. Genau das brachte auch die restlichen ins Grübeln. Letzten Endes war es jedoch Ian, der sich zu dem Thema äußerte. „Irgendetwas ist da doch faul.“ Bei diesen Worten sah Ian nur in die Richtung, in der Kai verschwunden war. Seiner Meinung nach hatte dieser mehr Glück als er verdient, doch im Moment fragte er sich, ob es wirklich nur Glück war. „Ja, die frage ist nur was. Vielleicht hat Boris ihn ja wirklich für eine Woche rausgeworfen, damit er sieht, dass es dort nicht besser ist. Ich meine, Kai war sein ganzes Leben hier, wie soll er dann wissen wie es ist alleine für sein Überleben auf der Straße zu sorgen.“ „Du meinst Boris hat ihm eine Lehrstunde in Sachen Überlebenskampf gegeben?“ „Vielleicht. Was wissen wir denn schon, kann doch sein, dass Boris erwartet hat, dass Kai dann ruhiger wird.“ „Also ich weiß nicht.“ Ian war weiterhin sichtlich skeptisch, doch auch Spencer schloss sich seiner Meinung an. Sie konnten einfach nicht glauben, dass Boris so etwas als lehrende Lektion verkaufen würde immerhin wusste Kai wie man sich durchsetzte. Dass hatte er ja schon des Öfteren hier in der Abtei bewiesen. Ein Plan wie Bryan vermutete hätte ganz schön nach hinten gehen können, insbesondere bei Kai. „Vielleicht ist Kai ja auch auf eigenen Antrieb abgehauen.“ „Das glaub ich nicht, Spencer. Boris hat definitiv etwas damit zu tun.“ „In dem Punkt bin ich auch bei Tala. Immerhin hat Boris ihn ja zu sich gerufen.“ „Also bleibt nur die Frage was in dessen Büro passiert…hey Tala wo willst du hin?“ Noch bevor Spencer diese Frage beantworten konnte, hatte Tala sich mit schnelle Schritten von ihnen entfernt und ging Schnurstracks auf einen der Aufseher zu. „Hey, ich will mit Boris Balkov sprechen und zwar sofort.“ Der Aufseher hob nur verwundert die Augenbraue, bevor er sich laut lachend von Tala abwendete und durch die nächste Tür verschwand. Den Satz den Tala ihm wütend hinter schrie bekam dieser gar nicht erst mit. „Das war kein Witz.“ „Sag mal bist du jetzt völlig durchgedreht oder was?“ „Nein ich will nur wissen was er mit Kai gemacht hat.“ Frustriert ließen die anderen ein lautes Seufzen von sich hören. Sie wussten bereits jetzt schon, dass es keinen Sinn hatte Tala diese bescheuerte Idee wieder auszureden. Das einzige was sie jetzt noch machen konnten war sicher zu stellen, dass Tala nicht kurz darauf in der Einzellzelle saß. Das hieß, dass sie zu Boris mussten ohne irgendwelche Aufseher zu verärgern oder diesen Selbst, was angesichts von Talas Laune nicht gerade einfach war. „Gut, wir helfen dir, aber nur wenn du dich zusammenreißt und Boris gegenüber nicht so aufbrausend bist. Ich hab nämlich keine Lust auf eine Strafe. Das heißt, wenn wir überhaupt ohne aus dem Raum wieder raus kommen.“ „Gut abgemacht und wie gehen wir vor.“ „Komm mit.“ Etwas ungeduldig folgte Tala dem blonden. Es dauerte nicht lange, bis sie dem nächsten Aufseher über den Weg liefen. Dieses Mal war es jedoch Ian der das Wort ergriff und diesen ansprach. „Entschuldigen sie, Sir. Boris wollte das wir in sein Büro kommen und wie haben vergessen wo das ist, könnten sie uns freundlicher Weise hinführen.“ Innerlich versuchte Ian den unerträglichen Würgereiz, den er bei diesen Worten verspürte zu unterdrücken. Für einen Moment schien es so, als würde der Aufseher über den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage grübeln, jedenfalls solange bis sich Spencer zu Wort meldete, der dem ganzen Thema noch etwas Nachdruck verleite. „Viktor sagte uns, dass dieser dringend mit uns sprechen möchte und dass wir uns beeilen sollten.“ Allein der Name schien einen Unterschied zu machen. Jeder in der Abtei wusste, dass Viktor einer der gefährlichsten Aufseher, allerdings auch einer der vergesslichsten war. Deshalb schien ihr gegenüber nicht länger zu Zweifeln und führte sie bereitwillig zu ihrem Ziel. Erst in einem breiteren Korridor kam er mit der Gruppe zum stehen und deutete auf eine Tür, die nur wenige Meter von ihnen entfernt war. „Hinter der Tür ist Boris Büro.“ Das war alles was der Mann sagte, bevor er sich wieder zu seinem Wachposten aufmachte und die vier allein in dem Korridor stehen lässt. Einen Moment lang sahen sie dem Aufseher noch nach, doch dann wendete sich Bryan an den rothaarigen. Er konnte erkennen, dass der rothaarige nicht ganz bei sich war. Fast so als würde er überlegen was er tun sollte. Insgeheim hoffte er, dass er Tala mit seiner Frage doch noch von seinem Vorhaben abbringen wollte. „Willst du das wirklich machen.“ „Wäre ich sonst hier.“ Zielstrebig ging Tala auf die Tür zu, doch bevor er sie erreichen konnte, öffnete diese sich automatisch. „Was macht ihr hier!“ „Wir wollten mit ihnen sprechen Gaspadin.“ Jetzt war es raus aber was sollte Bryan schon machen. Es war alles besser, als wenn Tala gleich antworten verlangte. Boris hingegen musterte die Gruppe nur intensiv, bevor er ihnen gestikulierte in sein Büro einzutreten. Tala ließ sich darum natürlich nicht zwei Mal bitten und so bissen die anderen drei in den sauren Apfel und folgten dessen Beispiel. Erst als sie alle in dem Raum waren, schloss Boris die Tür hinter ihnen wieder und setzte zum Sprechen an. „So worüber genau wollte ihr mit mir sprechen.“ Die meisten mussten bei diesen Worten hart schlucken. Irgendwie hatten sie im Moment ein ziemlich ungutes Gefühl bei der ganzen Sache. Ein Gefühl, dass sich von Minute zu Minute verstärkte. „Es geht um Kai.“ „Hat man euch nie beigebracht, dass man nicht über einen anderen hinter dessen Rücken redet. Aber bitte ich höre mir gerne an, was ihr zu sagen habe.“ Noch bevor einer Tala stoppen konnte, sprach er auch schon das aus, was sie befürchtet hatten und dass auch noch in einer ziemlich unhöfflichen Art und Weise. „Wir haben nichts zu sagen. Ich will nur wissen, was sie die letzten Tage mit ihm gemacht haben.“ „So so. Ihr wollt also von mir antworten.“ Auch wenn Boris noch ruhig klang so wussten alle, dass sie gleich so gut wie Tod waren. Noch nie zuvor war einer Boris in dieser Form entgegengetreten. Dass konnte einfach nicht gut gehen. Das einzige Anzeichen was sie wirklich sehen konnten war, dass Boris sie nur noch mehr fixierte als bevor. „Schon mal daran gedacht, ihn selbst zu fragen.“ „Als wenn er antworten würde.“ Oh ja, da hatte Tala durchaus Recht. Kai würde nie im Leben antworten, egal was passiert war, allerdings schien, dass die perfekte Gelegenheit um den Jungen zu zeigen, wer in dieser Abtei das Sagen hatte. Mit diesen Gedanken gab er etwas in seinen PC ein. Es war ein Befehl, der sofort auf die Pieper der Aufseher übertragen wurde. Somit konnte er das ewige herumrennen sparen. „Wohl wahr, der Junge ist in dieser Hinsicht eine Plage.“ „Was haben sie mit ihm gemacht?“ „Würdet ihr ‚gar nichts’ als antwort gelten lassen.“ „Wenn sie nichts mit ihm gemacht haben, wieso haben wir ihn dann eine Woche von dem Zeitpunkt an, an dem sie ihn zu sich gerufen haben, nicht mehr gesehen.“ „Private Gründe…“ Genau in dem Moment ging die Tür zu seinem Büro auf. Noch bevor die Gruppe begreifen konnte was überhaupt passiert war, landete Kai vor ihnen auf dem Boden. „Kai...“ Sofort war auch Tala auf den Knien und sah Kai besorgt an, der nur einen wütenden Blick zu dem Aufseher warf, der ihn in Boris Büro geschubst hatte. „…alles in Ordnung?“ „Was macht ihr hier?“ „Deine Zimmerpartner wollten wissen was in der letzten Woche passiert ist. Ich dachte es wäre nur fair, dir das Wort in dieser Sache zu erteilen.“ Bei Boris Worten richtete sich Kai vom Boden auf und warf diesem einen drohenden Blick zu. Mittlerweile hatte er total vergessen, dass er hier die schlechteren Karten hatte. Er handelte intuitiv und genau dass war in diesem Fall die falsche Methode. „Wagen sie es nicht!“ „Was, soll ich nicht wagen. Den vieren zu verraten, dass du die letzten Tage bei deinem Großvater warst…“ Genau bei diesen Worten war die Aufmerksamkeit wieder bei Kai. Die Blicke, die er zugeworfen bekam waren Teils fassungslos, verwirrt und auch überrascht. Allerdings war es deutlich, dass keiner die Situation begreifen konnte. Lediglich Kai hatte den Blick zu Boden gesenkt. Es war deutlich dass er nicht wusste, wie er das erklären sollte. Allerdings hatte Boris nicht vor ihm die Zeit zu geben eine einleuchtende Erklärung, die weit entfernt von der Wahrheit war, zu erfinden. „…Es ist doch immer besser ein wohl gehütetes Geheimnis preiszugeben, bevor es jemand durch Zufall erfährt, der es nicht erfahren sollte…“ Boris schwieg und betrachtete die einzelnen Reaktionen der jungen Blader, dann jedoch wendete er sich zu einem bestimmten. In diesem Moment schlich sich ein fieses Grinsen auf die Lippen, das jedem das Blut in den Adern gefrieren lassen würde, sollte man diesen erblicken und auch Kai zuckte unmerklich zusammen. Er wusste, dass dieser Ausdruck, den Boris im Gesicht hatte nie etwas Gutes verhieß. Im Gegenteil, meistens bedeutete es, dass man selbst leiden würde. „…hab ich nicht Recht, Hiwatari!“ Nach diesen Worten blieb die Zeit für ihn stehen. Dieses eine Wort aus Boris Mund zu hören war genug um ihn sprachlos zurück zulassen. Voltaire hatte ihm ausdrücklich befohlen seine Identität für sich behalten, wenn er irgendwann hier raus wollte. Es war ihr Deal. Sein Nachname in dieser Abtei ein Tabu und Boris war derjenige, der es mit diesem Satz gebrochen hatte. Nicht genug. Der Abteileiter hatte es nicht nur gebrochen, sondern auch noch vor den Personen, die ihm im Laufe des letzten Jahres wichtig geworden waren und genau dass war auch der Grund wieso er es getan hatte. „Wie jetzt! Hiwatari? Wie in Voltaires Enkel.“ „Wieso? Voltaire wollte, dass es unter uns bleibt…er…“ „Voltaire hat dir das Versprechen abgenommen nicht mir…So, ihr vier habt eure Antwort, ihr dürft gehen…was dich angeht Kai. Wir beide haben noch etwas zu besprechen. Es wird Zeit, dass du deine alten Platz in der Abtei wieder einnimmst…Setzen.“ Anstatt Boris Anweisung folge zu leisten drehte er sich zu seinen Zimmerpartnern um, die sich zwar auf den Weg zur Tür gemacht hatten, jedoch immer noch innerlich nicht verarbeitet hatten, was gerade passiert war. „Tala, ich…“ „Spar es dir, Kai. Ich hab dir alles erzählt und du gibst die Informationen einfach an den nächst besten weiter nur um hier raus zukommen. Ich dachte echt ich könnte dir vertrauen. Das war wohl ein Irrtum.“ Er wollte protestieren. Tala dazu bewegen stehen zu bleiben und ihm alles zu erklären, doch genau in diesem Moment kam kein einziger Laut über seine Lippen. Schon fast Hilfe suchend wanderte sein Blick zu den anderen, doch diese schienen nicht mal daran zu denken ihn anzusehen. Zu guter letzt blieb sein Blick wieder auf Tala hängen, dessen Blick ihn mittlerweile nur noch kalt musterte, bevor er sich endgültig abwendete. „Gehen wir.“ Genau in diesem Moment öffnete Bryan die Tür und alle verließen den Raum und ließen ihn mit Boris allein zurück. Hinter sich hörte er nur ein lautes Lachen. Scheinbar schien Boris diese Reaktion köstlich zu amüsieren. „Es ist doch immer wieder überraschend, wie schnell man doch wieder alleine steht, nicht wahr Kai. Also fangen wir noch mal von vorne an. Ich sagte, dass du dich setzen sollst. Und dass war keine Bitte sondern ein Befehl.“ Für einen Moment zögerte Kai, doch dann fügte er sich mit gesenktem Kopf letztendlich doch dem Befehl von Boris. „Geht doch, wieso nicht gleich so.“ Kai sah nicht mal zu Boris auf, als dieser das sagte. Zu sehr war er von der Reaktion der anderen geschockt. Dennoch konnte er es nicht verhindern, dass er sich zu dem ganzen äußerte. „Das wird Großvater nicht gefallen.“ Zwar murmelte Kai diese Worte nur zu sich selbst, doch dennoch hatte Boris sie mitbekommen. Wahrscheinlich dachte er, dass diese Worte trotz allem ihm galten, weshalb er sich dazu herab ließ und antwortete. „Irrtum Kai. Ich habe kurz nach deiner Ankunft telefonisch mit ihm gesprochen. Er will dass du meinen Regeln folgst und dass ich dafür sorgen, egal wie. Du hast mir keine andere Wahl gelassen als deine Identität aufzudecken.“ „Ich hab nichts getan.“ „Versuch nicht erst dich rauszureden. Ich kenne dich mittlerweile lange genug und dein kleiner Auftritt vor Tala und den anderen war Beweis genug dafür, dass du noch eine Menge zum Thema Disziplin und Gehorsam lernen musst. Ich hab dir eben lediglich die letzten Ablenkungen aus dem Weg geräumt…“ Auf diese Worte schwieg Kai. Ein Wort und er wusste, dass er dieses Treffen nicht ohne Schmerzen überstehen würde. Wobei Treffen das falsche Wort war. Boris hatte das hier mit Sicherheit ganz genau durchdacht. Der Blick, dem er ihm zugeworfen hatte, war viel zu offensichtlich. „…Doch kommen wir zu einem anderen Punkt. Wir wissen beide, dass du dich in der Abtei besser auskennst als jeder andere hier und an jede Information kommst, an die du kommen willst…“ „Was immer in der Abtei vorgeht, sie werden es nicht von mir erfahren, Boris.“ „Sicher Kai. Es ist kein Geheimnis, dass du hier raus willst. Glaubst du wirklich Voltaire würde dir diesen Wunsch erfüllen…vielleicht irgendwann, doch nicht solange du diese Einstellung besitzt….“ Bei diesen Worten stand Boris von seinem Stuhl auf, dabei zeichnete sich ein hinterhältiges Lächeln auf seine Lippen. Er hatte den Jungen im Moment genau da, wo er ihn schon immer haben wollte. Durch die Tatsache, dass er dessen Identität vor dessen Zimmerpartnern aufgelöst hatte, stand dieser nun wieder allein da. Zugegeben, es war nichts Neues für diesen, doch allein die Tatsache, dass er mittlerweile auch andere Gegebenheiten kennen gelernt hatte, ließ dies nun umso niederschmetternder wirken. Im Klartext, es war die perfekte Möglichkeit etwas Druck auf diesen Auszuüben und ihn wieder unter seine Kontrolle zu bringen und dieses Mal würde es so bleiben. Immerhin konnte niemand seine Ziele, die er jahrelang verfolgt hatte einfach mal eben in den Hintergrund drängen oder gar ignorieren. Und Kais Ziel war es seinem Großvater zu beweisen, dass er trotz allem keine Enttäuschung war, dass dieser es verdient hatte aus der Abtei heraus zukommen. Mit diesen Gedanken ging Boris um den Tisch herum, wobei sein Blick die gesamte Zeit auf Kai ruhte, welcher es immer noch nicht gewagt hatte aufzusehen. „…allerdings könnte ich die Sache durchaus beschleunigen…alles was dazu benötig wird, wäre meine Zusicherung, dass du soweit bist…“ Boris stand bei diesen Worten hinter Kai und bemerkte sichtlich amüsiert, wie dieser kaum wahrnehmbar mit sich selbst kämpfte. Er versuchte mit geschlossenen Augen seine Stimme zu ignorieren, seine Worte als Lüge zu entlarven. Kai wollte ihm nicht glauben, doch Boris wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis dieser an der gesamten Situation zusammen brechen würde. Die Informationen, die er brauchte, hatte Kai wahrscheinlich sowieso schon, es war also nur eine Frage der Zeit, bis er sie von ihm erhalten würde. Er brauchte lediglich etwas Geduld. „Deine Zimmerpartner sind genauso rebellisch wie du. Nur mit dem Unterschied, dass sie noch nicht so öffentlich agieren, wie du es tust. Gib mir Informationen, mit denen ich sie unter Kontrolle halten kann und ich werden persönlich dafür sorgen, dass sich deine Zeit hier radikal verkürzt…Überleg dir also ganz genau was du tust. Mein Angebot endet in einem Monat.“ Mit diesen Worten entfernte sich Boris wieder von Kai. Auf dem Rückweg zu seinem eigenen Stuhle richtete er nur noch einige wenige Worte an den Jungen. „Du darfst gehen…es sei denn du hast noch etwas zu sagen.“ Insgeheim, dass musste er zugeben, hoffte er, dass Kai seinen Vorsatz gleich über den Haufen werfen würde. Doch dafür schien dieser zu stur. Viel zu stur. Nach einem kurzen zögern, stand dieser deshalb auch auf und verließ den Raum. Boris hingegen setzte sich wieder und betrachtete die Tür aus der Kai gerade verschwunden war. //Mal sehen, wie lange du meinem Angebot widerstehen kannst.\\ Jeder andere in der Abtei, der Kais Wunsch hätte, würde das Angebot sofort annehmen, soviel stand fest. Die meisten wenig später, wenn sie erfahren, dass ihre Identität sie in eine katastrophale Lage gebracht hatte, doch Kai. Es würde ihn nicht wundern, wenn dieser bis zu letzten Minuten wartete. Allerdings konnte er warten, obwohl er seine Geduld mit einem Monat schon erheblich strapazierte. Falls dieser dann immer noch nichts sagen würde, dann musste er wohl oder übel die Konsequenzen für seine Sturheit tragen und die würden ihm nicht gefallen. Eines stand jedenfalls fest. Spätestens dann würde er seine Antworten kriegen. Niemand hatte je seine Strafen überstanden ohne ihm am Ende zu sagen, was er wissen wollte und dass würde Kai auch nicht. Zur Not musste er einfach Voltaire mit ins Spiel bringen auch wenn ihn dieser Gedanke gar nicht beharkte. Allerdings bezweifelte er dass er auf diese Methode zurückgreifen musste. Sobald Kai feststellte, dass er von seinen Zimmergenossen keine Rückendeckung mehr bekommen würde, sollte er anfangen zu reden. Für so schlau hielt er den Jungen jedenfalls. Immerhin war Kai nie jemand, der sich Beleidigungen und andere Angriffe von den restlichen hier lebenden einfach gefallen ließ. Nein, er war schon immer auf seine eigene Art und Weise dagegen angegangen. Hatte sich gewehrt und sich somit auch in gewisser Weise etwas Respekt verschafft. Zusätzlich jedoch hatte er durch sein eigenes Verhalten erreicht, dass die meisten aus der Abtei ihn mieden. Die Meisten waren der Meinung, dass man Kai nicht vertrauen konnte. Er hatte sich viel zu oft irgendwelche Stunts geleistet, die jeden anderen Tagelangen Zellenarrest verschafft hätte. Dem zur Folge lag der Verdacht nah, dass er sich bei ihm freikaufte. Was nicht der Fall war, doch wenn sich die Tatsache verbreitete, dass er Voltaires Enkel war, so würde man dieses Gerücht auf alle Fälle als wahr erachten. //Egal was du jetzt tust, Kai. Niemand wird dir mehr ein einziges Wort glauben, wenn dein richtiger Name in der Abtei die Runde macht und du wirst schneller wieder da landen, wo du einst angefangen hast. Die Frage ist nur, ob du das ertragen kannst.\\ Boris bezweifelte, dass Kai stark genug war mit den folgenden Konsequenzen umzugehen. Das hieß wenn es wirklich welche gab. Klar, Tala und die anderen aus seinem Zimmer schienen ziemlich sauer über die neuen Erkenntnisse zu sein, doch das war keine Garantie dafür, dass sie es ausplauderten. Wahrscheinlich musste er in dieser Hinsicht noch etwas Öl ins Feuer schütten, doch dass ging in der jetzigen Situation recht schnell. Zugegeben Voltaire würde nicht begeistert von dieser Wendung sein, allerdings hatte dieser selbst gesagt, was Geschehen ist lässt sich nicht mehr ändern. Es brachte auch nichts, sich eine gute Ausrede auszudenken, da Voltaire durchaus über Kais Wunsch bescheid wusste und vor allem über dessen Entschlossenheit sein Ziel zu erreichen. Immerhin hatte er selbst die vor Voltaire zugegeben. Jedoch war dies trotz allem kein Grund die Verhandlungen abzubrechen, für so nachtragend hielt er Voltaire nicht. Das einzige worauf er achten musste war, dass sich gewisse Personen in der Abtei nicht auf die Fahne schrieben Kai auf den Boden zu kriegen. Denn mit Verrätern war man in der Abtei noch nie freundlich umgegangen. Und so ungern er es zugab, so waren die Maßnahmen um diese in die Knie zu zwingen manchmal sogar drastischer als die seinigen. Niemand konnte sich lange in der Abtei halten, wenn alle gegen einen waren. Weder diejenigen, die den anderen kräftemäßig überlegen waren und noch weniger, diejenigen, die zu den schwächeren gehörten. Früher oder später kam der Zeitpunkt, an dem die ständigen Kämpfe und Erniedrigungen zu viel wurden und die betreffenden alles dafür tun würden um das ganze zu beenden. Die Verräter der Abtei waren Informanten, die sich einen Vorteil holen wollten, doch wenn sie an den eben genannten Zeitpunkt kamen, waren sie nichts mehr als folgsame Schüler. Und genau diese Art von Schülern kamen in die höheren Sektoren, in denen das Training um das hundertfache stieg. In dieser Phase der Abtei gab es kein zurück mehr, es gab niemanden, der etwas anderes tat außer trainieren und dass den gesamten Tag. Und genau dieses Training war der größte Unterschied zwischen den Sektoren 1- 9 und den höheren. Mit jedem Sektor nahm die Intensität des Trainings zu. Die Trainingspläne waren für jeden Sektor spezifisch auch wenn das Trainingsprogramm einiger Sektoren zur gleichen Zeit und an dem gleichen Ort stattfand. Wobei dass überwiegend auf die ersten 9 Sektoren begrenzt war. Bei den höherem Sektoren lag der Intensitätsunterschied pro Sektor beim Faktor 2. Das hieß, dass mit Einstieg in einen höheren Sektor das Doppelte leisten musste als zuvor. //Mal sehen wann der Junge aufgibt.\\ Die Methode der Abtei war einfach, doch die Ausführung war um einiges Komplizierte, denn die ganze Abtei gegen einen Jungen aufzubringen war eine heiden Arbeit. Am Anfang bildeten sich immer kleine Gruppen. Zum Teil aus Gefälligkeit und zum Teil aus Freundschaft und genau diesen engeren Zusammenhalt musste man als erstes brechen. Das war ihm bei Kai gelungen. Spencer, Bryan, Ian und sogar Tala hatten sich von diesem abgewandt und was die restliche Abtei anging, so war es jetzt nur noch eine Frage der Zeit. In dem Moment würde man sehen ob Kai auf seinem rebellischen Weg bleibt oder nachgibt, doch wenn er ehrlich war hatte er keine Bedenken, dass Kai nachgeben würde. Er wäre immerhin nicht der erste und mit Sicherheit nicht der letzte. Besonders da er im Gegensatz zu all den anderen hier etwas zu verlieren hatte. Und selbst wenn die erste Warnung nicht ankommen sollte, so hatte er andere Methoden, die Kai die gewünschten Informationen entlocken würden. Dessen war er sich sicher. - Bei Tala und Co. - Die Gruppe um Tala war derweil in ihrem Zimmer angekommen. Jeder für sich kämpfte noch in gewissen Maßen mit den letzten Erkenntnissen. Sie dachten das die Tatsache, dass Voltaires Enkel in dieser Abtei war nur ein Gerücht war, doch nun wurden sie eines besseren belehrt. Wie konnten sie nur so blind sein, immerhin hatten sie sich mehr als einmal darüber gewundert, dass Kai sich so viel erlauben konnte. Aber nie im Leben wären sie auf eine Verwandtschaftliche Beziehung zu Voltaire als Grund gekommen. Nie, nicht mal in ihren schlimmsten Träumen und dennoch war es so. „Ich glaub das einfach nicht.“ Tala konnte diesen Spruch nicht mehr zurückhalten. Ihn hatte die Erkenntnis am härtesten getroffen, was vor allem daran lag, dass er Kai vom ersten Moment vertraut hatte. Er hatte seinem Zimmerpartner fast alles erzählt, weil er gehofft hatte, dass dieser ihm auch irgendwann offener gegenübertreten würde. Doch dieses Verhalten war gerade ziemlich nach hinten losgegangen und genau dass machte Tala noch wütender über die Situation als er ohnehin schon war. Er kam sich verraten vor und dass konnte man ihm nicht mal verübeln immerhin hatte er Kai mehr als eine Gelegenheit gegeben um etwas dergleichen über sein Leben preiszugeben. „Jetzt wissen wir wenigstens woran wir bei dem Jungen sind.“ „Ist das alles was du dazu zu sagen hast?“ Spencer zuckte bei diesen Worten mit den Schultern. Was sollte er bitte sonst dazu sagen, an der Wahrheit würde es eh nichts ändern und die war eindeutig. Jedenfalls für ihn. „Ich finde wir sollten uns überlegen, was wir jetzt machen. Ich meine wir haben den Feind in unserem Zimmer. Wahrscheinlich macht der nur ein auf rebellisch um alle zu täuschen.“ „Hat ja auch prima funktioniert, Ian. Aber ernsthaft, was schlägst du vor?“ „Es allen sagen!“ „Spinnst du. Die bringen ihn um“ Auch wenn Spencer genauso wütend wie der Rest war, so fand er dass dann doch etwas übertrieben. Seiner Meinung nach wäre es klüger den Jungen einfach zu ignorieren und ihm keine Gelegenheit mehr zu geben an Informationen zu kommen. Doch wie konnte man die Abtei dazu bewegen ohne den Grund dafür preiszugeben. Die Frage war darüber hinaus auch, ob sie das überhaupt wollten. „Die Sache mit Voltaire müssen wir für uns behalten, den Rest aber nicht.“ Mit diesen war Tala aufgestanden und war aus dem Zimmer gegangen. Er musste hier raus, denn ihm fiel sehr wohl auf, dass seine Wut auf den Jüngeren immer stärker wurde. Was ihn aber am meisten störte war die Frage, ob er richtig gehandelt hatte. War es wirklich richtig von ihnen sich von Kai abzuwenden ohne ihm die Gelegenheit zu geben eine Erklärung abzugeben. „Welchen Rest?“ Für einen Moment überlegte Tala. Sollte er Bryan, der ihm aus dem Zimmer gefolgt war, wirklich erzählen was er damit meinte. Was wenn sie es in die Tat umsetzten. Doch andererseits verdient hätte es Kai ja. Immerhin hatte er sie total hinters Licht geführt. Für einen Moment überlegte Tala was er sagen sollte, erst als auch noch die anderen hinter ihm erschienen rang er sich endlich zu einer Antwort durch. „Den, dass er für Boris arbeitet.“ „Wer arbeitet für Boris?“ Nun war die Aufmerksamkeit der Langfingerbrüder auf ihnen und Tala verfluchte sich beinah für seine Antwort, aber auch nur beinah. Noch ehe er jedoch etwas dazu sagen konnte mischte sich Ian ein, der eine knappe und dennoch eindeutige Antwort gab. „Kai!“ Die Gruppe um Tala konnte richtig sehen, wie den beiden älteren geschockt die Kinnlade runterfiel. Wahrscheinlich hatten die beiden auch nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet dieser für Boris Informationen sammelt. „Nette verarsche. Wirklich nett.“ „Glaubt doch was ihr wollt, wir wissen dass es stimmt.“ Ian sagte das nur um anschließend sofort wieder in seinem Zimmer zu verschwinden. Auch Spencer tat es ihm gleich. Er konnte sich zwar jederzeit mit diesen Typen anlegen, doch er hatte keine Lust dazu, der Tag war auch so schlimm genug. Auch Bryan entschieden sich schnell dazu wieder in das Zimmer zu gehen und zog Tala dabei mit sich. --- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)