Digimon Battle Generation von Alaiya ([Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren) ================================================================================ Episode 48: Unter der Oberfläche -------------------------------- Episode 48: Unter der Oberfläche Egal was ich tue, ich entferne mich immer mehr von meinen Freunden. Ich bin außen vor, das fünfte Rad am Wagen. Ich kann nichts mehr richtig machen. Alles, was ich je wollte, war ein guter Freund und ein guter Bruder für Shuichon zu sein. Doch auch bei Shuichon habe ich versagt. Ich konnte sie nicht beschützen Und am Ende war ich der Bösewicht, der Antagonist. Gibt es für mich keinen Platz mehr?                                                                – Lee Jenrya Jenrya hasste es. Er hasste einfach alles. Die ganze Situation... Es war, als würde ihm niemand beachten, als wäre es vollkommen unwichtig geworden. Er wusste, dass sein Vater am Tag vorher mit Shibumi geredet hatte, doch niemand hatte ihm sagen wollen, was aus diesem Gespräch heraus gekommen war. Niemand hatte ihm irgendetwas sagen wollen. Ja, es war, als sei er vollkommen überflüssig. Dabei hatte seine Familie doch eigentlich ihn besuchen wollen. Und nun? Sein Vater war, nachdem er von Shibumi zurückgekommen war, mit Daisy und Megumi zum Institut gefahren und hatte jedwede Hilfe abgelehnt, als Jenrya diese angeboten hatte. Wohin Dolphin war hatte ihm auch niemand sagen wollen und genau so wenig, was Shibumi ihnen erzählt hatte. Nur eins hatte er sagen können: Was auch immer es war, es hatte sie alle irgendwie verstörrt. „Warte, Jian!“, hörte er eine piepsige Stimme hinter sich, die er natürlich als die Terriermons erkannte. Er wunderte sich, dass sein Digimonpartner ihm gefolgt war, denn es war noch früh am Morgen und die Sonne ging gerade erst auf. Da Terriermon ein Landschläfer war, hatte er es schlafen lassen, als er selbst aufgestanden war. Er hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. So vieles spukte ihm im Kopf herum und hatte ihm den Schlaf geraubt. Deswegen hatte er rausgehen wollen, um in der frühen Morgenluft ein wenig seine Gedanken zu klären. „Was machst du hier?“, fragte er seinen Partner, als dieser auf seinen Kopf sprang. „Ich suche dich, natürlich!“, erwiderte das Digimon, das nun schlaff seine Ohren hinabhängen ließ und gähnte. „Ich sollte dich fragen, was du hier machst!“ „Ich wollte nur ein wenig frische Luft schnappen“, erwiderte er. Letzten Endes war es nicht nur sein Vater gewesen, der ihn abgewiesen hatte. Da war auch noch Shuichon. Shuichon, die verletzt worden war, die wegen Denrei verletzt worden war und dennoch nicht auf ihn, ihren Bruder, hören wollte. „Moumantai, Jian“, kam es auf einmal von Terriermon. Überrascht sah er zu dem Digion auf. „Was?“ „Moumantai“, wiederholte das Digimon, wobei es dieses Mal jede Silbe in die Länge zog. „Wieso?“, fragte Jenrya nun. „Weil du missmutig aussiehst. Die ganze Zeit schon. Immer so missmutig.“ Es zog eine Grimasse. „Sei mal fröhlicher. Don't worry, be happy!“ Jenrya blieb stehen und sah auf die leere Straße, die durch das Licht der langsam aufgehenden Sonne, in ein seichtes Orangerot getaucht war. Dann sah er zum Himmel. „Wieso sollte ich fröhlich sein?“, fragte er schließlich, leise und mehr an sich selbst, als an Terriermon gewandt. „Die Welt geht unter und ich...“ Auch er hatte die Nachrichten am Tag zuvor gesehen. Die Nachrichten von diesen Wesen, die nun auch auf Hawaii aufgetaucht waren und dort, trotz Gegenwehr einiger lokaler Tamer, offenbar eine absolute Katastrophe ausgelöst hatten. Denn auf irgendeine Art und Weise störten diese Wesen diese Welt, die reale Welt, zerstörten sie. Doch auch dazu wollte ihm niemand etwas erzählen. Niemand gab ihm Informationen. Weder sein Vater, noch Shuichon, obwohl er wusste, dass sie etwas mit der Anomalie zu tun gehabt hatte, als sie zusammen mit Denrei in der digitalen Welt gewesen war. Auch davon hatte ihm niemand etwas gesagt! Gab es überhaupt noch eine Rolle für ihn in dieser Geschichte, in diesem Kampf? War es überhaupt noch sein Kampf? „Jian!“, holte Terriermons Stimme ihn nun aus seinen Gedanken. Sein Blick wurde wieder klarer. „Was?“ „Du bist immer noch mein Tamer und egal was passiert, wir werden zusammen kämpfen, oder?“, meinte Terriermon. „Was?“, fragte er noch einmal, ehe die Worte des Digimons langsam in sein Gehirn vordrangen. „Ja, natürlich“, erwiderte er dann, wenngleich mit matter Stimme. Das Digimon sah ihn besorgt an. „Jian... Seit... Seit... Ich weiß nicht einmal seit wann... Du bist so abweisend. Warum musst du so abweisend sein? Zu mir. Zu Alex. Ich bin doch dein Freund und Alex auch! Wieso siehst du das nicht?“ Damit sprang das Digimon von seinem Kopf, machte in der Luft einen Überschlag und sah ihn dann mit seinen großen Perlaugen an. „Ich...“, begann Jenrya. „Ich bin dein Freund. Wir sind Freunde. Es ist nur... Es ist nur...“ Er verstand nicht. Was sollte er sagen? Was wollte Terriermon, das er sagte? Hatte es Recht? Ja, er war abweisend gewesen, aber das alles war doch nur, weil seine eigentlichen Freunde ihn im Stich gelassen hatten. Er hatte keinen Platz mehr in dieser Welt und deswegen... „Jian, bitte“, flüsterte sein Partner. Er zögerte, doch im nächsten Moment erklang ein durchdringender Piepston, der von seinem Digivice ausging. Tatsächlich war Jenrya nicht der einzige, der früh an diesem Morgen wach lag und seinen Gedanken nachhing. Auch wenn diese Gemeinsamkeit Jenrya vielleicht nicht unbedingt gefreut hatte. Denn es war Denrei, der ebenso wach lag. Er hatte sich auf die Seite gedreht und sah Shuichon an, die neben ihm schlief. Sie lag auf dem Rücken, obwohl sie normaler Weise lieber auf der Seite schlief, da ihre verletzte Schulter ihr keine andere Lage erlaubte. Dennoch schien sie gut zu schlafen, selbst wenn dies vielleicht auch mit am Schlafmittel lag, das die Ärzte ihr aus dem Krankenhaus mitgegeben hatten. Denrei seufzte. Er wusste nicht, was er machen sollte. Er hatte sie beschützen wollen und nun... Nun war es vielleicht egal, dass er versagt hatte. Auch er hatte am Tag zuvor immer und immer wieder die Berichterstattung von Hawaii verfolgt, die irgendwann abgebrochen war. Wenn noch mehr dieser Wesen der Anomalie hier auftauchten, so wusste auch er, würde diese Welt es wohl nicht verkraften. Doch gleichzeitig war er sich sicher, dass diese Wesen ihnen nicht feindlich gesinnt waren. Immerhin hatten sie es doch selbst erlebt, als sie in der digitalen Welt gewesen waren. Diese Wesen hatten ihnen keinen Schaden zugefügt, sie hatten gesagt, dass sie nur leben wollten. Gab es denn keinen Weg, dass sie lebten, ohne die digitale Welt und die reale Welt zu beschädigen? Doch so sehr er sich auch wünschte, eine solche Lösung zu finden, so wusste er doch auch, dass er kämpfen würde, wenn es darum ging, diese Welt zu beschützen. Immerhin war diese Welt, die Welt, in der er aufgewachsen war und in denen die Menschen – und Digimon – lebten, die er beschützen wollte und so? Er seufzte. Warum hatten sie nicht mehr Zeit? Warum hatten sie keine Möglichkeit etwas zu tun? Warum mussten sie wieder und wieder kämpfen? Sein Blick glitt zu Dracomon und Lopmon hinüber, die auf dem Sofa neben dem Bett schliefen. Womit hatte dies alles angefangen? Hatte es schon damals angefangen, als Takato, Ryou und die anderen ihre Digimonpartner bekamen? Oder hatte es angefangen, als die Demon Lords ihren Plan festigten, die reale Welt zu überfallen? Denn damals war die Grenze zwischen den Welten so stark zerstört worden und deswegen – da war er sich sicher – kamen diese Wesen überhaupt hierher. Wenn es doch nur einen Weg gäbe... Er drehte sich auf den Rücken und sah zu dem Ventilator, der im Halbdunkeln unter der Decke seine Kreise drehte. Da wurde die Stille des Zimmers durch den schrillen Piepston der beiden Digivices auf dem Nachttisch unterbrochen, deren Bildschirme rot aufleuchteten. Er wusste, dass dies nichts gutes bedeutete. Saint Galgomon flog über San Fransisco hinweg, während die Sonne immer höher am Himmel aufstieg. Aus irgendeinem Grund wusste Jenrya bereits, was es war. War es Intuition, hatte es damit zu tun, dass er den Körper mit einem Digimon teilte oder einfach nur damit, dass er es die ganze Zeit befürchtet hatte. Doch irgendwie wusste er es: Diese Anomalie war nun auch hier. Sie war in San Fransisco. Und sie mussten sie aufhalten! Er wusste es. Dann... Ja, dann was? Aber vielleicht, so dachte er sich, hatte es so zumindest einen Sinn, dass er hier war, selbst wenn er zu sonst nichts zu gebrauchen war. Und während Saint Galgomon nun an Höhe gewann, erkannte er das Wesen. Er hatte Recht gehabt, es war die Anomalie. Doch war sie dieses Mal nicht auf Land erschienen, sondern im Wasser, direkt hinter Alcatraz. Doch auch, wenn sie eigentlich hätte im Wasser versinken sollen, so schien sie beinahe auf der Wasseroberfläche zu stehen. Nur ihre Füße drangen in das Wasser ein. „Vorsicht jetzt, Jian“, hörte er Terriermons Stimme. Ja, er wusste, dass sie vorsichtig sein mussten. Immerhin hatte er die Bilder aus Tokyo gesehen und wusste, was diese Wesen taten, wenn sie mit Digimon in Kontakt kamen. So umkreiste das riesige Maschinendigimon mit vielen Metern Abstand zum Boden die verlassene Gefängnisinsel und das Wesen, dass im Wasser stand und von dort aus nun zu ihm aufsah. Tatsächlich griff das Wesen Saint Galgomon nicht an, sondern beobachtete es nur, wobei es ein seltsames Geräusch, wie den Gesang eines Wales erklingen ließ. Doch dann sah Saint Galgomon, und damit auch Jenrya, etwas anderes: Eine kleine Fregatte bewegte sich auf die Insel zu, ein Kriegsschiff des Militärs und Jenrya wusste genau, was ihr Ziel war. Sollte er sich einmischen? Er wusste nicht genau, ob das Militär etwas gegen dieses Wesen tun konnte, auch wenn vielleicht die Munition, die sie gegen Digimon verwendeten, gegen diese Wesen Schaden anrichten konnten – immerhin kamen sie auch aus dem Netz, oder? Doch wenn nicht... Er glaubte nicht, dass Menschen den Kontakt mit diesen Wesen so lang überstehen konnten, wie Digimon. Und so flog Saint Galgomon tiefer hinab, um besser eingreifen zu können. Da war das Schiff nahe genug heran gekommen, um zwei Raketen auf das Wesen abfeuern zu können. Die beiden Geschosse lösten sich aus ihrer Vorrichtung und zischten auf die Anomalie zu, trafen sie nur wenige Augenblicke später. Und für einen Moment geschah etwas seltsames: Die Tetraeder, aus denen das Wesen zu bestehen schien, flackerten und stoben kurz auseinander, ehe sie wieder ihre feste Gestalt annahmen. Das Wesen wandte seinen Blick der Fregatte zu. Diese machte die nächsten Raketen bereit, feuerte dieses Mal gleich vier ab, doch dieses Mal öffnete das Wesen sein Maul und während erneuter Walgesang ertönte, schoss ein Energiestrahl aus dem nun unförmig verformten Maul hervor, traf die Raketen in der Luft und ließ sie explodieren, ehe sie ihr Ziel erreichten. Dann traf der Stahl das Schiff, welches im nächsten Moment explodierte. Dabei hinterließ es keinen Trümmerhaufen, wie es zu erwarten gewesen wäre, sondern nur in der Luft schwebende Datenpartikel. „Wir müssen etwas tun!“, rief Jenrya und im nächsten Moment machte sich Saint Galgomon zum Angriff bereit. „Du bleibst hier“, meinte Denrei scharf, als Shuichon ihm weiterhin folgte, während er dabei war, auf schnellstem Weg das Hotel zu verlassen. Er trug noch immer das T-Shirt, in dem er geschlafen hatte und hatte nur eine Hose übergezogen, während auch Shuichon, die sich ohnehin nicht alleine umziehen konnte, im Nachthemd über ihn herlief. „Einen Teufel werd' ich tun!“, erwiderte sie. „Ich kann weiterhin kämpfen!“ Mittlerweile hatten sie bereits mitbekommen, dass eins der Wesen der Anomalie in der Buch von San Fransisco aufgetaucht war. Und Denrei hatte keines Falls vor dies zu ignorieren. Immerhin hatte er gesehen, wie das Militär hier auf die Digimon schoss und er ahnte, dass man mit diesem Wesen nicht rücksichtsvoller umgehen würde. Dennoch drehte er sich noch einmal um. „Du bist verletzt, wie willst du so etwas tun?“ „Als ob es einen Unterschied machen würde, sobald ich mit Lopmon verschmolzen bin“, erwiderte sie und hätte wohl die Arme in die Seiten gestemmt, wäre es ihr möglich gewesen. „Stimmt es, Lopmon?“ „Shuichon, ich...“, begann das Digimon unsicher. „Vielleicht sollten wir wirklich...“ „Wir müssen etwas tun!“, erwiderte sie lautstark und dickköpfig. „Wir kennen diese Wesen! Wir waren in der digitalen Welt! Vielleicht können wir etwas tun!“ „Aber Shuichon...“ Denrei sah sie an, doch wusste er bereits, dass es vergebens war. „Wenn du mich nicht mitnimmst, läuft Minervamon im Notfall!“, meinte sie mit eisernem Blick. Und so seufzte Denrei. „In Ordnung.“ Damit wandte er sich um und sah zu Dracomon. „Bist du bereit?“ Das Drachendigimon nickte. „Natürlich, Den!“ Und so liefen sie weiter, liefen durch die Eingangshalle des Hotels, wo einige sie seltsam ansahen, liefen durch die sich automatisch öffnende Tür und hoben, als sie endlich auf dem Vorplatz waren ihre Digivices. „Matrix Evolution!“ „Dracomon – Shinka! Slayerdramon! Shinka – Examon!“ „Lopmon – Shinka! Minervamon!“ Im nächsten Moment sprang Minervamon auf Examons Schulter, während das riesige Drachendigimon seine gewaltigen Flügel ausbreitete und vom Boden abhob. „Burst Shot!“ Die kleinen Raketen lösten sich aus Saint Galgomons Körper und schossen alle auf das Wesen zu, das seinen Kopf gerade noch rechtzeitig nach oben wenden, konnte, um sie zu sehen. Im nächsten Moment war es von einer Explosion umgeben. „Haben wir es geschafft?“, fragte Jenrya, während Saint Galgomon hinabsah. Doch als sich der Rauch lichtete und der durch die Explosionen aufgeworfene Staub von der Insel langsam legte, saß das Wesen immer noch da und sah zu ihnen hinauf, so als hätte es überhaupt keinen Schaden erlitten. „Was...?“, begann Jenrya ungläubig und starrte es an. „Das ist nicht gut, Jian!“, warnte Saint Galgomons Stimme ihn, als das Wesen das Maul öffnete. Im nächsten Augenblick wichen sie einem weiterem Energiestrahl aus, der in die Richtung des Ultimates gerichtet war und der sie nun nur knapp verfehlte. „Aber wie kann das sein?“, flüsterte Jenrya. Sie hatten mit der Attacke getroffen. Teile des Felsens, der Alcatraz bildete, waren ins Meer gefallen, obwohl sie nicht einmal direkt von der Explosion betroffen waren und dieses Wesen hatte keinen Schaden genommen? Er schüttelte den Kopf. Er durfte sich nicht ablenken lassen. „Noch einmal!“, rief er. „Giant Missle!“, rief Saint Galgomon nun aus und die beiden großen Raketen lösten sich von seinen Schultern und trafen das Wesen. Riesige Wellen wurden auf dem Meer aufgewirbelt, als die Explosion erneut das Wesen umhüllte, und rasten auf den Hafen zu, waren aber doch nicht groß genug, um wirklichen Schaden anzurichten – zumindest hoffte Jenrya dies. Doch erneut hatte die Attacke kein Glück und dieses Mal schoss der Energiestrahl auf sie zu, noch bevor sich der Qualm gelegt hatte. „Vorsicht!“, rief Saint Galgomon, während es weiter auswich. Da erklang ein weiterer Schrei. „Hört auf!“ Der Ruf verwirrte Jenrya, doch als Saint Galgomon seinen Kopf wandte, verstand er, was los war. Denn ein Digimon, das so groß war, wie Saint Galgomon – ja, sogar etwas größer – bewegte sich auf sie zu. Doch diese kurze Ablenkung reichte. Saint Galgomon wurde getroffen und im nächsten Moment zerfiel seine Schulterpanzerung zu Datenpartikeln. Die Panzerung war ein Teil vom Körper des Digimon gewesen und so spürte auch Jenrya ein Stechen in der Schulter. „Verflucht.“ Wütend sah er zu Examon hinüber, das nun mit großer Geschwindigkeit über den Hafen hinwegflog, während sich eine weitaus kleinere Gestalt von seiner Schulter löste und auf den Felsen der Insel hinabsprang. „Das ist Minervamon!“, hörte Jenrya die Stimme seines Partners. „Shuichon!“, rief er. Schon wollte er Saint Galgomon dazu anhalten, wieder anzugreifen, bevor das seltsame Wesen ihr etwas tun konnte, doch im nächsten Moment kam Examon auf Saint Galgomon zugeflogen und packte es. Ehe Jenrya sich versah, hatte Examon seine Klauen unter Saint Galgomons Armen und hielt diese Umklammert. „Wir sollten nicht gegen diese Wesen kämpfen“, knurrte es. „Dieses Wesen hat Menschen getötet“, erwiderte Jenrya und wusste, dass Denrei seine Stimme hören würde. „Diese Wesen sind nicht hier um zu kämpfen“, antwortete Examon nur. Derweil stand Minervamon auf einem Felsen und sah das Wesen an. Der Blick des Wesens war noch immer auf Saint Galgomon gerichtet, doch schien es nicht erneut angreifen zu wollen. Vielleicht weil es dann auch Examon treffen würde und es Examon noch nicht als Feind ansah? Nein, das konnte nicht sein, immerhin war das Wesen hierher gekommen, um diese Welt zu vernichten, oder? „Hey, du!“, rief Minervamon nun. „Du da!“ Das Göttinnendigimon rief dies auf japanisch, doch bei diesen Wesen sollte die Sprache keinen Unterschied machen. Für einige Sekunden schien es nicht, als hätte das Wesen Minervamon nicht gehört, denn es rührte sich nicht und wandte auch seinen Blick nicht ab. Doch dann lies es erneut den Walgesang ertönen und seine violetten Augen bewegten sich etwas. Dann, ganz langsam, wandte es sich zu Minervamon um, das am Rand von Alcatraz stand. „Shuichon!“, rief Jenrya, aber Minervamon reagierte nicht. Das Wesen schien das Digimon zu betrachten, während dieses seinen Blick fest auf den Kopf des Wesens gerichtet hatte. „Ihr seid hier, um mehr über die Menschen zu erfahren, oder?“, fragte Minervamon nun. „Deswegen seid ihr hergekommen, oder?“ Natürlich erhielt es keine Antwort. Wahrscheinlich konnte dieses Wesen ihm nicht einmal antworten. „Weißt du von mir?“, fragte Minervamon. „Wir waren bei euch in eurer Welt! Shuichon und Lopmon! Ihr habt damals gesagt, dass ihr mehr über Menschen wissen wollt. Das ist der Grund, warum ihr nun hier seid, oder? Weil ihr mehr über diese Welt und über die Menschen wissen wollt!“ Es war schwer zu sagen, ob das Wesen überhaupt zuhörte, geschweige denn verstand, was Minervamon da sagte. Doch es sah das Digimon an, ohne es anzugreifen. Also verstand es vielleicht doch etwas? Doch Jenrya wollte es nicht riskieren. Immerhin war es Shuichon! Shuichon, seine kleine Schwester, die er beschützen musste. „Shuichon!“, rief er noch einmal. „Wir müssen etwas tun!“ „Jian!“, erwiderte Terriermons Stimme daraufhin. „Vielleicht sollten wir etwas abwarten. Ich weiß es nicht, aber vielleicht hat Shuichon ja Recht. Wir gefährten sie auf jedenfall mehr, wenn wir jetzt etwas machen!“ „Sei ruhig!“, knurrte auch Examon. „Shuichon weiß, was sie tut!“ Jenrya sah auf das Schauspiel vor der ehemaligen Gefängnisinsel hinab. Wie konnte er einfach hier warten und nichts tun? Nun lösten sich kleine weiße Tentakelchen aus dem Körper des Wesens und streckten sich in Richtung Minervamons, das nun eine Hand ihnen entgegenstreckte. Als die Tentakelchen die ausgestreckte Hand berührten, fing diese an zu flackern, doch ansonsten passierte nichts. „So ist gut“, sagte Minervamon leise. „Du verstehst mich, oder? Wir wollen euch nichts tun, aber unsere Welt hält es nicht aus, wenn noch mehr von euch hierher kommen. Ihr zerstört unsere Welt. Ich weiß, dass ihr das nicht wollt, aber... Unsere Welt ist anders als die Digiwelt und so viel anders als eure Welt. Daher...“ Das Wesen starrte sie an, mit diesen einfarbigen Augen, die keinerlei Schluss auf eine Emotionsregung oder ähnliches zuließen. Was dachte es? Dachte es überhaupt? Doch auf eine seltsame Art und Weise, die er selbst nicht erklären konnte, hatte er das Gefühl, dass das Wesen die Worte tatsächlich verstand. Da hörte Saint Galgomon etwas anderes. Einen Flugzeugmotor. An sich nichts ungewöhnliches, immerhin war der Flughafen nicht allzu weit entfernt, doch was es hörte, klang nicht nach dem Motor einer Passagiermaschine, sondern nach etwas kleinerem, schnelleren. Auch Examon schien es zu hören, denn es wandte seinen Kopf um. Im nächsten Moment, schien die ganze Welt aus weißem Licht zu bestehen. Shibumi hatte gesehen, was am Hafen vorgefallen war. Ja, vielleicht hatte er nicht gehört, was gesprochen wurde, doch er hatte genug gesehen, um zu verstehen, was es zu bedeuten hatte. Denn auch er verstand langsam, was Denrei und Shuichon bereits wussten: Diese Wesen waren nicht hier, um zu kämpfen. Sie waren aus einem anderen Grund hier. Doch das änderte nichts daran, was ihre Anwesenheit für diese Welt bedeutete. Und genau das war das Grund, warum das Militär gehandelt hatte. Denn anders als Japan, hatte man hier kein Hypnos, keine Einrichtung, die mit Tamern zusammenarbeitete, sonder hatte sich ganz darauf verlassen, dass Militär entsprechend auszurüsten. Deswegen hatte man gehandelt, so wie man es für richtig hielt. Doch würde dieser Schritt ihnen wenig bringen, wenn sie auf lange Sicht dachten. Es würde wenig daran ändern, was in den nächsten Tagen passieren würde und dann wäre alles vorbei. „Verflucht“, murmelte er. Er wusste genau, dass es nicht viel gab, was er tun konnte, ohne die Daten zu haben. Doch konnte er es wirklich verantworten, sich hier noch länger zu verstecken? Denn mit oder ohne ihm, würden sie diese Welt vernichten. Wenn diese Wesen es nicht taten, dann würden die Menschen es selbst tun. Und das alles nur, weil sie nicht verstanden, was es mit diesen Wesen, der Anomalie, den Digimon, dieser Welt selbst auf sich hatte. „Was ist das...“, flüsterte Shuichon, als Denrei sie über Wasser zog und sie das erste Mal sah, was passiert war. Nun, eigentlich konnte keiner von ihnen so wirklich wissen, was passiert war, doch zumindest ahnte Denrei es, auch wenn sein Gehirn das, was er da vor sich sah nicht verstehen wollte. Was hatte es zu bedeuten? Er konnte es nicht sagen. Beim besten Willen konnte er es sich nicht erklären. Das seltsame Wesen der Anomalie war verschwunden und er ahnte, dass sie es getötet haben mussten. Es hatte einen Blitz gegeben, als man eine Bombe auf sie abgeworfen hatte, doch er wusste, dass es keine normale Bombe gewesen sein konnte. Denn sie hatte nicht nur das Wesen vernichtet, sondern auch die Verschmelzung zwischen ihnen und ihren Digimon aufgelöst. „Moumantai...“, hauchte Lopmon schlaff, während es sich an Shuichon klammerte und seine Ohren soweit ausgebreitet hatte, dass sie seinem Körper genug Auftrieb gab. Noch immer flackerte sein Körper und Dracomon, das sich kaum über Wasser halten konnte, ging es nicht anders. Doch das war nicht das seltsamste. Immerhin hatte Denrei bereits die Waffen gesehen, die Digimon Schaden zufügen konnten und entsprechend überraschte es ihn nicht zu sehr, dass eine der Waffen auch ihre Verschmelzung beenden konnte. Nein, war er nicht begreifen konnte, war der Zustand des Meeres und der Insel. Denn dort, wo zuvor noch das seltsame Wesen gestanden hatte, und Alcatraz Island flackerten, wie das Bild eines schlecht eingestellten Röhrenfernsehers. Ja, sie flackerten, wie Teile der digitalen Welt, die mit schädlichen Daten in Kontakt gekommen waren oder auf andere Art und Weise beschädigt waren. Aber wie konnte das sein? Fraglos war es genau die Reaktion, die er von einem Stück Land in der digitalen Welt erwarten würde, dass von einer solchen Waffe getroffen worden war. Doch dies war nicht die digitale Welt. Dies war die reale Welt und... Shuichon stöhnte auf und hielt sich die Schulter. „Shuichon“, flüsterte er besorgt. „Denrei“, keuchte derweil Dracomon, dass mit den Armen und Beinen paddelte, um über Wasser zu bleiben. Da hörte er einen anderen Ruf. „Shuichon!“, brüllte Jenrya, ehe er zu ihnen hinüberkraulte. Zumindest dieses eine Mal war Denrei ihm dankbar, denn als Jenrya Shuichon an sich zog und sie so über Wasser hielt, konnte er Dracomon unter die Arme greifen, um ihm beim Schwimmen zu helfen. Doch als er sich umsah, wurde ihm noch etwas anderes klar. Wenn sie niemand aus dem Wasser zog, würden sie ertrinken. Denn das Ufer war weit entfernt. So weit, dass er er die Hafenmauer kaum sehen konnte, nur einige Häuser konnte er in der Ferne erkennen. Und das Wasser war kalt. Jenrya schien dasselbe zu bemerken. „Zur Insel“, keuchte er, während er eindeutig Probleme hatte, sich selbst und Shuichon über Wasser zu halten. Für einen Augenblick zögerte Denrei. Er wollte schon seinen Zweifeln Ausdruck verleihen, doch er wusste, dass dies wahrscheinlich zu einem Streit führen würde und er konnte sich keine Situation vorstellen, in der ein Streit unangebrachter wäre als jetzt. Deswegen nickte er nur und schwamm los, Dracomon mühsam mit sich ziehend. Die Insel kaum mehr als 200 Meter entfernt und auch wenn er vollkommen außer Atem war, hoffte er, dass sie es schaffen würden. Sie mussten es schaffen. Robert McCoy war angespannt. Dies war das letzte, was hätte passieren sollen. Als hätten sie nicht schon genug Probleme, wie es war. Und doch zeigte es ihm eins: Shibumi hatte Recht. Denn anders konnte er sich die Bilder, die er sah nicht erklären. Zu gerne hätte er diese Reaktion der realen Umgebung irgendwie erklärt. Immerhin kam es teilweise vor, dass auch reale Gebäude, wenn sie von Digimonattacken getroffen wurden, zu Daten wurden, aber je mehr er darüber nachdachte, desto mehr wurde ihm klar, dass dies kein Gegenargument war, sondern nur bestätigte, was Shibumi sagte. „Was können Sie dazu sagen?“, fragte der Offizier, der vor seinem Pult stand und ihn fordernd ansah. „Was ist da passiert?“ Halb wunderte es Robert, dass man zu ihm gekommen war, hatte das Militär doch eigene Berater, selbst wenn diese nicht an der Erschaffung der Digimon beteiligt gewesen waren. Jedoch war ihm eine Sache klar: Würde er sagen, war auch er erst gerade begrriff, würde man ihm nicht glauben. Dennoch, er war es satt, sich wegzuducken, wenn man ankam, und so wie es im Moment aussah: Was hatte er zu verlieren? „Alles, was ich sehe, ist das Ergebnis einer ungetesteten Waffe.“ Kühl blickte er den uniformierten Mann an. „Sie haben nicht das Recht darüber zu urteilen“, erwiderte der Offizier, dessen Namensschild mit „Avoy“ beschriftet war. „Sehen Sie, Mister Avoy“, erwiderte Robert, „ich dachte sie wären hier, um mich zu fragen, was dort geschehen sei. Und was geschehen ist, ist, dass sie oder irgendeiner ihrer Oberen den Einsatz einer nicht getesteten Waffe authorisiert hat. Denn Ich gehe davon aus, dass die Waffe ungetestet ist, wenn sie so von ihren Folgen überrascht sind.“ „Sie unverschämter...“, begann Offizier Avoy, ehe er jedoch inne hielt und zur Tür des Labors sah. Wütende Stimmen waren zu hören, ehe einen Moment später die Tür aufgestoßen wurde und Janyuu wutentbrannt hineingeschritten kam. Ohne jedwede Zurückhaltung packte er den Offizier und schubste ihn hart gegen das nächste Regal. „Das waren meine Kinder dort draußen! Was haben Sie getan?“ Eine Hand am Uniformkragen, drückte er den Mann weiter gegen das Regal. „Janyuu, beruhige dich...“, versuchte Robert – wenngleich halbherzig – auf seinen Freund einzureden, doch ohne auch nur eine Reaktion hervor zu rufen. „Haben Sie überhaupt nachgedacht, was Ihre Waffe anrichten kann? Was war das? Was haben Sie getan?“, schrie Janyuu den Mann an, der für einen Moment zu überrascht war, um irgendetwas zu antworten. Dann jedoch fasste er sich langsam, griff nach Janyuus Hand und versuchte ihn zurück zu drängen. „Sie haben keine Autorität militärische Entscheidungen zu hinterfragen. Wer sind Sie überhaupt?“, erwiderte er, eine Hand am Waffenholster seines Gürtels. Doch was folgte, war nur eine schnelle Bewegung und im nächsten Augenblick lag Avoy bäuchlings auf dem Boden, während Janyuu ihm einen Arm auf den Rücken verdreht hatte. „Yamenasai, Tao“, erklang auf einmal eine andere Stimme, die japanisch sprach. „Es reicht, Tao.“ Alle Augen im Raum richteten sich auf die Gestalt, die leicht gebeugt in der Tür stand. Es war Mizuno Gorou. Shibumi. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)