Voll erwischt von Papierkriegerin ================================================================================ Kapitel 15: ------------ Kapitel 15 Es war soweit. Nervös sah ich in den Spiegel und richtete schon das hundertste Mal meine Frisur. Kritisch beäugte ich mein Äußeres und befand mich für durchschnittlich akzeptabel. Es würde schon gut gehen. Konstantin war bei mir und ich brauchte nun wirklich keine Angst vor Menschen haben, die mich erst kennenlernen sollten. Ich tigerte in dem Bad immer noch auf und ab, als es klingelte. Sie waren da. Ich schluckte und drückte den Rücken durch. Mein Mantra – Ich schaff das schon...irgendwie – hallte wiederholt in meinem Kopf. „Hallo Mama, hallo Paps, seid ihr gut hergekommen?“ Philipps überschwängliche Stimmung schwappte auf der Treppe zu mir und ich musste mir ein Grinsen verkneifen, als ich sah, dass sein Vater ihm freundschaftlich auf den Rücken klopfte und er dabei ein wenig nach vorn strauchelte. Er warf ihm einen gespielt bösen Blick und quälte sich ein nicht ernst gemeintes „Aua.“ heraus. Konstantin hingegen klatschte fest mit seinem Vater ab, man konnte förmlich spüren, wie sehr sie sich achteten und das gab mir den Mut, mich zu ihnen zu gesellen. „Äh, hi.“ Vier Augenpaare wandten sich mir zu und ich kam mir vor, wie ein Eindringling. Konstantins Vater taxierte mich einmal von oben bis unten und ich versuchte mich nicht unter seinem scharfen Blick zu winden. Doch das warmherzige Lächeln seiner Mutter machte alles wieder wett. „Schön, sie kennenzulernen, Jona. Oh, ich darf doch Jona sagen, oder? Wir sind nicht so förmlich. Konstantin hat bereits so viel von Ihnen-dir erzählt, dass ich das Gefühl habe, dich schon ewig zu kennen.“ Ihre grauen Augen leuchteten und sie hatte genau die gleichen Grübchen. „Ach wie unhöflich von mir, ich heiße Lillian, aber Lilly ist vollkommen in Ordnung. Und der nicht ganz so gesprächige Herr hier ist, Thomas. Willkommen in der Familie.“ Völlig überrumpelt, fand ich mich in einer festen Umarmung wieder, bei der ich den angenehmen Duft nach einem teuren Parfum riechen konnte, der sie umgab. Für eine Frau war sie groß und selbst auf die kurze Distanz hätte ich ihr Alter schwer schätzen können, wüsste ich nicht, dass sie zwei erwachsene Söhne hatte. „Das ist sehr freundlich von ihnen. Ich freue mich auch sie kennenzulernen.“ Als ihr Gesicht sich wie eine Gewitterwolke verfinsterte, dachte ich schon ich hätte gleich im ersten Anlauf einen unverzeihlichen Fehler gemacht, aber sie schlug mir nur spielerisch auf die Schulter. „Lilly, schon vergessen? Bitte duz' uns. Ich fühle mich sonst so alt. “ Ach, darum ging es. Das sollte mir nicht so schwer fallen. „Lilly, Thomas. Es ist schön euch zu sehen. Konstantin hat mir auch schon ein bisschen von euch erzählt.“ Ich hörte es im Hintergrund leise prusten und warf Philipp einen mörderischen Blick zu. Er konnte nicht einmal ahnen, wie schwer mir das hier fiel. Konversation war noch nie mein Ding. Deshalb wollte ich ja auch Archäologe werden. „Na, war doch gar nicht so schwer.“ Auch mir wurde die Ehre zuteil, einen kameradschaftlichen Schlag auf den Rücken zu bekommen, bei dem mir fast die Luft wegblieb. Der ältere Herr hatte ganz schön Kraft. Nun konnte sich Philipp nicht mehr zurückhalten und lachte mich offen aus. „Nicht witzig.“, keuchte ich ihm entgegen und ich spürte wie Konstantin sich neben mich stellte. „Wollen wir nicht was essen? Kuchen steht im Wohnzimmer und der Kaffee kommt gleich. Mama, Papa geht doch schon mal vor.“ Die beiden gingen und unterhielten sich darüber, wie wohnlich das Haus trotz dem Tod der Großeltern war und wie viel schon repariert wurde. Ich wurde in eine feste Umarmung gezogen und spürte weiche Lippen auf meinen. „Das hast du gut gemacht. Ich hab dir doch gesagt, dass sie dich mögen werden.“ Er knabberte an meiner Unterlippe und ich hatte schon vergessen, warum ich solche Angst gehabt hatte, aber nur fast. „Der Tag ist noch nicht vorbei.“ Er knuffte mich und wir folgten den anderen. „Vorderasiatische Archäologie? Sie müssen wirklich klug sein.“ Ich wand mich. Komplimente machten mich immer verlegen und ich wusste selten etwas darauf zu erwidern. „Nicht wirklich.“ „Er hat vorher gearbeitet und war schon früh selbstständig und für sich verantwortlich. Ich finde das total cool. Vielleicht gehe ich auch erst arbeiten und fange mein Studium erst später an.“ Philipp zwinkerte mir verschwörerisch zu. „Als Clown wärst du bestimmt spitze. Ich hab gelesen, der Zirkus ist nächsten Monat in der Stadt, passend zu deinem Abschluss.“ Die fiese Spitze wurde von einem Lächeln begleitet und nahm ihr daher den Stachel. „Konstantin, also wirklich, deinen Bruder so zu necken. Kulturwissenschaften klingt so spannend. Ach, alle meine Jungs sind ja so intelligent. Ich bin stolz auf euch.“ Der Blick von Lilly schloss mich mit ein und ich sonnte mich ein wenig in ihrer Anerkennung. Ihr weicher Akzent machte sowas alles noch schöner, was sie sagte und ich hatte das Gefühl, dass ihr Stolz nicht nur damit zu tun hatte, dass sie ihre Mutter war, sondern wirklich ehrlich gemeint. „Verzeihung, aber darf ich dir eine persönliche Frage stellen?“, richtete ich mich an Lilly. Es würde mich nicht loslassen, wenn ich nicht fragte. „Klar, schieß los.“ „Du sprichst manchmal Wörter so anders aus. Ich tippe auf britisch?“ „Fast. Irisch. Du bist ja süß, ich dachte, nach der langen Zeit merkt das kaum noch jemand.“ „Oh, wenn es dir unangenehm ist, werde ich es nie wieder erwähnen.“ „Ach, Quatsch. Was möchtest du wissen? Ich rede gern über Irland.“ Sie lächelte mir aufmunternd zu und ich scheute mich nicht mehr sie auszufragen. Kurzerhand bestritten fast nur noch wir zwei das Tischgespräch, während die Torte immer weiter schrumpfte. Konstantin aß natürlich wieder kein Stück, er verzog nur das Gesicht, als er sah, wie Philipp sich ein Stück nach dem nächsten in den Rachen schob. Es grenzte an ein Wunder, dass er noch nicht an einem Zuckerschock gestorben war. „Philipp! Vielleicht möchte Jona auch noch was vom Kuchen?“ Die Empörung war angesichts der drei Stücken, die ich bereits gegessen hatte ein wenig übertrieben, aber ich freute mich über ihre Aufmerksamkeit. Es tat irgendwie gut, einmal positiv im Mittelpunkt zu stehen. „Danke, Lilly, aber ich bin wirklich satt. Philipp verhungert uns noch, wenn er das letzte Stück nicht essen darf. Sechs Stück waren wohl noch nicht genug..“ Unter dem Tisch traf mich ein fester Tritt gegen mein Schienbein und ich musste all meine nicht vorhandenen schauspielerischen Talente aufwenden, um nicht zusammenzuzucken und schmerzhaft das Gesicht zu verziehen. Der Nachmittag verging rasend schnell und ich wusste nicht, wann ich mich das letzte Mal so köstlich amüsiert hatte. Immer wenn das Gespräch zu erlahmen drohte, nahm einer der Brüder den Faden auf, doch das war fast gar nicht mehr nötig. Die Chemie stimmte einfach. Das lag zu nicht unwesentlichen Teilen an Lillys fröhlichem Charakter. Sie schien keinen Funken Boshaftigkeit zu besitzen und ich war neidisch auf das gute Verhältnis, dass ihre Kinder zu ihr hatte. Ich konnte einen wehmütigen Gedanken nicht unterdrücken. Wie anders wäre alles gewesen, wenn ich auch in so einer liebevollen Familie aufgewachsen wäre? Konstantin sah mich die ganze Zeit so verliebt an, dass ich mich fragte, wie ich das jemals auch nur hatte anzweifeln können. Es war so offensichtlich. Ich strahlte ihn ebenso an und wurde daraufhin sofort rot. Gefühle in der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen, fiel mir immer noch schwer, nachdem ich ihn so lange insgeheim angehimmelt hatte. Es war wunderschön und ich wünschte mir, dass diese Zeit niemals vergehen möge. „Wir müssen los. Wir wollen heute noch zu Freunden und da möchten wir nicht zu spät kommen. Ist leider etwas weiter weg, sonst würden wir noch nicht so früh aufbrechen.“ Sie zog uns alle in eine zerquetschende Umarmung und zumindest mir drückte sie die Luft ab. Konstantins Vater hielt sich diesmal zurück und wir verabschiedeten uns nur mit einem festen Handschlag. „Bis bald!“ Als die beiden zum Auto gingen, erfüllte mich ein bisschen Wehmut. Es war so schön gewesen und nun war es vorbei. Wir winkten synchron, aber der Schwung war raus. „Ich hab dir doch gesagt, dass sie dich mögen werden.“ „Darüber hat er sich Sorgen gemacht? Jona, also wirklich. Denk nicht immer das Schlimmste von dir, nur weil deine Mutter eine durchgeknallte Furie ist. Sorry, aber es ist doch die Wahrheit.“ Ich nickte. Ja, das war es. „Nein, nein, nein, Dom! Du kannst nicht herkommen! Wirklich nicht. Hör doch einmal auf uns!“ Genervt seufzte ich in das Telephon. „Jona...“ nein, nicht dieser Ton. Er wusste genau, wie er mich manipulieren konnte. „Nein, nein, nein. Lass Philipp in Ruhe. Reicht es nicht, dass er dich am Telephon vollgemotzt hat. Ist das nicht Beweis genug, dass er dir noch nicht verziehen hat. Warte doch einmal die Zeit ab, bitte.“ Meine Stimme klang flehend. Ich wollte ja, dass es zwischen den beiden wieder funktionierte, aber Dom hatte echt ein Talent dafür, alles zu zerstören. „Bitte?“ Aaargh, diese kleine Mistmade. Er sagte niemals bitte. „Na schön, komm her. Aber du besuchst nur mich. Wir quatschen und dann fährst du brav wieder nach Hause.Verstanden?“ „Natürlich.“, flötete es in mein Ohr und ich bereute bereits zugesagt zu haben. Er kam wie ein Wirbelwind. Stürmte in mein Zimmer und erschreckte mich zu Tode. Ich wollte gerade gemütlich mit Konstantin eine DVD ansehen und wir hatten es uns gemütlich gemacht. Zweisamkeit war hier wirklich ein Ding der Unmöglichkeit, obwohl das Haus so groß war. Vielleicht sollten wir uns das nächste Mal auf dem Dachboden verstecken? „Hallo, ihr zwei Turteltäubchen! Ich gesell mich mal zu euch und keine Sorge, ich werde euch nicht auf die Nerven gehen.“ Ich sah ihn misstrauisch an. „Du hast aber gute Laune.“ „Darf ich nicht?“ Er zog eine Schmolllippe und ich ließ es auf sich beruhen. So lange er mir nicht auf den Keks ging. Das funktionierte natürlich nur ungefähr fünf Minuten, da hörten wir es von unten brüllen. „Domenik!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)