The Darkside von somali77 ================================================================================ Kapitel 54: Morgengrauen (Kakashi, Iruka) ----------------------------------------- ~ Schwarze Schatten färbten sich blau. Über den Horizont kroch Licht auf Asphalt und Hauswände. Bald würden die Laternen ausgehen. Kakashi hantierte mit dem Schlüssel, brauchte zwei Anläufe bis er das Schlüsselloch traf. Ein plötzlicher Ausfall seines Gleichgewichtssinns ließ ihn vorwärts gegen die stützende Tür taumeln, ein paar Momente lang durchatmen und still halten, bis er seinen Beinen wieder traute. Natürlich bemühte er sich, leise zu sein. Natürlich scheiterte er jämmerlich. Er stolperte über die Schwelle, stieß fluchend mit dem Schienbein gegen das Schuhregal im engen Flur. Dass er für den Versuch, sich die schmerzende Stelle zu reiben, gleich ein Bein vom Boden hob war auch nicht die glorreichste seiner Ideen am Ende der Nacht. Wenigstens wurde sein Sturz seitlich in die Gaderobe von einer Menge Jacken und Regenschirmen aufgefangen. Sich mit hängendem Kopf in der völlig zerzausten Frisur kratzend, kam er schließlich ohne Schuhe und mit nur noch einer Socke am Ende des Flurs an, öffnete die Tür zum Wohnbereich-... und der Schreck durchzuckte ihn, als er bemerkte, dass jemand dort vor ihm im Dunkeln stand. Nach dem unvermeidlichen Adrenalinstoß, der seine Schulter mit dem Türrahmen kollidieren ließ, gab er ein klägliches Ächzen von sich und rieb sich die Hand durchs Gesicht. Es war nur Iruka. Moment- Scheiße, es war Iruka. Er war ja so etwas von geliefert... „Wo warst du?“, wollte der Jüngere mit sehr ruhiger Stimme wissen. Er hielt die Arme verschränkt und warf ihm aus dem Halbdunkeln einen Blick zu, der mit Sicherheit einen Eimer Wasser hätte schockfrosten können. Kakashi blinzelte langsam und runzelte dann die Stirn. Moment, ging ihn das überhaupt etwas an? Wohnung hin oder her- für dieses bedrohliche Augenfunkeln gab es ja wohl überhaupt keinen Anlass. Er war entschieden zu alt, um sich für spätes Heimkommen zu rechtfertigen, zu alt, zu müde-... und zu betrunken... Deshalb ließ er die Schultern sinken und gab nur ein abwehrendes Grummeln von sich. „Weg“, brummte er. Iruka legte den Kopf schief. Sein Mund war ein schmaler Strich und das Glimmen in seinen Augen finster genug, um seinen momentanen Mitbewohner in der Bewegung zu stoppen. Kakashi hatte eigentlich lässig in Richtung Gästezimmer schlurfen wollen, traute sich dann aber doch nicht. Schwankend blieb er stehen und warf einen unsicheren Blick zurück zu dem Hausherrn. Da stand er, ein Racheengel mit Marmormiene, völlig unbeeindruckt davon, dass er als Erzieher von Kampfknirpsen der seinen Zivildienst im Kindergarten gemacht hatte eigentlich wenig zu bieten hatte gegen einen-... na gut, etwas angetrunkenen... aber immer noch fitten Berufskiller, mit Zweitausbildung zum Jugend- und Heimerzieher... „Wieso gehst du nicht an dein Telefon?“ Der Tonfall klang jedenfalls nach Militärgericht. Kakashis Augenbrauen krümmten sich, er neigte den Kopf als ob er sich verhört hätte. „Warte“, meinte er leise und hob eine Hand, „Warte mal-... stop, Auszeit bitte“ Er sprach in sehr weichem Ton, weil er es nicht wirklich auf einen Streit anlegen wollte. Er hasste Streits. Und er war Iruka auch dankbar, dass er ihn hier ertrug. Trotzdem schien es dringend angebracht, die Dinge wieder ein bisschen ins rechte Licht zu rücken. „Mein Feierabend...“, begann er vorsichtig, „Ist mir nunmal wichtig. Ich muss manchmal einfach den Kopf frei kriegen- siehst du, ich verstehe ja, dass du Details wissen willst, aber-...“ Er verstand außerdem, dass dem guten Iruka die Anwesenheit eines fremden Mannes in seiner Junggesellenwohnung etwas zu Kopf stieg. Immerhin war er, naja, von den grauen Haaren mal abgesehen immer noch ziemlich gut in Form: Gestählter Körper, gefährliche Aura, verwegene Narbe und alles... Und wer wusste wann Iruka das letzte Mal- oder ob er überhaupt schon jemals- so richtig beglückt worden war. Manchmal machte der Jüngere einen etwas verklemmten Eindruck. Aber vielleicht sollten sie ein für alle Mal klar stellen, dass das hier nicht eine von diesen Groschenroman- Geschichten war, in denen der mysteriöse Fremde mit der dunklen Vergangenheit sich Hals über Kopf in die holde Jungfer verliebte, nur weil sie sich zufällig gerade ein Badezimmer teilten... „Du musst auch verstehen, dass ich nicht vierundzwanzig Stunden erreichbar sein ka-...“ „Es ging um Pakkun“, schnitt ihm Iruka das Wort ab. Kakashi hob blinzelnd, völlig aus der Balance gebracht seinen Kopf. „Wha-... huh?“, gab er schwach von sich. „Es war ein Notfall“, Irukas dunkle Augen funkelten zornig, „Warum glaubst du Witzbold, versuche ich wohl zehnmal nacheinander, dich anzurufen?! Weil ich solche Sehnsucht nach dir habe? Mal ehrlich, Kakashi! Wovon fantasierst du?“ Das saß. Der Mund des Älteren schloss sich wieder. Er spürte ein Brennen auf den Wangen und blinzelte noch einmal. „W-... was...?“ Seine Stimme versagte. Iruka rollte mit entnervtem Schnaufen die Augen zur Zimmerdecke, „Doktor Inuzuka hat angerufen! Es ging ihm schlecht! Ich hab wer-weiß-wie-oft versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen, ohne Erfolg! Letztendlich musste ich selbst in die Tierklinik fahren- er ist da mitten im Zwinger zusammengebrochen! Anscheinend hat er seit er dort ist weder gefressen noch getrunken!“ „Oh...“ Kakashis Blick war verändert. Nichts mehr von Härte, Langeweile, Genervtheit-... da war echte Bestürzung. „Oh nein!“, flüsterte er, „Oh... oh shit! Nein! Was-... fehlt ihm?“ „Sein Herrchen“, Irukas Ton wurde sanfter. Als er sah, was für ein Effekt seine Nachricht hatte, sanken die Schultern, der grimmige Ausdruck in seinem Gesicht ließ nach, „Zum Glück nichts Lebensbedrohliches. Er hat eine Infusion bekommen und ein paar Streicheleinheiten, dann ging es ihm schon wieder besser. Er kommt einfach nur mit dem Tierheim nicht klar“ „Oh!“, Kakashi raufte sich stöhnend die Haare, „Shit! Shit-... dass es sowas sein könnte, darauf wär ich nie gekommen, ich-... oh mann, ich bin so bescheuert. Wie kann man nur-... Ohh, bitte hau mir irgendwas über den Kopf...“ „Weißt du-...“ „Komm schon“, der Ältere ächzte gepeinigt, „Sonst kann ich jetzt nicht mehr schlafen vor lauter schlechtem Gewissen!“ Er machte einen Schritt nach vorn, immer noch nicht wirklich sicher auf den Beinen, stolperte über seine eigenen Füße und packte nach dem Arm des Jüngeren um nicht Gesicht voran auf dem Boden zu landen. „Uwah!“ „Was zum-...!“, Iruka fing ihn auf, „Kakashi! Du bist ja voll wie ein Aquarium!“ „Ich weiß-... tut mir-... tut mir leid“ Von seinem pochenden Hinterteil wollte er gar nicht erst anfangen... auf einmal kam er sich sehr erbärmlich vor. Eine Hand immer noch fest in Irukas Oberteil versuchte er sein Gleichgewicht wieder zu finden, schob seine Wange in Reichweite und versuchte den treuherzigsten Blick, den er zustande brachte: „Komm schon“, flüsterte er, „Es ist ungesund wenn du deine Wut immer runterschluckst“ Iruka sah ihn an, glimmende Augen im Halbdunkel und Kakashi senkte den Kopf. „Ich bin ein Arschloch, Iruka. Das ist die Wahrheit. Ich unterstell´ dir komische Sachen. Dabei bin ich derjenige, der nervös ist... Ich bin Gesellschaft einfach nicht mehr gewöhnt. Das ist mir alles zu viel. Deshalb versuch ich auch möglichst nicht hier zu sein. Ich hab deine Anrufe alle mit Absicht ignoriert. Und... ich hab gedacht, du bist verklemmt und spießig. Und dass du es mal wieder nötig hast-... solche Sachen denk ich. Dabei bist du so... nett zu mir“, Müdigkeit und Schwindel brachten ihn zum Schwanken, er fing sich kurz mit der Stirn an Irukas Schulter ab, bevor er wieder zurück wich und blinzelte. „Und“, ergänzte er in tief bewegtem Ton, „Und du hast dich um Pakkun gekümmert. Du-.. du bist so-... und ich-...“, er schüttelte langsam den Kopf, „Ich fühl mich beschissen. Also-... lass uns kein Drama draus machen und das klären wie echte Kerle-... Hau mir eine runter und-... lass uns dann nochmal neu anfangen? Okay..?“ Iruka forschte schweigend in seinem schwerer werdenden Blick. Dann schluckte er, hob zögernd die Hand. Kakashi schloss die Augen, drehte leicht den Kopf-... und spürte ein warmes, sanftes Tätscheln auf seiner Wange. „Böser, böser Mann“, mahnte der Andere tadelnd. Seine Hand blieb beim letzten Kontakt ungewohnt lange liegen. Kakashi blinzelte. Ihre Blicke trafen sich. „So etwa?“, Irukas Hand zuckte zurück. „Mh“, der Ältere schob den Kopf noch ein wenig näher, „Das war... unerwartet, aber-... ja... vielleicht solltest du auch die anderen Backen, du weißt schon- zur Sicherheit...?“ „Du siehst eindeutig zu viele Pornos!“, Iruka stieß ihn von sich, „Geh deinen Mops trösten!“ Kakashi konnte sich ein dümmliches Grinsen nicht verkneifen, obwohl er sich immer noch schrecklich fühlte. „Wo ist er?“ „Ich musste ihn mit nach Hause nehmen. Keine Sorge, er ist okay... Den ganzen Weg von der Klinik nach Hause hat er schon friedlich auf meinem Schoß geschlafen“ „Oh mann, Iruka“, Kakashi schnaufte und rieb sich verlegen den Hinterkopf, „Danke... ehrlich...“ Behutsam öffneten sie die Tür zum Gästezimmer. Helles, heiseres und völlig erschöpftes Winseln fiepte vom Boden her. Der Silberhaarige tastete nach dem Lichtschalter, beugte sich abwärts obwohl die Bewegung seinem Kopf gar nicht guttat, ließ sich dort einfach fallen um sitzen zu bleiben, bis der Raum wieder aufhörte sich zu drehen-... ein kleines, warmes Bündel aus glattem Fell und Hautfalten und unwiderstehlich weichen Pfötchenballen sprang ihm auf den Schoß, leckte ihm verzweifelt die Hände, das Gesicht, alles was es erreichen konnte, schmiegte sich an ihn, zitternd am ganzen Körper. „Pakkun“, stöhnte Kakashi und nahm ihn vorsichtig auf den Arm, „Oh...“, seine Stimme wurde sehr weich und sehr, sehr schuldbewusst, „Oh, mein Schnuffelhundchen... ist ja schon gut... Papa ist hier...“, Pakkun wand sich in seinen Händen, versuchte verzweifelt mit seinen kleinen Pfötchen hochzuspringen, ihm das Kinn zu lecken, Kakashi schmiegte sein Gesicht in das weiche Fell, „Mmh... Es tut mir leid-...“, murmelte er, „Das tut mir alles so leid... ich lass dich nicht mehr allein, okay? Ja, ich weiß...“ Er spürte Irukas wohlwollenden Händedruck auf der Schulter, als er zu ihm hoch blinzelte. Der Jüngere ging neben ihm in die Hocke. Pakkun, endlich etwas ruhiger, leckte voller Hingabe auch ihm die Hände, als Iruka sanft seine kleinen Öhrchen streichelte. „Geht es den Anderen gut?“, wollte Kakashi leise wissen. „Hmm... Naja, soweit man sehen kann. Bull scheint es ziemlich egal zu sein, wo er ist- Biscuit versteht sich gut mit den anderen Hunden...“ „Heh“, der Ältere schnaufte erleichtert und erlaubte sich ein kleines Lächeln, „das ist typisch“ „Wegen Urushi... meint sie, du musst unbedingt einen guten Hundetrainer finden“ Kakashi seufzte tief. „Muss das sein?“ Iruka warf ihm einen skeptischen Blick zu, „Gemessen an der Tatsache, dass er sich nicht mal anfassen lässt?“ „Weißt du, was sie mit ihm gemacht haben? Du würdest dich auch nicht mehr anfassen lassen, wenn dir sowas passiert wäre!“ Schweigend sah Iruka ihn an. „Kann sein... aber ab und zu muss er zum Tierarzt. Willst du ihn jedes Mal mit dem Blasrohr betäuben?“ Kakashi grunzte abwehrend. „Was ist das überhaupt mit dir und diesen... Hunden?“, wollte Iruka ratlos wissen, „Da musst du dir echt mal was anderes überlegen. Du kannst doch nicht jeden Streuner von der Straße sammeln, wenn du nicht einmal eine Wohnung hast!“ „Mh“, Kakashi kratzte sich düster am Hinterkopf. „Das mit Pakkun ist ja schon schlimm genug! Du weißt, dass hier eigentlich keine Haustiere erlaubt sind. Noch mehr Hunde sind keine Option!“ „Ich weiß... ich... verspreche, ich such eine andere Lösung. Okay?“ „Okay“, Iruka schnaufte nach ein paar Momenten und erhob sich dann, „Gut... ich schätze, das geht in Ordnung. Du kommst klar, oder? Ich geh schlafen, in ein paar Stunden muss ich wieder aufstehen. Wie willst du eigentlich deine Eier am Morgen, gekocht? Gebraten...?“ „Gekrault?“, Kakashi blinzelte unschuldig aufwärts, bevor er sich bremsen konnte. Iruka gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. „Aua..!“ „Gute Nacht!“ Die Tür schwang leise zu. Und mit Irukas festen Schritten verschwand auch sein Geruch, dieses typische Duschgel. Genau das, was Kakashi das letzte Mal einfach auch... hm... geliehen hatte, um sich die Haare einzuseifen. Ob es Absicht gewesen war, um den ganzen Tag den Geruch in der Nase zu haben, obwohl er gar nicht zuhause gewesen war? „Er macht Frühstück“, sagte er zu dem kleinen Bündel Hund auf seinem Schoß, das mit innigem, tiefem Blick zu ihm aufsah. „Du machst Frühstück?“, wandte er sich dann doch noch einmal Iruka nach, „Für mich?“ „Ich mach immer Frühstück am Wochenende!“, kam Irukas empörte Behauptung, „Für alle Gäste!“ Kakashi hob skeptisch die Augenbraue zu Pakkun, der in ähnlich purem Zweifel den runden, zerknautschten Kopf mit den Knopfaugen schief legte. „Für alle Gäste, sagt er“, murmelte Kakashi, nahm den kleinen Mops in die Hände und hob ihn so hoch, dass er ihn auf bequemer Augenhöhe ansehen konnte, „Ich seh hier niemanden außer uns... vielleicht denk ich nur wieder zuviel... aber, hm. Was meinst du..?“, er schob verschwörerisch, mit schmalen Augen den Kopf noch ein wenig näher: „ ... Will er was von deinem Herrchen?“ Pakkun gab ein inniges Seufzen von sich und leckte Kakashi seine lange Zunge einmal quer übers Gesicht. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)