Mikado von Hotepneith (Von Verwechslungen, Irrtümern und sonstigen Fehlern) ================================================================================ Kapitel 2: Flucht ----------------- Kagome war ein wenig überrascht, mit welcher Selbstverständlichkeit sich Inu Yasha im finstersten Wald bewegte, und kam sich laut und ungeschickt vor. Sie tröstete es nur, dass er vermutlich hier jeden Schritt kannte – und auch Miroku und Sango sich mit ihr an den Händen hielten, während der Halbdämon voranging und sie hinter sich herzog. Dabei spürte sie seine Krallen nur zu gut – nein, er war kein Mensch. Aber eben auch kein Dämon. „So,“ flüsterte er und blieb stehen: „Hier ist gleich das Gitter. Aber leise – ich kann einen Wächter wittern.“ „Wittern?“ erkundigte sich das Mädchen, wenn auch leise, mehr als irritiert. „Naja, riechen.“ „Ja, schon klar.“ Ihr fiel ein, dass er ja erwähnt hatte, sein Vater sei ein Hundedämon gewesen. Waren Dämonen und ihre tierischen Verwandten sich doch so ähnlich? Irgendwie hatte sie nie daran gedacht. Es klang lustig, irgendwie. „Leise!“ zischte Inu Yasha prompt: „Also, jetzt macht was mit den Bannkreisen.“ Miroku und Kagome fassten das zu Recht als Aufforderung auf und gingen nahe heran. „Hu,“ murmelte sie: „Das ist heftig.“ Der Mönch nickte, ehe ihm einfiel, dass sie ihn wohl nur schlecht sehen konnte: „Gib mir deine Hand.“ Als sie ihn etwas zögernd berührte, wusste er, dass sie in der Tat ein magisches Juwel zerstören konnte. Auch, wenn es ihr wohl nicht bewusst war, so besaß sie erstaunliche eigene Zauberkraft – stärker, als er bei mancher ausgebildeten Priesterin gesehen hatte. Nun, so sollte es kein Problem sein, diesen Bannkreis hier zu beseitigen, zumal zu zweit – als Menschen. Für einen Dämon oder eben auch einen Halbdämon wäre es unmöglich. „Konzentriere dich auf mich,“ flüsterte er. Kagome, die durchaus schon gehört hatte wie so etwas ablief, bemühte sich, sich seiner Aufmerksamkeit und Magiebündelung anzupassen. Nur Sekunden später erlosch der Zauber, auf einige Schritte im Umkreis. „Schnell,“ sagte Miroku leise: „Damit wir nicht auffallen, Los, Inu Yasha.“ Er gab Kagome frei, die sich etwas verwirrt nach dem Halbdämon umsah. Soweit sie das im Dunkeln erkennen konnte, nahm er einfach zwei metallene Gitterstäbe und bog sie auseinander. Wie stark war er? Und wie stark war dann erst ein echter Dämon? Sie hatte sich nie zuvor Gedanken darum gemacht. Inu Yasha sprang hinaus: „Ich kümmere mich um den Wachposten, der kommt her!“ Und verschwand in der Dunkelheit. „Bring ihn nicht um,“ wollte Kagome noch sagen, aber er war schon weg. So blieb ihr nichts, außer mit den beiden Jägern ebenfalls durch das entstandene Loch zu steigen und draußen auf den Halbdämonen zu warten, der nur Sekunden später wieder auftauchte. „Hast du ihn....?“ begann die Priesterschülerin zögernd: „Das ist Mord.“ „Er war gerade dabei, Alarm zu schlagen. Und erzähle mir nicht, dass du Sehnsucht nach Narakus Kerker und der nächsten Hinrichtung hast.“ Mama hatte ihm schließlich zwar Menschen ans Herz gelegt, aber nie Dämonen, eher vor ihnen gewarnt. Und das, wo sie doch mindestens einen näher kennengelernt hatte. Überdies hatte er in den letzten Jahrzehnten die Tiere, die ihm in den Wald gebracht worden waren, töten müssen, um überleben zu können – irgendwie machte das wenig Unterschied. Sango griff ein: „Wir müssen hier weg. Denn wenn uns einer findet, werden wir Drei ganz sicher umgebracht, was mit Inu Yasha passiert, daran will ich nicht mal denken.“ Es war nur vernünftig und so liefen die Vier, sich wieder an den Händen haltend, unter der Führung des Halbdämonen durch die Nacht, froh, dass hier kein dichter Wald war, sondern mehr Äcker und Wiesen. Inu Yasha war fürsorglich genug, sich an letztere zu halten, damit seine menschlichen Begleiter nicht stolperten. Er war irgendwie froh, nicht mehr allein zu sein, auch, wenn es ihn nach wie vor etwas ärgerte, dass Naraku in ihm ein menschenfressendes Ungeheuer gesehen hatte. Hatten diese Idioten im Schloss denn gar nichts über ihn aufbewahrt? Oder nahm dieser Volltrottel schlicht an, Halbdämonen würden derartige Nahrungsgewohnheiten haben? Jedenfalls war es interessant einmal etwas anderes als den eigenen Wald zu sehen. Ob ihn der Kaiser wirklich anhören würde? Das konnte er sich eigentlich kaum vorstellen. Der Herr über alle Dämonen des Reiches – und ein Halbdämon. Aber einen Versuch wert war es schon. Immerhin war Teien sein Erbland, durch seine Mutter. Zum ersten Mal stellte er sich die Frage, ob ihm eigentlich auch ein Erbteil von seinem Vater zustehen würde. Aber über den wusste er nur, dass er ein Hundedämon gewesen war. Das wäre wohl kaum hilfreich. Jetzt sollte er erst einmal zusehen, dass er seine neuen, einzigen Freunde in Sicherheit brachte. Fürst Naraku lehnte sich nachlässig ein wenig zurück: „Mein lieber Hakudoshi, das ist nicht dein Ernst. Soll das heißen, dieses Ungeheuer hat es geschafft einen mit überaus starken magischen Sprüchen versehenen Gitterzaun zu brechen, an meinen überaus wachsamen Posten vorbeizukommen und zu fliehen?“ Er selbst hatte das Monster aus dem Todeswald nie gesehen, aber der ehemalige Fürt Takemaru hatte ihm gesagt, dass es ein seltenes Wesen sei, wohl ein Tier vom Kontinent, vermutete er. Nun, was ging ihn das an. „Ja, verehrter Vater.“ Der junge, weißhaarige Mann sah unbeweglich zu Boden. Ihm war klar, wer die Schuld dafür bekommen würde. Schließlich war es seine Idee gewesen, auch diese Kagome dem Ungeheuer vorwerfen zu lassen – ohne Absprache mit dem Fürsten. Und Vaters Strafen waren stets phantasievoll – und überaus schmerzhaft. „Dann fang es wieder ein. Schnell. - Ich muss nach Machi.“ „In die Hauptstadt? Darf ich fragen...“ Aber eigentlich war es gleich. Es würde keine Bestrafung geben, wenn es ihm gelang das Ungeheuer wieder einzufangen. Und es hatte nur wenige Stunden Vorsprung.... „Ja, ich muss die Heirat deiner Schwester vorantreiben. Sie braucht für mich zu lange.“ „Ist der Shogun noch nicht immer willens?“ „Wir wollen doch seinen vollen Titel nennen. Seii Taishogun, Sieger über die Barbaren, großer General.“ Naraku lächelte fein: „Der Arme wird ihn nicht mehr lange tragen, so ehrenvoll er ihn nach seinem Sieg über die Invasionsarmee auch erhalten hat.“ „Ich habe nie begriffen, warum der Mikado nicht selbst ging.“ „Eine Prüfung für den Sohn und Erben, vermute ich. Und die hat er erfolgreich bestanden. Bedauerlicherweise. Immerhin hatte es mich einige Mühe gekostet, die Barbaren zum Einfall zu bewegen. - Nun, bestehe deine Prüfung, mein Sohn.“ „Ja, verehrter Vater.“ Das war ein Wink mit mehr als einem Pfahl gewesen. Er musste dieses Ungeheuer wieder einfangen, koste es, was es wolle – oder Vater würde ihn umbringen. Hakudoshi gab sich nicht der Illusion hin, der Fürst würde ihn als Ältesten verschonen. Schon früh in seinem Leben hatte ihm dieser gesagt, dass er ihn jederzeit ersetzen könnte. „Dann gehe. Ich werde für die Zeit meiner Abwesenheit dir die Vollmacht erteilen.“ „Danke.“ Hakudoshi verneigte sich noch einmal tief, ehe er das Zimmer des Fürsten verließ. Das war das erste Mal. Anscheinend vertraute ihm Vater doch einigermaßen. Die Jagd auf das Ungeheuer durfte er folglich nicht vermasseln. Der Fürst sah ihm nach. Seine Gedanken waren seltsam vielschichtig: Das Ungeheuer, mochte es auch entkommen sein, war unwichtig. Sein Schwerpunkt lag in der Hauptstadt, genauer, bei der geplanten Hochzeit seiner Tochter Kagura mit dem Shogun, dem Erben des Kaisers. Da dieser allerdings bedauerlicherweise noch zögerte, müsste er neue Pläne schmieden, neue Verbündete suchen. Der Mikado hatte sich aus den Amtsgeschäften weitgehend zurückgezogen, das regelte nun alles sein Sohn. Der war relativ unerfahren und könnte manche Falle übersehen. Ja, zweigleisig fahren, oder sogar noch mehr Pläne in der Schublade haben... Sollte das Ungeheuer aus dem Todeswald doch tun, was es wollte. Vermutlich war es nun auf den Geschmack von Menschenfleisch gekommen und würde draußen auf die Jagd gehen wollen. Umso einfacher war es zu finden. Akago sollte Hakudoshi überwachen, dann war der Jüngere auch genügend beschäftigt. Seine Söhne besaßen beide Ehrgeiz und stritten um seine Gunst – noch konnte er das gut gebrauchen. Der Fürst sah auf: „Heda!“ Sofort kam ein Diener herein und warf sich zu Boden. „Ich will Akago sprechen.“ „Sofort, Herr?“ Naraku hob die Augenbrauen: „Ein Problem für dich?“ „So...soweit ich informiert bin, mein Fürst, befindet sich der junge Herr momentan im Kerker.....“ „Sofort.“ „Ja, Herr.“ Der Fürst von Teien musste nur fünfzehn Minuten warten, ehe sein Jüngster hereinkam und sich tief verneigte, ehe er niederkniete, ohne seine Besorgnis zu zeigen. War er seinem Vater nicht schnell genug bei der Wiederbeschaffung der Juwelensplitter? Die ersten Stücke waren einfach gewesen, aber es sollte ja auch unauffällig sein, und selbst, wenn Naraku ihm einige Orte der Splitter in und um Shuto genannt hatte, so benötigte es doch Zeit, wie gewünscht behutsam vorzugehen. Tote Dämonen in gewisser Anzahl würden doch auffallen.... „Lieber Akago, ich gönne dir deine sadistischen Spielchen. Du kannst auch gleich zurück.“ „Danke, mein Fürst und Vater.“ Das klang nicht nach Tadel und Bestrafung. Akago atmete unwillkürlich auf. „Ich reise in die Hauptstadt. In der Zwischenzeit habe ich Hakudoshi zum Regenten ernannt. Er sollte allerdings voll und ganz mit der Jagd nach dem entflohenen Ungeheuer beschäftigt sein.“ Er sah durchaus, dass sein jüngerer Sohn aufmerkte. „Ich möchte, dass du mir später berichten kannst, was er sonst noch so alles trieb. Natürlich mit Beweisen. Aber keine Aussagen. Ich kenne dein Talent für Verhöre unter Folter.“ „Danke, verehrter Vater.“ Akago hatte den Hinweis durchaus verstanden. Hakudoshi war der Regent – aber er sollte ihn überwachen. Vater vertraute ihm also mehr. Nun, es würde kaum ein Problem darstellen, den lieben älteren Bruder des Verrates zu überführen. Hakudoshi neigte dazu Befehle nicht so ganz wörtlich auszuführen. War er tot, wäre er, Akago, der einzige überlebende Sohn und Erbe. Und da Vaters Pläne weit über Teien hinaus reichten auch der Erbe des Reiches. Alles, was er tun musste, wäre zu warten. Hakudoshi besaß nicht die dafür notwendige Geduld. Und er schon. „Dann geh wieder an dein Vergnügen. Oh, und sorge dafür, dass die Leiche gründlich entsorgt wird. Menschen reden gern und ich will die einfache Bevölkerung nicht verschrecken.“ „Ja, danke, Vater.“ Akago verneigte sich, ehe er aufstand und ging. Dieser kleine Taschendieb war seiner vollen Aufmerksamkeit eigentlich nicht würdig, aber nichtsdestotrotz diente so etwas stets seiner Weiterbildung. Naraku stand auf und reckte sich ein wenig. Die beiden Söhne spurten. Mal sehen, wer von ihnen den anderen ausstach. Jetzt wurde es Zeit, sich einmal um die verlorene Tochter zu kümmern. Dachte Kagura eigentlich, dass er sie ohne Grund als Hofdame untergebracht hatte? Der Platz war teuer genug gewesen. Und noch immer hatte sie es nicht geschafft, den Shogun von ihren Vorzügen zu überzeugen. Allerdings hatte Kanna, seine zweite Tochter, bestätigt, dass sich Kagura Mühe gab. Nun, entweder nicht genug, oder aber der gute Sesshoumaru war nicht an Frauen interessiert. Wie peinlich für den Kaiser – und was für ein Skandal, wenn das herauskam. Auch das würde er in der Hauptstadt in die Wege leiten, neben einigen anderen Kleinigkeiten. Und Kanna wäre dabei eine wichtige Hilfe. Er schätzte es immer, mehrere Spiele gleichzeitig offen zu halten, das erhöhte nicht nur seine Chancen auf den Sieg, sondern schützte ihn auch vor Entdeckung. Kleinigkeiten fielen weniger auf als eine große Aktion – und hinterließen weniger Spuren. Inu Yasha blieb stehen, als die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont kamen, und gab Kagome frei, die etwas erleichtert auch Sango losließ, die wiederum den Mönch. „Wohin müssen wir?“ erkundigte sich der Halbdämon. „Nach Westen,“ erwiderte Miroku: „Nordwesten, um genau zu sein.“ „In dieser Richtung leben auch meine Leute,“ meinte Sango: „Auf halbem Weg. Dort werden wir Zuflucht finden. Aber zuerst einmal müssen wir aus dem Bezirk Teien hinaus. Sobald Naraku deinen Ausbruch bemerkt, Inu Yasha, wird er die Jagd eröffnen.“ „Vermutlich,“ murrte der: „Aber ich werde schon damit fertig.“ „Ach, und wir?“ fragte Kagome: „Naraku mag ja denken, dass wir gefressen worden sind, aber wir existieren trotzdem.“ „Schon klar.“ Inu Yasha zuckte die Schultern: „Dann sollten wir hier keine Wurzeln schlagen.“ „Und ich habe mein Schwert und Bumerang, Kagome,“ tröstete Sango: „Damit werde ich auch mit Dämonenkriegern fertig, glaube mir. Und Miroku hier hat eine Geheimwaffe.“ Das Mädchen sah fragend zu dem Mönch. Der hob etwas die Linke: „Die Gebetskette hier ist keine Verzierung, Kagome. Geheimwaffe, nun ja. Es ist ein tödlicher Fluch, der mich früher oder später umbringen wird.“ „Redet unterwegs.“ Der Halbdämon setzte sich in Bewegung, nicht daran gewöhnt, mit anderen Leuten zu reden oder gar zuzuhören: „Die Sonne ist aufgegangen und wenn das keine Idioten sind, wird jemand bei der Wachablösung merken, dass da ein Posten fehlt.“ „Ich habe dir doch gleich gesagt, dass ein Mord keine gute Idee ist!“ fauchte Kagome prompt. „Das ist es nie!“ „Das kannst du Menschen sagen, aber nie Dämonen.“ Inu Yasha ging energisch voran: „Im Übrigen: wenn ich den Kerl nicht umgelegt hätte, wärst du jetzt schon tot.“ Das mochte stimmen, aber ….irgendwie fand sie es nicht richtig. Naraku musterte die Hauptstadt des Reiches, als er, begleitet von Dämonenkriegern, in seiner Sänfte von der dafür gedachten fürstlichen Station nach Machi getragen wurde. Bis hierher war er selbst gelangt. Der Kaiser hatte das Fliegen innerhalb der Residenz allerdings verboten – außer seinen eigenen Boten. Der Wohlstand der Metropole war kaum zu übersehen, ebenso wenig wie die Händler und Märkte. Eines musste man dem Mikado lassen: er verstand es, Handel zu fördern, Reichtum zu schaffen. Wie, das würde er wohl auch seinem Sohn beigebracht haben. Der Fürst von Teien hatte die Absicht diesen Reichtum für sich zu nutzen und den Adel, gerade die Provinzfürsten, zu entmachten. Sicher, auch er musste sich vor dem Kaiser und dem Shogun beugen, aber zuhause konnte er im Endeffekt machen, was er wollte. Entweder der Mikado hatte das übersehen oder aber eher, es war ihm gleich. Er war alt geworden, wohl auch schwach, und hatte seinem Erben die de-facto-Macht überlassen. Der Weg zur Macht führte also über den Shogun, nicht über den Kaiser, und Naraku war entschlossen, das zu nutzen. Die Sänfte wurde in den Hof seines Stadtpalais getragen. Da war ja auch seine treue Tochter. Kanna. Sie war zu jung, um als Hofdame arbeiten zu können, aber genau deswegen war sie als Spionin für ihn so erfolgreich. Niemand verdächtigte ein Kind, selbst, wenn sie einmal auffiel. Er stieg aus. „Kanna..“ „Willkommen, verehrter Vater.“ Sie klang monoton wie immer. Er wusste, dass das sozusagen ein Geburtsfehler war. Sie besaß kaum Gefühle, geschweige denn, dass sie sie zeigen konnte. „Komm, gehen wir hinein in mein Arbeitszimmer. Ich warte auf deine neusten Informationen. Kagura ist nicht hier?“ „Sie hat Dienst im Hause des Shogun.“ „Als Hofdame.“ „Ja.“ In seinem Arbeitszimmer setzte er sich: „Warum geht da nichts vorwärts?“ „Ich weiß es nicht, verehrter Vater. Kagura ist auch verzweifelt. Nichts, was sie unternimmt, scheint den Shogun zu rühren. Sie möchte nun, wenn es Euch gefällt, sehen, dass sie als Hofdame dem Mikado zugeteilt wird. Wenn der Kaiser befiehlt, muss auch Sesshoumaru gehorchen.“ Naraku dachte kurz nach: „Noch nicht. Der Einfall an sich ist zwar nicht schlecht, aber das ist noch der Plan B. Ich habe selbst eine Idee. - Du bist sicher, dass sich Kagura Mühe gibt.“ „Ja, verehrter Vater.“ „Du überwachst sie unauffällig.“ Er sah ihr hauchdünnes Lächeln: „Gut. - Betrachte in deinem Spiegel auch deine Brüder. Vor allem, Akago. Hakudoshi wird genug mit dem Ungeheuer beschäftigt sein.“ „Ja.“ „Und wirf, vor allem nachts, einmal einen Blick auf den lieben Sesshoumaru. Wenn er nicht allein liegt – wer ist bei ihm?“ „Ja.“ „Dann kannst du gehen.“ Der mächtige Shogun beachtete die Dämonen und Menschen nicht, die sich vor ihm rechts und links in den Gängen des Palastes zu Boden warfen. Er war in Gedanken. Wie jeden Abend würde er seinem Vater Bericht erstatten, was das Tagesgeschäft so ergeben hatte, gemeinsam weitere Entwicklungen besprechen. Seit geraumer Zeit, genauer nun mehr als hundert Jahren, hatte sich der Kaiser zurückgezogen, trat nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Vater hatte das offiziell damit begründet, dass er, Sesshoumaru an die Regierung und vor allem das Militärwesen herangeführt werden sollte. So war er auch der Befehlshaber der Armee gewesen, die das Invasionsheer des Festlandes zurückgeworfen hatte, eine Tat, die mit seinem neuen Titel belohnt worden war – und mehr Macht. Gleichzeitig war ihm jedoch klar, dass diese Macht auch Verantwortung bedeutete. Und er hätte es lieber gesehen, wenn sein Vater ihn mehr unterstützt hätte. Aber das konnte er wohl nicht. Seit langen Jahrzehnten war es, als ob ein Schatten über der Seele des mächtigsten Dämons liege. Würden Wesen seiner Art krank werden könnten, so hätte er dies vermutet. Diener rissen die Türen vor ihm auf, bis er direkt vor dem Arbeitszimmer des Mikado angekommen war. Die dort Wache stehenden Hundedämonen verneigten sich tief, ehe einer die Tür einen Spalt öffnete: „Der mächtige Shogun ersucht um Audienz.“ „Lasst ihn ein.“ So fand sich Sesshoumaru bald allein mit seinem Vater. Er verneigte sich höflich und nahm auf dessen Wink hin Platz. „Nun, mein Junge? Gibt es Wichtiges?“ „Nein. Und ja. Die Tochter des Fürsten von Teien, diese Kagura, beginnt, mir auf die Nerven zu gehen. Am liebsten würde ich sie nach Hause schicken, aber der Provinzfürst könnte das als Beleidigung auffassen.“ „Möglich. Diese Hofämter sind in der Regel teuer. Und es sollte dich nicht wundern, dass die Damenwelt hinter dir her ist. Abgesehen von der Tatsache, dass du gut aussiehst und ein starker Dämon bist – Macht macht auch sonst attraktiv.“ In der Stimme des Kaisers lag eine seltene Emotion: „Man sollte sich nie darauf verlassen. Hättest du denn eine andere im Blick?“ „Noch nicht, verehrter Vater.“ Sesshoumaru zögerte etwas, ehe er meinte: „Ihr würdet nicht in Erwägung ziehen, einmal wieder in der Öffentlichkeit zu erscheinen?“ „Ist es notwendig?“ „Es laufen im Land erste Gerüchte um, dass Ihr nicht mehr am Leben seid und ich das nur verheimliche, um weiterhin regieren zu können.“ „Diese Gerüchte werden von jemandem gestreut, der deine Erbfolge in Zweifel setzen will.“ „Davon ist auszugehen. Nur wer? Ich habe unsere Agenten darauf angesetzt. Aber es ist schwer.“ „So werden wir gemeinsam....sagen wir, einen großen Tempel einweihen. Welcher ist als nächstes fertig?“ „Ich weiß es nicht auswendig, verehrter Vater.“ „Oder, noch besser, Truppenschau halten. Falls irgendjemand Gerüchte ausstreut, sollte ihn diese kleine Machtdemonstration erst einmal ruhig stellen.“ „Das dürfte kein Problem sein. Der Kern des Heeres befindet sich momentan keine Woche von hier zu Übungszwecken. Ich werde sie zurückrufen.“ „Gut. Was liegt sonst noch an?“ Eine Stunde, nachdem ihn sein Sohn verlassen hatte, erhielt der Mikado eine Nachricht. Ein winziger Flohgeist kam durch das Fenster herein, sichtlich müde und erschöpft. „Myouga.“ „Mein Herr...“ Der Kleine sprang auf die Schulter: „Ich habe wichtige Neuigkeiten.“ „Du hast sie gefunden?“ Der Kaiser richtete sich abrupt auf. Seit fast hundert Jahren schickte er seinen Vertrauten immer wieder auf eine bestimmte Suche – aber das Reich war groß und ein Flohgeist klein. „Ja, leider, sozusagen. Sie ist tot.“ „Was....“ Er atmete tief durch: „Natürlich, Menschen sterben so schnell...Hat sie noch Verwandte? Wo hast du sie gefunden?“ „Sie war eine Prinzessin von Teien.“ „Dann ist sie mit Fürst Naraku verwandt gewesen?“ „Sicher nicht. Sie waren Menschen, die Fürsten von Teien, bis Naraku kam. Aber Prinzessin Izayoi war die Tochter des vorletzten Fürsten. Ihr Halbbruder hatte dann die Macht übernommen. Er starb und Naraku wurde Fürst.“ „Hat er...Izayoi..?“ „Nein, sie war schon tot, ehe Naraku kam. Aber, Herr.....Es hieß in den Unterlagen, dass die Prinzessin einen Sohn hatte, dessen Vater sie verschwieg. Angeblich sei er verstorben, also, der Sohn.“ Der Mikado verkrampfte unwillkürlich seine Rechte: „Einen Sohn?“ „Einen Halbdämon. Was aus ihm wurde, weiß ich nicht. Niemand im Schloss kann sich mehr an ihn erinnern, die Menschen sind tot und die Dämonen kamen mit Naraku, und es gibt auch keine weiteren Unterlagen. Allerdings auch kein Grab. Nur das von Prinzessin Izayoi.“ „Einen Sohn. Ich habe einen zweiten Sohn – und keiner weiß, was aus ihm wurde.“ Der Kaiser atmete erneut tief durch: „Als sie von hier verschwand, muss sie doch bereits gewusst haben, dass sie schwanger ist. Warum nur hat sie nichts gesagt? Ich hätte ihr doch helfen können.“ Er hätte alles für sie getan – und ihr scheinbarer Verrat, der zweite Verrat der zweiten Frau in seinem Leben, hatte ihn tief getroffen. „Herr, ich fürchte, die junge Dame meinte es gut. Eine menschliche Geliebte hätte Euch vermutlich keinen Respekt eingetragen. Und ein halbblütiger Sohn erst recht nicht. Bedenkt die dämonische Gesellschaft. Übrigens auch die menschliche. Beide stehen derartigen gemischten Verbindungen nicht sehr offen gegenüber. Und bedenkt, dass sie Euch gegenüber sich auch als einfaches Mädchen ausgab. Sie erwähnte doch nie, dass sie eine Fürstentochter wäre. Womöglich hatte sie auch Angst, dass Ihr das herausfinden könntet.“ „Wir haben uns ja auch nie offiziell getroffen.“ Auf einem seiner seltene Waldspaziergänge waren sie sich über den Weg gelaufen, dort hatten sie sich auch immer getroffen – bis sie nicht mehr gekommen war. War sie verschwunden, weil sie erfahren hatte, wer er war? Er hatte sich ihr nur mit seinem kleinen Titel als Heerführer der Hunde, vorgestellt – hatte sie irgendwie erfahren, dass er der Kaiser war? Und aus Schreck oder falsch verstandener Rücksicht ihn verlassen? Was war mit ihr dann geschehen? Und mit seinem Sohn? Sollte er Naraku fragen? Nein, eher nicht. Der war kein Mitglied der menschlichen Fürstenfamilie und was Myouga herausgefunden hatte, war alles, was man aus den Unterlagen ersehen konnte. Er müsste sich wieder mehr an der Regierung beteiligen, zum einen, um Sesshoumaru zu entlasten und das Gerede zu beenden, zum anderen, um seinen zweiten Sohn zu finden, so er vielleicht doch noch am Leben war. Aber davon sollte sein Ältester noch nichts wissen. Er schätzte Menschen nicht und würde wohl auch an einem halbdämonischen Bruder keine Freude haben. Und das war noch milde ausgedrückt. ** Es kann ein Fehler sein, seinen Kindern zu misstrauen – oder weise Erkenntnis. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)