Leben und Lieben von ellenorberlin ================================================================================ Kapitel 7: Unterdrückte Gefühle ------------------------------- * Die Laterne vor dem Wohnhaus flackert immer wieder in einem Abstand von etwa zwei oder drei Minuten, trotzdem leuchtet sie dann jedes Mal tapfer weiter, als ob jemand sie anfeuern würde. Meine durchscheinenden Vorhänge sperren das Licht nicht ganz erfolgreich aus, so dass ich die Umrisse meiner spärlichen Möblierung erkennen kann Das Sofa knarzt unter mir, als ich mich umdrehe und nun die Rückenlehne anstarre. Ich weiß, dass es eigentlich rot ist, aber die Dunkelheit macht alles grau in meiner Wohnung. Mit den Fingern streiche ich über den abgenutzten Stoff und finde ein kleines Loch in das ich meinen Zeigefinger kurz hineinstecke und so das trockene Innenfutter fühlen kann. Es ist nicht das einzige Loch und in einer Ecke von dem billigem Polster gab es auch einige Flecken, weil mir vor einer Ewigkeit mal Soße auf das Sofa getropft ist die irgendwie nie richtig rausging. Ich schlafe nun schon seit fast 10 Jahren auf diesem Ding! Das einzige Möbelstück das ich aus einem Elternhaus vor ein paar Monaten mitgenommen hatte, als ich wegzog. Es ist alt, kaputt und dreckig. Trotzdem verbindet es so viele Erinnerungen an früher und ein neues kann ich mir ohnehin nicht leisten, rede ich mir ein. Meine Schulter fängt an zu schmerzen, weil mich etwas hartes in dem Sofa drückt, wahrscheinlich eine Feder, und ich drehe mich wieder ächzend auf den Rücken und starre an die Decke. Meine Augen huschen kurz zu dem Wecker den ich neben mir auf den Boden gestellt habe, doch ich kann in der Dunkelheit nichts erkennen und greife nach ihm. Wieder flackert die Laterne draußen und nur mit Mühe kann ich die Ziffern erkennen. 3:36 Uhr. Seufzend lasse ich den Wecker wieder auf den Boden sinken und starre weiter an die Decke. Meine Kopf ist zu voll um schlafen zu können und so drehe ich mich schon seit Stunden von einer auf die andere Seite, starre vor mich hin und versuche nicht zu denken. Vorhin war ich für kurze Zeit eingeschlafen, doch meine Träume haben mich nicht schlafen lassen, denn wieder befand ich mich darin vor der gläsernen Tür. Augen die mich anstarrten, Hände die über meine Haut fuhren, Stimmen die mir verachtend zuflüsterten. Zitternd habe ich dagelegen, bestimmt fast eine Stunde und konnte mich kaum wieder beruhigen. Nun kann ich gar nicht mehr schlafen, denn wieder und wieder denke ich an Dinge an die ich nicht denken will. Warum war mir das passiert? Warum ich? Warum... Ich habe die letzten Tage versucht erfolgreich die Gedanken und Erinnerungen zu verdrängen, zumal Kira viel Platz einnahm und Lukas Gelaber mich die restliche Zeit beschäftigen konnte, aber sobald ich die Augen schließe sind sie wieder da. Sind wieder die Hände da die mich berühren, die Stimme die mir ins Ohr flüstert während 'er' sich an mir Befriedigung holt. Mich immer wieder berührt. Bilder wie 'er' sich an mir reibt, mir seinen Penis gegen die Haut drückt. Mir wird wieder schlecht und ich stehe auf um ins Bad zu gehen. Sich kaltes Wasser ins Gesicht zu spritzen kann manchmal helfen, aber manchmal auch nicht. Manchmal fühlt man sich dann nicht nur einfach scheiße sondern dazu auch noch nass! Meine Augen sind gerötet und wund, und mein Gesicht sieht durch den Sprung im Spiegel noch verzehrter aus. Mir ist immer noch schlecht, in meiner Kehle brennt es und in meinem Kopf ist ein stetiger Druck der mich verrückt macht. Im Moment fühle ich mich einfach nur elend, leer und vollkommen übermüdet. Der Drang wieder etwas tun zu müssen überfällt mich und ich komme mir zerrissen vor. Ich würde am liebsten wegrennen, irgendwohin. Egal wohin. Nur weg... Aber ich tue es nicht. Nein, ich bleibe hier, in meiner schrecklichen Wohnung, mit meinen schrecklichen Nachbarn, mit meinen schrecklichen Ängsten. Allein. In der Schule bekomme ich ein wenig Ablenkung, denn heute habe ich Kunst. Das einzige Fach in dem ich wirklich gut bin und die Lehrerin Frau Schinker ist auch sympathisch. Zwar seltsam, aber sehr freundlich. Gerade heute genieße ich ihr Lob für das neue Projekt, an dem jeder in unserer Klasse schon schon seit 2 Wochen arbeitet. Ein Stillleben im Stil von Van Gogh. Gar nicht so leicht. Ich habe mir einen Pflaumenbaum ausgesucht wegen den schönen weißen Blüten. Die erste Hälfte der Doppelstunde ist fast vorbei und ich sitze in meiner Ecke, versuche die anderen zu ignorieren die nur lustlose auf ihrem Papier herum panschen und lieber die Zeit für Unterhaltungen nutzen. Unsere Lehrerin ist währenddessen ganz vertieft in ein Buch über Van Gogh und sein Leben. Sie ist ganz vernarrt in diesen Künstler. Es Klingelt für die kleine Pause, doch ich bleibe weiter über meinem Bild sitzen, während die anderen ihre Pausenbrote auspacken und quatschen. „Entschuldige?“, sagt eine leise und hohe Stimme vor mir und ich schaue überrascht auf. Ein Mädchen mit braunen Locken, die ihr über die Schultern fallen und schmaler Figur steht vor meinem Tisch und schaut mich etwas Schüchtern an. Sie ist etwas Dürr und nicht besonders hübsch. Wie heißt sie noch gleich? Melani? Nein, irgendwas mit Mandy vielleicht. Ach egal. „Ja?“ „Ähm...also...ich habe Schwierigkeiten mit meinem Bild. Ich weiß nicht wie ich den Schatten setzen kann und äh du kannst doch so gut malen, da dachte ich...“, druckst sie herum und macht eine Handbewegung zu ihrem Platz hin, wo ihre Banknachbarin sitzt und sich prächtig zu amüsieren scheint. Wollen die mich irgendwie veräppeln? Trotzdem nicke ich und stehe auf um mir zumindest ihr Bild anzusehen. Das Mädchen folgt mir und wirkt immer noch irgendwie schüchtern. Denkt sie ich fresse sie gleich oder was? Bedächtig überfliege ich ihr Blatt, wo sie mit dunklen Acrylfarben versucht hat eine Landschaft zu malen. Ihre Bäume sehen irgendwie schief und grob aus. Kurz erkläre ich ihr, wie sie die Schatten realistisch zum Licht des Mondes setzen kann und bemerke immer wieder wie ihre Banknachbarin merkwürdige Blicke zu uns rüber wirft und verhalten lächelt. „Hier musst du auf den Winkel besonders achten, wegen der abstehenden Äste. Und versuch nicht so gerade zu malen, dadurch wirkt es nicht realistisch. Hier zum Beispiel sieht dein Baum viel zu gerade aus. Versuch etwas mehr Schwung hinzubekommen und du malst zu großflächig aus, das passt nicht zu Van Gogh.“ Während ich erkläre, starrt sie mich die ganze Zeit so seltsam an. Und als ich sie kurz direkt ansehe überzieht ein leichter Rotschimmer ihre Wangen. Verwirrt versuche ich es zu ignorieren. Das kann schließlich nicht sein. Ein Mädchen wird nicht rot wegen mir. Vor allem nicht wegen mir. Sicher nur ein blöder Zufall. Als ich der Meinung bin, ich habe genug beraten, will ich mich umdrehen, doch sie spricht mich wieder an. „Ich heiße übrigens Merle.“ Dann eben Merle und nicht Melani, macht keinen Unterschied. „Aha.“ Was soll ich auch groß drauf antworten? „Und das hier ist Andrea.“ Sie deutet auf ihre Nachbarin die uns schon die ganze Zeit so seltsam zulächelt. „Tag auch! Wir haben uns ja bisher noch nie unterhalten, wird ja mal Zeit!“, sagt sie sehr enthusiastisch. Andrea sieht Merle so gar nicht ähnlich mit ihren kurzen aschblonden Haaren und der viel rundlicheren Figur. Meine Antwort ist wieder nur ein Nicken. Am liebsten würde ich zurück an meinen Platz verschwinden, die anderen gucken auch schon so komich zu uns rüber... „Sag mal hast du nächste Woche Samstag schon irgendwas vor?“, fragt sie mich fröhlich. „Ich?“ „Klar wer sonst.“ „Warum?“ „Sag einfach!“ Verdammt, irgendwas muss mir einfallen...ach ja! „Klar, Pascal hat mich da zu irgend so was eingeladen, Sorry.“ Kurz bin ich stolz über meine fast wahre Ausrede, denn zu der Party werde ich eh nicht hingehen, aber das muss sie ja nicht wissen. Aber Andrea sieht so gar nicht danach aus als wenn sie enttäuscht ist. Oh oh, ich ahne schlimmes... „Das passt doch Wunderbar! Weißt du..“, sie klopft Merle auf die Schulter. „...wir gehen da auch hin, stimmts Merle?“ Verdammter blöder Mist! Ganz tolle Idee Darius, wirklich! Wieder wunderbar hinbekommen... „Ja...“, krächzt sie leise als Antwort und wird wieder rot. Diesmal bin ich mir sicher, dass das kein Zufall ist, aber was soll ich denn jetzt machen? Was macht man denn sonst in so einer Situation? Ich entschließe mich ihr ein Lächeln zu schenken und sage ihr das es toll wäre, wenn wir uns dort sehen könnten. Sie lächelt schüchtern zurück und meint sie würde sich auch freuen. Dann klingelt es zur nächsten Stunde. Habe ich jetzt ein Date? Mit einem Mädchen? Eigentlich sollte ich mich freuen, aber irgendwie finde ich das ganze immer noch seltsam. Gut sie hat ganz hübsche Locken, aber sie sehen eher strohig aus, im Gegensatz zu Kiras blonden Strähnen. Sie hat auch nicht seine Augen. Welche Augenfarbe hat sie überhaupt? Ich hatte ihr gar nicht wirklich ins Gesicht gesehen. Weitere Gedanken schwirren durch meinen Kopf. Jetzt muss ich wohl zu der Party gehen, ich hatte es ihr jetzt ja quasi versprochen. Außerdem würde es vielleicht meinem Ansehen in der Schule etwas gut tun, wenn ich da mit einem Mädchen auftauche. Den Abend werde ich schon irgendwie überstehen, rede ich mir wieder ein. Ich muss nur immer nett zu Melani sein. Ach ne, Merle heißt sie ja. Schließlich gehört sich das doch so bei einem Mädchen. Man ist nett und vielleicht entwickelt sich ja was. Eigentlich ein ganz natürlicher Gedanke bei einem Siebzehnjährigen, nur irgendwie verspüre ich dabei nichts. Zumindest nicht das, was ich mir immer vorgestellt habe was man spüren soll. Das wovon die Jungs in meiner früheren Klasse schon mit Dreizehn angefangen haben zu reden. Nur ein flaues Gefühl im Magen, welches sich alles andere als schön anfühlt. Vielleicht bin ich einfach nur ein Spätzünder? Möglichst unauffällig schiele ich zu ihr hinüber und betrachte ihren lockigen Hinterkopf. Mein Blick wandert ihren schmalen Rücken entlang und ich versuche mir vorzustellen wie ihre kleinen Brüste aussehen würden. Nichts. Vielleicht kommt es noch. Vielleicht wenn ich mal ein Mädchen küssen würde, berühren würde. Unwillkürlich muss ich an Kiras weiche Haut denken und versuche mich wieder auf mein Bild zu konzentrieren, was mir jetzt reichlich schwer fällt. Der Himmel draußen hat sich gegen mich verschworen. Die ganze Zeit wünsche ich mir schon Regenwolken...von mir aus hätten es auch Hagelkörner oder auch ein Tornado sein können. Ich bin ja durchaus flexibel! Irgendwas, was es rechtfertigt nicht nach draußen zu gehen, doch ich wurde gnadenlos mit einem wolkenlosen Himmel und viel Sonnenschein bestraft. Böse Sonne! Also stehe ich jetzt doch unschlüssig vor meinem Kleiderschrank. In den letzten Stunden hatte ich mir den Kopf zerbrochen ob ich nun gehen soll oder nicht, hatte tausende Male Kiras Zettel zusammengefaltet und weggesteckt. Nur um ihn dann doch wieder hervorzuholen und anzustarren. Ich konnte mich nicht mal herausreden nicht zu wissen wo die Konzerthalle ist, denn ich war dort schon häufiger in der Nähe gewesen, als ich mal einen Job hatte als Flyerverteiler. Schließlich traf ich unter der Dusche eine Entscheidung...in meinem Magen kribbelte es ganz arg dabei. Nervös schiele ich zu meinem Wecker. 17 Uhr, noch habe ich eine menge Zeit, trotzdem fühle ich mich etwas gehetzt. Geht man auf Konzerte nicht früher hin? Ich bin mir sicher mal was davon gehört zu haben, wie Mädchen oft stundenlang anstanden nur um dann ganz vorne stehen zu können. Aber ich will gar nicht ganz vorne stehen, wo man nur von anderen getreten und zerquetscht wird. Oh nein bloß nicht... Und heiß wird es sein. Hmm... Wieder ein Blick in meinen spärlichen Kleiderschrank. Oh Gott, was im Himmel soll ich denn bitte anziehen? Noch nie habe ich mir Gedanken gemacht was ich mir anziehen soll! Warum tue ich das überhaupt? Ist es nicht eigentlich scheißegal? Ich kenne die Leute die dort sind eh nicht und Kira hat andere Dinge zu tun, als sich um mich zu kümmern. Zumal ich nicht mal weiß wie voll es da sein wird. Sicherlich werden wir uns nicht mal über den Weg laufen... Frustriert grabe ich mich durch meine Sachen, ziehe ein altes Shirt nach dem anderen raus und werfe es in eine Ecke wenn ich ein Loch im Stoff entdecke oder die Farbe schon total ausgewaschen ist. Etwas helles zieht meinen Blick auf sich, grübelnd buddle ich ein weiteres altes Longsleeve heraus, welches aber noch ganz passabel ausschaut, wenn es nicht schwarz-weiß gestreift wäre und lange Ärmel hätte. Trotzdem ist es gerade das beste was ich finden kann und so streife ich es über, ziehe noch eine passende dunkle Hose an und verschwinde nochmal im Bad, greife nach meiner Bürste und versuche Ordnung in meine Haare zu bekommen. Skeptisch betrachte ich das Gesamtergebnis in meinem kaputten Spiegel und verziehe den Mund. Wenigstens kein Schlabberlook und wie ein Penner sehe ich auch nicht aus....denke ich. Ein wenig eng ist das Oberteil aber schon, bei Gelegenheit sollte ich es wegwerfen. Da ich nicht meinen hässlichen Rucksack mitnehmen möchte, krame ich noch eine kleine silberne Umhängetasche heraus. Das dort links in der Ecke das Werbelogo einer Stromfirma steht ist mir dann jetzt auch egal, denn sonst benutze ich die nicht, weil es ein Werbegeschenk der Konkurrenzfirma von meiner Arbeit ist. Mein Chef wäre nicht so begeistert, wenn ich damit auf Arbeit herumspazieren würde. Die Bahn ist vollgestopft mit Leuten die gerade ihren verdienten Feierabend haben, deprimierte Blicke, erschöpfte Gesichter die gegen die Fensterscheibe gedrückt werden. Doch ich bin so verdammt Nervös, dass mir nicht mal die Enge und Hitze im Wagon bewusst ist. Oh warum mache ich das bloß? Nein, nicht drüber nachdenken, einfach nicht nachdenken! Du überstehst das! Nicht an die tausenden von Menschen denken die mich erdrücken werden, Ellenbogen die mich treffen könnten... Erleichtert steige ich endlich aus, bleibe aber dann doch unschlüssig auf dem Bahnhof stehen. Um mich herum sind mehrere Jugendliche, einige sind mit mir im selbem Zug gefahren, einige scheinen schon länger hier in Grüppchen herumzustehen. Wollen die etwa alle auf das Konzert? Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass ich gar nicht genau weiß wie bekannt Orphan eigentlich ist...und alle hier kennen Kira. Na gut vielleicht kennen sie ihn nicht direkt, aber trotzdem. Es behagt mir nicht. Quitschige Mädchenstimmen wehen zu mir herüber. „Ahh! Er ist so heiß! Ich werde mich auf jeden Fall ein T-shirt kaufen und...“ Ich schaue zum nächsten Grüppchen. Erstaunlich viele Mädchen... Lautes, hohes Lachen erregt meine Aufmerksamkeit, als ich die Treppe hinaufgehe um den unterirdischen Bahnhof zu verlassen. Ich erstarre augenblicklich. Oh nein....nein nein nein!! Bitte nicht! Meine Beine fühlen sich wie Pudding an, denn gerade kommt ein Gruppe Mädchen hinter mir die Treppe hoch, ich drehe vorsichtig den Kopf. Nein ich hatte mich nicht getäuscht! Es sind einige Mädchen aus meiner Schule, zwei davon gehen sogar in meine Klasse und die eine war das Mädchen welche damals meine Zeichnung von Kira gesehen hatte. Sie dürfen mich auf keinen Fall entdecken! Schnell haste ich die letzten Stufen hinauf, biege in die andere Richtung im Bahnhof hab und stelle mich so unauffällig wie möglich an einen Kiosk, versuche interessiert auszusehen während ich die Zeitschriften betrachte, sogar eine der Klatschzeitschriften in die Hand nehme und darin herumblättre. Meine Muskeln schmerzen vor Anspannung und ich knete nervös meine Hände. Wieder schiele ich vorsichtig zum Ausgang und atme erleichtert aus, als auch der letzte Minirock aus meinem Blickfeld verschwindet. Das war knapp...nicht auszudenken wenn sie mich gesehen hätten! Die Zeitschrift halte ich immer noch in der Hand und ein Artikel sticht mir ins Auge. Ein Artikel über Orphan. Soll ich...? Schnell prüfe ich ob der Kioskbesitzer mich schon schräg anschaut, aber dem scheine ich bisher noch nicht mal aufgefallen zu sein. Still fange ich an zu lesen. Der Leadsänger der zurzeit recht bekannten Band „Orphan“ ist der Grund schlafloser Nächte von vielen jungen Mädchen, doch hat dies nun ein Ende? „Er ist so heiß! Ich würde alles geben um seine Freundin zu sein!“, berichtet Nicole F. Sie und vielen anderen Fans hat der hübsche Leadsänger, der sich selbst Kira nennt, bereits den Kopf verdreht. Ist nun endgültig schluss damit? Denn Kira ließ sich auf der Gala letzte Woche mit einer neuen Schönheit sehen. Hand in Hand spazierten sie über den roten Teppich und warfen sich verliebte Blicke zu. (Foto, links) Weiter will ich gar nicht lesen. Stumm betrachte ich das Foto, das den Großteil der Seite einnimmt. Kira in seiner dunklen Jeans, den dunkelroten Stiefeln und einer stylischen Jacke. Neben ihm steht eine Mädchen, vielleicht nicht viel älter als er. Ihr rotes Haar ist hochgesteckt zu einer sehr eleganten Frisur, ein farblich passendes Kleid, die dazu passenden Schuhe... Sie geben ein hübsches Paar ab, er mit seinen breiten, männlichen Schultern, dem schön geschnittenen Gesicht und sie mit ihren großen Brüsten, den langen Beinen und der schlanken Taille. Ich könnte Kotzen! Schlagartig ist jede Freude, jede Nervosität verschwunden. Alles ist kalt in mir...bitter... Soll er doch mit seiner dämlichen Freundin versauern! Wütend stapfe ich die Straße entlang, gehe wahllos durch die Stadt. Warum bin ich eigentlich nicht nach Hause gefahren? Ich hab keine Ahnung....das hier allerdings bringt mich auch nicht weiter...so vergeude ich nur meine Zeit! Doch es tut gut zu laufen. Einfach durch die Stadt zu gehen die ich schon so lange kenne. Vor einem Café sitzen mehrere türkische Herren die sich lautstark über etwas in ihrer Muttersprache unterhalten und dabei vergnügt aussehen. Ich setze mich spontan an einen Tisch daneben und hoffe unbemerkt von der Kellnerin zu bleiben die geschäftlich durch die Tische geht und Bestellungen aufnimmt. Meine Hände finden ihren Weg in meine Haare und zerstören die Frisur um die ich mir vorhin noch Sorgen gemacht habe. Ist doch eh sinnlos. Ich sehe auch nicht besser aus mit gestylten Haaren. Nicht so wie dieses Mädchen auf dem Foto, mit ihrer perfekten Frisur die wahrscheinlich irgendein teurer Friseur ihr gezaubert hat. Tiefes Seufzen, ein Knoten in meiner Kehle. Was ist nur mit mir los? Bin ich etwa neidisch? Jetzt vergleiche ich mich schon mit Frauen. Ich bin ein Kerl verdammt! Nicht so männlich wie Kira und nicht ansatzweise so groß, aber trotzdem unverkennbar kein Mädchen! Würde es mir etwa besser gehen wäre ich eins? Abschätzig und etwas unsicher horche ich in mich hinein. Nein...nein wirklich nicht. Ich bin eigentlich ganz gerne ein Junge. Erleichtert über den Gedanken keine Transe plötzlich zu werden schaue ich mich in dem Café um. Zwei kleine Kinder sitzen neben ihrer Mutter in einer Ecke und rutschen ungeduldig auf ihren Sitzen herum, weil sie lieber toben würden als still da zu hocken. Daneben sitzen mehrere ältere Damen die wohl ihren Kaffeeklatsch dort abhielten und auf der anderen Seite scherzen Zwei Typen miteinander, sie sind vielleicht so ende Zwanzig. Den obersten Knopf vom Hemd haben sie beide wegen der Hitze lässig geöffnet und der eine trägt eine dunkle Brille. Sie scheinen sich wirklich gut zu verstehen, denke ich noch und beobachte wie sie sich plötzlich stumm in die Augen sehen. Fast liebevoll, vertraulich... Und dann küssen sie sich. Kurz, aber zärtlich. Dann wieder ein Lächeln das ausgetauscht wird. Ich bin viel zu sehr geschockt um zu merken wie offensichtlich ich sie anstarre. Es ist nicht so, dass ich komplett weltfremd bin. Ich bin soweit aufgeklärt um über Homosexualität Bescheid zu wissen. Aber darüber mal im was gelesen oder gehört zu haben ist was ganz anderes als es zu sehen! Ich fühle mich wie vor den Kopf gestoßen. Sie haben sich geküsst, mitten in der Öffentlichkeit...oh man. Ist ihnen das nicht peinlich? Das ist doch komisch. Ich meine sie sind schließlich beide Männer. Mit einem Mal waren auch andere Gedanken wieder in meinem Kopf. Die Nacht in der Seitenstraße im Regen...die Stimme, die Hände... Es war einfach nur grauenhaft, ekelerregend, schrecklich, erniedrigend. Abartig! Wie können nur Männer so etwas miteinander tun...ich kann mir nicht vorstellen das dies schön sein kann. Nicht ansatzweise. Ich kam mir nur dreckig und benutzt vor. Immer noch starre ich, kann gar nichts dagegen tun bis mich einer der beiden bemerkt und schief anlächelt. Mit hochrotem Kopf sehe ich schnell auf die Tischplatte, hoffe darauf das er nicht merkt was ich gerade gedacht habe. Ich will nicht das jemals jemand weiß was passiert ist. Das wäre einfach nicht auszudenken! Vielleicht sollte ich lieber gehen, aber wohin? Nach Hause? Bei dem Gedanken an meine Wohnung bekomme ich nur schlechte Laune. Das Konzert kommt auch nicht in Frage. Aber...warum eigentlich? Warum bin ich immer noch so wütend? Kira kann doch mit jedem Mädchen ausgehen mit dem er will. Er hat doch gar nichts verwerfliches getan. Aber warum fühlt es sich trotzdem so an? Ich sollte mich nicht mit so was herum plagen, schließlich hat er mich doch eingeladen. Und hey, jedes Mädchen würde sich wohl alle Fingernägel einzeln ausreißen um auf der Gästeliste zu stehen und ich muss mich überwinden um überhaupt hinzugehen. Das wäre fast zum lachen, wenn ich es nicht so furchtbar ernst nehmen würde. Aufgewühlt bin ich dann tatsächlich aufgestanden und herumgewandert. Ob unbewusst oder nicht aber jetzt stehe ich einige Meter entfernt vom Haupteingang der Konzerthalle. Oben prangen die Buchstaben für alle sichtbar. Columbiahalle...sieht groß aus. Wie viele Menschen da wohl hineinpassen? Draußen stehen immer noch viele Mädchen und ein paar wenige Jungen und quetschen sich in die Halle. Scheinbar war der Einlass schon längst und das hier war der letzte Rest. Ob ich überhaupt noch hinein kommen? Wenn ich denn überhaupt rein möchte. Draußen sitzen einige Jugendliche die scheinbar keine Karte ergattern konnten und trotzdem bekommen sind. Warum geht man zu einem Konzert wenn man nicht hinein kann? Werde ich wohl nie verstehen... Die Menge vor der Halle wird immer weniger und langsam komme ich mir ganz schön blöd vor hier einfach nur herum zu stehen, aber wo muss ich eigentlich überhaupt hin? Scheiße bin ich nervös! Bevor auch die letzten Besucher in die Halle gelotst wurden, gebe ich mir einen Ruck und spreche einen der Securitys an, der mich erst skeptisch mustert, bis er mich zu einem anderen Typen bringt Als er mich nach meinem Namen fragt fällt mir plötzlich etwas siedend heiß ein. Kennt Kira eigentlich meinen Nachnamen? Ich habe ihm nie meinen Nachnamen gesagt! Wie konnte er mich denn auf die Liste setzen wenn er nicht weiß wie ich heiße? „Darius...Dohle.“ Antworte ich und bin dabei schrecklich nervös. Gleich wird er mich wegschicken, weil es keinen auf der Liste gibt mit dem Namen. Er wird lachen, mich vielleicht sogar für irgendeinen Stalker oder bekloppten Fan halten. Er wird... „Ok, komm mit.“ Was?! Verdattert stolpere ich hinterher und versuche die bösen und neidischen Blicke von einigen Konzertbesuchern zu ignorieren. Ok...das kommt überraschend. Bei Gelegenheit werde ich ihn danach fragen, doch jetzt habe ich keine Zeit mehr darüber zu grübeln. Meine Augen wandern neugierig durch die Halle die vollgestopft ist mit Leuten bis oben hin! Sau heiß ist es auf jeden Fall und sehr laut. An einem von vielen Mädchen belagerten Stand wird überteuertes Merchandise verkauft. T-shirts, Poster, Wallscrolls und so weiter... Ich werde zu einer Garderobe geführt wo ich meine Tasche abgeben kann und dann geht es durch eine von einer Security bewachten Tür, hinter der eine Treppe nach oben führt. In der Halle gibt es oben so etwas wie eine 2. Etage von der man aus das Konzert beobachten kann und ein großer Teil auf der vorderen rechten Seite ist abgesperrt. Dort werde ich nun hingebracht und etwas unsicher betrachte ich die wenigen Personen die auch dort stehen. Eine bunte Mischung aus ein paar Mädchen und Jungen und auch eine etwas ältere Frau. Die Mädchen mustern mich komisch und die anderen ignorieren mich zum Glück einfach. Ich schlucke und versuche mein Unbehagen zu überspielen indem ich lässig an das Geländer trete und die Menge von oben mustere. Man hat wirklich einen unglaublich guten Blick auf die Bühne von hier aus und ich muss mich nicht mit drängelnden Leute herumschlagen, was ich gerade ganz angenehm finde. Unten ist sprichwörtlich die Hölle los! Ich bin nicht sehr gut im schätzen aber es sind bestimmt gefühlte zwei oder dreitausend Menschen hier drinnen! Hauptsächlich Mädchen. Die Leute drücken und schieben sich nach vorne und streiten sich um den besten Platz. Kann von dort aus überhaupt die Bühne vernünftig sehen? So klein wie ich bin würde ich da sicherlich gar nichts mehr sehen außer Köpfe... Weitere Securitys laufen vor der Bühne herum und ziehen schon die ersten Mädchen aus der Menge deren Kreislauf schlapp macht. Die Leute Schreien und irgendwann höre ich tatsächlich einen Rhythmus heraus. Sie rufen den Namen der Band wird mir irgendwann klar. Wow! Ein seltsamen Gefühl ergreift mich, packt mich regelrecht. Meine Hände kribbeln aufgeregt. Pure Euphorie ist das! Gleich werden sie herauskommen, gleich werde ich Kira sehen, wird mir bewusst und ich bin einfach nur noch glücklich doch hergekommen zu sein! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)