Lost In The Sunlight von Vinanti ================================================================================ Prolog: Start ------------- I used to rule the world seas would rise when I gave the word Gavin hörte nur entfernt die Schulglocke klingeln. Er stand vor dem Schwarzen Brett und erkundigte sich nach passenden Engagements… aber nichts. Da war einfach nichts. Seit Tagen. Dabei war es der Beginn eines neuen Schuljahres. Da platzte doch ein Schwarzes Brett aus allen Nähten wie man meinen sollte. Gavin seufzte. Gut, hier wohl nicht. Er kannte es anders. Vielleicht musste sich alles erst einspielen. Schließlich war er aufgrund des Umzugs neu an dieser Schule. Ab zum Unterricht. Geographie stand auf dem Plan. Er konnte sich auch Interessanteres vorstellen. Immerhin wartete er seit geschlagenen drei Tagen auf den vokalpraktischen Musikkurs… Ungeduldig schaute Gavin auf die Uhr. In zwei Schulstunden war es endlich so weit… . . . Er gähnte ausgiebig. Hatte er es also überstanden. „Hey.“ Gavin räumte die schweren Bücher in seine Tasche. „Hey!“ Er drehte sich um und schaute in das Gesicht eines jungen Mädchens. Ach so… man hatte mit ihm geredet. Welch Wunder… Der erste Gedanke, der ihm in den Sinn kam war Kulleraugen. Irgendwie ja niedlich. Ihre Aufmachung war mehr als eigenwillig, aber das ließ sie sympathisch erscheinen. Gavin lächelte sie entschuldigend an. „Hey, tut mir Leid. Ich war in Gedanken.“ „Schon okay, ich bin Sally.“ Sie reichte ihm die Hand, die er sofort ergriff. „Gavin.“ Eigentlich hatte er keine großartige Lust sich jetzt zu unterhalten. Ihm juckte es in den Fingern endlich zu seinem Musikkurs zu kommen… „Du bist nicht sehr interessiert an Geographie oder?“ Sally lächelte wissend. Sah man ihm das so direkt an? „Also… Ich… äh. Nicht wirklich.“ War er eben nicht. Seine Interessen lagen in anderen Bereichen. „Wir haben ja jetzt unsere künstlerischen Kurse. Was hast du gewählt, Gavin?“ „Vokalpraktische Musik.“ „Du singst!?“ „Ja, ich singe.“ Das sah man ihm anscheinend nicht an… now in the morning I sleep alone sweep the streets that I used to own Kapitel 1: Problem ------------------ you're so hypnotising could you be the devil? Gott, war er etwa der Letzte? So wie sie ihn alle musterten… Wie peinlich… Aber noch hatte der Unterricht nicht begonnen. Sally hatte ihn aufgehalten. Doch was hieß aufgehalten…? Sie hatte es einfach nicht glauben wollen, dass er sang. Warum auch immer. Gavin war jedenfalls ein wenig erleichtert gewesen, als seine neue und bislang einzige Bekanntschaft sich entschlossen hatte zu ihrem Literaturkurs zu gehen. Also hieß es für ihn Raum suchen. Er kannte vereinzelte Gesichter, aber noch war alles und jeder neu für ihn. Die Lehrer nahmen ihn zwar mit offenen Armen auf, da auch viele Kurse dieses Jahr neu zusammengemischt wurden, aber dennoch… Das Gefühl noch nicht angekommen zu sein würde wohl erst mit der Zeit weichen. Heute war sein dritter Tag an dieser Schule, was erwartete er denn auch? Vielleicht war mit Sally das Eis gebrochen und Gavin würde es wagen mehr auf die Leute zuzugehen. Es war nicht so, dass er schüchtern war… Er war nur von seinen letzten Freundschaften zu sehr enttäuscht worden. Deswegen war er irgendwie auch froh darum, an einer neuen Schule zu sein. Da war er dem Job seines Vaters doch ziemlich dankbar, immerhin war das der Grund für ihren Umzug. Gavin ließ den Blick schweifen. Das war kein Klassenraum, das war eine Abstellkammer. Oder so etwas in der Art. Unweigerlich musste er seufzen. Anscheinend maß man dem Singen hier an dieser Schule nicht allzu viel Bedeutung zu… Er setzte sich wortlos auf einen der freien Stühle. Großes Interesse gab es an diesem Kurs wirklich nicht. Vier Mädchen, zwei Jungen – und ihr Lehrer. Auf den ersten Blick hin konnte Gavin ihn nicht einschätzen. Schien Ende 30 zu sein, trug einen gut gepflegten Anzug und machte an sich einen sehr seriösen Eindruck. Eher der Typ für Bankgeschäfte, als zum Singen, aber gut. Pünktlich zum Klingeln stand ihr Gesangslehrer auf. „So, meine lieben Schülerinnen und Schüler. Ich bin Mr. Carlson und werde in den folgenden Monaten den vokalpraktischen Musikkurs leiten. Da wir sehr wenige sind in diesem Jahr legte ich höchsten, ich wiederhole, höchsten Wert auf gute Zusammenarbeit. Ich denke da gehen wir konform.“ Einige der Schüler nickten. Er hatte Recht. In einem derartig kleinen Kurs waren Streitereien deplatziert. Das beeinträchtigte das Arbeitsklima… Mr. Carlson machte dann doch einen besseren Eindruck, als Gavin erwartet hatte. So kannte man sich irren. Er ließ sich gerne eines Besseren belehren. „Heute, in Ihrer ersten Stunde, habe ich nicht viel vor. Meistens habe ich es so hand, dass wir eine kleine Runde zum Kennen lernen abhalten. So ist es gleich viel angenehmer, wenn wir das nächste Mal am Freitag zusammensitzen werden.“ Sollte Gavin Recht sein. Er würde sich die Namen und die dazugehörigen Gesichter merken. „Bitte.“ Mr. Carlson deutete auf das junge Mädchen ganz rechts. „Fangen wir an.“ Sie wollte gerade den Mund öffnen um sich vorzustellen, als die Tür zum Raum aufgerissen wurde. „’Tschuldigung, dass ich zu spät bin. War noch essen.“ Gavin fielen die Augen aus dem Kopf. Das hatte er noch nie erlebt. Es war bekannt, dass einige Menschen die Schule nicht allzu wichtig nahmen, aber… das war respektlos. Wenigstens entschuldigte er sich, wenn auch nicht angemessen und in einem Tonfall, der Bände sprach. Wer war das überhaupt? „Ja, danke, Dane. Sie haben so eben meinen Unterricht gestört. Ich hatte zwar mit Ihnen noch gerechnet, aber das ist nicht sehr nett. Setzen Sie sich bitte schweigend zu uns.“ Mr. Carlson hatte Gavins Frage soeben beantwortet. Dane… Er wunderte sich ein wenig, warum ihr Lehrer den Neuankömmling zu kennen schien. Soweit er wusste, war diese Art von Kursen für die Stufe neu. Sein Blick lag auf Dane, der sich auf einen abseits stehenden Stuhl setzte… Schien ja nicht sehr kommunikativ. Gavin schüttelte leicht den Kopf. Er sollte sich auf den Unterricht konzentrieren. Mr. Carlson hatte die Schülerin ein weiteres Male gebeten sich vorzustellen und so hatte die Runde begonnen. Jeder der Anwesenden schien mindestens ein Instrument zu spielen… Irgendwie schüchterte das ein. Gavin konnte zwar Gitarre spielen, aber sein Selbstbewusstsein sank gerade gen Erdkern. Sein Lehrer lächelte ihn warm an, als er begriff, dass er an der Reihe war sich vorzustellen. Hoppla… „Mein Name ist Gavin. Vor gut zwei Jahren habe ich das Singen für mich entdeckt. Ich spiele Gitarre und hab eine Vorliebe für Balladen. Ich bin neu an der Schule, würde mich also freuen, wenn wir alle gut miteinander klarkommen.“ „Selbstverständlich. Danke dir, Gavin.“ Vielleicht hatte Mr. Carlson das Potenzial sein Lieblingslehrer zu werden. Gavin konnte nicht anders, als zu lächeln. „Ich habe zu danken.“ „Nun gut. Da Dane das Jahr wiederholt, kann er euch sagen, was in etwa auf Sie zukommen wird.“ Aha. Das war die Antwort auf die Frage, woher Mr. Carlson ihn bereits kannte und warum er sich traute hier so hereinzuspazieren. Dane selbst schien allerdings ganz und gar nicht davon begeistert zu sein, dass ihr Lehrer das so bedenkenlos herumposaunte. „Dane, mein Guter, wie ist es um deine Band bestellst?“ Der Blonde schnaubte verächtlich, hielt es nicht für nötig zu antworten. Offenbar lief es weniger gut. Aber das machte Gavin Hoffnung. Vielleicht konnte er mit ihm einmal reden… Immerhin hielt er sich doch für einen ganz passablen Sänger. Anscheinend hatte er Dane angestarrt, denn dieser musterte Gavin sehr missbilligend, worauf hin er den Blick senkte. Wenn er so gut singen konnte, wie er aussah… dann war er verdammt gut. Irgendetwas hatte er an sich, dass Gavin fesselte. Aber noch konnte er nicht genau benennen was es war. Durch seinen Auftritt hier strahlte er eine Art Bad-Boy-Image aus, aber etwas sträubte sich in ihm, das so anzuerkennen. Doch ganz unschuldig schien Dane nicht zu sein… „Stellen Sie sich dem Kurs bitte auch vor? Oder bescheren Sie uns schon genug Ehre mit ihrer bloßen Anwesenheit?“ Mr. Carlson schien zu wissen, wie man Dane begegnete… Er hingegen stöhnte genervt auf, kam dem Willen ihres Lehrers aber nach. „Also gut. Ich spiele Gitarre und Klavier, mache selbst Musik, auch außerhalb dieses netten Kurses und bla bla bla. Dank unserem bestens informierten Lehrer ist es ja überflüssig zu erwähnen, dass ich bereits letztes Jahr in den Genuss des vokalpraktischen Kurses bei Mr. Carlson kommen durfte.“ Sarkasmus ließ grüßen… Doch das wäre nicht einmal das Schlimmste gewesen. Danes gesamtes Auftreten ließ Gavin zurückschrecken, aber faszinierte ihn gleichsam – und wenn da nicht die ganze Zeit über dieser provozierende Blick gewesen wäre… hätte Gavin jetzt auch keine Gänsehaut. . . . Irgendwie war Gavin unwohl zumute. Er saß gerade gemeinsam mit Sally draußen an einem Tisch und aß zu Mittag. Der Hof und die Schulgebäude waren echt schön, die Lehrer nett, da konnte Gavin nicht meckern, aber die Mitschüler waren allesamt sehr eigen. Das fing schon bei Sally an. Sie war eine bunte Mischung aus Leseratte, Albert Einstein und den personifizierten 80er Jahren. Was sollte er davon halten? Aber Eines konnte Gavin ganz klar sagen. Sally war nett. Er kannte sie nicht einmal einen Tag, aber konnte sagen, dass sie sich verstehen würden. „Aber mit den Räumen kommst du klar, ja? Also findest du alles?“ Gavin nickte nur. War ja wirklich lieb von ihr, dass sie nachfragte. Offenbar bemerkte sie, dass das in einer Sackgasse enden würde, also wechselte sie kurzerhand das Thema und begann von ihrem Literaturkurs zu erzählen. Doch Gavin hatte dafür keinen Nerv, so Leid es ihm auch tat. Dane ging ihm nicht so wirklich aus dem Kopf. Er hätte ihn zu gern singen gehört… Das hieße er musste sich bis frühestens Freitag gedulden. Gavin seufzte. War nicht zu ändern. „Alles okay?“ Sally stierte ihn regelrecht an mit ihren Kulleraugen, bis er begriff. „Äh… Ja. Klar. Sorry, ich war in Gedanken.“ „Ja, das habe ich gemerkt. Ich habe dich gefragt, wie dein Musikkurs gerade gewesen ist.“ Oh. „Na, gut.“ Seit wann war er denn so kurz angebunden, verdammt? Aber Sally schien das nicht zu stören, sie fing herzhaft an zu lachen. Gavin schaute sie etwas verdutzt an. Wie durfte er diese Reaktion jetzt deuten? „Oh man, Gavin. Ich mag dich. Wenn du möchtest, stelle ich dich einigen meiner anderen Freunde vor.“ Sally zeigte wieder ihr liebliches Lächeln, was dieses Kindergesicht strahlen ließ. Doch Gavin war nicht so wirklich überzeugt von der Idee. Sicher, er musste Freunde finden und sich hier anpassen. Aber nachdem, was an der alten Schule passiert war… „Keine gute Idee?“ Sie zog einen Schmollmund der Extraklasse. Wer konnte dem widerstehen? Er fragte sich gerade, ob er zu lesen war wie ein offenes Buch oder aber ob Sally eine solche Menschenkenntnis hatte. „Na ja, ich weiß nicht so recht. Was Freundschaften angeht bin ich vorsichtiger geworden.“ Gavin war ehrlich. Zu lügen brachte nichts und er würde Sally damit nur verletzten. „Aber wieso denn? Wir kommen doch super miteinander zurecht…“ Vor diesem Wieso hatte er sich drücken wollen… „Weil die letzten Wochen an meiner alten Schule nicht unbedingt… schön waren. Ich hatte einem guten Freund etwas anvertraut, was innerhalb einiger Tage die ganze Stufe wusste – und das habe ich zu spüren bekommen.“ War er noch einmal darum herum gekommen. „Was denn?“ Oder auch nicht. Die Frage war blitzschnell gekommen. Wie konnte ein Mensch so wissbegierig sein? Gavin rang mit sich. Vielleicht sollte er es von vornherein klarstellen um etwaigen Problemen vorzubeugen. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Männer attraktiver finde als Frauen und dass i-“ „Du bist schwul?“ „Ja, danke, Sally, dass du es so auf den Punkt bringst.“ Gavin wusste nicht so recht, wohin mit seinem Blick, allerdings erledigte sich dieses Problem wie von selbst, als er Sallys warmes Lächeln sah. „Dann ist wohl Zeit für einen Neubeginn. Mit wirklichen Freunden.“ Sie hatte leicht Reden… Gavin war der festen Überzeugung gewesen, dass es seine wirklichen Freunde gewesen waren, sonst hätte er es ihnen nicht erzählt. „Aber Gavin? Tust du mir einen Gefallen?“ Sie hatte wieder diesen Kulleraugenblick aufgesetzt. Sally wusste ganz genau, was sie tun musste um ihren Willen zu bekommen. Ein leichtes Lächeln huschte über sein Gesicht. „Ja, mach ich. Worum geht es?“ „Du musst für mich singen!“ Sally war ja hellauf begeistert, das überraschte ihn. „Wenn es sonst nichts ist, natürlich.“ Aber es freute Gavin. Er hatte verdammtes Glück gehabt, dass Sally ihn angesprochen hatte… Vielleicht konnte er wirklich einen neuen Anfang starten. Gavin stand auf und räumte sein Geschirr und Besteck in die dafür vorgesehenen Ablagen. Die umliegenden Tische und der Schulhof leerten sich, die Pause neigte sich dem Ende zu. „Gute Idee. Wir haben gar nicht mehr so viel Zeit.“ Sally tat es ihm gleich und schaute auf ihre Uhr. „Wir müssen unbedingt unsere Handynummern austauschen, dann können wir uns jederzeit sprechen und treffen, einverstanden? Es klingelt gleich, was hast du jetzt?“ „Mathe und sicher, bin ich einverstanden.“ Sally nahm ihn so wie er war… Sie schien sich absolut keine Gedanken um seine sexuelle Orientierung zu machen. Wie erleichternd sich das anfühlte… „Ich habe Biologie. Ich freu mich wahnsinnig. Ich liebe Tiere!“ „Du weißt schon, dass Biologie nicht nur Tiere sind?“ „Gavin, zerstör mir nicht mein Weltbild!“ Er lächelte nur matt, erwiderte nichts darauf. Er kannte sie nicht lange, aber auf Sally zu verzichten, würde wohl einen sehr tristen Schulalltag bedeuten. „Wie war denn nun der Kurs? Mit ‚Gut’ gebe ich mich nicht zufrieden, Gavin.“ Anscheinend gehörte Sally zu den Personen, die sich nicht so leicht abwimmeln ließen. Das hieße, es blieb ihm keine andere Wahl. „Mr. Carlson ist echt cool. Wir sind ziemlich wenige und den ersten Macho haben wir auch. Dane hat-“ „Sagtest du Dane?“ Sally klang erstaunt. Gavin schaute sie irritiert an. Ihre Reaktion konnte er nicht genau einschätzen. Doch das störte ihn auch nicht weiter. Ihre Eigenart ihn immer wieder zu unterbrechen allerdings schon. „Ja, sagte ich. Wieso?“ „Der Dane, der kleben geblieben ist?“ Es brauchte nicht mehr viel um Gavin zur Weißglut zu treiben. Was war denn nun mit Dane? „Ja, scheint so.“ „Fernhalten. Der ist kein guter Umgang.“ Sally zog wieder ihren Schmollmund. Dieses Mal jedoch würde Gavin nicht sofort nachgeben. „Wieso? Ich wollte ihn auf seine Band ansprechen.“ Die Klingel war zu hören, aber erst wollte er dies hier geklärt haben. Also blieb er an Ort und Stelle stehen und schaute das Mädchen eindringlich an. Sie schien mit sich zu kämpfen. „Oh… Na ja, dann möchte ich dir nicht im Weg stehen. Es ist zwar bekannt, dass er sich selbst als Musiker sieht, aber… dass er wirklich singt hatte ich ihm nicht geglaubt.“ Sally war beinahe kleinlaut geworden. Gavin seufzte. „Egal, tut nichts zur Sache.“ Für ihn war das damit geklärt. Anscheinend hatte Sally nicht das beste Bild von Dane. Gavin setzte sich in Bewegung. Zu spät kommen wollte er auch nicht. „Doch wenn ich dir einen Rat geben dürfte…“ Sie ließ nicht locker, kam ihm hinterher gestürmt. Wohl oder übel musste sich Gavin seinem neuen Schicksal ergeben. „Macho trifft’s wirklich gut. Die Mädchen der ganzen Schule – na ja, das ist vielleicht ein wenig übertrieben – aber einige Mädchen fahren voll auf ihn ab! Und er lässt sie eine nach der anderen einfach so – zack! – abblitzen.“ „Na, und? Ist nicht mein Problem.“ Der Rat, der sich hinter ihrer Aussage verbarg, war eindeutig. Er sollte sich nicht mit Dane abgeben. „Außerdem soll der ziemliche Drogen- und Alkoholprobleme gehabt haben, aber was daran nur Gerüchte sind, kann ich dir nicht sagen.“ Na, wenigstens war sie ehrlich, was das betraf. Wenn sie es nicht genau wusste, waren es nur Gerüchte. Außerdem wollte sich Gavin nicht auf diese Schiene begeben. Er hatte doch nur vor erst einmal überhaupt nachzufragen. Allerdings interessierte ihn vielmehr, woher Sally ihre Behauptungen hatte. „Woher weißt du das alles?“ Sie blieb stehen, Gavin somit auch. Er würde eh gleich die Treppe nach oben nehmen müssen, also trennten sich ihre Wege hier. „Haha, woher ich das alles weiß? Na, ich hab ziemlich viele Freundinnen, die allesamt in ihn verschossen waren oder eben noch sind. Da bekommt man so etwas mit.“ Sally zuckte mit den Schultern, als wäre es das Normalste der Welt. Gavin war verunsichert… Er hatte in Dane etwas anderes gesehen – und würde ihn morgen definitiv ansprechen. . . . Dass Sally derartig reagiert hatte konnte er nicht einschätzen. Gavin konnte sich nicht erklären, warum es so absurd für sie schien. Es war doch nur eine Frage. Letzten Endes jedoch hatte sie es geschafft, ihn zum Zweifeln zu bringen. Sie hatten morgen in ihrer letzten Stunde den Gesangskurs. Danach würde er Dane ansprechen. Oder aber er würde die Chance nutzen, die sich ihm dort vorne bot. Dane und einer seiner Kumpels lehnten unten am Geländer der Treppe, die Gavin gerade hinunterging. Er konnte die Gelegenheit quasi am Schopf packen. „Dane? Hast du kurz Zeit?“ Der Blick, der ihm daraufhin begegnete, sagte mehr als tausend Worte. Dane hatte keinen blassen Schimmer wer er überhaupt war. „Für dich nicht.“ Das war ein Schlag ins Gesicht… aber Gavin würde sich nicht so schnell verscheuchen lassen. „Mr. Carlson hatte deine Band angesprochen und ich-“ „Ja, was du? Man, ich hab kein Bock da drauf. Sag was Sache ist und geh wieder.“ Gavin war durch diese aggressive Reaktion etwas aus dem Konzept gebracht. Dermaßen gestört hatte er nun auch wieder nicht… zumindest hatte es nicht danach ausgesehen. Sein Blick glitt kurzzeitig zu Danes dunkelhaarigem Freund. Dem schien die Situation ziemlich gleichgültig zu sein. Bevor er Dane jedoch noch weiter auf die Palme brachte, sollte Gavin vielleicht sein Anliegen vorbringen. „Ich hätte Interesse, würde mir das Ganze gerne einmal ansehen, wenn das nicht zu viel verlangt ist.“ Mit dem, was daraufhin geschah, hatte Gavin nicht gerechnet. Nachdem Dane ihn erst für ein paar Sekunden verdutzt angeschaut hatte, als konnte er nicht glauben, was er da gerade gehört hatte, fing er lauthals an zu lachen. Das war blamabel. Unterbewusst schaute Gavin sich um. Wenn das irgendjemand mitbekam, dass dein Dane ihn derartig auslachte… Er würde doch keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen. „Du willst in meiner Band singen? Dex, was meinst du dazu, hm?“ Dex schien sein Freund zu sein. Dieser zuckte allerdings nur mit den Schultern und signalisierte damit, dass er die Entscheidung Dane überließ. Das wurde immer peinlicher, vielleicht hatte Sally Recht gehabt… Danes Freund hätte doch Partei ergreifen können. Es war offensichtlich, dass das hier ungerecht war… Aber was dachte sich Gavin auch? Danes Freund. Wieso sollte er zu ihm halten? „Schon okay.“ Er winkte ab. Hatte ja keinen Zweck. Gavin wollte sich auf den Weg machen, doch Dane hielt ihn am Arm zurück. „Hör mal zu.“ Jetzt klang er ja regelrecht versöhnlich… „Es ist nicht böse gemeint, aber ich glaube kaum, dass du unser Niveau bist. Ich trau dir das nicht zu, auch wenn du echt niedlich bist.“ Für Gavin wurde das jetzt zu viel. Er ließ sich nicht öffentlich diffamieren, obwohl es keinen Anlass dazu gab – und niedlich war er auch nicht. Doch dafür verletzt, aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben. „Vergiss es. Ich hab nie gefragt.“ War nicht so gelaufen, wie er es sich gewünscht hatte. Wahrscheinlich war Fernhalten die richtige Alternative gewesen. Gavin ging den Flur entlang ohne sich noch ein weiteres Male umzudrehen. Er ärgerte sich über sich selbst und seine Naivität. . . . „Niedlich? Dane, du findest doch nicht etwa-“ „Das war nur so daher gesagt, Dexter.“ Wie blöd konnte sich sein Kumpel eigentlich anstellen? Der Kleine hatte genervt, nichts anderes. „Na, sicher bin ich mir da nicht…“ Dexter war immer leiser geworden, als würde er Angst haben seine Gedanken auszusprechen. Dane stöhnte genervt auf und verdrehte die Augen „Nur weil der mit mir im Kurs bei Carlson ist, heißt das noch lange nicht, dass er singen kann.“ Dex schien sich damit nicht sonderlich zufrieden zu geben. „Hast du ihn noch nicht gehört?“ „Frag nicht so dumm. Nein.“ Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass der Zwerg singen konnte… . . . „Dane, möchtest du beginnen?“ Es war Freitag und sie hatten ihre letzte Stunde. Gavins Vorhaben nach dem Gesangsunterricht mit Dane zu reden hatte sich ja erledigt. Bislang wollte Gavin es noch niemandem erzählen. Die Schmach so abgeblitzt zu sein war zu groß. Kein weiteres Wort war zwischen ihm und Dane gefallen. Der Blonde ignorierte ihn vollkommen, als wäre das gestern gar nicht geschehen. Gut, konnte für Gavin nur von Vorteil sein… „Ist mir gleich.“ Dane war aufgestanden und zu Mr. Carlson nach vorne getreten. Sie tauschten sich kurz aus, aber Gavin verstand nicht, was sie sprachen. Wahrscheinlich entschieden sie sich für einen Song. Am liebsten hätte er jetzt einfach die Ohren ausgeschaltet und die Augen geschlossen. Dane musste gut sein – konnte nur gut sein. Von irgendwo musste seine verdammte Arroganz schließlich herstammen. Doch als Dane sang, konnte Gavin sich genauso wenig wie der Rest des Kurses dem entziehen. Die Atmosphäre im Kurs veränderte sich schlagartig mit dem ersten Ton. Dane verstand sein Handwerk… Gavin sank das Herz in die Hose. Eigentlich hatte er noch tief in seinem Innersten die Hoffnung gehabt, dass sich das alles als falsch herausstellen würde, Dane gar nicht singen konnte und er noch eine Chance bekommen würde, aber dagegen kam er nie und nimmer an… Seine Mitschüler dachten anscheinend ähnlich. Auch als Mr. Carlson seine Klavierbegleitung unterbrach, wagte sich niemand ein Wort zu sagen. „Sehr gut, wie zuvor auch. Danke Ihnen, Dane.“ Dieser setzte sich mit einem siegessicheren Lächeln auf dem Gesicht wieder auf seinen Platz. „Das ist so in etwa das, was wir hier gemeinsam in diesem Jahr erreichen wollen. Dane hatte den Kurs ja bereits einmal belegt.“ Das hieß dann wohl so viel wie, dass Dane auch noch einen Sonderstatus bekam. Ganz toll. Gavins Selbstbewusstsein verblasste zusehends. „Gavin?“ Mr. Carlson schaute ihn an. Ihn. Er sollte singen. Jetzt. „Gerne.“ Nein, er konnte das nicht. Nicht nach Danes Leistung… Gavin stand auf. Sein Lehrer fragte ihn nach einem Song, aber Gavin war es gleich. Doch da entdeckte er auf dem Klavier ein ganz bestimmtes Notenblatt… Let it be. Trotz seiner eher bedürftigen Laune stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Er reichte das Blatt Mr. Carlson, der anerkennend nickte. Gavin versuchte die Umgebung zu vergessen, was ihn bald darauf auch gelang. „Augen auf!“ Was? Damit hatte er nicht gerechnet. Er war vollkommen überrumpelt. Das sagte wohl auch sein Gesichtsausdruck. Sein Lehrer hatte aufgehört zu spielen, suchte seinen Blick. Schon wieder so eine Situation in der er bloßgestellt wurde… Langsam war es genug. „Augen auf beim Singen, Gavin. Zumindest die meiste Zeit. Du singst für dich und für dein Publikum und du sollst Kontakt aufbauen, damit deine Emotionen Anklang finden. Also Augen auf und schau in die Gesichter deiner Mitschüler. Noch einmal.“ Irgendwie hatte Mr. Carlson Recht, wenn Gavin über das Gehörte nachdachte. Musik war Gefühl. Er atmete einmal tief durch. Wenn Gavin jetzt behaupten würde, dass er nicht nervös war, würde er lügen. Auf ein Neues. Die Gesichter seiner Mitschüler wirkten allerdings genauso regungslos und geschockt wie zuvor. Was sollte er daran nun erkennen? Allerdings meinte er in Danes Augen Überraschung zu sehen. Vielleicht bereute er sogar seine Entscheidung von gestern… ganz vielleicht. Ohne weitere Unterbrechungen ließ Mr. Carlson ihn diesen Song singen. Mit jedem Ton wurde Gavin sicherer. Das war seine Welt… „Also, ich bin… etwas sprachlos. Das war wundervoll. Eine engelsgleiche Stimme. Wundervoller Klang, Gavin. Wirklich schön, hier und da kann man an einigem arbeiten, aber deswegen bist du ja auch hier.“ Er glaubte sich verhört zu haben. Gavin wusste, dass er nicht unbedingt schlecht war, dass er singen konnte. Er war froh um diese Gabe, aber so hatte es noch nie jemand gesagt. „Danke.“ „Ich danke Ihnen für diese großartige Darbietung.“ Gavin war sich nicht sicher, ob Mr. Carlson nicht ein wenig übertrieb, aber aufbauen tat es dennoch. Als er sich wieder setzte begegnete er Danes Blick – der nunmehr keine Überraschung mehr zeigte, sondern puren Hass. . . . „Scheiße, man.“ Dexter hatte diese Stunde frei gehabt und wartete bereits auf ihn. Seine Laune war ihm im Gesicht abzulesen, da war Dane sich ziemlich sicher. Er wollte jetzt einfach nur nach Hause oder seinetwegen auch irgendetwas unternehmen, was ihn auf andere Gedanken brachte. „Was ist los, Dane?“ Die Frage war gut gemeint von Dexter. Nicht provozierend oder streitsüchtig. „Gavin ist los. Der kann singen.“ Auch wenn Dane es nicht zugeben wollte. Der Kleine hatte verdammtes Talent. Er war gesegnet mit einer Stimme, die ihresgleichen suchte. Dexter legte ihm den Arm um die Schultern. Sie kannten sich Jahre, aber sein Kumpel hatte sich nie merken können, dass er so eine Geste nicht wollte. Nicht von ihm. „Hab ich es dir nicht gleich gesagt?“ Dex klang nicht vorwurfsvoll. Ganz im Gegenteil. Aber das war Dane jetzt völlig egal. Er wollte zwar seine schlechte Laune nicht an seinem Freund auslassen, aber was nicht zu vermeiden war, war eben nicht zu vermeiden. „Nein, hast du nicht. Du hast nur dumme Kommentare abgeben.“ Er schob Dexters Arm beiseite. „Was mach ich denn jetzt?“ Der Dunkelhaarige ließ sich nicht beirren. „Nichts oder du gehst auf ihn zu und sagst, dass er es ja doch einmal versuchen könnte. Hätte ich gemacht.“ Er war aber nicht Dexter. Er tat so etwas nicht. „Nein, das kann ich nicht tun. Ich belass es so, wie es ist. Das ist das Beste.“ „Wie du meinst.“ Irgendwie regte es ihn auf, wenn sich Dexter ungefragt in seine Angelegenheiten mischte, aber genauso regte ihn diese Gleichgültigkeit auf… „Ich kann nicht nachgeben. Ich kann dem doch nicht hinterher krauchen.“ Warum versuchte er sich zu rechtfertigen? „Könntet du schon.“ „Werde ich aber nicht!“ „Das sind zwei verschiedene Dinge.“ „Man, Dex.“ Dane seufzte. Für ihn hatte sich die Sache nun erledigt. Er würde es so belassen. Gavin würde er getrost ignorieren, dann existierte er auch nicht. „Wenn es darum geht, dass du nicht mehr der Beste-“ „Wer hat gesagt, dass er besser ist als ich?“ „Sonst würdest du nicht so ein Theater veranstalten.“ Dane schwieg. Sein Freund kannte ihn zu gut. Jede Ausrede würde unnütz sein. Sie waren ein Stück weit gegangen, als Dane erkannte, dass er vielleicht nicht ganz so überheblich hätte reagieren sollen… „Ich ärgere mich.“ Gavin war gut. Aber wenn der Kleine nicht für ihn war, war er eben gegen ihn. Gavin war ein Konkurrent. Gavin nervte… dennoch war er einfach gut. could you be an angel? Kapitel 2: Decision ------------------- you shoot me down but I won't fall Zwei Wochen waren vergangen seit Gavin Dane angesprochen hatte. Zwei Wochen in denen sie kein weiteres Wort miteinander gewechselt hatten. Eine Zeit in der Gavin klar geworden war, wie verletzt er doch eigentlich war. Doch er hatte Sally, die ihn keine Sekunde daran denken ließ. Bis zu ihrem jetzigen Telefonat, denn da war das elendige Thema Dane wieder auf den Tisch gekommen. Mr. Carlson hatte gesagt, dass morgen in ihrer nächsten Unterrichtsstunde er auslosen lassen würde, wer mit wem welchen Song singen würde… Und Gavin war jetzt schon übel. Einerseits konnte er sich nichts Besseres vorstellen, gemeinsam mit Dane singen zu dürfen. Andererseits war ihm mehr als unwohl zumute, wenn er daran dachte, was er sich alles anhören lassen müsste, wie er sich behandeln lassen müsste und darauf hatte er keine Lust. Er war kein kleiner Junge, den Dane hin und her schicken konnte, den Dane piesacken konnte, ohne dass er dem irgendwann einmal Einhalt gebieten würde. „Sally, du weißt, dass unser Kurs nicht gerade groß ist und die Wahrscheinlichkeit, dass ich-“ „Dann hast du doch deinen Willen. Du würdest endlich mit Dane gemeinsam singen können und gut ist.“ Irgendwie klang seine Freundin ein wenig gereizt… Vielleicht sollte er es einfach gut sein lassen. Gavin seufzte. „Was das alles mit sich bringen würde… Aber schon okay, belassen wir es dabei und ich werde mich morgen einfach überraschen lassen, okay?“ „Nein, nicht okay, Gavin.“ Sallys Stimme hatte wieder eine sanftere Tonlage angenommen. „Also für mich ist das ganz klar, Gavin.“ Irgendetwas an diesen Worten ließen ihn stocken. Was war ihr klar? „Aha und was?“ „Na ja… Dane ist ja nicht gerade hässlich.“ Gavin wurde nicht schlau aus ihr. Versuchte sie jetzt der direkten Frage auszuweichen? Dass Dane mehr als attraktiv war, wusste er selbst ganz genau… „Ja, na und?“ „Viele fahren ja total auf dieses arrogante Macho-Gehabe ab.“ „Sally, sag mir endlich worauf du hinaus willst.“ „Du vielleicht auch.“ Oder vielleicht besser nicht… Gavin brauchte ein paar Sekunden um zu verstehen, was seine Freundin ihm da gerade versuchte klarzumachen. Irgendwie klang es so… offensichtlich, aber es war völliger Quatsch. „Willst du etwa behaupten, ich hätte mich in Dane verknallt?“ Insbesondere, wenn er es aussprach. „Genau.“ Und noch vielmehr, als Sally seine Vermutung bestätigte. „Das wüsste ich ja wohl besser.“ „Weißt du’s?“ In manchen Situationen hasste er ihre Unnachgiebigkeit, ihre Sturheit. Er schwieg. So unglaublich es auch klingen mochte, diese einfache Frage zu beantworten viel ihm sichtlich schwer. „Gavin? Ich mei-“ „Nein.“ Am anderen Ende der Leitung hörte er Sally scharf die Luft einziehen. „Ich weiß es auch nicht besser.“ Warum hatte er nicht einmal genauso stur sein können wie sie? Warum hatte er nun zugegeben, dass sie wohlmöglich Recht hatte? Oh, er könnte sich selbst ohrfeigen. „Aber in Dane verlieben wirst du dich nicht, okay?“ Das klang verdammt nach einer Warnung. Gavin musste etwas wehleidig lächeln. Der Nachdruck in Sallys Stimme war nicht zu überhören gewesen. Aber vielleicht konnte er sich auch getäuscht haben und es schwang eher Sorge mit. Gavin konnte es nicht mehr so genau zuordnen. Sein Gehirn versagte ihm den Dienst. Es war spät und er sollte vielleicht lieber schlafen gehen. Ein Glück für ihn, dass seine gute Freundin ihn nun nicht sehen konnte. „Nein.” Denn es war eiskalt gelogen… . . . „Es werden Sie sowohl klassische, als auch moderne Stücke erwarten. Seien Sie gespannt.“ Toll. Gavin sank das Herz in die Hose. Wenn er einen Song bekommen sollte mit dem er nichts anfangen konnte und dann auch noch einen Partner, der Zusammenarbeit unmöglich machte, war eine gute Note für ihn gelaufen. Am liebsten würde er sich jetzt unter dem Tisch verstecken, sodass er Mr. Carlsons forschendem Blick entgehen konnte. Nachdem er gestern Abend aufgelegt hatte, war es ihm nicht möglich gewesen einzuschlafen. Gavin hatte immer und immer wieder darüber nachgedacht, was Sally gesagt hatte… Dass er sich in Dane verguckt hatte, leugnete er auch gar nicht, aber verlieben…? Der Blonde behandelte ihn wie ein Stück Dreck, da konnte er sich doch nicht in diesen Mann verlieben… Doch ehe sich Gavin versah, wurde er sich bewusst, dass er wieder länger über Dane nachgedacht hatte, als gut für ihn war – und, dass das mit dem Verlieben trotz allen Ärgernissen gar nicht einmal so abwegig war. „So, einmal hineingreifen, Gavin.“ Mr. Carlson war zu ihm getreten. Er hielt einen kleinen Stoffbeutel. Darin würden sich wohl die Zettel mit ihren Namen befinden. „Wir losen erst das Stück aus.“ Oder eben so. Er atmete einmal tief durch. Es war ja erst der Song… Gavin steckte die Hand in den Beutel und zog einen der Zettelchen hervor. Nachdem er ihn auseinander gefaltet hatte, traute er seinen Augen nicht. Firework… „Wunderbar. Das kann ich mir so lebhaft vorstellen. Ein ganz wunderbarer Song, der so wunderbar zu Ihnen passt, Gavin.“ Firework… Wenn Mr. Carlson jetzt noch einmal ‚wunderbar’ sagte, würde er an die Decke gehen. „Nun gut, jetzt Ihr Partner.“ Sein Lehrer hielt ihm nun einen anderen Beutel hin. Gavin wurde schlecht. Gott, ihm schlotterten die Knie. Warum konnte er denn nicht alleine singen…? Das gleiche Spiel. Hand hinein, Zettel hinaus. Er traute sich nicht das Papier zu entfalten. „Nun machen Sie schon, Gavin.“ Auf das Drängen Mr. Carlsons hin, entfaltete er den kleinen Zettel und wäre am liebsten auf der Stelle im Erdboden versunken – oder vom Blitz erschlagen oder irgendwie anders hier verschwunden. Gavins Blick suchte Dane. Der verstand anscheinend sofort und wurde kreidebleich. „Ohne mich!“ Dane stand auf. „Bestimmt nicht mit dem Typen da! Ganz bestimmt nicht.“ „Dane, setzen Sie sich. Sie kennen nicht einmal den Song.“ Gavin fühlte sich diffamiert. Öffentlich bloßgestellt, ob dieser Reaktion… Es tat weh. Der Song war gut… lag ihm, soweit er sagen konnte. Dane als Partner… wäre schön gewesen… „Song?“, knurrte der Blonde nur. „Firework von Katy Perry.” Mr. Carlson schien die Anspannung zu spüren, wollte sie aus der Welt schaffen. Als Dane quasi die Kinnlade hinunterklappte, war für Gavin klar… das würde nichts werden. „Endlich. Mein Traumpaar, ich hatte gehofft, dass Sie zusammen singen würdet. Ihre Stimmen harmonieren sicherlich wunderbar miteinander.“ Na toll… . . . Obwohl er nicht gerade bester Stimmung war, hatte sich Gavin dazu entschlossen Dane auf dessen Verhalten anzusprechen. Doch es war ihm keine Möglichkeit geboten. Der Blonde hatte sofort nach dem Unterricht die Flucht ergriffen. Sie hatten Mittagspause und wie üblich verbrachte Gavin diese mit Sally. Er hatte ihr erzählt, was in seinem Kurs passiert war. Seine Freundin hatte versucht ihn aufzuheitern, allerdings erfolglos. Gavin hatte feststellen müssen, dass sie sich selbst widersprach. Auf der einen Seite versuchte sie ihn daran zu hindern, dass er sich den aufkommenden Gefühlen gegenüber Dane hingab… auf der anderen Seite versuchte Sally ihn davon zu überzeugen, dass dieses gemeinsame Projekt seine Chance sein könnte. Doch seine Chance worauf? Dane näher zu kommen? Niemals. Das war auf seine Träumereien beschränkt. Gavin hob hilflos die Schultern. Seine Motivation verflüchtigte sich zusehends. War klar gewesen, dass ihm irgendetwas in der Art hier passieren würde… Sally schlug mit einem Mal auf die Tischplatte, sodass Besteck und Geschirr klirrten. Erschrocken zuckte er zusammen und sah sich um, ob irgendjemand sie nun anstarrte, aber nein. Das Geräusch schien im allgemeinen Lärm untergegangen zu sein. Als Gavin sich dann wieder seiner Freundin zuwandte, blickte er in ein erzürntes Gesicht. „Man, ich versteh dich einfach nicht. Du stehst auf der Sonnenseite des Lebens und suchst dir selbst den auch noch so kleinsten Flecken Schatten. Gavin, wie kannst du nur? Du hast Freunde, du hast mich, die Lehrer lieben dich und du kriegst super Noten.“ Sally schaute enttäuscht aus. „Und dann machst du dir selbst so einen Kummer, der echt nicht sein muss.“ Er seufzte ergeben. Sie hatte ja Recht. Mit allem, was sie da sagte… „Bin vom richtigen Weg abgekommen, was…?“ Es war vielmehr ein Spaß, aber Sally nahm ihn anscheinend beim Wort. „Ja, bist du. Komm. Wir suchen Dane und dann klärst du das wegen dem Auftritt. Immerhin geht es um euer beiden Noten.“ Die Braunhaarige packte Gavin am Handgelenk, zog ihn vom Stuhl auf. Sie stürmte Richtung Ausgang, ließ alles stehen und liegen. Ihm selbst blieb keine andere Möglichkeit, als diese Prozedur über sich ergehen zu lassen. Wenn er ehrlich war, wollte Sally ja auch nur das Beste für ihn. . . . Gavin diskutierte gerade mit Sally, ob er es schon wieder wagen sollte und Dane aus heiterem Himmel ansprechen konnte. Sie war eindeutig dafür, er zeigte sich dagegen. Es gab noch nichts, was mehr belästigen konnte… Aber vielleicht nutze Gavin diesen Umstand auch nur, um sich seiner Angst zu ergeben und um eine unangenehme Situation herumzukommen, ja, sich zu drücken. Allem Anschein nach hatte er seinen buchstäblichen Tritt in den Hintern benötigt, den seine Freundin ihm so eben verpasst hatte. Maulend, um auszuweichen, war Gavin wenige Schritte nach vorne gestolpert. In die Richtung, in der Dane mit einigen Freunden stand und sich unterhielt. Spätestens jetzt durfte der Blonde ihn dann ja wohl bemerkt haben. War keine gute Idee von Sally gewesen, gar keine gute Idee, denn Danes Blick sprach Bände. Doch Gavin wollte sich nun auch nicht weiter unterkriegen lassen und ging zielstrebig auf die kleine Gruppe zu. Allerdings wurde es ihm schwieriger gemacht, als gedacht. Dane verabschiedete sich kurzerhand von seinen Freunden und ging los, die nahe liegende Treppe hinauf. Gavin zögerte nicht, schritt entschlossen hinterher. Er hatte zwar keine Lust auf irgendwelche Spielchen, aber was sein musste, musste eben sein, wenn es zum erwünschten Erfolg führen würde. „Dane, können wir reden?“ Die kurze Pause, die darauf folgte, ließ Gavin schon vermuten, dass Dane sich dazu entschlossen hatte ihn schlichtweg zu ignorieren. „Nein“, kam es ihm dann jedoch als Antwort entgegen. Langsam kam Gavin sich lächerlich vor. Sie hatten die Treppe mittlerweile hinter sich gelassen und Dane war keinen Schritt langsamer geworden und war stehen geblieben. „Dane, bitte. Es geht um unseren Auftritt.“ Das war die Notbremse gewesen – die auch tatsächlich funktioniert hatte. Der Blonde war abrupt stehen geblieben und hätte Gavin nicht ausreichend genug Abstand gehalten, wäre er direkt mit Dane zusammengestoßen. „Mach ihn alleine, verdammt! Mit dir werde ich bestimmt nicht singen.“ Man konnte die Wut in seinen Augen erkennen. Doch Gavin würde jetzt keinen Schritt zurück machen. „Wieso nicht? Was hab ich dir getan?“ Dane war an ihn herangetreten, hatte sich zu ihm gebeugt und seine Hand in den Hemdkragen gekrallt. Gegen Nähe hatte Gavin nichts einzuwenden, aber so… „Du bist geboren worden, du elendiger Dreckskerl.“ Das war schlimmer als ein Schlag mit der Keule. Er schwieg. Was sollte er auch sagen? Sich zu entschuldigen kam nicht in Frage. Gavin war eingeschüchtert, sagte immer noch nichts, auch nachdem Dane von ihm abgelassen hatte und wortlos gegangen war. Vielleicht sollte er doch wieder zurück in sein Schneckenhaus… . . . Gavin war gerade mit Sally auf dem Weg zum Unterricht, als er eine allzu bekannte Stimme hinter sich hörte, die nach ihm rief. Er drehte sich um und vor ihm stand tatsächlich sein Gesangslehrer. „Ich werde Sie nicht lange aufhalten, Gavin. Ich wollte mich nur erkundigen, ob Sie mit Dane auf einen Nenner gekommen sind, was Ihren Auftritt betrifft. Immerhin ist er kein leichter Partner.“ Ja, was sollte er denn darauf antworten? Sollte er lügen? Sollte er die bittere Wahrheit erzählen, dass Dane die Zusammenarbeit hingeschmissen hatte, ehe sie überhaupt begonnen hatte? So oder so war es eine miese Situation für Gavin… Außerdem hatte er gegenüber seiner Freundin kein Wort über diese unangenehme Unterhaltung mit Dane verloren. Als Sally sich erkundigt hatte, war seine einzige Antwort eine wegwerfende Handbewegung gewesen. Vielleicht auch aus dem Grund, da er zu diesem Zeitpunkt zu Worten noch nicht wieder fähig gewesen war. „Wir haben bislang noch keinen Termin an dem wir üben könnten.“ Das entsprach der Wahrheit und verschleierte die eigentlichen Gegebenheiten. Gavin schätzte Mr. Carlson so ein, dass er ihnen wohlmöglich entgegenkommen würde und die Projektphase ein wenig verlängern würde, aber darauf verlassen tat Gavin sich nicht. Sally stand schweigend neben ihm. Wenn sie sich nun noch einmischen würde, wäre er einem Nervenzusammenbruch nahe, so viel stand fest. „Verstehe, nutzen Sie die Zeit. Aber wenn er Probleme macht, kann ich versuchen mit ihm zu reden. Doch seien Sie sich sicher… die Konkurrenz schläft nicht.“ Mit einem Zwinkern verabschiedete sich sein Lehrer und ließ Gavin mit seiner Freundin zurück. Der Eindruck, dass Mr. Carlson mehr Freund als Lehrer war, festigte sich von Tag zu Tag. „Der ist lustig.“ Was eine Feststellung. „Ja, Sally. Klar.“ Gavin war die Antriebslosigkeit in Person. Erst war er der festen Überzeugung gewesen, dass es machbar sein würde und nun… stand er hier mit hängenen Schultern, weil Dane ihm Dinge gegen den Kopf gepfeffert hatte, die dem Fass den Boden ausschlugen. Das nannte man dann wohl Wechselbad der Gefühle. . . . Carlson hatte einen Knall. Das war Dane nun vollkommen klar geworden. Der Typ hatte ihn aus seinem Geschichtsunterricht geholt mit der Begründung, dass sie dringend miteinander reden mussten. Als hätte das nicht bis zur nächsten Stunde warten können! Seit Gavin an der Schule und in seinem Kurs war, lief doch alles drunter und drüber. Der Lehrer spielte verrückt, alles drehte sich um diesen Knirps und er- ja, was er? Am Anfang war es Dane so leicht gefallen gegen Gavin zu hetzen. Doch irgendwann und aus einem Grund, den er nicht benennen konnte, hatte er begonnen nach einer Erklärung für seinen Hass zu suchen. Jede, die er sich geben konnte, war absurder als die andere. Auch, dass Gavin für ihn Konkurrenz darstellen könnte, war vollkommen aus der Luft gegriffen gewesen. Sie waren zwei gänzlich unterschiedliche Musiker. Welten lagen zwischen ihnen. Da konnte auch Gavins Stimme nichts wettmachen. Hätte Mr. Carlsons ihn nicht bedrängt, ja, beinahe schon erpresst, hätte Dane niemals eingelenkt. Die feinen Härchen in seinem Nacken stellten sich augenblicklich bei dem Gedanken daran, was er gleich tun würde, auf. Er sträubte sich regelrecht dagegen. Noch konnte er einen Rückzieher machen, aber dann würde man ihm keine Ruhe lassen. Gavin stand alleine vor dem Schwarzen Brett und schaute es sich bereits eine Weile an. Gut, Angriff. Dane würde die Gelegenheit nutzen, dann musste er dem Knirpsen wenigstens nicht hinterher rennen. „Hey.“ Der Kleinere drehte sich um und schaute ihm direkt ins Gesicht. Ein Anflug von Unglauben war in dessen Augen zu lesen. Für Dane irgendwie verständlich. „Hallo Dane.“ Warum war diese atemberaubende Singstimme nun so tonlos? „Komm ja nicht auf die Idee, dass ich hier bin um mich bei dir zu entschuldigen.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust. Wer wusste schon, was in Gavins Kopf vor sich ging. Dane wurde nicht schlau aus ihm und das ging ihm ziemlich auf die Nerven. Genauso wie dieses merkwürdige Lächeln, das Gavin ihm nun zeigte, er aber nicht deuten konnte. „Nein, wie könnte ich denn auch darauf kommen?“ Den Sarkasmus konnte er sich allerdings sparen… „Ich wollte dich nur fragen, ob du heute Abend Zeit hast. Bei mir daheim würden Dex und ich proben und wenn du dann vorbeikommen würdest, würde ich zwei Dinge auf einen Streich erledigen… Wenn du verstehst.“ Entweder er würde annehmen oder ablehnen, aber dann hätte es sich für Dane erledigt. Er war Gavin und Mr. Carlson, der selbsternannte Schutzpatron des Kleineren, nun entgegengekommen und damit reichte es auch. Eine zweite Chance würde er Gavin nicht geben. Man konnte beinahe sehen, wie es in dem Kopf seines Gegenübers arbeitete. Dane wollte ihn gerade anweisen, gefälligst schneller zu denken, doch er kam nicht dazu. „Ich werde da sein. Wie viel Uhr?“ Irgendwie hatte er doch gehofft, Gavin würde ablehnen… „Um acht. Komm nicht zu spät, das mag ich nicht.“ „Alles klar. Danke dir, Dane.“ . . . Gavin hatte bis kurz vor acht Uhr nicht gewusst, wie er das hatte einschätzen sollen. Aber nun war es ihm egal. Er war hier, stand vor Danes Haustür und wartete, dass man ihm öffnete. War vielleicht keine gute Idee gewesen sofort zuzustimmen, aber er hatte das ungute Gefühl gehabt, dass es auf Ewigkeiten die einzige Chance sein würde. Er hörte Stimmen von innen, die näher kamen, bis die Tür geöffnet wurde. Dane stand vor ihm. Der Blonde wirkte hier in seiner vertrauten Umgebung viel entspannter… „Hey, komm rein.“ „Dane! Sturmfrei ist das Beste, was man haben kann und weißt du auch wie-“ Dexter war gerade mit einer Bierflasche in der Hand aus einem anderen Raum gekommen und hielt in der Bewegung inne, als er Gavin entdeckte. „Hey Gavin.“ „Hi Dexter.“ Ein Lächeln legte sich unweigerlich auf sein Gesicht. „Alles klar?“ „Muss ja.“ Ihm war nicht großartig danach zu reden. Es hatte ihn schon einiges an Überwindung gekostet, sich doch aufzuraffen um hierher zu kommen. Diese Aktion war ihm einfach zu suspekt gewesen – und war sie immer noch. Dexters Blick daraufhin war etwas irritiert, aber Gavin ließ sich nichts anmerken. „Gut, wenn du nun hier bist, würde ich vorschlagen, dass wir uns erst an die Probe für unseren Kurs machen. Wenn wir damit fertig sind, kannst du ja wieder gehen.“ Danke… „Einverstanden.“ Dane war entspannter, aber genau der gleiche gefühlskalte Typ wie in der Schule auch. Der Blonde führte sie durch einige Räume, bis sie letzten Endes an ihrem Ziel angekommen zu sein schienen. Dexter ließ sich samt Flasche sofort hinter sein Schlagzeug fallen. Beeindruckendes Teil, wie Gavin fand. Dex entging dieser Blick wohl nicht, er grinste ihn nur freudestrahlend an. „Ansehnlich das gute Stück, was?“ Gavin wollte gerade antworten, doch Dane kam ihm zuvor. „Können wir uns jetzt endlich mal konzentrieren?“ Das zum Thema entspannt… Er war wohl der Grund, warum Dane immer so eine schlechte Laune an den Tag legte… „Ich konzentrier mich die ganze Zeit, Dane.“ „Halt die Klappe, Dex.“ Mit seinen Freunden ging er anscheinend nicht viel besser um, als mit ihm. Gavin fragte sich in diesem Augenblick ernsthaft, wie Dexter das mitmachen konnte. Der Angesprochene zuckte nur mit den Schultern und wandte sich ab. Ihm schien das wohl zu nervenaufreibend zu werden. „Wir sollten zuerst schauen, wie wir die Lyrics aufteilen und wo deine Stärken liegen.“ Dane kramte nach irgendwelchen Zettel, die auf dem Klavier im Raum lagen. Doch Gavins Gedankengang war an etwas anderem hängen geblieben… Seine Stärken? Seit wann war der gute Dane denn so bemüht? Oder war es einfach wieder nur die Arroganz, dass er so oder so eine perfekte Leistung abliefern würde? Gavin sagte nichts dazu, nahm nur den Zettel entgegen, der ihm gereicht wurde. Dexter war in der Zwischenzeit mit seinem Bier beschäftigt. Dane und er gingen den Text durch. Es war ein kleines Wunder, dass sie diese erste Hürde ohne weitere Streitigkeiten bewältigen konnten. Der Blonde zeigte ihm sogar ein Lächeln, bei dem sich Gavin abwenden musste, sonst wäre er augenblicklich rot geworden. „Jungs, ihr habt mich ja nicht vergessen, oder?“ Dex klang belustigt, warum auch immer. „Mach deinen eigenen Kram, man.“ „Eine dritte Meinung wäre allerdings nicht verkehrt.“ Gavin bereute es in der Sekunde darauf, diesen Gedanken ausgesprochen zu haben. Er wusste auch ganz genau warum, denn die angenehme Stimmung war mit einem Schlag beendet. Da hatte er sich anscheinend zu weit vorgewagt, wie er an Danes Blick erkennen konnte. Wie sagte man so schön? Angriff war die beste Verteidigung. Ehe der Ältere irgendetwas erwidern konnte, setzte Gavin nach. „Mir ist egal, wie sehr du mich jetzt anmaulen willst, Dane. Ich mag dich, daran wird sich nichts ändern.“ Ein Schockmoment trat ein. Doch dann ließ Dane alles stehen und liegen, was er gerade in den Händen gehabt hatte und war schneller von Gavin weg, als dieser gucken konnte. „Alter, hör zu! Ich hab dir hiermit eine Chance gegeben, dich mal in bisschen bessere Kreise aufzuschwingen, als mit deiner kleinen, durchgedrehten Freundin, ja? Und du schmeißt das wegen so einem Scheiß und so einer dummen Bemerkung weg?! Ey, bist du noch ganz dicht im Kopf?!“ Warum schrie er ihn denn nun an? „Ich schmeiß gar nichts weg.“ Moment. Bessere Kreise? Was fiel Dane eigentlich ein? Er konnte ihn nach Lust und Laune beleidigen, aber nicht Sally. „Nur-“ „Nichts nur. Hau schon ab.“ Das ließ er sich nicht zweimal sagen. „Gut, wir sehen uns in der Schule – wenn es zu spät sein wird. Aber lass dir gesagt sein, dass ich es auch alleine durchziehen werde.“ Für ihn war das Maß der Dinge erreicht. Dieser Ausraster war vollkommen überzogen und unnütz gewesen. „Is’ mir scheißegal!“ Doch Gavin wusste ganz genau, dass es Dane alles andere als scheißegal war. . . . „Dane… warum hast du denn jetzt so übertrieben?“ Diese Ruhe, die Dexter zeigte, brachte ihn in Situationen wie diesen noch zusätzlich um den Verstand. „Hab ich nicht, du Bastard!“ „Ey, komm runter… Außerdem find ich seine Freundin eigentlich ganz süß…” „Hast du jetzt auch noch ‘nen Knall? Mein Gott, nur noch Idioten.” Er tigerte unruhig durch den Raum. Irgendwohin mit seiner überschüssigen Energie. Da kam ihm Dexter gerade gelegen, auch wenn es ziemlich unfair war. „Du bist hier der Idiot, Dane. Du ganz allein.” Dane schnaubte verächtlich. Was wusste Dexter schon… „Ich habe seit längerem dieses Gefühl… Keine Ahnung, woher es kommt. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich mit dir befreundet bin und irgendwie anders sensibilisiert bin. Aber der Junge steht echt auf dich und-“ „Und was?!“ Dexter war unruhig, das sah man ihm an. Anscheinend war er sich nicht genau sicher, wie er es sagen sollte… Dane kochte innerlich vor Wut. Ein falsches Wort und er würde explodieren… Gavin stand auf ihn? Natürlich und er würde sich morgen zum Kaiser von China krönen lassen. Das war lächerlich. Absurd. „Hey, ich bin immer noch der einzige, der es weiß, oder?“ Der Blonde knirschte mit den Zähnen. Ungeliebtes Thema… „Ja.“ Sein Kumpel spielte nervös mit seinen Sticks. Klimperte hier, wirbelte da. Das machte Dane nur noch aggressiver. „Und hör endlich auf wie verrückt herumzufuchteln!“ „Okay, okay… Schon okay.“ Dexter ließ die Sticks sinken. Allem Anschein nach zu urteilen, war ihm nicht unbedingt nach einem Streit zumute… „Warum fragst du?“ Er war ein wenig ruhiger geworden, war er doch eigentlich recht froh um die Anwesenheit seines Freundes. „Ich glaube, dass dich das, was du da mit dir herumschleppst, in letzter Zeit besonders bedrückt… richtig?“ „Wieso… sollte es?“ Worauf wollte er hinaus…? „Gott, Dane. Du bist genauso in Gavin verknallt, wie er in dich!“ Kurze Zeit war sein Gehirn einfach blank. War er das? Nein. Das war vollkommen absurd. Er konnte den Bengel nicht ausstehen. Egal, wo er ihn antraf, drängte er sich in den Vordergrund. Selbst wenn er nicht anwesend war, hieß es in seinem Kopf immer Gavin, Gavin, Gavin. Wie er Gavin wieder ausstechen konnte, wie er Gavin klarmachen konnte, dass- Gavin. „Du hast ’nen Knall, Dex.“ „Glaub ich zwar eher weniger, aber musst du ja besser wissen. Ich verzieh mich. Mit dir ist heute nichts mehr anzufangen.“ Dane biss die Zähne zusammen. Scheiße… . . . „Gavin! Warte eine Sekunde!“ Er war gerade über die Straße, als er den Ruf hörte und sich umdrehte. In der Dämmerung erkannte er Dexter, der direkt auf ihn zukam. „Dexter? Was machst du denn jetzt hier?“ „Wollte mit dir reden.“ Gavin seufzte. Bestimmt nicht im Auftrag von Dane, aber er konnte sich ja einmal anhören, was Dex zu sagen hatte. „Worüber? Wenn du das meinst, was da gerade abgelaufen ist… das ist doch schon alltäglich geworden.“ Er versuchte selbst die Situation ein wenig auszugleichen, es sich nicht allzu sehr zu Herzen zu nehmen. „Ja, genau.“ „Ich verstehe nicht ganz…“ „Tut mir Leid, dass Dane dich so angefahren hat. Aber… das macht er immer, wenn er durchtickt.“ Der Dunkelhaarige klang wirklich etwas mitgenommen. Durchticken war das richtige Wort. Völlig zusammenhangslos… Gavin lächelte matt. „Dachte ich mir. Halb so wild, Dexter. Du brauchst dich jedenfalls nicht für deinen Freund entschuldigen.“ „Darum geht es nicht, Gavin. Hör zu. Ich soll es eigentlich nicht herumerzählen, doch Dane ist nicht ganz so einfach…“ „Ach, sag bloß.“ Vielleicht sollte er diese Ironie einfach mal seinlassen… „Du hast gesagt, du magst ihn. Halt durch, ja? Irgendwann wird er es einsehen.“ Dexter drehte sich um und hob zum Abschied die Hand. „Gute Nacht.“ Was zur Hölle war das denn jetzt gewesen? Durchhalten? Toller Rat… „Nacht…“ Doch Dexter dürfte ihn schon längst nicht mehr hören können. Gavin war versucht gewesen, aufzugeben. Immerhin hatte es keinen Sinn. Dane würde ihm niemals die Beachtung schenken, die er wollte… Oder etwa doch? Nein. Er würde das elende Thema ein für alle Mal ruhen lassen… unter solchen Umständen überlegte er es sich doch zweimal, ob er sie überhaupt wollte. Irgendwie würde er darüber hinweg kommen. Er musste nur stark sein und alles, was mit Dane in dieser Beziehung zu tun hatte, ausblenden – sämtliche Gefühle ausblenden. I am titanium Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)