Voll erwischt von Papierkriegerin ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Kapitel 6 Mit meinen Gedanken ganz woanders ging ich noch ins Bad. Aus dem Spiegel blickte mich mein müdes Gesicht an. War ich schon immer so blass? Musste an der Aufregung liegen, denn die Schatten unter meinen Augen waren vorher nicht da gewesen. Die Zahnbürste rotierte in meinem Mund und in meinem Kopf die Gedanken. Mit jeder Bewegung war meine innere Unruhe wieder stärker da. Wie sollte ich die Nacht lebend überstehen? Ohne mich völlig lächerlich zu machen? Was hatte ich eigentlich für ein Problem damit? War ja nicht das erste Mal, dass ich bei einem Kerl im Zimmer schlief. Zumindest bei Domenik und Ben war es bisher keine große Sache gewesen. Aber heute war es eben Konstantin. Ließ mich völlig kalt. In meinem Kopf ertönte lautes Hohngelächter. Super, jetzt glaubte ich selbst nicht mehr daran. Da konnte ich mir auch nichts schönreden. Es war so, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Auch wenn ich das nicht wollte - schon gar nicht in einen Mann - ließ sich nichts daran rütteln. Seufzend sprang ich noch kurz unter die Dusche. Als ich fertig war, stand ich gleich vor dem nächsten Problem. Was sollte ich anziehen? So wie sonst, nur in Shorts, war mir dann doch zu freizügig, also T-Shirt drüber gezogen. Barfuß ging ich zur Treppe und passte bei den Dielen auf, dass ich mir keinen Splitter eintrat. Meine Gedanken gingen wieder auf Wanderschaft. Mein Verstand spielte mir ein Szenario nach dem anderen vor: 1. Ich würde die Nacht ruhelos verbringen und es würde gar nichts passieren. Konstantin würde schlafen und ich kein Auge zumachen. 2. Was wäre, wenn es nur ein Bett gäbe? Ich glaubte nicht, dass ich der Versuchung widerstehen könnte, ihn zu berühren und spätestens dann würde ich wahrscheinlich hochkant rausfliegen. 3. Konstantin ergreift plötzlich die Initiative und ich wäre völlig willenlos. Die Anziehungskraft beruht auf Gegenseitigkeit und ich hätte keine Chance mehr, denn ich wäre rettungslos verloren. Ich verzog das Gesicht. Szenario Nummer Eins war definitiv das Wahrscheinlichste. Nicht, dass ich mir wünschen würde, dass die anderen beiden passierten. Aber das beruhigte mich nicht. Auf dem Weg nach oben hatte sich mein Atem beschleunigt und ich war wieder ein nervöses Bündel. Vor seiner Tür blieb ich stehen und zögerte, sollte ich anklopfen? Meine Füße starben bereits den Erfrierungstod und ich trat von einem Fuß auf den anderen. Kurz klopfte ich gegen das Holz, um zu signalisieren, dass ich jetzt hereinkommen würde. Ich öffnete sie langsam und hoffte, dass Konstantin nicht gerade dabei war, sich auszuziehen. Aber als ich eintrat, war das Zimmer nur schwach von einer Nachttischlampe beleuchtet und ich konnte so gut wie nichts sehen. Ich machte nur ein paar Schemen aus. Antike Möbel, wie sie überall im Haus standen, etliche Bilderrahmen waren darauf und diese würden vermutlich seine Familie zeigen. Eine Wand war von Bücherregalen bedeckt, in denen wirklich Unmengen Fantasybücher standen. Die Buchhandlungen verdienten anscheinend nicht schlecht wegen ihm. Links in der Ecke stand ein mittelgroßes Bett, auf dem Konstantin saß, natürlich mit einem Buch in der Hand. Mein Mund wurde auf der Stelle trocken, weil er oberkörperfrei war und meine Libido einen Freudenschrei ausstieß. Er war perfekt. Ich konnte meine Augen kaum von ihm wenden, sie waren wie festgeklebt. Schmale, aber von der Arbeit kräftige Schultern, etwas dunklere Haut, als ob er öfter draußen ohne Hemd arbeitete, kein Gramm Fett zu viel und lange Beine, die in einer Schlafhose steckten. Pass auf, dass du nicht sabberst, Jona!, verspottete ich mich in Gedanken. Steh nicht so blöd rum! Ich blickte mich um und sah, dass vor dem Bett, mit ein wenig Abstand, eine Matratze lag, auf die ich mich im Schneidersitz setzte. Meine Nervosität war mittlerweile auf dem Höhepunkt angelangt und ich überlegte krampfhaft, was ich sagen könnte. „Sch..schläfst..du noch gar nicht?“, stotterte ich. Na, noch bescheuerter ging es wohl nicht. Innerlich verdrehte ich die Augen. War doch offensichtlich, dass er wach war. „Nein, ich habe auf dich gewartet.“ Diese Stimme jagte mir einen Schauer über die Haut. „Oh, danke, hättest aber auch schon schlafen gehen können.“ Ich gab mir einen harten Tritt. Sag doch einfach nur danke, du Idiot! Jetzt hörte sich das so an, als ob es dir egal wäre. „Liest du immer noch „Der letzte Traumwanderer?“ Ich hatte mir den Titel doch tatsächlich gemerkt. Aber er schüttelte den Kopf. „Mh, nein, ich bin schon beim nächsten Teil. „Die Stadt der Seelen“ ist wirklich spannend. Hat dir deine Party eigentlich gefallen?“ Er steckte ein Lesezeichen in das Buch und schlug es zu. Der dicke Band landete auf dem Nachttisch und er schaute mich fragend an. Ich war fasziniert davon, wie sich mir sein Oberkörper näherte und musste mich arg beherrschen. Das Einzige, was mich verraten konnte, war meine etwas schnellere Atmung. Prima, ich hätte nicht gedacht, dass ich mich so gut im Griff haben würde. „Ja, klar! Bis auf den Unfall war es wirklich lustig. Auch wenn Dom und Philipp schon ein bisschen schräg sind.“ Wir lächelten uns verschwörerisch an. Konstantin nickte, sagte aber dazu nichts weiter. „Meinst du, dass Ben und Sammy sich aussprechen? Leider kann Benjamin ziemlich stur sein.“ Das würde ein hartes Stück Arbeit für meine Freundin werden, diese Nuss zu knacken. „Keine Ahnung.“, sagte er, begleitet von einem Schulterzucken. „Ich kenne sie ja kaum.“ „Stimmt. Ach, das wird schon werden. Jedenfalls bin ich immer noch davon überzeugt, dass Sammy die beste Wahl für ihn wäre. Sie ist lieb, hat ein sanftes Wesen und kann super zuhören. Sie ist vielleicht ein wenig voreilig, aber Fehler machen einen nur menschlicher.“ „Ich kann sie ganz gut leiden. Sie schien bisher wirklich nett zu sein. Ein bisschen ruhig.“ Sagte der, der sonst keine zwei Sätze am Stück herausbrachte. Aber das schien sich ja langsam zu bessern. Möglicherweise musste er erst ein wenig auftauen. „Und sie ist wirklich hübsch. Nicht nur von außen, sie hat diese innere Schönheit. Sie hat keinen Funken Bösartigkeit in sich. Und sie ist immer für ihre Freunde da. Auch wenn sie es manchmal übertreibt.“ Auf mein Gesicht schlich sich ein schiefes Grinsen. „Bist du in sie verliebt?“ Ungläubig schaute ich ihn an, meinte er das ernst? Wie kam er denn auf den Scheiß? „Nein! Nein! Ganz bestimmt nicht! Sie ist für mich wie eine Schwester. Nur Geschwisterliebe! Außerdem ist sie doch schon seit Ewigkeiten in Ben verliebt.“ Wie konnte er meine Aussagen nur so falsch verstehen? Ich hoffte, ich hatte ihm klar gemacht, dass er absolut daneben lag. Warum war mir das nur so wichtig? „Ach so, hätte ja sein können.“ Danach herrschte Stille zwischen uns. Ich überlegte fieberhaft, wie ich unser Gespräch fortführen könnte, denn ich wollte nicht, dass es schon vorbei war. Immerhin schien er sich auch mit mir unterhalten zu wollen. Als die Stille unangenehm wurde, beschloss ich, mich auf gefährliches Terrain zu begeben. „Warst du eigentlich schon mal verliebt?“ Mein Herzschlag nahm einen unsteten Rhythmus an. Ich hatte gefragt und eigentlich wollte ich es auch wissen. Nur, dass ich die Antwort fürchtete. „Ja, natürlich. Waren aber nur Strohfeuer, so richtig verliebt, das kann ich mir kaum vorstellen. Und du?“ Ich ließ die Luft, die ich angehalten hatte, lautlos ausströmen. Er war also schon mal verliebt gewesen und er schien sich nicht an dem Thema zu stören. Zum Glück hatte er nicht gefragt, warum ich das wissen wollte. Ich war irgendwie erleichtert, dass er gesagt hatte, dass er nie wirklich verliebt gewesen war, denn wie hätte ich mit so einer Erinnerung konkurrieren sollen? Doch wie sollte ich jetzt auf seine Gegenfrage antworten? Sollte ich ganz ehrlich sein, natürlich, ohne dass er mitbekam, dass er gemeint war? „Ich...ich bin momentan verliebt. So richtig mit Herzklopfen und allem, was dazu gehört.“, sagte ich leise. Ich glaubte, einen Schatten über sein Gesicht huschen zu sehen, aber das bildete ich mir bestimmt bloß ein. „Das ist schön. Erwidert sie deine Gefühle?“ Ich kaute auf meiner Unterlippe rum. Wir kannten uns kaum und da legte man nicht gleich sein ganzes Inneres offen. Egal wie sehr ich versucht war, mich ihm zu offenbaren, ich glaubte nicht, dass das eine gute Idee war. „Also, es ist...hm...kompliziert.“, wich ich aus und er lenkte sofort ein. „Oh, sorry, ich wollte nicht neugierig sein, das ist wohl Philipps schlechter Einfluss auf mich.“ Jetzt fühlte er sich wegen mir schuldig. Dabei hatte ich doch nur Panik, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben wollte, wenn ich ihm die Wahrheit sagte. Weil ich ein schlechtes Gewissen hatte, spielte ich mit meinem Handy herum, nur damit ich ihm nicht ins Gesicht sehen musste. Meine Mutter hatte noch zweimal versucht, mich zu erreichen und mein Gesicht verfinsterte sich wie eine Gewitterwolke. „Boah, die nervt.“, schimpfte ich vor mich hin, nicht daran denkend, dass Konstantin mich hören konnte. „Wer denn? Gibt’s Probleme?“ Er hatte sich auf dem Bett ausgestreckt und lag nun auf dem Bauch. Jetzt musste ich mich doch unter der Decke verstecken, denn sonst wäre es peinlich geworden. „Ach, nein. Ist nur meine Mutter. Sie will, dass ich zum Geburtstag meiner Schwester komme. Ich hab aber keine Lust. Außerdem wird sie mir nur wieder eine Predigt halten. Können wir das Thema lassen? Da werde ich nur wütend. Du hast ja schon mitbekommen, dass unser Verhältnis nicht gerade das Beste ist.“ Er nickte nur. Im Wohnzimmer schlug die alte Standuhr. „Wir sollten langsam mal schlafen. Zum Glück ist morgen Sonntag und wir können ausschlafen.“ Ich würde zwar kein Auge zumachen, aber deshalb musste ich ihn ja nicht um seinen Schlaf bringen. „Gute Nacht.“ „Gute Nacht.“ Und träume was Schönes. Ich wusste schon ganz genau, wovon ich träumen würde. Immerhin hatte ich ja jetzt neues Material. Angefangen mit seinem flachen Bauch. Das Licht ging aus und ich legte mich zurück auf den Rücken. Die Dunkelheit machte es noch schlimmer. Wie erwartet, wollte der Schlaf sich nicht einstellen. Stattdessen dachte ich darüber nach, ob ich ihm nicht doch mehr hätte verraten sollen. Aber ich wollte ja nicht mit einem Mann zusammen sein, egal, was mein blöder Körper und Verstand davon hielten. Ihr fragt euch bestimmt, warum ich so vehement dagegen war. Ganz einfach. Verliebt sein, war mir viel zu anstrengend. Ich wollte mein Leben genießen. Bisher hatten mir meine Eltern immer Vorschriften gemacht, solange ich von ihnen abhängig gewesen war. Danach hatte ich meine Freiheit ausgekostet und das wollte ich so schnell nicht wieder aufgeben. Denn in einer Beziehung müsste ich mich wieder anpassen und das wollte mir so gar nicht gefallen. Dass es ausgerechnet ein Mann war, in den ich mich verlieben musste, machte das Ganze auch nicht besser. Wenn man sich so in der Gesellschaft umschaute, dann hatten es gleichgeschlechtliche Pärchen immer noch schwer. Klar, ein bisschen toleranter war die Welt schon geworden, aber ich wollte die neugierigen Blicke nicht auf mir haben, die unweigerlich kommen würden. Mal ganz davon abgesehen, dass meine Eltern ausrasten würden, aber die waren mir egal. Das wäre für sie der endgültige Grund mit mir zu brechen und ich wäre wahrscheinlich nicht mal besonders traurig darüber. Ich hatte es aufgegeben, ihre Aufmerksamkeit und Liebe zu gewinnen. Denn dafür hätte ich meine Persönlichkeit umkrempeln müssen und das war es mir nicht wert. Ich drehte mich von einer Seite auf die nächste. Lieber an was Schönes denken. So wie diese langen Beine in den Shorts. Das war auf jeden Fall besser. Hielt mich zwar auch vom Schlafen ab, aber auch vom Grübeln. Konstantins Atem war immer ruhiger und gleichmäßiger geworden. Zögerlich richtete ich mich im Bett auf. Wenn ich das jetzt machte, dann war ich wirklich rettungslos in ihn verschossen. Aber ich konnte nicht widerstehen. Durch das Fenster fiel ein wenig Mondlicht, sodass ich keine Lampe einschalten musste, aber der Schalter war sowieso außerhalb meiner Reichweite. Ich setzte mich vollständig auf und schaute Konstantin beim Schlafen zu. Sein Gesicht hatte ein wenig von der Strenge verloren und sah jünger aus. Sonst hatte man immer das Gefühl, dass er viel zu erwachsen für sein Alter und kein Funken Kind übrig geblieben war. Ich streckte meine Hand aus, zog sie aber sofort wieder zurück. Er würde ganz bestimmt aufwachen und wie sollte ich das dann erklären? Was fand ich bloß an ihm? Okay, sein Aussehen machte mich an, soviel stand fest. Immerzu gingen meine Hände auf Wanderschaft und ich war froh, dass er keine Gedanken lesen konnte, denn die waren eindeutig nicht jugendfrei. Aber das war ja nicht das Einzige. Wenn man ihn ein bisschen besser kennenlernte, stellte sich schnell heraus, dass er seine Familie liebte und insgesamt ein sehr sanftmütiger Mensch war. Er lächelte nicht besonders viel, aber wenn, dann hatte ich Herzklopfen und Schweißausbrüche. Außerdem eine ziemlich fiese Ungezieferplage. Der Sturm in mir, war mit jedem Tag, den ich ihn kannte, stärker geworden und hatte sich in einen Orkan verwandelt. Nur, dass ich überhaupt nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Konnten diese elenden Gefühle nicht einfach wieder verschwinden? Warum musste es ausgerechnet mich erwischen? Und warum musste es Konstantin sein? Jeder andere Mann hatte mich bisher kalt gelassen. Nun ja, den einen oder anderen hatte ich schon bemerkt, aber nie hatte einer, diese alles verzehrende Wirkung auf mich gehabt. Wieder rollte ich mich auf die andere Seite und hing weiter meinen Gedanken nach. Es war bereits weit nach drei Uhr und die anderen schliefen bestimmt tief und fest. Ich fand einfach keine Ruhe, weil sich meine Gedanken die ganze Zeit nur im Kreis drehten. Sollte ich mich darauf einlassen? Nein, lieber nicht. Das konnte nicht gut gehen. Aber was, wenn doch?, flüsterte mein Herz. Was, wenn er deine Gefühle erwidern würde? Willst du nicht glücklich werden? Ich schüttelte den Kopf, obwohl ich niemandem, außer mir selbst antwortete. Das ging nicht! Was wenn er meine Gefühle nicht erwiderte? Es wäre unerträglich mit ihm zusammenzuleben. So waren wir wenigstens Freunde. Wieder setzte ich mich auf und starrte nun finster in sein schönes Gesicht. Konnte er denn nicht einen Makel haben? Jeder Mensch hatte doch einen. Es war jedoch zu dunkel, um genauere Merkmale zu erkennen. Ich rutschte noch ein Stück näher und betrachtete ihn intensiv. Nichts, keine Spur von einer Narbe oder einer anderen Unebenheit. Das Leben war doch wirklich grausam. Ich war bis zu einem Zentimeter an ihn herangerückt und konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn ich ihn jetzt küssen würde? Ob seine Lippen so weich waren, wie sie aussahen, oder eher fest? Die Wimpern waren für einen Mann ziemlich lang und lagen auf seiner Haut. So dunkel und schön. Mir war wirklich nicht mehr zu helfen. Einen Mann schön zu finden. Ich hoffte die ganze Zeit, dass er die Augen nicht aufschlug und feststellte, dass ich ihn anstarrte. Aber ein winzig kleiner Teil von mir hoffte, dass er es doch tat und meinem Verlangen nachgab. Es wäre sicherlich der Himmel auf Erden, ihn zu berühren und ihm nahe zu sein. Doch ich hatte immerhin noch einen Funken Verstand übrig. Nie im Leben würde er sich zu mir hingezogen fühlen. Was sollte er auch an mir finden? Ich war immerhin nicht blind und wusste, dass ich nicht der Knaller war, in den man sich Hals über Kopf unsterblich verliebte. Meine Selbstzweifel beschäftigten mich noch eine ganze Weile, bis ich irgendwann doch erschöpft einschlief, weil mein Körper sein Recht forderte. Erholsamer Schlaf sah jedoch anders aus. In meinen Träumen kamen weiche Lippen vor und sanfte, leicht schwielige Hände, die mich berührten. Welche die Konturen meines Gesichts nachzogen, die Nase und Augenbrauen entlang und kurz auf meinem Mund verweilten. Die sich sacht auf meine Brust legten und frech unter mein Shirt schoben, sodass ich mich wand. Dort streichelten sie mich, bis ich fast verging. Ich wollte mehr! So viel mehr und doch würde es nur ein Traum bleiben. Als sich Lippen auf meine pressten, wollte ich, dass dieser Traum niemals endete und ich in Glückseligkeit weiterschlafen könnte. Doch zu meiner Enttäuschung zogen sie sich wieder zurück und ich streckte die Arme nach einem Phantom aus, dass ich niemals bekommen würde. Am nächsten Morgen wachte ich orientierungslos und mit einem ernsten Problem in der Hose auf. Wo war ich? Ach ja, ich hatte bei Konstantin im Zimmer geschlafen. Konstantin! Suchend blickte ich mich in dem nun hellen Zimmer um, aber er war nicht da. Das Bett war schon gemacht und ich war erleichtert, dass er mich nicht in diesem peinlichen Zustand sah. Schlimm genug, dass ich heute Nacht so eine Aktion gestartet hatte. Da musste er nicht auch noch mitbekommen, dass ich mich nicht zusammenreißen konnte. Ich kam mir schon wie ein notgeiler alter Bock vor. Wenn er wüsste, wie scharf ich ihn fand, dann konnte ich mit meinem Leben abschließen. Hier draußen im Wald würde keiner meine Schreie hören. Das Fenster war geöffnet und die kühle Morgenluft strich über meinen nackten Oberkörper. Häh?! Wo war mein Shirt? Ich fand es zerknittert unter meinem Kopfkissen und zweifelte nun endgültig an meinem Verstand. Ich musste es wohl in der Nacht ausgezogen haben. Auch wenn ich das zuvor noch nie gemacht hatte, egal wie konkret meine Träume gewesen waren. Ich huschte schnell ins Bad, um mich meines Problems zu entledigen und mich frisch zu machen. Noch immer leicht zerzaust, ich konnte kämmen, was ich wollte, die Haare standen trotzdem ab, ging ich hinunter in die Küche. Dort wartete eine warme Kanne Kaffee auf mich und ich machte mich mit der dampfenden Tasse in der Hand, auf die Suche nach den anderen. Ein Blick auf die Uhr im Wohnzimmer zeigte mir, dass es gerade einmal acht Uhr war. Ich hatte also circa vier Stunden geschlafen. Na toll, diesen Rhythmus würde ich wohl nicht mehr loswerden. Ich fühlte mich, trotz des wenigen Schlafes, einigermaßen ausgeruht. Auf der Terrasse fand ich allerdings nur Konstantin. War ja klar, dass er Frühaufsteher war. Ich hatte irgendwie nichts anderes erwartet. Nun war ich es ja auch, unfreiwillig. „Guten Morgen. Danke für den Kaffee.“, grüßte ich und setzte mich auf den anderen Stuhl am Gartentisch. „Morgen. Kein Problem.“, grummelte er. Seine Stimme klang verschlafen und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er ein Morgenmuffel war. Sollte ich trotzdem ein bisschen Smalltalk machen? „Hast du gut geschlafen?“ „Mh.“ Okay, also kein Gespräch. Sollte er in Ruhe wach werden, ich würde die Sonne genießen und mich an meinem Kaffee erfreuen. Dom und die anderen schienen noch zu schlafen. Aber... „Sind Sammy und Ben schon weg?“ „Ja, sind sie. Um Acht macht der Arzt auf und sie müssten in circa einer Stunde wiederkommen.“, sagte er und gähnte. Er musste wirklich noch müde sein. Ich traute mich kaum, ihm noch eine Frage zu stellen. „Haben sie sich wieder vertragen?“ „Sah so aus. Zumindest sieht er sie nicht mehr an, als ob er ihr das Fell über die Ohren ziehen will.“ „Oh, gut.“ Erleichterung machte sich in mir breit. Vielleicht hatte unser kleines Komplott funktioniert? Ich döste ein, nachdem ich meine Tasse ausgetrunken hatte und wurde erst wieder von fröhlichen Stimmen geweckt. „Aufwachen, Jona! Wir haben Frühstück mitgebracht.“ Oh man, meine Augen mussten entzündet sein oder hielten die beiden wirklich Händchen? Das ging aber zügig. Die leichte Eifersucht, die in mir aufkam, unterdrückte ich schnell wieder. Das war doch das, was ich gewollt hatte. Alle waren glücklich. Außer mir. Was für ein deprimierender Gedanke. Ich spürte, wie sich ein schweres Gewicht auf mich setzte und war nun endgültig wach. „Geh runter! Hol dir gefälligst deinen eigenen Stuhl.“ Doch Dom streckte mir nur die Zunge raus und grinste mich frech an. „Aber es ist sooo bequem.“, flötete er in einer unmännlichen Frequenz, bei der sich mein Trommelfell schleunigst in Sicherheit brachte. „Was soll denn Philipp dazu sagen, wenn du so an mir klebst?“, versuchte ich es auf eine andere Tour. Doch da hatte ich die Rechnung ohne Philipp gemacht. „Ach, ihr seht doch so süß aus. Ich würde mich ja auch dazusetzen, aber ich hab Angst, dass der Stuhl dann zusammenbricht. Obwohl, was soll's.“ Er zuckte die Achseln und stürzte sich auch auf mich. „Gruppenkuscheln!“ „Hört ihr wohl auf! Ihr zerquetscht mich.“ Ich röchelte und warf einen hilfesuchenden Blick zu Konstantin, doch der schien sich köstlich zu amüsieren. Na warte! Auf mein Gesicht schlich sich ein fieses Grinsen. „Was ist mit Konstantin? Er will bestimmt auch geknuddelt werden. Ihr habt doch bestimmt noch Liebe für ihn übrig, nicht, dass er eifersüchtig wird.“ „Wenn jemand eine gebrochene Rippe haben möchte, kommt nur her.“ Dazu ein diabolisches Lächeln, das jedem auch Dom klarmachte, dass er es ernst meinte. Verdammt, körperliche Überlegenheit wurde eindeutig unterschätzt. Stattdessen durfte ich mich nun mit den zwei Kuscheltieren rumplagen. „Wie soll ich so atmen? Nehmt euch einen Stuhl! Bitte, habt doch Mitleid mit meinem armen Körper und dem armen Stuhl.“ Dieser ächzte gefährlich unter uns und ich wollte nicht schon wieder auf dem Boden vor ihm liegen. Einmal war mehr als genug. „Wie wäre es, wenn du deinen Platz räumst und dich zu Konstantin setzt?“, schlug Dom scheinheilig vor. Das würde ein Nachspiel haben. So eine dämliche Idee konnte ja nur von ihm kommen. „Nein, danke. Ich stehe nicht auf Schmerzen und meine Rippen sind mir lieb und teuer. Und jetzt runter mit euch!“ Damit schubste ich die beiden nicht eben sanft und sie landeten im Gras. Beide kugelten sich vor Lachen und ich fragte mich, ob ihnen denn nichts peinlich war. Natürlich nicht. „Bleiben wir hier sitzen?“, fragte Philipp. „Klar, ist doch gemütlich und das Gras ganz weich.“ Die beiden hatten definitiv ein Rad ab. Ein ganz großes. Der Rest des Frühstücks verging mit Albereien und die zwei Nervensägen hatten sichtlich Spaß dabei, dem anderen jeweils das Essen vor der Nase wegzuschnappen. Ich kaute hingegen lustlos an meinem Brötchen und schielte nur ab und an zu Konstantin, der sich eine Zeitung geholt hatte und uns ignorierte. Dafür, dass er gestern Abend so viel geredet hatte, war er heute wieder so ruhig wie am Anfang. Ab und zu hatte ich das Gefühl, dass er mir wütende Blicke zuwarf und allgemein sauer auf mich war. Hatte er was mitbekommen? Hatte Dom sich verplappert? Ach, bestimmt war er einfach nur ein Griesgram am Morgen und es hatte nichts mit mir zu tun. Eine Stunde später kamen auch eine humpelnde Sam und ein schweigsamer Ben zurück. Das sah mir aber noch nicht nach Alles-in-Ordnung aus. Ich warf Sammy einen fragenden Blick zu, aber sie schüttelte nur traurig den Kopf. Also hatte es nicht funktioniert. „Hey, wie geht’s dem Fuß? Hast du einen Gips, den wir bemalen können?“ Philipp schaffte es doch immer die Stimmung wieder aufzulockern, denn Sammy lächelte leicht, aber verneinte. „Nee, nur einen Verband. So, wie Konstantin gesagt hat, ist der Fuß nur verstaucht. Ich hab wohl verdammtes Glück gehabt. Hätte auch schlimmer ausgehen können.“ „Dann färben wir den Verband ein!“ Welche Hirnwindungen waren bei den beiden nur durchgebrannt? „Das lasst ihr schön bleiben. Am Ende färbt euer toller Verband dann noch ab und ich sehe aus wie ein Regenbogen!“ Zwei Gesichter sahen sie mit deutlicher Enttäuschung an. Wie die kleinen Kinder. Die waren bestimmt auch mit Eis bestechlich. „Wer hat Lust auf ein Eis, nachdem ja jetzt alles gut gegangen ist?“, ich konnte nicht widerstehen. „Ich!“, quietschte es von unten. „Ich! Ich! Ich!“, von daneben. „Ich.“, brummend von dem anderen Stuhl. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet. „Also wollen alle ein Eis?“ Zustimmendes Nicken. „Okay, dann geh ich welches holen. Hilft mir jemand beim Tragen?“ Konstantin erhob sich wortlos und wir gingen in die Küche. „Sind die beiden nun zusammen?“, fragte ich ihn, nur um die Stille zu überbrücken. „Scheint so.“ Da war ja wieder einer gesprächig. Ich ließ die Schultern hängen und schlurfte hinter ihm her. „Aber Ben und Sammy scheinen immer noch nicht weiter zu sein.“ „Er schaut sie anders an.“ Ach ja? War mir nicht aufgefallen. Sam schien zumindest noch sehr geknickt zu sein. Aber vielleicht hatte das auch einen anderen Grund. Wir gingen zu unseren Freunden zurück und die machten sich sofort über das Eis her. Der Sonntag plätscherte noch so vor sich hin. Ben und Sam schwiegen sich weiter an. Ich konnte keine Veränderung erkennen und war enttäuscht, dass unser Kuppelplan fehlgeschlagen war. Ich würde Sammy in der Woche nochmal anrufen und nachhaken, was da schief gelaufen war. Dafür klebten Domenik und Philipp aneinander und ich war teilweise schon ein bisschen peinlich berührt. Nehmt euch ein Zimmer! Konstantin redete mit niemandem viel und ich würde noch herausbekommen, warum er mich zwischenzeitlich immer wieder böse anstarrte. Ich hatte es mir nämlich doch nicht eingebildet. Aber ich wollte uns den ruhigen Tag nicht versauen und hielt deswegen den Mund, obwohl es in mir brodelte. Was hatte ich ihm nur getan? Hey Leute ^w^ ich weiß, ihr habt bestimmt mehr erwartet, aber dann wäre es ja zu schnell vorbei gewesen. Ein paar Kapitel kommen noch. Schließlich ist ja noch so einiges offen. Ich hoffe, ihr freut euch genauso wie ich auf das nächste Kapi, auch wenn es vom Thema ein wenig ernster wird. Mehr wird nicht verraten! Bis zum nächsten! LG Papierkriegerin Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)