Meine kleine Sammlung von w-shine (One-Shot-Sammlung) ================================================================================ Kapitel 2: Himmel ----------------- „Bist du ein Engel?“, waren die ersten Worte, die ich jemals zu ihr sagte. Für viele wäre das ein fürchterlicher Anmachspruch, doch das war tatsächlich der erste Gedanke, der mir bei ihrem Anblick durch den Kopf zuckte. Wenn es Engel gab, dann mussten sie so sein wie sie. Es war nicht, weil sie schön war (sie sah wundervoll aus, aber das hatte mich nicht zu diesem Gedanken gebracht) – nein, es war, weil sie einfach die liebenswürdigste und liebevollste Person war, die ich mir vorstellen konnte. Wo auch immer sie hinkam, sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, das stets erwidert wurde. Ich kannte niemanden, der ihrem Charme widerstehen konnte. Sie handelte einfach immer mit einer solchen Natürlichkeit – gelegentlich vielleicht auch etwas Naivität – der man sich einfach nicht entziehen konnte. Neid war für sie ein Fremdwort. Selbst auf Katinka, ein reiches, verwöhntes Mädchen, die hochnäsig durch die Gegend stakste, richtete sie keinen Neid und das obwohl die andere keinen Finger krumm machte musste, um sich ihr Studium zu finanzieren und sie selbst Abende lang in einem Restaurant kellnerte und das Geld immer noch nicht reichte. Nein, sie hatte auch für Katinka immer ein Lächeln übrig und half ihr, wenn sie in Not war. Und auch trotz ihrer eignen Geldnot hatte sie immer einen Euro für Bedürftige übrig und zahlte, wenn es für einen guten Zweck war, auch gerne einmal etwas mehr. Außerdem war sie fleißig, arbeitete für ihr Studium und dessen Finanzierung und nahm den Leuten trotzdem häufig Aufgaben ab. Ich hatte immer Angst, dass andere sie ausnutzen würden, aber sie sagte immer, dass es ihr nichts ausmachte und sie alle Arbeiten gerne erledigte. Wie konnte einzelner Mensch nur so perfekt sein? Und wie konnte so ein Mensch, nur jemanden wie mich mögen? Ich war alle andere als perfekt, sondern eher chaotisch, geizig und mehr auf Party bedacht, als darauf irgendwas für mein Studium zu tun. Irgendwie würde ich schon über die Runden kommen. Es hatte ja schließlich immer irgendwie geklappt, es würde so weiter passen. Aber trotzdem liebte sie mich, aus irgendeinem unerfindlichen Grund war sie nicht wieder gegangen, nach unserem ersten Date, sondern war in meinem Leben geblieben. Und es machte mich glücklich. „Ich wünschte, es könnte immer so bleiben“, seufzte ich und zog sie näher an mich heran. „Wie kommst du darauf? Warum sollte sich etwas ändern?“ „Ach… du kommst bestimmt in den Himmel und ich werde in der Hölle schmoren.“ „Aber bis es soweit ist, werden noch viele Jahre vergehen…“ Sie lächelte mich an und kuschelte sich näher an mich heran. „Und weißt du was? Wenn es darum geht, dann bin ich ab heute neidisch auf Katinka, weil sie so viel Geld hat, werde faul sein und nicht mehr so viel für die Arbeit tun, werde mich mit Essen voll stopfen und feiern, aber mit allen feilschen, um ja nicht so viel Geld auszugeben und werde meinen Zorn herausschreien, wenn ich wütend bin.“ Ich konnte fühlen, wie meine Gesichtszüge entgleisten. „Aber warum willst du das tun?“ Und dann sagte sie die Worte, die mich wissen ließen, dass ich sie nie wieder los lassen durfte: „Ich werde sündigen, damit ich in die Hölle komme. Denn wenn du nicht in den Himmel kommst, dann will ich da auch nicht hin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)