Fiancailles von Asmodina ================================================================================ Kapitel 1: Ballnacht -------------------- Es war eine laue, aber doch angenehm warme Sommernacht. Gräuliche Schleierwolken verdeckten das Antlitz des Himmels und die Bäume wiegten sich leicht im Wind. In ihren Kronen tanzten vereinzelte weiße Blüten. Aus dem großen und an Pracht kaum zu übertreffenden Palast klang fröhliche Geigenmusik, welche den Auftakt des Balls ankündigte. Der Schlossherr, ein junger Mann namens Kamijo, betrachtete gelangweilt die Menschen um sich herum. Diese bewegten sich mehr oder weniger zielstrebig auf die Tanzfläche und fanden dort entsprechende Partner. Nicht wenige junge Frauen buhlten um seine Aufmerksamkeit, doch es war keine dabei, welche seinen Vorstellungen auch nur im Ansatz entsprach. Sie wirkten wie herausgeputzte Gefäße ohne Herz oder Verstand. Doch um niemanden zu enttäuschen lächelte Kamijo und rang sich dazu durch, mit der einen oder anderen zu tanzen. Sein schlanker Körper wiegte sich elegant im Takt der Musik, als wäre er selbst ein Teil davon. Die gelockten, hüftlangen, blonden Haare wirbelten wie ein Schleier um ihn herum und in den stechenden, blauen Augen reflektierte sich das großzügig verwendete Kerzenlicht. Obwohl er für diesen Abend relativ einfache Kleidung gewählt hatte (schwarze Hose, weißes Rüschenhemd und schwarzer Frack mit rotem Innenfutter und Schwalbenschwanz), stach der Edelmann durch seine ungewöhnliche Ausstrahlung hervor. Sie fesselte jeden, ob er wollte oder nicht. Kamijo ahnte, dass diese Tatsache unweigerlich den Neid der übrigen Besucher hervorrufen und ebenso für Gesprächsstoff sorgen würde. Aber es war ihm gleichgültig; die Wahrheit kannte, zu seinem Glück, sowieso niemand. Nach dem gefühlten hundertsten Tanz entschuldigte der Edelmann sich und ließ sich auf einem der zahlreichen Sofas nieder. Gedankenverloren nippte er an einem Glas Rotwein, um seinen Frust zu unterdrücken; schon wieder ein Abend, an dem seine Suche nicht von Erfolg gekrönt sein würde. Und dabei war Kamijo schon viel zu lange allein; er sehnte sich nach seiner Gefährtin für die Ewigkeit. Jene Braut, mit der er sein Leben teilen würde. Doch welche dieser Frauen wäre in der Lage, sein düsteres Geheimnis zu akzeptieren und ihn dennoch zu lieben? Wer würde verstehen, dass es viel mehr gab, als das Auge zu sehen vermochte? Wer besaß ein derart offenes Herz? Niemand von seinen Gästen. Kamijo seufzte; alles schien hoffnungslos. Plötzlich spürten seine feinen Sinne eine unbekannte menschliche Gegenwart. Wie vom Blitz getroffen schreckte er hoch; wer mochte das sein? Trotz der sommerlichen Wärme fröstelte das junge Mädchen. Ob aus Ehrfurcht oder Angst wusste sie nicht. Die imposante Erscheinung des Palastes konnte einen nur schwer unberührt lassen. Mit bloßen Füßen schlich Fée in den Ballsaal. Im Arm hielt sie einen Strauß Blumen, welche sie im Auftrag ihres Herren dort abgeben sollte. Verlegen strich sich das junge Mädchen eine Haarsträhne aus der Stirn. Sie schämte sich ob ihres vernachlässigten Äußeren. Auch das zerfetzte Kleid hatte schon bessere Tage gesehen. Kamijo blickte interessiert zu der Unbekannten. Sie gehörte sicherlich nicht zu den geladenen Gästen. Ihr Aussehen glich eher einer Dienerin. Aber was konnte sie hier wollen? Fée bemerkte seinen forschenden Blick im Nacken, machte einen unbeholfenen Knicks und legte die Blumen auf einen Tisch. Sie wollte auf dem Absatz kehrt machen. Doch irgendetwas hielt sie davon ab. Kamijo lächelte der Fremden kurz zu und obgleich er den Grund nicht wirklich benennen konnte, sprang er auf und hielt sie vom Gehen ab. „Was führt dich hierher?“, fragte er höflich nach und musterte sie freundlich, um zu zeigen, dass er keineswegs etwas Böses wollte. Fées Augen weiteten sich; nicht nur, weil ihr Gegenüber atemberaubend schön war, sondern auch wegen seines freundlichen Umgangs. So etwas war sie nicht gewöhnt: „Ich…ich sollte nur die Blumen ab…abgeben.“ Ihre Worte klangen wie zusammenhangloses Stottern. Untergeben senkte das junge Mädchen seinen Blick. Trotzdem gelang es Kamijo, ihr für einen kurzen Moment ins Gesicht zu schauen. In seinen Augen war es, obwohl teilweise mit Schutz bedeckt, wunderschön und besonders ihre grauen, leicht strahlenden Augen faszinierten ihn. „Vielen Dank dafür“, sein Lächeln blieb, „hast du es sehr eilig oder würdest du mit auf den Balkon gehen und mir ein wenig Gesellschaft leisten?“, fragte Kamijo schließlich. Ihm war danach, sich ein wenig zu unterhalten. Als Ablenkung von dem arroganten Gehabe. Das junge Mädchen wich reflexartig einen Schritt zurück; dieser wunderschöne Edelmann wollte sich mit ihr unterhalten? Sie war doch nur ein Dienstmädchen. „Wenn Ihr es wünscht“, entgegnete sie in üblicher Ergebenheit. Schließlich stand es ihr nicht zu, Widerworte zu geben. „Nur nicht so untergeben“, Kamijos Lächeln verschwand, „ich bin auch nur ein Mensch. Außerdem mag ich diese Unterwürfigkeit nicht. Ich möchte mich einfach nur ganz normal mit dir unterhalten können.“ Sanft bat er Fée, ihm auf den Balkon zu folgen. Dort stützte Kamijo seine Ellenbogen auf dem Geländer ab und blickte etwas verträumt zum Nachthimmel. Der lauwarme Wind spielte mit seinen Haaren. Schüchtern blickte Fée ihn an; seine Schönheit raubte ihr die Vernunft. Dieser Mann wirkte irgendwie, als wäre er nicht von dieser Welt. „Woher kommst du?“, fragte Kamijo und ihre Blicke trafen sich. Die leichte Röte auf ihren Wangen war nicht zu übersehen. Er schmunzelte innerlich; solche Zuneigungen waren nicht ungewöhnlich, in ihrem Fall jedoch eine besondere Ehre. „Ich lebe ganz am Rande der Stadt, in der hiesigen Kneipe. Dort arbeite ich für den Wirt. Er gab mir auch den Auftrag, die Blumen hierher zu bringen.“ Der Edelmann zuckte bei der Antwort sichtlich zusammen; er kannte den Wirt sehr gut und dieser war nicht gerade für den freundlichen Umgang mit seinen Arbeitskräften bekannt, sondern das Gegenteil. Abgesehen davon war dieses Mädchen, in Kamijos Augen, viel zu schade für eine Dienerin. Sie verdiente etwas sehr viel Besseres. „Wie heißt du?“, fragte er, um von dem unangenehmen Thema anzulenken. „Fée“, erwiderte sie. Die Antwort war kurz, doch sie brach das Eis. Zum ersten Mal wagte das junge Mädchen es, ihrem Gegenüber direkt in die Augen zu blicken. „Du hast doch sicher Träume und Wünsche. Ich glaube kaum, dass du dein Leben lang eine Dienerin sein möchtest. Was würdest du denn gerne machen?“ Mit dieser Frage hatte er unwissentlich einen Nerv getroffen. Fée zitterte am ganzen Leib; noch nie hatte sie jemand ernsthaft nach ihren Wünschen gefragt, nicht ohne einen sehr hohen Preis: „Ich…ich weiß es nicht!“ „Wirklich nicht?“, Kamijos Miene war anzusehen, dass er ihr nicht glaubte, „das ist schade. Ich hatte erwartet, dass die Liste lang sein würde“, seine unnatürlich scharfen Augen warfen einen Blick auf die Uhr, „ich hoffe, ich halte dich nicht zu sehr von deiner Arbeit ab. Nicht, dass du meinetwegen noch Schwierigkeiten bekommst!“ Leicht panisch schüttelte Fée den Kopf. „Nein…nein, ich habe es nicht eilig!“ Jede Minute, welche sie außerhalb der Kneipe und ihres gewalttätigen Arbeitsgebers verbringen konnte, schien dem Mädchen wie ein himmelsgleicher Segen. So konnte es nicht weitergehen und im Grunde ihres Herzens wusste sie das auch. Plötzlich, in einem Anflug von Mut, schaute Fée Kamijo an und Tränen glitzerten in ihren Augenwinkeln. Der Edelmann war bestürzt: „Habe ich etwas Falsches gesagt?“ Seine Stimme klang verunsichert und am liebsten hätte er sie mit einer Umarmung getröstet. Doch das hätte nur die neugierigen Blicke der anderen Gäste auf sie gelenkt und diese waren sich für kein Gerücht zu schade. „Ich…ich habe doch einen Wunsch“, mit jeder Silbe wurde ihre Stimme schriller. Doch Fée zwang sich, es auszusprechen, ehe sie die Stärke wieder verließ: „La…lasst mich bei Euch bleiben. Ich…ich will nicht zurück; es ist mir egal, was Ihr mit mir vorhabt!“ Erstaunt und sichtlich geschockt musterte Kamijo sie. Er hatte mit vielem gerechnet, doch nicht mit einer solchen Bitte. Der Edelmann überlegte eine Weile und nickte dann: „Also gut, ich werde versuchen, dich vorerst als mein persönliches Zimmermädchen einstellen zu dürfen. Doch dazu werde ich erstmal klären müssen, dass man dich auch gehen lässt. Aber keine Sorge; ich glaube nicht, dass das ein Problem sein wird“, meinte Kamijo zuversichtlich; mit Geld konnte man schließlich alles kaufen, gerade in der Menschenwelt. Vor Freude und Erleichterung fiel das junge Mädchen auf die Knie: „Danke, ich danke Euch!“ Behutsam nahm der Edelmann ihre Hand und half ihr auf. „Du brauchst nicht von mir zu knien“, sein Tonfall klang in Fées Ohren wie sanfte Musik, „ich werde wohl mal ernsthaft mit deinem Arbeitgeber sprechen müssen!“ Innerlich fluchte Kamijo, dass er es nicht schon längst getan hatte. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass ihm solche Dinge zu Ohren kamen. Und die Tränen, welche wie Sturzbäche über Fées Wangen liefen, waren Beweis genug. „Der Wirt…er…er hat mich…“, stotterte das junge Mädchen und machte Anstalten, ihre Bluse zu öffnen, um die Blessuren zu zeigen. Eine Handbewegung von Kamijo hielt sie zurück, dennoch stand der Schock in seinem Blick: „Wie kann er es wagen? Nur ein weiterer Grund, dich schnellmöglich von ihm zu befreien“, sanft strich er ihr die Tränen fort, „ich mache mich sofort auf den Weg. Warte hier…ich bin bald wieder zurück!“ Kamijo wies einen Diener an, auf der Stelle sein Pferd zu satteln und ihm einen Mantel zu bringen. Er wusste, dass es mehr als unhöflich war, einfach so den Ball zu verlassen. Aber ein Blick in Fées traurige Augen genügte, um alle Zweifel zu zerstreuen. Schnell zog der Edelmann den gebrachten Mantel über und schwang sich auf sein Pferd, um in halsbrecherischem Tempo in die Nacht hinaus zu reiten. Seine prächtigen Haare flogen im Wind, ebenso wie der schwere, königsblaue Samtmantel. Die Sterne spiegelten sich in den detaillierten Goldverzierungen wider und ließen Kamijos Silhouette funkeln wie einen Edelstein. Alle Hindernisse schienen ihm regelrecht auszuweichen. Der Edelmann lächelte; manchmal hatte es seine Vorteile, anders zu sein. Mit einer einzigen Handbewegung verbannte er einen Ast aus seinem Weg und die blauen Augen leuchteten wie schimmerndes Eis. Endlich hatte Kamijo sein Ziel erreicht; liebevoll strich er seinem Schimmel über die bebenden Nüstern. Danach betrat der Edelmann den verrauchten Schankraum und rümpfte die Nase; er verabscheute den Geruch von alten Holzdielen, außerdem Alkohol und Schweiß. Zumal wie auf Kommando alle Blicke auf ihm ruhten. In den unzähligen Augenpaaren erkannte Kamijo Erstaunen, Faszination, aber auch namenlose Furcht. Irgendwie schienen sie von dem Geheimnis zu wissen, ohne es wirklich zu kennen. Mit einem Räuspern gewann der Edelmann seine Beherrschung zurück und hielt nach dem Wirt Ausschau: Zögernd kam dieser hinter der Theke zum Vorschein. Er wusste, dass die Anwesenheit des geheimnisvollen Edelmannes nicht grundlos war und dementsprechend schlotterten seine Knie. Mit gespielt ruhiger Stimme, wobei seine Augen allerdings zornig funkelten, sprach Kamijo ihn auf Fée an. Natürlich versuchte der Wirt zunächst sich rauszureden und alles herunterzuspielen. Danach weigerte er sich vehement, das junge Mädchen herauszugeben, was Kamijo jedoch nicht im Geringsten beeindruckte. Mit einer ordentlichen Geldsumme und einer klaren Drohung von Schließung des Gasthauses, ließ der Wirt sich doch überreden. Mit strahlendem Gesicht machte der Edelmann sich auf den Rückweg. Er freute sich, dass das Mädchen nun in seinen Diensten stand. Ihre unschuldige Aura, gepaart mit Güte und überdurchschnittlichem Verständnis gefiel ihm. Vielleicht…vielleicht…Energisch schüttelte Kamijo den Kopf. Er weigerte sich, diesen Hoffnungsschimmer aufkeimen zu lassen; seine Suche war erfolglos und würde es immer bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)