Mikado von Hotepneith (Von Verwechslungen, Irrtümern und sonstigen Fehlern) ================================================================================ Kapitel 3: Tessaiga ------------------- Die vier Flüchtlinge erreichten unbemerkt die bewaldeten Täler des westlichen Teien. Hier, wo nur vereinzelt Menschen und kaum Dämonen lebten, hofften sie weiterhin in Sicherheit zu sein. Sango und Miroku hatten die Führung übernommen. Sie waren diese Wege erst vor wenigen Wochen gegangen, als sie in die Provinz gekommen waren. „Was wolltet ihr denn eigentlich bei uns?“ erkundigte sich Kagome: „Ich meine, Dämonen zu töten ist doch sicher überall verboten.“ „Dämonen schon, aber wir jagen ja nur Geister und Wurmdämonen,“ erklärte Sango etwas irritiert, ehe sie sich daran erinnerte, dass das Mädchen wohl nie aus Shuto herausgekommen war: „Dämonenjäger schützen Menschen davor. Dafür werden wir auch bezahlt. Auch Mönche, Priester und Priesterinnen machen das. Das sind keine Dämonen wie die Krieger oder auch Fürst Naraku oder gar der Shogun und der Kaiser. Eher Ungeziefer.“ „Dämonenjäger streifen durch alle Bezirke und nehmen Aufträge an,“ erläuterte Miroku weiter: „Ich bin zwar keiner, aber ich habe mich ihnen angeschlossen, da ich keine Familie mehr habe. Ich bin nicht unfähig. Und suche eine Mutter für meine Kinder.“ Er lächelte Kagome, die nicht so ganz wußte, wie sie reagieren sollte, zu und Sango funkelte ihn an. „Reiß dich zusammen. - Mach dir nichts draus, Kagome. Er spielt gern den Idioten.“ „He!“ protestierte der Mönch. „Könntet ihr mal die Klappe halten?“ Inu Yasha sah sich um und seine Begleiter schwiegen, als er sich sorgfältig orientierte. Kagome bemerkte dabei zum ersten Mal, dass seine Öhrchen auf dem Kopf wie echte Hundeohren zuckten, als er lauschte. „Was ist?“ erkundigte sich Sango leise: „Krieger?“ Der Halbdämon zuckte die Schultern, sah sie jedoch an: „Seid ihr sicher, dass ihr hier gegangen seid?“ „Eigentlich schon, warum?“ „Ein ganzes Stück vor uns liegen heiße Quellen und es stinkt nach Schwefel und anderem.“ „Ein Vulkan? Nun ja, da war etwas, ein leichtes Erdbeben, aber wir sind hier im Tal geblieben, da war nichts weiter. - Du bist sehr aufmerksam.“ Er wollte nicht zugeben, dass ihn das Lob freute und murrte nur: „Kunststück, oder? Was glaubst du, macht Naraku, wenn er einen echten Halbdämon in die Finger bekommt? Ich meine, ich weiß darüber ja immer nur das, worüber sich die Leute unterhielten, die entweder an meinem Wald Wache standen oder sonst wie in die Nähe kamen, aber er scheint nicht gerade besonders nett zu sein.“ Kagome wollte pflichtbewusst diesem Urteil über ihren Fürsten widersprechen, ehe sie bedachte, dass sie in dessen Augen eigentlich schon tot war: „Nun ja, aber wer mag es schon, wenn ein Attentat auf ihn verübt wird. Ich meine, ich habe nun einmal das Juwel kaputtgemacht.“ „Nicht nur dieses Urteil,“ meinte Inu Yasha, wollte aber anscheinend dazu nicht mehr sagen, da er sich wieder auf den Weg machte. Die drei Menschen folgten ihm. Als es Abend wurde, suchten sie sich einen Platz abseits des kaum sichtbaren Weges als Nachtlager. Der Halbdämon blieb stehen und musterte den dunklen Wald. „Was ist?“ erkundigte sich Sango: „Verfolger?“ „Nein, keine Krieger. Aber jemand ist da. Ein ganzes Stück weg, aber....“ Er zuckte etwas die Schultern: „Ich gehe mal nachsehen. Bleibt hier.“ „Ist das nicht gefährlich?“ fragte Kagome prompt, aber da war er bereits in der Dunkelheit verschwunden. „Er ist nicht gerade vorsichtig.“ „Er ist immerhin ein halber Dämon,“ meinte Sango: „Und keiner von uns weiß, wie stark er ist, was er überhaupt so kann.“ „Stimmt, er hat die Gitterstäbe einfach verbogen.“ Die Priesterschülerin erinnerte sich mit gewissem Gruseln daran. Was könnte Inu Yasha ihr antun, wenn er wollte? Zum Glück schien er doch recht nett zu sein, wenn auch vorlaut. Ihre Lehrer hätten ihm das nie so durchgehen lassen. Der Halbdämon war mit weiten Sprüngen den Berg emporgerannt, viell schneller, als er es mit seinen neuen Freunden vermocht hätte. Seine Nase verriet ihm, dass es dort außer vulkanischen Aktivitäten noch eine andere gab: es roch nach glühendem Metall, und, wenn er sich an seine Kindertage im Schloss recht erinnerte, nach einer Schmiede. Da musste ein Dämon hausen. Keinem Menschen, sei er auch Schmied, würde es doch einfallen, sich zwischen flüssiger Lava und Schwefelgasen niederzulassen. Er blieb stehen, als er in der Nacht im Schein der vulkanischen Erscheinungen vor sich ein riesiges Skelett entdeckte. In dessen Maul brannte ein Feuer und saß ein Mann, sicher ein Dämon, mit wenig Haaren, die er zu einem Zopf zusammengebunden hatte. Er hielt ein Schwert in die Flammen. In der anderen Hand hatte er einen Hammer. Inu Yasha stufte ihn als ungefährlich ein. Der Schmied sah auf: „Wer ist da?“ Er hatte ihn entdeckt? Nun, da konnte er auch mit ihm reden. Langsam schlenderte der Halbdämon näher: „Hallo, du alter Zausel.“ „Was für eine unhöfliche Begrüßung, Lausebengel! Hat dir keiner Manieren beigebracht?“ „Keh! - Arbeitest du für Naraku?“ Dann müsste er vorsichtig sein. Der Schmied ließ den Hammer sinken und legte die glühende Klinge neben die Flammen: „Ich arbeite nur für Leute, die mir gefallen. Du bist ein Hund....nein ein halber, oder?“ „Mein Vater war ein Hundedämon.“ gestand Inu Yasha murrend: „Das „halb“ kannst du vergessen, Metallbieger.“ Der winkte etwas ab: „Ich habe nichts gegen Hundedämonen. Einer meiner besten Freunde ist einer. - Ich bin Toutousai. Du hast sicher schon von mir gehört.“ „Nein, nie.“ Der Halbdämon war ehrlich, wenn auch nicht sehr höflich: „Du machst Schwerter?“ „Sieht man doch, oder?“ Der Schmied deutete auf die Hinterwand seiner Behausung, wo sechs oder sieben herumlagen, nur eines in einer Scheide. „Ich will mit ein paar Menschen in die Hauptstadt zum Kaiser. Da wäre ein Schwert recht....“ „Kannst du denn überhaupt mit einem umgehen?“ „Das schaffe ich schon,“ erklärte Inu Yasha selbstsicher: „Das kann doch wohl jeder.“ Der Schmied kratzte sich am Kopf: „Naja...mit meinen Schwertern umzugehen erfordert schon ein bisschen was. Ich bin kein Anfänger.“ Der Halbdämon seufzte: „Was willst du denn für so ein Schwert haben? Ich meine, ich habe kein Geld....Aber ich könnte dir Holz hacken oder so.“ Jetzt seufzte Toutousai: „Ehrlich, Hundebengel, für das, was ich schmiede, müsstest du dein Leben lang....“ Er drehte den Kopf: „Tessaiga?“ „Was?“ fragte sein Besuch verwirrt zurück. „Äh, gleich, Bengel, gleich.- Hm. Hundedämonenblut hast du?“ „Ja, mein Vater war einer.“ War der Alte denn völlig verrückt? „Das könnte es erklären. Na schön. Tessaiga will zu dir. Also kriegst du es. Umsonst!“ Inu Yasha betrachtete die Schwerter im Hintergrund: „Du...redest mit ihnen?“ „Natürlich.“ Das wurde ja immer merkwürdiger. Aber, wenn er ein Schwert umsonst bekommen konnte.... „Es heißt also Tessaiga?“ „Ja, das da in der Scheide. Nimm es dir.“ „Das ist ja ganz verrostet....“ murmelte der Junge enttäuscht. „Du siehst auch nur das, was du willst, Hundebengel! Das ist eines meiner mächtigsten Schwerter! Zieh es mal, aber draußen.“ Inu Yasha tat es. Zu seiner Überraschung verbreitete sich die Klinge sofort, viel größer, als sie in der Scheide Platz gefunden hätte: „Das ist ja riesig – und schwer.“ „Hör auf zu maulen. Ich schenk es dir!“ „Äh, ja, klar. Und wie wird das wieder kleiner?“ „Steck es in die Scheide zurück.“ Tessaiga hatte sich ja einen lustigen Besitzer ausgesucht. Ob das gut gehen würde? Aber Toutousai war nicht erst seit gestern ein, in der Tat recht bekannter, Dämonenschmied. Seine Klingen besaßen alle eine Seele und besondere Fähigkeiten, auch, wenn er nur wenige herstellte für noch weniger Kunden. Eine Bedingung war, dass er sie mögen würde. Die zweite, dass sein Schwert sich seinen Besitzer aussuchte. Und das hatte Tessaiga getan, auch, wenn er beim besten Willen nicht wusste, was dieser ahnungslose Halbhund damit anfangen wollte. Nun, die Geheimnisse des Schwertes würde der selbst herausfinden müssen. Oder Tessaiga es ihm zeigen, das war ja auch möglich. „Wenn du das Schwert nicht mehr brauchst, bringe es zu mir zurück.“ „Ja, das liegt dann sowieso auf dem Heimweg. Ich meine, wir wollen zum Kaiser und dann will ich wieder nach Hause.“ „Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass euch der Kaiser empfängt. Das macht er schon länger nicht mehr. Die Audienzen und die Regierung regelt der Shogun.“ „Und wer ist das?“ „Sein Sohn und Erbe. Heißt Sesshoumaru. Schon mal davon was gehört?“ „Nein. Aber ich...naja. Ich lebte etwas abseits.“ Das stimmte zwar, klang aber bei einem Gegenüber, der einsam auf einem Vulkan hockte, eigenartig. „Du weißt das...“ „Ja, ab und an kommen Freunde vorbei, aus der Hauptstadt.“ Der alte Metallbieger hatte Freunde? Bestimmt waren die ebenso kauzig wie er selbst. „Naja, jedenfalls habe ich jetzt ein Schwert.“ Inu Yasha steckte sich die Scheide in den Gürtel: „Noch etwas dazu?“ „Das wirst du schon selbst herausfinden müssen. Tessaiga kann einiges, aber das muss der Besitzer höchstpersönlich merken.“ „Keh!“ Der alte Schmied fand sich allein und rief noch hinterher: „Ein Danke hätte auch gereicht! - So ein unhöfliches Hundebaby! Warum sich wohl Tessaiga für ihn entschied?“ Immerhin war es das Beschützerschwert, dazu erschaffen, Schwächere, vor allem Menschen, zu schützen. Eines seiner Meisterwerke, dessen Zwillingsschwert in höchsten Kreisen lebte. Ups. Toutousai spürte, wie ihm kalt wurde. Das könnte noch Ärger geben. Da gab es jemanden, der zusätzlich zu seiner eigenen Klinge Tessaiga hatte haben wollen, unbedingt, und nur durch den direkten Befehl des Kaisers davon Abstand genommen hatte. Falls der Mikado dazu nicht mehr in der Lage war – was sollte er seinem Besucher dann sagen? Nun, die Wahrheit. Dann sollte der doch zusehen, ob er irgendwo das Hundebaby fand. Und er selbst sollte, sobald die Nachricht vom Tode des Kaisers eintraf, ohne Hinterlassung einer Adresse verschwinden. Die drei Menschen staunten nicht schlecht, als Inu Yasha mit einem Schwert zu ihnen zurückkehrte: „Ja, da auf dem Vulkan wohnt ein Schmied. Nennt sich Toutousai und ist anscheinend etwas verrückt. Jedenfalls schenkte er mir das Schwert hier. Heißt Tessaiga.“ „Es sieht etwas verrostet aus,“ meinte Kagome: „Das musst du wohl erst einmal putzen.“ „Ja, aber guck mal, wenn ich es ziehe...“ Die Klinge verbreitete sich rasch. „Oha, das ist ein Dämonenschwert!“ Miroku betrachtete es mit gesundem Respekt: „Zum Glück bist du ein Halbdämon und hast diese Energie. Sonst wäre die Klinge wirklich nur rostig und nutzlos.“ „Kannst du denn damit umgehen?“ erkundigte sich Sango: „Hast du schon einmal Schwertkampf geübt?“ „Nein, aber das kann doch nicht so schwer sein.“ Der Halbdämon schob Tessaiga zurück. „Nun ja.“ Die kampferfahrene Dämonenjägerin zuckte die Schultern: „Wir üben dann einfach die nächsten Tage, immer, wenn wir rasten. Dann wirst du es ja sehen. Denn ein Schwert nur spazieren zu tragen wäre absoluter Unsinn.“ „Ja, wenn du magst.“ Inu Yasha hätte nie zugegeben, dass er das sehr nett fand. Miroku nickte: „Dabei werden wir ja auch sehen, wie du es verträgst.“ „Hä?“ Für wie schwach hielt ihn dieser Mönch denn? „Ich sagte ja, ein Dämonenschwert. Und die sind oft mächtige, magische Waffen. Allerdings darf ein Mensch sie nicht auch nur tragen, denn sie fressen die Seele ihres Besitzers buchstäblich auf.“ „Na, danke.“ Der Halbdämon warf einen Blick auf seine Neuerwerbung: „Aber der alte Zausel sagte, Tessaiga habe sich für mich entschieden, da wird es mir schon nichts tun.“ „Und du bist kein ganzer Mensch,“ warf Kagome ehrlich ein: „Glaubt du wirklich, wir brauchen noch ein Schwert? Sango und Miroku sind bewaffnet....“ Die Jägerin nickte: „Vor uns liegen noch gute achtzehn Tage bis zur Hauptstadt und da wir die Straßen besser meiden sollten, oft querfeldein und durch Berge. Da leben allerlei einfache Dämonen, aber manchmal auch Banditen, menschliche oder dämonische, je nach dem, wie der zuständige Fürst mit ihnen fertig geworden ist.“ Sango seufzte etwas: „Es wäre einfacher, die Straßen zu gehen, die lässt der Kaiser bewachen. Aber da dürfte uns Naraku als erstes suchen.“ „Wie lange brauchen wir denn noch, um aus Teien zu kommen?“ erkundigte sich Inu Yasha. „Wenn wir weiter nach Norden gehen würden, müsste hinter den Bergen dort schon der Bezirk Tonoo liegen, aber das ist zu gefährlich. Da sind endlose Reis- und Teefelder, eine große Flussebene. Wir würden garantiert auffallen, und ich habe keine Ahnung, ob die Fürsten sich nicht bei der Suche nach flüchtigen Verbrechern helfen. - Besser ist es, nach Nordwesten zu gehen, hier am Fuß der Berge zu bleiben. Das bedeutet zwar, dass wir noch vier oder fünf Tage in Teien sind, aber danach kommen wir zu dem Passweg über den Takayama. Und wenn wir darüber sind, liegt mein Dorf nur noch zwei Tage weg. Dort werden wir sicher Zuflucht finden.“ „Nicht, dass ich deine Geografiekenntnisse in Zweifel ziehe, Sango, ich bewundere sie, aber...“ Der Mönch zuckte ein wenig die Schultern: „Auf dem Herweg haben wir den Takayama umgangen, weil er noch voll Schnee war.“ Eine rasche Handbewegung über Sangos Hinterteil brachte deren Finge unverzüglich mit Schwung in sein Gesicht. Ohne weiter auf den Zwischenfall einzugehen, erklärte sie: „Ja. Aber da waren wir auch nicht gesuchte Schwerverbrecher und konnten der Heerstraße nach Süden folgen. Es ist der schwere Weg, aber auch der sichere.“ „Das Gebirge des Takayama....“ Kagome dachte schon die ganze Zeit nach: „Das ist sehr hoch, nicht wahr? Und grenzt Teien nach Westen hin ab. War da nicht auch ein Sumpf oder so? Ich glaube gehört zu haben, dass kein Feind da durch kann.“ „Kein Heer, das stimmt wohl. Sie haben normalerweise Pferde dabei oder Dämonen schwere Rüstungen und Waffen.“ Sango seufzte etwas: „Nein, leicht wird es nicht, aber vermutlich haben sie auf uns – oder vor allem auf Inu Yasha - schon die Jagd eröffnet. Das hängt davon ab, ob sie annehmen, das er uns gefressen hat oder nicht.“ „Das ist gleich,“ meinte Miroku: „Wenn sie uns lebendig finden, brauchen wir uns keine Sorgen mehr um unser Leben zu machen. Dann holen sie die Todesurteile gleich und anders nach. - Schlafen wir jetzt. Wenn die Sonne aufgeht, müssen wir weiter. Irgendetwas zu essen werden wir dann schon finden für die Mittagspause. Und dann übt Sango mit Inu Yasha.“ Während sich die drei Menschen hinlegten, bemerkte Kagome, dass der Halbdämon sitzen blieb, sein Schwert samt der Scheide im Schoß: „Bist du nicht müde?“ „Keh! Ich bin kein Mensch. Irgendwann muss ich mal schlafen, aber jetzt halte ich lieber Wache.“ „Danke, das ist nett,“ murmelte sie, ehe sie so tat, als ob sie einschlief. Tatsächlich kreisten ihre Gedanken um ihre Lage, die sich in wenigen Tagen vollständig verändert hatte. Von der Priesterschülerin mit ordentlichem Lebenslauf zum Futter für ein Ungeheuer, zu einer flüchtigen Verbrecherin...und noch dazu mit einem Halbdämon unterwegs. Warum hieß es wohl so und nicht Halbmensch? Wäre er dann nicht das Ungeheuer des Waldes gewesen? Aber er hatte ja gesagt, dass es um die Macht in der Provinz gegangen war – und er nur ein Kind gewesen war. Wie gemein, solch ein Kind mit so niedlichen Ohren als Ungeheuer auszugeben. Moment mal. Wenn seine Mutter eine Prinzessin war und sein Onkel der Fürst – dann musste er doch eigentlich auch ein Prinz sein? Ein halber Menschenprinz. Auch, wenn er sich nicht so benahm und schon gar nicht so redete – aber er war ja auch lange mutterseelenallein da in dem Wald gehockt. Armer Kerl... Das war das Letzte, das sie bewusst dachte. Inu Yasha hörte nur zu gut, dass seine drei Begleiter eingeschlafen waren: ihr Atem ging gleichmäßig und ihre Herzen schlugen nur mehr leise. Sie vertrauten ihm, und das machte ihn irgendwie froh. So lange war er allein gewesen und nun waren sie zu viert. Die drei behandelten ihn nicht als Ungeheuer, eher als gleichrangig und das fand er nach den langen einsamen Jahren sehr angenehm. Gesagt hätte er es freilich nie. Er musterte sein Schwert im Schoß. Tessaiga. Dieser Metallbieger hatte ja gemeint, dass es so einiges auf der Pfanne hatte, aber anscheinend war das ein Geheimnis. Nun gut, er würde es eben herausfinden.Schließlich liefen alle Dämonen, so gut wie alle, mit Schwertern herum, da konnte es kein Problem darstellen. Immerhin besaß er ja auch Dämonenblut, Hundedämonenblut, um korrekt zu sein, und so, wie das der komische Toutousai gesagt hatte, war das noch einmal etwas Besonderes. So wanderte die Gruppe kurz nach Sonnenaufgang bereits wieder am Fuß der Berge entlang durch den dichten Laubwald Richtung Nordwesten. Mittags bereiteten Kagome und Miroku ein mageres Mahl aus Pilzen zu. Das Mädchen hatte keine Ahnung vom Leben in der Wildnis und war froh, etwas dazulernen zu können. Auch, wenn sie Mamas Küche sehr vermisste. Sango zeigte Inu Yasha unterdessen erste Bewegungen mit seinem, zugegeben, riesigem Schwert. Das störte die Dämonenjägerin allerdings weniger, schleppte sie doch einen mindestens ebenso gewaltigen Bumerang mit sich. Sie hatten gegessen und wollten weiter, als in der Ferne etwas wie Donnergrollen zu hören war – obwohl der Himmel fast wolkenlos blau glänzte. „Ein Gewitter?“ Kagome sah sich besorgt um. Nass zu werden hätte ihr jetzt wirklich noch gefehlt. „Ärger.“ Inu Yasha sog prüfend die Luft ein: „Da scheint wer zu kämpfen.“ „Dämonen?“ erkundigte sich Miroku nur: „Ich meine, weit vor uns solche Energien zu spüren. Und jetzt sind sie erloschen.“ „Scheint vorbei zu sein. Naja, liegt sowieso auf unserem Weg.“ Der Halbdämon ging voran und Kagome kam, wie schon gestern, an seine Seite, die beiden Dämonenjäger machten den Abschluss. So kamen auch ab und an leise Unterhaltungen auf. Nach über einer Stunde erreichten sie einen Platz, an dem die Bäume umgestürzt waren, zum Teil verbrannt worden waren. Inu Yasha witterte erneut. „Hier hat wohl dieser Kampf stattgefunden, den wir hörten,“ erklärte Miroku: „Das muss ganz schön zur Sache gegangen sein.“ „Ja, hier waren Dämonen, ein Kampf und...“ Kagomes Aufschrei unterbrach ihn: „Da liegt etwas!“ Sie wandte sich würgend ab, hoffend, dass es nicht das war, was sie glaubte. Sango war nüchterner und ging näher: „Das ist ein toter Fuchsdämon. Er wurde förmlich gegrillt – und jemand hat ihm sein Fell abgezogen.“ „Füchse sind stark in ihrer Magie.“ Miroku kam zu ihr: „Wer immer ihn umgebracht hat, war kein Dämon vom letzten Haken.“ „Das Fell abgezogen...“ flüsterte Kagome entsetzt. Natürlich wusste sie, dass Pelze getragen wurden, von Menschen und Dämonen, aber... „Und seht nur, da ist doch Blut?“ Der Halbdämon kam zu ihr: „Ja, Fuchsblut. Und die Spur von zwei Dämonen, die sich hier anscheinend in Luft aufgelöst haben. Naja, eher sind sie wohl geflogen. Da an den Bäumen hängt eine Witterung...“ Sango und Miroku kamen ebenfalls herüber: „Blut?“ sagte die Dämonenjägerin: „Dann muss noch ein zweiter Fuchs hier gewesen sein. Der dort konnte sicher nicht mehr bluten.“ „Entweder die Füchsin oder ein Kind.“ Miroku sah in den Wald: „Soweit ich weiß, schätzen es Fuchsdämonen nicht, außerhalbt der engen Familie zu leben. Jedenfalls ist das frisches Blut, also, eines Lebenden.“ „Ein Kind?“ Kagome war alarmiert: „Das entführt wurde? Dem müssen wir helfen.“ Inu Yasha schüttelte den Kopf: „Keh, wenn du hier alle retten willst, kommen wir nie in die Hauptstadt.“ „Da hat er Recht,“ sagte Miroku: „Was glaubst du, warum es solche Dämonenjäger wie Sango und ihre Familie gibt? In den Wäldern hausen manche recht unnetten Wesen.“ „Aber ein Kind!“ setzte sie nach. „Inu Yasha, denk doch dran, als man dich allein im Wald ausgesetzt hat und hier ist kein zaun, der ihn beschützt – und die hier haben noch seine Mutter oder seinen Vater ermordet!“ „Keh! - Na schön, gucken wir nach. Aber nur diesmal!“ „Danke.“ Sie umarmte ihn froh – und merkte dann sein Erstarren: „Äh, schon gut....“ Natürlich war der arme Kerl nicht gewohnt, dass ihn jemand anfasste. Sango nahm ihren Bumerang: „Aber, Kagome, das heißt, Kampf. Wer auch immer den Überfall hier begangen hat, wird nicht begeistert sein, wenn ihm die Beute entrissen werden soll.“ „Ja, ich fürchte es ja auch...Und ich bin weder bewaffnet noch eine Kämpferin. Na schön, ich werde mich bemühen, euch nicht im Weg herumzustehen.“ Sie warf allerdings einen Blick auf den Halbdämon. Der hatte doch vorhin das erste Mal so etwas wie Schwertübung bekommen. Ein ausgebildeter Kämpfer war etwas anderes. Aber dazu sollte sie wohl besser nichts sagen. Es würde für die beiden Dämonenjäger schwer genug werden – nur, weil sie ihren Dickkopf durchgesetzt hatte. Hoffentlich ging alles gut. Inu Yasha lief voran, die Nase hoch im Wind und versuchte, die kaum wahrnehmbare Spur der Entführer zu folgen. Wer war denn so feig und machte sich an eine Mutter mit Kind heran? Oder auch Vater mit Kind? Eine Jagd, um etwas Fressbares zu finden war das sicher nicht gewesen, sonst hätten sie den getöteten Dämon nicht da liegen lassen. Ein ganzes Stück bergauf endete der Wald und der Halbdämon blieb unter den letzten Bäumen stehen. Seine Gefährten schlossen auf. Vor ihnen lag ein grünbewachsener Hügel und ein großes Haus, das man fast als Schloss hätte durchgehen lassen. Um das Schloss allerdings wirkte die Wiese an vielen Stellen wie verkohlt, als habe jemand Blitze dort gezielt einschlagen lassen. „Das gibt Ärger,“ murmelte Sango: „Solche Attacken kenne ich nur von wenigen Dämonen. Und zwei davon sollen hier in Teien leben. Die Donnerbrüder. Sie sollen schon einiges auf dem Kerbholz haben, wurden aber nie gefasst oder abgeurteilt.“ „Klar, wenn sie sich hier in der Einöde verstecken.“ Miroku nickte und fasste seinen Mönchsstab fester: „Wer soll sie hier auch finden.“ „Keh!“ Inu Yasha musterte das Haus: „Wir haben sie gefunden. Die Donnerbrüder, also?“ „Ja. Ihre Namen fallen mir gerade nicht ein, aber sie arbeiten mit Blitzen, also, zumindest einer von ihnen.“ Sango ließ ihren Bumerang von der Schulter gleiten, als ein Schrei aus dem Haus zu hören war, der jammernde, klagende Aufschrei eines Kindes. „Papa!“ Jemand lachte und Inu Yasha presste die Zähne zusammen: „Das wird mir hier echt zu bunt. Denen zeige ich es!“ „Was hast du denn für einen Plan?“ erkundigte sich Kagome. „Na, ich geh hin, bring die Typen um und hole den Kleinen.“ Die Dämonenjäger und Kagome sahen sich kurz an, ehe Miroku meinte: „Das geht bei dir ja wie das Brezelbacken – du denkst schon daran, dass die Donnerbrüder den Kleinen als Geisel haben?“ Daran hatte der Halbdämon in keinster Weise gedacht, murrte aber nur: „Und deiner?“ „Kagome...sie ist ein Mensch und unbewaffnet, verfügt aber über eine gewisse spirituelle Macht. - Wenn du blumenpflückend über die Wiese gehst, müssten sie eigentlich auf dich aufmerksam werden. Inu Yasha, du könntest sie beschützen und Sango und ich schnappen uns den anderen Donnerbruder oder noch besser den kleinen Fuchs.“ „Ich soll den Köder spielen?“ Kagome war nicht begeistert. „Es war deine Idee, den Fuchs herauszuholen!“ knurrte der Halbdämon sofort. „Und ich passe schon auf dich auf, keine Panik.“ „Ja, schon gut.“ Es war ihre Idee gewesen, das stimmte, und nun musste sie auch mitmachen. Tief einatmend machte sie sich auf den Weg. ** Ein Irrtum, ein berühmtes Schwert einem Unbekannten auszuhändigen - mit Folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)