The Darkside von somali77 ================================================================================ Kapitel 80: Finsternis ---------------------- ~ Es nieselte. Ein feines, kaum hörbares Rieseln das die ganze Welt umschloss, unendlich sacht auf dem Beton, Stahl und Glas der Bushaltestelle. Lichter wurden tausendfach von Wasserflächen auf dem Boden widergespiegelt. Shikamaru saß dort, in die Stille zwischen zwei leere Metallsitze gepresst und versuchte vergeblich, eine selbstgedrehte Zigarette anzuschnippen. Sein Zippo schlug ölige Funken. Einmal, zweimal. Nichts. Als er aufsah, stand in respektvollem Abstand vor ihm der Andere. Neji Hyuga. Da stand er und ließ sich wehrlos vollregnen. So ein bizarres Bild gab er ab. Erschütternd schön, glattes Haar und große, tiefe Rehaugen, sein Mantel allein wahrscheinlich so teuer, dass Shikamaru Vorräte für ein ganzes Jahr davon hätte kaufen können. An Dosenravioli. Und Tiefkühlpizza. Nur ein paar Schritte waren sie voneinander entfernt, und doch war da diese unsichtbare Grenze zwischen ihnen. Shikamaru fragte sich, ob Neji auf eine Einladung wartete, näher zu kommen. Wie ein Vampir: „Sag, dass ich hereinkommen darf“... sein Bild von ihm- oder vielleicht eher das, von dem er bisher einfach ausgegangen war, rann ihm gerade durch die Finger. Wer war der Mann dort draußen? Eigentlich wussten sie nichts übereinander... oder? Jedenfalls längst nicht genug, wie es aussah. Neji schluckte sichtbar. Er schien selber mit sich zu kämpfen. Und Shikamarus Gedankenkarussell ratterte. Das mochte er überhaupt nicht. Er musste dringend eine rauchen. Und irgendwo hin, wo es still war. Nichts um ihn herum außer Wolken und Erde und Holz. Das hier überforderte ihn. „Ich...“, begann der Hyuga, „Tut mir leid. Das... ist nicht so gelaufen, wie ich gehofft hatte“ Shikamaru konnte sein trockenes Auflachen nicht rechtzeitig stoppen: „Wie hast du es dir denn erhofft? Hast du dir vorgestellt, ich schnapp mir so eine Peitsche und mache gleich mit?” Neji schwieg. Sein verlorener Blick sagte mehr als jedes gesprochene Wort. „Hat das echt schon mal jemand mit dir gemacht?“, Shikamaru musste es wissen- wollte es wissen- und gleichzeitig hatte er Angst vor der Antwort: „Hat dich schon mal jemand wirklich... ausgepeitscht?“ Nejis Blick wurde unsicher. Seine Stimme war schwach. „... ja“ „Sowas mit diesem... diesem Sounding- Zeug? Das auch?“ „... es ist nicht so, wie du-...“ „Beantworte einfach nur die scheiß Frage!“ „Ja...“ Shikamaru fuhr sich fassungslos mit beiden Händen ins Haar, versuchte beim Zerren an seiner Kopfhaut etwas mehr Klarheit zurück zu bekommen. Der Hyuga schwankte unsicher. Er ging keinen Schritt weiter vor-... aber er konnte auch sichtlich nicht weg. Seine stille Anwesenheit gab Shikamaru den Rest, machte ihn ungeahnt bissig, er schnaubte ein kaltes, grausames Lachen durch die Nase: „Hat dich auch schon mal wer angepinkelt?“ Der Rest Blut wich aus Nejis blassem Gesicht. Sein Blick war geschockt, huschte unruhig hin und her, als versuchte er, irgendwie in den Augen des Anderen herauszufinden, ob seine Antwort irgendetwas wieder gut machen konnte, ob es eine Möglichkeit gab die Situation zu beschwichtigen-... Shikamaru gefiel das nicht. Der Hyuga sah aus, als dachte er darüber nach, ihn elegant anzulügen, und das... das brachte ihn nur noch mehr außer sich. „Was?!“, forderte er. Nejis Blick sackte abwärts, zu den Füßen seines Gegenübers. Dort, wo sonst die verfluchten Springerstiefel saßen. Seine Stimme war nur ein Hauch. Sein Adamsapfel zuckte. „... ja“ Shikamaru vergrub sein Gesicht in den Händen und stöhnte einen hilflosen Fluch. „Soll... ähm... ich dich nicht heim fahren?“ Er sprach einfach weiter. Mit genau derselben, weichen Stimme ging der Hyuga nahtlos zu Selbstverständlichkeiten über, so als sei es -normal-, so als wäre Shikamaru derjenige, der sich hier seltsam benahm, so als ob man sich um -ihn- kümmern müsste-... „Ich fahre mit dem Bus“, knurrte der Nara, ohne aufzusehen. „Der... nächste ist aber in frühestens einer Stunde hier-... und... es fährt doch keine Linie hoch in den Wald...?“ „Danke, Captain Obvious!”, schnappte er, “Das ist mir auch aufgefallen! Herrgott, ich werde ja wohl in der Lage sein, alleine heim zu kommen, und wenn ich den ganzen scheiß Weg laufen muss!“ Neji zuckte zusammen, nur ganz leicht, kaum sichtbar, aber so als hätte man ihn geohrfeigt. „... Entschuldigung-... ich wollte nur-... immerhin bist du wegen mir in dieser Lage-... jetzt hab ich ein schlechtes Gewissen, lass mich doch bitte wenigstens ein bisschen davon wieder gut machen?“ Shikamaru sah auf, schüttelte leicht den Kopf. -Er- hatte ein schlechtes Gewissen? -Er- wollte etwas wieder gut machen...?! Endlich gelang es ihm, eine vernünftige Flamme zu bekommen. Er nahm zwei, drei tiefe Züge von seiner Zigarette und ließ dann endlich die Schultern sinken. „Ich bin grade einfach-... ich bin total durch den Wind, okay?”, stöhnte er. “Es ist völlig egal, wann ich nach Hause komme, und es wird guttun, eine Stunde lang einfach nur hier zu sitzen und dann den Rest des Weges zu laufen... das bringt mich runter. Und, nichts für ungut, aber mich von dir jetzt nach Hause fahren zu lassen, würde nichts besser machen.” “... Okay”, Neji schwankte schon wieder. Ein unsicheres Verlagern des Gewichts von einem aufs andere Bein. Er sagte das zwar, aber er rührte sich keinen Zentimeter... “Kann... ich vielleicht irgendwie sonst was tun? Dir... einen Kaffee holen, oder... Sag mir bitte einfach, was ich tun kann! Ich-... bin schrecklich schlecht in sowas-... ich fühl mich grade wirklich-... furchtbar, und ich hab-... Angst, dass wir-..!” Er klang wirklich verzweifelt. Shikamaru schüttelte müde den Kopf: “Hey-... nein, ist okay. Fühl dich nicht schlecht... Ich bin nicht wütend auf dich, verstehst du? Mein Hirn ist im Overdrive, das ist alles...” “Okay”, Neji schien beruhigter, konnte sich aber immer noch nicht richtig losreißen. “... Hast du... keine Bedenken, heute Nacht allein durch den Wald heimzulaufen? Ich meine-...” “Komm schon, Neji. Ich -lebe- im Wald. Nein, hab ich natürlich nicht. Entspann´ dich...” “Es passieren nur solche komischen Dinge, in letzter Zeit... ich... würde mich wohler fühlen, wenn du zwischendurch vielleicht nur eine SMS schickst..? Oder kurz anklingeln lässt, wenn du heil angekommen bist?” “Es gibt da um die Hütte herum fast keinen Handy-Empfang, weißt du doch. Schon gar nicht bei diesem Wetter. Und für Festnetz, das funktioniert, müsste ich noch die anderthalb Kilometer zu meinen Eltern hochlaufen. Hör zu, wenn es geht und ich dran denke, schick ich dir ne SMS, alles klar? Aber wenn es nicht geht, bei den tiefhängenden Wolken, dann ist es halt eben so. Es wird schon kein Meuchelmörder da rumlaufen...” Neji verzog das Gesicht. Er sah immer noch viel zu skeptisch und leidend aus. Shikamaru mischte ein schiefes Grinsen in seinen Blick zu ihm hoch. “Hey, seh ich etwa aus wie Rotkäppchen?”, murrte er, “Komm schon. -Ich- bin der Jäger, vergessen?” “... hast du nicht gesagt, du wärst eher nur so was wie ein Wildhüter?” Shikamarus Mundwinkel krümmten sich wieder zurück, er zog eine unbegeisterte Grimasse. “Mmh...”, knurrte er schulterzuckend. Neji stand betreten da. “Willst du... jetzt lieber allein sein?”, brachte er endlich über sich zu fragen. “Ja. Vielen Dank.” Leicht wich der Hyuga zurück, ein letztes, zögerndes Nicken, dann drehte er sich auf dem Absatz um. Neji sagte nichts mehr, gab keinen Laut von sich. Räumte in Kapitulation das Schlachtfeld, jeder Schritt schwer. Im glänzenden Nieselregen stand auf dem nahen Parkplatz ein gewaltiges Auto, dessen Motor gefällig zu schnurren begann, sobald er den Schlüssel hob. Drinnen, als er auf den weichen Ledersitz sank, die Sitzheizung ihn wohlig wärmte, er den Geruch nach Geld in jeder Pore wahrnahm, während die Lampe über ihm langsam verlosch, drücke er beide Handballen auf seine Augen, presste fester, so fest, dass er am ganzen Körper zu zittern begann, bevor er wieder abließ und ziellos ins Nichts starrte. Herzlichen Glückwunsch. Das war ja wieder einmal ganz toll gelaufen. ~ Kurz darauf schlugen vorbeihuschende Neonlichter ihren flirrenden Stroboskopeffekt ins Innere des dunklen Wagens hinein. Das Amatourenblett leuchtete in sanftem, kühlen Blau. Neji weinte nicht. Er schluckte nur öfter. Weinen konnte er schon seit sehr langer Zeit nur noch so richtig mit... Hilfestellung... Aber seine Augen brannten. Der Kloß in seiner Kehle war fett und schwer. Warum-... warum war er nur zu einem Leben voll von so schrecklichem Pech verflucht? Wenn Naruto Recht hatte und es kein Schicksal war... ... bedeutete das, es war seine Schuld... Und das war noch viel unerträglicher. Bemüht durchatmend versuchte er, den Überblick auf den nächtlichen Straßen nicht zu verlieren. Von hier aus musste er eine Strecke durch unübersichtliches Gelände, und-... das gefiel ihm mit diesem teuren Schlitten ohnehin schon nicht. Es war, wie einen fetten Köder durch brodelndes Hafenwasser zu ziehen. Früher oder später musste irgendetwas zuschnappen... Und diese Geschichten, die man in den Nachrichten hörte-... zerstückelt-... seine schweißfeuchten Finger rutschten über den Schaltknüppel. Er hatte sonst weniger Probleme damit, aber jetzt, wo er sowieso irgendwie in... emotional angeschlagener Verfassung war... Wahrscheinlich war es wirklich naiv gewesen, Shikamaru einfach mit zu schleppen und zu hoffen, dass andere Leute für ihn das Problem lösten. Er war nunmal wirklich schlecht mit Worten. Er konnte das nicht-... erklären, wenn jemand vor ihm stand, seine Zunge bleischwer und seine Knie schlotterig wurden und die Vernunft in ihm schrie: er hat Recht, du bist doch verrückt, es ist krank, das kann man nicht erklären, es ist vollkommen wahnsinnig... Er hatte mit seinem Therapeuten darüber gesprochen, und vielleicht war es wirklich eine Art Selbstbestrafung... aber wenn er bei seinen Freunden war, fühlte es sich an wie das Gegenteil...? Natürlich sah er ein, dass man es nicht verstand, wie jemand absichtlich etwas wollte, das sämtliche Bemühungungen von Fortschritt und Menschenrecht zu boykottieren schien. Warum er sich wohler damit fühlte, mehr über seine Körperöffnungen definiert zu werden, als über seinen Namen. Warum er lieber... ein Loch war, als “Mister Hyuga”. Dabei war es im Grunde ganz einfach. Das Loch genügte dadurch, dass es da war. Es sorgte für allseitige Freude und Befriedigung, allein durch seine simple, schnörkellose Existenz. Etwas, das “Mister Hyuga”, mit all seinen fein geschliffenen Kenntnissen und präzise trainierten Fähigkeiten niemals zustande brachte. Und weiß Gott, er hatte es wirklich versucht. Sein ganzes Leben war ein einziges Streben danach gewesen, endlich den Ansprüchen zu genügen. Wenn er nur brav war, wenn er nur die besten Noten nach Hause brachte, wenn er nur-... dann konnte vielleicht alles gut werden. Er hatte die besten Voraussetzungen gehabt. Liebling der Lehrer, Liebling seines gefürchteten Onkels, hochbegabt,“Wunderkind”... Es wäre gar nicht nötig gewesen, ihn schon in zartestem Alter zu Tode zu erschrecken mit Beispielen dafür, was “die Familie” tun konnte, wenn auch nur der geringste Hauch von Verdacht auf Verrat und Ungehorsam bestand. Es wäre nicht nötig gewesen, ihn durch pures Entsetzen noch mehr anzutreiben. Ihm seinen Vater zu entreißen, der einzige Mensch der noch eine Spur von Verständnis für seine zarte Seele aufgebracht hatte. So lange er denken konnte, war es ein natürlicher Wunsch gewesen, sich mit Harmonie zu umgeben und anderen Freude zu machen, ein Wunsch der erst schmerzhaft ausgebrannt und dann über jedes vernünftige Maß pervertiert worden war um sich jetzt langsam, zaghaft davon zu erholen... Die Hyuga- Familie war schrecklich... traditionell. Konservativ... auf der unschönen Seite davon bedeutete das so viel unverholene Voreingenommenheit gegenüber ihrer weiblichen Mitglieder. Seine Mutter war keine Option von Zuflucht gewesen. Ein Junge verkriecht sich nicht am Rockzipfel einer Frau. Der erste, unüberlegte Kommentar über schöne Kleider bei einer Modeveranstaltung, kurz nach der Trennung von seinem Vater, hatte ihm eine prompte Ohrfeige eingebracht. Zusammen mit der Belehrung, das sei nur zu seinem Besten gewesen- ein späterer Repräsentant des Hyuga- Clans könne sich schließlich nicht mit verweichlichten- weibischen- Interessen vor Geschäftsgegnern lächerlich machen. Dass sein Onkel Hinata- seine eigene Tochter- als spätere Repräsentatin nicht wirklich in Betracht ziehen wollte, obwohl er ironischerweise das Pech gehabt hatte, nur weibliche Nachkommen in die Welt zu setzen, war damals schon bittere Offensichtlichkeit gewesen... Und die Sache mit Kidomaru hatte seinerzeit eine ganz neue Tür aufgestoßen. Zu einer schillernden, neuen, persönlichen Hölle und einem vollkommen neuen Level von Qual und Demütigung... aber auch einer ganz neuen Idee von sich selbst. Dann hatte ihn Naruto gefunden, und-... Neji schluckte schon wieder. An den Uzumaki zu denken tat weh. Ihn zu sehen, ihn zu berühren, mit ihm zu sprechen... Es war wie eine verkrustete Wunde, von der er einfach die Finger nicht lassen konnte, auch wenn ihm klar war, dass es so niemals heilen konnte. Zur Heilung hätte er Shikamaru gebraucht. Jedenfalls hätte er sich ein wenig Unterstützung erhofft... Die bekam er nicht. Fein... Sein Leben schien ihn zu hassen, und er tat dasselbe wie in jeder Krise- sich auf seinen Atem konzentrieren, ein paar Meditationsübungen veranstalten- und in sich die bittere Gewissheit hegen, dass er es allein nicht schaffen würde. Egal was seine Erziehung ihm versucht hatte, weiszumachen. Nicht alles, was ihn nicht umbrachte, machte ihn stärker. Er hatte gelernt- wirklich gelernt, und das zählte er als kleine, persönliche Errungenschaft- dass chaotische Zustände schlimmer wurden, je mehr er damit auf sich allein gestellt war. Er brauchte einen äußeren Anker- sei es nur, um sich auszusprechen. Er brauchte jemanden, dem er nichts erklären musste, der verstand- zumindest die wichtigsten Dinge- der einfach nur da war. Einsamkeit machte ihn bitter, und Bitterkeit machte ihn gefährlich. Er wollte nicht wieder so werden, wie er vor einigen Jahren gewesen war... Verflucht sei dieser vermaledeite Uchiha, der ihm den Weg zu seiner einzigen Rettungsinsel verbaute! Ausgerechnet jetzt, und-...! ... Moment mal. War das nicht auch ein merkwürdiger Zufall? Jahrelang war der Kerl wie vom Erdboden verschluckt gewesen, und jetzt... ausgerechnet jetzt, wo massenhaft Todesfälle bekannt wurden, bizarre Morde, wo Chaos sich in der ganzen Stadt ausbreitete-... tauchte er wie aus dem Nichts wieder auf?! Und war plötzlich merkwürdig zutraulich zu Naruto...? Neji wurde kalt. Sein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Oh Gott-... gab es nicht das Gerücht dass der leibliche Bruder von diesem Kerl vor etlichen Jahren schon durchgedreht war und seinerzeit die komplette Belegschaft der Einrichtung abgeschlachtet hatte, in der er untergebracht gewesen war...? Sein unwohles Gefühl wurde zu handfester Befürchtung. Der blonde Uzumaki war nicht so naiv, wie man auf den ersten Blick glauben konnte, aber vielleicht doch zu gutgläubig, um seinem besonderen Jemand so finstere Absichten zu unterstellen. Was, wenn er zwar glaubte, dass sein Sasuke plötzlich aus unerfindlichen Gründen ihm gegenüber die Krallen einzog... der teuflische Uchiha aber nur darauf wartete, bis die Gelegenheit günstig war, um den Spieß umzudrehen und als schrecklichen Höhepunkt dieser Schlachterei Naruto selbst auf möglichst grausige Art und Weise zu töten?! Und-... Moment. Was, wenn er “zufällig” in letzter Zeit auch nur deshalb Narutos näheren Freundeskreis kennen gelernt hatte, um einen nach dem anderen von ihnen jetzt durch merkwürdige... “Unfälle” zu eliminieren, bevor er sich an sein Hauptziel heran machte? Verflucht... Neji spürte, wie ihm am ganzen Körper Schweiß zu prickeln begann. Vielleicht dachte er wieder zu viel. Das war ein altes Problem von ihm. Aber im Moment hatte er keinen Grund, sich -nicht- Sorgen zu machen! Außerhalb der Lichtkegel seines Wagens konnte er so gut wie nichts erkennen... Am Ende des zwielichtigen Viertels musste er durch eine schmale Häuserschlucht. Wie gemacht für eine Attacke... oder etwa nicht? Plötzlich hatte er das Gefühl, dass dort in der Dunkelheit schon jemand- oder etwas- auf ihn wartete... Sein Puls beschleunigte sich. Sein Fuß drückte sich tiefer aufs Gaspedal, gleichzeitig war ihm sehr wohl bewusst, dass es nichts gab dass ihn auf einen tatsächlichen Angriff vorbereiten konnte. Es ging alles zu schnell, wenn es passierte. Man war viel zu überrumpelt. Wenn er von einem Verrückten in einen abgelegenen Folterkeller geschleift wurde... hatte er bei seinem Pech überhaupt irgendeine Chance, dass ihm rechtzeitig jemand zu Hilfe kam? Naruto? Lee? Shikamaru? Bis morgen früh würde ihn niemand vermissen... und "bis morgen früh" konnte eine verdammt lange Zeit sein... Wenn er an Shikamaru dachte, kam ihm dabei die nächste verrückte Unmöglichkeit in den Sinn... wie konnte er das erklären, dass es ein Unterschied war, bedingungslos devot sein zu wollen-... und ernsthaft gefoltert zu werden...? Selbst in seinem eigenen Kopf verschwammen die Unterschiede zu verwirrenden Schlieren, Kidomaru´s Gesicht schien ihm aus der Dunkelheit schemenhaft engegenzustarren, wie eine dämonische Fratze: “Das willst du doch, stimmt´s? Ich gebe dir nur, was du brauchst!” Die Stimme war so in seine Erinnerung gefressen, dass es viel zu real klang, sich daran zu erinnern. Neji Hyuga kniff die Augen zusammen. Sein ganzer Körper stand unter Strom. Da bewegte sich doch wirklich etwas im Schatten der Hausschluchten...? Er presste den Fuß aufs Gas und betete zu allen Göttern und ihm bekannten Motivationsgurus, dass diese Nacht nicht er auf der Liste stand... ~ Shikamaru stand einige Zeit später im dunklen, schwankenden Stadtbus an die Haltestange beim Mitteleingang gelehnt. Sein Kopf war gesenkt, seine Augen halb geschlossen. Er war der einzige Fahrgast. Die Gegenden, durch die sie fuhren, sahen tatsächlich immer einsamer und verlassener aus. Auf langen, weichen Kurven hinaus aus den letzten Ausläufern der Stadt. Durchs Gewerbegebiet. Bis zur letzten Haltestelle. Er hob beim Aussteigen kurz die Hand, ein dankbarer, letzter Blickkontakt zum Fahrer. Als er auf dem Kiesweg stand, hatte es zu regnen aufgehört. Weiß knirschten Steine unter seinen Schuhen. Um ihn herum duckten sich bald die ersten Sträucher und Ausläufer des Waldes. Der Wind war seltsam kalt. Er hatte keine Taschenlampe, und ihm war völlig klar, dass er in kurzer Zeit nichts mehr sehen würde. Nicht wenn es so bewölkt war und die Bäume so dicht standen. Vielleicht nur noch den letzten, vagen Schimmer des hellen Weges, ansonsten-... pechschwarze Finsternis die ihn lautlos in sich aufnahm und von allen Seiten umschloss. Im nächtlichen Wald gab es immer ein Knacken im Unterholz, ein Rascheln das man nicht genau zuordnen konnte... Heute auch. Irgendwo in der Ferne schrie ein einsames Käuzchen. Das fiebrige Zirpen der Grillen klang wie lauernde Hintergrundmusik einer schaurigen Filmszene. Meuchelmörder... er hatte die Möglichkeit abgewunken, aber selbst er bekam Fetzen der Nachrichten mit. Irgendwo in der Gegend musste mindestens ein kapitales Exemplar auf der Lauer liegen, nicht wahr...? Die Frage war nur, ob es ausgerechnet diesen Weg ausgesucht hatte... Neji hatte nicht vollkommen unrecht. Dunkle Waldwege mit einsamen Spaziergängern in menschenleerem Gelände... waren ein geradezu perfektes Jagdgebiet... ~ Irgendwo knirschten schwarze Stiefel. Unruhig rieben grobe Finger den Schaft einer Sense in obszöner Bewegung. Auf- ab. Auf- ab. Eine Kette rasselte. Schweres, erregtes Schnaufen kam dazu. Der Körper setzte sich in Bewegung. Er glitt durch die Nacht wie durch sein natürliches Element. Ganz leicht. Beinahe schwerelos. Wie eine Klinge durch Butter- Fett- Unterhautfettgewebe... Tief in dem muskelbepackten Hals löste sich hungriges Grollen, das sich zu leisem, gierberauscht hellem Winseln hob. Seine Schritte wurden rascher. Determinierter. Das Ziel stand fest. ~ Kiba kam mit extra Strohhalmen zum Tisch zurück. Die roten Kunstledersitze des Diners waren fast völlig ausgestorben, außer ihnen daddelte nur die letzte Bedienung der Nachtschicht, ein desillusionierter Kerl mit schlapper Chaosfrisur, tiefen Augenringen und ständigem, kränklichen Hüsteln, hinterm Tresen gelangweilt an seinem Handy. Aus den Lautsprechern knarzte Johnny Cash. Der Inuzuka ließ sich auf den Platz gegenüber seiner Freundin fallen, nahm den Plastikbecher ins Visier und zückte einen der Trinkhalme, um ihn entschlossen zu dem bereits vorhandenen in die kleine Öffnung zu bohren. Hinata sah ihm mit einiger Belustigung zu. „Double Penetration!“, murmelte er, „Ohne Gleitgel!“, und simulierte eine Oktave höher dazu die imaginären Schreie des Colabechers. Endlich rutschte sein Strohhalm abwärts- seine Miene erhellte sich-... bis der Plastikdeckel riss. Hinata brach in helles Gelächter aus über sein dummes Gesicht. „Oh Gott, du hast ihn kaputt gemacht!“, kicherte sie, „Warum nimmst du denn nicht einfach meinen Strohhalm?“ „Jaah, zusammen – gleichzeitig- aus einem Becher trinken ist doch irgendwie romantischer, als jedes Mal zu warten bis der andere fertig ist...“ „Aww! Okay, gleichzeitig? Eins, zwei-...!“ „Mmmrh...“ Der Inuzuka spitzte die Lippen, lehnte sich zusammen mit ihr über die schmale Tischplatte und gemeinsam schlürften sie pappsüßes Zuckerzeug. Ihre Blicke trafen sich, das Grinsen wurde auf beiden Seiten breiter, bis Hinata sich schließlich nicht mehr beherrschen konnte und auflachend zurückwich. "Kibaaa!", fiepte sie protestierend. Ihr Partner ignorierte sie und saugte einen betont tiefen Schluck mit sichtlichem Genuss, und nicht nur einen, sondern zwei, drei, vier-... „Heeeey hey hey!“, schmale, milchweiße Finger klammerten sich schützend um den Becher, versuchten ihn ihm zu entreißen: „Naaain, lass mir auch noch was drin!“ Sein Grinsen ging bis über beide Ohren, er biss mit einem seiner spitzen Zähne neckisch ins Plastikröhrchen, wie um seine Eroberung zu markieren, "Heheh!" "Pfui, Kiba! Aus!", sie wedelte drohend mit einem der Extra- Strohhalme nach ihm, er bog belustigt und mit wenig Mühe seinen Kopf außer Reichweite. „Chill mal, ist doch re-fill~!“ „A-... aber ich hab auch Durst!“ „Heh, kein Wunder, so wie du vorhin noch ausgelaufen bist..?“ Er streckte unterm Tisch seine Hand aus um nach ihrem Bein zu fassen, sein wölfisches Grinsen im Gesich, die Stimme zum Raunen gedämpft: "Mmrrrh... Ich steh drauf wenn du so heiß und scharf auf mich bist, dass du richtig tropfst, Baby. Fuck... ich glaube, ich hab noch ganz klebrige Finger..." „Uwahh!“, sie zuckte zusammen, wurde natürlich rot wie auf Knopfdruck, als er ihr mit den Fingernägeln übers Knie glitt. "K-... Kiba, nicht! Sag sowas nicht d-... das ist ekelhaft!" Spielerisch glitten seine Finger nur ein winziges Stückchen mehr zur Innenseite ihres Schenkels. "Wirklich?", schmunzelte er, "Mmmh... böses Mädchen... dabei wird dir schon wieder ganz heiß im Schritt, wenn ich nur darüber rede... mein feines Näschen kann es riechen wenn du geil wirst, das weißt du doch... zwecklos, das vor mir verstecken~" „N-... nicht! Ich-...“, stotterte sie nach Luft schnappend, „Ich-... lass das-... ah-... doch nicht hier!“ "Nicht...? Du bist so zum Fressen, ich hätte gute Lust dich gleich hier im Männerklo nochmal ranzunehmen... vielleicht... direkt über den Waschbecken, Rock hoch und-... Du machst diese unglaublichen Geräusche wenn ich so richtig tief und hart stoße..." Sie leuchtete wie ein Lampion. Volle Kraft. Ihr Gesichtsausdruck sprach Bände-... Und Kiba hielt noch ein letztes, verheißungsvolles Augenbrauenwackeln durch... bevor seine Fassade in sich zusammen-, und er in schallendes Gelächter ausbrach. Es dröhnte aus seinem Brustkorb, schüttelte seine Schultern, trieb ihm kleine Tränchen in die Augenwinkel: "Oh Gott, jetzt tut´s mir fast leid, dass ich keinen mehr hochkriege...! Das Gesicht ist so geil von dir! Hahaha! Wie so ein geschockter Smilie, die Augen so rund, und der Mund nur so: "... oh...!" Hahahaha!!" Sie schob ihre Unterlippe vor, beugte sich über den Tisch, um ihm mit der Wucht eines fliegenden Wattebauschs einen Klaps auf die Stirn zu verpassen: "Du bist gemein!", schmollte sie. "Haha! Sorry Hina, ich hab mich voll verausgabt! Rién ne va plus, oder wie man bei euch da sagt: nix geht mehr! Haha! Aber du musst zugeben, das ist einfach zu geil! Du würdest das auch ausnutzen! Wenn du jemanden kennen würdest, der so reagiert- als würde man eine Ampel anknipsen, haha!" "Fieso!" "Hey, Hinata...? - Ficken! - Pussy! Hahahaa, siehst du?! Es passiert schon wieder!" "Ich kann nichts dafür, ja!" "Gott, ich hab echt die beste Freundin der Welt- sie mag Analsex und leuchtet im Dunkeln!" "Pass auf, ich bewerf dich gleich mit dem-... Becher hier!" "Oh nein, Gnade! Safeword! Mayday! Aaahh!!" Es half nichts, irgendwann musste Kiba noch einmal losziehen, um den Becher neu zu füllen. Der Kerl hinterm Tresen hustete immer noch. Dass der auch nicht zuhause blieb und stattdessen hier seine Seuche verbreitete... tss. Wahrscheinlich gab es eben auch keinen Ersatz zum Einspringen. Hoffentlich war das nicht ansteckend... Vielleicht war er ja auch nur genervt darüber, dass er nicht endlich Schluss machen konnte, weil zwei blödelnde Gäste sich weigerten, heim zu gehen. Tja, mit dem Heimgehen war das nunmal nicht bei jedem so einfach. Sein Pech... Kiba entsorgte den zerfetzten Deckel im Mülleimer, schob den Becher unter den richtigen Hahn und drückte den Hebel. Schaumig- braune Flüssigkeit rauschte in das Gefäß. Als er auf dem Weg zurück war, wechselte die Musik. Er hob den Kopf, runzelte irritiert die Stirn und glitt auf seinen Platz zurück. Hinata bemerkte den Gesichtsausdruck. Und natürlich wusste sie auch sofort, was er meinte. "Das ist eine neue Version... sie haben das mal als Backgroundmusik für die Vorschau der Zombie- Apokalypse- Serie genommen!" "Bad Moon Rising? Der Song ist cool, aber-... das hat fast nichts mehr mit dem Original zu tun? Das Original ist irgendwie witzig, das hier-... oh gott-... du kriegst Gänsehaut, wenn du den Sänger so ins Mikrofon raunen hörst, der hat ja ´ne Stimme wie aus den innersten Kreisen der Hölle...!" Hinata nahm den Becher in Empfang und schmunzelte. "Ich mag ihn-... früher, als Kind, hab ich immer "Red Moon" verstanden. Neji natürlich immer: "Es heißt "BAD Moon", kannst du etwa kein Englisch?!"" "I see a red moon rising", röhrte Kiba, in einem sinnlosen Parodieversuch der Version aus den Lautsprechern, "I see trouble on the way... don´t go around tonight, they´re bound to take your life... there´s a bad moon on the rise" Hinata kicherte, blickte skeptisch und schüttelte dann den Kopf. "Für deinen Auftritt bei einer Castingshow deiner Wahl musst du da wohl nochmal üben" "Was!" Das Geräusch in diesem Moment kam so laut und plötzlich, dass niemand darauf reagieren konnte. Die Scheibe der Eingangstür explodierte. Sie zersprang in Millionen glitzernde Teile, die sich wie eine Welle über den Fliesenboden ergossen und klirrend bis zum Tresen vor schlitterten. Schwarze Stiefel hoben sich über den verbliebenen Rahmen, in dem noch einsam einige scharfe Zacken steckten, setzten knirschend im Innern des Diners auf. ~ Das erste was man sah, war die Sense, die so unwahrscheinlich groß und auffällig war, dass sie jede Aufmerksamkeit auf sich zog. Man konnte jede Scharte sehen. Jeden halb weggeplatzten Farbfleck der einmal rot gefärbten Klinge, die inzwischen reichlich gebraucht aussah. Die klirrende Kette, die am Schaft hängend über den Boden schlitterte, bemerkte man erst auf den zweiten Blick. Und dann das Wesen dahinter: Ein bulliger Kerl mit kleinen Augen im breiten Schädel die dämonisch rot leuchteten, einer grinsenden Fratze und Oberarmmuskeln, die Kiba instinktiv zum Zurückweichen brachten. "Showtime", gurrte Hidan. Noch während es unmöglich war, auf die Flut von Unglaublichkeiten irgendeine angemessene Reaktion aus seinem überforderten Hirn zu quetschen, tauchte als dunkler Schatten eine zweite Person aus dem hinteren Bereich des Ladens auf, schnitt dem Barmann den letzten Fluchtweg ab. Ein scharfes Bellen aus ihrem ausgestreckten Arm sprühte feine Blutschlieren über die Theke und schleuderte den Körper des Bediensteten rückwärts. Und dann ging alles ganz schnell. Ein Griff des vermummten Riesen ins Genick des sich hustend und gurgelnd wehrenden Mannes, ein kräftiger Zug nach oben, zwei Schritte mit ihm hinter dem Thresen hervor, das Zerren über einen der Tische, das erregte Beben des Sensenträgers, zusammen mit einem merkwürdig hohen Laut, ein Geräusch wie das einer Hyäne im Blutrausch, bevor er den Arm hob und die Klinge aufblitzte: "Nein!" Hinatas entsetzter Aufschrei war unwillkürlich und instinktiv, geschockt schlug sie sich beide Hände vor den Mund, während vor ihnen Blut in einer klebrig roten Kaskade hochspritzte und mit einem einzigen Schlag den Boden vom Tisch bis zum Eingang färbte. Ein nasser, glänzend roter Teppich. Beide Gestalten über dem noch zuckenden Körper des Barkeepers hielten inne. Synchron drehten sich zwei Köpfe zu den letzten Gästen. Kiba streckte instinktiv seinen Arm aus, Hinata griff mit aller Kraft seine Hand, eiskalte, dünne Finger. "Sie sind vor der Tür", wisperte die Hyuga mit angstleiser Stimme, "Wir kommen nicht raus...!" Der Inuzuka war wie erstarrt. "Oh Scheiße", keuchte er. ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)