Mikado von Hotepneith (Von Verwechslungen, Irrtümern und sonstigen Fehlern) ================================================================================ Kapitel 13: Neumond ------------------- Die zehn Menschenkrieger rannten befehlsgemäss nach ihrem dämonischen Anführer auf den unbekannten Jugendlichen in rotem Gewand zu, hinter den sich die Bauern und ihre Familien zurückgezogen hatten. Inu Yasha zog Tessaiga. Vielleicht erriet der eine oder andere der Angreifer in diesem Moment, dass es sich weder um einen harmlosen Jungen noch um ein gewöhnliches Schwert handelte, aber zur Umkehr war es schon zu spät: „Windnarbe!“ Die von oben her zuschauende Kagome hielt unwillkürlich den Atem an. Sie hatte an dem Ort, an dem Inu Yasha gegen Sesshoumaru gekämpft hatte, die tiefen Scharten im Boden gesehen und bereits vermutet, dass dies ein sehr mächtiger Angriff sein musste, aber diese Macht in Aktion zu sehen war schon etwas anderes. „Der kann ja echt was,“ flüsterte auch Shippou neben ihr. Der Halbdämon betrachtete die Leichen vor sich, ehe er Tessaiga zurückschob. Hu. Das war wirklich keine Attacke, der er sich selbst gern in den Weg gestellt hätte. Er drehte sich zu den Bauern um: „Geht zu Fürst Kisho und bittet ihn um eine Ansiedlungsgenehmigung. Vielleicht bekommt ihr sie. Oh, und die Grenze nach Shiroi ist dort oben, wo der Stein rechts steht.“ Die Menschen würden die unsichtbaren Magielinien der Provinzen nicht wahrnehmen können. Selbst er hatte da so seine Probleme. „Das heißt eines noch: warum wollte euch Fürst Naraku festnehmen lassen?“ „Ich...wir wissen nur, was uns der Anführer sagte: unsere Seelen sollten gefressen werden.“ „Keh! - Geht.“ Inu Yasha lief wieder den Berghang hinauf, ehe die Bauern weitere Worte, gar des Dankes, fanden. „Hast du gehört? Er will ihre Seelen verfüttern. Was brütet er da wieder aus?“ Kagome schüttelte den Kopf: „Ich weiß es nicht. Es kann jedoch nichts Gutes sein. Aber, um ehrlich zu sein, davon habe ich auch in der Priesterschule nie gehört.“ „Du hast auch von den Abkömmlingen nichts gehört. - Gehen wir jetzt zum Zauberwald. Naraku dürfte bald mitbekommen, dass diese Jagd ein Misserfolg war.“ „Und er wird wieder dem Ungeheuer die Schuld geben,“ meinte sie: „Du bist sicher bald der gesuchteste Mann im Reich.“ „Bin ich ja jetzt schon. Na, Hauptsache, den Menschen ist nichts passiert. Gehen wir.“ Als Sango und Miroku vier Tage später im Zauberwald eintrafen, wurden sie unverzüglich von einem Baumkämpfer empfangen, den sie nicht namentlich kannten. „Kommt,“ sagte er: „Inu Yasha und Kagome leben bei uns, an einem Ort, der wohl auch euren Bedürfnissen gerecht wird.“ „Sicher, danke.“ Sango glitt von Kirara. Die magische Katze verkleinerte sich sofort und sprang in ihren Arm. „Du hast Glück,“ sagte das Waldwesen: „Wem eine solche Katze folgt, der hat einen treuen Freund. - Kommt.“ Die beiden folgten dem Baumkämpfer durch den Wald. Allein hätten sie sich hier verlaufen. Es gab keinen Weg, keinen Pfad, was auch daran lag, dass die Kinder der Mutter des Waldes sich auf den Bäumen fortbewegten, ja, mit ihnen verschmelzen konnten. Erst zwei Stunden später erreichten die beiden Menschen und der Baumkämpfer ein Felsgewirr. Es wirkte, als habe ein Riese hier wahllos einen Korb mit Steinen ausgeschüttet. Shippou rannte ihnen entgegen: „Sango, Miroku, schön, dass ihr da seid!“ „Dann zeige du ihnen den Weg,“ meinte der Baumkämpfer und wandte sich, nach der höflichen Danksagung der Jäger, ab. Inmitten des Felsgewirrs befand sich eine kleine Lichtung, deren Boden ebenfalls aus Steinen bestand – und eine Grotte. Vier riesige Steine hatten sie gebildet. Kagome saß dort, sprang aber auf: „Sango! Miroku!“ Sie umarmte beide, froh, sie wieder zu sehen: „Da, setzen wir uns in die Grotte. Sie haben uns Strohmatten gegeben, die halten einigermaßen warm und weich. Feuer sollte man ja hier im Zauberwald nicht machen.“ „Lieber nicht,“ gab die Dämonenjägerin zu: „Aber wir haben etwas zu Essen mitgebracht. Wo ist denn Inu Yasha?“ „Der müsste bald kommen. Er geht jetzt jeden Tag zur Grenze und sucht Menschen oder andere Leute, denen er helfen kann. Ich fürchte, dass das zwar nett ist und auch Naraku ärgert, aber ihn als „Ungeheuer“ weiterhin in Verruf bringt.“ Aber natürlich hatte der Dickkopf nicht auf sie gehört. „Das weniger. Da hat er seinen Ruf schon ruiniert – unschuldig.“ Miroku setzte sich: „Aber erzählen wir, wenn er auch da ist. Komm, essen wir erst. Wir haben heute schon einen langen Tag hinter uns.“ Bei Sonnenuntergang tauchte der Halbdämon aus den Schatten zwischen den Felsen auf, nicht überrascht die beiden zu sehen, deren Witterung er bereits wahrgenommen hatte: „Wart ihr bei Fürst Kisho?“ „Ja. Magst du auch etwas essen? Wir haben noch eine Schüssel mit Nudeln als Wegzehrung.“ „Gern. Zwar kalt, aber lieber als immer Beeren.“ Er nahm zwischen Kagome und Sango Platz, nachdem er Tessaiga abgezogen und neben sich gelegt hatte. „Dann erzählt,“ bat die Priesterschülerin. Die Dämonenjägerin seufzte: „Nun, Fürst Kisho bedauert den Überfall und die Ermordung meiner Leute. Er gibt daran dem Ungeheuer aus Teien die Schuld und lässt es jagen. Fast alle seine Krieger suchen dich, Inu Yasha. Zum Glück ist die Beschreibung mehr als ungenau. Außerdem hat er den Shogun um Hilfe gebeten. Da die Dämonenjäger unter dem direkten Schutz des Mikado standen, sind nun auch Krieger des Inu no Taishou in Shiroi, oder auf dem Weg hierher. Sesshoumaru war bei ihm und sagte ihm, dass er das Ungeheuer selbst töten wolle, seither hat er nichts mehr von ihm gehört.“ „Vor sieben Tagen habe ich dem dummen Hund die Windnarbe um die Ohren gehauen....“ Der Halbdämon sah nachdenklich auf: „Also, wenn er noch lebt, sollte er sich erholt haben. Der ist doch sicher in der Lage sich zu regenerieren.“ „Was deine Lage wiederum nicht unbedingt verbessert,“ meinte Miroku: „Außer im Zauberwald kannst du dich in Shiroi kaum mehr sehen lassen.“ „Keh! Wenn mich Kishos Männer oder meinetwegen auch die des Mikados entdecken: wer soll wissen, dass dieser dämliche Naraku MICH mit dem Ungeheuer meint?“ „Mag sein,“ gab Sango zu: „Aber zumindest der Shogun wird dich wiedererkennen – und sicher noch immer Tessaiga wollen. Und er wird deine Beschreibung auch an seine Krieger weitergegeben haben.“ „Naraku wird sicher auch die Grenzen nach Teien abpatrouillieren lassen,“ erklärte der Mönch: „Schon, um seine Glaubwürdigkeit zu wahren, dass er seinen Sohn vermisst und das Ungeheuer sucht.“ „Apropos Naraku...“ Kagome sah in die Runde: „Auf unserem Weg hierher hat Inu Yasha einige menschliche Bauern vor Kriegern Narakus beschützt. Die sollten sie fangen, weil der ihre Seelen verfüttern wollte. Könnt ihr euch so etwas vorstellen?“ „Ja,“ sagten Miroku und Sango gleichzeitig, ehe der Mönch fortfuhr: „Da gibt es schon einige Möglichkeiten – und das ist eine recht widerliche Magie, in aller Regel. Aber...Moment mal. Inu Yasha, du hast Bauern beschützt, die auf der Flucht waren?“ „Ja. Und sag jetzt ja nicht, dass das falsch war. Die hatten auch Kinder dabei.“ Der Halbdämon stellte die Schüssel zurück. „Nein, falsch nicht.“ Sango atmete tief durch: „Gestern Nacht rasteten wir in einer kleinen Stadt. Da wir offiziell im Auftrag des Fürsten unterwegs sind, suchten wir uns Quartier beim Stadtvorsteher. Dabei bekamen wir mit, dass eine Gruppe Bauern ankam, die Audienz suchten und berichteten, dass sie aus Teien wären. Ein paar Krieger erzählten uns dann später, sie seien auf der Flucht vor Leuten gewesen, die sie fressen lassen wollten und ein junger Hundegott, ein Inu Gami, habe sie beschützt.“ „Ein Hundegott?!“ fragte Kagome mit lachbereitem Mund zurück: „Was sie dir alles anhängen.“ „Ein Gott?“ Shippou lachte wirklich los: „Inu Yasha und ein Gott?“ Der knurrte etwas: „Vom Ungeheuer zum Gott und zurück. Na klasse. Für was halten diese Idioten mich als nächstes? Den Sohn des Mikado? - Halbdämonen können doch nicht so selten sein!“ „Ich fürchte doch.“ Miroku lehnte sich an den Stein: „Es hieß in meiner Ausbildung immer, dass Mischlinge – wenn ich das so sagen darf – zwischen Dämonen und Menschen in aller Regel nicht überleben, weil der menschliche Körper die Dämonenenergie nicht aushält. Aber du besitzt ja keinen menschlichen Körper in dem Sinn. Vielleicht ist das auch nur Gerede.“ „Jedenfalls steht zu vermuten, dass sie wegen des Überfalls auf Narakus Krieger jetzt dich auch noch als Hundegott suchen.“ Sango seufzte etwas: „Immerhin einmal wegen etwas, das du getan hast.“ „Und das werde ich auch weiterhin tun,“ sagte Inu Yasha bestimmt: „Wenn dieser Naraku darauf besteht, Menschen oder ihre Seelen zu verfüttern.“ „Das ehrt dich. Aber dazu müsstest du nach Teien zurück. Und da wirst du als Ungeheuer gesucht. Gut, in Shiroi auch....“ Kagome nickte: „Eben. Ich sehe nur die Möglichkeit, dass Inu Yasha, also, wir alle, zum Mikado gehen und ihm alles berichten. Er ist der Einzige, der sowohl Naraku festnehmen lassen kann als auch Sesshoumaru daran hindern, Inu Yasha wegen Tessaiga umzubringen. Und Sango, du kannst doch bezeugen, dass nicht er dein Dorf getötet hat. Wir müssen nach Machi.“ „Machi liegt von hier aus zwei Wochen weg, wenn wir nach menschlicher Art reisen,“ gab Miroku zu bedenken: „Schön, wir können auf Kirara fliegen, da geht es schneller, aber da fallen wir auch mehr auf. Und jeder Dämon, jeder menschliche Krieger in Shiroi und den umliegenden Provinzen ist auf der Jagd nach Inu Yasha. Wir drei werden ja zum Glück von Naraku für tot gehalten – und nur in Teien gilt unsere Verurteilung. Die könnte der Kaiser dann auch aufheben.“ „Es hieß aber, der Mikado trete nicht mehr in der Öffentlichkeit auf und sei krank,“ meinte Sango: „Wer sagt uns, dass wir überhaupt eine Audienz bekommen? Und eine beim Shogun nützt nur uns, aber nicht Inu Yasha.“ „Du meinst, der Kerl will dann Tessaiga? Das kann er gern noch einmal versuchen.“ Der Halbdämon fasste unwillkürlich nach seinem Schwert. „Bloß nicht!“ warnte Kagome: „Du kannst dich nicht in der Hauptstadt mit dem Kronprinzen duellieren. Selbst, wenn du gewinnst, wirst du umgebracht! Da sind doch viele Krieger!“ „Viele ist untertrieben.“ Sango sah zu ihm: „Soweit ich weiß ist der Kern des kaiserlichen Heeres stets dort stationiert. Das sind alles Dämonenkrieger und dem Inu no Taishou treu ergeben. Die stehen kaum mit verschränkten Armen daneben, wenn du seinen Sohn tötest.“ „Keh!“ Aber Inu Yasha sah zu Boden: „Mach doch mal dein Fuchsfeuer an, Shippou, es wird dunkel,“ meinte er dann, um abzulenken. Das durften sie selbst hier. Auf Kagomes Nachfrage hatte eine Laubzauberin als kaltes Feuer bezeichnet und erlaubt. „Dann gehen wir morgen früh in Richtung Machi?“ fragte die junge Priesterschülerin niemand Bestimmten. „Ja. Wir drei, äh, vier, entschuldige, Shippou, reiten auf Kirara,“ sagte Sango: „Und Inu Yasha ist auch so schnell. Wobei, es wäre wohl günstiger, erst nachts aufzubrechen. Die Chance, entdeckt zu werden, ist da doch geringer.“ „Ja, natürlich. Was ist, Inu Yasha?“ Denn der knurrte etwas unglücklich vor sich hin, blickte aber auf: „Nichts...“ „Du kannst dir mit Sesshoumaru nicht noch einmal ein Duell liefern. Er ist der Shogun und du das Ungeheuer von Teien, verdächtig des Mordes an den Dämonenjägern, am Erben von Teien und anderen.“ Kagome schüttelte den Kopf: „Aber der Mikado wird dir sicher helfen, bestimmt. Es heißt immer, dass er gerecht sei.“ „Du hattest auch von Naraku eine gute Meinung,“ gab er zurück. „Da hatte er mir auch nichts getan,“ verteidigte sie sich prompt: „Und von seinen magischen Tücken wusste ich nichts.“ Seit dem Zwischenfall mit den Bauern und der geplanten Seelenverschlingung war der Fürst von Teien bei ihr vollkommen unten durch. Dafür gab es keine Entschuldigung mehr, wobei nicht einmal ihr eine für die Auslieferung seines Sohnes eingefallen war. So brachen die Fünf zu Beginn der übernächsten Nacht auf. Sie hatten möglichst viel am Tag geschlafen und während vier von ihnen auf Kirara ritten, lief Inu Yasha unter der Katze mit den brennenden Pfoten im gleichen Tempo mit. Kagome war zuerst besorgt gewesen, ob er sich nicht übernehme, erkannte aber bald, dass die Geschwindigkeit ihn nicht anzustrengen schien. Sie sollte wirklich aufhören, ihn als Menschen zu sehen. Sie hatten sich höflich von der Mutter des Waldes verabschiedet, die ihnen für ihre Rückkehr erneute Zuflucht versprochen hatte. Allerdings hatte auch sie gemeint, dass der Mikado ihnen helfen könnte. „Ich kenne ihn noch aus vergangenen Tagen, als er nur der Inu no Taishou, der Anführer aller Hunde, war. Ihm könnt ihr vertrauen. Aber niemandem sonst. Politik und Intrigen waren stets eine heikle Sache.“ Die Fünf hatten es ihr versprochen. Es war fast Morgen und die ersten Strahlen der Sonne stiegen über die Flussebene, als sie vor sich eine breite Straße entdeckten. Kirara hielt an und so tat es auch der Halbdämon. Die Katze landete.„Was ist denn los?“ erkundigte er sich. „Das ist die Heerstraße, die durch das gesamte Reich von Nord nach Süd führt, mit Abzweigungen in jede Provinzhauptstadt. Sie wird in aller Regel von kaiserlichen Truppen beschützt, um den Handel und das Reisen zu sichern.“ Sango sah sich forschend um: „Allerdings sehe ich hier keine Krieger. Kannst du Dämonen wahrnehmen?“ Inu Yasha schüttelte den Kopf: „Nein. Vielleicht haben wir Glück und können hier weitergehen. Das dürfte doch der schnellste Weg nach Machi sein, oder?“ „Ja, schon...“ Aber die Dämonenjägerin war unruhig: „Aber den ganzen Tag auf dieser Straße zu bleiben ist gefährlich. Und wir müssen ja auch noch schlafen.“ Inu Yasha hatte daran zwar nicht gedacht, meinte jedoch nur: „Ja, und was essen wäre auch nicht schlecht. Aber wir können ja kaum in ein Dorf gehen, oder?“ „WIR schon,“ betonte Miroku: „Du bist eben unser Lieblingsungeheuer.“ Der Halbdämon warf einen Blick zum Himmel, wo die Silhouette der dünnen Mondsichel verblasste. „Dann machen wir hier Rast,“ schlug er vor: „Und gehen auf der Straße weiter. Nächste Nacht bleibt ihr dann in einem Dorf und ich...naja...bin eben irgendwo.“ „Ach nein, da bleibe ich schon bei dir,“ bot Kagome sofort an und war überrascht, einen funkelnden Blick zu ernten. Manchmal verstand sie ihn wirklich nicht. Hastig sagte er: „Nein, in einem Dorf bekommt ihr was zu essen. Ich muss weder schlafen noch essen, und für euch wird es dann auch zu dunkel. Nächste Nacht ist Neumondnacht.“ „Das sehen wir schon. Jetzt eine Pause zu machen ist sicher gut,“ meinte Sango besänftigend: „Dort, an dem Baum. Von der Straße aus sieht uns niemand. Und wittern...?“ Sie sah zu dem Halbdämon. Der schüttelte den Kopf: „Der Wind kommt aus einer anderen Richtung.“ War er hier der Schnüffler vom Dienst? Aber Menschennasen waren nun einmal deutlich schlechter als die seine. Und dabei war er nur ein halber Hundedämon. Wie mochte dann Sesshoumaru erst riechen können? Moment. Wenn der Shogun ein Hundedämon war musste auch der Kaiser einer sein. Klar. Der Herr aller Hunde war ja sein Titel, ehe er Mikado wurde. Irgendwie fühlte sich das komisch an. So, als ob er tatsächlich irgendwie mit dem Kaiser verwandt wäre. Warum nur hatte er nie daran gedacht? Natürlich gab es auch noch andere Hundedämonen außer seinem Vater. Und der musste ja auch Eltern gehabt haben. Vielleicht existierten die sogar noch. Aber sie würden kaum an einem halbblütigen Enkel Freude haben. Nun, das hätten auch seine menschlichen Großeltern so gesehen. Wenn er sich recht entsann war seine Mutter die Einzige gewesen, die ihn so gemocht hatte, wie er eben war. Das einzige andere Familienmitglied, sein Onkel, hatte ihn ja als Ungeheuer dort in den Todeswald gesperrt. Hatte er ihn womöglich tatsächlich für eines gehalten und war gar nicht so auf den Fürstentitel versessen gewesen? Nun, Onkelchen war tot, dafür hatte Naraku gesorgt, wenn er auf das Geflüster seiner Wachen etwas geben konnte. „Inu Yasha?“ Er schrak zusammen und sah in Kagomes Gesicht „Äh, ja...?“ Auch sie ließ, ebenso wie Sango und Miroku, nie erkennen, dass sie ihn nicht für voll nahm... „Entschuldige. Ich ...du hast wohl mit offenen Augen und im Gehen geschlafen. - Wir wollen doch hier Rast machen.“ „Ja.“ Noch immer etwas verwirrt durch seine Gedankenunterbrechung setzte er sich zu den anderen. Doch, sie waren nett zu ihm und irgendwie seine Freunde. Wenn er schon keine Familie mehr hatte, war das doch ein guter Ersatz. Und viel besser als seine Einsamkeit zuvor. Ohne Zwischenfälle gelangten sie am folgenden Abend zu einem Dorf. Wenn Inu Yasha Händler oder andere Reisende bemerkt hatte, war er rasch seitwärts gelaufen, um nicht erkannt zu werden. Jetzt verabschiedete er sich von seinen Freunden, froh, heute Nacht allein sein zu können. Die erste Neumondnacht, die er erlebte, seit er sie vor fast vier Wochen getroffen hatte. Sie sollten sein Geheimnis nicht kennen. Niemand sollte es je erfahren. Er hasste Neumondnächte, seit er erleben musste, was sie mit ihm, seinem Körper anrichteten. Mit dem Versprechen ihm etwas zu essen mitzubringen, ließen sie ihn unter einem Baum am Rande einer Teeplantage zurück. Unwillkürlich sprang er empor. Heute Nacht war es besser, geschützt zu sein. Jeder streunende Dorfköter, von anderen Gefahren absehen, würde ihn als Angriffsziel schätzen, das wusste er noch aus den Nächten, die er als Kleinkind im Schloss verbracht hatte. Das eine oder andere Mal hatte er Ärger bekommen, ehe Mutter ihm eingeschärft hatte, sein Zimmer nicht zu verlassen. Das war im Todeswald anders gewesen - das Gitter und der Bannkreis hatten ihn in Neumondnächten beschützt. Er saß kaum auf dem Baum, als die Sonne unterging und er die unwillkommene Verwandlung spürte. Seine Klauen, seine Fangzähne bildeten sich zurück, die Hundeohren auf seinem Kopf verschwanden und sein Haar wurde schwarz. Diese äußerlichen Anzeichen der Verwandlung in einen Menschen hätte er noch ertragen. Schlimmer war das Innerliche. Ohne jede dämonische Energie kam er sich immer so schrecklich hilflos und unvollständig vor. Eine Nacht lang, bis die Sonne wieder aufging, musste er nun hier als Mensch herumsitzen, eine scheinbare Ewigkeit. An Schlaf war sowieso nicht zu denken. Die Stunden schienen vorbei zu kriechen und Inu Yasha sah immer sehnsüchtiger nach Osten. Ging denn nicht endlich die Sonne wieder auf? Er besaß nur menschliche Sinne und zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte. Das war doch Kagome? Sie stand mit den anderen dreien unter dem Baum und blickte sich suchend um: „Inu Yasha!“ flüsterte sie: „Oh, da bist...was ist denn mit dir passiert?“ Das klang nicht erheitert, sondern besorgt, aber er drückte sich enger an den Baumstamm. „Was ist denn los?“ fragte er zurück. „Du...du hast dich in einen Menschen verwandelt? Aber warum?“ „Das ist eben so,“ knurrte er, unglücklich, dass sie ihn so sahen. Miroku nickte: „Ja, ich hörte davon. Einmal im Monat, zur Zeit seiner Geburt, verliert ein Halbdämon sein dämonisches Wesen und wird zu einem Menschen. Umgekehrt soll es so gut wie nie vorkommen, also, dass er zu einem vollwertigen Dämon wird. Ich vermute, dass das mit der Dunkelheit zusammenhängt, also er sich zurückverwandelt, sobald die Sonne aufgeht. - Komm runter, Inu Yasha, wir müssen gehen.“ „Was ist los?“ wiederholte sich der. „Im Dorf sind kaiserliche Krieger. Darunter auch Hundedämonen. Das fehlte, dass sie dich hier finden. Wir wollten dich sowieso warnen, aber jetzt ist es noch wichtiger, dass wir verschwinden.“ Auch das noch. Ungewohnt mühsam kletterte der Halbdämon von dem Baum und sah etwas verlegen und mürrisch zugleich zu Boden. „Das macht doch nichts,“ meinte Kagome. „Du brauchst dich doch dafür nicht schämen, dass du dich einmal im Monat in einen Menschen verwandelst. Wir sind dauernd welche. Und du siehst so auch niedlich aus.“ „Es ist aber ein Beweis dafür, dass er eben kein richtiger Dämon ist!“ sagte Shippou prompt und war etwas erstaunt, dass ihn alle drei Menschen finster ansahen, selbst Kagome. Diese legte den Arm um den zusammenzuckenden eigentlichen Halbdämon: „Jetzt komm. Die Krieger machten sich zum Aufbruch fertig. Eigentlich ist es ein Glück, dass du im Augenblick ein Mensch bist. So werden sie dich kaum für das Ungeheuer halten.“ „Das werden wir gleich feststellen,“ murmelte Sango und nahm Kirara auf den Arm. Auch Kagome erkannte nun die fünf Dämonen, nur zwanzig Meter vor ihnen in der Dunkelheit, die sich näherten, und fasste nach Shippou. Ohne Zweifel hatten sie sie entdeckt. Flucht war sinnlos. Inu Yasha griff unwillkürlich nach Tessaiga, aber er hatte zuvor schon bemerkt, dass das Schwert ohne Dämonenenergie nur ein altes, verrostetes Stück Metall war. „Reisende?“ fragte einer der Dämonen. „Ja,“ antwortete Sango: „Im Auftrag Fürst Kishos.“ „Ihr habt Dämonen dabei...Mönch und Priesterin....“ „Ja. Wir sind Dämonenjäger. Hier ist der Passierschein des Fürsten.“ Sie reichte ihn dem Sprecher. „Danke. - Wir sind nur überrascht. Es heißt, das Dorf...Oh. Wisst ihr noch gar nichts davon?“ „Ja, wir wissen es. Wir hatten nur einen anderen Auftrag und waren darum nicht dort, als der...der Überfall stattfand.“ Sie nahm den Brief wieder. „Gut. Wir sind auf Befehl des Mikado hier, auf der Suche nach dem Ungeheuer. Seid versichert, dass wir euer Dorf rächen werden.“ Inu Yasha zuckte unwillkürlich etwas zusammen. Das konnte ja noch heiter werden. Zum ersten Mal erfasste er das gesamte Ausmaß seiner Schwierigkeiten. Miroku sah, dass der Dämon das bemerkt hatte und nun den Jungen musterte. So meinte er eilig ablenkend: „Ja, unser Dorf stand unter dem Schutz des mächtigen Inu no Taishou. Fürst Kisho hat uns auch bereits mitgeteilt, dass sich der Shogun höchstselbst auf die Jagd begeben wollte.“ „So ist es. Er hat sich heute Morgen erst von uns getrennt.“ Also war auch Sesshoumaru hier? Das wurde ja immer besser. Inu Yasha klammerte sich förmlich an seinen Schwertgriff. Der Dämon betrachtete ihn noch immer: „Der Junge war wohl noch nie auf so einer Jagd?“ „Fast nie,“ antwortete Sango, in der Hoffnung, der Halbdämon würde jetzt nichts Falsches sagen oder gar tun: „Aber nach der Zerstörung unseres Dorfes...“ Man konnte Hundedämonen nicht anlügen, aber zumindest die Wahrheit umschreiben. „Ja, natürlich. - Gute Reise dann und viel Erfolg.“ „Das wünsche ich auch euch und dem mächtigen Shogun.“ Sango deutete ein Nicken an und die Dämonenkrieger verschwanden im ersten Schein des Tages, der am Horizont die nahende Sonne ankündigte. „Das war knapp,“ murmelte Miroku, als nur zwei Minuten später die ersten Strahlen auf den Halbdämon trafen und sofort die Verwandlung auslösten: „Und wir sollten gut nachdenken. Mit den Kriegern und dem Shogun auf den Fersen wird der weitere Weg nach Machi schwer. Es wäre besser zu warten bis sie sich wieder zurückgezogen haben.“ „Du meinst, ich soll zurück in den Zauberwald? Keh! Mit diesen Kriegern und auch Sesshoumaru werde ich schon fertig.“ Inu Yasha hob etwas den Kopf, auf dem wieder zwei Öhrchen saßen, die Kagome zum Knuddeln animierten. Aber sie ließ es lieber sein. „Halten wir Kriegsrat,“ meinte sie stattdessen: „Aber verstecken wir uns lieber. Wenn der Shogun hier vorbeikommt, sitzen wir in der Tinte. Nicht, dass ich daran zweifle, dass du ihn besiegen kannst, Inu Yasha,“ ergänzte sie hastig: „Aber wir sähen da wohl ziemlich alt aus.“ „Zumindest scheinen sich unsere Todesurteile noch nicht herumgesprochen zu haben,“ sagte Sango: „Und der Passierschein Fürst Kishos schützt uns. Gehen wir zurück, gestern habe ich in der Teeplantage eine Erntehütte gesehen. Da ist zu dieser Zeit sicher keiner und wir können in Ruhe planen.“ ** Irgendjemand sollte der reisenden Teenie-Gruppe wirklich Rat und Hilfe geben.... Im nächsten Kapitel planen fast alle Beteiligten neu. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)