Voll erwischt von Papierkriegerin ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Kapitel 8 „Ich werde mal nach oben gehen und nachsehen, ob alles dicht ist. Kannst du mir helfen?“ Gedankenverloren nickte ich, war eher geistesabwesend, als dass ich gehört hätte, dass er mich etwas gefragt hatte. Als er mich an der Schulter antippte, registrierte ich erst, dass er mich gemeint hatte. Gemeinsam gingen wir zu der beschädigten Treppe, die auf den Dachboden führte. Wind rüttelte an den alten Fensterläden und pfiff durch die Fensterritzen. Das alte Haus ächzte und ich fragte mich, ob es dem Sturm standhalten würde. Wir gingen vorsichtig nacheinander nach oben, das Loch in der einen Treppenstufe musste wirklich dringend repariert werden. Die Stufen knarrten verdächtig und mein Adrenalinpegel stieg ungewollt. Was, wenn unter uns das Holz nachgab? Es war niemand da, der Hilfe holen könnte. Ich machte mir wirklich zu viele Sorgen. Bisher war doch alles gut gegangen. „Ich hoffe, wir kommen überhaupt bis zur Dachluke.“ Er runzelte die Stirn und schaute süß unschlüssig drein. Das war eine Seite an ihm, die ich noch nie gesehen hatte. Sonst machte er immer den Eindruck, als wüsste er auf Alles eine Antwort und nichts könnte ihn aus der Ruhe bringen. Der Dachboden sah aus wie eine Rumpelkammer. Überall lagen Kleidungsstücke, die aus den letzten 100 Jahren der Modeentwicklung sein mussten. Alte Kisten, Kommoden, auf denen auch Sachen lagen, Krimskrams jeglicher Form, Porzellanfiguren, Puppen, ein Kinderwagen, Kerzenständer mit und ohne Wachskerzen, Geschirr, teils zersprungen, ausrangierte Möbelstücke und vieles mehr. In einer Ecke konnte ich ein Ungetüm eines geblümten Sessels entdecken, der mich deutlich an meine Oma erinnerte. Anscheinend hatten alle alten Menschen den gleichen gruseligen Blümchenmustergeschmack. Zwischen etlichen Möbeln spannten sich Spinnennetze, die im Sonnenlicht bestimmt gefunkelt hätten. Aber in dem diesigen Licht ließen sie den Dachboden nur verlassen aussehen. Die hintere rechte Ecke war mit weißen Tüchern verhüllt und ich hoffte, dass nicht noch mehr Zeug zum Vorschein kam. Wer sollte denn dieses Chaos jemals in den Griff bekommen? Vage erinnerte ich mich an mein Versprechen, dabei zu helfen und unterdrückte ein unwilliges Stöhnen. Worauf hatte ich mich da bloß eingelassen? Ich sah eine Waschmaschine und ein Trocknerungetüm. Wurde hier etwa Wäsche aufgehängt? Igitt. Aber ich glaubte nicht daran, dazu sahen die Teile zu unbenutzt aus. Über den ganzen Boden spannte sich eine Wäscheleine, an der vereinzelt Holzklammern hingen, die ich auch von meiner Großmutter kannte. Jeder Flohmarktfreak würde hier voll auf seine Kosten kommen. Es gab bestimmt den einen oder anderen Schatz unter den ganzen ausrangierten Gegenständen. Die Bilder, die ich sah, konnte ich nicht zuordnen. Ein paar Landschaftsbilder und Portraits von mir nichtssagenden Menschen. Ich war ganz froh, dass die Sonne nun doch nicht schien, denn die Staubschicht, die ich mit dem bloßen Auge erkennen konnte, ließ erahnen, dass hier vor Jahrzehnten das letzte Mal saubergemacht worden war. Noch dazu lagen überall Scherben von zerbrochenen Vasen, sodass ich aufpassen musste, wo ich hintrat. Ich folgte Konstantin, der in den hinteren Teil zu den weißen Tüchern ging. „Da haben wir viel Arbeit vor uns, wenn wir hier aufräumen wollen.“, seufzte ich und er nickte nur schweigsam. Dabei war er derjenige, dem das Ganze hier wahrscheinlich auch noch Spaß machen würde. Immerhin verband er mit den Sachen Erinnerungen und konnte vielleicht die ein oder andere Geschichte zu den Stücken erzählen. Ich stieg gerade konzentriert über etwas, das bestimmt mal ein Blumenkübel gewesen war, als ich ein Kratzen hörte. „Hast du das auch gehört?“ „Nein, was denn?“ Verständnislos wurde ich angesehen und ich zuckte mit den Schultern. „Ach so ein Kratzen. Vielleicht habe ich es mir auch nur eingebildet. Das Haus ist ja ziemlich alt, da hört man komische Geräusche.“ Ich lächelte ihn gezwungen an, aber meine Zweifel blieben. „Wir müssen hier lang.“ Er nickte mit dem Kopf in die Richtung. „Wie sollen wir denn da rauf kommen? Hast du eine Leiter hier?“, fragte ich und schielte zur Dachluke. „Klar, die muss hier irgendwo sein.“ In der rechten Ecke, versteckt hinter einem Spiegel, wurden wir dann fündig. Konstantin hakte die Leiter in die Luke ein und kletterte behände hinauf. Ich sollte solange die Leiter festhalten und stellte nebenbei fest, dass ich ihn prima im Spiegel beobachten konnte. Geschmeidig wie ein Panther, erklomm er gerade die letzten Stufen. „Scheint alles okay zu sein. Ins Zwischengeschoss ist kein Wasser eingedrungen. Willst du auch nochmal schauen? Nicht, dass ich was übersehen habe.“ Daraufhin kletterte ich hinauf und er stand unten und hielt fest. Ich dachte zuerst, dass es eine ziemlich wackelige Angelegenheit wäre, aber die Leiter war sicher eingehakt. Ich sah in die Dunkelheit und konnte absolut nichts erkennen. „Hast du eine Taschenlampe mitgebracht?“, rief ich nach unten. „Moment. Die müsste auch hier liegen. Da ist sie.“ Ich merkte, dass die Leiter leicht wackelte und glaubte, dass Konstantin mir entgegen kommen wollte, um mir die Lampe zu geben. Doch im nächsten Moment fühlte ich Wärme an meinem Rücken und wäre vor Schreck beinahe hintenüber gefallen. Konstantin stand direkt hinter mir und blickte leicht über meine Schulter. Durch seine Größe stand er circa zwei Sprossen unter mir, aber selbst das, war noch viel zu nahe. Nur Zentimeter voneinander getrennt und mein Herzschlag legte einen Marathon hin. Festgefroren fühlte ich seine Körperwärme und seinen Atem dicht an meinem Hals. Ich war kurz vor einem Herzinfarkt und total abgelenkt, dass ich kaum mitbekam, dass er die Taschenlampe eingeschaltet hatte und in das Zwischengeschoss leuchtete. Ich registrierte eher nebenbei, dass dort jede Menge Staubflusen und Spinnweben waren, teils bewohnt, teils verlassen. „Also, ich kann keine nasse Stelle erkennen. Eine Sorge weniger“ Mit Mühe unterdrückte ich ein Keuchen. Er war viel zu nahe. Als Konstantin etwas sagte, bescherte er mir gleich eine Gänsehaut. Mittlerweile stand er so nahe, dass er mir direkt ins Ohr hauchte. War seine Stimme schon immer so tief und rau gewesen? „Da…da..dann ist es ja gut. Dann kö…können wir ja wieder nach unten? Mir ist hier oben nicht ganz wohl.“ Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. „Hast du Höhenangst? Warum hast du denn nichts gesagt?“ Jetzt klang seine Stimme besorgt und ich hatte das Gefühl, dass er noch dichter an mich rutschte. „Ähm, ach die kleine Leiter.“ Geh endlich weg!, rief mein Verstand, der sich schon schwindlig im Kreis drehte. Nein, bleib hier!, hielt mein Körper dagegen. Die beiden veranstalteten anscheinend ein Tauziehen. Doch sie waren ebenbürtige Gegner. Auch wenn ich das Gefühl hatte, das mein Körper mit unfairen Mitteln spielte. Doch anstatt nach unten zu gehen, rückte er nun wirklich näher. „Ich glaube, ich hab dahinten doch etwas gesehen.“ Er presste sich nun fast mit seinem gesamtem Oberkörper gegen mich, sodass ich unter akutem Sauerstoffmangel litt. Um besser über meine Schulter sehen zu können, stand er so dicht, dass ich das Gefühl hatte, er müsste meinen bollernden Herzschlag hören und zuckte bei dem Gedanken zusammen. „Habe ich dir wehgetan?“ Ich schüttelte stumm den Kopf. Er war viel zu nahe! Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass er sich mit Absicht an mich presste. Meine beschleunigte Atmung hatte mich unter Garantie verraten. Ob er es wusste? Machte er sich über mich lustig? Machte er sich einen Spaß daraus, mich zu quälen? So schätzte ich ihn nicht ein. Es war bestimmt nicht böse gemeint, dass er sich mit seinem festen, warmen Oberkörper an mich drängte und langsam in Erklärungsnot brachte, warum mein Atem so flach war. Nur einmal der Versuchung nachgeben, sich an ihn zu lehnen. „Jona?“ „Hm?“ Geistesabwesend. „Ich glaube, dahinten lebt etwas.“ WAS! Erschrocken drehte ich mich halb zu ihm um und presste mich ungewollt noch näher an ihn. Mit großen Augen sah ich ihn an. „Bist…bist du dir sicher? Ich mag keine Ratten…oder Mäuse…oder andere Nagetiere.“ „Die tun dir doch nichts.“ „Aber Ratten mit diesen langen ekligen Schwänzen und dich anstarrenden Knopfaugen.“ „Ach, du spinnst doch kleiner Angsthase.“ Daraufhin zog er mich an sich. Es sollte wohl eine tröstende Geste sein, aber auf mich hatte sie natürlich eine ganz andere Wirkung. „Vielleicht…sollten…hm…wir jetzt wirklich wieder runter?“ Doch anstatt einer Antwort starrte er mich nur an. Warum sah er nur so aus, als ob er mich am liebsten küssen wollte? Wunschdenken. Dem du vor allem nicht nachgeben darfst, kommentierte mein Verstand. Denk daran, was passiert, wenn du es dir nur einbildest, dann fliegst du aus deinem hübschen neuen Heim raus und die Freundschaft ist auch dahin. Mein Körper stampfte nur bockig wie ein kleines Kind auf, gab meinem Verstand aber vorerst recht. „Hm. Irgendwie habe ich jetzt doch Lust bekommen, ein wenig Ordnung in das Chaos hier zu bringen. Dann können wir auch gleich sicher gehen, dass sich unten keine Nager eingenistet haben. Was hältst du davon?“ Ich weiß, das war ein dürftiges Ablenkungsmanöver, das aber anscheinend wirkte. „Okay, wenn es dich wirklich nicht stört, mit mir hier oben eingesperrt zu sein?“ Eher das Gegenteil, du solltest Angst haben, dass ich nicht irgendwann über dich herfalle. Arrrgh. Ich musste diesen Gedanken schnellstmöglich aus meinem Kopf verbannen. „So schnell werden wir das wohl nicht schaffen, wo fangen wir bloß an?“, fragte er mich, als wir wieder runtergeklettert waren und mein Herzschlag wieder einen normalen Rhythmus angenommen hatte. Wir entwarfen einen Schlachtplan, um der Sache Herr zu werden. Konstantin holte vorsorglich mehrere Müllsäcke, denn wir wollten ja gehörig ausmisten. „Mit dem ganzen Zeug könnte man glatt einen Flohmarkt veranstalten.“, überlegte ich laut. „Das ist gar nicht so eine schlechte Idee. Dann kann ich gleich mal gucken, ob ich eine alte Laterne finde. Die würde gut in den Garten passen, weil unser Außenlicht an der Terrasse nicht mehr funktioniert.“ Draußen krachten die Blitze und tauchten den Dachboden in gespenstisch dämmriges Licht. Die Glühbirne, die von der Decke hing, spendete auch nicht besonders viel Helligkeit und alles lag im Halbdunklen. „Wollen wir jeder an einer Ecke anfangen?“ Mein Versuch einen Sicherheitsabstand zwischen uns zu bringen, ging voll in die Hose. „Lieber nicht. Ich helfe dir dabei, du weißt bestimmt nicht, was weg kann und was bleiben soll.“ Er grinste mich wissend an. So viel zu meinem Plan. Ich fühlte mich durchschaut und trabte langsam zu ihm rüber. Als erstes beseitigten wir einen Großteil an Scherben, damit wir nicht versehentlich darauf traten. Die schnellen effizienten Bewegungen Konstantins mit dem Besen, ließen die Luft hier oben merklich ansteigen und heizten mir ordentlich ein. Ich fing an wahllos Sachen einzusammeln und zu sortieren und auf Stühle zu verteilen. Loch, brauchbar, roch mottig, Loch. Bei manchen Kleidungsstücken fragte ich mich, ob man so etwas früher wirklich getragen hatte. Oder ich war mir nicht so ganz sicher, was es darstellen sollte. Als drei der Stühle zusammenzubrechen drohten, stopfte ich die beschädigten Sachen in eine Tüte. Flicken half da sicher nicht mehr. Etliche davon waren leicht klamm gewesen und von Motten zerfressen. Ich hörte es klirren, als Konstantin seinen Sack auffüllte und eilte zu ihm, um ihm die Arbeit zu erleichtern. „Danke. Als nächstes sind die Figuren dran. Da steht ein Karton und dort ist genug Zeitungspapier. Das machen wir gemeinsam. Ich verstehe nicht, warum das nicht gleich verpackt worden ist.“ Mit Unmut sah er sich auf dem Boden um. In seinem Blick las ich, dass auch er sich fragte, ob wir jemals damit fertig werden würden. In so ziemlich jeder Kiste, jedem Karton, auf dem Fußboden, in wackeligen Regalen standen alle Sorten von Figuren, Püppchen und anderen Kleinkram. Somit setzten wir uns im Schneidersitz gegenüber und sortierten. Innerlich verdrehte ich die Augen. Wie konnten sich Menschen freiwillig so viele Staubfänger anschaffen? „Das ist doch ganz hübsch.“, sagte ich, als ich die Figur eines Vogels in der Hand hielt. Das war so ein Fabelwesen, ein Greif, glaubte ich zumindest. Konstantin nickte und deswegen landete der Greif in seinem Karton. Gleichzeitig griffen wir nach dem nächsten Stück und ich zuckte wieder zusammen. Stromschläge wurden durch meinen Körper gesandt und meine Finger kribbelte dort, wo ich seine berührt hatte. War es hier oben eigentlich nur mir zu heiß? Nervös zupfte ich an meinem Shirt, die ganze Zeit mit dem Gefühl, dass sich der Kragen wie eine Schlinge um meinen Hals zusammenzog. Ich wünschte, ich wäre so schlau wie Konstantin gewesen ein Hemd anzuziehen. Dann hätte ich jetzt die oberen Knöpfe öffnen können. Sein Hemd war auch nicht komplett geschlossen. Einen Streifen goldener Haut am Schlüsselbeinansatz war zu sehen und meine Körpertemperatur stieg gleich nochmal um zwei Grad. Mein Mund glich einer Wüste und vorsichtig wendete ich meine Augen ab, in dem Bemühen Konstantin auf keinen Fall merken zu lassen, wie aufgewühlt ich war. Und in welche Richtung meine Gedanken und Hände wandern wollten. Das feste Fleisch über seinem Brustkorb hob und senkte sich gleichmäßig, während er Stück für Stück in die dafür vorgesehenen Kartons steckte. Ich musste mich ablenken. Nur wie? Ich hielt eine hübsche Porzellanpuppe in der Hand, die mich ein wenig an Sammy erinnerte. Sie hatte es zurzeit wirklich nicht leicht. Der Krach mit Ben zerrte bestimmt mehr an ihren Nerven, als sie sich eingestehen wollte. Allein, dass ich es überhaupt bemerkte, zeigte den Ernst der Lage. „Konstantin?“ „Hm?“ Durchdringend sahen mich diese braunen Augen an. Es war, als würde er bis in den hintersten Winkel meiner Seele blicken können. Das wäre natürlich überhaupt nicht in meinem Sinne. „Du meintest doch den einen Abend, dass Ben Sammy anders ansehen würde. Meinst du, sie hätte Chancen bei ihm, wenn sie ihm gestehen würde, dass sie seit sechs Jahren in ihn verliebt ist?“ Das Leuchten in seinen Augen erlosch und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er von meiner Frage enttäuscht war, als ob er etwas anderes erwartet hätte. Er ließ sich so lange Zeit mit der Antwort, dass ich schon dachte, ich würde gar keine mehr bekommen. „Ehrlichkeit ist immer der beste Weg und in ihrem Fall glaube ich, dass Ben einfach nur noch nicht gemerkt hat, dass manchmal derjenige, von dem man es am wenigstens erwartet, der oder die Richtige sein kann. Er sieht sie als Freundin und es gehört viel Mut von ihrer Seite dazu, diese Freundschaft auf eine neue Ebene heben zu wollen. Sie kennen sich schon ziemlich lange, oder?“ Ich nickte. „Da ist es nur ganz natürlich, dass man Skrupel hat. Was ist, wenn es schief geht? Ist die Freundschaft dann auch nicht mehr zu retten? So lange er sich nicht ganz sicher ist, wird er vorerst keinen Schritt auf sie zugehen. Immerhin wollte sie ihn mit einer anderen verkuppeln. Da soll er plötzlich glauben, dass sie in ihn verliebt ist? Wir beide wissen, dass sie das gemacht hat, damit er glücklich ist und ihr wäre das genug gewesen. Aber Ben wird sich dessen nicht bewusst sein. Es sei denn, sie sagt es ihm direkt. Wenn man so etwas die ganze Zeit in sich hineinfrisst, kommt man kein Stück weiter. Aber warum sollte er den ersten Schritt tun? Sie müsste ihm nur ein klareres Zeichen geben und wahrscheinlich würde er sich ihr dann auch öffnen.“ Warum nur hatte ich das Gefühl, dass er nicht nur von Ben und Sammy sprach? In meinem Magen machte sich ein flaues Gefühl breit. Immerhin verheimlichte ich ihm auch etwas. Ob er es ahnte und mir Mut machen wollte? Vielleicht war es aber auch nur Zufall, dass es so klang, als ob er in unsere Freundschaft auch mehr hineininterpretieren würde. Aber, wenn ich mich täuschte, wäre es doch mehr als peinlich und ich wollte unbedingt hier bleiben. Außerdem hatte er ebenfalls nie den Anschein gemacht, dass er mehr für mich empfinden könnte, als nur Freundschaft. Wie war ich nur von Ben und Sammy auf Konstantin und mich gekommen? Während die erste Konstellation ja noch Zukunft hatte, war die zweite wohl utopisch. „Sammy wollte es ihm ja sagen. Ich muss wirklich mit ihr telefonieren oder noch besser, ich geh mal bei ihr vorbei.“ Damit schien unser Gesprächsthema schon wieder erschöpft zu sein und ich überlegte krampfhaft, was ich noch sagen oder fragen könnte. Aber mir wollte absolut nichts einfallen. „Das ist eine gute Idee. Ich hoffe, ich konnte dir ein wenig weiterhelfen. Immerhin sind sie ja gut mit dir befreundet. Auch wenn ich am Anfang wirklich geglaubt habe, dass du in Sam verschossen bist. Aber da habe ich mich glücklicherweise geirrt.“ Wie, was, wo? Glücklicherweise? Mein Herzschlag, der während des Gesprächs ruhiger geworden war, fing wieder an zu rasen. „Nei…nein, ich bin, war und werde nie in sie verliebt sein. Da bin ich mir sehr sicher.“ Ich versuchte meine Stimme fest klingen zu lassen. „Aber du hast mal erzählt, dass du in jemanden verliebt bist und dass es kompliziert ist. Willst du darüber reden? Du scheinst in letzter Zeit so nervös zu sein. Ich weiß, wir kennen uns noch nicht so lange und wenn du nicht mit mir darüber sprechen willst, ist das auch okay.“ Verdammte Scheiße! Wie kam ich aus der Sache jetzt wieder raus? Sollte ich so nah wie möglich an der Wahrheit bleiben? Oder das Thema völlig blocken? Aber andererseits klang er so, als ob es ihn wirklich interessierte. Was hatte er vorhin gesagt? Ehrlichkeit war das Wichtigste. „Also, ja es ist kompliziert. Weil…weil ich nicht weiß, wie ich mit den Gefühlen umgehen soll. Ich möchte eine … Freundschaft nicht gefährden und weiß ni..ni..nicht, ob das Gefühl, das ich empfinde, überhaupt erwidert werden würde.“ Was für ein Gestotter. „Aber wie kannst du dir da jemals sicher sein, wenn du nicht fragst?“ Ein kleines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Möglicherweise würde dich die Antwort ja überraschen.“ Mit diesen Worten schaute er mich schon wieder so intensiv an, dass ich fürchtete, er hätte jedes meiner Worte durchschaut. Aber ich war noch nicht so weit. „Es ist sowieso aussichtslos. Sie ist so unerreichbar wie der Mond für mich.“ Ich meinte zwar die Person, ließ den Satz aber absichtlich so stehen. Was ich nicht verstand, war Konstantins Reaktion. Anstatt mir beizustehen, mich aufzumuntern, so wie zuvor, verschloss sich sein Gesicht und wurde wieder eine starre, undurchdringliche Maske. Die restliche Zeit redeten wir nur über Belanglosigkeiten, bis mein Magen lautstark seinen Hunger hinaus brüllte. Ich ging in Gedanken immer wieder das Gesagte durch, als wir uns erneut auf den Weg nach unten machten. Nachdem die Säcke hinausgebracht und wir von dem ganzen Staub befreit waren, machten wir uns daran, das Abendessen vorzubereiten. Philipp hatte zwar nicht gesagt, ob er auch zum Essen kommen würde, aber wir stellten ihm vorsichtshalber ein Gedeck hin. Kaum hatte ich an ihn gedacht, als er auch schon die Tür aufschloss. „Hey. Ich bin wieder da. Oh. Ihr macht schon Abendbrot?“ Zum Glück verdeckte sein fröhliches Geplapper, dass sich etwas in der Stimmung zwischen Konstantin und mir geändert hatte. „Dom und ich waren in dem neuen Eisladen, der in der Innenstadt eröffnet hat und es schmeckt fantastisch! Ich soll euch übrigens schöne Grüße bestellen. Könnt ihr euch vorstellen, wie groß die Becher dort sind?“ Er machte eine Bewegung mit der Hand, die mich zum Lächeln brachte, er übertrieb bestimmt maßlos. „Und das für einen Bruchteil des Preises! Und es ist sooo lecker. Ich könnte glatt noch eine Portion essen.“ Ohne Punkt und Komma erzählte er uns von seinem Nachmittag mit Dom und ich wollte mich stillschweigend verkrümeln, als er mich plötzlich aufhielt. „Moment mal. Wir waren doch zum Zocken verabredet, wenn ich mich recht erinnere. Du entkommst mir nicht!“ Und somit wurde ich in das Wohnzimmer gezerrt, ohne auch nur den Hauch einer Chance, mich dagegen zu wehren. „Ich bin oben, wenn mich jemand sucht. Werde noch ein bisschen lesen.“ Damit hatte sich Konstantin ja geschickt aus dem Staub gemacht. „Und wir beide spielen jetzt eine Runde Secret of Mana. Das kennst du sicher, oder?“ Ich hatte keine Ahnung. „Ist ein Kultspiel für das SuperNintendo und man kann prima zu zweit spielen. Oder auch zu dritt, aber Konstantin ist ja immer so ein Spielverderber.“ Na toll. Aber ich durfte herhalten? Als ich mich ein wenig in das Spiel hineingefunden hatte, fing es wirklich an Spaß zu machen. Die 2D-Optik war zwar ungewohnt und erinnerte mich an meine Zelda-Zeiten auf dem Gameboy, aber sonst war es nicht schlecht. Mittendrin im Kampfgetümmel überraschte mich Philipp. „Wann willst du ihm eigentlich sagen, dass du ihn magst?“ Ruckartig drehte ich meinen Kopf zu ihm. „Was?“ „Wann du es ihm sagen willst? Ihr schleicht ja nun schon seit der ganzen Woche umeinander rum.“ „Von wem sprichst du bitteschön? Und ich schleiche überhaupt nicht.“ „Von wem ich spreche? Ist ja wohl klar wie Kloßbrühe. Konstantin. Und du brauchst es gar nicht abstreiten. Man, man, man. Ihr zwei. Keiner will mit der Sprache rausrücken. Wenn er nichts sagt, dann sag ich auch nichts.“ Mein Gesicht musste meine Ungläubigkeit widergespiegelt haben. „Jetzt erzähl mir bloß nicht, dass du nicht mitbekommen hast, wie er dich ansieht. Besonders dann, wenn du gerade woanders hinschaust.“ „Das bildest du dir ein.“ „Rede du dir das nur weiter ein. Ich weiß, was ich sehe. Wenn ihr mal richtig miteinander sprechen würdet, könnte alles so einfach sein.“ Scharf sah er mich an. Im Hintergrund hörte ich, wie mein Charakter starb, aber es war mir egal. Philipp wusste Bescheid? Hatte er seinem Bruder davon erzählt? War er deshalb so komisch zu mir gewesen? Ich konnte es einfach nicht glauben. Aber, wenn es wirklich der Wahrheit entsprach, wieso hatte ich dann nie etwas gemerkt? „Ich…ich…es…ist schon spät…ich sollte schlafen gehen. Gute Nacht.“ „Gute Nacht. Du weißt, dass du vor der Wahrheit davonrennst? Denk wenigstens darüber nach.“ Mit diesen Worten verschwand ich in mein Zimmer und schloss die Tür lauter als notwendig gewesen wäre. Kraftlos sank ich dagegen. Konstantin in mich verliebt? So, ein Wendepunkt in der Geschichte. Sorry, dass es diesmal so lange gedauert hat. Ich schreib morgen am nächsten Kapi weiter. Vielleicht schaffe ich es bis Sonntag, kann aber nichts versprechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)