Keep smiling von Jeschi ================================================================================ Kapitel 4: Bring me back to life -------------------------------- “I need a doctor, call me doctor, I need a docter, doctor, to bring me back to life” Dr. Dre feat. Eminem & Skylar Grey – I need a doctor Das Wohnheim sieht nicht unbedingt schäbig aus, aber sicher auch nicht besonders einladend oder gar so, als dass man sich sofort wohl fühlen könnte. Ich nehme den Fahrstuhl, um in den dritten Stock zu kommen, in welchem Svenjas und folglich auch Darians Zimmer liegt. Die Wände sind hier allesamt grau-weiß und durch die wenigen Fenster, zu beiden Seiten des Flures, kommt genau so viel Licht, dass man kein künstliches braucht, so lange es draußen nur hell genug ist. Ich weiß von Svenja, dass die Zimmer auch nicht viel besser aussehen, wenn sie unbezogen sind. Aber wenn man hier wohnt, kann man natürlich auch einiges daraus machen. Ich erreiche den dritten Stock und suche Darians Zimmer. Ich weiß nicht mehr genau, wo Svenjas Wohnung liegt, aber ungefähr. Und irgendwann habe ich die Türe gefunden, an der in großen Holzbuchstaben ‚Svenja’ steht. Die Tür gegenüber zeugt nicht sofort davon, wem sie gehört, sie ist karg und ungeschmückt. Aber ich weiß ja, dass ich hier richtig bin und klopfe deshalb bedenkenlos an. Schon öffnet sich die Türe und Darian erscheint vor mir, lässt mich rein. „Hey, Levi.“ Er wendet sich hastig wieder ab, damit ich es nicht sehe, aber ich habe es bereits gesehen. Er hat geweint. „Hey,“ meine ich und er versucht, unbeschwert zu klingen, als er mir etwas zu Trinken anbietet. Aber ich höre dennoch, dass seine Stimme noch ein wenig belegt klingt. Ich lehne ein Getränk fürs erste ab und sehe mich um. Im nächsten Moment überkommt mich ein ganz komisches Gefühl. Ich habe gerade ein Heiligtum betreten. Die Wohnung von Darian und Jamie… Jamies Gebiet. Ich schnaube leise. Was denke ich denn da für einen Schrott? „Setz dich ruhig,“ bittet mich Darian nun und scheint sich fürs erste gefangen zu haben. Ich sehe mich weiter um, während er auf das Bett deutet und ich der Aufforderung nachkomme, mich darauf niederlasse. Die Wohnung ist ein einziges Chaos. Überall fliegen Klamotten und anderes herum. Aber ich will nicht zu voreilig urteilen. Vielleicht sind das nur Jamies Sachen, die hier herumliegen, weil Darian sie aussortieren muss. Unbewusst streiche ich mit meinen Fingern über die Bettdecke. Hier haben die beiden also geschlafen. Nebeneinander… miteinander… Ich ziehe die Finger weg. Ich sollte aufhören, solchen Schrott zu denken. „Ich bin gerade über den Klamotten,“ klärt er mich auf und ich sehe zu ihm. Er hebt jedes Kleidungsstück einzeln an, besieht es sich genau, kämpft mit den Tränen und befördert es dann in einen Plastiksack. Nur einige andere wirft er bestimmt auf einen Stapel, neben mir auf dem Bett oder zieht sie auch wieder aus dem Sack, um sie darauf zu werfen. Ich schaue ihm zu. Ich werde ihm nur helfen, wenn er sie auch braucht. Ansonsten mische ich mich nicht ein. Woher soll ich denn auch wissen, was ich wegschmeißen darf und was nicht. „Sie haben gesagt, ich darf behalten, was ich will.“ „Das ist doch ein netter Zug.“ Das muss man Jamies Eltern wirklich anrechnen. Für ihn sind einige Sachen sicher sehr wichtig. Ich sehe auf den Stapel Shirts, auf dem Bett und ziehe eines heraus, besehe es mir genauer. Es ist ein Bandshirt von ‚Bullet for my Valentine’. Ungefähr meine Größe, schwarz mit hellem Print. „Das habe ich ihm zu Weihnachten geschenkt“, erklärt Darian mir nun, als er bemerkt, was ich in der Hand habe. „Er liebte die Band und wolle sich das Teil schon lange kaufen. Da dachte ich mir, schenke ich es ihm zu Weihnachten, weil es sonst sicher nie was geworden wäre.“ Ich sehe prüfend zu ihm. Ich habe echt Angst, dass er gleich völlig die Fassung verliert, während er das Shirt anstarrt und mir davon erzählt. Ich lege es lieber weg, aber zu spät. Es bilden sich wieder Tränen in seinen Augen. Er wischt sie energisch weg. Mit dem Klamotten scheint er dann auch fertig, denn er schafft nun Gegenstände heran, die wir zusammen durchsehen. Die meisten Kosmetikartikel behält er. Natürlich. Sie haben sicher viel gemeinsam genutzt und das andere kann er ja trotzdem mit weg machen. „Ich hab sein Duschgel immer heimlich benutzt. Ich wollte immer genauso riechen, wie er, dumm was? Irgendwann hat er es gemerkt und mir gebeichtet, dass er das gleiche mit meinem Duschgel gemacht hat. Jedenfalls haben wir ab dem Tag dann beide das gleiche genutzt.“ Er versinkt in Erinnerungen und ich kann nicht umhin zu denken, dass ich Jamie beneide. Dafür, wie nahe er Darian stand. Wie innig ihr Verhältnis war. Und welche Erinnerungen er mit ihm teilt. Erinnerungen, die auch über seinen Tod hinaus erhalten bleiben. Und mir wird etwas klar, was mich irgendwie heftiger trifft, als gedacht: In Darians Erinnerungen lebt er noch immer. Darian hat ihn noch nicht gehen lassen. Ich verdänge diese Gedanken und hebe einen Teddy auf. „Das war sein Lieblingsteddy. Den muss ich leider hergeben. Den haben ihm seine Eltern geschenkt, als er fünf war. Es ist ihr Erinnerungsstück.“ Er schluchzt auf und presst den Bären an sich. Offenbar hängt er sehr daran. Ich stehe auf und umarme ihn von hinten. „Ich kann Winnie Puh doch nicht hergeben,“ keucht er verzweifelt auf. Es ist kein Winnie Puh, es ist ein ganz normaler Teddy. „Jamie hat ihn so genannt, weil das damals seine Lieblingsserie war,“ klärt er mich unter Tränen auf. Er presst ihn noch enger an sich. „Ich kann ihn nicht hergeben! Ich kann gar nichts hergeben!“ Oh Gott, er wird hysterisch. Oh Gott, ich bin überfordert. Aber ich bin es, der den kühlen Kopf behalten muss. Also nehme ich ihm langsam den Teddy aus der Hand und verstelle meine Stimme, wackle mit Winnie Puh hin und her: „Hallo Darian. Ich muss auf Jamies Mama aufpassen, weil sie ganz sehr traurig ist. Und ich bin ja dafür da, andere zu trösten. Du bist auch traurig, aber du bist ein starker Junge, Darian. Du brauchst mich nicht, damit ich dich tröste.“ „Aber ich brauche dich, um mich zu erinnern…“ „Nein, Darian. Du erinnerst dich auch so an Jamie. Weil Jamie immer hier drin sein wird.“ Ich lasse den Teddy gegen seine Brust deuten. Er muss leicht lächeln. „Tschüss, Darian. Es war schön, mit dir zusammen zu wohnen.“ Ich lasse den Bären ihm einen Kuss geben, dann lege ich ihn in den Sack, zu den Klamotten, die weg können. „Tschüss, Winnie Puh,“ meint er leise. Ich presse ihn fest an mich und genieße das Gefühl, seinen zierlichen Körper an meinem zu spüren. Eine ganze Zeit stehen wir so dort, dann frage ich: „Was noch?“ „Seine CDs…“ Er packt sie weg. Die meisten, so erzählt er mir, hat er eh nie gehört und Jamie hat wohl auch härtere Sachen gehört, als er. Er behält nur zwei. Jamies Lieblings-CD, die wohl ständig rauf und runter lief, und eine, die er ihm letztes Weihnachten geschenkt hat, zusammen mit dem Shirt. Wenig später ist noch einiges andere in der Tüte. Ein wenig Schmuck, Bücher, Fotos, Krimskrams. Viele hat er auch behalten, weil er es selbst gebrauchen kann oder einfach als Erinnerung will. Den Rest holen wenig später Jamies Eltern ab. Jamies Mutter drückt Winnie Puh an sich und bedankt sich bei Darian, dass sie ihn behalten darf. Er lächelt tapfer, aber ich schätze, wenn sie nicht bald gehen, entreißt er ihr den Teddy wieder. Als sie weg sind, bleibt Darian verloren neben der Tür stehen. „Jetzt ist es noch leerer, als eh schon,“ meint er und sieht mich traurig an. Es ist wirklich leerer geworden. Aber das war ja von Anfang an klar. Ich ziehe in aufs Bett und mache uns einen Tee. Das macht man doch meistens, wenn jemand aufgewühlt ist, oder? Ich meine, Tee kochen? Er nimmt dankend die Tasse entgegen und ich lasse mich mit meiner neben ihm nieder. Ein wenig sehe ich mich um, während Darian wieder mit sich selbst in Einklang kommt. Der Tag heute war sicher anstrengend für ihn. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie schwer es ihm gefallen sein muss, sich von Jamies Sachen zu trennen. Andererseits war das ein wichtiger Schritt, um ihn endlich loszulassen. Ich stehe wieder auf und sehe mich um. Auf der Kommode stehen einige Fotos und ich besehe sie mir genauer. Sofort schreit mir ein Kussfoto der Beiden entgegen: Jamie, der Darian fest umschlingt und küsst und Darian, der in diesen Kuss lächelt, als gebe es kein Morgen. Sie sehen so glücklich aus… Etwas, in meinem Inneren, fängt an zu ziehen und ich stelle es hastig wieder weg. Auf einem anderen sieht man Jamie alleine. Ich hebe aus und betrachte es mir näher. Er war schon ein hübscher Junge. Obwohl das Bild irgendwie krass aussieht. „Das war an Halloween,“ erklärt mir Darian vom Bett aus. „Wir sind dem Emo-Klischee gefolgt und haben uns mit Kunstblut dekoriert.“ Ich muss lachen. Auf einem anderen sieht man Jamie ohne Kunstblut, dafür in die Kamera grinsend, das Peace-Zeichen machend. „Er war wahnsinnig sexy,“ meint Darian und tritt hinter mich, blickt auch auf das Bild. Und damit hat er Recht. Es gibt Menschen, die strahlen einfach das gewisse Etwas aus. Und Jamie war eindeutig so ein Mensch. „Manchmal frage ich mich, warum er sich ausgerechnet mich ausgesucht hat…“ Ich stelle das Bild weg und blicke zu Darian. „Ich kann es verstehen,“ sage ich und das ist auch ehrlich gemeint. „Du bist so hübsch, Darian. Wirklich.“ Er wird rot und ich lächle und blicke auf ein anderes Bild, auf den man ihn sieht. „Definitiv,“ meine ich leise, als ich ein Foto von Darian entdecke. Darauf strahlt er fröhlich in die Kamera und sieht unglaublich hübsch aus. Wie von selbst fällt mein Blick wieder aufs Kussfoto. Jamie war echt en Glückspilz… „Du verbringst im Moment viel Zeit mit Darian,“ stellt Pascal fest und ich versuche gar nicht erst, es zu leugnen. „Ich weiß,“ erwidere ich also nur. Er mustert mich. „Wie lange ist es jetzt her? Zwei Monate? Länger? Geht es ihm denn schon besser?“ „Nicht wirklich,“ meine ich und rühre nachdenklich in meinem Kaffee. Weil er Jamie nicht loslässt. Obwohl es gesünder für ihn wäre. Ich seufze verzweifelt auf. Okay, er hat ihn geliebt. Okay, zwei Monate sind eigentlich nichts. Aber er ist noch so jung… Er sollte sein Leben genießen… Auch ohne Jamie. Ich springe auf und werfe dabei fast meinen Kaffee um. Pascal sieht mich aus großen Augen an, als ich mein Zug zusammenpacke. „Wo gehst du hin?“, will er wissen. „Zu Darian.“ „Aber du hast gleich eine Lesung,“ erinnert er mich. „Ja… lass ich ausfallen.“ Ich lasse ihn stehen. Ich klopfe an Darians Türe. Im Moment habe ich immer ein ungutes Gefühl, wenn ich bei ihm auftauche. Aber ich kann auch nicht wegbleiben. Es ist nur so, dass mich eine Mischung aus Angst, Freude und dem unbestimmten Gefühl, Jamies Territorium zu betreten, überkommt. Angst, weil ich immer glaube, Darian völlig fertig vorzufinden und Freude, weil ich ihn wieder sehe. Aber es ist letzteres, der Genannten, dass am stärksten ist. Und gleichzeitig am lächerlichsten. Jamie ist tot – folglich ist dieses Zimmer nicht länger seines. Und selbst wenn man es immer noch als seines ansehen möchte – was hat das mit mir zu tun? Ist ja nicht so, als würde ich irgendetwas darin mit Darian anstellen, was Jamie gegen den Strich gehen könnte… Ich besuche ihn ja nur. Verwirrt, warte ich, bis Darian die Türe öffnet. „Hey,“ meint er und lässt mich ein. Ich blicke mich um. Er hat aufgeräumt und einige Möbel umgestellt. Es geht also doch voran, der Abnablungsprozess von Jamie, oder wie man das auch immer nennen möchte. „Was machst du?“ Im Hintergrund läuft irgendwelche depressive Musik. „Nichts,“ erwidert er und ich schalte seinen CD-Player aus. „Du musst aufhören, dir so was anzuhören. Das zieht dich nur runter.“ Er zuckt mit den Schultern. „Lass uns was machen, Darian. Du musst hier mal wieder raus.“ Er blickt überrascht drein, dann meint er: „Darf ich dich mal was fragen?“ Ich nicke. „Klar. Nur zu.“ „Warum tust du das alles für mich?“ „Weil ich dich mag,“ antworte ich postwendend und er nickt langsam. „Dann… lass uns was draußen machen.“ Wir gehen in den Park und spielen ein wenig Fußball. Er ist zwar kein begeisterter Sportler, aber gegen Fußball sagt auch er nichts. Zwar ist er nicht unbedingt Fan davon, aber es geh ja nur darum, dass wir ein wenig Spaß haben. Nachdem er mich zu allem übel auch noch geschlagen hat, lassen wir uns auf die Wiese fallen und futtern Waffeln, die er mitgenommen hat. Besser gesagt, er futtert Waffeln. Ich hab mir ein Eis gekauft und lecke begeistert daran herum. „Weißt du… ich komme viel zu selten hier her,“ stelle ich fest und sehe mich um. Ich hab so viel zu tun, dabei sollte ich echt öfters an die frische Luft und die Sonne genießen. „Ich auch,“ stimmt er mir zu und legt sich auf den Rücken. Ich sitze noch und blicke zu ihm nach unten. Ich will nicht schon wieder mit Jamie anfangen, aber ich kann einfach nicht anders. Es interessiert mich einfach brennend. „Denkst du noch oft an ihn?“ „Ständig,“ nickt er. Es ist jetzt zweieinhalb Monate her… Ich erwarte nicht, dass er ihn jetzt schon vergessen hat. Aber ich hoffe, dass er sich nicht all zu sehr hängen lässt und in seinen Erinnerungen vergräbt. Das sage ich ihm so auch. Er sieht fragend zu mir hoch: „Was meinst du?“ „Lernst du für die Schule? Isst du regelmäßig? Gehst du raus?“ Ich zupfe ein wenig Gras, ehe ich ihm ein paar Beispiele aufzähle. „Du bist wie er. Immer besorgt um mich.“ Ich weiß nicht, aber der Vergleich mit ihm stört mich. Irgendwie gibt es mir aber auch ein sicheres Gefühl, alles richtig zu machen. „Er muss ein toller Freund gewesen sein, wenn er so drauf war,“ stelle ich fest. „Das war er.“ Darian blickt in den Himmel. „Ja.“ „Ja?“ „Ja, ich lerne für die Schule. Ja, ich esse regelmäßig. Ja, ich gebe ab und an raus. Und ich benutze sogar meine Pflegespülung.“ Ich muss lachen und rucke näher na ihn heran. „Ich vermisse dein Lachen immer noch.“ „Ich kann nicht lachen. Das wäre, als wäre alles wie immer. Aber das ist es nicht, wo er doch weg ist.“ Ich seufze. „Darian.“ Sanft blicke ich in seine blauen Augen. „Jamie hätte sicher nicht gewollt, dass du nicht mehr lachst.“ Nun ist er es, der seufzt. „Ich weiß.“ Ich wische ihm eine Träne von der Wange und sehe ihn an. Er blickt zurück und versteift sich plötzlich ein wenig, vielleicht, weil ich so nahe bin. Ich sollte weg rucken, aber ich kann nicht. Ich bin wie festgewachsen. Er ist so schön, stelle ich wieder einmal fest. Trotz seiner Tränen. Vielleicht sogar wegen seiner Tränen. Dennoch. Ich will ihn lachen sehen. „Levi?“, fragt er ein wenig unsicher, weil ich ihn nur ansehe und nichts mehr sage. Ich schüttle ein wenig den Kopf, um wieder klar zu kommen. In mir formt sich eine Idee, der ich nicht widerstehen kann. Ehe er etwas tun kann, stürze ich mich auf ihn, um ihn zu kitzeln. Eine gute Idee, wie sich zeigt. Schon alleine, weil es ein wenig von der Situation ablenkt. Vor allem aber, weil er endlich lacht. Und er ist so schön, wie er lacht. Es klingt wunderbar. „Hör auf,“ jappst er und windet sich in meinem Griff. Aber so schnell höre ich nicht auf. Dafür habe ich zu lange darauf gewartet, dafür ist die Situation viel zu schön. „Bitte,“ quiekt er. Ich muss wieder an Jamie denken. Er hat sich sicher in Darians Lachen verliebt. Jeder würde das. Ob er es auch genauso geschätzt hat, wie ich? Ganz sicher! Jamie war sicher der glücklichste Mensch auf Erden, einfach, weil er Darian an seiner Seite hatte. Irgendwann höre ich wieder auf und er ringt nach Luft und bleibt halb unter mir liegen, sieht mich an. „Jetzt hast du mich doch dazu gebracht,“ rügt er mich, lächelt aber dabei. Ich lächle ebenfalls und sehe ihn an. Das Gefühl, etwas Verbotenes zu tun, überkommt mich mit einem Mal. Zu erst verstehe ich nicht ganz, was das soll, aber dann formt sich ein Gedanke in mir und ehe ich etwas tun kann, rutscht mir etwas heraus: „Du bist so schön, wenn du lachst.“ Er blickt mich an, wird rot. Dann scheint ihm klar zu werden, was er hier tut. Sicher fühlt er sich jetzt schlecht. Wahrscheinlich denkt er, dass er Jamie gerade hintergeht. So sieht er jedenfalls aus, wenn ich seinen leidenden Gesichtsausdruck richtig deute. Er macht sich aus meinem Griff los und steht auf. „Ich… muss gehen.“ Und schon ist er weg und ich bleibe zurück und frage mich, was all das gerade zu bedeuten hatte. „Was ist los?“ Pascal sieht mich misstrauisch an. Ich glaube, dass ist das erste Mal, dass ich von mir aus vor seiner Wohnung aufgeschlagen bin. Und nicht nur das. Ich habe ungeduldig an der Tür gehämmert, bis er endlich aufgemacht hat. „Ich bin ein Idiot,“ stelle ich fest und er zieht die Brauen hoch. „Das fällt dir erst jetzt auf?“ Ich sehe ihn verzweifelt an und dann bricht es aus mir heraus. Leugnen hilft nichts mehr: „Ich habe mich verliebt!“ Pascal mustert mich von Kopf bis Fuß, als wenn ihm das Aufschluss geben könnte. „Und warum genau bist du deshalb ein Idiot?“ „In Darian,“ füge ich hinzu. „Oh!,“ macht er und dann faucht er mich an: „Du Idiot!“ Ich sehe ihn verzweifelt an. „Zwanzig Jahre lang stehst du auf Frauen. Und jetzt verliebst du dich ausgerechnet in Darian?“ „Ich kann doch nichts dafür… Es hat sich so ergeben…“ Ich bin echt kurz davor, hysterisch zu werden. „Was soll ich denn jetzt machen?“ „Schlag ihn dir aus den Kopf. Er ist ne Nummer zu groß für dich. Wahrscheinlich bildest du dir das Ganze eh nur ein. Du hast eben einen… ausgeprägten Helfersinn entwickelt, das wird alles sein.“ „Das glaube ich kaum,“ halte ich dagegen. „Weißt du,“ erläutere ich ihm die Situation dann, „Ich hasse Jamie dafür, dass er Darians Freund war. Und ich hasse ihn dafür, dass er ihn immer noch besitzt, obwohl er kein Recht mehr auf ihn hat… weil er verdammt noch mal tot ist.“ „Alter…“, Pascal schüttelt den Kopf, „Du musst mal mit dir selbst klar kommen.“ Er seufzt. „Warum ausgerechnet Darian?“ „Glaubst du, ich hab mir das ausgesucht?“ Er sieht mich an, dann lacht er los. „Was ist daran denn jetzt so lustig?“ „Du bist lustig. Du und dein Talent, dich in saublöde Situationen zu bringen.“ Er schmeißt sich fast weg, vor lachen und ich lasse ihn stehen. Er ruft mir ein ‚Sorry’ nach, aber ich winke ab. Was wollte ich überhaupt hier? Ist doch klar, dass ich diese Sache alleine ausbaden muss! Ich mache mich schnurstracks auf den Weg zu Darians Wohnung. Ich werde die Sache jetzt einfach hinter mich bringen und ihm über alles aufklären. Und dann soll er entscheiden, ob er mich will oder lieber weiter Jamie nachtrauert. Ich jedenfalls kann das so nicht mehr länger ertragen. Ich liebe ihn. Und deshalb will ich ihn. Für mich alleine. Ich kann ihn nicht länger mit Jamie teilen! Als ich das Wohnheim erreiche, sieht es irgendwie bedrohlich aus. Als würde es mich verschlingen, wenn ich es betrete. Aber dann soll es mich eben verschlingen. Hauptsache, Darian erfährt endlich die Wahrheit! Ich steige in den dritten Stock, schnell, verzichte sogar auf den Fahrstuhl. Als ich dann vor seine Türe stehe, merke ich, wie mich langsam der Mut verlässt. Ich will klopfen, aber meine Hand sinkt wieder herab. „Reiß dich zusammen!“, rüge ich mich selbst und klopfe an. Kurz darauf öffne er die Türe und sieht mich fragend an. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)