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Digimon Battle Generation

[Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Vorletzte Episode (wenngleich, wie gesagt, nach dem Finale, noch ein Epilog kommen wird :D) Puh.

Dieses Mal ohne ein Charaktervorwort. Der Grund wird im letzten Kapitel klar werden.

Viel kann ich nicht sagen, außer, dass es jetzt sogar Zeitangaben gibt!

Ihr wisst, worauf es hinaus läuft.

Viel Spaß! xD Komplett anzeigen

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Episode 52: Der letzte Tag

Episode 52: Der letzte Tag
 

Es war die Nacht zum 31. Juli, zumindest in der japanischen Zeitzone. Was in Tokyo angefangen hatte verbreitete sich schnell – schneller als die Phänomene der vergangenen Wochen – auf der ganzen Welt. Und überall war es dasselbe.

Es war nur wenige Stunden, nachdem die ersten Streams in Tokyo erschienen waren, dass auch an anderen Orten Streams erschienen. Erst in Ostasien. Korea, China, Thailand, die Philipinnen, doch das war nur der Anfang. Einige Stunden mehr und das Phänomen hatte Europa und die Westküste von Nordamerika verbreitet.

Dabei begann es mit einem Stromausfall. Dieser traf einige Orte schlimmer als andere, auch wenn es keine Erklärung dafür zu geben schien. Während in einigen Städten die Notfallversorgung noch zu funktionieren schien, war es an anderen Orten schwierig nur Generatoren zum Laufen zu bringen.

Als nächstes begannen Objekte, meistens Gebäude oder Bäume, in einigen Fällen, wie im Kaukasus-Gebirge aber auch ganze Berge, zu flackern, ehe Streams erschienen.

Viele stellten fest, dass die Streams in den Städten dichter gestreut waren. Vielleicht weil dort die digitale Infrastruktur enger gewebt war? Niemand hatte die Zeit, um dem ganzen auf dem Grund zu gehen, denn nach den Streams erschienen die Wesen. Dieselben Wesen, die schon in den vergangenen zwei Wochen erschienen waren, doch nicht mehr so vereinzelt.

Es waren mehr. Viel mehr von ihnen. Doch sie waren anders als zuvor.

Vor allem die Tamer in den verschiedenen Städten bemerkten, dass etwas anders war. Denn während diese seltsamen Geschöpfe bereits vorher nicht besonders solide gewirkt hatten in ihrem Körper aus sich ständig bewegenden Tetraedern waren sie nun teilweise beinahe durchsichtig. Einige verschwanden auch wieder und selbst die, die blieben, taten oft nichts. Manche standen einfach nur dort und ließen jenen beinahe schon traurigen Laut hören, der an Walgesang erinnerte. Andere liefen Ziellos durch Straßen oder über Felder.

Sie schienen die Menschen gar nicht zu sehen und für einige wirkte es, als wären sie gar nicht dort.

Und doch... Diesen Wesen folgten Erdbeben. Stärker als zuvor.

Anders als die Tamer in Tokyo oder der Wild Bunch in San Francisco wussten die meisten Menschen nicht, was dies zu bedeuten hatte, doch viele ahnten es. Panik brach aus und es gab wenig, was Regierungen, Militär und Polizei dagegen tun konnten.
 

30. Juli 2011, 10:39 – Shinjuku, Tokyo
 

Die Zeit kroch dahin.

Alles fühlte sich so unwirklich an, dachte Rin. Sie waren wieder zurück. Zurück in der realen Welt, in Tokyo. Sie hatten geschlafen und gegessen, waren in der Hypnoszentrale geblieben, da es keinen anderen Ort gab an den sie gehen konnten.

Jemand hatte ihnen gesagt, das Tokyo evakuiert wurde. Die Gefahr durch die seltsamen Wesen, die überall aufgetaucht waren, war einfach zu groß. Dazu noch Erdbeben und Stromausfall. Was konnten sie tun?

Offenbar schien nichts mehr zu gehen.

Auch die Telefone nicht mehr. Das war der Grund warum sie noch immer hier waren. Denn niemand wusste so wirklich, wie man ihre Eltern kontaktieren konnte. Man wusste ja nicht mal, ob sie in der Stadt waren, beziehungsweise diese schon verlassen hatten. Nun, so wie sie ihre Eltern kannte, hatten sie die Stadt bereits verlassen oder waren gar nicht hier gewesen, als das alles angefangen hatte.

Sie seufzte und sah aus dem Fenster.

Man hatte ihnen eins der Konferenzzimmer als Notfallunterkunft überlassen und von irgendwo Futons organisiert. So saßen sie hier und konnten nichts mehr tun.

Sie verstand ohnehin nicht was vor ging. Die Welt würde untergehen, hatte man gesagt und dabei sehr melodramatisch geklungen. Wenn sie die Lage draußen bedachte, mochte es vielleicht sogar stimmen. Und sie? Sie würde ihre Eltern wohl vorher nicht mehr wieder sehen.

Kunemon saß auf ihrem Schoß und hatte sich in eine beinahe perfekte Kugel zusammengerollt. Es schien noch immer erschöpft.

„Hey“, meinte die mittlerweile vertraute Stimme Ais, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.

Rin sah auf.

Ai war – offenbar von Takumi gefolgt – hineingekommen. „Du sitzt hier ganz allein. Ich dachte wir leisten dir Gesellschaft.“

Rin nickte, dankbar. „Ja...“ Sie bemerkte, dass Ai noch etwas anderes dabei hatte: Zwei Packungen Pocky. Nun, nicht direkt Pocky: Meiji Sticks. Erdbeer und Schokolade. „Wo hast du die her?“

„Vom Automaten im Erdgeschoss“, erwiderte Ai und räusperte sich. „Wir haben diesen... Etwas geplündert.“

„Soll heißen, wir haben ihn aufgebrochen“, meinte Impmon und sprang auf den Tisch, selbst einen Schokoriegel in der Hand. „Der blöde Strom ist ja ausgefallen...“

Rin lächelte und nahm die Packung Erdbeer-Sticks dankbar an. Sie öffnete sie. Eigentlich hatte sie keinen besonderen Hunger, doch war sie froh einfach irgendetwas machen zu können. Sie seufzte. „Glaubt ihr“, begann sie dann, bevor sie sich selbst aufhalten konnte, „dass wir unsere Eltern noch einmal wiedersehen?“

Ai zuckte mit den Schultern. „Vielleicht...“

„Ihr könntet nach Hause gehen“, schlug Kotemon vor. „Ich glaube kaum, dass es jemanden auffallen wird.“

Die drei Tamer sahen einander an, doch Rin wusste, dass ihnen dasselbe durch den Kopf gingen. Was würde es bringen? Vor allem wusste Rin nicht wirklich, wie sie nach daheim kommen sollte. Auf Flymon reiten? Das ginge, doch mit der Lage draußen... Wenn ihre Eltern überhaupt bemerkt hatten, dass sie fort war...

Es war Takumi, der in die Tasche seiner Baseballjacke griff und seine Karten herausholte. Er legte sie auf den Tisch. „Wie wäre es mit einem Spiel?“, fragte er.

Für einen Moment sah Rin ihn ungläubig an, doch Ai lächelte. „Warum nicht?“, meinte sie und holte auch ihre Karten aus der kleinen Tasche, die sie immer bei sich trug, hevor. Sie schenkte Rin einen aufmunternden Blick und griff nach ihrer Hand. „Komm. Wir haben ohnehin nichts besseres zu tun.“

Rin seufzte leise, doch dann holte sie auch ihr Deck hervor. Tatsächlich war es ewig her, dass sie ein normales Spiel gespielt hatte. „Ich habe nicht viel Erfahrung“, sagte sie leise, als sie das Deck auf den Tisch legte.

„Wieso?“, fragte Takumi und zog sich einen der Stühle heran.

Rin merkte ein leichtes Brennen auf ihren Wangen. „Ich hatte nie jemanden zum Spielen“, gab sie dann leise zu. „Na ja, selten...“ Sie sah zu dem Digimon, das in ihrem Schoß lag. „Und seit Kunemon da ist habe ich die Karten eigentlich nur zum Kämpfen genutzt.“

„Dann wird es Zeit, das zu ändern“, meinte Takumi sanft.

Rin nickte und begann ihre Karten zu mischen, ehe ihr noch ein Gedanke kam. Sie sah zu Ai. „Sag mal... Hast du mittlerweile mit Makoto gesprochen?“

Daraufhin ließ Ai ein leises Seufzen hören und schüttelte den Kopf. „Nein“, antwortete sie und sah mit glasigen Augen zur geschlossenen Zimmertür. Noch einmal seufzte sie. „Aber ich will ihn nicht bedrängen.“
 

31. Juli 2011, 0:43 – Shinjuku, Tokyo
 

Obwohl es Nacht war, schlief Shoji wieder nicht.

Den ganzen Tag waren sie hier gewesen und er hatte nichts tun können. Er war bei seinen Eltern gewesen, hatte sich verabschiedet, ehe sie die Stadt verlassen hatten. Etwas, das vollkommen albern erschien, wenn man bedachte, wie weit sich das Phänomen mittlerweile ausgeweitet hatte. Wohin sollte man auch fliehen, wenn die Welt unterging? Selbst zu einem anderen Planeten zu fliehen – wäre es physisch möglich – würde ihnen ja nichts bringen, da wenn wohl das ganze Universum, die gesamte Existenz in sich betroffen wäre.

Auch wenn er es nicht zeigen wollte: Er hatte Angst.

Er wusste nicht einmal wovor. Am Ende war es wohl egal, ob es schmerzte oder nicht. Danach war es vorbei. Alles. Doch vielleicht war es genau das, was er fürchtete: Das alles, was er kannte und liebte verschwunden war.

Noch schlimmer jedoch war die Tatsache, dass er so furchtbar wenig tun konnte, um etwas zu ändern. Er hatte keine Ahnung von Informatik und während das gesamte Hypnosteam – unterstützt von einigen Forschern der örtlichen Universitäten und in Verbindung mit Laboren auf der ganzen Welt – Daten analysierte, Code schrieb und versuchte doch noch jene Lösung zu finden, von der Shibumi gesprochen hatte, gab es nichts, was er tun konnte, außer für Yamaki-san auf Namiko aufzupassen.

Das kleine Mädchen schlief auf einem Futon in einem der Konferenzräume am Boden, sowie auch Shirou-kun, die Hanegawa-Zwillinge und die anderen zwei Jugendlichen, die in der vergangenen Nacht aus der digitalen Welt zurückgekommen waren. Auch Juris jüngerer Bruder, der sich vorher mehrfach über die Situation beschwert hatte, war hier.

Einzig Nakamura Shinji war nicht bei ihnen, da er einiges vom Code der digitalen Welt zu verstehen schien. Er hatte diesen Code immerhin offenbar für die gesamten zwei Jahre, die er verschwunden war, studiert. Also half er. Natürlich.

Shoji saß auf einem Stuhl am Rand des Raums und sah zum Nachthimmel hinaus.

Es war so seltsam. Nun, da kaum ein Licht in Tokyo brannte, waren die Sterne so klar und deutlich zu sehen. Man konnte sogar die Milchstraße hinter dem Schimmern der digitalen Welt erkennen – in Tokyo! Es war schon ein merkwürdiger Anblick.

Da fiel sein Blick auf den Park hinunter, der beinahe schwarz erschien und nur von den Sternen und dem Schimmer der digitalen Welt erhellt war, da auch kein Mond am Himmel stand.

Da unten waren zwei alte Freunde von ihnen. Er hatte mit den beiden Digimon kurz gesprochen, doch nicht lang.

Unsicher sah er sich im Raum um. Lumamon schien wach zu sein und ebenso zu verstehen, worüber er nachdachte. Es nickte ihm zu und Shoji lächelte kurz.

Er stupste Gazimon an, das neben ihm auf dem Boden schlief.

Sofort öffnete das Digimon seine gelben Augen und sah ihn fragend an, schien dann aber zu verstehen und nickte.

So verließen sie das Zimmer und machten sich auf den Weg zum Treppenhaus, da die Aufzüge dank Notstromversorgung und Erbeben nur sehr unzuverlässig funktionierten. Auf dem Weg aus der Zentrale nickte er Takato zu, der zusammen mit Juri an einer der Arbeitsplätze saß, an dem aktuell nur Luftaufnahmen der Stadt und im speziellen der Streams zu sehen waren. Takato hatte seinen müden Kopf gegen die Schulter seiner Freundin gelegt und schien halb eingeschlafen zu sein, sah jedoch kurz zu Shoji hinüber.

Niemand hielt ihn auf. Wieso auch?

Fünfzehn Stockwerke tiefer verließ er das Gebäude, das abseits von der Hypnos-Zentrale und einzelnen Politikern beinahe gänzlich verlassen war.

Die Hände in die Hosentaschen gesteckt ging er zum anbei liegenden Park hinüber. Er ahnte, wo er die beiden Digimon finden würde, auch wenn er gar nicht wusste, was er eigentlich mit ihnen reden wollte. Doch eigentlich war er froh, einfach nur mit irgendjemanden reden zu können.

„Apollomon!“, rief er aus, als er in die Nähe der alten Hütte kam. „Dianamon?“

Eine humanoide Gestalt landete vor ihm und sah ihn an. „Shoji“, sagte Dianamon mit so etwas wie Freude in der Stimme. „Was machst du hier?“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich konnte nicht schlafen.“

Offenbar hatten die beiden Digimon vor den künstlichen Wasserfällen Lager bezogen. Sie waren zu groß, um in irgendein Gebäude zu kommen.

„Shoji“, grüßte auch Apollomon ihn. „Gazimon.“ Es griff nach dem Digimon und hob es hoch. Ein Grinsen auf dem katzenhaften Gesicht. „Du bist jetzt so klein“, meinte es dann mit einer gewissen Nostalgie in der Stimme.

„Lass mich runter“, grummelte Gazimon, schien jedoch nicht wirklich wütend.

Dianamon ließ ein Seufzen hören. „Immer noch der Alte, wenn man ihn lässt“, meinte es amüsiert. „O-nii-baka.“

Daraufhin ließ Apollomon ein tiefes Lachen hören, setzte Gazimon dann aber ab.

„Warum seid ihr nicht in die digitale Welt zurückgekehrt?“, fragte Shoji und setzte sich auf die Steinmauer am Rand des freien Platzes.

„Weil es zu spät ist“, erwiderte Dianamon und sah zum Himmel hinauf. Seine Augen schimmerten im Licht der Sterne und schienen in eine weite Ferne sehen zu können.

Shoji nickte und fragte sich, warum er hergekommen war. Dann jedoch sah er sich um – selbst wenn er dank der Dunkelheit wenig sehen konnte. Es war beinahe schon nostalgisch dieser Ort. Er wusste, dass damals – vor zehn Jahren – Takato und die anderen viel von hieraus unternommen hatten und Guilmon in demselben kleinen Betonhaus versteckt hatten, indem sie später Dracomon, Coronamon und Lunamon versteckt hatten.

So viel war geschehen... Sie hatten einmal schon einen bevorstehenden Weltuntergang aufgehalten, doch war es dieses Mal anders. Damals war es eine mehr oder minder physische Kraft gewesen, die sie bedroht hatte. Etwas, wogegen sie hatten kämpfen können. Und jetzt? Die Anomalie war nicht ihr Gegner. Sie wollte genau so wenig zerstört werden, wie sie. Doch würde sie das Schicksal der anderen beiden Welten teilen, wenn es soweit war.

„Glaubt ihr“, begann er an die beiden Digimon gewandt, als eine andere Stimme erklang.

„Shoji?“

Er sah sich um. Sakuyamon landete vor ihm, ehe es von Licht umgeben war und Ruki und Renamon dort standen.

Für einen Moment musterte er sie. „Was macht ihr hier?“

„Ich war bei meiner Mutter“, antwortete Ruki nur leise.

„Sie ist noch hier?“

Die junge Frau nickte. „Wohin sollte sie auch gehen? O-baa-san und sie haben sich entschieden zu bleiben.“

Shoji seufzte und antwortete nicht. Er sah zur digitalen Welt hinauf. „Lass uns ein wenig spazieren“, meinte er dann, auch wenn es ihm albern vorkam. Er sah zu ihr und sie nickte nur, mit einem matten Lächeln.
 

31. Juli 2011, 01:02 – Shinjuku, Tokyo
 

Während Shoji und Ruki im Park nebeneinander her gingen, den Blick auf den Sternenhimmel gerichtet, sah keine zwei Kilomenter entfernt Ryou zu demselben Sternenhimmel hinauf.

Niemand hatte ihm gesagt, was vor sich ging, doch es war ihm genau zu klar, wie den anderen. Die Zeichen waren zu eindeutig, um irgendetwas anderes aus ihnen zu interpretieren.

Und doch saß er hier fest.

Noch immer gingen ihm die Worte von Hirokazu und Kenta durch den Kopf. Er wusste, was er zu tun hatte. Er musste die Dinge wieder richten und viel Zeit blieb ihm nicht. Vielleicht war es auch jetzt schon zu spät. Doch er musste es versuchen.

„Ruki“, murmelte er. Er holte tief Luft.

Zumindest war es seine linke Hand, die man ans Bett gefesselt hatte. Dies war in der Absicht gewesen, dass er mit der rechten noch essen und trinken konnte, doch gerade kam es ihm zumindest gelegen.

„Verflucht“, flüsterte er, als er begann, die Hand aus der Handschelle zu winden. Er wusste nicht, wo sein Digivice oder Monodramon waren, doch würde er das Digivice ohnehin nicht für das brauchen, was er vorhatte. Er wollte nur noch einmal mit ihnen reden. Gegen diese Ungeheuer, die keine Digimon waren, konnte er ohnehin nicht mehr kämpfen. Zu sehr hatten die vergangenen Tage seinen Körper und auch seinen Geist mitgenommen. Nach allem, was er Monodramon angetan hatte, wäre er nicht einmal mehr überrascht, wenn die Verbindung zwischen ihnen nicht hr stark genug war, um Justimon zu formen.

Mit der rechten presste er gegen das Gelenk seines Daumens, das wie erwartet ein zu großes Hindernis war, um die Hand aus dem Stahlring zu winden. Vielleicht, wenn er Öl gehabt hätte... Doch er musste mit dem arbeiten, was er hatte. Und damit hatte er keine Wahl.

Er drückte stärker gegen das Gelenk und merkte im nächsten Moment, wie ein stechender Schmerz seinen Arm hinauffuhr. „Verdammt“, presste er hervor, bemüht nicht zu schreien.

Doch es hatte funktioniert. Seine Finger glitten durch die Handschelle, die vom Bettrahmen nun locker nach unten baumelte.

Einige Male holte er tief Luft, die Hand instinktiv an den Körper gedrückt und biss die Zähne zusammen. Weiter im Plan. Wenn er hier heraus wollte, musste er wen auch immer, der vor seiner Tür Wache hielt überwältigen. Und er brauchte Kleidung. Denn im Krankenhaushemd konnte er kaum raus gehen – selbst wenn es warm genug war und wahrscheinlich ohnehin nicht mehr genug Leute in der Stadt waren, um sich daran zu stören.

Noch einmal holte er tief Luft, dann stand er auf.

Shoji seufzte. Er hatte noch immer nichts gesagt. Vielleicht wäre es ihm einfacher gefallen, wenn ihnen nicht Renamon und Gazimon gefolgt wären. Zwar war Gazimon fast wie ein Teil von ihm, doch wusste er ja auch so schon nicht, was er sagen wollte und die Digimon machten es nur schwieriger.

Er warf Ruki einen Blick zu und merkte, dass sie es ihm gleich tat. Sie sahen wieder zu Boden.

Wie albern.

Ach, verdammt, was für einen Unterschied machte es denn überhaupt? Er wusste nicht was er wollte und er zweifelte, dass es ihm in den wenigen Stunden – oder, wenn sie glück hatten, Tagen – die ihnen noch blieben klar werden würde. Doch es fühlte sich so falsch an, nicht darüber zu sprechen.

„Ruki“, meinte er schließlich mit heiserer Stimme.

Er konnte ihren Blick auf sich spüren. „Ja?“

„Ich...“ Er unterbrach sich. „Wenn es wirklich zuende geht... Willst du nicht noch einmal mit Ryou sprechen?“

Sie seufzte leise und antwortete nicht.

„Ryou hat seine Entscheidung getroffen“, meinte Renamon, als wolle es seiner Partnerin die Last der Antwort abnehmen. „Er hat sich entschieden zu kämpfen. Sogar gegen uns.“

„Ich weiß“, erwiderte Shoji. „Ich meine nur... Er war dir wichtig, oder nicht?“

„Ja“, antwortete Ruki nach einer weiteren kurzen Pause. „Ja, war er.“ Sie blieb stehen und schloss die Augen. „Ist er auch immer noch. Nur anders als früher und das versteht er nicht.“ Sie schüttelte den Kopf. „Er versteht es nicht und ich weiß nicht, wie ich es ihm noch sagen soll.“ Kurz wanderte ihr Blick zum Boden, dann jedoch sah sie Shoji an. „Vielleicht hast du Recht“, meinte sie dann. „Aber ja... Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Shoji nickte nur. Was sollte er groß dazu sagen? Immerhin wusste er nur wenig über die beiden und die Beziehung die sie gehabt hatten. Natürlich war es nicht wirklich, was ihn bedrückte, doch wie er das Thema ansprechen sollte, wusste er noch weniger.

Gazimon schien dies zu merken oder merkte viel eher, dass er zögerte. Es stubste mit seiner Schnauze gegen Shojis Bein und schenkte ihm einen aufmunternden, wenngleich auch etwas seltsamen Blick zu. Was war die andere Emotion? Trauer? Angst? Wegen ihrer Situation?

„Ruki“, begann er daher nach einer kurzen Pause erneut. Er holte Luft. „Der Kuss“, sagte er dann.

Sie wich seinem Blick aus und machte ein paar Schritte nach vorn, so dass sie ihm wieder den Rücken zuwandte. „Ich“, begann sie langsam. „Es tut mir leid...“

Er wartete. „Dann...“, meinte er langsam und in einem fragenden Tonfall.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte Ruki und ihr Tonfall klingt schon beinahe amüsiert. Sie seufzte. „Und wir haben nicht mehr wirklich Zeit, oder?“

„Nein“, antwortete er. Es war so surreal.

Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm herum. Sie war ziemlich genau so groß wie er – für eine Frau ziemlich groß, aber kaum verwunderlich, bei ihrer Mutter.

Shoji nickte nur, als Ruki etwas tat, womit er nicht gerechnet hatte.

Dieses Mal küsste sie ihn nicht, doch trat sie an ihn heran und legte die Arme um ihn.

Da verstand er. Sie hatte Angst, genau so wie er. Angst vor dem, was kommen würde, oder viel mehr Angst vor dem Moment, wenn alles vorbei war.

Er erwiderte ihre Umarmung und war – zumindest – froh, dass er nicht allein war.
 

30. Juli 2011, 13:16 – Paolo Alto
 

Ein weiteres Erdbeben erschütterte den Gebäudekomplex. Es würden wahrscheinlich noch mehr werden. Beinahe schon erschien es Keith als ironisch, waren es doch auch in Filmen so oft Erdbeben, die den Untergang der Welt ankündigten – selbst wenn es keinen Sinn ergab, wie in jenen Filmen, wo die Welt durch einen einschlagenden Meteoriten zerstört wurde.

Machte es bei ihnen Sinn? Er wusste es nicht. Auf der anderen Seite: Was machte schon Sinn? Die ganze Welt war nur eine Simulation und wenn diese Simulation einen Fehler aufwies, dann konnte dies wahrscheinlich die seltsamsten Fehler mit sich bringen.

Ob wohl irgendwo in der realen-realen Welt, jener Welt, in der die Simulation lief, Fehlermeldungen über Fehlermeldungen auf Bildschirmen explodierten?

Wer hatte die Simulation überhaupt gestartet?

Letzten Endes war es egal, sofern jene Wesen keine „göttliche Intervention“ betrieben und das taten, was sie gerade versuchten: Einen Reboot der Welt. Doch da sie sich darauf kaum verlassen konnten – vielleicht waren jene Wesen ja nicht einmal mehr da – versuchten sie es selbst.

So viele Emotionen hatte er in den vergangenen Tagen durchlebt. Angst. Verzweiflung. Apathie. Aber auch Hoffnung. Sie hatten genug Daten, dass sie es vielleicht schaffen konnten. Sie mussten hoffen, sagte er sich, denn sonst würde der Antrieb, der sie am arbeiten hielt, verloren gehen.

Zwei Tage schon saßen sie hier und Schlaf wäre wohl eine gute Abwechselung gewesen. Doch zum Schlafen hatten sie keine Zeit. Sie hatten für nichts mehr Zeit, außer vereinzelte Pausen zum Essen, Trinken und vielleicht auch um die Augen zu entspannen. Nun, und natürlich für jene Dränge, die sich nicht vermeiden ließen.

So sah er nun einem Spiegelbild mit deutlichen Ringen unter den Augen entgegen, als er aus einer Toilettenkabine kam und sich Hände und auch das Gesicht wusch.

Wie lange noch?

Mit ein paar Papierhandtüchern trocknete er sich das Gesicht ab und verließ das WC, um sich wieder an die Arbeit zu begeben.

„Und du glaubst, dass es so funktioniert?“, fragte eine Stimme.

Keith sah sich um und erkannte seinen Vater, der zusammen mit Megumi hinter Shibumi – oder Mizuno Gorou – stand und auf dessen Bildschirme sah.

„Nun“, erwiderte der alte Japaner mit einem trockenen und beinahe auch etwas monotonen Tonfall, „es ist nicht, als könnten wir noch viel kaputt machen, oder?“

Megumi begutachtete den Code. „Was ist mit jener anderen Welt?“

„Wenn alles stimmt, dann sollte sie ebenfalls in den Status von vergangenem Sommer versetzt werden“, antwortete Shibumi.

Auch Keith ging hinüber und sah auf den Code.

„Was ist los?“, fragte er.

„Mizuno-san, ich meine, Mizuno hat den Code der Anomalie von dem der digitalen Welt trennen können“, erwiderte Megumi, die mindestens genau so müde aussah, wie Keith sich fühlte.

„Dann...“, begann er und ließ das Wort fragend ausklingen.

„Wir haben vielleicht noch eine Chance“, erwiderte sein Vater mit einem müden Lächeln. „Alles was wir brauchen, ist einen Deployment Code.“

Keith nickte und tauschte einen kurzen Blick mit Megumi, auf deren Gesicht ein mattes, hoffnungsvolles Lächeln lag.

Sein Vater holte tief Luft. Er klatschte in die Hände. „Aufgepasst“, sagte er dann laut und die Augen der Anwesenden wendeten sich ihm zu. „Wir haben eine Grundlage, aber nicht mehr viel Zeit...“ Und so begann er neue Anweisungen zu vergeben.
 

31. Juli 2011, 10:39 – Shinjuku, Tokyo
 

Die Sonne schien in den Konferenzraum, in dem sich Takato, Juri und Guilmon schließlich irgendwann in der vergangenen Nacht zur Ruhe gelegt hatten.

Das Futon war für Takato, der immer in einem Bett geschlafen hatte, alles in allem unangenehm hart, doch zumindest fühlte er den Körper seiner Freundin, die sich an ihn gekuschelt hatte. Sie hatten beide in ihrer normalen Kleidung geschlafen, da sie hier auch nichts anderes bei sich hatten.

Er war dankbar, dass sie bei ihm geblieben war, als ihre Eltern und ihr Bruder geflohen waren. Er wollte, dass sie beieinander waren, wenn alles zuende ging – und es gab ohnehin keinen Ort an dem sie sicher wäre.

Vorsichtig drehte er sich um, um sie ansehen zu können, und stellte überrascht fest, dass ihre Augen offen waren. Sie hatte nicht geschlafen oder war zumindest schon vor ihm wach gewesen.

„Guten Morgen“, flüsterte er leise.

Sie schenkte ihm ein mattes Lächeln. „Guten Morgen.“

Kurzes Schweigen herrschte, ehe Juri wieder die Stimme erhob: „Hast du etwas schlafen können?“

Daraufhin nickte Takato. „Ja. Etwas.“ Viel war es nicht gewesen. „Und du?“

„Ja. Ein wenig.“

Wieder schwiegen sie. Vorsichtig hob Takato eine Hand, um eine Strähne ihres rotbraunen Haares aus ihrem Gesicht zu streichen. Sie hielt seine Hand und für einen Moment waren sie still.

„Was machen wir jetzt?“, fragte sie schließlich.

Takato schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht.“ Er drehte sich auf den Rücken und sah zur Decke hinauf. „Ich weiß es nicht.“

Dem Schein der Sonne nach zu urteilen war es schon später Vormittag. Das Licht war hell und der Rand der Fenster spaltete es auf, so dass an einigen Stellen kleine Regenbogen auf die Decke und die Wand reflektiert wurden.

Schließlich stand er auf und ging zum Fenster hinüber.

Allein von hier aus konnte er Streams sehen. Drei Stück. Und eins jener seltsamen Wesen aus der anderen digitalen Welt.

Er seufzte.

„Was ist, Takato?“, fragte eine vertraute, quäkende Stimme. Offenbar war auch Guilmon aufgewacht, denn im nächsten Moment presste sich der Kopf der großen, roten Echse gegen seine Hüfte.

Gedankenverloren strich er seinem Partner über den Kopf. „Schaut sie euch an“, murmelte er. „Sie greifen uns nicht einmal mehr an...“ Er seufzte. „Ich wünschte, ich könnte noch einmal mit ihnen reden. Es zumindest versuchen...“ Eigentlich sprach er dabei mehr mit sich selbst, als mit Juri oder Guilmon. Noch immer versuchte er zu verstehen, was diese Wesen waren. Zumindest ein Teil von ihm wollte nicht, dass alles zuende ging, ehe sie das herausfinden konnten. Egal ob das Ende nun hieß, dass die drei Welten zerstört wurden oder dass sie die Welten voneinander trennten, wie Shibumi es plante.

„Warum tust du es dann nicht?“, fragte Juri. Auch sie trat hinter ihn und legte einen Arm um ihn. „Was hast du zu verlieren?“

Er seufzte und legte seine Stirn gegen die Fensterscheibe. Er dachte daran, wie jene digitale Lebensform vor zehn Jahren im Wassertunnel aufgetaucht war. Damals hatte sie beinahe Guilmon absorbiert. Warum? Doch gab es etwas, das ihn zurückhielt, das ihn davon abhielt raus zu gehen und tatsächlich Kontakt aufzunehmen. Denn eine Sache konnte er verlieren... „Zeit.“

Juri schien zu verstehen. Zumindest glaubte er dies, als sie seufzte. „Dann lass uns zusammen gehen“, erwiderte sie.

Takato sah nach draußen, sah auf die Kreatur, die vielleicht vierhundert Meter entfernt durch eine Häuserfront wanderte.

„Vielleicht ist es gefährlich“, erwiderte er und drehte sich schließlich zu Juri um, die nur mit den Schultern zuckte.

„Macht es jetzt einen Unterschied?“

Er schwieg.

„Guilmon ist dafür, dass wir zusammen gehen“, meinte sein Partner auf einmal. „Guilmon möchte auch mit diesen Wesen sprechen.“

Für einen Augenblick sah Takato zu seinem Partner, dann seufzte er und nickte.
 

31. Juli 2011, 11:04 – Shinjuku, Tokyo
 

Steve sah auf sein Handy und seufzte schwer. Natürlich. Keine Verbindung.

„Cheer up, Steve“, meinte Leormon und schaute zu ihm auf, wobei es jedoch selbst nicht besonders freudig wirkte.

Langsam steckte Steve sein Handy weg und beugte sich zu seinem Partner hinab, um ihn durch den Irokesen zu streichen. Er zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er nicht glaubte, dass es besonders überzeugend wirkte. „I just wanted to talk with her again.“

Ein leichtes Vibrieren lief durch das Gebäude. Ein weiteres Erdbeben.

Er blickte auf und sah die große Fensterfront des Labors ebenfalls vibrieren, doch sie zerbrach nicht.

Mehrfach schon hatte er versucht, seine Mutter zu erreichen, aber natürlich war es sinnlos. Die meisten Netze waren entweder überlastet oder durch die Probleme der digitalen Welt offline. Es gab keine Möglichkeit mehr.

„There is nothing much, we can do, eh?“, sagte er dann zu seinem Partner und stand auf.

„Maybe not“, erwiderte der Partner.

Auch wenn er versuchte nicht daran zu denken, so kam Steve nicht umher sich einsam zu fühlen. Im Moment fühlte er sich wenig beachtet und er konnte es den anderen nicht nachsehen. Immerhin fühlten sie sicher auch, wie er, jene Angst im Bauch, die wohl nur zu menschlich war.

Sie wollten Zeit mit jenen verbringen, die ihnen wichtig waren. Wollten Dinge noch klären.

Die ganze Zeit war er hier gewesen und hatte sie beobachten können. Er hatte gesehen, wie Takato bei seiner Freundin Juri gesessen war. Er hatte beobachtet, wie die Kinder, die aus der digitalen Welt zurückgekehrt waren, einander trost gespendet hatten. Er hatte die Blicke gesehen, die Ruki und Shoji einander zuwarfen.

Nur wünschte er sich, dass er seine Familie, seine Freunde noch einmal sehen konnte. All die Menschen, die ihm wichtig waren und die er in den USA zurückgelassen hatte für etwas, das er für ein Abenteuer gehalten hatte. Einmal nach Japan, in das Land, wo die Geschichte der Digimon – jedenfalls für die Öffentlichkeit – angefangen hatte. Er war so froh gewesen, diese Möglichkeit gehabt zu haben und nun wünschte er sich doch, er hätte seine Heimat nie verlassen.

Er sah Takato und Juri, die durch die große Halle liefen und offenbar auf dem Weg nach draußen waren.

Auch Leormons Blick folgte den beiden, ehe sich das Digimon in bester Katzenmanier streckte. „I would like to go into the sun“, meinte es. „Outside.“

Er tat es seinem Partner gleich und streckte sich. „Yeah“, murmelte er dann. „Why not.“

Also machten sie sich auf den Weg. Es war ein verfluchtes Ärgernis, dass die Aufzüge nicht mehr funktionierten, doch was sollte man tun? Der Weg runter war immerhin angenehmer als der Weg zurück.

Tatsächlich schien die Sonne draußen warm, während die Luft schwül war, ganz so als würde später noch ein Gewitter aufziehen, wenngleich der Himmel aktuell klar war.

Gerade so sah er noch, wie ein helles Licht erstrahlte, ehe Dukemon Takatos Freundin hochhob und mit ihr davon flog. Was auch immer sie planten.

„Ah, this is nice“, murmelte Leormon und rollte sich auf dem Vorplatz des Gebäudes hin und her. Es ließ ein Schnurren hören.

Steve erwiderte nichts, sondern sah nur Dukemon hinterher. Er fragte sich, wie es wohl wäre so mit Leormon zu verschmelzen. Würden sie dann zu Bancho Leomon werden? Doch jetzt war es wohl auch egal.

Dann sah er etwas anderes. Eine Bewegung in den Bäumen des Parks zu seiner Linken.

Da war noch etwas. Die Digimon, die die Kinder aus der digitalen Welt begleitet hatten. Er hatte gehört, dass Apollomon und Dianamon mit ihnen zurückgekommen waren. Die Digimon, die die Aufgabe der heiligen Biester übernommen hatten, nachdem diese vom neuen Reaperprogramm vor drei Jahren zerstört worden waren.

„Let's go over there“, meinte er und ging bereits los, wohl wissend, dass sein Partner ihm folgen würde.

Es wirkte surreal, als er durch den Central Park ging. Während es hier normaler Weise immer einige spielende Kinder gab oder alte Leute, die sich in einer Ecke an ein Go- oder Schachspiel gesetzt hatten, war der Park nun komplett verlassen. Wie der Rest des Viertels auch.

Er seufzte und sah sich um. Takato hatte ihm erzählt, dass dieser Park für die japanischen Tamer eine große Signifikanz gehabt hatte, nach all der Zeit, die sie hier als Kinder verbracht hatten.

„There!“, rief Leormon auf einmal aus und sah einen Weg hinunter.

Wie Shoji in der Nacht zuvor fand sich auch Steve vor den künstlichen Wasserfällen. Einige Digimon, die meisten auf dem Baby-Level, badeten nun in diesen, während Apollomon – mit einigem Abstand zum Wasser – ihnen zusah.

Allerdings waren die Digimon nicht vollkommen allein. Da waren auch drei Menschen. Steve erkannte sie, auch wenn er von einem den Namen nicht wusste:

Es waren Hirokazu, Kenta und einer der Jungen, die aus der digitalen Welt zurückgekommen waren. Der Sohn eines Politikers, hatte er gehört.

Ganz verstand er nicht, warum Hirokazu und Kenta hier geblieben waren. Doch wahrscheinlich war es aus einem ähnlichen Grund, wie er selbst: Es gab auch keinen besseren Ort, an den sie gehen konnten.

Kenta sah auf und erkannte ihn. „Larson-san!“, rief er hinüber.

Steve hob die Hand zum Groß und ging zu ihnen hinüber. Er lächelte matt, als er sah, dass die beiden mit einigen der Digimon zu spielen schienen und ihnen offenbar etwas zu Essen herausgebracht hatten.

Der andere Junge saß etwas entfernt auf einer Mauer und beobachtete sie nur.

„Ähm“, begann Hirokazu und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Vielleicht überlegte er auch, ob er Englisch sprechen sollte, doch wenn entschied er sich schließlich dagegen. „Was machst du hier?“

Steve zuckte mit den Schultern. „Die Sonne“, antwortete er nur.

Hirokazu nickte. „Wir dachten, wir könnten uns um die kleinen hier kümmern“, meinte er. „Es gibt ja ohnehin nicht viel, was wir tun können.“

„Ja“, erwiderte Steve einsilbig.

Leormon schüffelte ein bisschen, ehe es aufstand und zu einem der wenigen Childdigimon hinüberging. Einem Tailmon, wie Steve erkannte. Leormon setzte sich neben es und schien dann, wie auch das Tailmon dazu überzugehen, die Babydigimon beim Spiel im Wasser zu beobachten.

„Es ist nostalgisch“, meinte Kenta. „Wir haben hier früher mit Guilmon und Terriermon gespielt.“

„Pipopapi“, warf Penmon ein.

„Ja, und später auch mit euch“, lachte Kenta, ehe er dann seufzte.

Die Zahnräder an Hagurumons Körper rotierten. „Ich bin froh, bei Hirokazu zu sein“, sagte es dann, ohne dass Steve ganz klar wurde, ob es einfach nur ein Gedanke war, der ihm gerade gekommen war, oder ob es ein Beitrag zum Gespräch war.

Hirokazu sah zu seinem Partner. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, ehe er sich aus der Hocke erhob und einen sanften, freundlichen Schlag gegen Hagurumons blechernden Körper abgab. „Ich bin auch froh, dass wir zusammen hier sind, Partner.“

Schließlich setzte sich auch Steve auf den Boden. Immerhin war dies ein Platz genau so gut wie jeder andere, um die verbleibende Zeit zu verbringen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass er – genau wie die anderen drei Jungen – hier war, weil es keinen besseren Ort für sie gab.

Ein kleines Digimon – ein Wanyamon – sprang überraschend in seinen Schoß, kuschelte sich gegen seine Beine und schloss die Augen, beinahe als hätte es nur auf so eine Möglichkeit gewartet.

Steve seufzte und strich durch das blaue Fell des kleinen Digimons.

Er wusste nicht, wie viel Zeit verging, in der er hier mit dem Digimon auf dem Schoß saß, während er sich ab und zu kurz mit Hirokazu und Kenta unterhielt.

Doch nach einiger Zeit, vielleicht zehn oder zwanzig Minuten, ließ ein Rascheln zwischen den nahestehenden Blättern ihn aufsehen.

„Was?“, fragte Hirokazu auf japanisch und stand auf, beinahe als würde er mit einem Angriff rechnen.

Ein Flackern ging durch die Blätter, doch die Gestalt, die aus diesen hervor kam, war nicht aus weißen Tetraedern bestehend, sondern durch und durch Menschlich. Sie hatte eine Uniform an, die nach Sicherheit aussah, und ihre linke Hand war deutlich geschwollen.

„Ryou?“, riefen Hirokazu und Kenta beinahe gleichzeitig aus.

Der junge Mann, der auf sie zukam grinste breit, wenngleich das Grinsen erzwungen wirkte. „Hey“, meinte er. „Ich brauche eure Hilfe.“
 

30. Juli 2011, 18:13 – Shinjuku, Tokyo
 

Ein weiteres Beben, doch dankbarer Weise hielt das Flache Gebäude stand. Wichtiger noch: Der Strom lief weiter.

Denrei sah auf. Er hatte sich eine Pause gegönnt, konnte er die Augen doch kaum noch aufhalten. Er saß am Rand des Raums auf einer Bank und hatte einen Arm um die ebenfalls halb schlafende Shuichon gelegt und für einen Moment schloss er ebenfalls die Augen.

Sie würden es schaffen. Sie würden es noch schaffen. Doch wusste er bereits jetzt, dass es nicht ganz so einfach war. Er hatte selbst sein bestes gegeben, bei der Erstellung des Codes zu helfen und er hatte Shibumis Deployment-Plan gesehen und verstanden.

Sie würden es schaffen, doch dafür musste es ein Opfer geben.

Müde vergrub er das Gesicht in den Haaren seiner Freundin. Er wollte diese letzten Momente noch genießen.

Vielleicht döste er so ein. Er konnte es nicht sicher sagen, doch zumindest zuckte er zusammen, als er mehr und mehr Stimmen aufgeregt reden hörte. Aufgeregter als zuvor.

Er sah auf und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen. Irgendetwas war los.

Eine Bewegung neben ihm.

Shuichon schien ebenfalls aufgewacht. „Was ist los?“, fragte sie leise.

Da bemerkte Denrei noch etwas anderes. Dracomon war nicht hier. Er stand auf. „Dracomon?“

„Denrei“, quäkte die Stimme seines Partners zu seiner rechten und als er den Blick in die Richtung wandte, sah er wie Dracomon gefolgt von Alex und – zu seinem Missmut – Jenrya durch eine Tür kam.

Sie schwiegen, als die beiden vor ihnen stehen blieben.

„Was ist los?“, fragte Shuichon schließlich, mit etwas empörter Stimme.

Jenrya seufzte und sah sie an, so etwas wie Trauer in seinem Blick. „Der Code ist fertig.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Caliburn
2017-06-29T22:27:34+00:00 30.06.2017 00:27
Der Titel des Kapitels ist ja mal echt unheilverkündent. xD

Irgendwie hoffe ich ja noch, dass sich Rin mit ihren Eltern ausspricht. Zumindest im Epilog, wenn es die Welt dann überhaupt noch geben sollte. *hüstel*

Shojis Angst ist berechtigt. Ich meine, was sollte man auch sonst fühlen, wenn einfach ALLES kurz davor steht aufzuhören zu existieren. *seufz* Und das Gefühl der Machtlosigkeit muss ihn ja scheinbar auf förmlich erdrücken.
Aber, hey, Ruki ist ja da~

Weißt du, wie sehr ich dich dafür liebe, dass Steve noch einmal einen guten Auftritt bekommen hat? Ich mag ihn eben.
Bin gespannt ob er, Kenta und Hirokazu Ryou helfen werden.

Es muss natürlich ein Opfer geben. Ein Opfer... Mir schwant übles.

Irgendwie habe ich ein völlig ernüchterndes Gefühl im Magen bei dem Gedanken, dass die Geschi9chte in zwei Wochen beendet sein soll.
Werden wir trotz allem hin und wieder One Shots zu einigen Chrakteren bekommen?

Von:  Taroru
2017-06-28T15:13:57+00:00 28.06.2017 17:13
ich mag weiter lesen o.o
mag nicht länger warten o.o
(aber das kennst du ja schon von mir :-D )

man merkt, wie sich die lage immer weiter zuspitzt. und dennoch gibt es diese kleinen momente, wo man ein wenig aufatmet, noch mal zurück schaut, und versucht in die zukunft zu sehen.... ich hoffe du weißt was ich meine, ich finde das jedenfalls echt gut umgesetzt, und bin gespannt was nun kommt.
Antwort von:  Alaiya
28.06.2017 20:11
Haha, ich weiß. Aber hey, noch zwei Kapitel. Zwei Wochen und dann musst du nicht mehr warten :3

Und ja, mir waren hierbei diese kleinen Momente sehr wichtig :3 Gerade bei dem Ende...
Antwort von:  Taroru
28.06.2017 20:14
und dann ist schon alles vorbei D:
das finde ich auch nicht unbedingt gut XD
planst du vielleicht noch ne staffel? :-p

ich mag solche kleinen momente immer sehr :-)
Antwort von:  Alaiya
28.06.2017 20:30
Nun, sagen wir es mal so: Ich spiele aktuell mit einem komplett eigenen Staffel-Projekt rum (Digimon Nexus), aber eigentlich will ich mich aktuell erst einmal dann auf das Hare Among Wolves Universum konzentrieren :3
Antwort von:  Taroru
28.06.2017 20:44
ui, das klingt aber auch interessant :-D
gib mir bescheid, wenn es dazu kommen sollte ^^

und hey, über dein Wolves Universum freue ich mich auch ;-)


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