The Darkside von somali77 ================================================================================ Kapitel 43: Schachmatt (Shikamaru) ---------------------------------- ~ „Meine Herren?“, Shikamaru salutierte mit zwei Fingern an der Schläfe und wurde mit großem Hallo empfangen. Runzlige Hände streckten sich ihm entgegen, Lachen, Schulterklopfen, anerkennendes Nicken. In Nullkommanichts wurde ihm der Stammplatz am Tisch frei geräumt, das große Shogi-Brett stand schon fertig aufgebaut auf der Platte. Menschen drängten sich um ihn, Männer mit mehr oder weniger silbernen Haarbüscheln, kleinen, funkelnden Augen und unterschiedlichster Statur. Er ging auf den Herrn mit den sanften Gesichtszügen und dem verschmitzten Lächeln zu, um ihn zu umarmen. „Hallo Opa“ „Shikamaru, mein Junge!“, hustete der mit Freudentränen im Augenwinkel, „Schön, dass du doch noch gekommen bist!“ „Hast du heute nicht die Gitarre dabei?“, ein dicker, gemütlicher Herr mit Hosenträgern zog eine enttäuschte Miene. „Nee, hab beim Üben die E-Saite zerfetzt, muss erst eine neue kaufen“, Shikamaru begrüßte den zweiten Anwesenden mit Handschlag, „Hey Yamada“ „Heute kriegst du einen besonderen Gegner, Kleiner!“, ein kleiner, sehniger Mann mit langem Schnurrbart und buschigen Augenbrauen hob seinen bunten Becher, er sprühte vor Vorfreude: „Das wird ein Duell der Meister! Yamada und ich haben gewettet, also enttäusch mich bloß nicht!“ „Nur kein Stress...", grinste er, "Muroshi, na alles klar?“, noch eine Hand wurde geschüttelt. Auf der anderen Seite der Tischplatte thronte ein sehr ruhiger Herr mit glühenden, klugen Augen, Spitzbart am Kinn und langer, gebogener Pfeife und sah zu ihm herüber. Shikamaru senkte den Oberkörper, als er sich anschickte Platz zu nehmen. Seufzend ließ er sich auf den Holzstuhl gleiten. Im Moment trug er nicht seinen Sanitäter- Overall, sondern normale Kleidung: Schlabberjeans, den dünnen, schwarzen Rollkragenpulli, grüne Funktionsweste mit praktischen Brusttaschen. Er neigte den Kopf in eine angedeutete Verbeugung. „Eine Ehre, mit ihnen zu spielen, Meister Sarutobi“ Der Alte auf der anderen Seite des Tisches paffte an seiner Pfeife. Von den Winkeln seiner Augen streckten sich winzige Furchen über das kantige Gesicht, Netze aus Lachfältchen. „Mmh“, brummte er, „Immer wieder eine Ehre, dich bei uns zu haben, Nara Junior“ Die Seniorenresidenz, in der Shikamarus Großvater untergebracht war, hatte einen sehr wechselhaften Ruf. Shikamaru kam zweimal in der Woche her. Wahrscheinlich gab es tollere Möglichkeiten seinen Lebensabend zu verbringen, aber immerhin waren die Räume hell und liebevoll dekoriert, es gab Tee und Kuchen, jeden Tag mehr oder weniger nettes Unterhaltungsprogramm, und nur wenige der Pflegerinnen waren vollkommen unausstehlich. „Möchtest du Tee?“, ein sehr zierlicher Herr mit Kopfverband, dessen lange, weiße Augenbrauen bis auf die Wangen hinunter reichten, erschien an seiner Seite, „Oder vielleicht einen Kaffee?“ „Ähm, Kaffee wäre nett, danke“ „Was ist mit Kuchen?“, der Alte verteilte beim letzten Wort aufgrund einiger fehlender Zähne einen kleinen Spuckeregen in der näheren Gegend. Shikamaru wischte sich dezent das Gesicht. „Klar... was für eine Sorte von Kuchen?“ "Ich glaube Nusskuchen!", der Regen wurde kurzzeitig zum Monsun, "War es nicht Nusskuchen?" "Uff..." "Ich weiß nicht, ob noch was da ist", gab Yamada, der Hosenträger- Mann zu bedenken und wackelte zweifelnd mit der gehobenen Hand, "Die dicke Schwester ist heute wieder im Dienst" Meister Sarutobi wandte sich mit fragendem Blick an die Umstehenden. "Tja. Hm. Oh, Chiyo?", er sah sich hilfesuchend zu der gebeugten, rundlichen Großmutter um, die mit ihrem Rollator nahe am Tisch vorbeiwanderte, "... bitte, weißt du vielleicht, ob es noch Kuchen gibt?" Das Dörrpflaumengesicht der Alten zog sich zusammen, zwischen tausend Falten funkelte ein übler Todesblick, "Heb doch deinen faulen Hintern und sieh selbst nach, Hiruzen!", zischte sie. Der Mann mit dem Kopfverband wackelte eifrig davon und kam nach wenigen Momenten wieder, in der einen Hand eine Kaffeetasse, in der anderen einen Teller samt Kuchenstückchen. „Verzeiht meiner Schwester“, bat er Shikamaru mit resigniertem Kopfschütteln und tätschelte liebevoll seinen Arm, „Ich glaube, so langsam geht es zu Ende mit ihr. Heute morgen hab ich gedacht, sie wäre schon tot!“ „Du denkst jeden Morgen ich wäre tot!“, rief Chiyo vom anderen Ende des Raumes herüber und gab ein quietschendes, pfeifendes Lachen von sich, „Jedes Mal fällt er wieder drauf rein!“ „Vielen Dank“, Shikamaru nickte Ebizou zu, nahm einen höflichen Schluck viel zu süßen Kaffee und machte eine Handbewegung, um deutlich zu machen, dass er Sarutobi den ersten Zug überließ. Der schüttelte nur belustigt den Kopf und gab das Angebot zurück. Shikamaru streckte sich, kratzte sich seufzend am Kopf und begann dann zu spielen. Gemütlichkeit machte sich breit. Einige Zuschauer scharten sich um den Tisch, manche teilten die Aufmerksamkeit, mit der sie das Spiel beobachteten allerdings mit einem Nickerchen oder den Nachrichten- Muroshi rief mit säuselnder Stimme nach einer Praktikantin und ließ sich Tee nachschenken, wobei er mit wippenden Augenbrauen ihrem Rocksaum nachsah, als sie wieder davon stolzierte. Der Rhythmus der klackenden Spielsteine auf dem Brett floss langsam in eine weite, angenehme Zeitlosigkeit. Der ruhige, stetige Pulsschlag des Lebens. Kaffee und Tee waren vergessen. Alles was zählte war die epische Schlacht auf dem Brett. Wagnisse wurden eingegangen, Bauern geopfert, Fallen gestellt, Könige geschützt, Gebiete erobert. Shikamaru war völlig in seinem Element. "Habt ihr heute schon die Zeitung gelesen?", wollte Yamada in die Stille hinein plötzlich wissen, "Die Welt ist verrückt geworden! Dutzende Tote, haben sie gesagt. Es herrscht wieder Krieg, ich sag´s euch! Und alles nur wegen diesen verflixten Drogengeschichten!" „Jetzt wo du´s sagst“, warf Muroshi ein, „Die haben im Fernsehen ein Bild von einem der Bosse gezeigt-... geschminkte Augen und Ohrringe! Ich dachte Gangsterbosse waren mal breitschultrig und tättowiert? Heute will anscheinend jeder gut aussehen?“ „Wie hieß der noch gleich? Obi-... Oni-...“ „Orochimaru!“ Sarutobi streichelte seinen Ziegenbart und paffte nachdenklich an der Pfeife, bevor er die Hand hob, „Mmm, Orochimaru. Bildhübsches Kind. War einer von meinen Schülern. Wirklich ein Jammer, was mit ihm passiert ist" Yamada hustete vor lauter Überraschung. "Du kanntest einen Drogenboss?", wollte Muroshi ungläubig wissen und riss die Augen auf, "Na, wahrscheinlich hast du ihm seine Zukunft versaut, weil du ihm schlechte Noten gegeben hast! Da siehst du, was draus geworden ist!" "Nein, er war wirklich brilliant“, Sarutobi kratzte sich nachdenklich an der Nase, „Hat sogar zweimal einen Preis in Chemie gewonnen, für Jugend forscht. Wer hätte wissen können, dass er damit nur Crystal Meth kocht?" Die Alten teilten ein herzliches, raues Gelächter, Opa Naras Blick war besorgt. "Passt du auch gut auf dich auf, Shikamaru?", wollte er wissen und legte seinem Enkel besorgt eine Hand auf die Schulter. „Aber klar, Opa“ „Es ist ja nicht nur die Sicherheit“, piepste Ebizou von seinem Platz aus und reckte einen zaghaften Zeigefinger, „Das ist, als wäre er Sanitäter im Krieg! Man muss aufpassen, dass man nicht innerlich ganz kaputt geht, ihr wisst schon!“ „Er braucht jemanden,“, bestimmte Muroshi theatralisch, „der auf sein Herz aufpasst! Jemanden für die Liebe! Also Nara Junior- wie ist die Lage? Schon etwas in Aussicht?“ „Ehm-...“ „Hihi!“, kicherte Ebizou, „Seht mal, er wird rot Ah, das sind ja schöne Nachrichten! Hast du das schon gewusst, Nara? Dein Junge ist verliebt!“ „Oh mann... stressig...“, Shikamaru kratzte sich verlegen seufzend am Hinterkopf. Auf einmal war das Spiel völlig zweitrangig, niemand interessierte sich mehr dafür, dass soeben erbitterte Gefechte um strategische Punkte tobten, Thema Nummer eins war seine vermutete Liebesgeschichte, die sämtliche Lebensgeister weckte und die alten Herren unverhofft neugierig machte. „Gehst du später noch zu ihr?“ „Keine Ahnung ob ich das schaffe, ich hab Nachtschicht, ich muss heute noch arbeiten, also...“ „Warum hast du sie nicht mitgebracht?!“, schnaufte Yamada, "Wir wollen auch mal wieder was Schönes sehen!" Shikamaru setzte kopfschüttelnd den nächsten Spielstein, bevor er antwortete. „Tja... heute ist anscheinend großer Spa- Tag, ich war sogar eingeladen, aber... was soll ich denn da, etwa zusehen? Ist doch sicher so nervig wie jemandem zum Shoppen hinterher zu laufen...“ "Was?!", Muroshi schlug empört mit der Faust auf den Tisch, "Du hast keine Ahnung von Frauen, Nara Junior! Eine Einladung zum Kosmetiker bedeutet, dass sie bereit ist, ihre intimsten Geheimnisse vor dir auszubreiten!“ „Uff... vielleicht will ich die gar nicht sehen?!“ „Dummkopf! Eine Frau ist wie eine edle Lotusblüte! Sie öffnet sich nicht zu beliebigen Umständen! Du bist offensichtlich zu jung um mit solchen Angeboten etwas anfangen zu können! Schick sie stattdessen zu mir!" "Na das könnte dir so passen..." Sarutobi sagte nichts dazu, er schmunzelte nur am anderen Ende des Tisches und setzte mit dezentem Klacken seinen nächsten Spielstein. Yamada warf einen langen, nachdenklichen Blick auf Shikamaru. "Hat sie denn wunderschöne, dichte Wimpern?", wollte er leise wissen. "Und lange Beine!", bestimmte Muroshi, "Die Beine sind wichtig!" "Und lange schwarze Haare...?", Opa Nara seufzte verträumt, "Die finde ich immer schön..." Shikamaru rollte kopfschüttelnd die Augen. "Ihr seid unglaublich... Also gut, sie hat wunderschöne, dichte Wimpern, lange Beine und die seidigsten, schwarzen Haare die man sich vorstellen kann, glatt und lang bis über die Schultern!" Ein anerkennendes Raunen ging durch die Runde. "Und wie heißt sie?", fragte Opa Nara. Shikamaru stockte. "Ähm... A... yumi...?" Die älteren Herren beugten sich skeptisch zu ihm. Dem jungen Nara blieb nichts anderes übrig, als abwehrend die Schultern hochzuziehen und auf seinem Platz immer kleiner zu werden. "Uhm... ach... verdammt... Mist. Ich kann das nicht. Opa? Ich... muss dir was beichten. Mama hat es mir zwar verboten, weil sie meint, es regt dich auf. Aber was soll´s, ich kann dich nicht anlügen" "Du hast überhaupt keine Freundin, stimmts?!", vermutete Ebizou skeptisch. "Doch", seufzend fuhr Shikamaru sich mit der Hand übers Gesicht und dann durch die Haare, "Aber sie, naja..." Er stockte. "Sie... ist ist ein Mann. So, da habt ihr´s. Ich bin mit einem Mann zusammen" Alle Anwesenden ließen sich wieder in ihren Stühlen zurück sinken. Sarutobi warf einen überraschten Blick übers Spielbrett und paffte an seiner Pfeife. Shikamaru gab ein defensives Ächzen von sich und machte Anstalten, aufzustehen. "Ich geh dann mal..." "Halt!" "Du bleibst hier!" Sofort wurde er von Yamada, Muroshi und seinem eigenen Großvater mit sicherem Griff am Ärmel festgehalten und zurück auf den Stuhl gedrückt. Mit einem überraschten "Uff" saß er wieder auf seinem Platz. Yamada wandte sich wieder ihrem Gast zu. "Hat er wunderschöne, dichte-..." "Ja!", bekräftigte Shikamaru augenrollend, "Alles andere was ich gesagt habe stimmt! Er hat wunderschöne, dunkle Wimpern, lange Beine, glatte schwarze Haare... Ich hab ganz ehrlich noch keine Frau gesehen, die so wahnsinnig hübsch war! Er ist wunderbar still und schweigsam, und wenn er mal redet ist seine Stimme überhaupt nicht schrill, sondern so angenehm... er spielt Go und Shogi und verdient eine Menge Geld..! Wahrscheinlich müsste ich den Rest meines Lebens nicht mehr ernsthaft arbeiten, wenn er mich mitversorgen würde! Er ist fast dauernd beschäftigt, aber wenn er mal bei mir zuhause ist und ich bin total kaputt von der Schicht dann lässt er mir ein heißes Bad ein, macht mir Tee, bestellt teures Sushi, massiert mir die Schultern-..." Die Augen der Anwesenden wurden immer größer. "Nara, du bist ein verdammter Glückspilz!", krächzte Muroshi, "Männer sind zwar nicht mein Geschmack, aber für diese Vorteile kannst du ruhig mal die Zähne zusammenbeißen, wenn er ran will!" "Naja", Shikamaru kratzte sich verlegen am Kinn, "Also, wir... sind noch nicht so lange zusammen und wir hatten noch nicht so viele Gelegenheiten, aber von dem was ich bisher weiß ist er sowieso eher... uhm..." Er warf einen Blick in die Runde und in verwirrte Gesichter. "... passiv?" "Wie heißt er?", forderte Opa Nara zu wissen. "Neji", bekannte Shikamaru, ohne vom Tisch aufzusehen. "Neji, wie weiter?" "Neji Hyuga" Es wurde mucksmäuschenstill. "Ja...", verteidigte sich Shikamaru verlegen, "Ich weiß schon, anscheinend stammt er aus dieser superreichen Unternehmerfamilie..." "Die Hyugas", Muroshi schnappte nach Luft, während er sich an der Tischplatte festhielt, "Haben Luxushotels in allen möglichen Metropolen! Hast du noch nie gehört, dass Schauspieler und Prominente sich in ein Hyuga-Hotel zurückziehen wenn sie irgendwo Urlaub machen?!" "Ja schon, aber wenn ich das richtig verstanden habe wird er davon nie was übernehmen... die vererben das nur an direkte Nachkommen und er ist aus dieser Nebenfamilie, sein Vater ist nur der Bruder des Präsidenten..." Opa Nara streckte die Hand aus und gab Shikamaru einen kräftigen Klaps auf den Hinterkopf. "Au!", protestierte der, "Wofür war das?!" "Shikamaru Nara!", krächzte er streng, "Du sagst seine Einladung in die Hyuga- Hotel- Spa- Landschaft ab und gehst lieber zu alten Knackern ins Altersheim, weil du fürchtest, es könnte nervig sein?! " „Ja, naja! Ich dachte, das wird irgendwie peinlich-... mann, seht mich doch mal an, was soll ich denn in einem piekfeinen Beauty- Salon? Hätte ich zusehen sollen, wie ihn hübsche Mädchen mit Gurkenscheiben belegen wie eine Pumpernickelstulle...?“ Das Schweigen lastete vielsagend. Shikamaru hob den Kopf, seine Schultern sanken. "Oh mann", stieß er schnaufend hervor, "Ich bin echt ein totaler Idiot, oder?" Der Gesichtsausdruck der Anwesenden sprach Bände. In die Sprachlosigkeit hinein kam eine zierliche Krankenschwester mit Häubchen, blütenweißer Schwesterntracht und einem seligen Lächeln: "Will noch jemand Tee?" ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)