Unumkehrbar von Alaiya (Story of Shen [KFP]) ================================================================================ Akt II, Szene III – Im Palast der heiligen Flammen – Erinnerungen ----------------------------------------------------------------- Der bunte Ball rollte die Stufen des Podestes herunter. Der junge Pfau, kaum aus seinem Kükengefieder heraus, sprang auf, um ihm hinterher zu laufen und ihn zurückzuholen. Als er das rote, in vielen Farben bestickte Spielzeug sicher wieder gegriffen hatte, sah er vorsichtig zu seinem Vater, wohl wissend, dass er im Thronsaal nicht laufen sollte, selbst wenn dieser von ihm, seinen Eltern und einigen ihrer Diener abgesehen leer war. Doch sein Vater, prächtig in seinem blauen Gefieder, sah seinen Sohn nur gutmütig an. So ging Shen, nun zurückhaltender, zum Thron zurück, zu dessen Füßen er den Ball erneut rollen ließ. Mehr als einmal rollte der Ball noch die Stufen hinunter, doch Shen bedachte sich nun, ihn vorsichtig zu holen, auch wenn er immer wieder fürchtete, dass der Ball bis zur großen Treppe, die in die unteren Etagen führte, rollen konnte. „Sag, mein Sohn“, begann sein Vater, während er das Spiel des Jungtieres beobachtete. „Was macht dein Training?“ Dies war nicht unbedingt eins der Themen, auf das der junge, weiße Pfau angesprochen werden wollte. Wie von einem jungen Adeligen zu erwarten, wurde er bereits seit einigen Monaten schon im Kung Fu unterrichtet, doch die Ergebnisse ließen sich bestenfalls als katastrophal betiteln. „Nun, es geht, Vater“, meinte er vorsichtig. Bevor sein Vater etwas sagen konnte, legte seine Mutter ihren Arm um ihn. „Es wird sich noch verbessern“, beruhigte sie sowohl ihren Sohn, als auch ihren Mann. „Du trainierst noch nicht all zu lang.“ „Das muss es“, sagte sein Vater. Doch als er den Blick seiner grün und braun gefiederten Gemahlin auf sich spürte, fügte er schnell hinzu: „Aber ja, ich bin mir sicher, dass du dich verbessern wirst.“ „Ich gebe mein bestes, Vater“, erwiderte der junge Shen und senkte seinen Kopf vor seinem mächtigen Vater. Er respektierte seine Eltern mehr als jemanden sonst. Natürlich. Sie waren die Herrscher von Gongmen City. Dank ihnen herrschte Frieden und mit ihrer Erfindung des wunderschönen Feuerwerks hatten sie Freude in die Stadt gebracht. Die Leute in der reichen Hafenstadt liebten die Pfauen, jubelten ihnen zu. Und auch er mochte die Feuerwerke, die seine Eltern regelmäßig veranstalteten. Er liebte die bunten Farben und Formen, die sie an den nächtlichen Himmel malen konnten. Jedes Mal meinte er neues in den farbigen Explosionen erkennen zu können. Angefangen von Blumen, über die Wellen des Meeres, hin – natürlich – zu herabfallenden Sternen. „Weißt du, Shen“, sprach sein Vater wieder. „Wenn du einmal auf diesem Thron sitzt, musst du stark sein. Du musst die Stadt verteidigen können.“ Der Junge sah von seinem Spiel auf. „Verteidigen?“ „Es gibt viele, außerhalb dieser Stadt, die diesen Thron für sich gewinnen wollen und deren Ziel nicht im Wohlergehen von anderen, sondern nur im Wohlergehen ihrer selbst liegt“, erwiderte sein Vater und erhob sich vom Thron. Shen sah weiter zu seinem Vater auf, wusste aber nichts zu erwidern. Natürlich hatte er von Banditen außerhalb der Stadt gehört, denn er verbrachte viel Zeit hier im Thronsaal bei seinem Vater. Aber sie waren ihm nie wie einer ernstzunehmende Gefahr vorgekommen. Immerhin waren sie nie hierher vorgedrungen, und wenn einige der Wölfe im Hafenviertel aufbegehrten, wurden sie sehr schnell zurecht gewiesen. „Oh, bei allen Götter, Dasheng, setzt den Kleinen doch nicht jetzt schon unter Druck“, meinte eine vertraute Stimme, als eine Fasanenhenne, die zuvor an einer Seite des Fensters verharrt war, auf den Thron zuging. „Meint Ihr nicht, dass der junge Lord noch viel Zeit hat, um von all dem Unheil da draußen zu erfahren?“ Der Pfauenherrscher wirkte irritiert, da ihm selten jemand, wenn nicht seine Frau, widersprach oder ihn gar zurecht wies. Dann jedoch lächelte er. „Natürlich.“ Doch Shen überlegte, seinen Ball zwischen den Flügeln haltend. „Gibt es wirklich so viele Banditen dort draußen?“ Man sah ihn schweigend an. „Nicht nur Banditen, mein Sohn“, erwiderte seine Mutter schließlich und ging zu ihm hinüber, um den Flügel um ihn zu legen und ihn anzusehen. „Es gibt dort draußen viele Tiere, die den Frieden und die Freude ihres Volkes nicht genug zu schätzen wissen. Es vielleicht sogar unterdrücken.“ Darüber dachte der junge Pfau nach. Er konnte nicht verstehen, wieso man sein eigenes Volk unterdrücken sollte. Kam nicht die eigentliche Stärke eines Herrschers aus seinem Volk? Das war es zumindest, was man ihm beigebracht hatte, seit er denken konnte. „Aber wieso hält sie dann niemand auf?“ Seine Mutter lächelte. „Weil die Welt sehr groß ist“, antwortete sie und umarmte ihn. „Aber belaste dich nicht zu sehr mit diesen Gedanken, mein lieber Shen. Zumindest nicht jetzt. Das alles ist weit weg.“ Shen nickte. „Ja, Mutter“, flüsterte er und wusste, dass er hier sicher war, egal was hinter den Mauern der Stadt oder auch hinter den Mauern des Flammenturms lauern mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)