Rad der Zeit von Autorentraining ([Jahreskalender 2012]) ================================================================================ Kapitel 3: APRIL ---------------- Informationen: Thema: April Autor: Fandom: Eigene Serie Wortzahl: ~ 1.9oo Worte -- Unberechenbar wie das Wetter im April 1. April 7:15 Uhr Ihr Wecker klingelte. Müde befreite sie ihren Arm von der Decke, um dem Geräusch ein Ende zu bereiten. Doch der Übeltäter war nicht an seinem üblichen Ort. Mit immer noch geschlossenen Augen tastete sie ihren Nachttisch ab. Das Piepsen des Weckers bereitet ihr bereits Kopfschmerzen, als sie endlich die Augen öffnete und den Übeltäter auf der anderen Seite des Raumes lokalisierte. Ein müdes Seufzen verließ ihren Mund. Sie schälte ihre Beine aus der Decke und fragte sich, bestimmt schon zum millionsten Mal, warum es in ihrer Wohnung morgens immer so kühl war. Als endlich der Feind bezwungen war, beeilte sie sich mit Anziehen. Sie musste zur Arbeit, sie musste pünktlich sein, sie musste noch frühstücken und sie musste - „Morgen, Elly!“, wurde sie fröhlich von ihrem Mitbewohner in ihren Gedanken unterbrochen. „Müsstest du nicht schon in deinem Zug sitzen?“, fragte Eleonore Bastian verwirrt. Sein Grinsen war breit und unverschämt. „Nur weil dein Wecker geklingelt hat, ist heute nicht Montag. April April mein Hasenfurz.“ Seine grauen Augen leuchteten, seine blonden Haare sahen wie üblich gekämmt aus, obwohl er gerade erst aufgestanden war. In ihrem Kopf ratterte es und es ratterte. Dann ganz plötzlich schrie sie auf: „Du Idiot! Das ist nicht witzig! Ich wollte ausschlafen! Es ist Sonntag! Wie alt bist du denn, dass du so einen Scheiß baust?!“ „Lass mich kurz überlegen? Ach ja, immer noch ein Jahr älter als du.“ Mit den Worten drehte sich Bastian einfach um, ging in sein Zimmer und sie vermutete stark, dass er nun auch wieder schlafen würde. Etwas, das Eleonore ganz sicher nicht mehr konnte. 16:23 Uhr Ellis strich sich durch seine dunklen Haare. Die Buchstaben wollten einfach nicht an ihrem Platz bleiben. Mal wurden sie größer, dann wieder kleiner und plötzlich verschwammen sie. Er saß hier in der großen Buchhandlung seiner Eltern und las eins der Bücher, die er morgen wieder verkaufen würde. Er liebte die ruhige Zeit an diesem Ort. Er liebte es sonntags in dieser Oase zu verweilen. Doch irgendwas war falsch. Nicht etwa der Regen, der unaufhörlich gegen die Scheibe plätscherte oder die kleine Lampe, die immer wieder flackerte. Nein, es waren seine Augen. „Das ist doch ein verfluchter Aprilscherz von dir, oder?“, sprach er wütend gen Himmel und wusste gleichzeitig, Gott würde nicht antworten. Das angefangene Buch klappte er vorsichtig zu und stellte es zurück ins Regal, dann rieb er sich über die Augen. „So ein Mist!“ Er erhob sich von dem Stuhl, der in der Romanecke stand und ging in Richtung der Treppe, welche zum Privatbereich führte. Zur Wohnung seiner Familie über der kleinen Buchhandlung. „Oh Ellis, Schätzen, da bist du ja. Ich habe Kuchen gebacken.“ Seine Mutter, eine Frau, die für ihr Alter noch recht jung aussah, zwinkerte mit den Augen. Ihre Wangen hatten eine leichte natürliche Bräune, ihre freundlichen Augen waren von demselben Braun wie die seinen. „Hast du noch die Nummer des Augenarztes?“, entgegnete er. Sie fischte ihre kleine Brille aus ihren Haaren, wo sie sich eigentlich immer befand und setzte sie sich auf ihre Nase. „Natürlich, aber ich müsste sie heraussuchen. Soll ich sie dir morgen raus legen?“ Ihr Blick war verwirrt. Ellis hatte nie über Probleme mit den Augen geklagt. „Danke, ich könnte jetzt wirklich Kuchen vertragen.“ Dieser Satz entlockte seiner Mutter wiederum ein weiteres Lächeln. „Na, da kommst du ja genau richtig, mein Junge“ Wortlos folgte er der Frau, der er immer schon vertraut hatte, in die Küche. 5. April 14:56 Uhr „Komm schon, Bastian! Tu es für mich, bitte.“ Mit großen Augen schaute sie ihn an. Sie wartete auf eine Antwort. Bastian überlegte lange. Zu lange für ihren Geschmack. „Nein, ich werde keine Ostereier mit dir blasen und anmalen.“ Seine Stimme war ruhig. Zu Ruhig. „Auch nicht, wenn ich verspreche das Wochenende nach Ostern bei meinen Eltern zu verbringen, so dass du hier alleine bist und einladen und tun könntest, wen und was du wolltest?“, verzweifelt versuchte Eleonore nicht vielsagend mit den Augenbrauen zu wackeln. Bastians Augen wurden größer, sein Mund stand leicht offen. Er sah aus wie eine Frau, der man sagte, Zalando wäre nur ein Blumengeschäft. „Das ist Erpressung.“ Während er also nur Tatsachen wiederholte, wirkte er wie ein Karpfen, der den Mund auf und zu machte. „Ach und das fällt dir jetzt auf. Du weißt doch, dass Erpressung mein zweiter Vorname ist. Ich kam zur Welt und das Erste, das ich tat, war meinen Bruder zu erpressen“, antwortete Eleonore trocken. „Hey, bei eurer Geburt hättest du Leonardo fast umgebracht, also ist das nicht lustig.“ Wieder fragte sie sich, ob er ihr ein schlechtes Gewissen machen wollte oder einfach nur auf ihren Zwillingsbruder stand. „Ist doch jetzt auch egal! Ich packe jetzt alles zum Eierblasen aus und du holst die Eier aus dem Kühlschrank!“ 8. April 13:00 Uhr „Mama! Ich bin zu alt zum Ostereiersuchen!“, maulte Ellis, konnte sich aber gegen den bittenden Blick seiner Mutter nicht wehren. Mit einem Seufzer des Ergebens ließ er sich auf seine Knie sinken und kniff die Augen zusammen in der Anstrengung, ein Schokoladenei oder einen Osterhasen von Milka zu orten. Plötzlich freute er sich richtig auf die Brille, die er nach Ostern beim Optiker seines Vertrauens abholen konnte. Auch wenn er sich immer noch nicht mit dem Gedanken angefreundet hatte, wirklich mit einem solchen Nasenfahrrad herum zu laufen. Sein kleiner Bruder wuselte fröhlich umher und schob ihm ab und zu einen seiner Schockladenhasen zu. Es war doch eindeutig ein Armutszeugnis von einem Fünfjährigen beim Ostereiersuchen übertrumpft zu werden. „Mach dir nichts draus, Ellis, letztes Jahr habe ich auch fast nichts gefunden.“ Frech zwinkerte ihm sein anderer Bruder zu. Divon war mit seinen sechzehn Jahren auch schon ein ganzes Stück jünger als Ellis, aber im Altersunterschied zu dem kleinen Jonah war das nichts. „Jetzt lass den Kleinen doch mal Ruhe, Deborah“, flüsterte sein Vater ihrer Mutter zu. Ellis musste an eine Zeit denken, in der seine Mutter, die aus Israel stammte und Jüdin war, nie viel von diesen Traditionen gehalten hatte. Ihr hatten die drei Jungen auch ihre hebräischen Namen zu verdanken. Ellis und seine Brüder waren getauft und somit auch Christen, doch erzogen wurden sie sowohl mit christlichen Feiertagen als auch mit jüdischen. Langsam hatte Ellis jedoch das Gefühl, dass seine Mutter sich in die von ihrer Schwiegermutter aufgedrängte Christlichkeit eingelebt hatte. 13. April 17:36 Uhr Der Zug setzte sich in Bewegung. Sie fuhr hier vom Hauptbahnhof los und musste sechs Stationen und damit verbundene 39 Minuten später wieder aussteigen. So stand es zu mindestens im Fahrplan. Wahrscheinlicher war, dass sie 45 Minuten unterwegs war. „Jetzt mal im Ernst!“, fauchte Elly in ihr Handy, „wenn ich sehe, dass Leo nicht zu Hause ist, habe ich bald keinen Mitbewohner mehr. Es hat ja seine Vorteile, dass Bastian schwul ist, aber muss er sich unbedingt an meinen Bruder hängen?“ Jenny versuchte sie vom anderen Ende der Leitung zu beruhigen. Sagte Sachen wie, Bastian wäre doch gar nicht so schlimm und Leo würde doch trotzdem gut zu ihm passen. „Nicht mal du kannst mir da helfen! Das einzig Gute ist, dass ich meine süßen Katzen wieder sehen kann. Ich schwöre dir, wenn Bastian meinen Bruder anrührt, dann nehme ich meine Katzen mit in unsere Wohnung und er kann an seiner Allergie ersticken!“, mit diesen freundlichen Worten legte Elly auf. Sie seufzte schwer und stöpselte sich ihre Kopfhörer in die Ohren. Im Takt zur Musik flog die Landschaft an ihr vorbei. Ihre Augen waren auf die Fensterscheibe geheftet. Müde sah sie den Bäumen zu, die am Rande der Gleise standen, bis sich ihr Blick auf etwas anderes heftete. Es war eine einfache Fensterspieglung, doch es ließ sie lächeln. Ein junger Mann saß auf dem Platz ihr Gegenüber, ebenfalls am Fenster. Das eckige schwarze Brillengestell ließ sein Gesicht wirken, als gehörte es zu einem ernsten Börsenmakler. Seine dunklen Haare fielen ihm leicht über die Ohren und einzelne Strähnen verirrten sich in sein Sichtfeld. Seine braunen Augen waren von langen, viel zu langen für einen Jungen, Wimpern umrahmt. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie ihn nun direkt musterte und nicht mehr nur durch die Scheibe. Er blickte von seinem Buch auf und ihr direkt in die Augen. Sein Hautton hatte etwas leicht Exotisches. Doch sie konnte nicht fassen, was es war, vielleicht ein besonderer Goldton. Das Lächeln auf ihrem Gesicht wollte einfach nicht mehr verschwinden. 17:51 Uhr Ellis war der glückliche Besitzer einer neuen Brille. Es hatte nicht lange gedauert, bis sich seine Augen an die Gläser gewöhnt hatten. Somit hatte er auf dem Heimweg sofort angefangen zu lesen. Doch er konnte sich einfach nicht in der Geschichte so wie sonst verlieren. Er konnte die Umwelt einfach nicht ausblenden, was nicht zuletzt an dem Prickeln in seinem Nacken lag, welches er immer verspürte, wenn er beobachtet wurde. Sein Blick fuhr hoch und er fühlte sich, als würden ihn die grünen Augen auseinander nehmen, die ihn so unverschämt musterten. Es war die junge Frau, die vorhin noch aufgebracht telefoniert hatte. Er hatte nicht zuhören wollen, doch es war nicht zu vermeiden gewesen Wörter wie, mein Bruder, Mitbewohner und schwul zu hören. Ihre kastanienbraunen Haare fielen ihr in leichten Wellen bis über die Brust. Ihre Haut war hell und rosig. Die richtige Beschreibung wäre: Ihre Wangen waren errötet. Sie war nicht auffällig hübsch und auch nicht hässlich. Eigentlich war sie so ziemlich der Durchschnitt, auch wenn man diese grünen Augen nicht als Durchschnitt bezeichnen dürfte. Auch ihr Lächeln war nicht gerade Durchschnitt. Er konnte sich nicht wehren und seine Mundwinkel hoben sich ebenfalls. Er räusperte sich verlegen. Es war ihm immer wieder aufs Neue unangenehm, beobachtet zu werden. Doch anstatt irgendetwas zu sagen, nahm sie nur ihre Ohrstöpsel aus den Ohren und blickte ihn an. Es war 18:09 Uhr, kurz vor der Station, bei der er aussteigen musste, als sie den Blickkontakt unterbrach, kurz schluckte, ihn wieder ansah und dann endlich etwas sagte: „Hey, ich finde deine Brille cool.“ „Danke, habe ich erst seit heute.“ Sie verwirrte ihn und er wusste nicht, was er tun sollte. „Ich heiße Elly“, hauchte sie und ihr Lächeln war nicht verschwunden. „Ich heiß Ellis. Fährst du öfters mit dem Zug?“ War die Frage genau so bekloppt wie sie sich anhörte? „Ja, immer wenn ich meine Eltern besuchen fahre und du?“, ein Lachen lag in ihrer Stimme. „Es geht, nur wenn ich etwas Außergewöhnliches in der Stadt besorgen muss. Hier ist auch meine Station.“ Warum tat es ihm jetzt so Leid aufzustehen? Ihr Blick wirkte auch enttäuscht. Dann fragte sie etwas, womit er nicht gerechnet hätte: „Musst du vielleicht am Sonntag so um 16:54 Uhr etwas Außergewöhnliches besorgen?“ Er lächelte. „Mal sehen, ob ich diese Bahn bekomme.“ „Die Brille steht dir übrigens ziemlich gut“, sie zwinkerte ihm zu, dann stieg er aus. 18:19 Uhr Mit schwitzenden Händen und einem breiten Lächeln auf dem Gesicht verließ Eleonore eine Station später auch die Bahn. Ellis. Er hatte einen Namen, sah gut aus, wirkte freundlich und war der Grund, weshalb sie nicht sauer war, als sie zu Hause ankam und ihre Eltern freundlich erklärten, dass Leonardo bei einem Freund schlafen wollte. Sie schnappte sich eine ihrer Katzen, kraulte sie und fühlte sich wie ein kleines verliebtes Mädchen. Nichts war geschehen und es würde wahrscheinlich auch nichts geschehen, doch manchmal reichte die Hoffnung auf etwas, um einen in eine Euphorie zu stürzen. Sie konnte ja nicht ahnen, dass der April der Monat werden würde, in dem sich ihr Bruder outen würde und sie wohl mehr Zeit in der Bahn verbringen würde, als jemals zuvor. Der April tat was er wollte, während Elly sich in einen Jungen verliebte, der seine Nase lieber in Bücher steckte, als das Leben zu leben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)