CM what? von maJinMa0 ================================================================================ Kapitel 2: Straight-Edge ------------------------ Ein tiefes Grollen zog sich quer durch die beinahe schwarzen Wolken. Skye befand sich wieder auf dem Weg zum Krankenhaus, um ihren Bruder Mike zu besuchen. Als sie aus ihrem Auto ausstieg, blickte sie zum Himmel. Gewitter fand sie noch nie sonderlich gut und dieses hier schien es in sich zu haben. Sie überlegte, ob sie es nicht vielleicht im Krankenhaus aussitzen sollte, immerhin passierten bei solchem Wetter oft schwere Unfälle, besonders mit Autos. Sie zuckte zusammen, als direkt über ihr ein Blitz erschien und nur wenige Sekunden darauf ein heftiges und lautes Knallen zu hören war. Schnell griff sie nach den Blumen und begab sich schon fast im Dauerlauf auf die Eingangstür zu. Der ganze Wirbel, der noch zwei Tage zuvor hier geherrscht hatte, war nun kaum mehr als eine Erinnerung. Alles lief seinen gewohnten Gang und scheinbar hatten sie alle Patienten noch irgendwie unter bekommen. Skye glaubte sich zu erinnern, in der Zeitung etwas von Verlegung gelesen zu haben. Vielleicht hatte ein anderes Krankenhaus auch einige von den Verletzten bekommen, weil dieses hier schon zu voll war. Sie betrat Mikes Zimmer und in dem Moment viel ihr auch wieder ein, dass hier ja noch jemand anderes lag. Der Mann schien noch immer bewusstlos, oder vielleicht war er auch schon aufgewacht, aber wieder eingeschlafen. Jedenfalls war er nicht wach, als Skye eintraf. Auf leiser Sole ging sie hin und her, um die Blumen zu wechseln, lunschte dabei immer wieder zu dem Schlafenden hinüber, um zu sehen, ob sie ihn durch ihr Gewusel vielleicht geweckt hatte, doch das war nicht der Fall. Sie kam grade wieder aus dem Bad heraus, die Vase mit den Blumen in der Hand, als die Tür sich öffnete und eine hübsche Frau, vielleicht Mitte zwanzig und langen braunen Haaren im Raum stand und verwirrt zu Skye blickte. Einen Moment lang sahen sich die beiden Frauen einfach nur an, bevor die Unbekannte als erste sprach. "Hallo.", sagte sie mit offensichtlicher Verwunderung. Syke wusste nicht richtig, wie die reagieren sollte. "Hi.", sagte sie daher nur und ging an der anderen Frau vorbei, um an Mikes Bett zu gehen. Scheinbar war diese Frau wegen dem fremden mann hier. Vielleicht war sie seine Freundin, oder Schwester, oder etwas in der Art. Sie stellte die Vase hin, während die andere Frau näher kam. "Verzeihen sie. Ich hatte nicht daran gedacht, dass noch jemand hier untergebracht ist. Immerhin liegt er ja im Koma." Ein schwerer Stich zuckte durch Skye's Herz, als sie dieses Wort benutzte. Etwas aufgebracht drehte sie sich um. "Noch jemand hier untergebracht?", sie ging auf das andere Bett zu un zeigte auf den Schlafenden. "Er hier, ist noch hier untergebracht. Er da drüben hat eigentlich ein Einzelzimmer." Die Frau hob entschuldigend ihre Hände. "Tut mir leid, ich hab mich falsch ausgedrückt. Mein Name ist Selene.", jetzt zeigte sie auf den fremden Mann "und das hier ist Phillip, mein Bruder." Skye hörte in ihrer Stimme die Sorge um ihn mitfließen und jetzt konnte sie nicht mehr böse sein wegen dieser Aussage. Sie eben ein bisschen empfindlich, wenn Fremde über ihren Bruder redeten, oder laut aussprachen, dass er im Koma lag. "Mein Bruder heißt Mike.", sagte sie dann und schenkte Selene ein liebes Lächeln. Diese allerdings sah nun wirklich sehr erstaunt aus. "Mein anderer Bruder heißt auch Mike. Zufälle gibts. Was hat er denn?", fragte sie dann vorsichtig und setzte sich auf den Stuhl, der neben dem Bett von Phillip stand. "Er hatte einen ziemlich bösen Unfall mit...naja, er war mit dem Fahrrad unterwegs und ist gestürzt." Das zu sagen, trieb Skye die Tränen in die Augen und sie musste sich, die Hand vor den Mund haltend weg drehen. Sie hatte sehr milde ausgedrückt, was mit ihrem Bruder passiert war und dennoch zerriss es sie fast. "Das tut mir sehr leid. Ich bin mir sicher, er wird bald wieder aufwachen." Skye drehte sich wieder um, wischte sich die kleine Träne unter dem Auge weg und lächelte dankbar. "Wie geht es ihm denn?", sie schlang sich ihre Arme um den Bauch. Selene seufzte. "Naja, er war gestern kurz wach, aber durch die starke Medikation ist er fast sofort wieder weg gewesen. Die Ärzte haben die Dosis aber etwas runter gesetzt. Er sollte also auch bald mal wieder wach werden. Ansonsten, denke ich, dass es ihm den Umständen entsprechend gut geht. Er ist ja eigentlich ziemlich fit." "Und groß", fügte Skye noch hinzu und lächelte. Selene nickte und sah dann Skye an. "Ich habe aber den Eindruck, dass sie größer sind als er. Darf ich frage, wie groß?" In der Tat war Skye eine von den größeren Exemplaren, was zur Folge hatte, dass sie nur wenig Möglichkeiten hatte, einen Mann kennen zu lernen, der sich nicht eingeschüchtert fühlte. "Ich bin genau einen Meter und neunzig groß.", sagte Skye grinsend und bekam genau die Reaktion, die sie erwartet hatte. Selenes Augen weiteten sich leicht und ihre Augenbrauen wanderten etwas nach oben. "Wow, das ist wirklich größer als Phil, er ist 'nur' 1.85m groß." Skye lachte kurz und nickte. "Aber auch nicht wirklich klein." "Nunja, wenn man bedenkt, wie groß seine Arbeitskollegen teilweise sind, dann zählt er schon zu den eher kleineren." Nun hatte sie Skye neugierig gemacht. "Was arbeitet er denn?" "Ich bin Wrestler bei der WWE." Die tiefe Männerstimme durchbrach den zarten Klang der Frauen und Skye erschrak leicht. Selenes Gesicht erhellte sich schlagartig noch mehr und eine kleine Freudenträne lief ihr über die Wange. Phil hatte die beiden Frauen scheinbar belauscht. Er schaute seine Schwester mit einem warmen, liebenden Blick an und lächelte. Skye konnte nicht umhin über diesen Anblick zu lächeln. Wie würde sie wohl reagieren, wenn Mike aus dem Koma erwachen würde. Sicherlich würde sie in ihren Tränen ertrinken und sich kaum wieder beruhigen können und als sie so daran dachte, musste auch sie wieder einer Träne ihren Lauf lassen. Sie wollte sich grade wieder zu Mike begeben und die beiden Geschwister in Ruhe lassen, als Selene etwas sagte. "Ihr Bruder da drüben, heißt auch Mike.", sagte sie und lächelte erst Skye an, dann ihren Bruder." Phil guckte erstaunt und lächelte dann amüsiert über diesen Zufall, doch dann verfinsterte sich seine Mine. "Sag mal Selene, was ist das da in dem Beutel?" Skye war überzeugt, es handle sich um eine rhetorische Frage, denn was sollte da schon drin sein. Selene ihrerseits schien das auch so zu sehen, denn sie rollte mit den Augen. "Das weißt du genau. Bitte mach jetzt keinen Aufstand. Du wärst fast gestorben und du warst bewusstlos. Dieses eine Mal wirst du schon damit zurecht kommen." Skye war verwirrt. Wieso redete sie denn so mit ihm, was hatte er gegen Schmerzmittel? Phil seufzte genervt. "Ich will sofort mit einem Arzt sprechen. Die sollen das schleunigst abmachen, sonst mach ich es. Ich bin ja jetzt wieder wach." Selene schnitt eine böse Grimasse . "Sicherlich nicht und du lässt den Schlauch, wo er ist!" "Selene!", fauchte Phil und schnaufte danach wütend. "Willst du was trinken?", lenkte Selene dann vom Thema ab und stand auf. "Ich hol dir was du willst, vielleicht auch einen Snack. Du auch etwas, ...wie ist eigentlich dein Name?" bei dem ganzen Hin und Her, hatte Skye völlig vergessen sich vorzustellen. "Äh, mein Name ist Skye und nein danke, ich möchte nichts.", sagte sie schnell und hob dazu noch die Hände. "Selene, lenk nicht vom Thema ab!" Phil war noch immer sauer wegen etwas, das Skye sich nicht vorstellen konnte. "Du bist grade wach geworden. Mach nicht so ein Gezeter, du bist es ja bald wieder los. Sei froh, dass ich die Ärzte überhaupt dazu bekommen habe, es weniger zu dosieren. Weißt du, wie die mich angeguckt haben? Ich musste denen erstmal lang und breit erklären, warum du so stark auf Schmerzmittel reagierst und jetzt geh ich mir einen Kaffee holen. Ich nehme stark an, dass du nichts willst." Mit diesen Worten verschwand Selene aus dem Raum. Phil stand der Mund offen vor Wut und seine Augenbrauen waren so fest zusammen gekniffen, dass es auch locker eine einzelne hätte sein können. Skye traute sich nicht mal sich zu bewegen. Wieso zickte dieser Mann hier eigentlich so rum? Sie räusperte sich kurz und Phil warf ihr einen bösen Blick zu, was sie dazu veranlasste sich schnell weg zu drehen und zu ihrem Bruder rüber zu gehen. Jetzt erst bemerkte sie, dass es draußen wie aus Eimern schüttete und donnerte. Sie saß hier also buchstäblich fest, zwischen Gewitter und rum wettern. Sie begann kurzerhand ihrem Bruder vor zu lesen, auch wenn sie ab und zu mal einen Blick zu Phil riskierte. Er saß die ganze Zeit regungslos da und starrte die Wand auf der anderen Seite an. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und sein Gesichtsausdruck versteinert. Seine Schwester schien nicht oft so mit ihm zu reden. Nach zehn Minuten kam diese auch wieder und neben dem Kaffee, hatte sie auch den behandelnden Arzt aufgetrieben. "Wie schön sie wach zu sehen Mr. Brooks.", sagte er freundlich und ließ sich von dem finsteren Blick nicht beeindrucken. Er ging auf ihn zu und untersuchte ihn. "Wie fühlen sie sich?" "Nach wie schon, zugedröhnt!", maulte Phil und Selene lehnte sich seufzend an die Wand und schlürfte den Kaffee. Skye hatte sich dem ganzen wieder etwas zugewandt, immerhin wollte sie ja noch wissen, wieso sich der Kerl so anstellte. "Ach ja, sie waren das. Es tut mir wirklich leid, ihre Prinzipien so über den Haufen geworfen zu haben, aber sie hätten es wahrscheinlich nicht sehr leicht gehabt mit dem Ausruhen." Der Arzt war nun fertig mit untersuchen, blieb aber neben dem Bett stehen, bereit für eine Diskussion. "Ist ja okay, das kann man jetzt auch nicht mehr ändern, aber sie können es ja jetzt wieder ab nehmen." Er sah den Arzt eindringlich an und ignoriert scheinbar das besorgte Seufzen seiner Schwester. Prinzipien? Skye war nun auch nicht schlauer als vorher. Welcher Mensch hatte denn solche Prinzipien? Sie schüttelte verständnislos den Kopf und wartete auf die Entscheidung des Arztes. "Na gut, aber als ihr behandelnder Arzt muss ich ihnen dringlichst empfehlen wenigstens bis morgen zu warten.", sagte der Mann in dem weißen Kittel und dem vollen, blonden Haar etwas sehr Monoton und wusste wahrscheinlich schon die Antwort, denn er bewegte sich schon auf den Aufgang zu. "Ich werde eine Schwester veranlassen sie von dem Schlauch und dem EKG zu befreien. Ich denke in ungefähr zwei Tagen können sie auch nach Hause, wenn sie möchten. Wenn sie mich entschuldigen." Er blickte Skye und Selene an und ging. Phil, der nun hatte, was er wollte, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es ihm besser gefallen hätte, legte eine zufriedene Mine auf. Skye verstand noch immer gar nichts. "Sei nicht sauer. Es ist meine Entscheidung und ich muss mit den Schmerzen klar kommen.", sagte er dann und grinste dämlich zu seiner Schwester rüber. "Ja und ich muss mit ansehen, wie du diese Schmerzen hast." Selene schien eher zu trauern, als sauer zu sein. Sie schaute schließlich zu Skye, deren Verwunderung und Ratlosigkeit wohl unübersehbar war und lachte leise auf. "Du musst wissen, Skye, mein lieber Herr Bruder lebt den Straight-Edge-Lifestyle." Jetzt ging Skye ein Licht auf. Sie hatte mal über diese Sache gelesen und jetzt verstand sie auch, warum Phil es so vehement ablehnte Schmerzmittel zu bekommen. Phil schaute sie nun auch an. "Manche Leute können das nicht verstehen, selbst wenn sie es versuchen. Manche Leute fangen an zu diskutieren und werden herablassend.", sagte er dann und schüttelte den Kopf. "Was denkst du denn darüber?", fragte Selene und Skye schluckte. Sie wollte nichts sagen, was Phil kränken oder aufregen würde. Er sah aus, als wäre er schon erfahren darin, sich über dieses Thema zu streiten. "Tja. Einige Ansichten sind sehr erstrebenswert. Allerdings wie bei jedem anderen Lebensstil auch, gibt es diese Extremen und manche Sachen kann ich nicht ganz nachvollziehen. Aber jedem das Seine. Wenn jemand stark genug ist dieses schweren Weg zu gehen, kann ich das nur bewundern." Skye hoffte, damit nichts ausgelöst zu haben. Sie hatte versucht so objektiv ihre Meinung zu äußern wie es geht, wenn das überhaupt möglich war. Objektivität und eine eigene Meinung waren schließlich schwer miteinander zu verbinden. Sie schien aber Glück gehabt zu haben, denn Phil lächelte sie einfach nur an und nickte leicht. "Wenn doch nur jeder so viel Akzeptanz an den Tag legen würde." Damit schaute er zu seiner Schwester, die nur wieder mit den Augen rollte. "Es gibt auch genug Straight Edger, die einem einen Vorwurf machen, dass man es eben nicht ist." und damit schaute sie ihn jetzt genau so an, wie er sie grade angeschaut hatte. Skye musste leicht lachen. "Das ist doch auch überall so. Akzeptanz ist nie so leicht.", meinte sie hatte das Thema damit scheinbar beendet. Selene sah auf ihre Uhr. "Oje, ich muss los. Arbeit und so. Ich ruf Mum nachher an und sag ihr, dass es dir gut geht." Sie eilte zu ihrem Bruder, drückte ihm einen Schmatzer auf die Wange, winkte Skye zu und huschte schnell nach draußen. Phil lachte leise über Selene. Scheinbar schienen die beiden sich immer so zu unterhalten. "Und du bist also Wrestler. Hab ich früher auch manchmal geguckt.", sagte Skye dann beiläufig und zog seine Aufmerksamkeit auf sie. Eine Weile unterhielten sie sich über seinen Job und die damit verbundenen Reisen und Verletzungen. Sie bewunderte nun immer mehr, dass er auf jegliche Schmerzmittel verzichtete. Sie wäre wohl über jedes Analgetikum dankbar, hätte sie solche Verletzungen. Nachdem sie alles wissenswerte über diesen Job erfahren hatte, fragte er sie nach ihrem. "Ich bin zur Zeit ohne Job. Aber ich bin grade auf der Suche. Eigentlich war ich Journalistin bei einer kleinen Zeitschrift, aber die hat leider Pleite gemacht. Ich finde bestimmt was neues, aber die Zeit bis dahin nutze ich für meinen Bruder. Er soll nicht allein sein." Die Schwester, die zuvor da war, um Phil von seinem Schmerzlindernden Schlauch zu befreien, kam jetzt wieder rein und unterbrach das Gespräch der beiden. Skye hatte gar nicht bemerkt, dass die Zeit schon um war und sie hatte Mike so wenig vorgelesen, dass sie jetzt ein schlechtes Gewissen hatte. Beim nächsten Besuch würde sie ihm extra viel vorlesen. Wahrscheinlich war Phil dann auch schon nicht mehr da und sie war nicht so versucht sich zu unterhalten. In der letzten Zeit hatte sie fast nur mit Mike geredet und der war ja leider nicht sehr gesprächig. Sie nahm also ihre Sachen und ging zur Tür. "Also, falls sie übermorgen schon weg sein sollten, wünsche ich ihnen eine gute Besserung und vielleicht werde ich demnächst mal wieder Wrestling gucken." Phil dankte und lachte und Skye machte sich auf den Weg. Das Gewitter war zum Glück schon weiter gezogen, auch wenn es noch regnete. Den Weg zum Auto würde sie grade so überleben. Als sie darin saß betrachtete sie den Regen, der in Bahnen an ihrer Scheibe runter floss. Eine Welle der Trauer überkam sie und auch über ihr Gesicht floss nun Wasser. Sie blieb noch eine halbe Stunde in ihrem Auto sitzen und weinte, bis sie sich wieder gefangen hatte und nach Hause fahren konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)