Meine kleine Sammlung von w-shine (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 1: Ohne Dich -------------------- Ohne Dich Die Tränen sind schon alle vergossen, alle geweint in der vergangen Zeit. Seit du verschwunden bist, rinnt salziges Wasser über meine Wangen. Die Flure sind verlassen, dunkel, schaurig, verschlingend. Die Lampen sind erloschen, werden nicht mehr brennen. Helligkeit scheint fröhlich zu sein, brennt in meinen Augen. Das Lachen von hier verschwunden, vor langer Zeit das letzte Mal erklungen Ich kann nicht mehr lachen, diese Fähigkeit ist gestorben. Meine Augen, kalt, gefühllos, höchstens noch ein Schimmer Trauer, positive Gefühle sind gewichen, verschwunden mit dir. Was ich auch mache, kein Sinn ist erkennbar, nicht in deinem Verschwinden noch in meinem Leben. Alles ist sinnlos für mich, der Sinn mit dir gegangen. Mein Leben so leer... ...ohne dich... Kapitel 2: Himmel ----------------- „Bist du ein Engel?“, waren die ersten Worte, die ich jemals zu ihr sagte. Für viele wäre das ein fürchterlicher Anmachspruch, doch das war tatsächlich der erste Gedanke, der mir bei ihrem Anblick durch den Kopf zuckte. Wenn es Engel gab, dann mussten sie so sein wie sie. Es war nicht, weil sie schön war (sie sah wundervoll aus, aber das hatte mich nicht zu diesem Gedanken gebracht) – nein, es war, weil sie einfach die liebenswürdigste und liebevollste Person war, die ich mir vorstellen konnte. Wo auch immer sie hinkam, sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, das stets erwidert wurde. Ich kannte niemanden, der ihrem Charme widerstehen konnte. Sie handelte einfach immer mit einer solchen Natürlichkeit – gelegentlich vielleicht auch etwas Naivität – der man sich einfach nicht entziehen konnte. Neid war für sie ein Fremdwort. Selbst auf Katinka, ein reiches, verwöhntes Mädchen, die hochnäsig durch die Gegend stakste, richtete sie keinen Neid und das obwohl die andere keinen Finger krumm machte musste, um sich ihr Studium zu finanzieren und sie selbst Abende lang in einem Restaurant kellnerte und das Geld immer noch nicht reichte. Nein, sie hatte auch für Katinka immer ein Lächeln übrig und half ihr, wenn sie in Not war. Und auch trotz ihrer eignen Geldnot hatte sie immer einen Euro für Bedürftige übrig und zahlte, wenn es für einen guten Zweck war, auch gerne einmal etwas mehr. Außerdem war sie fleißig, arbeitete für ihr Studium und dessen Finanzierung und nahm den Leuten trotzdem häufig Aufgaben ab. Ich hatte immer Angst, dass andere sie ausnutzen würden, aber sie sagte immer, dass es ihr nichts ausmachte und sie alle Arbeiten gerne erledigte. Wie konnte einzelner Mensch nur so perfekt sein? Und wie konnte so ein Mensch, nur jemanden wie mich mögen? Ich war alle andere als perfekt, sondern eher chaotisch, geizig und mehr auf Party bedacht, als darauf irgendwas für mein Studium zu tun. Irgendwie würde ich schon über die Runden kommen. Es hatte ja schließlich immer irgendwie geklappt, es würde so weiter passen. Aber trotzdem liebte sie mich, aus irgendeinem unerfindlichen Grund war sie nicht wieder gegangen, nach unserem ersten Date, sondern war in meinem Leben geblieben. Und es machte mich glücklich. „Ich wünschte, es könnte immer so bleiben“, seufzte ich und zog sie näher an mich heran. „Wie kommst du darauf? Warum sollte sich etwas ändern?“ „Ach… du kommst bestimmt in den Himmel und ich werde in der Hölle schmoren.“ „Aber bis es soweit ist, werden noch viele Jahre vergehen…“ Sie lächelte mich an und kuschelte sich näher an mich heran. „Und weißt du was? Wenn es darum geht, dann bin ich ab heute neidisch auf Katinka, weil sie so viel Geld hat, werde faul sein und nicht mehr so viel für die Arbeit tun, werde mich mit Essen voll stopfen und feiern, aber mit allen feilschen, um ja nicht so viel Geld auszugeben und werde meinen Zorn herausschreien, wenn ich wütend bin.“ Ich konnte fühlen, wie meine Gesichtszüge entgleisten. „Aber warum willst du das tun?“ Und dann sagte sie die Worte, die mich wissen ließen, dass ich sie nie wieder los lassen durfte: „Ich werde sündigen, damit ich in die Hölle komme. Denn wenn du nicht in den Himmel kommst, dann will ich da auch nicht hin.“ Kapitel 3: Was ist Freiheit? ---------------------------- Er fuhr die einzelnen Buchstaben ihres Namens nach. Sarah. Seine große Liebe. Er schloss für einen Moment die Augen und sah sie vor sich: ihr strahlendes Lächeln, die braunen Haare und die unglaublichen himmelblauen Augen. Manchmal hatte er das Gefühl, dass jemand in seinen Kopf geschaut hatte und sie aus seinem Traum gebaut hatte. „Weißt du eigentlich, wie schön du bist?“ „Hmm… der Spiegel gibt mir nie eine wirklich überzeugende Aussage, aber auf einer Skala von 1 bis 10 wären es vielleicht… hmm… 4?“ Er lachte leise. „4? Wenn du die Zahl mit 2,5 multiplizierst, kommst du der Antwort näher.“ Keiner verstand es so wie sie, das Leben zu leben und einfach zu lieben. Für jeden hatte sie ein Lächeln übrig und jeder ließ sich davon anstecken. In ihrer Gegenwart fühlte er sich einfach nur gut, lebendig, locker… ja, er fühlte sich nahezu frei. „Was meinst du, Sarah, was ist Freiheit?“ Sie blickte ihn an und ihre Augenbraue wanderte in die Höhe. „Warum stellst du mir an einem schönen Samstagnachmittag so komplizierte Fragen?“ „Na ja,… alle streben immer nach Freiheit. Aber was ist das eigentlich?“ „Ach weißt du… lass mich einfach die Sonne genießen, ich denk da irgendwann anders drüber nach.“ Und das hatte sie. Das Thema Freiheit beschäftigte sie fortan häufig und ständig drehte sich der Gedanken in ihren Köpfen. Immer wieder kam er in ihren Gesprächen zum Vorschein und wollte erneut durchdacht werden und so fügten sich immer neue Ideen zu einem großen Mosaik zusammen und schrittweise kamen sie der Antwort näher. „Du.“ Sarah stupst ihn an. „Hmm…“ „Du hast mich doch neulich nach Freiheit gefragt.“ Sie schaute ihn erwartungsvoll an und er nickte ihr zur Antwort. „Ich bin heute über einen Satz gestolpert, der dir deine Frage vielleicht beantwortet.“ Sie fing an in ihrer Tasche zu kramen holte dann einen Zettel heraus. Er erkannte ihre enge, zarte Handschrift darauf. „George Orwell meinte: Falls Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen.“ Und so war das ihre erste Antwort auf seine Frage gewesen. Das musste bedeuten, dass Sarah frei war, schließlich war sie es, die den Leuten immer sagte, was sie dachte, was ihre Meinung war. Die anderen mussten dabei meist mit den Konsequenzen leben und ihre Worte verkraften. Doch bald änderte Sarah ihre Meinung zum Thema Freiheit wieder. „George Orwell hatte nicht Recht.“ „Was meinst du?“ „Ich habe heute einer Freundin erklärt, dass sie sich wie eine Furie aufführen würde und dass es so nicht weitergehen könne.“ „Und?“ „Und ich denke, dass sie nie wieder mit mir reden wird.“ „Und?“ „Was soll das bitte für eine Art Freiheit sein, die dazu führt, dass man, wenn man sie auslebt, andere, die einem etwas bedeuten, verliert?“ Wie Recht sie hatte, wie sie immer einfach nur Recht hatte. Man konnte nicht frei handeln, wenn man das Risiko einging, dabei etwas zu verlieren, was man nicht verlieren wollte. Man hielt sich zurück, schränkte sich ein. Das konnte Freiheit nicht sein. Aber natürlich fand auch dieses Rätsel seine Lösung. „Ich habe die Antwort.“ „Wirklich?“ „Es ist mal wieder eine Frau die Recht hat.“ Sie sah ihn erwartungsvoll an und er deutete ihr mit einem Nicken, dass sie fortfahren sollte: „Janis Joplin: Freiheit bedeutet lediglich, dass du nichts mehr zu verlieren hast." „Das soll die Antwort sein?“ „Ja, erst wenn man nichts mehr hat, was man verlieren könnte, ist man wirklich frei, alles zu tun, was man will. Ansonsten geht man immer ein Risiko und das schränkt ein.“ Er lächelte. Ja, das war wohl die Antwort. „Aber weißt du, was das auch bedeutet? Wir werden beide nie wieder frei sein…“ Und das war richtig gewesen. Wie er es auch drehte und wendete, es gab für ihn tatsächlich keine bessere Antwort. Er fuhr wieder die einzelnen Buchstaben ihres Namens nach und danach das Datum von vor zwei Wochen, welches darunter stand. Langsam ließ er sich nach hintern in das Laub sinken und starrte auf den Stein. Hätte er gewusst, wie furchtbar frei sein war, hätte er es sich niemals gewünscht. Kapitel 4: Warum er und nicht ich? ---------------------------------- Ich presse ihren Körper noch enger gegen den meinen und bewege mich so lange vorwärts, bis wir gegen die Wand stoßen. Unsere Lippen sind verschmolzen und unsere Zungen ringen um die Vorherrschaft. Unser Kuss ist leidenschaftlich und stürmisch und keiner will vom anderen lassen. Ich knabbere an ihrer Unterlippe und schmecke ihren Erdbeerlippenstift auf meiner Zunge. Ich fahre ihre ebenen Zahnreihen entlang und intensivere den Kuss noch ein wenig weiter. Oh Gott, wie ich sie liebe. Sie schnappt nach Luft und unterbricht den Kuss kurz. „Daniel…“ Von diesem kurzen Wort – meinem Namen – werde ich aus meiner Trance gerissen. Ich hebe die Augenlider und starre in das Augenpaar und das hübsche Gesicht vor mir. Für einen Moment scheint die Person vor mir braunhaarig mit blauen Augen zu sein, doch dann verschwimmt das Bild und ich sehe die Realität. Blonde Haare. Grüne Augen. Das bist nicht du. Ich habe mich wieder der Illusion hingegeben, dass ich dich küssen würde und von dem kurzen Erklingen ihrer Stimme, die sogar nicht wie die deine ist, wurde ich wieder zurück geholt in die schmerzende Realität. „Ja…“, murmele ich und sehe das Mädchen vor mir an und versuche verzweifelt mich an ihren Namen zu erinnern. Ich weiß, dass ich ihn weiß, doch er will mir momentan einfach nicht einfallen. Meine Augen wandern an ihrem Körper herunter, sie trägt ein grünes Top und eine schwarze Jeans und ich glaube mich erinnern zu können, dass sie in dem Jahrgang unter mir ist. „Ich muss dann jetzt langsam los. Wir sehen uns später, okay?“ Sie sieht mich mit ihren großen grünen Augen fragend an. „Ja, bis später.“ Sie drückt mir noch einen kurzen Kuss auf die Lippen, bevor sie an mir vorbei geht und verschwindet, natürlich nicht ohne mir vorher noch einen letzten Blick und ein wirklich umwerfendes Lächeln zu zuwerfen. Ich sehe ihr noch eine Weile hinter her. Sie hat eine wohlgeformte Figur und ein hübsches Gesicht, wahnsinnige grüne Augen und ein niedliches Lächeln. Sie sieht wirklich gut aus und sicher sind viele der männlichen Schüler an unserer Schule neidisch auf mich. Doch sie interessiert mich nicht. Die Einzige, die mich interessiert, bist du. Es ist zum verrückt werden, dass kein noch so schönes Mädchen mich von dir ablenken kann, dass meine Gedanken ständig nur um dich kreisen und du es nicht einmal weißt. Wegen dir habe ich jetzt schon den Ruf als Daniel Flämming der Herzensbrecher, weil ich wieder und wieder mit einem neuen Mädchen versuche, den Gedanken an dich zu verdrängen, zu verdrängen, dass ich dich nicht haben kann. Aber die Mädchen geben sich mir auch nur zu gerne hin. Ich habe so ein leichtes Spiel mit ihnen. Warum funktioniert es bei ihnen, aber bei dir nicht? Warum, verdammt noch mal? Als ob das Schicksal mich auslachen will, kommst du gerade den Gang entlang. Ich sehe dich lachen. Deine dunkelbraunen Haare fliegen durch die Luft und glitzern im Sonnenlicht, als du dich zu der Person neben dir wendest und sie anstrahlst. Ich bin mir sicher, dass ein eben solches Strahlen auch in deinen blauen Augen zu sehen ist. Ich liebe deine Augen einfach. Ich finde, sie sehen aus wie der Himmel, ebenso blau und genauso strahlend. Doch sie strahlen auch, wenn die Sonne nicht scheint und wenn du lächelst, dann sind sie einfach nur überirdisch schön. Wenn man mich fragen würde, wie ich dich beschreiben würde, bräuchte ich nur ein Wort: Perfekt. Wenn man meine ausführliche Beschreibung hören würde, dann würde man mich sicherlich einen romantisch-verliebten Spinner schimpfen, doch ich kann nicht anders. Ich finde, dass du perfekt bist. Es gibt niemanden, der so schön, so intelligent und einfach so wundervoll ist wie du. Deshalb schmerzt es so sehr, dich und diese Person neben dir zu sehen. Emil. Dein Freund. Was hat er, was ich nicht habe? Ich kann diese Frage für mich nicht ordentlich beantworten. Sicherlich ist er ganz nett – zumindest behaupten das alle Mädchen, ich habe nie wirklich mit ihm geredet. Sicherlich sieht ganz gut aus – zumindest behaupten auch das alle Mädchen, ich bin ein Mann und kann das nicht so gut beurteilen. Sicherlich ist er ganz höflich – das habe sogar ich mit bekommen. Und alle behaupten auch, dass ihr gut zusammen passt – und das finde ich nicht. Aus diesem Grund frage ich mich auch immer, warum du mit ihm zusammen bist. In einem Moment, in dem ich wohl komplett verrückt gewesen sein muss, habe ich sogar deine beste Freundin Lily gefragt, was du eigentlich an ihm findest. Sie sah mich sehr perplex an und antwortete mit hochgezogener Augenbraue: „Emil ist charmant, elegant, intelligent, zuvorkommend und gutaussehend. Was soll ein Mädchen sich mehr wünschen?“ Darauf habe ich keine adäquate Antwort gewusst und Lily ging mit einem „Siehst du“ davon. Ich muss auch zugeben, dass du glücklich aussiehst, wenn du mit ihm unterwegs bist. Doch das alles stört mich. Ich will dich für mich und will nicht, dass du mit ihm zusammen bist. Alle reden ständig davon, dass sie sich immer nur wünschen, dass die Person, die sie lieben glücklich ist. Sicher will ich auch, dass du glücklich bist, denn ich kann nicht ertragen, wenn du unglücklich bist. Aber noch viel lieber wäre es mir, wenn auch ich dabei glücklich sein könnte. Und das wäre nur so, wenn ich an deiner Seite wäre und nicht er. Ich weiß, dass das vielleicht egoistisch klingt, aber ich kann nun mal nicht anders. Ich kann ohne dich nicht leben. Dein Blick schweift durch die Gegend und trifft auf meinen. Du winkst mich zu dir und Emil hinüber. Für einen Moment stocke ich, da ich ihm nicht begegnen will, doch dann gehe ich hinüber. Schließlich will ich dich sehen und du mich offensichtlich auch. Da soll es doch für einen Moment egal sein, ob er da ist oder nicht. „Hey, wer war denn die Hübsche?“, fragt mich dein Freund und auch du siehst mich durchdringend an. Ich befinde mich in einer Zwickmühle, da ich ihren Namen vergessen habe. „Ja, also das war…“ Ich stocke, da mir so schnell kein Name einfällt. Du ziehst missbilligend eine Augenbraue hoch. „Amelie Brighnon, sie ist im Jahrgang unter uns“, löst du die peinliche Situation auf. Aus deiner Stimme klingt keinerlei Verachtung oder Belehrung hervor, obwohl ich in deinem Blick erkennen kann, dass es dir missfällt, was ich tue. Ich habe schon von Anfang an gemerkt, dass du mir etwas unterkühlter begegnet bist, seit ich durch die Betten unserer Schule hüpfe. Doch ich kann nichts dagegen machen. Wenn du abwesend zur mir bist, renne ich noch schneller zu einem neuen Mädchen und du wirst nur noch kühler, weil du mich dafür verachtest, weil du es nicht respektvoll findest, was ich tue. Es ist ein verdammter Teufelskreis. „Lasst uns essen gehen“, höre ich deine Stimme wieder und ich nicke automatisch, so wie Emil es tut und so laufen wir zusammen in die Große Halle zum Mittagessen und setzen uns dort. Wie automatisch greife ich nach deinem Becher, um dir Orangensaft einzugießen. Kaum habe ich das Trinkgefäß wieder abgesetzt, hast du es auch schon in der Hand, bedankst dich und trinkst voller Begeisterung einen ersten Schluck. Ich kann immer nicht begreifen, was genau du an Orangensaft so liebst, aber du trinkst ihn fast immer und so gieße ich dir auch, wann es auch immer mir möglich ist, welchen ein. Das habe ich gemacht als wir noch Kinder waren und durch dein zu Hause gerannt sind und auch jetzt tue ich es noch, auch wenn mir diese Aufgabe immer öfter von Emil weggenommen wird, wenn er schneller deinen Becher ergreift. Es ist merkwürdig, aber irgendwie kränkt es mich, wenn er mir auch diesen kleinen Teil streitig macht. Ich beobachte dich aus dem Augenwinkel, wie du dir dein Mittagessen nimmst, so dass ich nicht mitbekomme, wie mein bester Freund Martin auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches auftaucht und mir auf die Schulter klopft. „Daniel, warum bist du denn vorhin so schnell abgehauen?“ Ich murmele nur irgendwas in mich hinein und er sieht mich etwas mitleidig an. Er weiß natürlich, dass ich jeden Moment leide, wenn ich euch zusammen sehe. Es ist manchmal wirklich furchtbar, wie sehr er mich durchschaut, wie gut er mich kennt, aber schließlich sind wir auch schon einige Jahre beste Freunde und da lernt man einander zu lesen. Wir schweigen uns während des Mittags an, da er mir kein Gespräch aufzwingen will. „Wir sehen uns später, Daniel, Martin.“ Mit diesen Worten stehst du auf und winkst uns beiden noch einmal kurz zu. Du hast jetzt Politik, was Martin und ich nicht gewählt haben. Ich sehe dich mit Emil davon gehen, eure Hände sind ineinander verhakt und ich kann euch lachen hören, während ihr aus der Halle geht. Wieder werde ich von Martin aus meinen Gedanken gerissen. „Hey, zieh nicht so ein Gesicht, eines Tages bekommst du schon noch deine Chance.“ Ich schnaube nur kurz. „Außerdem… was willst du denn. Alle anderen Mädels stehen auf dich, du siehst gut aus und in der Schule läuft es auch.“ Ja, genau das ist. Alle anderen rennen mir hinterher. Nur du nicht. Alle anderen erzählen mir ständig, wie toll sie mich finden. Nur du nicht. Warum nur? Warum er und nicht ich? Kapitel 5: Meine Suche ---------------------- Ich habe mein Leben lang gesucht. Ich habe nach Antworten, nach Menschen, nach Dingen gesucht, immer gesucht, gesucht, gesucht. Ich habe nie damit aufgehört, nie gestoppt und inne gehalten, war ständig damit beschäftigt. Immer die Augen offen, immer geschäftig auf der Suche. Doch jetzt ist es vorbei. Ich habe auf gehört zu suchen, ich habe gestoppt. Plötzlich. Unerwartet. Und du bist daran schuld. Seit ich dich getroffen habe, muss ich nicht mehr suchen, seit ich dich kenne, scheint einfach alles richtig zu sein. Dabei habe ich dich gar nicht gesucht, ich wollte dich anfangs nicht einmal finden. Aber das Schicksal meinte wohl, dass wir uns finden sollten, mussten. Anfangs war ich der Meinung, es würde nicht so richtig passen, es wäre zwar nett mit dir etwas zu unternehmen, mehr jedoch nicht. Mit der Zeit aber merkte ich, dass es sehr wohl passte, dass es nicht nur so ein bisschen passte, sondern dass es perfekt war. Und jetzt suche ich nicht mehr. Du bist einfach aufgetaucht und hast dich langsam aber sicher in mein Leben geschlichen. Zunächst waren es nur belanglose Unterhaltungen, die immer länger wurden, während denen die Zeit verschwamm und davon raste und es, obwohl nur fünf Minuten vergangen waren, plötzlich eine Stunde später war. Eine Freundin meinte, dass wir doch gut zusammen passen würden, ich lachte die Aussage nur weg. Es war nett, mehr nicht, redete ich mir ein. Erst als ich meinen besten Freund für dich versetzte, merkte ich, was es wirklich war, dass mich irgendwas zu dir führte, dass du warst, was ich immer gesucht hatte. Schüchtern, nett, aufmerksam, zuvorkommend und mit dem strahlendsten Lächeln, was man sich nur vorstellen konnte. Früher, bevor ich dich kannte, hatte ich immer die Augen offen, auch wenn ich in einer Beziehung war, sah ich andere Menschen, schöne Menschen, hübschere Menschen und habe auch den Kopf nach ihnen umgedreht und darüber nachgedacht, wie es wohl wäre, wenn ich nicht in einer Beziehung sei oder wenn ich mit einem dieser Menschen zusammen wäre. Das ist vorbei. Nun gehe ich durchs Leben und meine beste Freundin deutet auf Männer und meint: „Sieht der nicht gut aus?“ Meine einzige Antwort darauf lautet immer nur: „Ich denke schon.“ Objektiv betrachtet sind diese Menschen vielleicht schön, aber niemand kann so schön sein wie du. Zumindest nicht für mich. Ich frage mich, was du eigentlich mit mir gemacht hast. Wie hast du es geschafft, so schnell meine Welt auf den Kopf zu stellen? Wie hast du es so rasant geschafft, zum absoluten Optimum für mich zu werden? Niemals hätte ich die perfekte Person für mich so wie dich beschrieben, aber mittlerweile kann ich mir gar niemanden vorstellen, der möglicherweise besser zu mir passen könnte. Du bist einfach makellos in meinen Augen, die Perfektion schlechthin. Ich liebe die kleinen Falten auf deiner Stirn, den Knick in der Nase, die leicht schief ist, weil du sie, als du jünger warst, gebrochen hast, ich kann nicht davon genug bekommen, wie dir deine Haare ins Gesicht fallen, besonders wenn ich sie durchgewuschelt habe und du mich gespielt wütend und genervt anschaust. Ich liebe es, die du meine Hand nimmst und einen sanften Kuss auf ihren Rücken drückst, wenn wir gemeinsam Fernsehen und wie du erschauderst, wenn man dir über den Nacken streichelt. Ich mag all die Fotos von uns, auch wenn wir meist einfach nur dämlich darauf aussehen und komische Grimassen ziehen, strahlen sie dennoch auf eine besondere Art und Weise. Meine beste Freundin meint immer scherzhaft, dass das wohl die Liebe ist, die man auf den Bildern sehen kann, die ihnen diesen besonderen Glanz geben. Vielleicht hat sie Recht. Was noch erstaunlicher ist, was mich noch mehr verwundert, mit dir scheint sich auch alles andere gefügt zu haben. Ein Ort zum Leben, der Job, der Spaß macht. Nicht, dass du mir bei der Suche nach diesen Dingen direkt geholfen hast, aber alles scheint plötzlich wie ein Puzzle zusammen zupassen. Plötzlich erscheint das ganze Bild einen Sinn zu machen, den ich vorher nicht erkannt habe. Alles erstrahlt in einem neuen Licht, einem besseren, einem helleren. Und so suche ich nicht mehr, denn ich habe alles gefunden, was ich jemals wollte. Mein Leben ist schöner als ich es mir jemals erträumt hätte. Ich muss nicht mehr ständig suchen. Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Meine Ansprüche haben sich geändert und nun suche ich andere Dinge. Eheringe, Hochzeitskleider und bald wohl auch Babysöckchen. Hosted by Animexx e.V. 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