Digimon Battle Generation von Alaiya ([Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren) ================================================================================ Episode 53: Wenn Welten kollidieren ----------------------------------- 31. Juli 2011, 7:01 – Paolo Alto „Wir können den Reboot in der realen Welt über die Shaggai-Plattform in Shinjuku initiieren“, erklärte Mizuno Gorou den Anwesenden. „Und was ist mit der digitalen Welt?“, warf ein Student, der offenbar ebenfalls ein Digimon hatte, da ein Psychemon an seiner Seite stand. „Dazu komme ich“, erwiderte der mittlerweile alt wirkende Japaner. Er sprach Englisch und was er sagte wurde über die Satelitennetzwerke, die sie zur Verfügung hatten – jedenfalls soviel Denrei verstanden hatte – nach Tokyo und wahrscheinlich auch an die anderen Labore, die sich an der Arbeit beteiligt hatten übertragen. „Um das Reboot in der digitalen Welt zu starten, muss jemand den Code in die digitale Welt bringen.“ „So, wie Dobermon damals den Code aus der digitalen Welt in die reale Welt gebracht hat“, schloss Jenrya und trat vor. Shibumi nickte. „Dasselbe gilt für die andere digitale Welt.“ Ein kurzes Schweigen herrschte, während sich die Anwesenden offenbar versuchten, die dazugehörige Logistik vorzustellen. „Was ist mit einem weiterem Arc-Programm?“, fragte Keith vorsichtig, da er wahrscheinlich denselben Gedanken hatte, wie alle anderen auch: Wenn sie die Welten rebooteten und der Effekt – worauf sie nur hoffen konnten, da jenes Flackern, dass wohl eine Störung der Darstellung ihrer Welt war, mittlerweile ganze Landstriche betroffen hatte – sofort eintrat, wäre es schwierig für denjenigen, der den Code in die digitale Welt brachte, zurückzukehren. Immerhin war eins der Ziele, die Welten in einen stabilen Stand zurück zu versetzen und da die enge Verbindung zwischen den Welten die Welten destablisiert hatte, war das einzige, was sie auf die Schnelle versuchen konnten, eine weitere Eiswand. Denrei hasste den Gedanken, doch er konnte ihn verstehen. Vor einigen Jahren hätte er vielleicht anders geantwortet, hätte man ihn vor diese Wahl gestellt, aber nun sah er ein, dass der Schutz der Menschen und Digimon wichtiger war, als die Enge zwischen den Welten zu erlauben. „Wir haben dafür keine Zeit mehr“, erwiderte Shibumi nur. „Und wie kommen wir in diese andere Welt?“, fragte wieder jemand anderes – ein anderer Professor mittleren Alters, dessen Name Denrei nicht kannte. Mizuno Gorou setzte auf eine Erklärung an, doch es war Denrei, der nun vortrat. Er hatte sich darüber bereits die letzten zwei Tage Gedanken gemacht, seit ihm klar geworden war, dass es auf diese Lösung hinaus laufen würde. „Ich werde gehen!“, sagte er laut. Sein Magen zog sich zusammen, als sich alle im Raum zu ihm umdrehten, da er die ganze Zeit an der Rückwand des Zimmers, der ob der vielen Menschen, die hier arbeiteten, und Maschinen, die dabei liefen, warm und schwül war. „Ich war bereits in jener anderen Welt“, erwiderte er. „Und ich glaube Dracomon und ich werden den Weg dahin zurückfinden.“ Er merkte wie Shuichon nach seiner Hand griff, doch sie sagte nichts. Beinahe als hätte sie bereits damit gerechnet. Er drückte ihre Hand und fühlte sich schlecht, dass er vorher nicht mit ihr gesprochen hatte. „Was…“, setzte Jenrya an, doch Denrei sah ihn nur an. „Ich werde gehen.“ 31. Juli 2011, 22:11 – Shinjuku, Tokyo Bilder strömten in Takatos Bewusstsein. Das war also, wie diese Wesen kommunizierten. Bilder, Eindrücke, Geräusche. Da waren Bilder, die ihm vertraut vorkamen. Bilder, die, wie ihm klar wurden, den Erinnerungen des jungen Guilmon entnommen waren: Sein zehnjähriges Selbst, wie es vor dem gerade materialisierten Guilmon zurückwich. Renamon, das Angriff. Terriermon, das mit ihm spielte. Das mussten Eindrücke sein, die diese Anomalie von Guilmon geladen hatte, als sie es damals „entführt“ hatte. Da waren aber auch andere Bilder und Geräusche. Offenbar – so vermutete er – Dinge, die aus dem Netz in jene andere Welt gekommen waren. Als Videos, Texte, Audiodateien. Einige Dinge verstand er nicht, doch sie flossen dennoch auf sein Bewusstsein ein. Dann sah er eine große, weiße Kugel, umgeben von noch mehr weiß. Anstatt weiterhin in der Gestalt Dukemons zu sein, schwebten er, Juri und Guilmon im weißen Raum. „Wo sind wir?“, fragte Juri vorsichtig. „Zuhause!“, rief Guilmon aus. „Das hier ist ihr Zuhause!“ „Dies ist der Kern“, erwiderte eine Stimme, die von überall gleichzeitig zu kommen schien. „Dies ist ein Ort. Sie haben es Kern genannt.“ Juri sah sich um. Sie schien Angst zu haben, griff nach Takatos Hand, sagte jedoch nichts. „Ihr seid die Anomalie“, stellte Takato derweil fest und hielt die Hand seiner Freundin. „So haben die Menschen uns genannt“, erwiderte die Stimme. „Du bist ein Mensch.“ Dabei wurde das Wort Mensch auf eine Art ausgesprochen, als wäre es eine Frage oder ein wenig vertrautes Fremdwort. „Der Mensch Matsuda Takato.“ „Ja.“ Ihm war klar, dass diese Wesen auch diese Informationen aus Guilmons Gedächtnis absorbiert haben mussten. „Ich wollte mit euch reden.“ Er zögerte für einen Moment und sah sich um, in der Hoffnung irgendetwas zu entdecken, dass ihm mehr über diesen Ort verriet. „Ich habe euch sagen wollen, dass wir nicht gegen euch kämpfen wollten. Wir wollten nicht eure Feinde sein!“ Stille herrschte. Stille, die beinahe schon auf den Ohren zu drücken schien. „Wir verstehen“, antwortete die Stimme schließlich. „Warum seid ihr in die reale Welt gekommen?“, fragte Juri auf einmal. „Die reale Welt?“ Die Stimme klang beinahe fragend. Auch wenn sie monoton, wie die Stimme eines Computers klang, wirkte sie doch irgendwie verwirrt oder als würde die dahinterstehende Intelligenz Datenbanken durchsuchen. „Die Welt der Menschen?“ „Ja“, erwiderte Juri. „Wir wollten verstehen“, antwortete die Stimme. „Wir wollten wissen. Wir wollten mehr über die Menschen und das, was sie als organisches Leben bezeichnen, lernen.“ „Warum habt ihr dann nicht mit uns geredet?“, fragte Juri nun mit leiser Stimme. Doch Takato wusste es. „Das haben sie“, flüsterte er leise. „Wir haben sie nur nicht verstanden.“ „Korrekt, Matsuda Takato“, echote die Stimme durch das weiße Nichts. „Aber jetzt werden alle Welten zerstört“, seufzte Juri. „Eure. Unsere. Die digitale Welt.“ „Das war nicht unsere Absicht“, erwiderte die Stimme und fügte dann hinzu: „Katou Juri.“ Hatten diese Wesen diese Information aus ihrem Gedächtnis absorbiert? „Es tut uns leid.“ Schweigen. Dann fügte die Stimme hinzu. „Die Zeit ist beinahe vergangen…“ Rauschen war zu hören und das ohnehin nur schwer definierte Bild vor ihren Augen – oder vielleicht viel eher ihrem Geiste – verschwamm. Erst langsam, dann immer schneller, ehe ein elektrischer Schock durch Takatos Körper fuhr und er sich im nächsten Moment wieder im Körper Dukemons auf der Hauptstraße Shinjukus widerfand. Noch immer streckte das seltsame Wesen sein Gegenstück zu einer Hand nach ihnen aus, doch die kleinen Tentakel hatten sich mittlerweile zurückgezogen. Die Augen des Wesens waren blau geworden und schienen zu flackern. Dann verschwanden sie und das Wesen fiel in die einzelnen Tetraeder zusammen. Juri zögerte und sah zu Dukemons Kopf hinauf. „Was ist gerade passiert?“, fragte sie leise. Takato zögerte, doch dann wurde ihm und Guilmon die Antwort gleichzeitig klar. „Ich glaube, es hat die Information gesammelt, nach der es gesucht hat.“ Etwas ließ ihn seinen Kopf drehen und erst jetzt wurde ihm klar, dass der Himmel sich bereits dunkel geworden war. Aber als sie Kontakt mit diesem Wesen aufgenommen hatten, war es doch gerade erst Mittag gewesen. Hatten sie so viel Zeit im Strom seiner Daten verbracht? „Wir sollten zurück…“, flüsterte er. 31. Juli 2011, 23:01 – Shinjuku, Tokyo Ein unangenehmes Gefühl breitete sich in Shojis Magen aus. Er hatte Denreis Stimme, auch wenn sie fremd in der englischen Sprache klang, erkannt. Er wusste, dass Denrei es ernst meinte. Immerhin waren sie lang genug befreundet und Shoji wusste, dass es in der Art seines Freundes war, so etwas zu tun. Trotz allem was vor drei Jahren passiert war, hatte Denrei doch sein bestes gegeben, die beiden Welten zu beschützen und wenn er vorher bereits Kontakt mit dieser Anomalie aufgenommen hatte, wunderte es ihn nicht, wenn er und Shuichon auch diese Anomalie schützen würden. „Wer geht dann in die digitale Welt?“, fragte eine Stimme. „Wir könnten gehen“, schlug eine recht junge Stimme vor. Hanegawa Ai, wie ihm klar wurde, als er sich umsah. „Nein!“, widersprach Yamaki mit fester Stimme. „Ihr seid zu jung!“ „Macht es denn jetzt einen Unterschied?“, fragte das Mädchen störisch. „Muss es ein Tamer sein?“, kam die nächste Frage von einem der Forscher. Yamaki reichte diese Frage über die Verbindung an Shibumi weiter. „It would be the easiest to deploy the code with the help of a D-Arc“, erwiderte der Forscher. Erneutes Schweigen. Immerhin waren neben ihm nur Ruki und die vier jungen Tamer, wie auch der ältere Nakamura-Junge da. Es war dieser, der nun vortrat. „Then me and Sanzomon will go“, sagte er laut und auf Englisch. „We have been living in the digital world for almost three years. We can go back.“ „Das kann nicht dein Ernst sein!“, protestierte sein jüngerer Bruder und griff nun nach seiner Hand. „Ich bin in die digitale Welt gegangen, um dich zurückzuholen! Du kannst nicht wieder gehen!“ „Wäre es dir lieber, wenn die Welten allesamt zerstört werden?“, fragte der ältere. Wütend funkelte der jüngere ihn an. „Das bedeutet noch immer nicht, dass du gehen musst!“ „Irgendwer muss es tun“, antwortete sein Bruder nur. Shoji sah auf sein Digivice, ehe sein Blick den seines Partners traf. Er wusste, dass sie beide dasselbe dachten: Sie könnten gehen. Wenn Denrei ging wäre es vielleicht nur das Richtige. Immerhin hatten sie – mehr oder weniger zumindest, da sie am Anfang hatten einander nicht leiden können – ihr Abenteuer gemeinsam begonnen. Doch dann waren da auch der Gedanke an das Grab seines Bruders, an seine Eltern. Sie hatten schon einen Sohn verloren. Wie konnte er es ihnen da antun einen weiteren Sohn zu verlieren? Was würden sie dann tun? Seine Hand um das Digivice zitterte. Er schloss seine Augen und holte tief Luft, ehe er die Klaue seines Partners auf seinem Bein spürte. Dann nickte er Gazimon zu und schwieg. Nein, er musste hier bleiben. „Ruhe, beide!“, unterbrach Yamaki derweil den Streit der Brüder. Diese funkelten ihn gleichermaßen an. „Keiner von euch beiden wird gehen“, sagte Yamaki und rieb sich die Stirn. „Mit Verlaub“, erwiderte der ältere. „Ich bin volljährig! Sollte ich das nicht selbst entscheiden können?“ Es war Reika, die sich nun einschaltete: „Deine Eltern hatten bisher nicht einmal eine Möglichkeit dich wiederzusehen. Glaubst du, es wäre ihnen gegenüber fair?“ Ihre Stimme war anders als die ihres Mannes nicht aufgebracht, sondern ruhig, aber streng. „Was für einen Unterschied macht es denn, wenn sonst die Welten zerstört werden?“, erwiderte der junge Mann, als Sanzomon eine Hand auf seine Schulter legte. Die automatische Schiebetür zum Labor öffnete sich und Takato kam, dicht gefolgt von Juri und Guilmon hinein. Kurz sahen die drei beinahe alle Augen im Raum an, ehe sie zu Shoji und Ruki hinüber gingen. „Then I'll go“, klang eine ihnen nicht unbekannte Stimme durch die Übertragung aus den USA. „Jian“, flüsterte Takato. Sofort gab es auch in San Fransisco darüber eine Diskussion: „You cannot do that, Jian“, protestierte wohl Lee Janyuu, ehe er etwas auf Chinesisch hinzufügte, das Shoji nicht verstand. „Tu es nicht, Jenrya“, meinte eine andere Stimme auf japanisch. „Denk an Shuichon.“ Das war Denrei. „Vielleicht sollte ich gehen“, erwiderte Shuichons Stimme zynisch. Natürlich gefiel es ihr nicht, dass niemand sie fragte. „Nein!“, protestierten beide Jungen beinahe gleichzeitig. „Was ist genau los?“, fragte Takato an Shoji und Ruki gewandt und musterte sie. Bevor einer von ihnen antworten konnte, war es Renamon, das leise die Stimme erhob. „Jemand muss den Code in die digitale Welt bringen. Jemand mit einem Digivice.“ Takato nickte seinen Dank für die Antwort und sah dann zu Guilmon. Das Digimon ließ ein echsenhaftes Grinsen sehen, ehe sich Takato an Juri wandte. Die beiden sprachen nicht, doch Shoji konnte sehen, wie eine ganzer Austausch zwischen ihnen stattfand und Juri schien es nicht zu gefallen. Sie schürzte die Lippen und schloss schließlich die Augen. Doch dann nickte sie und Takato trat vor. „Ich werde es tun!“, sagte er laut. „I'll do it. I'll go back to the digital world!“ 31. Juli 2011, 7:06 – Paolo Alto Vielleicht war es nicht richtig, doch was hatten sie denn für eine Wahl? Sie mussten es probieren und irgendjemand musste gehen. Also würde er gehen, wenn es bedeutete die Menschen und Digimon beschützen zu können. Denrei seufzte und sah zur flackernden digitalen Welt hinauf. Sie hatten nicht mehr viel Zeit. Dracomon stand neben ihm und sah ebenfalls zum Himmel. „Es tut mir leid, dass ich für dich mitentschieden habe, Dracomon“, meinte er schließlich und hockte sich vor seinem Partner. Das Digimon legte den Kopf schief. „Ich verstehe“, sagte es schließlich und brachte sich zu einem Grinsen, das dank seiner Reptilienschnauze beinahe schon gruselig aussah. „Wir retten alle, nicht?“ „Ja“, erwiderte mit einem Lächeln und legte eine Hand zwischen die Hörner seines Partners. „Wir retten sie und dann… Bleiben wir in jener anderen Welt.“ Wenn diese Welt sie nach dem Reboot noch unterstützen könnte. Er war sich absolut dessen bewusst, dass die Software oder was auch immer jene Welt am laufen hielt, in einer älteren Version vielleicht nicht fähig war die Intelligenz eines Digimon und eines Menschen oder generell fremde Organismen zu unterstützen. Als sie da gewesen waren hatte es gewirkt, als wäre alles in dieser Welt eine einzige, mit einander verbundene Intelligenz. Vielleicht eine Art Schwarmintelligenz. Vielleicht würde sie in ihrer vergangenen Version, wie sie sie wieder herstellen wollten, sie einfach abstoßen oder löschen, um sich selbst vor Fehlern zu bewahren. „Dann können wir mit der Stimme reden?“, fragte Dracomon. „Wahrscheinlich“, erwiderte Denrei mit einem Lächeln. „Können wir.“ Wenngleich wahrscheinlich mit sonst niemanden. „Hmm…“ Sein Partner legte den Kopf schief. „Ich würde mir nur mehr Farbe wünschen… Es war doch alles sehr weiß, oder?“ Daraufhin lachte Denrei leise. „Ja. War es. Vielleicht können wir ein wenig Farbe dahin bringen.“ „Ja“, meinte das Digimon, ehe es aufzuhorchen schien. Auch Denrei hatte es gehört: Die Tür zum Innenhof hatte sich geöffnet. Er holte tief Luft. Auch ohne sich umzudrehen wusste er, dass es Shuichon war. Sie ging auf ihn zu, die Augen fest auf ihn gerichtet. Er wusste, dass er auch hätte mit ihr sprechen sollen. Doch er hatte Angst, dass sie ihn davon abbringen würde. „Es tut mir leid“, flüsterte er, doch sie schüttelte nur den Kopf. Noch immer war ihr Arm in dem Gips, doch sie ging auf ihn zu und legte ihre Stirn einfach nur gegen seine Brust. Mit einem weiteren Seufzen hob er eine Hand und strich ihr durchs Haar. „Ich komme mit euch“, sagte sie schließlich. „Lopmon und ich kommen mit euch!“ Das kleine, langohrige Digimon, das hinter ihr über den Boden tapste nickte nur. „Ihr müsst nicht alleine gehen.“ Denrei sah es an, drückte Shuichon dann aber von sich fort. „Nein“, erwiderte er. „Nein.“ „Du kannst dahin nicht alleine gehen!“, protestierte sie und sah ihn ernster an, als er sie meistens sah. „Du kannst nicht einfach alleine gehen! Du wirst da doch verrückt!“ „Hör zu, Shuichon…“ Er sah sie an. Sie hatten so viel zusammen erlebt, waren auch im Frühjahr gemeinsam dort gewesen. „Ich mache das nicht zuletzt auch, um dich zu schützen.“ Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre Wange. „Was für einen Sinn hätte es dann, wenn du mitkommst?“ „Das wir die Welten dann gemeinsam retten“, erwiderte sie und legte ihre Hand auf die seine. „Wir können gemeinsam dort sein. Denrei…“ Zu seiner Überraschung schimmerten Tränen in ihren Augen. „Wir gehen gemeinsam.“ Wie gerne hätte er zugestimmt. Denn ja, natürlich fürchtete er sich vor der Einsamkeit jener anderen Welt. Immerhin konnten sie nicht wissen, ob sie jemals wieder einen sicheren Weg zwischen den Welten finden würden. Wenn nicht, dann wäre er vielleicht auf ewig nur mit Dracomon dort. Sicher, Dracomon war sein bester Freund, doch war es etwas anderes, als ein anderer Mensch. Etwas anderes als sie… Jedoch war da noch immer der Gedanke, dass er selbst sterben könnte. Seine Existenz könnte dadurch ausgelöscht werden und somit auch ihre, sollte sie ihn begleiten. „Nein“, sagte er schließlich fest. „Bitte. Shuichon. Tu mir diesen Gefallen. Bleib…“ Er seufzte und sah zu der Tür, in der er – nicht gänzlich unerwartet – Jenrya sehen konnte, der sie mit düsterer Miene beobachtete. „Und sei es nur, damit dein Bruder nicht Recht behält.“ Er zwang sich zu einem Lächeln. Auch sie kicherte leise, wenngleich nicht vollkommen aufrichtig, ehe er sich leicht vorbeugte um sie zu küssen. „Bitte“, flüsterte er dann und nahm sie in den Arm. „Bitte, Shuichon.“ Sie antwortete nicht, doch er merkte, wie sie leicht nickte. 31. Juli 2011, 23:18 – Shinjuku, Tokyo Vorsichtig löste sich Takato von Juri. Er wusste, dass es ihr gegenüber unfair war, hatte sie vor zehn Jahren doch schon Leomon verloren, doch was sollte er machen? Er wollte sie auch beschützen. Eigentlich wünschte er sich, er könnte noch einmal mit seinen Eltern sprechen, doch dazu blieb keine Zeit. Er hatte ihnen einen kurzen Brieg geschrieben und hoffte nur, dass sie ihm würden verzeihen können. Doch er wusste, dass es es tun musste. Er wollte diese Welt und die Welt der Digimon retten. Für seine Familie, für seine Freunde und auch für die Digimon. Ein weiteres Beben und dieses Mal schien das ganze Gebäude zu schwanken. Ein Flackern ging den Boden entlang und ließ sie beide knapp zur Seite springen. Das hatte nun vor einer halben Stunde so angefangen und sie hatten bereits festgestellt, dass man in den Boden einsinken konnte, wenn man diesem Flackern zu Nahe kam. Die Tür ging auf. „Takato“, begann Ruki leise. „Sie sind fertig.“ Er nickte und sah zu Juri, die nicht einmal weinte. Dann seufzte er und ging zur Tür hinüber. Ruki sah ihn von der Seite an. „Bist du dir sicher?“ Die ehrliche Antwort wäre wohl „Nein“ gewesen, doch stattdessen zwang er sich zu einem Lächeln. „Ach, machst du Witze? Ich kann in der digitalen Welt bleiben. Was will ich mehr?“ Natürlich durchschaute sie ihn, seufzte aber nur und verdrehte die Augen, offenbar um mitzuspielen. „Da gab es einen anderen Typ, der genau so einen Unsinn gesagt hat!“ Sie klopfte ihm auf die Schulter. Vor der Tür hatte Guilmon gewartet und tapste nun auf ihn zu, was ihn dazu brachte, das Digimon zwischen den Fledermausohren zu streicheln. „Bist du bereit?“ Das Digimon lächelte. „Guilmon ist immer bereit.“ So machten sie sich gemeinsam auf den Weg zum Treppenhaus. Das künstliche Tor zur digitalen Welt, das Yamaki, Lee Janyuu und die anderen Forscher einst gebaut hatten, um ihnen zu erlauben, ihre Partner zurückzuholen, war in einem der oberen Stockwerke. Sie konnten nur hoffen, dass es auch jetzt noch funktionieren würde. „Ich wünschte, die Aufzüge würden gehen“, schnaufte Ruki nach drei Stockwerken und stolperte zurück, als Takato sie im nächsten Moment bei der Schulter fasste. „Pass auf!“, rief er aus. Ein ganzer Treppenabschnitt hatte zu flackern begonnen. Niemand sagte etwas, bis das Phänomen erneut nachließ. Zumindest schien das Flackern vorerst nicht zu lange anzuhalten. Also hatten sie wohl noch mindestens ein paar Stunden. Als sie schließlich am Tor ankamen – das viel mehr, wie eine Bühne aus weißen Würfeln aussah – war der Raum von Forschern und auch einigen der anderen Tamer gefüllt, auch wenn Takato nicht umher kam die Abwesenheit von Hirokazu, Kenta und auch Steve zu bemerken. Wo waren sie? „Hier“, sagte Yamaki und gab ihm sein Digivice. Für einen Moment sah er ihn an und lächelte dann, etwas, das in den letzten Monaten bei Yamaki wieder selten geworden war. „Danke.“ Takato nickte nur und holte tief Luft. Noch einmal ging er zu Juri hinüber, um ihr zum Abschied einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Es tut mir leid. Wirklich.“ Dann jedoch wandte er sich ab und ging auf die vermeintliche Bühne, gefolgt von Guilmon. „Glaubst du, wir werden die Digignome wiedertreffen?“, fragte Guilmon an ihn gewandt. „Sicher“, erwiderte er und seufzte. Er wusste, dass Guilmon ihn aufmuntern wollte. „Wir hätten Guilmon-Brot mitnehmen sollen“, meinte das Digimon nun und ließ seine Ohren hängen. „Dafür haben wir keine Zeit mehr, oder?“ „Ich fürchte nicht.“ Erneut strich er seinem Partner über den Kopf, froh, dass er bei ihm war. Für einen Augenblick schien eine seltsame Stille im Raum zu herrschen, während Takato zu den anderen Tamern – für einen Moment hatte er den Eindruck, der jüngere Nakamura schien auf etwas zu warten – und dann noch einmal zu Juri sah. Er lächelte ihr zu, doch sie schien nur schwer zu atmen, offenbar bemüht nicht zu weinen. „Bist du soweit?“, fragte Yamaki. Takato sah zu ihm und nickte, während er spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Als sie damals in die digitale Welt aufgebrochen waren – im Oktober vor zehn Jahren – hatte er auch Angst gehabt, jedoch viel mehr eine freudige Erwartung gespürt für die Abenteuer, die ihnen fraglos bevorstanden. Doch jetzt…? Er würde in der digitalen Welt sicher Abenteuer erleben, doch wenn er dieses Mal vielleicht wirklich nie mehr zurückkehren konnte? Ein weiteres Beben und aufgeregte rufe, dann wurde die Plattform hochgefahren. Ein Surren lief durch den Raum und langsam begannen sich weiße und schwarze Formen über der Bühne zu bilden. Ein letzter Blick zu Juri und dann hatte er das Gefühl, dass ihm der Boden unter den Füßen weggezogen würde. Er fiel durch die oberen Schichten der digitalen Welt, das Digivice in der Hand. Seine eine Hand schloss sich um Guilmons Krallen, ehe er rief: „Matrix Evolution!“ Wie immer leuchtete das Digivice auf, ehe es ihn und seinen Partner in Licht hüllte. „Guilmon – Shinka! Dukemon!“ Einen Augenblick später flogen sie gemeinsam in der Gestalt Dukemons im Crimson Mode in die digitale Welt. Er hatte die Koordinaten, an denen er Denrei treffen sollte. Dort, wo die Anomalie in die digitale Welt eingedrungen war. Von dort aus würden sie das Programm starten – den Reboot. Ein aufgeregtes Schreien, wie das von kleinen Kindern, drang an ihre Ohren, als Digignome hinter ihnen erschienen und sie umgaben. Sie schienen aufgeregt und sie wohin führen zu wollen – wahrscheinlich an denselben Ort, der ohnehin ihr Ziel war. „Wir sind bereits auf dem Weg“, erwiderte Dukemon und flog über die physische Ebene hinweg. Kein Wunder, dass die kleinen digitalen Lebensformen so aufgeregt waren. Die digitale Welt unter ihnen schien zu zerfallen. Hier sah es schlimmer aus, als in der realen Welt. Ganze Abschnitte der physischen Ebene schienen zu fehlen und andere waren dauerhaft von jenem Flackern verschlungen. Ihnen blieb wirklich keine Zeit. In einiger Ferne sah er etwas: Eine bläulich leuchtende Säule, die aus einem dieser Löcher zu kommen schien und bis zur realen Welt im Himmel hinauf reichte. Eine bläuliche Säule, in der weiße Tetraeder zu schwimmen schienen. „Da ist es“, flüsterte Takato. In einiger Ferne sah er die Gestalt eines anderen Digimon auf die Säule zufliegen. Die Gestalt eines riesigen Drachen: Examon. 31. Juli 2011, 23:18 – Shinjuku, Tokyo „Aber was hast du vor, Ryou?“, fiepste Monodramon, während sie sich an Guardromons Körper festklammerten. „Ich weiß es nicht“, erwiderte Ryou. Eigentlich hatte er keine Höhenangst, doch wenn er nun nach unten schaute… Die Tatsache, dass seine linke Hand so gut wie nutzlos war, machte es sicherlich nicht besser. Eigentlich hatte er sehr wohl einen Plan. Doch er war sich nicht sicher, ob er ihn würde umsetzen können, zumal er auf die Mitarbeit der anderen ankam – und nach allem was er in den letzten Wochen getan hatte, hasste er es, sich auf sie zu verlassen. Noch immer war er sich nicht sicher, was sie hier taten. Nur eine Sache wusste er: Es gab in dieser Welt ohnehin nichts mehr für ihn. Es gab nichts, das er verlieren konnte, also war es so besser. Es war egal, ob die Eskalation seine Schuld war oder nicht, es war egal, ob es ohne hin soweit gekommen wäre oder nicht. Er weigerte sich dies so zu akzeptieren. Doch zumindest eine Sache war ihm klar: Egal was er tat, er konnte Ruki nicht zurückgewinnen. Also… Vielleicht war es wieder der Teil von ihm, der bisher immer davon gelaufen war. Der Teil von ihm, der einst mit Cyberdramon in die digitale Welt gegangen war, der Teil, der froh gewesen war, in der digitalen Welt zurückzubleiben, nachdem er in der realen Welt doch wieder nur Probleme gehabt hatte, doch aktuell erschien ihm die Aussicht, in einer anderen Welt gestrandet zu sein beinahe verlockend. „Nakamura-kun sagt, sie haben das Tor gestartet!“, rief Hirokazu gegen den Wind an, als Guardromon das Dach des Metropolitan Government Buildings ansteuerte. „Verdammt…“, murmelte Ryou. Ihm blieb nicht viel Zeit. Und er musste sich darauf verlassen, dass dieser Larson-Junge es schaffte, mit den beiden olympischen Digimon zu reden. Es wäre alles einfacher gewesen, hätten sie nicht noch Monodramon holen müssen, das man offenbar bei Kenta gelassen hatte. Doch zumindest war es so einfacher gewesen, als wäre es im Gebäude selbst gewesen. So war sein Digivice das einzige, was ihnen noch fehlte. Der Nakamura-Junge, dieser offenbar in der digitalen Welt verschwundene Junge des Politikers, hatte etwas davon geschrieben, dass sie ein Digivice bräuchten – und seins war bei Yamaki. „Oh verdammt…“, murmelte Hirokazu, als der ganze östliche Turm des großes Gebäudes zu flackern begann. „Egal!“, erwiderte Ryou. Das Portal war ohnehin im westlichen Turm. „Los jetzt!“ Mit einem harten Klacken landeten die Beine des Roboters auf dem Dach – direkt auf der Shaggai-Einrichtung. Das tiefe Surren, das zu hören war, verriet Ryou, dass sie die Einrichtung hochfuhren. „Bleib hier!“, rief Hirokazu seinem Partner zu, der zu groß war, um irgendwie ins Treppenhaus zu passen, während sie absprangen und zum Eingang des Treppenhauses liefen, der in einem kleinen hervorstehenden „Häuschen“ auf dem Dach gelegen war. Hirokazu bildete die Spitze, was vielleicht Sinn machte, wenn man bedachte, dass Sicherheitsleute eventuell angewiesen waren, Ryou aufzuhalten, sollte er hier auftauchen. „Ryou!“, rief Monodramon auf einmal hinter ihm. Er sah sich um. „Ja?“ „Warte kurz.“ Das Digimon war stehen geblieben und sah ihn an. Unschlüssig sah er zu der nun offenen Tür und dann wieder zu seinem Partner. „Was ist?“ „Du willst gehen, oder? In diese andere Welt“, fragte sein Partner. Ryou seufzte. „Ja. Ich muss.“ „Und ich?“, fragte sein Partner. „Warum hast du es mir nicht gesagt?“ „Weil…“ Er zögerte. Ein Teil von ihm war noch immer überrascht, dass Monodramon einfach mit ihnen mitgekommen war, nach allem, was er ihm in den letzten Wochen zugemutet hatte. „Ich bin dein Partner, Ryou“, meinte das Digimon langsam. „Ich werde mitkommen. Aber wieso vertraust du mir nicht mehr?“ Für einen Moment sah er das Digimon einfach nur an. Es war kaum zu glauben, dass es dasselbe unkontrollierbare Cyberdramon war, das einst an einem kühlen Wintertag in Tokyo aufgetaucht war. Er seufzte. „Es tut mir leid, Monodramon“, meinte er. „Ich… Sie haben gesagt, ich brauche ein Digivice.“ „Was machst du, Ryou?“, rief Hirokazu, der nun in der Tür stand. „Wir haben keine Zeit mehr!“ Das stimmte. Die Platten Shaggais hatten angefangen zu leuchten, was bedeutete, dass sie die Installation bereits hochfuhren. Und sie mussten einige Stockwerke hinunter. „Ich werde mitkommen“, sagte Monodramon nur noch einmal und blickte Ryou an. „Und ich hoffe, dass du mir irgendwann wieder vertrauen kannst.“ 31. Juli 2011, 23:21 – Shinjuku, Tokyo Wieder sah Ryou zwischen Monodramon und Hirokazu hin und her. Die beiden schafften es besser, als Takato oder Ruki, dass er sich schlecht fühlte. Er seufzte. „Schau, Monodramon“, meinte er dann und kam sich ein wenig vor, als würden seine Worte in einem seltsamen Kontext stehen. „Es liegt an mir. Es ist meine Schuld. Nicht deine. Ich vertraue dir, als Partner. Ich… Bin nur…“ „Ryou!“, rief Hirokazu, wobei er angespannt wirkte. Er mochte den Plan nicht, das wusste Ryou und verstand mittlerweile auch warum. Dennoch hatte er sich entschlossen ihm zu helfen. Sonst wäre Ryou auch kaum hier. „Es tut mir leid, okay?“, sagte Ryou schließlich und wandte sich wieder zum Laufen. Die beiden jungen Männer und das kurzbeinige Drachendigimon rannten die Treppen hinunter, froh, dass sie zumindest für den Moment nicht über eine der korrumpierten Stellen stolperten. Auch wenn er sich das ganze nicht wirklich groß überlegt hatte. Ryou hatte das Gefühl, es war das einzige richtige, was er tun konnte. Sie erreichten die 28. Etage, überrascht, keine Wachen zu finden. Nun, wahrscheinlich machte es im Moment wenig Sinn, noch eine große Wachmannschaft aufzustellen. „Los!“, keuchte Hirokazu, als Ryou mit seiner gesunden rechten Hand die Tür aufstieß. Die Leute, die näher an der Tür standen – unter anderem die jüngeren Tamer, die offenbar aus der digitalen Welt zurück waren – sahen sich zu ihm um, als Ryou rief: „Wartet! Ich werde gehen!“ Doch er war zu spät. Denn gerade, als er in den Raum kam, verschwanden Takato und Guilmon. 31. Juli 2011, 23:25 – Shinjuku, Tokyo Ganz überzeugt war Steve nicht von ihrem Plan, wenn man es überhaupt so nennen konnte. Er verstand Ryous Gedankengang und konnte ihn nachvollziehen, doch wie zur Hölle sollte er das schaffen und wieso war er selbst hier? Warum fragten sie nicht Yamaki? Sicher, er konnte sehr gut nachvollziehen, dass Yamaki eventuell gegen die Idee war, nur weil sie von Ryou kam, doch so war es verrückt. Sein Blick huschte über die Computerbildschirme, während auch Kenta einen der Rechner durchsuchte. Derweil schwebte das immense Apollomon vor der weiten Fensterfront des Raums und sah hinein. Es machte mehr Sinn so, sagte er sich. Apollomon und Dianamon hatten sich bereit erklärt, die Beschützer der digitalen Welt zu sein, also machte es Sinn, dass sie gingen anstelle von Takato und diesem Denrei-Jungen, von dem er wenig gehört hatte, außer das er längere Zeit in der digitalen Welt gewesen war. Aber wieso sprachen sie nicht darüber? Ja, sie hatten wenig Zeit, aber… „Ich glaube, ich habe etwas!“, meinte Hirokazu und holte bereits ein Kabel heraus, um sein Digivice am Laptop anzuschließen. Steve nickte und sah ihn an. „Bist du sicher?“, fragte er in seinem gebrochenen Japanisch und musste zugeben, dass er doch beeindruckt war, von dem Vertrauen, dass Hirokazu und Kenta noch immer in Ryou zu haben schienen. 31. Juli 2011, 23:27 – Shinjuku, Tokyo Ai war wahrscheinlich genau so geschockt, wie alle anderen, als Ryou in den Raum kam. „Akiyama!“, rief Yamaki aus, deutliche Wut in der Stimme. Niemand hatte ihnen wirklich erklärt, was vorgefallen war, während sie in der digitalen Welt gewesen waren. Generell hätte von den Erwachsenen kaum jemand mit ihnen gesprochen, was ob der Situation wahrscheinlich nicht zu verwunderlich war. Sie wusste nur dass man Ryou aus irgendeinem Grund in einem Krankenhaus weggesperrt hatte. Offenbar hatte er irgendetwas gemacht. „Was machst du hier, Ryou?“, fragte Ruki kühl, ging aber auch ihn zu. „Ich werde gehen“, wiederholte Ryou nur. Ai fiel auf, dass seine linke Hand geschwollen war. Hatte er sie verletzt? „Wovon redest du?“, fragte nun Shoji. „Ich werde gehen“, antwortete Ryou noch einmal. „Anstelle von Takato, anstelle von Denrei. Ich gehe.“ Für einen Moment schien es, als würde Yamaki ihn anschreien, doch Reika legte ihm die Hand auf die Schulter und ging an ihm vorbei. „Wir brauchen jemanden, den den Code in beiden digitalen Welten startet.“ Offenbar schien sie beschlossen zu haben, dass jetzt nicht der Zeitpunkt war, fragen darüber zu stellen, wie Ryou hierher gekommen war. „Apollomon und Dianamon werden in die digitale Welt zurückkehren“, erwiderte Ryou. „Ich habe mit ihnen gesprochen.“ „Woher weißt du überhaupt davon?“, fragte Ruki. „Nakamura.“ Ryou sah zu Kaito, der mit seinem Handy in der Hand an der Wand lehnte. Ai sah ihn fragend an, sagte aber nichts. Sie wusste ja ohnehin wenig über den Jungen, mit dem Makoto in die digitale Welt gegangen war, außer dass dieser offenbar selbst seinen Bruder gesucht hatte. „Akiyama“, grummelte Yamaki. Er war deutlich wütend, schien sich aber zu beherrschen. „Wir können den Code nicht mehr so schnell auf ein Digimon übertragen, wir…“ „Brauchen ein Digivice“, beendete Ryou den Satz für ihn. „Das weiß ich. Kenta ist bereit ihnen seins zu geben.“ „Kenta?“, fragte Ruki. Auch Ai überraschte diese Information. Denn während sie einige der anderen Tamer kaum kannte, wusste sie über Hirokazu und Kenta doch genug, um die Geschichte gehört zu haben, wie er kurz vor dem Verlassen der digitalen Welt doch noch ein Tamer geworden war und wie viel es ihm bedeutete. Sie sah auf ihr eigenes Digivice und auf einmal kam ihr eine Idee. Ihr Blick wandte sich erst Impmon und dann ihrem Bruder zu. Das Digivice, seine neue Form, war einer der Gründe, warum Makoto davon gelaufen war. Die Tatsache, dass es auf ihn nicht mehr reagierte. Was wenn sie… Sie wandte sich von der Unterhaltung ab und machte ein paar unschlüssige Schritte zur Doppeltür des Labors, ehe sie ihre Schritte beschleunigte. „Ai?“, hörte sie noch Rins Stimme hinter sich, doch sie reagierte nicht. Wenn sie nicht schnell handelte – das wusste sie – würde sie es sich noch anders überlegen. Sie merkte, wie Ryou sie überrascht ansah, als sie an ihm vorbei durch die Tür auf den Flur stürmte, sah noch Hirokazu, der offenbar mit Ryou hergekommen war, doch auch an ihm rannte sie nur vorbei und hinüber zum Treppenhaus. Vielleicht konnte sie zumindest etwas richtig machen. 31. Juli 2011, 7:28 – Paolo Alto Shuichon hasste es, hier zu stehen und nur auf die Projektion an der Wand zu sehen. Eine Projektion, die nur in Punkten, Strichen und Kreisen die physische Ebene der digitalen Welt repräsentierte. Natürlich verstand sie, warum Denrei die Entscheidung getroffen hatte, und dennoch hasste sie ihn dafür. Wie konnte er sie nach allem, was sie zusammen durchlebt hatten, sie einfach so allein machen. Wieso hatte er nach all den Sachen nicht zumindest mit ihr geredet? Sie sah zu ihrem Bruder und funkelte ihn an. „Du hättest dich zumindest entschuldigen können“, flüsterte sie. Er sah sie nur an. Schuldbewusst, wie ihr klar wurde. Und dann hörten sie Ryous Stimme aus der Übertragung. „Ich werde gehen“, rief er auf japanisch. Und ein wenig Hoffnung keimte in ihr auf. 31. Juli 2011, 23:32 – Shinjuku, Tokyo „Ai!“, hörte sie zwei vertraute Stimmen wie aus einem Mund rufen, als sie die erste Etage hinab gerannt war. Sie hielt inne, eine Hand auf dem Geländer der Treppe. „Was machst du, Ai?“, fragte ihr Bruder, doch sie drehte sich nicht um. Sie wusste, dass er auf dem Absatz hinter ihr stand, zusammen mit Impmon. „Ich gebe das Digivice Apollomon und Dianamon mit“, erwiderte sie schließlich mit zitternder Stimme. Tränen liefen über ihre Wangen. „Aber, Ai…“ Das war Impmons Stimme und sie klang traurig, beinahe schon gekränkt. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Augen, ehe sie sich zu beiden umdrehte und sie mit festem Blick ansah. „Was bedeutet das Digivice schon?“, fragte sie, auch wenn ihre Stimme zitterte. „Wir brauchen es doch nicht, um Freunde zu sein, oder, Impmon?“ Obwohl sie stark sein wollte, liefen wieder Tränen über ihre Wange. Unwillkürlich dachte sie an die digitale Welt und wie Beelkomon besiegt worden war. „Wir brauchen es doch nicht, oder?“ Das kleine Digimon sah sie an. „Ai…“ Ihr Bruder seufzte. Sie kannte ihn gut genug um zu sehen, dass er mit sich kämpfte, doch dann ging er auf sie zu und griff nach der Hand, in der sie ihr Digivice hielt. „Du musst das nicht für mich machen“, sagte er leise und seine Augen trafen ihre. Tatsächlich war es das erste Mal – so wurde ihr klar – dass er ihr in die Augen sah, seit sie aus der digitalen Welt zurück waren. „Ich mache es nicht für dich“, antwortete sie leise. „Nicht nur“, fügte sie dann leise hinzu. „Ich will diese Welt auch retten und wenn ich nicht selbst gehen kann…“ Ihre Hand zitterte, als sie das Digivice hob. „Es reagiert auch nicht mehr auf mich, Makoto. Ich weiß nicht ob… Und so…“ Noch einmal holte sie tief Luft. „So können wir vielleicht auch noch etwas ändern.“ 31. Juli 2011, 23:35 – Shinjuku, Tokyo Es war offensichtlich, dass Yamaki nicht ganz zu wissen schien, wie er mit der Situation umgehen sollte. Natürlich war er noch sauer auf Ryou, doch war das, was der junge Mann vorschlug, tatsächlich selbstlos. Gleichzeitig schien Yamaki nicht ganz glauben zu können, dass Ryou keine Hintergedanken hatte. „Es ist ohnehin zu spät“, meinte er schließlich. „Akiyama, wir können es nicht mehr ändern.“ „Wir können es zumindest versuchen“, widersprach Ryou und funkelte seinen ehemaligen Vorgesetzten an. „Und was macht es für einen Unterschied, wenn es nicht klappt? In dem Fall kehrt halt eine weitere Person nicht mehr aus der digitalen Welt zurück. Wo ist das Problem?“ Ruki sah ihn an und zögerte für einen Moment. Kurz und unwillkürlich sah sie zu Shoji, trat dann aber zu Ryou. „Und du bist dir sicher, dass du nicht nur wieder vor deinen Problemen davonläufst?“, fragte sie leise. Er erwiderte ihren Blick und kurz zeigte sich jene Verletzlichkeit, die sie nur zu gut kannte, in seinen Augen. Nein, mehr noch, etwas gebrochenes. Dann antwortete er leise: „Selbst wenn… Ist es wichtig?“ Für einen Moment schloss er die Augen und sah zu Juri hinüber. „Alles was ich weiß ist, dass die beiden noch etwas haben, zu dem sie zurückkehren können, während ich…“ Er wich ihrem Blick aus und schaute stattdessen Monodramon an, das zu seinen Füßen stand. Für einen Moment zögerte Ruki. Auf der einen Seite machten seine Worte sie wütend, doch auf der anderen Seite… Vielleicht hatte er Recht. Es machte keinen Unterschied. Und Juri… Juri hatte bereits so viel verloren, also war dies vielleicht die bessere Lösung. Nicht vielleicht… Es war die bessere Lösung. Sie seufzte und nickte. Dann küsste sie ihn auf die Wange. „Es tut mir wirklich leid“, sagte sie dann leise – so leise, dass es von den anderen niemand hörte. Für einen Moment trafen sich ihre Blicke und er nickte. Dann wandte Ruki sich Yamaki zu. „Sag es Takato. Wir müssen es probieren.“ 31. Juli 2011, 23:37 – Digitale Welt Denrei sah die weiße Sphäre unter sich, die sich ausgebreitet hatte und nun durch etwas, das nur ein Data Stream sein konnte mit dem Himmel und damit der realen Welt verbunden war. Er hatte trotz allem Angst, doch was für eine Wahl hatten sie denn noch? Der Code, den sie geschrieben hatten, war Teil von Examons Körper. Er konnte ihn spüren. „Wir werden alle retten“, hörte er Dracomons Stimme durch die Datenstruktur des Drachenkörpers hallen. „Ja“, erwiderte er. „Werden wir.“ Der Drachenkopf wandte sich Dukemon zu, ehe er nickte. „Dann los“, flüsterte Denrei und seine Stimme drang auch zu Takato durch. „Mach's gut“, meinte Examon dann zu Dukemon, ehe es seine Flügel anwinkelte und auf die Sphäre losflog. Ja, er wünschte sich wirklich, dass er sich hätte richtig verabschieden können. Doch was sollte man tun, wenn die Welt unterging? Examons Körper tauchte in die Sphäre ein. Wieder spürte Denrei jenes elektrische Kribbeln, das er auch bei ihrem letzten Besuch in dieser Welt gespürt hatte. Beinahe wurde ihm schwarz vor Augen, doch dieses Mal schaffte er es dagegen anzukämpfen, als ein Schwall Bilder ihn übermannte. Das war anders als bei ihrem letzten Besuch. Dann klärte sich sein Blick und er fand sich wieder in jenem weißen Nichts, das sie auch das letzte Mal umgeben hatte. Doch etwas war anders. Tatsächlich konnte er einige Strukturen erkennen, selbst wenn diese ungenau wirkten, beinahe als wie schlecht programmierte Effekte. Und doch… Dass sie hier waren hieß, dass sich die Anomalie noch immer weiter entwickelte. Ganz wie die Digimon. Er musste zum Kern kommen. Jenen Ort den sie das letzte Mal gefunden hatten. An sich hatte davon niemand etwas gesagt und doch kam es ihm richtig vor. Immerhin wollte er den Reboot nicht starten, bevor er nicht mit der Anomalie gesprochen hatte. 31. Juli 2011, 23:39 – Shinjuku, Tokyo Ein weiteres Beben ließ das Treppenhaus wackeln. Irgendwo hörten sie etwas, das nach einem Knall klang. Vielleicht war etwas kaputt gegangen? Ein Flackern begann die Treppe zu erfassen, als sie weiter hinabliefen. „Verdammt“, fluchte Ryou leise und streckte eine Hand aus, um die anderen zurückzuhalten. „Wir haben keine Zeit mehr“, murmelte Yamaki. „Sieh es ein.“ „Ich werde es immer noch versuchen“, erwiderte Ryou nur. Sie waren zu siebt: Neben ihm und Monodramon waren auch Hirokazu, Yamaki, Ruki, Renamon, Shoji und Gazimon bei ihnen, doch nun kamen sie nicht weiter. Natürlich war alles nicht so einfach. Sein Digivice war nicht hier. Es war unten im eigentlichen Labor, was diese Situation nur umso schwerer machte. Hätte er Cyberdramon gehabt… Doch ohne Digivice und Karten keine Digitation. Ohne Digitation kein Cyberdramon. Und so mussten sie sich etwas anderes ausdenken. Da kam ihm eine Idee. „Renamon. Bitte.“ Das Fuchsdigimon tauschte nur einen Blick mit Ruki, die nickte. Dann griff es ihn unsanft am Kragen und hob ihn hoch. Mit zwei großen Sprüngen hatte es den flackernden Treppenabsatz übersprungen und brachte nun auch Monodramon hinterher. „Und jetzt?“, rief Ruki ihm hinterher. „Wo ist das Digivice?“, fragte er. „In meinem Büro“, erwiderte Yamaki nur. „Und der Code?“ „Auf dem Hauptrechner“, kam die Antwort. „Danke.“ Damit rannte Ryou weiter. Er würde die anderen ohnehin nicht brauchen. Unten waren Larson und Kenta – er konnte nur hoffen, dass sie den Code bereits gefunden hatten. 31. Juli 2011, 23:42 – Shinjuku, Tokyo Ai musste sich festhalten, als das Gebäude erneut bebte. Eine der Maschinen, die – soweit sie wusste – zur Überwachung der digitalen Welt diente, kam ins Rutschen und landete nur wenige Meter von ihr entfernt mit einem lauten Krachen auf dem Boden. „Ai…“, begann Impmon noch einmal, während sie weiter in das Labor reinlief. Wo waren diese beiden? „Kenta? Larson-san?“ Ein Kopf sah an einer der Rechneranlagen vorbei zu ihr. Überraschung zeichnete sich in dem bebrillten Gesicht ab. „Hanegawa-san?“ Sie nickte und rannte auf ihn zu. „Nehmt mein Digivice“, sagte sie nur und hielt es ihnen entgegen. Larson und Kenta sahen einander an. „Aber…“, begann der Amerikaner. Doch Ai blieb eisern: „Nehmt es!“ Noch ein Blick wurde unsicher getauscht und Ai spürte Wut in sich aufkochen. Sie wollte etwas sagen, als Impmon hinter sie trat. „Jetzt macht schon, ihr beiden Knirpse!“, rief es aus. „Wir haben keine Zeit mehr!“ Für einen Moment sahen die beiden es erschrocken an, doch dann seufzte Kenta und gab Ai eine violett schimmernde Karte. „Der Code ist darauf“, erwiderte er. Ai nickte dankbar, dann sah sie noch einmal zu Makoto, der ihr nun langsam folgte. Dann zog sie die Karte durch den Schlitz des Digivices, dessen Bildschirm daraufhin aufleuchtete. Während Ai noch kurz auf ihr Digivice schaute, sich dessen bewusst, dass sie hiermit auch ihren Status als Tamer aufgab, hörte sie das Geräusch der sich öffnenden Sicherheitstür des Labors. „Habt ihr den Code?“, erklang im nächsten Moment Ryous Stimme. „Ja, aber…“, begann Kenta, doch Ryou ließ ihm keine Zeit. Er rannte die Treppe im Inneren des Labors zu Yamakis Labor hinauf. 31. Juli 2011, 23:45 – Digitale Welt Kurz schloss Takato die Augen, ehe er noch einmal auf die Sphäre sah, in die Examon verschwunden war. „Dann lass uns anfangen“, meinte er und konnte wohl nur hoffen, dass Denrei und das Hypnos Team es ihm gleich taten. Dukemon hob einen Arm und die Lanze Gungnir erschien glühend über ihm. Sie hatten das Programm in die Waffe geladen und er hatte eine gute Ahnung, wie sie es am besten starteten. Kurz sah sich das Ritterdigimon um, ehe es einen näher kommenden Stream, der durch den vom hier herrschenden Sturm aufgewirbelten Sand schnitt. Ja, das war die beste Idee. Dukemon flog darauf zu, während Gungnir in seinen Händen immer heller leuchtete, doch es war in diesem Moment, dass Takato im Inneren des Digimon eine Stimme hörte. Rauschen schnitt die Stimme immer wieder ab, wie bei einem schlecht eingestellten Radio. Er konnte dennoch sagen, dass es die Stimme Yamakis war. „Nicht… Deploy… Warten… Ryou… Kommt“, waren die Worte, die er ausmachen konnte. „Was…?“ Verwirrt hielt Takato und mit ihm auch Dukemon inne. „Ryou kommt“, wiederholte Guilmons Stimme, nur für seine Ohren hörbar. Das hatte Takato auch verstanden und dennoch verwirrte es ihn. „Aber wieso?“ Wie konnte es überhaupt sein? War Ryou nicht im Krankenhaus? 31. Juli 2011, 23:48 – Shinjuku, Tokyo „Vorsicht!“, rief Ryou aus und schob die Hanegawa-Zwillinge zurück, als kleine Funken über den Boden flitzten und dann der gesamte vordere Bereich des Labors – inklusive der Außenwand zu flackern begann. „Und was machen wir jetzt?“, fragte Kenta und konnte die Panik nicht ganz aus seiner Stimme verbannen. „Papa Pipo“, meinte Penmon beruhigend. Ryou verstand, was er meinte. Sie kamen, so wie sich diese Fehler ausbreiteten, nicht zum Tor zurück. Aber eigentlich, dachte er sich dann und sah zum ebenfalls flackernden Fenster, hinter dem gleich mehrere Streams zu sehen waren, brauchten sie das Tor nicht. Damals waren sie doch auch so in die digitale Welt gekommen. Er grinste, als sich ein Plan in seinem Kopf formte. „Überlasst das mir!“ Dann zog er – wenngleich nicht ohne Probleme, da seine linke Hand nicht ganz auf seine Befehle hören wollte – die Karte durch das Digivice. „Card Slash!“ Auch sein Bildschirm leuchtete auf. Dann sah er zu Monodramon. „Bist du bereit?“ Das Digimon nickte. „Ja!“ Genau in diesem Moment war ein Grummeln weiter unten im Gebäude zu hören, während ein Zittern das ganze Gebäude erfasste. Verdammt. Er konnte nur hoffen, dass es nicht bedeutete, was er glaubte. „Raus! Allesamt!“, rief er den anderen viern zu, während er selbst das Digivice erhob. „Matrix Evolution!“ Dasselbe nur zu vertraute Gefühl erfasste ihn, als das Licht ihn umgab. Dann trat er mit Justimons Füßen auf den Boden auf und sprang einfach durch die flackernde Fensterfront, die keine Barriere mehr dazustellen schien. Apollomon fing das Mutantendigimon auf, als hätte es damit gerechnet. Noch einmal sah Justimon sich um. Etwas qualmte unten aus dem Gebäude heraus. Als hätte irgendetwas durch eins der Erdbeben oder vielleicht auch der Fehler, der nun offenbar kleine Blitze zwischen einigen Gebäuden hin und her flitzen ließ, Feuer gefangen. Ein Teil von ihm wollte bleiben. Lang genug, um sicher zu gehen, dass die anderen – und ja, vor allem auch Ruki – herauskamen. Doch Monodramons Stimme sagte ihm, was er eigentlich auch selbst nur zu genau wusste: „Wir haben keine Zeit.“ Er wandte sich Apollomon zu. „Seid ihr bereit?“ Es war Dianamon, das nun Ais Digivice in den Händen hielt und nickte. Justimon zeigte mit dem Daumen nach oben, ehe es auf Apollomons linke Schulter sprang, während Dianamons auf der Rechten landete. „Dann los!“ 31. Juli 2011, 23:55 – Welt der Anomalie „Ihr seid zurückgekehrt“, sagte dieselbe Stimme, die sie auch vor ein paar Wochen schon gehört hatte, als Examon einen Ort erreichte, von dem Denrei wusste, dass es der richtige sein musste. „Während es alles endet…“ „Wir sind hier, um diese Welt zu rebooten“, erwiderte er. „Alle drei Welten!“ „Alle drei Welten?“, fragte die Stimme offenbar ohne Verständnis. „Die Welt der Menschen“, antwortete Examon mit tiefer Stimme, „die Welt der Digimon und eure Welt.“ Ein rauschendes Schweigen trat ein, ehe die Stimme antwortete: „Und dann?“ „Wir wollen die Welten voneinander trennen“, sagte Examon. „Und sie dadurch retten.“ Erneutes Schweigen. Es war beinahe seltsam. Während die Folgen der Störungen durch den Zusammenprall der Welten sowohl in der digitalen, als auch in der realen Welt so deutlich zu spüren waren, schien diese Welt noch relativ unberührt, selbst wenn ihre Bewohner zu wissen schienen, dass es endete. Oder waren es überhaupt Bewohner? War es nicht vielleicht eine einzige Intelligenz? Vielleicht eine Schwarmintelligenz? „Ihr Menschen glaubt, dass ihr die Welten so retten könnt?“, fragte die Anomalie und dieses Mal antwortete Denrei mit seiner eigenen Stimme. „Wir wissen es nicht“, erwiderte er ehrlich, „aber es ist unsere einzige Hoffnung.“ Wieder schwieg die Stimme, ehe sie erwiderte. „Dann soll es so sein.“ Examon nickte und hob seine Lanze, als eine andere Stimme, nicht die seine, nicht Dracomons und nicht die der Anomalie erklang: „Wartet!“ 31. Juli 2011, 23:57 – Digitale Welt Ein seltsames Kribbeln lief durch Justimons Körper, doch es spürte dabei den Körper Apollomons unter sich, während es vom Licht des Streams geblendet war. Dann sah es die oberen Schichten der digitalen Welt unter sich und sie gingen in einen Sinkflug über. „Wir wissen, wo es ist“, sagte Apollomon nur, während sie durch die an Computerchips erinnernden Schutzschichten über der physischen Ebene brachen. Die physische Ebene selbst, offenbar halb zerstört und von einem dauerhaften Sturm ergriffen, zeigte sich unter ihnen, doch das Götterdigimon schenkte ihr wenig Beachtung. Mit konzentrierter Miene flog es über die digitale Welt hinwegflog. Dann sahen sie den blauen Stream und ein rotes Funkeln in der Luft davor. „Dukemon!“, rief Justimon aus, als Ryou das andere Digimon erkannte. „Warte! Takato! Guilmon! Wartet!“ Dann hatten sie auch schon das Kriegerdigimon erreicht und flogen an ihm vorbei. „Was…“, hörten sie Takatos Stimme nur aus dem Digimon. Justimon winkte ihm nur zu. „Kehrt in die reale Welt zurück! Bevor es zu spät ist!“, rief es dann, ehe es sich der Sphäre aus jenen seltsamen sich drehenden Tetraedern zuwandte und Apollomon auf den massigen Hals klopfte. „Danke für die Reise.“ Damit stieß es sich von der Schulter des Digimon ab und fiel im nächsten Moment auf die Sphäre hinab. Wie auch Denrei und Examon spürten sie ein elektrisches Kribbeln, ehe eine Flut von Bildern über ihr Bewusstsein ebbte, dann waren sie in jenem weißen Nichts, das für sie noch vollkommen neu war. Doch mittlerweile hatte Ryou keine Zweifel mehr an dem, was er tun musste. Er musste Examon erreichen, bevor es zu spät war. Und seltsamer Weise schien dieser Gedank den fluglosen Körper Justimons voran zu tragen, bis er die riesige Gestalt des Drachens sah, die sich stark vor dem beinahe komplett weißen Hintergrund abhob. „Wartet!“ Während Examon nicht ganz zu realisieren schien, was vor sich ging, wandte es ihm doch seinen Kopf zu, was reichte, um es lang genug zu unterbrechen. „Du…“, begann es. „Ich habe das Programm geladen“, erklärte Justimon kurz angebunden. „Kehre in die reale Welt zurück. Ich werde es tun!“ „Aber…“, begann Examon und wäre die Situation nicht so ernst gewesen hätte Ryou vielleicht über den verwirrten Blick auf dem Drachengesicht gelacht. „Mach schon!“, rief Justimon nur und sah sich um. „Hey. Ihr… Wie auch immer ihr heißt!“ „Wir sind“, erwiderte eine seltsame Stimme, die offenbar zur Anomalie gehörte nur. Kryptisch. Aber wie auch immer. „Ich starte diese Welt neu! Kannst du den großen Drachen fortschicken?“ Immerhin erinnerte er sich noch daran, dass Denrei und Shuichon damals von der Anomalie zurück in die reale Welt geschickt worden waren. „Du bist…“, begann die Stimme. „Ja, ich bin derjenige, der euch angegriffen hat“, erwiderte Ryou im Inneren von Justimon. „Aber das ist jetzt doch egal! Schickt sie zurück!“ Entschuldigen würde er sich bei dem Ding garantiert nicht. Kurze Stille. „Aber…“, setzte Examon an. „Du kannst nicht einfach…“ „Doch, kann ich“, erwiderte Justimon. „Ihr habt etwas, zu dem ihr zurückkehren könnt, also tut es auch!“ Es machte sich Bereit das Programm in seinen metallenen Arm zu laden, um es in dem Moment zu starten, in dem Examon verschwunden war. Wieder. Stille. „In Ordnung“, sagte Examon dann langsam, ehe Denreis Stimme hinzufügte: „Danke, Ryou.“ „In Ordnung“, echote auch die Stimme der Anomalie und im nächsten Moment hörte Justimon etwas, das an das Rauschen von Wasser erinnerte. Und dann – ohne Vorwarnung – begann Examon zu flackern und war einfach verschwunden. Zurück in der realen Welt, hoffte Ryou. „Dann…“ Justimon hob seinen Arm. „Legen wir los! Accell Arm!“ 1. August 2011, 0:01 – Shinjuku, Tokyo Noch immer im Körper Dukemons fiel Takato durch den Übergang zwischen den Welt in die reale Welt zurück. Er sah Tokyo, Shinjuku, unter sich, sah den Qualm aus dem dritten Stock des Metropolitan Government Buildings steigen, das dankbarer Weise noch stand. Die Shaggai-Installation auf dem Dach der Zwillingstürme leuchtete auf und schickte, im selben Moment, wie eine Drachengestalt ebenfalls durch das Abbild der digitalen Welt stürzte, einen gewaltigen Lichtstrahl gen Himmel. Ein seltsames Gefühl erfüllte Dukemons Körper, als eine Energiewelle, die vom Lichtstrahl auszugehen schien, seinen Körper traf, und dann breitete sich ein seltsames Muster – beinahe wie ein abstrakter Code über den Himmel aus. Einer nach dem anderen erloschen die Data Streams, die Himmel und Erde verbandten, und ein Geräusch, wie der Gesang tausender Wale erfüllte die Luft. Die Wesen der Anomalie hatten ihre Köpfe zum Himmel gehoben, als würden sie auf etwas warten. Dann verschwanden sie. Noch einmal sahen Takato und Guilmon durch Dukemons Augen zum Abbild der digitalen Welt hinauf, das offenbar vom Licht getroffen wurde, während im Abbild jener Welt selbst einzelne Lichter aufleuchteten. Und dann, mit einem mal, war auch dieses Bild verschwunden und zeigte stattdessen den mondlosen Sternenhimmel über der Stadt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)