Fight of my heart von Melora (Volleyball kann zwar ein Stückchen Leben, aber das Leben alleine niemals nur Volleyball sein) ================================================================================ Kapitel 5: Vorübergehender Abschied ----------------------------------- Einige Minuten saß der Kapitän still an ihrem Bett und wachte über sie, bis er das Sitzen nicht mehr aushielt. Er ging zum Fenster, öffnete es und blickte in den Himmel. Eigentlich wusste der 23-jährige genau, was in ihr vor sich ging. Ohne Volleyball würde ihm auch was wichtiges fehlen. Auch er lebte für dieses Spiel, besonders nach Yokos Tod, um diesen besser zu verkraften. Damals hatte er durch den Sport seinen Lebenswillen zurückbekommen. Er konnte ja nicht wissen, dass sie ähnliches durchgemacht hatte. Wenig später flackerten Milas Augen, was er, da er am Fenster stand, nicht mitbekam, schließlich hatte er ihr den Rücken zugewandt. Ihre Umgebung war erst leicht nebelig und wurde langsam klarer. Die Erinnerung kam rasch wieder. Schirenina hatte ihren Ball direkt zurückgeschlagen und dann war sie in die Lunge getroffen worden. Blackout. Weiter wusste sie nicht mehr. Ein Stöhnen kam über sie, da sie Schmerzen in ihrer Brust verspürte und es ihr schwerfiel, Luft zu bekommen. Ihr Blick schweifte zur Seite, denn sie wollte wissen, ob jemand da war. Nur war es keine ihrer Mitspieler, wie erhofft, sondern er. "Du schon wieder", meinte die 17-jährige. "Ich weiß, wie du denkst. Erspar's mir trotzdem." Mila wollte seine Standpauke nicht über sich ergehen lassen müssen. Der junge Mann hatte sich soeben zu ihr herumgedreht und zwang sich jetzt ein Lächeln auf. "Ich sag' ja nichts, und eine Predigt werde ich dir auch nicht halten, aber hier, um dich zu trösten, bin ich auch nicht, das weißt du ja." Seine Worten waren ein Widerspruch zu seinem sanften Lächeln. Sie seufzte. "Ich weiß, das hast du mir ja quasi versprochen, aber dieses Spiel..." Ihre Augen wurden geschlossen. "Es bedeutet mir eben viel, trotzdem kann ich nicht verlangen, dass du mich verstehst." Tränen tropften auf das Laken und sie verbarg den Rest davon, indem sie es über ihr Gesicht zog. Sie wollte ihm nicht schon wieder ihre schwache Seite aufhalsen, stark und selbstbewusst sollte er sie sehen. Yushima wusste nicht, wie er hart bleiben sollte, schließlich wurde er stets weich, wenn sie vor ihm zu weinen begann. Wie sollte er sie nicht bemitleiden, wenn er doch ihr Schluchzen genaustens vernehmen konnte? Sein Stolz hielt ihn zum Glück fest und hielt ihn davon ab, hinzugehen und sein Vorhaben, sie nicht zu trösten, über Bord zu werfen. Dann sollte sie eben weinen, sie würde sich ja irgendwann wieder beruhigen. Als sie die Tränen mit der Decke weggewischt hatte, setzte er sich ihr gegenüber und hatte einen Gedanken, den er unbedingt mit ihr teilen wollte, auch wenn sie dann wieder sauer sein würde. Er wollte es sowieso wieder drauf anlegen. "Ich könnte dich jetzt einfach so... küssen, aber das würde wohl unwillkürlich in die Kategorie Trösten fallen, also lass ich es lieber bleiben." Yushima sah förmlich, wie ihr die Augen raussprangen und sie ihn mit ihren Blicken am liebsten töten würde, weshalb er lachen musste. "Du kannst dir deine Ohrfeige gerne persönlich abholen, wenn du willst, ich kann sie dir aber auch per Post schicken." Ihr Humor war aber auch nicht zu verachten, anscheinend wollte sie ihm das jetzt doch nicht übel nehmen, oder wieso blieb sie so ruhig? Er grinste vor sich hin. "Es tut mir Leid, ganz ehrlich, ich habe mir gewünscht, dass es gut geht", besänftigte er sie. "Es hat eben nicht sollen sein. Würdest du mir einen Gefallen tun? Nachschauen, wie das Spiel steht?" Wieso auch nicht, wenn sie das beruhigte? Yushima erhob sich von seinem Platz. "Ich bin gleich wieder da, in Ordnung?" Einige Minuten blieb er am Eingang stehen und beobachtete, mit welchem Ehrgeiz und welcher Leidenschaft die Mannschaft am Kämpfen war, doch auch das reichte oft nicht, diese bittere Erfahrung hatte er selbst schon des Öfteren machen müssen. Verzweifelt versuchten sie den Russinnen etwas entgegen zu setzen, dennoch sah es übel aus, doch das wollte er seiner Freundin nicht sagen, er konnte und wollte das nicht. Auf dem Rückweg grübelte der Schwarzhaarige, was er machen sollte. Schließlich entschloss er sich zu einer kleinen Notlüge, sonst kam sie noch auf die Idee, wieder nach draußen zu rennen, das war ihr durchaus zuzutrauen. Mit kleinen Schritten ging er zurück zum Krankenzimmer, wo sie gespannt auf seine Auskunft wartete. "Es wird schon gut gehen, mach' dir nicht zu viele Gedanken, ja?" meinte er sanft lächelnd zu ihr. "Schlaf besser, immerhin warst du ohnmächtig." "Ich habe lange genug geschlafen, ich denke, es reicht allmählich!" meckerte sie ihn mit bösem Blick an. "Na, na, na, ich hab's doch nur gut gemeint, kein Grund wütend zu werden." "Das weiß ich doch", meinte sie seufzend und griff nach seiner Hand, da sie nun doch Trost nötig hatte. ,Was ist das nur, wenn ich in seine Augen schaue?' Verwirrt musterte sie den Mann, der ganze 6 Jahre älter als sie selbst war. "Mir machst du nichts vor, ist das ein Zittern?" fragte sie ihn. Sie verstand nicht, was mit ihm los war. "Komm, hör auf so zu sprechen, sei lieber du selbst, so mag ich dich viel lieber." Es kam selten vor, dass sie sich gut verstanden und nicht stritten, im Moment war es aber nun mal so und darum waren beide eigentlich froh. Streits waren nun mal verletzend, besonders für sie, wenn er wieder schroff zu ihr war. "Was soll ich denn drei Monate lang ohne Volleyball machen?" fragte sie ratlos und wirkte deprimiert. "Wie wäre es, wenn du mal Dinge machst, zu denen du nie kommst und eine Idee hätte ich auch schon." Im Moment strahlte er großes Selbstvertrauen aus, so, wie gerade eben, hatte er sie schon einmal angesehen. Dann zwinkerte er ihr noch zu und bemerkte sogleich ihren fragenden Blick, der aussagte, dass sie wissen wollte, welche Ideen er so hatte. "Dann können wir ja mal ausgehen, wie wir es vor knapp einem halben Jahr wollten. Das wäre die Gelegenheit. Danach warst du so beschäftigt mit deinem neuen Angriff, dass ich dich einfach gehen ließ. Nicht, dass mich das gestört hätte, aber... jetzt... bietet sich die Gelegenheit ja an", er hatte das Gefühl sich rechtfertigen zu müssen, weswegen Schweiß in sein Gesicht trat. "Was hältst du davon?" Irgendwie hatte der sonst so mutige junge Mann Angst eine erneute Abfuhr zu kassieren. "Ausgehen, mit dir?" Sie lachte kurz. "Ausgerechnet mit einem Blödmann soll ich ausgehen? Aber, da ich ohnehin nichts besseres zu tun haben werde, meinetwegen...", gab sie sich geschlagen, ohne zu zeigen, wie sehr sie sich eigentlich über seinen Vorschlag freute. "Wie nett", meinte er in einem Schmollton. "Vertrau mir doch ein wenig. Ich sage dir, in diesen drei Monaten werden wir uns amüsieren und erholen. Das ist ja auch Sinn der Sache." "Du redest mal wieder zuviel, das scheint bei euch Studenten ja normal zu sein." "Ganz schön frech, muss ich schon sagen." Jetzt hatte er sie wohl erfolgreich auf andere Gedanken gebracht, er war ganz stolz auf sich, doch zu früh gefreut. "Ich will trotzdem am liebsten heulen." "Ich halte dich nicht davon ab", meinte er bedrückt, klang jedoch ziemlich gefühlskalt, wenn er so etwas sagte. Aber sie war ja eigentlich genauso. "Weißt du, was man mal über mich geschrieben hat? Ich hätte ein Herz aus Stein. Findest du das nicht auch sehr gemein?" Yushima erinnerte sich noch daran, dass man so etwas über sie geschrieben hatte, schließlich hatte er diese Zeitung gelesen. Es war damals, bei der Qualifikation für das Inter-Highschool-Turnier. "Ach, das merkst du nicht?" fragte Yushima sie mit einem Kopfschütteln. "An was denkst du denn, wenn's mal nicht um dein Volleyball geht?" Der war ja mal wieder unverschämt. "Aber sonst geht es dir gut, ja? Deswegen bin ich noch nicht gefühlskalt!" fauchte sie ihn an und schon war wieder der übliche Streit da. "Du solltest deine Freizeit neben dem Spiel mehr genießen, sonst wirst du mal unglücklich!" "Ich weiß, das höre ich nicht zum ersten Mal. Meine Mutter meinte, ich werde immer nur Volleyball im Kopf haben..." ,Und mich nie verlieben... Ja, das sagte sie, aber sie hat Unrecht...' "Und von dir, du weißt eh immer alles besser, Yushima! Woher willst du eigentlich wissen, dass ich mich nicht amüsiere? Beobachtest du mich heimlich?" "Ich kenne dich, das ist alles, dafür muss ich dich nicht beobachten. Eine Volleyballfanatikerin, die an nichts anderes denkt!" Er wollte gerne, dass sie offener wurde, ihm mehr vertraute und Zeit mit ihm verbrachte, doch außer Volleyball schien sie nichts zu verbinden. "So bist doch du, aber ich finde es gut, wenn jemand kämpft. Nur man muss auch mal an was anderes denken, warum verstehst du das nicht?" Er raufte sich die Haare und blickte verärgert auf sie hinab. "Und im Grunde weißt du auch, was ich sagen will." "Du wirst schon sehen, dass ich mich durchaus amüsieren kann." Die Dunkelbraunhaarige drehte den Kopf beleidigt weg. "Ja, das werden wir dann ja sehen." Wie sie klang, als hätte man ihr was geklaut. Er lachte kurz auf und sah sie dann fies grinsend an. "Dann kannst du meine Hand ja loslassen, wenn du beleidigt sein willst." "Bin ich gar nicht!" Nein, gar nicht, sie zog ja nur einen Schmollmund. Was erwartete sie eigentlich schon wieder von ihm? Immer noch umklammerte das 17-jährige Mädchen seine Hand. "Was ist? Du bist ja auf einmal so still!" Sie war es, weil sie sich ihrer Gefühle für den jungen Mann bewusst war und gerade errötete. "Midori hat von all dem noch keine Ahnung. Was soll ich denn sagen? Euer starker Teamchef braucht doch mal eine Pause? Die halten mich für verrückt. Sie denken alle, ich bin eine Volleyball schlagende Maschine. Alle bewundern mich. Wenn ich auf einmal so krank daher komme, was denn dann?" Obwohl ihre Worte eine Art Ablenkung darstellen sollten, war es auch die Wahrheit. "Ich glaube nicht, dass sie so denken. Erinnerst du dich denn nicht mehr daran, wie groß ihre Sorgen waren, als du in den Bergen beinahe ums Leben gekommen bist? Ihr seid doch alle Freunde, also mach' dir keine Sorgen", beruhigte er sie. Und ja, sie erinnerte sich noch genau an diese Zeit. Damals, als sie Yushima zum ersten Mal begegnet war und ihr Treffen hatte wahrlich nicht besser beginnen können, schließlich hatte er ihr das Leben gerettet, als sie zu ertrinken drohte, aber dann kam der Schock, der sie so verletzt hatte und zurückweichen ließ, obgleich sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Ihr Schwarm hatte immerhin ihren größten Konkurrenten trainiert, die Aoba-Highschool. Bei diesem Gedanken ließ sie blitzschnell seine Hand los. Das Vertrauen schwand jedes Mal dahin. Sie wusste keine Art zu denken mehr, ihr Kopf drehte sich einfach nur im Kreis. Was er empfand, wusste sie nicht, dafür wurde ihr klar, was sie ihm gegenüber verspürte. Das Leben konnte nun mal nicht nur Volleyball sein, aber Volleyball ein Stückchen Leben - Hongo hatte das schließlich gesagt und Recht gehabt. Ihr war das auch klar und das machte es ja schließlich so schwer. Keiner der beiden sagte noch etwas, sie schauten einander nur mit traurigem Ausdruck in die Augen. Bis die Tür aufging und einige Frauen der japanischen Mannschaft eintraten. Milas Frage wurde durchaus erwartet und doch antwortete keiner, bevor sie gefragt hatte. Sie kam daher auch nicht überraschend. "Und, wie ist es gelaufen?" "Wir konnten ihren Attacken leider nichts entgegensetzen." Das klang aber gar nicht nach Sieg, dabei hatte Yushima gemeint, sie würden es schaffen. "Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht und uns gut studiert, Captain. Das nächste Mal fordern wir Revanche. Darauf kannst du Gift nehmen", sagte Kiyama bestimmt. "Und dann machen wir sie alle gemeinsam fertig!" Sie senkte den Kopf. "Mir haben deine Vorbereitungen gefehlt und dem Angriff Biss, mit anderen Worten, ohne dich sind wir nur halb so gut und stark." "Schirenina fand es schade, dass du nicht weiterspielen konntest, das Spiel hat ihr so keinen Spaß gemacht", versuchte Kaori ihre Freundin wenigstens zu beruhigen, auch wenn es ja wohl eine Frechheit war. "Das nächste Mal wird's bestimmt rund gehen, dann nehmen wir sie auseinander." Yushima schwieg noch immer, ging dann aber zur Tür. "Danke, dass du auf sie aufgepasst hast", warf ihm Furumoto noch zu. "Kein Thema", und schon ging die Tür von außen zu. Er hielt es dort einfach nicht mehr aus, zu viele Leute um ihn herum, waren der Grund. Er war eben lieber mit ihr alleine. "Ich glaube, er fühlt sich nicht so gut, hast du irgendwas mit ihm gemacht?" wollte Matsuyama wissen und erntete nur einen verständnislosen Blick seitens Mila. "Ich, warum immer ich? Vielleicht ist er wegen seines vergeigten Spiels deprimiert?!" Das war zwar möglich, doch niemand hielt es für den wahren Grund. Kaori verließ das Zimmer und folgte Yushima. "Warte doch bitte", meinte sie einfühlsam. Er stand am Fenster im Gang und blickte hinaus, bis man ihn ansprach und er sich aufgrund dessen herumdrehte. "Warum bist du eigentlich rausgegangen? Ist es noch das Spiel?" "Nein, ist es nicht! Es ist gelaufen und Schluss, wir bekommen ja die nächste Chance." "Was ist es denn dann? Willst du darüber reden?" "Ich weiß es nicht, vielleicht, weil sie geweint hat... dann erinnert sie mich immer an Yoko." Ein deprimiertes Seufzen kam und ein trauriger Schimmer war in seinen Augen zu entdecken. "Yoko ist deine jüngere Schwester, richtig?" fragte Kaori noch einmal nach, bevor sie voreilige Schlüsse zog. "Ja, war sie. Und immer, wenn Mila mich an sie erinnert, verunsichert es mich. Es ist ja auch absurd, dass einen das Mädchen, das man mehr mag, als alles andere, an die tote Schwester erinnert. Ich weiß nicht, was ich über meine eigenen Gefühle denken soll." "Du liebst sie, habe ich nicht Recht?" Seine Augen verengten sich kurz, bevor er Antwort gab. "Wie auch immer, auf eine gewisse Weise tue ich das wohl, ja." "Ich dachte mal, du seiest wie unser Kapitän, aber ich lag falsch, du bist bei weitem offener als sie. Sie redet nie über Gefühle, zumindest nicht mehr, seit wir den Weltmeistertitel mit nach Hause nahmen." "Na ja, sie findet, dass die Presse spinnt, weil man sie als kaltherzig bezeichnet hat. Sie will mich glatt vom Gegenteil überzeugen." Kaori musste lächeln. "Sie ist ja auch nicht kalt, nur etwas fanatisch, dabei vergisst sie gerne alles andere. Das eine schließt das andere ja nicht aus, nicht wahr? Außerdem bewohnen wir ein Zimmer, da bekommt man auch mal was mit", meinte sie geheimnisvoll. "Was zum Beispiel?" Er war neugierig geworden. "Das wüsstest du wohl gerne. Aber, hast du schon mal was von Frauengeheimnissen gehört? Entschuldige mich. War nett sich mal mit dir zu unterhalten, aber wir müssen uns um Kyoko und Mila kümmern." Sie ging zurück zur Mannschaft, auch, um sich nicht ausquetschen lassen zu müssen. Diese hatte sich bei Mila eingefunden und sich jetzt bei Kyoko Iwatani versammelt. Kaoris Andeutungen gingen dem Mann nicht mehr aus dem Sinn. Was meinte sie mit diesen Geheimnissen wohl? So gingen die Qualifikation zuende. Danach mussten sich alle um das Training für die Winterspiele kümmern, die in Sapporo auf Hokkaido, wo auch das Trainingslager war, stattfinden würden. Während alle nach Hokkaido zum Sommer-Oylmpia-Training fliegen würden, mussten Mila und Yushima als einzige Spieler zum Erholungsurlaub nach Fujimi. Oder sollte man sagen: Zum Trainingsverbot? Inokuma war zuerst dagegen, dass die beiden Kapitäne gemeinsam verreisten, doch er musste sich quasi geschlagen geben. Er dachte, die beiden würden Dummheiten machen, er vertraute Yushima nicht im Geringsten, er war immerhin auch nur ein Mann. Und seelische Probleme konnte sein kleiner Star gar nicht brauchen. Doch dem Argument, dass sie ja erwachsen waren, konnte er nichts entgegen setzen. Außerdem konnte die kleine Mila einen Aufpasser sehr gut gebrauchen. Kaori hoffte, dass sie die Zeit wenigstens nutzen würden, um sich näher zu kommen. Beim vielen Training hatten sie ja keine Gelegenheit dazu. Drei Monate waren eine lange Zeit, wenn man sie zusammen verbrachte, da konnte und musste einfach etwas passieren. Beide hielten doch soviel vom anderen. Mila musste noch bei Midori anrufen, um ihr Bescheid zu sagen, wann sie ankam und dass sie jemanden mitbringen würde, also wählte sie ihre Nummer. Ein Tutgeräusch ertönte, bis sich ihre Freundin mit Nachnamen meldete.. "Hayakawa?" "Hey, Midori, schön dich zu hören. Ich wollte dir nur sagen, dass wir morgen Abend gegen 8 Uhr in Urawa ankommen." "Wir?" entgegnete die Rotbraunhaarige. "Ach ja, das hätte ich fast wieder vergessen. Ich bringe einen Freund mit. Ich hoffe doch, dass dich das nicht stört und in Ordnung ist." "Warum sollte es? Ich freue mich, die anderen übrigens auch. Bis morgen, ich hole dich dann ab. Dewa mata." Das war jetzt jedenfalls erledigt. Jetzt musste sie Midori morgen nur noch wegen des Verbots aufklären. Das hatte sie in all der Aufregung vergessen. Schnell rannte sie ihrer Mannschaft nach, die zum Bus ging, der sie zum Flughafen fahren würde. "Hey, Leute, müsst ihr echt schon zum Flughafen?" fragte die 17-jährige und fiel so mit der Tür ins Haus. "Ja, du Arme, dein Flug geht erst um fünf", sagte Kiyama, ging auf sie zu, um sie zum Abschied herzlich zu umarmen. "Wenn dir Yushima dumm kommt, haust du ihm eine runter, verstanden?" Mila stürzte auf Kiyama zu und fing sofort an zu heulen. Sie würde sie vermissen. "Kiyama", lenkte Kaori mit strenger Stimme ein, denn sie fand, dass man Männer nicht immer gleich verprügeln musste, wie Kiyama meinte. Die tat das ja andauernd mit Moriyama. Wenn sie aufdringlich wurden, war das ja okay, aber Yushima war zweifelsfrei nicht so einer, der Mädchen bedrängte, also wirklich. "Was mache ich nur ohne euch?" schluchzte die Dunkelhaarige mit dem Pferdeschwanz, so dass alle feuchte Augen bekamen und jeder einzeln sie einmal in die Arme schloss, bis Kaori an der Reihe war. "Yushima ist ja ein guter Ersatz", zwinkerte Kaori ihrer Kollegin zu und lachte kurz. "Ich weiß, wie du dich fühlen musst. Mir ginge es genauso. Wir haben doch alle Probleme, wenn wir nicht trainieren können." "Mir wird schlecht!" zischte Kiyama und stieg in den Bus ein. Nicht, weil Kaori so liebenswürdig war, sagte sie es, sondern, weil sie Milas Liebe zu Yushima nicht wirklich verstand und fast etwas eifersüchtig war. "Du weißt doch, dass weinen nichts bringt und in drei Monaten hast du es ja auch schon überstanden", meinte Yuriko Matsuyama, "aber jetzt geh' ins Hotel packen, mhm? Wir müssen ja auch jetzt los." Sie klang wie eh und je, wie die erwachsenste in der Gruppe, schließlich war sie ja auch die älteste der Frauenmannschaft. "Kopf hoch, Mila, wird schon schief gehen", meinte Kyoko Iwatani, die ja ebenfalls ein verletztes Handgelenk hatte, aber mit links weitermachen würde, das konnte ja nicht schaden. Sie würde ihre Mannschaftskameradinnen sicher vermissen, sie alle waren fast schon so etwas wie eine große Familie. "Mach's gut und komm' in alter Frische wieder zu uns zurück. Verstanden?" lachte Matsuyama, bevor sie in den Bus verschwand und Kiyama noch einmal den Kopf rausstreckte. "Wir haben's zwar eilig, aber eines noch,... Wenn du Yushima triffst, dann sag ihm liebe Grüße und er soll auf dich aufpassen", sagte Kaori, so dass Kiyama sich wieder einmischte. "Nein besser, kneif' ihn, Kleine", neckte diese Mila, welche sie schmollend anblickte, da sie sich verschaukelt vorkam. "Bis in drei Monaten, bis bald..." Ihr kamen die Tränen, also lief sie weg und begab sich wieder ins Hotel. Sie saß noch lange in ihrem Zimmer, um zu grübeln. Drei Monate und pausenlos Yushima an ihrer Seite, ob das wirklich gut ging? Sie bezweifelte es leicht. Sie würde es nie aus freien Stücken zugeben, aber sie hatte Angst vor dieser Zeit. Außerdem nahm sie sich vor, alte Freunde zu besuchen. Die würden vielleicht Augen machen. Sie starrte zur Decke und schwelgte in Erinnerungen. "Hey, Mila", Yushima war ohne anzuklopfen ins Zimmer eingetreten. Sie hatte ihn nicht gehört, auch wenn er förmlich ins Zimmer platzte. "Was wollen wir die nächsten 3 Stunden noch so anstellen?" "Packen!" meinte sie säuerlich und mit verärgertem Ton in ihrer Stimme, da er sich wieder anhörte, als wolle er sie ärgern. "Was, du bist immer noch nicht fertig? Die anderen sind schon längst unterwegs." "Tschuldigung, aber ich habe nachgedacht..." Er setzte sich neben sie aufs Bett und legte seinen Arm um ihre Schulter, ihm war langweilig, schließlich war er mit Packen längst fertig. "Worüber denn?" Neugierig schaute er sie von der Seite an, so dass sie ihn wegstieß. "Das geht dich überhaupt nichts an, Yushima!" Man war die mal wieder feindselig. Sie erhob sich und packte alles zusammen, er erkannte natürlich ihre Mittel sich auf Distanz zu geben, weswegen er hastig das Zimmer verließ. Wie sollten sie es drei ganze Monate miteinander aushalten, wenn das nicht mal 5 Minuten funktionierte? Mila hatte vor Midori um Rat zu fragen, denn diese hatte wesentlich mehr Erfahrung, was Freundschaften und Liebe anging, schließlich hatte sie in Mitamura einen Freund und Kumpel. Sie konnte ihr sicher helfen. Yushima wartete vor dem Hotel auf Mila, als sie endlich kam, machte er ein ärgerliches Gesicht und verschränkte die Arme. "Wo hast du dich denn rumgetrieben?" "Pöh, das geht dich wie immer gar nichts an." "Oh doch, diesmal schon, Ayuhara! Zufällig komme ich mit und wenn wir den Zug nicht verpassen wollen, dann müssen wir uns sputen." "Ja, ja, nur keine Hektik!" Wieso fing er an, sie Ayuhara zu nennen? Mit dem stimmte eindeutig was nicht. Das Resultat war, dass sie viel zu früh am Bahnhof ankamen, aber besser das, als zu spät. Mila schmollte deswegen, immerhin hatte er sie ziemlich gehetzt, aber woher sollte Yushima wissen, wie lange sie zum Bahnhof brauchen würden? Sicher war eben sicher. Er war sich keinerlei Schuld bewusst. "Wie lange noch?" fragte Mila aufgeregt wie ein kleines Kind und tippte mit dem Fuß am Boden. Bald würde sie ihre besten Freunde wiedersehen. "10 Minuten." "Super, dann hätten wir noch Zeit gehabt und hätten uns auch gar nicht so zu beeilen brauchen." "Reg dich deswegen doch nicht so auf. Außerdem ist das doch sicher nicht der wahre Grund. Oder? Bist du immer noch sauer auf mich?" "Wenn du es genau wissen willst.. ja!" "Verzeih mir." Er sah ihr rief in die dunkelgrünen, fast schwarzen Augen und ergriff ihre Hand. Sein Blick hatte etwas flehendes und sanftes an sich, so einem Blick konnte sie einfach nicht widerstehen. "Meinetwegen, ich will meine Freundin nicht mit unnötigen Streits stressen." "Gut." Wie froh er eigentlich war, zeigte er ihr natürlich weder anhand seiner Worte, noch seines Gesichtsausdrucks, aber es fiel ihm ein Stein vom Herzen. Wenn sie sich immer zofften, belastete es ihn doch sehr. Da kam auch schon der Zug, der einfuhr. Yushima schnappte sich ihr Gepäck, da er nett sein wollte. "Wie aufmerksam du sein kannst", meinte sie frech und musste über ihre eigenen Worte lachen, die als nächstes kamen. "Vielleicht wird aus dir eines Tages doch noch eine gute Partie?" In einem noch sanfteren Ton sagte sie dann: "Dankeschön!" Die Zugfahrt dauerte etwa eine halbe Stunde länger, da es heftig zu regnen begann. Am Flughafen stiegen sie in ihre Maschine ein und sie schlief gleich, nachdem sie sich angeschnallt hatte, ein, so dass er Stunden lang seinen Blick nicht von ihr abwenden konnte. Seine kleine Kratzbürste sah im Schlaf so friedlich aus. Spät am Abend, etwas verspätet, kamen sie in Narita an und nahmen den Zug nach Urawa, wo sie von Midori empfangen wurden. Sie begrüßte ihre Freundin herzlich. "Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr." Yushima kam sich bei den beiden jungen Damen fast überflüssig vor, sagte jedoch mit keinem Wort etwas dazu. Midori bemerkte ihn jedoch sofort. "Willst du mir nicht jemanden vorstellen?" "Ach ja, den Blödmann habe ich vergessen, ihr kennt euch doch sicher schon." "Ich muss passen, Mila." Natürlich erinnerte sich die 17-jährige an die unverschämte Person, die Mila schlaflose Nächte bereitet hatte. Sie hatte ihn nur energischer in Erinnerung. "Yushima Hiro, wir haben uns doch in Nara kennen gelernt und wollten Freunde werden, bis wir in Erfahrung brachten, dass wir Gegner sind..." Ach und jetzt konnte sie ihn gar nicht mehr leiden? Welche Aussichten... "Wusst' ich's doch, wie kommt Mila ausgerechnet dazu, dich mit zubringen?" Irgendwie musste Midori ja zugeben, dass er nicht schlecht aussah... "Was für eine Frage, Midori, du willst wie immer alles wissen." Yushima fing urplötzlich an zu lachen. "Deinen Gesichtsausdruck solltest du sehen..." Mila sah total empört aus und schmollte wohl wieder, das war einfach amüsant für ihn. "Beachte ihn gar nicht, Midori, der ist immer so..." "Er erinnert irgendwie ein bisschen an Mitamura.." "Untersteh dich, Midori..." Wie konnte sie bloß so etwas sagen? "Ach ja, was ich vergessen habe zu erwähnen... Herr Hongo und die Mannschaft sind ins Trainingslager gefahren. Dort gibt es nicht genug Betten für uns alle, das bedeutet... na ja..." "Spuck's schon aus." Midori grinste und zwinkerte ihrer besten Freundin zu. "Ich schätze, du hast nichts dagegen, mit dem gutaussehenden Herrn, ein Zimmer zu teilen, oder?" Mila sah diese ungläubig und mit reichlicher Skepsis an, während Yushima sich halbtot zu lachen schien, immerhin war dieser Gesichtsausdruck einfach unbezahlbar. "Mila, ich beiße nicht, keine Angst. Außerdem bin ich sehr vertrauenswürdig." ,Oh Gott, will die mir das echt antun?' "Wenn ich du wäre, wäre ich vorsichtig, Mila kann bissig sein." Auch Midori musste über das errötete Gesicht ihrer Freundin herzhaft lachen. Sie wusste immerhin ganz genau, was mit ihr los war. "Kann ich mir vorstellen, dass dir das gefällt, Yushima, aber ich warne dich, keine Tricks, sonst bist du krankenhausreif." "Siehst du?" Midori musste wieder lachen. Yushima fand ja, dass beide etwas übertrieben und spinnen. Also wirklich, was die ihm so zutrauten, ungeheuerlich. Nicht zu fassen. Sie mussten erst mal einen längeren Fußmarsch zurücklegen und zum Trainingslager in Urawa finden, was jedoch keinem etwas ausmachte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)