Ende und Anfang von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 1: Ende und Anfang -------------------------- Disclaimer: Alle auftretenden Charaktere gehören Masashi Kishimoto und ich verdiene selbstverständlich keinen Cent an dieser Geschichte. Viel Spaß beim Lesen! :) ════════════════════════════════════════════════════ Ende und Anfang Am Ende des Weges sehe ich das Haupttor deiner Heimat. Ich atme etwas schwerer als sonst, aber eine sechs Tage lange Reise ist – um es mit deinen Worten auszudrücken – verdammt anstrengend. Besonders, wenn man mitten im siebten Schwangerschaftsmonat ist und es dann auch noch zwei Kinder auf einmal werden. Eigentlich ist es ein Wunder, dass ich die Reise überhaupt so gut überstanden habe, doch das ist mir im Moment egal. Vor dem Tor halte ich inne, während mein Bruder, der mich begleitet hat, die Formalitäten für den kurzfristigen Besuch klärt. Die Wache schüttelt mit einem betroffenen Blick auf mich den Kopf. Kankurou legt mir einen Arm um die Schultern und drückt mich sanft. Ich weiß nicht, ob ich wirklich so aussehe, als müsse ich getröstet werden – emotional geht es mir gerade relativ gut –, aber ich erwidere seine Umarmung. Zusammen betreten wir das Dorf und schon bald kommen uns eine Menge in schwarz gekleidete Personen entgegen. Ich komme mir in meinem roten Top und dem violetten Rock völlig fehl am Platze vor. Zum Glück beachtet mich niemand großartig; jeder kümmert sich um sich selbst und betrauert die Verluste von toten Angehörigen und Freunden. Die vielen verweinten Gesichter sagen mir, dass sie die Trauerfeier für die Opfer des Angriffs, der zwei Drittel des Dorfes zerstört hat, hinter sich gebracht haben. Ich ärgere mich nicht, dass sie sie verpasst habe, denn ich hatte von vornherein nicht vor, daran teilzunehmen. Beerdigungen und traurige Anlässe ziehen mich immer herunter und das kann ich gerade in meinem jetzigen Zustand nicht gebrauchen. Ich bin nicht scharf drauf, die erste Frau zu sein, die depressive Babys auf die Welt bringt, nur weil ich mich zu diversen Gefühlsausbrüchen habe hinreißen lassen. Bei diesem Gedankengang komme ich mir erst recht albern vor, doch vielleicht ist das ja meine Methode mit der Situation umzugehen. Keine Ahnung. Deine ehemalige Teamkollegin kommt auf mich zu. Ihr Make-up ist vom Weinen völlig verschmiert und anstatt weiter um ihren toten Vater zu trauern, nimmt sie sich einen Augenblick Zeit für ein paar tröstende Worte. Ein Blick auf die Kugel, die ich vor mir hertrage, zaubert ihr den Anflug eines Lächelns auf die Lippen. Sie beglückwünscht mich und obwohl mir bewusst ist, dass sie eine ganze Weile in dich verliebt war, weiß ich, dass sie es ehrlich meint und Eifersucht keine Rolle spielt. Ich lächle ironisch, denn mein momentaner Zustand ist ohnehin kein Grund, eifersüchtig zu sein, auch wenn es deine Kinder sind. Hochschwanger im Sommer ist kein Vergnügen, musst du wissen. Ich bedanke mich höflich, bekunde ihr mein Beileid und laufe weiter. Vor den Toren des Friedhofs bitte ich meinen Bruder, auf mich zu warten. Er widerspricht mir, denn er möchte mich an diesem Ort verständlicherweise nicht alleine lassen, doch ich überrede ihn zu bleiben – du weißt schon, mit meinem unbekümmerten Lächeln, das dir immer so gefallen hat. Langsam gehe ich zwischen den gepflegten, säuberlich aneinandergereihten Gräbern vorbei und nähere mich so dem hinteren Teil der Anlage. Der Geruch von frischem Humus steigt mir in die Nase und mir wird ein wenig übel. Überall um mich herum liegen erst vor Kurzem umgegrabene Grabstätten, mit Toten darin, die noch gar nicht richtig kalt sind, wie mir scheint. Ich möchte meinen Blick abwenden, um die unendlich vielen Blumensträuße und Girlanden nicht weiter sehen zu müssen, doch ich muss die Inschriften lesen, nach einer bestimmten und dir Ausschau halten. Ich stocke, als ich eine dunkle Gestalt erkenne, die vor einem Grabstein auf dem dreckigen Boden kauert. Ich weiß auf Anhieb, dass ich hier richtig bin und gehe zu ihr herüber. Die Frau weint bitterlich. Ich habe mich nie gut mit dieser Person verstanden – aber das ist ja nichts Neues für dich –, doch dieser Anblick verpasst mir einen Stich ins Herz. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter, um ihr etwas Trost zu spenden. Zumindest versuche ich es. Mit tränenverschmierten Augen sieht sie zu mir auf und nickt mir stumm zu. Ihr Blick verändert sich kaum, als sie meinen ausgeprägten Babybauch sieht. Teilnahmslos gratuliert sie mir und fragt, ob ich schon weiß, was es wird. Zwillinge, antworte ich und dass es höchstwahrscheinlich ein Junge und ein Mädchen werden – genau die Konstellation, die du dir gewünscht hast. Ich verspüre Mitleid für sie und bin für einen Moment versucht, ihr zu sagen, dass es ihre Enkel sind, die in mir heranwachsen, aber ich tue es nicht. Vielleicht hole ich das später nach und schreibe ihr einen Brief, wenn die beiden auf der Welt sind, doch ich glaube es nicht wirklich. Zu tief sitzt meine Abscheu gegenüber dieser Frau, die uns das Leben so verdammt schwer gemacht hat. Verschiedene Erinnerungen aus unserer Beziehung prasseln auf mich ein. Gute, aber auch nicht so angenehme Erinnerungen – und Mischungen aus beidem. Weißt du noch, wie sie uns beim Vögeln erwischt hat? Mir war das extrem peinlich, aber du hast es geschafft, mich schnell wieder auf andere Gedanken zu bringen, nachdem ich die Sache schon abgeschrieben hatte. Danach hat sie mich angeschrien, was mir denn einfalle, einen Minderjährigen zu verführen und anschließend mit einem lebenslangen Verbot aus dem Haus geworfen. Du hast noch versucht, mich zu verteidigen und dich mit ihr zerstritten, sodass du für den Rest der Prüfungszeit bei mir eingezogen bist. Wenn sie gewusst hätte, was wir in den drei Wochen alles getrieben haben, hätte sie mich definitiv umgebracht. Du warst damals neunzehn und wusstest, was du tatest und sie behandelte dich trotzdem wie ein Kind. Ich schmunzle innerlich. Wahrscheinlich wärst du mit fünfzig noch ihr kleiner Junge gewesen. Mütter können wohl einfach schlecht loslassen, vor allem, wenn es um ihr einziges Kind geht. Trotzdem hoffe ich, dass ich gelassener sein werde, wenn unsere Kleinen in vielen Jahren flügge werden. Dem sehe ich ganz positiv entgegen, schließlich bin ich keine totale Spießerin wie deine Mutter. Hoffe ich jedenfalls. Ich mustere sie aus den Augenwinkeln und spüre eine leichte Wut in mir aufkommen. Rückblickend hat sie alles menschenmögliche versucht, einen Keil zwischen uns zu treiben und uns somit auseinanderzubringen, hat damit allerdings nur eure Mutter-Sohn-Beziehung unwiderruflich zerstört und in Bezug auf uns das Gegenteil ausgelöst. Damit sie dich in Ruhe ließ, gabst du vor, wir beide hätten uns getrennt und sie schluckte diese Notlüge ohne Widersprüche. Während wir uns eine Zeit lang nur heimlich trafen, plantest du, zu mir zu ziehen und ignoriertest deine selbstauferlegten Pflichten, auf die du immer so viel wert gelegt hattest. Und dann wurde ich schwanger. Zwischen uns war alles in Ordnung und trotzdem habe ich mich wochenlang davor gedrückt, es dir zu sagen. Bei einem wäre es vielleicht anders gewesen, aber als der Arzt beim ersten Ultraschall gleich zwei Embryonen erkannt hat, war ich selbst erstmal gehörig eingeschüchtert. Als ich meine kleine Beichte doch irgendwann hinter mich gebracht habe, hast du dich einfach nur gefreut und meine Zweifel zerstreut. Du warst dir so sicher, dass wir das gemeinsam hinbekommen, aber jetzt … Mein Hals schnürt sich zusammen und mein Mund trocknet aus. Ich stehe kurz davor, lauthals in Tränen auszubrechen, schlucke es aber tapfer herunter, weil ich mir vor deiner nichtsahnenden Mutter keine Blöße geben möchte. Ich schaue zum Himmel hinauf, lasse mir von den warmen Sonnenstrahlen das Gesicht streicheln und rufe mir alles Gute ins Gedächtnis, das wir zusammen erlebt haben. Es wirkt und ich fühle mich allmählich besser. Nun bin ich bereit. Ich trete vor, streife mit meiner rechten Handfläche über deinen Grabstein und murmele ein Leb wohl. Dann lächle ich. Deine Mutter schaut mich bestürzt an, aber ich mache mir nichts daraus. Jeder trauert auf seine Weise und meine Phase der Trauer habe ich mit diesem letzten Besuch bei dir überwunden … Temari beißt sich auf die Unterlippe. Ihre Tränen benetzen die letzte Seite und strafen somit ihren letzten Satz Lügen. Es heißt zwar, dass die Zeit alle Wunden heilen würde, aber ihre waren noch nicht einmal annähernd geschlossen. Sie wischt sich mit dem Handrücken über ihr Gesicht und greift den nächstbesten Kugelschreiber, entschlossen, den Brief den sie vor Monaten zu schreiben begann, endlich zu beenden … Ich wünsche mir bis heute, ich hätte es tatsächlich überwunden, aber du kennst mich ja: die harte, taffe Temari ist überhaupt nicht so hart und taff, wie sie immer tut. Nein, unter Umständen ist mein Kern weicher als ein Wattebällchen. Sie hält kurz inne, lauscht den Geräuschen im Haus und setzt den Stift wieder an. Ich höre Kankurous Lachen durch den Flur schallen. Er ist mein Babysitter für Notfälle, spannt sich aber auch gerne mal selbst ein, wenn er meint, ich müsse mich mal wieder richtig ausschlafen. Er liebt die beiden sehr und benimmt sich zeitweise wie ein Vaterersatz. Dich wird er natürlich niemals ersetzen können, doch er nimmt die Sache sehr ernst und legt es täglich darauf an, als bester Onkel der Welt in die Geschichtsbücher von Sunagakure aufgenommen zu werden. Wenn du mich fragst, ist er das jetzt schon. Und zwar mit Abstand. Ich weiß, ihr wart nie die allerbesten Freunde und er ist noch heute der Meinung, dass die Kinder das einzig wirklich Gute sind, das du zustande bekommen hast. Ein Dreivierteljahr nach deinem Tod kann ich dir versichern, dass dein Sohn und deine Tochter tatsächlich das Beste sind, das du zustande bekommen hast, aber du hattest auch viele andere Vorzüge, sei es nun als Gefährte, Liebhaber oder einfach nur als Freund. Ich danke dir für alles. Zufrieden legt sie den Kugelschreiber beiseite. Es scheint ihr, als sei nach diesem letzten Satz die größte Last von ihr abgefallen. »Genug gepennt?« Mit einem spitzbübischen Grinsen schaut Kankurou durch einen Türspalt. »Deine beiden Kiddies verlangen nach dir.« »Schon unterwegs«, antwortet sie. Dann springt sie auf, schiebt ihren Bruder rückwärts aus ihrem Zimmer und lächelt ihr sorgloses Lächeln. Endlich konnte die Vergangenheit ruhen und die Zukunft beginnen. Ende ════════════════════════════════════════════════════ Ich danke fürs Lesen! =) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)