Digimon Battle Generation von Alaiya ([Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren) ================================================================================ Episode 20: Trügerische Stille ------------------------------ Episode 20: Trügerische Stille Ein Regierungssprecher äußerte sich gestern Abend noch einmal zu den vergangenen Vorfällen der Digimon-Angriffe. Er betonte, dass diese Vorfälle Ausnahmen seien und die Regierungsorganisation HYPNOS alles unter Kontrolle habe. Was der Auslöser für die Vorfälle war und andere Details, wurden nicht offiziell bekannt gegeben. Auch Gerüchte darüber, dass Mitarbeiter von HYPNOS bei dem Vorfall verletzt wurden, wurden nicht bestätigt. - Morgenausgabe der Mainichi Shimbun vom 29. Mai 2011 Mit offenen Augen lag Ryou in seinem Bett und lauschte den Geräuschen des Krankenhauses. Er fühlte sich elend. Nicht nur, dass zwei seiner Rippen gebrochen waren und er einige blaue Flecken, Beulen und Prellungen hatte. Nein, er war auch sauer und enttäuscht. Und dabei war er sich nicht einmal sicher, auf wen er sauer war, wenn nicht auf alle. Er war sauer auf Yamaki und Takato, weil diese nicht an ihn zu glauben schienen. Allein, dass Takato Shoji hinzugeholt hatte, zeigte das, wie auch, dass die beiden ihn immer stärker versuchten von den Medien fern zu halten und daraus nicht einmal einen Hehl machten. Sie taten so, als wäre er zu nichts gut. Allerdings, und hier war er sauer auf sich selbst, war vielleicht auch etwas daran. Er schien in letzter Zeit nichts richtig machen zu können. Egal was er tat: Es ging schief. Selbst kämpfen konnte er offenbar nicht einmal richtig. Sie hatten selbst gegen ein einfaches Perfect-Digimon nichts ausrichten können. Und auch bei Ruki kam er nicht weiter. Es war klar, dass sie irgendwie unzufrieden mit ihrer Beziehung war, doch er wusste nicht wieso. Was hatte er falsch gemacht? Und wieso sagte sie es ihm nicht einfach? Sicher gab es eigentlich wichtigere Dinge, über die er nachdenken konnte - über die er vielleicht auch nachdenken sollte - wie über das Turnier und die Frage, wer dahintersteckte, oder auch diese seltsamen, mit irgendetwas infizierten Digimon, die alles zerstörten, was ihnen in den Weg kam. Doch egal worüber er versuchte nachzudenken: Am Ende war es Ruki, die ihm einfach nicht aus seinem Kopf ging. Er wusste nicht einmal, ob er sauer oder enttäuscht war, weil sie ihn bisher nicht einmal im Krankenhaus besucht hatte. Wenn er zumindest wüsste, was mit ihr nicht stimmte... Wenn er zumindest wüsste, was er falsch gemacht hatte. Vielleicht aber hatte er auch einfach alles falsch gemacht... Er sah zu Monodramon, dass am Fußende des Krankenhausbettes lag, und selig vor sich hinschlief, wie meistens, wenn es nicht kämpfen konnte. Es schien das normale Leben in dieser Welt vorrangig langweilig zu finden, seit es sich daran gewöhnt hatte. Vielleicht konnte man es ihm nicht verdenken. Dennoch wünschte sich Ryou manchmal, dass er einen Partner hätte, mit dem er über Probleme reden konnte. Vor allem nun, da sonst niemand mit ihm reden wollte. Es war ein schöner Sonntag und die Sonne schien auf den Shinjuku Central Park hinab, während Namiko dort im Gras lag und unzufrieden zum Himmel hinaufsah. Ihr war langweilig. Sie hatte sich aus der Wohnung geschlichen, als ihr Vater eingeschlafen war, denn wenn es nach ihren Eltern ginge, würde sie im Moment wohl nur noch in ihrem Zimmer sitzen, da draußen ja alles mögliche passieren konnte. Natürlich hatte sie auch mitbekommen, was in der Stadt passierte. Sie wusste von diesen gefährlichen Digimon und sie wusste auch von dem Turnier. Aber es war doch nicht so, als könnte sie gar nicht auf sich selbst aufpassen. Immerhin war es nicht so, als ob sie nach Ärger suchen würde - sie wollte nur draußen sein. Dabei war ihr klar, dass sie solchen gefährlichen Digimon, gegen die Ruki und die anderen offenbar gemeinsam Probleme hatten, besser aus den Weg gehen sollte, doch das war kein Grund für sie und Lumamon gar nicht mehr nach draußen zu gehen. Doch nun dass sie draußen war, erschien es ihr hier auch nicht als wesentlich spannender. Obwohl Sonntag war, waren erstaunlich wenig Menschen im Shinjuku Central Park, so dass es beinahe wie ausgestorben wirkte. Namiko richtete sich auf und seufzte. Sie hätte am liebsten Zeit mit Ruki verbracht, doch diese war ausgerechnet mit ihrer Mutter weggefahren. Und so war Namiko offenbar zur Langweile verdammt. „Vielleicht sollten wir wieder nach Hause gehen“, meinte Lumamon nun, das ihre Gedanken zu lesen schien, und erschien neben ihr. Die Siebenjährige richtete sich auf. „Nein“, erwiderte sie entschlossen. „Zuhause ist es auch langweilig. Ich habe außerdem keine Lust den ganzen Tag mit Too-san zu verbringen. Er ist langweilig.“ Daraufhin gab ihr Partner ein leises Seufzen von sich. „Ich mache mir nur Sorgen.“ „Also im Moment sieht es hier nicht sonderlich gefährlich aus“, kommentierte Namiko dies und stand nun ganz auf. „Um genau zu sein, sieht es hier so ungefährlich aus, wie ich es mir nur irgendwie vorstellen könnte.“ „Aber so etwas kann sich schnell ändern“, erwiderte das Digimon. „Wir sollten dennoch vorsichtig sein.“ „Ja ja“, murmelte Namiko und verschränkte ihre Arme. „Sei doch kein Spielverderber.“ Das Digimon zögerte. „Entschuldigung.“ Dann auf einmal wandte es den Kopf zur Seite und sah den leichten Abhang, auf dem sie Standen hinab zu einem der Wege, die durch den Park verliefen. „Da sind zwei Tamer mit ihren Digimon“, sagte es vorsichtig. Daraufhin schwieg das Mädchen und lauschte. Tatsächlich konnte es langsam auch Stimmen hörten, die sich den Weg entlang zu bewegen schienen. Und dann hörte sie etwas, das ihr sehr bekannt vorkam. Ein entferntes: „Pipopapi!“ „Das sind Hirokazu-san und Kenta-san!“, rief sie aus und ehe ihr Digimonpartner etwas tun konnte, lief sie schon den Abhang hinunter auf den Weg zu. Derweil war sich Ruki auch nicht sonderlich sicher, was sie von ihrer momentanen Situation halten sollte. Immerhin war es etwas, was sie bisher meist versucht hatte zu vermeiden, doch Reika hatte das geschafft, was Rukis Mutter über Jahre hinweg vergebens versucht hatte: Sie hatte sie dazu gebracht, ein Spa zu besuchen. Nicht nur das! Sie hatte es auch geschafft, dass Ruki nun irgendein seltsam riechendes Mittel in den Haaren hatte und mit geschlossenen Augen in einem nicht minder seltsam riechenden Badewasser saß. Einzig dagegen, sich ihr Gesicht mit grüner Paste behandeln zu lassen, hatte sie sich bis zuletzt gewehrt. Nun, wo man sie endlich in dem kleinen, mit sanften, indirektem Licht ausgeleuchteten Raum, dessen Wände mit Holz getäfelt waren, allein gelassen hatte, musste sie zugeben, dass es an sich durchaus entspannend war. Allerdings ahnte sie, was der Grund war, dass Reika sie hierher mitgenommen hatte. Denn immer, wenn Reika sie allein auf irgendetwas einlud, dann wollte sie reden. Und dabei bestand nicht der geringste Zweifel, dass sie heute über Ryou reden wollte. Zugegebener Maßen: Die Methode war neu. Normaler Weise lud sie Ruki auf etwas ein, dass sie versöhnlicher Stimmen würde. Wieso sie sich also dazu entschlossen hatte, Ruki hierhin, wo sie sie ohnehin schon zu hatte überreden lassen, einzuladen, war der jungen Frau ein Rätsel. Falls es dazu gedacht war, Ruki in trügerischer Sicherheit zu wiegen, hatte es nicht geklappt. Doch dann, fragte Ruki sich, während sie allein in dem Badewasser lag, warum sie dann überhaupt mitgekommen war. Immerhin wollte sie nicht darüber reden, weil es nicht wirklich etwas gab, worüber man reden konnte. Oder? Sie seufzte. Es gab Dinge, die man nicht so einfach erklären konnte. Deswegen hatte sie mit niemanden darüber geredet. Mit einem weiteren Seufzen, ließ sie sich tiefer in das Wasser sinken. Es gab wirklich nichts worüber man reden konnte. Und sie merkte, dass sie sich hier nicht wirklich sicher fühlte, da Renamon nicht in ihrer Nähe war. Seit all diese merkwürdigen Dinge in der Stadt passierten, bevorzugte sie, wenn sich ihr Partner nicht zu weit entfernte, denn wer wusste schon, wann das nächste Mal etwas geschehen würde? Vielleicht wurde sie langsam paranoid, doch dies war wahrscheinlich ohnehin schon lange überfällig, wenn sie nur daran dachte, was in den letzten zehn Jahren alles passiert war. Und dennoch bereute sie nicht Renamon getroffen zu haben... Anders, als andere Dinge... Sie sah zur indirekt beleuchteten Decke über sich, ehe sie die Augen schloss. Vielleicht sollte sie, wenn sie schon hier war, versuchen nicht so viel nachzudenken, und sich - zumindest jetzt - etwas entspannen, so lange sie es noch konnte. „Was macht ihr so?“, fragte Namiko ohne große Einleitung oder Begrüßung an Hirokazu und Kenta gewandt, die mit ihren Digimon einen der betonierten Parkwege entlang kamen und sie für einen Moment überrascht ansahen. Kenta war es, der sich als erster fing. „Namiko-chan?“, fragte er vorsichtig. Im Vergleich wirkte Hirokazus Reaktion etwas ungehalten: „Was machst du denn hier?“ „Ich habe zuerst gefragt“, protestierte die Siebenjährige und sah die wesentlich älteren Jungen mit strengem Blick an. Die beiden jungen Männer wechselten verwirrte und ratlose Blicke. „Nun, wir haben uns hier getroffen, weil wir uns sonst nur noch selten sehen“, erwiderte Hirokazu schließlich. „Und du? Solltest du nicht eigentlich zuhause sein?“ Namiko runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts. „Wissen denn dein Vater oder deine Mutter, dass du hier bist?“, fragte nun auch Kenta. Ganz offensichtlich gereizt stemmte das Kind seine Hände in die Seiten. „Darf ich nicht auch einmal rausgehen?“, fragte sie missmutig. „Ich bin doch kein Kleinkind mehr, auf das man aufpassen muss. Außerdem bin ich auch ein Tamer!“, fügte sie hinzu und holte ihr Digivice heraus, während Lumamon sich am Rand des Weges zeigte, jedoch nichts sagte. „Ja, aber...“, begann Kenta etwas ratlos. „Es ist im Moment gefährlich hier draußen“, meinte Hirokazu altklug. „Da solltest du besser vorsichtig sein.“ „Und ihr?“, erwiderte Namiko offenbar unwillig nachzugeben. „Ihr seid aber auch hier draußen, obwohl es doch so gefährlich sind.“ „Wir sind viel älter als du.“ Der junge Mann sah sie streng an. „Und wir können mit unseren Partnern zusammen auf das Ultimate-Level digitieren.“ Damit wanderte sein Blick zu Lumamon. Tatsächlich war es so, dass Lumamon nur auf sein Adult-Level, jedoch nicht weiter digitieren konnte, weshalb es im Kampf weniger ausrichten konnte, als eins ihrer Digimon. Da es selten kämpfte und Yamaki sich sicher bemühen würde, dass seine Tochter keine blaue Karte in die Hände bekam, war es auch nicht sonderlich wahrscheinlich, dass sich dies allzu schnell ändern würde. Bevor Namiko zu einer empörten Erwiderung ansetzen konnte, mischte sich ihr Partner nun selbst ein. „Er hat Recht, Namiko“, meinte Lumamon vorsichtig. „Und wir sollten wirklich vorsichtig sein.“ „Ja, aber...“, begann das Mädchen. „Du musst dich gegenüber von niemanden beweisen“, fuhr ihr Partner fort. Namikos Hände verkrampften sich, während sie nun auf den Boden sah. „Aber...“ Für einen Moment herrschte ein etwas gedrücktes Schweigen, ehe sich Kenta an das Kind wandte. „Was wir damit sagen wollen ist, dass es wirklich nicht nötig ist, dass du dich unnötig in Gefahr bringst. Selbst wenn es gerade sehr friedlich erscheint. Dadurch würdest du doch nichts erreichen, oder?“ Das Mädchen erwiderte nichts, wobei nicht zu erkennen war, ob es dies aus Trotz oder weil es verstand unterließ. „Mach dir daraus nicht so einen Kopf, Namiko-chan“, meinte nun auch Hagurumon aufmunternd, während es an Hirokazus Seite in der Luft schwebte. Und auch Penmon stimmte dem mit einem zumindest anscheinend freundlich gemeintem „Popopa!“ zu. Leise seufzte Namiko. Gänzlich überzeugt schien sie nicht zu sein. „Dann gehe ich halt wieder nach Hause...“, murmelte sie, alles andere als begeistert. „Ich dachte nur, ihr würdet mich verstehen...“ „Wieso?“, platzte es aus Hirokazu unüberlegt heraus, als ihn das Mädchen mit Tränen der Frustration in den Augen ansah. „Na, ihr seid doch auch einfach mit in die digitale Welt gegangen, als Ruki und die anderen damals aufgebrochen sind. Dabei hattet ihr nicht mal einen schwachen Partner, sondern gar keinen Partner und habt euch und die anderen dabei in Gefahr gebracht!“, rief sie. „Ruki hat mir das alles erzählt!“ „Das war etwas anderes“, meinte Hirokazu und verschränkte die Hände vor seiner Brust, doch Kenta seufzte. „Du hast ja Recht, Namiko-chan“, meinte er und kniete sich nun vor das Mädchen. „Wir waren damals vollkommen besessen von der Idee auch Tamer zu werden und sind daher mit den anderen in die digitale Welt gegangen, ohne darüber nachzudenken...“ Für einen Moment machte er eine Pause und wartete darauf, dass Namiko ihn ansah. „Aber du bist doch schon ein Tamer... Stell dir vor, du würdest von einem der gefährlichen Digimon angegriffen und Lumamon würde dich beschützen. Würdest du wirklich riskieren wollen, dass sie Lumamon besiegen?“ Das Mädchen schluckte, schüttelte dann aber vorsichtig den Kopf. „Deswegen ist es besser, wenn du in Sicherheit bleibst, so lang all diese verrückten Dinge in der Stadt passieren“, fuhr Kenta fort. „Dann müssen sich außerdem deine Eltern auch keine Sorgen machen.“ „Aber...“, setzte das Mädchen noch einmal unschlüssig an. „Aber ich kann doch allein auf mich aufpassen.“ „Und dennoch gibt es eine Menge Gefahren“, meinte Kenta sanft. „Ich mach dir einen Vorschlag: Wir essen jetzt irgendwo ein Eis und dann bringen Hirokazu und ich dich nach Hause. Was sagst du?“ Das Mädchen sagte nichts, sondern nickte nur langsam und widerwillig. Nicht geringer als der Widerwille Namikos, war der Rukis, als diese Reika gegenüber an einem Tisch im zum LaQua gehörenden Café saß, nachdem sie endlich dem Beautysalon der Therme entkommen war und außerdem eine halbe Stunde in einem der Bäder zugebracht hatte. Sie trank einen Eistee durch den Strohhalm und sah Reika misstrauisch an, da diese noch immer nichts gefragt hatte und wahrscheinlich wartete, dass Ruki von sich aus etwas sagte. Und während sie sich noch immer nicht sicher war, was sie überhaupt sagen sollte, so war sie langsam auch ungeduldig, da sie dieses fraglos unangenehme Gespräch möglichst schnell hinter sich bringen wollte, da sie ihm ohnehin nicht entkommen konnte. „Du willst reden, oder?“, fragte sie so schließlich mit ungehaltenem Unterton in der Stimme und sah die 18 Jahre ältere Frau nun direkt an. „Wieso glaubst du das?“, entgegnete Reika. Ruki, die wie Reika auch, momentan leichte Sommersachen trug, da man das Café nicht mit Badesachen betreten durfte, rückte ihren Stuhl nervös zurecht. „Na, deswegen hast du mich doch hierher gebracht, oder?“ Sie wich nun den Blick der älteren Frau aus. „Es ist ja nicht das erste Mal.“ Immerhin wusste Reika, dass Rukis Mutter Rumiko sich schwer tat, ihre Tochter auf Probleme anzusprechen - wenn sie diese überhaupt bemerkte, zumal sie in den letzten Monaten noch weniger Zeit für Ruki hatte, als zuvor. Deswegen war es Reika, die die nun junge Frau immer wieder auf Dinge ansprach, wenn Ruki von selbst mit niemanden redete, und diese war nicht selten dankbar für einen Rat, selbst wenn sie es nicht offen zugab. Nur dieses Mal... Mit einem gekünstelten Seufzen ließ sich Reika in ihren Stuhl zurücksinken. „Nun, da hast du mich durchschaut“, meinte sie. „Dann muss ich mich ja auch nicht weiter bemühen... Also: Was ist mit dir und Ryou los?“ Auch Ruki seufzte nun wieder. „Nichts“, erwiderte sie. „Es ist nichts.“ „Und weil nichts ist, hast du ihn nicht einmal im Krankenhaus besucht?“ Die jüngere Frau schwieg eisern. „Und weil nichts ist, versuchst du ständig, wenn er mit dir reden will, ihn abzuwimmeln?“ Noch immer schwieg Ruki und brachte die Ältere dadurch zu einem nun gänzlich ehrlichen Seufzen. „Ich weiß ja, dass Ryou...“ Sie schien nach dem richtigen Wort zu suchen. „Problematisch sein kann. Aber dennoch... Ich komme nicht umher mir im Moment Sorgen um ihn zu machen. Er hat es gerade nicht besonders leicht und dein Verhalten macht es sicher nicht besser für ihn.“ Ruki schwieg. Das wusste sie alles. Die Sache war nur, dass es auch nicht leichter war mit Ryou zu sprechen, so lange sie nicht wirklich wusste, was sie ihm sagen sollte. „Ist irgendetwas zwischen euch passiert?“, fragte Reika nun, bekam aber nur ein Kopfschütteln zu r Antwort. „Und du bist...“, begann die Ältere nun, was Ruki schließlich dazu brachte leicht genervt auf die nicht zu Ende gestellte Frage zu antworten. „Ich bin auch nicht schwanger. So etwas hat damit nichts zu tun.“ Nun schwieg Reika und wartete, dass Ruki mehr sagte. „Ich möchte einfach nur etwas Abstand haben“, meinte Ruki vorsichtig. „Ich will einfach über ein paar Dinge nachdenken, ohne dass...“ Für einen Moment zögerte sie. „Ohne dass Ryou ständig etwas von mir will...“, endete sie dann auf eine möglichst unverfängliche Art und Weise. Dies war nicht die ganze Wahrheit, doch es war alles, was sie im Moment von sich aus zu sagen bereit war. Für eine Weile schwieg Reika nun. Wahrscheinlich ahnte sie, dass Ruki ihr nicht alles sagte, doch sie zögerte, sie darauf anzusprechen. „Und deswegen redest du gar nicht mehr mit ihm?“, fragte sie schließlich vorsichtig. „Und gehst ihm auch ansonsten aus dem Weg?“ Ruki wandte sich nur wieder ihrem Eistee zu. „Ich brauch nur etwas Zeit für mich“, murmelte sie halblaut. „Ich meine, immerhin... Immerhin...“ Sie senkte die Stimme noch weiter. „Immerhin bin ich schon fünf Jahre mit ihm zusammen...“ Darauf bekam sie keine Antwort. Die Wahrheit, über die sie nicht reden wollte, war eine andere. Denn die Wahrheit bestand aus verschiedenen Teilen und auch wenn Ruki sich sicher war, dass Reika zu jedem der Teile einen guten Rat haben würde, so glaubte sie nicht, dass dieser ihr weiter helfen konnte. Denn letzten Endes lief es darauf hinaus, dass sie sich selbst nicht mehr sicher war, was sie fühlte oder je gefühlt hatte. Und was Ryou fühlte... Er hatte mit ihr geflirtet, selbst als sie noch jünger waren und eigentlich war sie davon immer genervt gewesen. Doch, vielleicht weil er sich auch immer um sie gesorgt und so vieles für sie getan hatte, hatte sie sich irgendwann in ihn verliebt. Aber nun fragte sie sich, was davon noch übrig war. Vor allem jedoch fragte sie sich, was sie für Ryou genau bedeutete und was dies wiederum für sie bedeutete. Diese Frage stellte sie sich nun seit bereits zwei Jahren, doch seit all diese Dinge in den letzten Monaten geschehen waren und sie dabei ihre anderen Freunde beobachtet hatte, hatte sie sich mehr Gedanken darüber gemacht. Wie auch über eine andere Frage. „Weißt du“, begann Reika schließlich resignierend, „ich kann verstehen, dass du nicht über alles reden willst. Aber...“ Sie zögerte. „Du solltest dich zumindest etwas um ihn kümmern. Und sag ihm zumindest, was los ist...“ Stumm nickte Ruki. Es war später Nachmittag, als Hirokazu und Kenta mit Namiko und den Digimon am Apartmenthaus, in dem die Familie Yamaki lebte, ankamen. „Hast du einen Schlüssel?“, fragte Hirokazu. Das kleine Mädchen nickte und sah sie an. „Ihr müsst nicht mitkommen“, meinte sie vorsichtig. Bevor sie etwas erwidern konnten, fügte sie „Papa wird wahrscheinlich sauer sein“ hinzu. Die beiden jungen Männer tauschten Blicke. „Aber du haust nicht wieder ab, oder?“, meinte Kenta dann. Namiko zuckte mit den Schultern. „Es ist ja eh langweilig“, erwiderte sie, ehe sie ihren Schlüssel aus der Tasche zog. „Keine Sorge... Außerdem wird Papa dann noch wütender. Und Mama sollte bald nach Hause kommen...“ Noch immer zögerten ihre beiden Begleiter. „Na gut“, willigte Kenta schließlich ein. „Bis dann“, murmelte das Mädchen nun und schloss die Tür auf. Derweil verbeugte sich Lumamon vor den beiden Männern. „Danke, dass ihr sie nach Hause gebracht habt.“ Nach diesen Worten folgte es dem Mädchen ins Haus. „Bis dann, Namiko-chan“, verabschiedete sich Kenta, blieb jedoch ungehört. Als die Tür ins Schloss fiel, seufzte er. „Man, ist das Mädchen anstrengend“, grummelte Hirokazu derweil. Er verschränkte seine Arme vor der Brust. „Du warst auch einmal anstrengend“, meinte sein Partner nun ehrlich. „Und ich wette, als du so alt warst, wie Namiko-chan, warst du noch anstrengender.“ Der Tamer sah missmutig drein. „Danke...“ Etwas unsicher sah Kenta seinen Freund an, während er sich selbst von der Tür abwandte. „Weißt du, Hagurumon hat Recht“, merkte er vorsichtig an. „Und Namiko-chan auch. Wir waren damals wirklich unvorsichtig und haben wahrscheinlich für mehr Chaos gesorgt, als Namiko-chan jetzt.“ Er zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder in Bewegung. „Ich glaube, würde ich jetzt mein zehnjähriges Ich treffen, so würde es mir gehörig auf den Wecker gehen.“ Für einige Sekunden blieb Hirokazu noch stehen, während Penmon und Hagurumon bereits Kenta folgten. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich, wurde weicher, aber auch trauriger. „Wahrscheinlich hast du Recht“, murmelte er schließlich, als er ebenfalls losging. „Wir sind damals einfach so in die digitale Welt mitgekommen... Wahrscheinlich hätten die anderen wesentlich weniger Scherereien ohne uns gehabt.“ „Wahrscheinlich“, stimmte Kenta zu. Besorgt sah Hagurumon nun zu seinem Partner. „Aber ich bin dennoch froh, dass du mitgekommen bist, Hirokazu. Ich bin froh, dass wir uns getroffen haben.“ „Danke“, murmelte der Junge. „Pipipapi!“, meinte Penmon nun zum ebenfalls sehr bedrückt aussehenden Kenta, der daraufhin matt lächelte. Dann gingen sie für eine Weile nebeneinander her, ohne weitere Worte zu verlieren. „Weißt du“, begann Hirokazu, als sie in Richtung der nächsten Hauptstraße abbogen, „im Moment passiert es nur schon wieder.“ Kenta blieb stehen und sah ihn an. Der andere ließ seine Schultern hängen. „Was können wir im Moment schon machen? Takato und die anderen Kämpfen... Selbst Shoji kann öfter etwas machen als wir. Wir bekommen ja nicht einmal mit, wenn ein Kampf stattfindet...“ Auf diese Worte erwiderte Kenta nichts, sondern sah nur schweigend in die Ferne, wo einige Autos in der Sonne glänzend über die Straße fuhren. Zur selben Zeit schloss Namiko, wenngleich widerwillig, die Tür zum Apartment auf, in dem sie mit ihren Eltern zusammen lebte. Sie holte tief Luft, ehe sie „Ich bin wieder da!“ rief. Noch während sie ihre Schuhe auszog, kam ihr Vater aus der Küche. „Wo bist du gewesen?“, schimpfte er. „Ich habe mir Sorgen gemacht. Du sollst doch nicht rausgehen!“ Das Mädchen verkrampfte ihre Hände zu Fäusten. „Mir ist nichts passiert. Ich war im Park und habe dort gespielt. Und dann habe ich mit Hirokazu und Kenta-kun ein Eis gegessen. Wir haben nicht mal mehr als ein paar Baby-Digimon gesehen.“ „Das ändert nichts daran, dass wir es dir verboten haben!“, erwiderte ihr Vater. „Es hätte etwas passieren können!“ „Und?“ Stur, wenngleich mit Tränen in den Augen blickte Namiko ihn an. „Willst du mich deswegen hier immer einsperren? Das ist nicht fair, Papa!“, rief sie. „Und Lumamon wird mich schon beschützen!“ Mit einem letzten wütenden Blick wandte sie sich ab. „Ich gehe auf mein Zimmer.“ Und während sie tatsächlich zur Tür ihres Zimmers hinüber ging, sah Lumamon ihren Vater an. Das Digimon zögerte und schien etwas sagen zu wollen, doch dann verbeugte es sich nur kurz, als entschuldigende Geste für das Verhalten seines Tamers, und folgte dann dem Mädchen, das bereits am Fenster seines Zimmers saß und schmollend hinaussah. Yamaki Mitsuo blieb derweil am Durchgang zwischen Küche und Flur stehen, unsicher, was er tun sollte. Denn die Wahrheit war, dass es nicht viel gab, was er tun konnte. Er wusste, dass Namiko nicht auf ihn hören wollte, egal was er sagte – vor allem so lange sie schmollte. Sie wollte nicht eingesperrt werden und er konnte es auch verstehen, selbst wenn es nicht unüblich war, dass Siebenjährige in der Innenstadt nicht allein herumlaufen durften. Doch was konnte er sonst tun, um sie vor all den neuen Gefahren in dieser Stadt zu schützen? Auch Ruki ging es, als sie sich in der Dämmerung auf den Weg nach Hause machte nicht besser. Auch sie schmollte, wenn man es so ausdrücken wollte, während sie in der Bahn stand und aus dem Fenster sah, während diese in die Nishi Shinjuku-Station einfuhr. Noch immer wusste sie nicht wirklich, was sie tun sollte. Natürlich war ihr klar, dass Reika recht hatte und es nicht fair gegenüber Ryou war, wenn sie ihm nicht sagte, wie sie zu ihm stand. Aber sie war sich dessen selbst nicht klar und wusste, dass er es nicht wirklich akzeptieren konnte, dass sie nachdenken wollte. Sie wusste, dass er nicht so leicht aufgeben würde – das hatte er noch nie. Und vielleicht war gerade dies etwas, dass sie so widerwillig machte, wenn sie daran dachte, mit ihm zu reden. Mit einem Quietschen kam der Zug zum Halten und sie stieg aus, während ihr Renamon wie ein Schatten folgte. An einer Zentralen Station wie dieser war auch am Wochenende um diese Zeit viel Betrieb, selbst wenn nicht so viel, wie in der Rush Hour an den Werktagen, doch es reichte, um sich in der Menge treiben zu lassen. „Ruki!“, hörte sie auf einmal, während sie durch die Eingangshalle des Bahnhofs ging, eine Stimme nach sich rufen und sah sich um. Neben einem Getränkteautomaten sah sie drei vertraute Gestalten: Ai, Makoto und Impmon. „Hey“, erwiderte sie und winkte den Drein halbherzig zu. Diese kamen nun durch die Menge zu ihr herüber. „Was machst du hier?“, fragte Ai, die Impmon trug, damit dieses nicht unter die Füße der Menschen geriet, die durch die Halle drängten. „Ich war in Bunkyo“, erwiderte Ruki, ohne das geringste Interesse daran, zu erzählen, was sie dort gemacht hatte. „Und ihr?“ „Wir kommen auch Chou zurück“, meinte Makoto mit sachlichem Tonfall. Daraufhin nickte Ruki nur. „Du wirkst nicht sonderlich fröhlich“, stellte Impmon fest und sah sie von der Seite aus an. Die junge Frau zuckte nur mit den Schultern. „Ich hatte einen langen Tag.“ „Wir auch“, meinte Ai. „Solltet ihr nicht langsam nach Hause?“, fragte Ruki, als sie endlich den Ausgang erreichten. „Eure Eltern machen sich sicher Sorgen?“ Die Zwillinge sahen sich an. „Na ja“, murmelte der Junge. „Unser Vater ist für seine Firma unterwegs...“ „Und unsere Mutter ist froh, wenn sie mal ein wenig Ruhe hat“, stimmte Ai zu. „Außerdem...“ Sie zögerte für einen Moment. „Es gibt für uns aktuell wichtigeres zu tun.“ Ruki erwiderte nichts. Dennoch verstand sie die beiden. Sie konnte sich daran erinnern, dass es ihr damals – vor zehn Jahren – nicht anders gegangen war. Ihre Mutter hatte wegen Fotoshootings, Werbeauftritten und dergleichen immer viel zu tun gehabt und war selten zuhause gewesen. Und sie selbst hatte sich um die wilden Digimon, die Deva und all die anderen Dinge gekümmert. Vielleicht war es nur ungewohnt nun diese beiden dabei zu sehen, wie sie ähnliches taten. Dabei waren Ai und Makoto sogar älter, als sie es gewesen war, damals... „Vielleicht solltet ihr dennoch nach Hause gehen“, meinte sie schließlich mit einem unterdrückten Seufzen. Dann zuckte sie mit den Schultern. „Ich meine, ihr könnt machen, was ihr wollt. Aber ich gehe auf jeden Fall nach Hause.“ „Ruki-san“, begann Makoto daraufhin plötzlich, „hast du eigentlich Ryou-san im Krankenhaus besucht?“ Für einen Moment sah sie ihn an, antwortete ihm aber nicht. „Tschüss, ihr drei“, meinte sie nur und wandte sich ab. Sie hatte keine Lust, noch einmal so ein Gespräch zu führen. Schon gar nicht mit zwei Jugendlichen, die fünf Jahre jünger waren, als sie selbst. Der Mann saß vor seinem Computer, während der große Raum in das blutrote Licht der untergehenden Sonne getaucht wurde, die man nur als Spiegelung in den Fenstern des gegenüberliegenden Gebäudes sehen konnte. Er wusste, dass es so nicht weitergehen konnte. So könnte er sein Ziel nicht mehr erreichen. Mittlerweile verfluchte er sich. Er hatte gedacht, das wäre eine gute Idee, dieses störrische Mädchen einzuladen, auch wenn sie und ihr Bruder zur ersten Generation der Tamer gehörten. Er hatte gedacht, ein Ultimate-Digimon würde alles noch ein wenig spannender machen. Doch nie hätte er damit gerechnet, dass sich die anderen Tamer wirklich vom Kämpfen abhalten lassen würden. Es musste enden, bald, wenn er sein Ziel noch erreichen wollte. Sonst würden noch mehr dieser dummen Kinder aufgeben und aufhören zu kämpfen – für sein Ziel. So begann er zu schreiben: Tamer! Die Zeit ist gekommen, endgültig zu beweisen, wer der Stärkste ist und wer der Kraft des Perfect-Levels würdig ist. Ihr habt es bis hierher geschafft, doch könnt ihr dieses Turnier für euch entscheiden? Kommt am 4. Juni zum Hibiyakoen in Chiyoda. Dort wird das Finale stattfinden und der Gewinner entschieden werden. Der Meister der Spiele Dabei machte sich ein Grinsen auf seinen Lippen breit. Am Ende würde er der Gewinner sein. Er, und niemand sonst. 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