Die Schlacht auf Endrany von LenaVanTionas ================================================================================ Kapitel 1: Die Entscheidung --------------------------- Die Schlacht auf Endrany Blut lief ihr über das Gesicht. Es floss aus einer Schnittwunde an ihrem silbernem Haaransatz, welcher sich nun mit dem roten Lebenssaft voll sog. Es lief weiter über ihre Stirn, über ihre rechtes Auge bis zu ihrem Kinn, von welchem es auf den Boden tropfte oder in ihre Kleidung sickerte. Ein roter Schleier trübte ihre Sicht, doch es machte keinen Unterschied. Hier auf dem Schlachtfeld war überall Blut, egal, wo man hinsah! Lilliara stützte sich mit den Händen auf den Knien ab, sie wandte such keuchend um und besah sich die Umgebung. Überall um sie herum waren Kämpfe zu sehen: Magier, Menschen der magischen Welt. Sie kämpften gegen Greife, Tiere der magischen Welt. In jedem von ihnen floss das gleiche Blut. Durch ihre Körper strömte Magie, ein Geschenk, eine direkte Verbindung zur Natur und der Welt. Aber warum lagen dann ebenso viele Gefallene um Lilliara, wie noch am Kämpfen waren? Warum bekämpften sie sich mit Allem, was sie hatten? Sie wandeln auf der gleichen Erde, unter dem gleichen Himmel. Warum konnten sie nicht in Frieden miteinander leben? Warum musste es immer so enden? Warum mussten sie streiten, kämpfen, töten, sterben? Jeder gefallene Freund, jeder gefallene Bruder, jede gefallene Schwester schürten nur den Hass. Den Hass auf den `Feind´, den Hass auf diejenigen, welche einem die Familie, die Freunde, Ihresgleichen nahmen. Warum konnte es nicht endlich zu Ende sein? Die junge Magierin richtete sich wieder auf und atmete tief ein, zischend stieß sie die Luft wieder aus. Ihre Lungen brannten, ihre rechte Hand wanderten an ihre linke Seite, an welcher eine lange Wunde klaffte. Lilliaras Körper war blut besudelt, das Silber ihrer Haare schimmerte matt und es zierte einzelne rote Flecken. Ihre Kleidung und ihr Umhang wiesen viele Risse und Löcher auf, ein alter Stab wurde krampfhaft in der linken Hand festgehalten. Viele Kämpfe hatte die Silberhaarige an diesem Tag bereits bestritten. Ebenso viele, wie sie gewonnen hatte, doch ihr Körper und ihre Seele waren schwer gezeichnet. Alles in Lilliara schrie nach Erholung und Ruhe. Sie ignorierte diese Stimmen jedoch, denn eine andere Stimme rief ihr etwas zu und diese Stimme war viel lauter. Es war die Stimme ihres Herzens, welche nach dem Einen verlangte, dem Einen, nach dem sie sich vor Sehnsucht verzerrte. Ihr Herz schrie nach ihrem Liebsten, welcher sich ebenfalls auf diesem Schlachtfeld befand. Die Magierin schickte jedes erdenkliche Gebet an jede Gottheit, welche ihr bekannt war. Gebete, dass ihr Gefährte am Leben war; unverletzt war bei ihm kaum möglich. Er war ein tapferer Krieger, welcher keinen Kampf scheute und für seine Überzeugung eintrat und dafür kämpfte. Das Herz der Silberhaarigen blühte auf, es war ein Segen, dass ihr Geliebter die gleiche Einstellung vertrat wie sie. Durch den Nebel ihrer Gedanken drangen die Geräusche des Kampfes zu der jungen Frau durch. Klirrende Schwerter, schrilles Gekreische, gebrüllte Rufe. Hier, auf dem Berg Endrany, dem Heim der Greife, auf dem sonst nur die Musik der Natur, die mächtigen Schreie dieser Fabelwesen und das freudige Kreischen ihrer Jungen zu hören war. Doch nun wurde diese Natur gestört von den Geräuschen des Kampfes und den Taten des Todes. Niemand vermochte, dieses Blutvergießen zu verhindern, wirklich niemand. Außer… Wie ein Blitz durchfuhr es Lilliara, ihre blauen Augen weiteten sich. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper wie Blut durch ihre Adern, als der Magierin klar wurde, WER diesen Kampf beenden konnte und WIE. Nun durfte die Silberhaarige keine Zeit verlieren, sie musste IHN finden, unbedingt! Nur ihr Liebster konnte ihr dabei helfen, kein Anderer! So schnell sie ihre Beine trugen lief die Magierin durch die verwinkelten Gänge und Höhlen des Berges Endrany. Kurz schwankte Lilliara und es drehte sich ihr Alles, doch sie biss die Zähne zusammen. Von solch einer Nichtigkeit würde sich die Magierin im Leben nicht abhalten lassen! Sie schloss kurz ihre Augen, atmete tief ein und aus, den Schmerz ihres Körpers ignorierend, und sammelte sich kurz. Als sie ihre Seelenspiegel wieder öffnete, befand sich ihre Umgebung dort, wo sie hingehörte. Triumphierend lächelte die junge Frau und rannte weiter. An Kämpfenden vorbei, von denen sie so manche niederschlagen musste, vorbei an den Toten, denen ihre trauernden Gedanken galten. Als sie ihn nicht fand, schwand ihre Hoffnung, ihre Zuversicht bröckelte, ihr Herz verkrampfte. Wo war er? Wieso konnte sie ihn nicht finden? War er etwa…? Nein, daran wollte sie nicht einmal denken, das wäre zu schrecklich. Es durfte nicht wahr sein! Er durfte nicht tot sein! Ein ihr bekannter Schrei ließ Lilliara zusammenfahren, diesen Schrei würde sie unter Tausenden wieder erkennen! Die junge Frau wirbelte umher und lief um eine Abbiegung, zum Ursprung der Lärms - und erstarrte, als sie auf das Szenario blickte, welches sich vor ihren Augen abspielte. Ein kräftiger Krieger in einer schwarz-silberner Rüstung, seine schwarzen, kurzen Haare glänzten vor Schweiß. Seine schwarzen Augen bohrten sich in ein die stahlgrauen seines Gegners, während er sein Schwert schwang und es auf seinen Gegenüber niedersausen ließ. Lange, scharfe Krallen schliffen über das Schwert, Funken sprühten bei dem Versuch, den Angriff abzuwehren. Es grollte in der breiten, mit Federn bedeckten Brust und ein schriller Schrei verließ den weit aufgerissenen Schnabel. Die großen Schwingen schlugen wild um sich, versuchten, den Ritter zu Fall zu bringen. Auch die Federn des Fabelwesens glänzten. Ruckartig bäumte sich der Greif auf und stemmte sich auf die die Löwenhaften Hinterbeine, der Schweif fegte über den Boden und wirbelte Staub auf. Der Greif wollte den Ritter endgültig zur Strecke bringen. Der Ritter aber war nicht weniger kampfbereit, sein Griff um seine Waffe wurde fester. Die Schwerthiebe prallten an den Klauen ab, die Krallen schliffen am Stahl entlang. Schlag für Schlag wurden die Kämpfer wilder, ihre Angriffe härter, sie wollten den Feind endgültig schlagen. Plötzlich wurde ein Treffer gelandet, Blut spritzte, ein schrilles Kreischen ertönte, als der Greif zurücktaumelte und sich die Wunde an seiner linken Klaue leckte. Knurrend stürzte sich das Mischwesen auf den Ritter und schaffte es, dem überraschten Mann zu überrumpeln und ihm das Schwert aus der Hand zu schlagen. Nun war der Greif verletzt und der Mann ohne Waffe. Doch schon im nächsten Moment glühten die zornigen Augen des Ritters auf. Er war nicht nur ein Ritter. Er beherrschte Magie. Und diese würde er nun gegen seinen Gegner einsetzte. Sein Gegenüber fauchte leise. Die Augen Lilliaras weiteten sich. Es könnte jeden Augenblick ein Angriff folgen. Warum war er so schutzlos? Sah er es nicht? Doch sie musste ihm helfen, egal wie! Die Silberhaarige stürmte los, ihre Hand umklammerte ihren Stab, sodass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Kurz vor ihrem Ziel glühten die Augen der Magierin auf, Lilliara streckte ihrem Gegner den Stab entgegen und rief: „Geslieht!“ Eine unsichtbarer Druckwelle traf ihr Ziel, mit einem Brüllen flog der Getroffene mehrere Meter weit und kam auf den Boden auf. Ohne Bewusstsein blieb er liegen. Keuchend ließ die Silberhaarige ihren Arm wieder sinken, ihre Augen beruhigten sich wieder und nahmen ihre gewohnte Farbe an. Langsam drehte sich Lilliara zu dem verbliebenem Kämpfer um, ihr Atem ging stoßweise und ihr Herz raste. Und obwohl die Erschöpfung immer mehr nach ihr griff und die Wunden ihren Tribut forderten, konnte die Magierin nicht anders, als zu lächeln. Sie konnte verhindern, dass ihrem Liebsten Schaden zugefügt wurde. Sie konnte ihn retten! „Aretho…“ sagte Lilliara und ihre Stimme bebte vor Freude, Erleichterung und Liebe. Ihr Gegenüber lächelte ebenso und seine Augen strahlten sie voller Gefühle an. Er streckte seinen Arm in ihre Richtung aus, wollte sie berühren. Lilliara…“ erklang die tiefe, beruhigende Stimme des Kämpfers. Lächelnd ging Lilliara auf Aretho zu. Die Klaue, welche sich in ihre Richtung streckte, wurde von Lilliara erfasst, liebevoll strich die Magierin über die stahlharten Krallen und das Gefieder. Sanft wurde die junge Frau an die Brust des Greifes gezogen, seufzend schmiegte sie sich an das weiche Federkleid. Ihre Hände legten sich um seine Mitte und strichen über den Ansatz seiner Flügel, die Arme des magischen Wesens legten sich um die ganze Gestalt der Magierin. Glücklich lächelte die Silberhaarige, so mochte sie es am Liebsten. Sie konnte ihr Gesicht in den weichen Federn vergraben, seine starke Brust und den kräftigen Herzschlag darin spüren, sie liebte diese Form von Aretho so viel mehr, als die menschliche Form, zu der er in der Lage war, eine solche anzunehmen. „Lass es uns beenden!“ ertönte die Stimme ihres Liebsten über ihr. Lilliara blickte nach oben, ohne die Umarmung zu lösen, direkt in die stahlgrauen Augen ihres Greifes, welche vor Entschlossenheit regelrecht brannten. Ihre Seelenspiegel standen den Seinen allerdings um nichts nach. Bei seinen Worten musste die junge Frau unweigerlich Schmunzeln. Er hatte den gleichen Gedanken wie sie. Sie waren wie ein Herz, eine Seele! Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie sehr sie miteinander verbunden waren. „Komm!“ sagte Aretho und entließ seine Gefährtin aus seinen Armen. Er stellte sich auf alle Viere und ging zudem leicht in die Hocke. Seine Liebste kam dieser Aufforderung nur zu gerne nach. Vorsichtig stieg die Magierin auf den Rücken des Greifes, setzte sich bequem vor die riesigen Schwingen und strich sacht über seine Federn, bevor sie sich leicht hineinkrallte, um genügen Halt zu bekommen. „Dann lass es uns beenden!“ wiederholte sie seine Worte. Mit einem Kreischen spannten sich die Flügel und alle Muskeln in dem kräftigen Körper an, bevor sich Aretho mit einem gewaltigen Sprung in die Höhe katapultierte und mit gewaltigen Flügelschlägen immer weiter in die Höhe stieg. Immer höher und höher ging der Flug, mit seinen Krallen stieß sich der mächtige Greif zusätzlich an den Felsen ab, um schneller voranzukommen. In kürzester Zeit hatten die beiden Gefährten ihr Ziel erreicht: den Gipfel des Berges Endrany. Hier oben ruhte der größte Schatz der Greife, der Anastith. Ein magischer Edelstein, welchem sagenumwobene Kräfte Mächte nachgesagt werden. Dieser Stein soll in der Lage sein, den Frieden oder die völlige Zerstörung zu bringen. Und weil es viele auf diese Macht abgesehen haben, kam es zum Kampf zwischen den Magiern und den Greifen. Doch mit Hilfe eben jenes Steines wollten Lilliara und Aretho diesen Kampf beenden! Auf der Bergspitze angekommen trohnte ein Altar, auf welchem eine aus Silber gefertigte Truhe stand. Und in diesem schlummerte der Anastith. Die Macht des Steins war deutlich zu spüren. Voller Ehrfurcht verbeugte sich Lilliara und Aretho knickte mit den Vorderbeinen ein und senkte den Kopf. Als sie sich wieder erhoben, schritt das magische Wesen zu dem Altar. Sich auf die Hinterbeine stellend öffnete der Greif vorsichtig die Truhe. Vorsichtig umfasste Aretho den Anastith und hob ihn heraus. Ein großer, silberner, glatter, ovaler Stein kam zum Vorschein. Mit diesem wertvollen magischen Artefakt drehte sich der Kämpfer zu der jungen Frau um. Langsam ging Lilliara auf ihren Liebsten zu. Langsam, fast wie in Zeitlupe, erhob sie ihre Hand und bewegte sie auf den Anastith zu. Als ihre Fingerspitzen die glatte Oberfläche des Steins berührten, durchfuhr die Magierin eine unbeschreibliche Macht und eine völlige Ruhe. Tief atmete die Silberhaarige ein und wartete auf den Schmerz, welcher beim Ausatmen einsetzten würde, doch nichts. Verwundert über das Ausbleiben des Schmerzes besah sich Lilliara ihre Wunde an der Seite. Doch diese war verschwunden. Nicht einmal ein Kratzer war zurückgeblieben. Ebenso war die Verletzung an ihrem Kopf verheilt, das Blut aus ihrem Haar war verschwunden. Überrascht sah sie zu Aretho und wie ein Reflex wanderte Lilliaras Blick zu seiner verletzten Klaue. Der kürzlich verletzten Klaue. Denn auch von dieser Wunde war nichts mehr zu sehen. Ihr verwunderter Blick traf auf den freudigen und gleichzeitig wissenden ihres Gegenübers. Sanft lächelte er sie an und legte ihr das magische Artefakt nun komplett in die Hände und umschloss sie mit seinen Klauen. Lilliara verstand und ein ebenso sanftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Mit dem Anastith in Händen gingen Lilliara und Aretho an den Rand des Plateaus. Sie hoben den Stein empor. Das magische Artefakt sandte ein Licht aus, welches jede Wunde heilte. Jeder, der davon betroffen war, wurde von völliger Ruhe erfüllt und der sinnlose Zorn, die Mordlust und die Kampfeslust wurde aus den Körpern, den Köpfen und den Herzen der Magier und der Greife, welche sich auf dem Berg Endrany befanden, vertrieben. Ihre Blicke klärten sich auf und wurden nicht länger durch den Hass aufeinander getrübt. Sie alle erinnerten sich. Sie erinnerten sich daran, dass es ihre gemeinsame Aufgabe war, diese Macht zu beschützen und zu bewahren. Die Schwerter und Stäbe wurden fallen gelassen und die Krallen zu Boden gerichtet. Als das Licht verblasste, waren alle Kämpfe vorbei. Die Arme, welche den Schlüssel zum Sieg empor hielten, senkten sich, doch noch immer hielten sie beide den Anastith fest. Nun wandten sich Lilliara und Aretho zueinander. Beide lächelten sich zu. Eine seiner Klauen löste sich von dem Stein und suchte ihre Hand. Zärtlich strich er über ihren Handrücken. Lächelnd lehnte die Magierin ihren Kopf gegen die Schulter ihres Liebsten. Er legte seinen Kopf auf ihren. Zusammen hatten sie diese Aufgabe bewältigt. Sie hatten diesen Kampf beendet. Doch es lagen noch weitere Aufgaben auf sie. Und auch diese würden sie erfüllen. Sie würden die magische Welt beschützen und den Frieden bringen. Zusammen! ~ Ende ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)