Digimon Battle Generation von Alaiya ([Digimon Tamers] Wenn Welten kollidieren) ================================================================================ Episode 38: Shibumi ------------------- Episode 38: Shibumi Bis ich Cellomon getroffen habe, ist nie etwas gutes in meinem Leben passiert. Cellomon war mein erster und bester Freund und nie, nie werde ich erlauben, dass man ihm etwas tut. Nie werde ich erlauben, dass wir getrennt werden. Bevor ich dies zulasse, werde ich sterben. Ich will nie wieder ohne Cellomon sein. Ich will nie wieder nach Hause zurück. – Nicolas Tawney Megumi wandte sich um und holte tief Luft, ehe sie zur Hausnummer 442 sah, die auf der anderen Straßenseite war. Sie ging hinüber und sah auf das Schild neben der Tür, auf dem Tatsächlich in Romanji der Name „Mizuno“ aufgebracht war. Dann streckte sie die Hand aus und klingelte. Zuerst geschah nichts, doch nach einigen Sekunden konnte sie hören, wie jemand sich im Haus der Tür näherte. Megumi hörte, wie von innen mehrere Schlösser geöffnet wurden, ehe schließlich die Tür aufging. Dann stand Shibumi vor ihr. Im Nachhinein vermochte sie nicht zu sagen, was sie erwartet hatte, doch zumindest war es etwas anderes gewesen, als das was sie nun sah. Shibumi wirkte heruntergekommen. Nachdem er im vergangenen Winter kurze Haare getragen hatte, waren sie nun wieder gewachsen und wirkten unordentlich, da er sie nicht im geringsten frisiert hatte. Auch trug er eine Art Jogginganzug, anstatt richtiger Kleidung und wirkte dabei nicht im geringsten, als hätte er Besuch erwartet. Er sah sie für einen Moment ohne jedwede Emotion an und nickte dann. "Sie sind wirklich gekommen“, stellte er dann fest, jedoch ohne dass seine Stimme irgendeine Überraschung über diese Tatsache vermuten ließ. Es wirkte mehr wie eine nüchterne Feststellung. Megumi war überrumpelt. Sie hatte zumindest mit einer Begrüßung oder vergleichbarem gerechnet und sicher nicht damit, einfach nur mit leeren Augen angesehen zu werden. So brauchte sie einen Moment, um sich zu fangen und zu antworten. "Ja, ich bin gekommen“, antwortete sie. "Aber warum, Mizuno-san? Warum...“ Sie zögerte einen Augenblick. "Warum wollen sie mich sehen und nicht Lee-san oder Dolphin?“ Diese Frage platzte nun aus ihr heraus, weil sie sie bereits seit ihrem Emailwechsel vor einigen Wochen gequält hatte. Doch erneut fragte sie sich, was sie erwartet hatte, denn die einzige Antwort, die sie bekam war ein Schulterzucken, ehe Mizuno Gorou sich abwandte und in das Haus hineinging. Erneut zögerte Megumi, entschloss sich dann aber ihm zu folgen – immerhin war sie hergekommen, um mit ihm zu sprechen, oder? An sich war es kein kleines Haus – zumindest wenn man japanische Verhältnisse oder schlimmer noch tokyoter Verhältnisse gewohnt war. Es gab eine geräumige Diele und eine Treppe, die in ein zweites Stockwerk führen. Direkt in der Diele war eine Waschmaschine eher schlecht als recht angeschlossen, doch ansonsten war hier nichts zu sehen – nicht einmal Jacken oder Schuhe, die zum Ausgehen bereit standen. Einzig dicke Kabelbünde waren zu sehen, die von einer Art Kellertreppe, wie es ihr schien, in den Flur kamen und von dort aus weiter verlegt waren. Dabei schien "verlegt“ vielleicht nicht das richtige Wort zu sein, denn tatsächlich waren die Kabel einfach mit Kabelbindern zusammengebunden und mit Panzerband in der Ecke zwischen Wand und Boden fixiert worden. Alles wirkte heruntergekommen oder viel eher so, als sei das Haus nicht einmal richtig eingerichtet worden. Doch sie folgte Shibumi, der sie nun um eine Ecke in der Diele führte in einen geräumigen Raum. Nun, zumindest wäre der Raum sehr geräumig gewesen, wäre er nicht größtenteils mit Rechnern, Kühlgeräten und anderen technischen Anlagen zugestellt gewesen, die sogar die Fenster, die Megumi an der gegenüberliegenden Wand vermutete, verdeckten, so dass das einzige Licht im Raum von gesamt zwölf Bildschirmen kam, von denen drei auf einem Schreibstisch standen, während zwei weitere über diesem fixiert waren. Verschiedene Dicke Kabel lagen lose über den Boden und Verbanden verschiedene Geräte, die zusammen ein lautes Summen ertönen ließen. "Was ist das hier?“, fragte Megumi. Zuerst flüsterte, doch dann merkte sie, dass sie lauter reden musste, damit man sie über das Summen der verschiedenen Rechner und des Zubehörs hören konnte. "Mizuno-san, was ist all dies?“ Shibumi hatte auf einem zerschlissenen Bürostuhl vor dem Schreibtisch platz genommen und seine Aufmerksamkeit wieder den Bildschirmen zugewandt, während er mit unglaublicher Geschwindigkeit etwas auf einer Tastertur eintippte. Zuerst schien es, als wolle er nicht antworten, doch dann öffnete er doch den Mund. "Das hier ist meine Forschungsanlage.“ "Aber was...“ Megumi schüttelte verwirrt den Kopf. Es war so seltsam. Mizuno Gorou, Shibumi, war vor nun mehr fast sieben Monaten verschwunden und hatte seine Arbeit bei der amerikanischen Regierung aufgegeben. Wenn er forschen wollte, warum tat er es nicht bei der Regierung? Und wie war er an all diese Rechner gefunden? Diese Fragen schossen Megumi durch den Kopf, doch sie wusste nicht, ob sie sie stellten konnte. Sie tat sich schwer, den Mann, der ihr den Rücken zugewandt hatte und offenbar an mehreren Bildschirmen und mit zwei Tastaturen gleichzeitig arbeitete, einzuschätzen. "Mizuno-san“, setzte sie nun erneut an und bemühte sich dabei ihrer Stimme einen festeren Klang zu geben, "warum haben Sie mich hierher gerufen? Und warum nicht Lee-san oder Dolphin?“ Denrei sah nachdenklich aus dem Fenster seines Zimmers, ohne wirklich hinaus zu sehen. "Schau nicht so bedrückt, Denrei“, meinte Shuichon und trat hinter ihn. Sie legte ihm die Hände auf die Schultern und massierte diese ein wenig. "Was mache ich eigentlich hier?“, murmelte er missmutig. Shuichon hüstelte. "Du wolltest mitkommen, erinnerst du dich? Es hat dich niemand gezwungen, ganz im Gegenteil.“ Der junge Mann seufzte tief und drehte sich schließlich zu ihr um. "Ja, ich weiß“, antwortete er. "Aber unten in der Lobby hockt wahrscheinlich noch jener große Bruder von dir, der mich angiften wird, wenn er mich sieht.“ Nun verdrehte Shuichon die Augen. "Könnt ihr mit eurem Zickenkrieg wirklich nicht aufhören?“, fragte sie. Denrei wusste es besser, als etwas gereiztes zu erwidern, zuckte stattdessen nur mit den Schultern. "Und außerdem ist Jenrya mit meinen Eltern in die Stadt gefahren. Ich habe gesagt, dass ich bei dir bleibe.“ Sie beugte sich und küsste ihn auf die Wange. "Aber du lässt mich die Entscheidung bereuen, wenn du hier nur so missmutig rumhockst.“ "Jaja“, meinte er und seufzte. "Außerdem langweilen sich die Digimon.“ Damit nickte sie zu dem Sofa, auf dem die Digimon in einer Art Wachschlaf lagen und verträumt den Ventilator ansahen, der sich unter der Zimmerdecke drehte. "Moumantai“, seufzte Lopmon sehr leise. Noch einmal seufzte Denrei, dann stand er auf. "Ist ja schon gut“, erwiderte er. "Also... Was hast du vor?“ Shuichon grinste. "So ist es schon besser. Alex fragte, ob sie uns die Stadt zeigen solle.“ "Sie ist noch hier?“, fragte Denrei überrascht. "Ja, sie meinte, sie wolle nicht mit Jenrya rumhängen, solange er so miesepetrig dreinschaut.“ Daraufhin konnte sich Denrei ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Diese Einstellung konnte er nur zu gut verstehen. "In Ordnung“, stimmte er dann zu. "Diese Welt und die digitale Welt“, sagte Mizuno Gorou nach einem Moment des gleichmäßigen Rauschens der Rechner, "gehen zuende.“ "Wovon reden Sie?“, fragte Megumi, noch immer angestrengt versucht, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. Tatsächlich verstand sie nicht, was er sagte, doch trat sie nun langsam aber vorsichtig hinter Shibumi, um zu sehen, was auf seinen Bildschirmen angezeigt wurde. Für einen Laien hätten die Bildschirmanzeigen wenig ausgesagt, da es Zahlen, Programmcode und sich veränderne Diagramme waren, doch Megumi verstand sie nur zu gut. Sie waren eine abgeänderte Version der Überwachungsanzeigen der digitalen Welt, wie sie auch in der Hypnoszentrale verwendet wurden. "Es heißt“, antwortete Shibumi, "dass beide Welten vernichtet werden, wenn es nicht aufgehalten wird.“ Megumi starrte auf seinen Rücken, dann wieder auf die Rechner. Diese Behauptung erschien ihr aberwitzig. Natürlich wusste sie, dass etwas mit beiden Welten nicht stimmte, doch dass die Welten deshalb untergehen würden... Nein, das schien zu weit hergeholt. Vor allem aber stellte sich ihr so eine andere Frage: "Aber warum reden Sie dann mit mir? Warum nicht mit Lee-san oder Dolphin?“ "Weil Dolphin zwischendurch für die Regierung gearbeitet hat, wie ich...“ "Und Lee-san?“, fragte Megumi, doch erneut erhielt sie keine Antwort. Es war dunkel geworden in Tokyo – richtig dunkel sogar, da selbst die Straßenbeleuchtung in Chou ausgefallen war, nachdem ein weiteres dieser seltsamen Wesen aufgetaucht war. Doch es störte Ryou nicht, denn die Augen Justimons konnten auch in der Finsternis genug sehen und außerdem sendete ihr Gegner selbst ein sanftes Licht von sich aus. "Hör auf, Ryou!“, flehte die Stimme Monodramons ihn an, doch aus irgendeinem Grund konnte das Digimon nichts tun, um die Kontrolle über den von ihnen geteilten Körper zu erlangen. Doch es brachte nichts. Trotz allem konnten sie dem Wesen keinen Schaden zufügen, wie auch bei dem ersten Wesen, das erschienen war. Dies würde Ryou aber nicht davon abhalten, es weiter zu versuchen. Kämpfen war das einzige, das er noch tun konnte, zu nichts anderem war er gut. Also würde er kämpfen – gegen dieses seltsame Wesen. Dabei konnte er nur froh sein, dass er der erste war, der hier angekommen war – denn immerhin würden ihn Takato und die anderen nur wieder davon abzuhalten versuchen, gegen dieses Untier zu kämpfen. Dabei zerstörte es doch diese Welt! Dabei zerstörte es durch seine bloße Anwesenheit die Welt um sie herum! Niemand würde ihn davon abhalten, dies zu verhindern! Es war seine Aufgabe, als Tamer! "Accel Arm!“, rief Justimon und schlug gegen die kleinen Tentakel, die sich nach seinem Körper ausstreckte. Diese wurden durchtrennt und zervielen zu Daten, während das Wesen wieder seinen seltsamen Walgesang hören ließ. Doch auch diesen beachtete Ryou nicht, sondern griff lieber erneut an. "Justice Kick!“ Justimon versuchte den eigentlichen Körper des Wesens zu attackieren, doch wie auch beim letzten Mal glitt sein Bein einfach in den Körper des Wesens hinein und verschwand zwischen den sich drehenden Tetraedern. "Hör auf!“, erklang ein lauter Ruf und auch ohne hinzusehen, wusste er, dass es Dukemon – oder viel besser: Takato und Guilmon – war. Weitere der kleinen Ärmchen wanden sich um Justimons Körper, doch es warf sich zurück und schaffte es, sich durch den Schwung zu befreien und auf dem flackenden Beton der Durchgangsstraße zu landen, noch bevor Dukemon sie erreichte. "Blitz Arm!“, rief Justimon und schlug auf den Boden, woraufhin die Elektrizität durch den Boden auf das Wesen zuschoss. Erneut konnte Ryou Dukemon rufen hören: "Hör auf!“ Und ehe er sich versah, wurde Justimon zur Seite getackelt. "Tao...“, murmelte Shibumi nachdenklich. "Tao würde mir nicht glauben wollen. Er hat so viel, dass er beschützen will...“ Megumi sah ihn an. Langsam begann sie dieses Gespräch zu frustrieren, auch wenn sie nicht einmal genau sagen konnte, weshalb. Vielleicht war es, weil sie auf andere Antworten gehofft hatte... Auf Antworten zu den Fragen, die sie nun seit Monaten quälten. Doch damit konnte sie ganz offenbar nicht rechnen. "Außerdem“, fuhr der Mann nun fort, ohne den Blick von den Bildschirmen abzuwenden, "ist vieles von dem, was die Welten nun bedroht, unsere Schuld. Wir haben es herauf beschworen.“ Für einen Moment zögerte. "Vielleicht... Vielleicht war es auch ich...“ Ganz ohne dass sie es wollte, spürte Megumi, wie sich ihre Faust ballte. "Wovon reden Sie?“ Erneut gab Shibumi etwas auf einer der beiden Tastaturen, die vor ihm lagen, ein, und es schien beinahe, als wolle er eine Antwort herauszögern. Dabei war er ihr zumindest doch das schuldig, oder? "Wovon reden Sie?“, wiederholte Megumi ihre Frage nun mit größerem Nachdruck als zuvor und, wie sie selbst bemerkte, einiger Wut in der Stimme. Gedankenverloren starrte der Mann auf die Bildschirme. "Ich habe es damals nicht erkannt... Nun, wie hätte ich es damals erkennen können? Wir konnten uns dergleichen doch damals kaum vorstellen.“ Erneut verstummte er, starrte und schwieg wieder. Megumi sah auf seinen Nacken. "Ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen, Mizuno-san.“ Schweigen. Stille, abgesehen vom Surren und Summen der Rechner in diesem Raum. Dann drehte er sich zu ihr um. Sein Blick wirkte noch immer selstsam leer. "Diese Welt und die digitale Welt sind von gleicher Natur. Sie sind nicht 'real', sie sind nicht 'physisch', sondern nicht mehr, als eine Simulation.“ Ein seltsames Gefühl machte sich in Megumis Magengegend breit, während sie selbst kein Wort herausbrachte. Sie starrte ihn an. "Sie sind verrückt“, flüsterte sie schließlich. Wind wehte durch die langen Haare des Jungen, während sein Partner mit ihm durch die Berglandschaft des Mill Valley trabte. Schon seit einer Weile hatte er ein ungutes Gefühl in der Magengegend, doch es war, als sie den Wald verließen, dass er das erste Mal den Helikopter sah, der – noch immer ein ganzes Stück von ihnen entfernt – zwischen zwei Bergspitzen zu sehen war. "Schneller, Redmon“, flüsterte er dem Digimon, auf dessen Schulter er saß, zu. Das Digimon, dessen Gestalt Assotiationen mit mittelalterlichen Teufelsdarstellungen erweckte, knurrte und beugte sich vor, um noch schneller laufen zu können. Dabei erreichte es mit seinen eher kurzen Beinen ein ohnehin überraschendes Tempo, doch der Junge machte sich keine falschen Hoffnungen: Wenn man sie vom Helikopter aus gesehen hatte, würde man sie früher oder später einholen. Die einzige Chance, die sie hatten, war die Stadt, die er in der Ferne erkennen konnte und die er erkannte, obwohl er so lange schon nicht mehr in einer Stadt gewesen war. Wenn sie es dorthin schafften, wenn sie es nur über die Brücke schafften, könnten sie vielleicht in der Menge untertauchen. Doch auf der anderen Seite, lief er in einer Stadt Gefahr, auf Polizisten zu treffen. Polizisten, die ihn fragen würden, ob er die Erlaubnis hätte, ein Digimon zu besitzen. "Sie kommen näher“, knurrte sein Digimon, während der Junge, der auf den Namen Nico hörte, sich nun umdrehte und tatsächlich sah, dass der Helikopter näher zu sein schien. Er verfluchte es, noch immer in dieser dämlichen Welt festzusitzen. Wieso konnte er kein Tor in die digitale Welt finden, wo er sich nicht mit Menschen herumschlagen musste? Menschen mit ihren seltsamen Vorschriften... "Zur Stadt“, flüsterte er dem Digimon zu, das für einen Moment inne hielt. "Bist du sicher?“, fragte es. "Wenn die wegen uns hier sind, können wir nur in der Menge verschwinden.“ Wenn sie ehrlich mit sich war, musste Megumi zugeben, dass sie dasselbe schon so oft gedacht hatte, seit die Grenze zwischen den Welten verschwomen war. Sie hatte keinen Verrückten mit einem Tamer-Tunier in Tokyo gebraucht, um auf diese Idee zu kommen, da es doch die einzige Möglichkeit war, um so viele Dinge zu erklären. Ja, eigentlich hatte sie sich dies schon gewundert, als sie damals, vor zehn Jahren, Kinder und Digimon zu einem Wesen hatte verschmelzen sehen, während sie in der realen Welt waren. Dennoch erfüllten die Worte Shibumis – Mizuno Gorous – sie nun mit einer seltsamen Wut. Wie konnte er es nur wagen, dies zu sagen?, schoss es ihr durch den Kopf. Doch sie sagte nichts mehr, während er sie anstarrte oder viel mehr etwas für sie unsichtbares in der Luft zwischen ihnen zu beobachten schien. "Sie müssen selbst darauf gekommen sein“, antwortete er mit seltsam monotoner Stimme. "Die beiden Welten sind sich zu ähnlich, um es anders zu erklären. Und wie sonst soll es möglich sein, dass sie miteinander verschmelzen?“ Er schüttelte den Kopf. "Es ist nur eine Simulation, die mit einer anderen verschmilzt. Deswegen und nur deswegen sind die beiden Welten bereits die ganze Zeit so abhängig voneinander gewesen. Doch wir wollten es alle nicht sehen... Ich wollte es nicht sehen.“ Gedankenverloren wandte er sich dem Rechner wieder zu. "Hätte ich es damals erkannt, hätte ich wohl auf Tao gehört. Dann hätte ich die Gefahr gesehen. Doch ich hatte damals ganz andere Dinge im Kopf und nun...“ Er verstummte und für einige weitere Sekunden herrschte Schweigen. Wie ein Fisch an Land öffnete Megumi den Mund, brachte aber kein Wort hervor. Wieder öffnete sie den Mund, jedoch noch immer stumm, schloss dann die Augen um sich zu sammeln. Wieso sagen Sie mir das?, wollte sie fragen, doch sie wusste, dass es nicht die Frage war, die er beantworten würde. "Aber selbst... Selbst wenn das stimmt. Was ist nun anders?“ "Nun ist etwas entstanden, das von keiner Simulation beeinflusst wird“, erwiderte Shibumi langsam. "Etwas, das weder wir erschaffen haben, noch... Nun, wer auch immer diese Welt kreiert hat... Vielleicht ist es durch die Entelechie entstanden. Vielleicht war es nur eine Frage der Zeit. Zumindest das kann ich mir noch einreden.“ Megumi verstand sehr wohl, wovon er sprach. "Die Anomalie?“ Langsam wurde Takato klar, dass er schon wieder zu spät war. Er würde das seltsame Wesen nicht beruhigen können und dann würde er erneut kämpfen müssen, würde es besiegen – töten – müssen. Weil es die einzige Möglichkeit war, die Menschen von Tokyo zu beschützen. Und doch war es falsch. „Bitte, beruhige dich!“, rief Dukemon dem Wesen zu. "Bitte, hör mir zu! Ich weiß, du kannst mich verstehen.“ Anstatt das Wesen anzugreifen, stellte es sich mit ausgestreckten Armen vor es hin. "Bitte, wir müssen nicht kämpfen!“ Doch da schossen weitere der seltsamen Ärmchen auf es zu und schlangen sich um beide Arme, die sofort gelähmt waren. Dabei wussten sowohl Takato, als auch Guilmon, dass sie so in Schwierigkeiten gerieten. „Hör auf, es weiter hinaus zu zögern“, hörte er die gereizte Stimme Yamakis. Sie hatten Dukemon mit einem Code ausgestattet, so dass sie mit der Zentrale in Verbindung bleiben konnten, wobei es nicht so gewesen war, als hätte Takato dagegen Einspruch erheben können. Er antwortete Yamaki nicht. Sie hatten die Diskussion schon einmal gehabt und er wusste auch, dass Yamaki langsam am Ende seiner Weisheit war, da die Situation so sehr außer Kontrolle geraten war. Jedoch wollte er diese Attacke nicht einsetzen. Er wollte es nicht benutzen, nachdem was letztes Mal passiert war... "Takato!“, hörte er Guilmon seinen Namen rufen. Er konzentrierte sich wieder. Die weißen Flügel auf Dukemons Rücken leuchteten auf, während es dem Wesen in die glühenden Augen sah – noch immer nicht sicher, ob diese überhaupt zum Sehen geeignet waren. "Bitte!“, flehte Dukemon nun, ohne sich zu bewegen, "du musst nicht gegen mich kämpfen. Wenn du niemanden angreifst kannst du hier bleiben.“ "Accel Arm!“ Sie hatten Justimon beinahe vergessen, dass nun mit einer Attacke die Ärmchen durchtrennte und so auch die Verbindung zwischen Dukemon und dem seltsamen Wesen. "Halt dich endlich daraus!“, rief Dukemon. "Du musst nicht alles noch schlimmer machen!“ "Ein Danke hätte auch gereicht“, erwiderte Justimon, doch Takato wusste genau, dass es Ryou war, der dort redete. Die Wut kochte in ihm über. Dukemon streckte die Hand aus und ließ eine Energiekugel entstehen, die es auf Justimon schoss. "Hört damit auf, beide!“, konnte er Yamakis Stimme hören. "Matsuda-kun, du musst es zuende bringen, ehe es noch weiteren Schaden gibt. Du kannst an dieser Situation nichts ändern!“ Takato sah das Wesen an. Konnte er wirklich nichts ändern? Er wünschte, er wüsste es. Doch alles, was er wusste, war, dass Yamaki recht hatte: Dieser Kampf musste beendet werden, ehe schlimmeres passierte. Als Shibumi nichts erwiderte, fragte Megumi weiter: „Dann wissen Sie jetzt, was die Anomalie ist?“ Sie erkannte den Code, den er ihr bereits vor sieben Monaten gezeigt hatte, als er nach Tokyo gekommen war, auf einem der Bildschirme. Der Code der Anomalie. Doch auch wenn sie die Zeilen und Zeichen erkannte, so sah sich auch, dass er sich verändert hatte. Hatte die Anomalie sich wirklich entwickelt, wie es die Digimon taten? „Es ist etwas aus einer anderen Welt, die ebenfalls digital existiert, jedoch auf einer anderen Ebene als unsere 'Realität' oder die der Digimon. Etwas aus einer zweiten digitalen Welt, wenn man so will.“ Shibumi schwieg für einen Augenblick. „Ich weiß nicht wie es passiert ist, aber diese Welt muss irgendwann mit der unseren oder der digitalen Welt in Kontakt gekommen sein und dadurch muss ein Programm...“ Er brach ab. Megumi fragte nicht weiter nach. Sie wusste, dass er von der Entelechie sprach, dem Programm, dass den Digimon ermöglicht hatte, sich weiter zu entwickeln, dem Programm, durch dass die Digimon eine eigene Intelligenz und Selbstwahrnehmung entwickelt hatten. Digimon waren letzten Endes nur Computerprogramme, doch wenn das, was Shibumi sagte, stimmte. Wenn es stimmte, dass beide Welten kaum mehr als eine "Simulation“ waren, wer sagte dann, dass es keine Entelechie der "realen Welt“ gab? Irgendetwas hatte doch auch hier die Evolution angetrieben, wenn es wirklich nur eine Simulation war, musste es auch hier ein Programm geben, dass den Organismen das "Surival of the fittest“ Prinzip gelehrt hätte. Wieder sah sie auf den Programmcode. "Glauben Sie, dass die Anomalie sich mit der Entelechie entwickelt hat oder... Mit etwas anderem?“, flüsterte sie schließlich. Sie merkte, dass ihr Mund vollkommen trocken war. "And I thought you two were a bit... Less like Jenrya“, sagte Alex und sah zu Denrei, während sie die Promenade am nördlichen Rand von Los Angeles entlang gingen, etwa zwei Stunden, nachdem sie in Paolo Alto losgefahren waren. "I am sorry“, sagte Shuichon und überlegte, damit ihr die richtigen englischen Vokabeln einfielen. „He is just tired.“ „Ja, dank deinem Bruder“, grummelte Denrei auf japanisch. „Ach, komm schon“, meinte Shuichon und klopfte ihm auf die Schulter. Dracomon trottete neben ihnen her, während Lopmon auf seinem Kopf saß und die langen Ohren im Wind wehen ließ. Die beiden Digimon sahen ebenfalls auf die Brücke. „Die Farbe ist falsch“, meinte Dracomon nachdenklich. „Brücken sind verschieden, weißt du?“ Lopmon klopfte ihm gegen die Stirn. „What are they saying?“, fragte Alex. „They are talking about the color of the Bridge“, antwortete Shuichon. „But... I agree with them. Should it not be gold?“ Nun lachte Alex und grinste sie dann an. „Well, the name would suggest so, right?“ Auch Denrei sah zur Brücke und sah sie gleichzeitig nicht wirklich an. Stattdessen starrte er auf einen Punkt irgendwo oberhalb der Brücke. Shuichon wusste, dass er noch immer über die Sache mit der Anomalie, die in Tokyo aufgetaucht war, nachdachte. Doch nun, da sie hier waren, konnten sie daran wenig tun – weshalb auch sie sich bemühte, den Gedanken daran zu verdrängen. „So, tell me, why Jenrya hates him so much!“, meinte Alex nun lachend und wandte sich an Shuichon. „Ähm“, begann Shuichon. „Because he is my boyfriend... I think.“ Die Amerikanerin grinste. „So Jenrya has some sort of siscon?“ „Yeah.“ Shuichon seufzte und warf Denrei einen Seitenblick zu, da sie beinahe damit rechnete, dass er etwas einwarf, doch ihr Freund sah nur auf Dracomon, dessen Blick auf einen Punkt jenseits der Brücke gerichtet war. Die Augen des Digimon hatten sich zu Schlitzen verengt. „Was ist los?“, fragte Shuichon, als auch Alex stehen blieb und dies bemerkte. „What is it?“ Doch Dracomon antwortete nicht, während sich nun auch der Ausdruck auf Lopmons Gesicht verhärtete und es seine Ohren angespannt anhob. Shibumi ließ ein sehr leises Seufzen hören. „Es ist letzten Endes egal, wodurch es sich entwickelt hat. Fakt ist, dass es eine weitere Welt gibt und dass die Grenzen zu dieser Welt hin auch immer weiter verschwimmen.“ Seine Augen schienen noch immer hart und leer und Megumi hatte den Eindruck, dass er die Bildschirme gar nicht wirklich ansah. „Aber anders als unsere Welt und die digitale Welt kann diese Welt nicht einfach mit der unseren koexistieren. Diese Wesen, diese Anomalien zerstören den Code von was auch immer sie in unseren Welten berühren. Das geht in der digitalen Welt bereits die ganze Zeit so und nun hat es auch in unserer Welt begonnen...“ Diese Aussage klang nicht besonders hoffnungsvoll und Megumi dachte darüber nach. Denn egal wie sie es in ihren Gedanken drehte und wendete, wirklich realisieren konnte sie nicht, dass ihre Existenz nichts weiter als eine Simulation war. Ihr Leben war real und all das, was sie spürte, war real für sie. Simulation oder nicht, sie wollte nicht einfach ihr Leben oder die Existenz dieser Welt aufgeben. „Haben Sie deswegen mit mir reden wollen?“, fragte sie. „Wissen Sie, wie man diese Anomalie aufhalten kann?“ Doch noch während sie diese Worte sprach, kam ihr ein anderer Gedanke: Wenn die Anomalie sich so wie die Menschen oder wie die Digimon entwickelt hatte, war sie dann auch intelligent? Hatte sie dann auch so etwas wie Gefühle und einen Willen zu überleben? Langsam und bedächtig schüttelte Shibumi den Kopf. „Nein“, erwiderte er dann mit hohler Stimme. „Das einzige, was ich weiß, ist wie wir diese Welt retten könnten.“ „Diese Welt?“, fragte Megumi. Dabei verstand sie eigentlich ganz genau, was er meinte. Redmon hielt auf den Highway zu, während Nico sich auf seinem Rücken festhielt. Wäre Redmon nur ein guter Schwimmer, wäre es einfacher gewesen – oder hätte er nur eine passende Digimonkarte. Doch Tatsache war, dass Redmon kaum schwimmen konnte und Wasser zudem nicht besonders mochte, während Nico so gut wie gar keine Digimonkarten besaß. So blieb Redmon nichts anderes übrig, als auf die rote Brücke zuzuhalten, die den kleinen Nationalpark mit San Francisco verband, ungeachtet der Autos, die auf ihr fuhren und der Sirenen, die Nico nur zu gut hören konnte. „Vielleicht ist das doch keine so gute Idee“, knurrte Redmon. Und Nico wusste genau was es meinte: Denn so wie sie bereits verfolgt wurden, wusste er nicht, wie sie in der Menge untertauchen sollten. Doch mittlerweile war ein zweiter Helikopter aufgetaucht und wenn sie sie einholten... Daran wollte er nicht einmal denken. Immerhin war er der letzte, den man ein Digimon behalten lassen würde. Vor allem ein Digimon, das am Ende aussah wie der Teufel selbst... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)