Can´t cange it von Akio21 ================================================================================ Kapitel 16: Das Gleitgel ------------------------ Zum Glück war Murata genausowenig nachtragend wie ich. Und in der ersten Pause standen wir auch schon wieder zusammen am Fenster. Murata schimpfte über unseren Biologielehrer, der unangekündigt einen Test geschrieben hatte, ich dachte daran, dass Wolfram heute zu uns nach Hause kam, irgendwie hatte mein Freund schon recht gehabt. Im Vergleich zu seiner Wohnung oder besser seinem Haus oder noch besser seiner kleinen Villa, sah unseres eher arm aus. Obwohl wir das nicht waren. Wir waren zwar nicht reich, aber arm eben auch nicht. Bisher hatte ich mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob einem Besuch unser Haus vielleicht nicht gefallen könnte. „Shibuya“, drang es aus weiter Ferne an meine Ohren. „JAWOHL“, beeilte ich mich zu sagen. „Hörst du mir überhaupt zu?“ Nein, wie denn auch. Wolfram kam heute, und meine Familie würde ihn zum erstenmal sehen. Was interessierte mich da der Bioheini? „Ja, natürlich höre ich zu, wieso?“ Murata schloss die Augen und senkte den Kopf. „Immer das Selbe." „Was meinst du?“ „Sobald einer verknallt ist, kann man einfach nichts mehr mit ihm anfangen. Seufz. Ich hatte gehofft, du wärst ne Ausnahme, Shibuya." „Ähm, tut mir leid, Murata, es ist nur so, dass Wolfram heute zu mir nach Hause kommt." „Und?“ „Na ja, er will meine Familie kennenlernen und sich auch selber vorstellen, glaube ich." „Deine Leute wissen Bescheid?“ Murata war überrascht. „Ja." Er klopfte mir dermaßen hart auf den Rücken, dass ich meinen Kaugummi unfreiwillig ausspuckte. „Das hätte ich dir gar nicht zugetraut, echt jetzt, ich bin stolz auf dich." „Stolz“, brummte ich verärgert, während ich auf dem Boden nach meinem Kaugummi suchte. Es war keine so gute Sache, wenn der nächste Lehrer zufällig reintrat. „Hast du ihn eingeladen?“ „Nein, er hat sich selber eingeladen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Aber, das spielt keine Rolle, verstehst du?“ „Dann seid ihr jetzt fest zusammen." „Ja“, sagte ich erleichtert, weil ich den gelben Kaugummi unter der Heizung gefunden hatte. Murata und ich sahen wahrscheinlich gleichzeitig zu Wolfram, der über einem Buch brütete. „Was macht er da?“ „Wahrscheinlich die Antworten vom Biotest überprüfen“, vermutete Murata. „Lass checken." Wir gingen zu Wolframs Tisch. Er hatte einen gewaltigen Wälzer vor sich liegen, in dem beschrieben war, wie man sich in Japan bei einer Einladung zu benehmen hatte. Darin waren auch Zeichnungen undsoweiter. Die Tatsache ausser Acht lassend, dass er sich selbst eingeladen und ich seinentwegen gestern viel peinlichen Streß gehabt hatte, war ich dermaßen gerührt, das mir fast die Tränen kamen. Murata stieß mir den Ellbogen in die Seite. Ja, er hatte ja recht. „Was machst du da, Wolfram?“ fragte ich. „Ich möchte selbstverständlich einen guten Eindruck bei meinen zukünftigen Schwiegereltern hinterlassen“, antwortete er ohne aufzusehen. „Wobei – bei wem?“ Endlich sah er auf. Seine grünen Augen schimmerten ein wenig verträumt. „Bei deinen Eltern, Yuri, hast du vergessen, das ich heute bei ihnen eingeladen bin?“ „Nein, natürlich nicht." Ich sah zu Murata. Eigentlich dachte ich, er wäre drauf und dran mit einem seiner Lachanfälle aus der Tür zu stürmen, aber dieses Lächeln war freundlich und galt Wolfram. „Pass mir ja gut auf meinen besten Freund auf“, sagte er zu ihm. Ich atmete schon auf als er hinzufügte „und nimm ihn nächstes Mal nicht so hart ran." Wer würde da nicht rot werden, ganz ehrlich? „Ich passe schon gut auf ihn auf“, versicherte Wolfram. Ich wartete auf die Antwort auf den zweiten Teil, aber da kam nichts. Das bemerkte auch Murata. „Na dann, bin ich beruhigt“, sagte er, nahm mich am Ellbogen und ging mit mir zur Jungentoilette. Murata war sehr vorausschauend, so auch in diesem Fall. Er zog eine Dose aus der Hosentasche und drückte sie mir in die Hand. „Was ist das?“ fragte ich, während ich sie öffnete. Es war Creme oder so was. „Ein Wundermittel, das wird auch Wolfram gefallen." Ich verstand nicht was er meinte. „Wovon redest du, das ist Creme. Ich habe nicht gesehn, das Wolfram sich eincremt und ich mach das auch nicht." Ich bekam eine Kopfnuss. „Dummkopf. Das ist Gleitgel." „Oh. Ohhhh“, jetzt verstand ich. Nebenbei bemerkte ich jetzt, das die lärmenden Geräusche auf der Toilette, die immer leiser geworden waren, jetzt ganz verstummten. „Ihr habt keines benutzt, oder?“ Woher zum Teufel wusste er das, und warum hatte Wolfram so etwas nicht zu Hause? „Woher?“ „Sonst würdest du nicht so breitbeinig wie ein Cowboy ohne Pferd durch die Gegend laufen." Aua, Murata, das hättest du auch anders sagen können. Meine Gefühle genauso wie die Stille im Raum ignorierend fuhr er mit einer gewissenen Begeisterung fort: „Aber das ist nicht irgendein Gleitgel, Shibuya." „Nein?“ „Nein“, verkündete er stolz, „da ist auch ein Mittel drin zur Betäubung." Vor meinem geistigen Auge sah ich einen OP-Saal, ich lag auf der Bahre, Wolfram beugte sich über mich und sagte, gleich vorbei, während ein Arzt in grünem Kittel eine Spritze in der Hand hielt. Nur eine kleine Narkose, gleich vorbei, keine Angst, redete der mir zu. Murata schnipste mit den Fingern vor meinem Gesicht. „Ähm, danke." „Du hast keine Ahnung, oder?“ „Nein." „Lies mal was da steht." Ich las, unglücklicherweise laut, vor, „Die eine Stunde glücklich mach creme." Die andern Schüler verliessen jetzt fluchtartig den Raum, so dass wir allein waren. Immerhin das. „Das sagt mir nichts." „Überleg doch mal, Shibuya, dir tut nichts weh, wenn er dich poppt, und er kann länger. Durch das bisschen Betäubung wo drinne is, in der Creme." „Eine Stunde, wie?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)