Grow Up von Shunya (Take you to Rio) ================================================================================ Kapitel 15: Wenn ich nur wüsste, wie ich von dir loskomme. ---------------------------------------------------------- Das Wetter war einfach nur perfekt. Nach der furchtbaren Regenzeit, gab es endlich mal wieder schöne sonnige Tage und mit ihnen kam auch das heiße Wetter. Es war einfach nur schön. Die Leute waren gut drauf, überall gab es draußen wieder Essensbuden aus denen allerlei leckere Gerüche zu uns drangen. Musik schallte aus einigen Läden auf die Fußgängerzone und von überall her konnte man Gespräche vernehmen. Das Einzige was mir an diesem Tag nicht gefiel, waren unsere beiden üblichen Anhängsel. Lake und Calvin. Was mussten die Beiden auch wieder dabei sein? Eigentlich waren es ja drei Anhängsel, aber Ryan nervte wenigstens nicht so wie die beiden Quälgeister. Auch wenn es mir unheimlich war, dass er uns ständig beobachtete und hinterherlief. Neben mir ging Hanna. Sie hatte sich nur ein einfaches hellblaues Top angezogen und dazu eine weiße Dreiviertelhose. Sie trug Sandalen und ihre Badesachen hatte sie natürlich auch nicht vergessen. So gefiel sie mir auch viel besser, als wenn sie so aufgedonnert mit Schminke und ihren viel zu hohen Schuhen durch die Straßen lief. Vor uns schlenderte Elias. Er schien auch nicht sehr erfreut zu sein, dass die ganze Truppe beisammen war. Vor allem, weil Calvin die ganze Zeit über die besten Sonnencremes fachsimpelte und uns allen damit keinen Gefallen tat. Mal ehrlich, wen interessiert so etwas? Elias lief in seinen üblichen Klamotten durch die Gegend. Eigentlich war es dazu viel zu warm. Hoffentlich kippte er mir nicht noch um? Besorgt betrachtete ich ihn von hinten und bemerkte erst nach einiger Zeit, dass Hanna mich belustigt anstarrte. „Was ist?“, fragte ich sie überrascht und sah zu ihr. „Nichts. Aber du gaffst Elias schon die ganze Zeit an.“, bemerkte sie amüsiert. Wenn Hanna wüsste. Ich hatte immerhin von Elias mein erstes Liebesgeständnis bekommen. Und ich hatte keinen blassen Schimmer wie ich damit umgehen sollte. Ja, ich mochte Elias, aber ich liebte ihn nicht. Zumindest war ich mir in dem Punkt nicht sicher. Wir hatten viel körperlichen Kontakt, aber davon musste man sich nicht gleich in jemanden verlieben. Da ich mich auch noch nie in jemanden verliebt hatte, wusste ich so gar nicht, wie sich so etwas anfühlte. „Ist etwas passiert? Habt ihr euch gestritten?“, fragte Hanna mich besorgt und warf Elias einen kurzen Blick zu. Heftig schüttelte ich mit dem Kopf. „Nein!“ „Aber ihr redet heute kaum miteinander.“, stellte Hanna fest. Sie wurde von Calvin und Lake abgelenkt, die sich heftig miteinander stritten, weil Lake wohl langsam die Geduld verlor. Das war mir auch ganz recht. Ich wollte nicht von Hanna ausgequetscht werden. Das war mir unangenehm. Ich sah wieder nach vorne und bemerkte, dass die Menschenmassen dichter wurden. Eine leichte Brise ließ meine Haare nach hinten wehen. Die Meeresluft war angenehm und salzig. Wir waren endlich am Meer! Ich seufzte. Immerhin war ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr am Strand gewesen. Wie Hunderte andere Besucher scheinbar ebenfalls. Der Strand war total überfüllt und kaum ein Fleckchen Sand war nicht bereits von Tüchern oder Strandkörben besetzt. Hoffentlich fanden wir trotzdem noch ein kleines Fleckchen? Besorgt sah ich mich um und spürte plötzlich wie jemand mich an die Hand nahm. Ich sah auf und war erleichtert, dass es Elias war. Er grinste mich an. „Nicht, dass du mir hier in dem Gedränge noch verloren gehst.“ Ich zog einen Schmollmund und warf noch einen kurzen Blick zurück. Hanna hatte bereits den Streit geschlichtet und lief zwischen den beiden Streithähnen. Der Anblick hatte etwas von einer Mutter mit ihren nervigen kleinen Söhnen. Ich musste Hanna zu grinsen, welche es sofort erwiderte. Nur scheinbar dachte sie gerade an mich und Elias, wie ich feststellte, denn ihr Blick glitt augenblicklich zu unseren miteinander verschränkten Händen. Ich wurde sofort verlegen und sah schnell wieder nach vorne. Solche Blicke mochte ich nicht. Als ob es jetzt so etwas Besonderes wäre, mit jemandem Händchen zu halten. Okay, bei zwei Jungs könnte es schon ein wenig ungewöhnlich sein. Da hatte ich allerdings keine Ahnung. Für mich war das kein großer Unterschied. Elias und ich hatten früher oft Händchen gehalten. Wir liefen zur Hauptstraße und nur noch eine Ampel trennte uns vom Strand. Ungeduldig stand ich vor dem Zebrastreifen und sah den vorbeifahrenden Autos entgegen. Konnte die blöde Ampel nicht endlich umschalten? „Sam, der Strand läuft uns schon nicht weg, wenn wir ein paar Minuten später hingehen!“, meinte Elias belustigt, der mich beobachtet hatte. Ich murrte. „Schau doch mal wie voll der Strand ist! Da kriegen wir doch keinen Platz mehr!“ „Ach was, da lässt sich sicher noch eine freie Stelle finden. Außerdem sind wir doch sowieso die meiste Zeit im Wasser!“, meinte Elias gut gelaunt. Skeptisch sah ich ihn von der Seite an. Eben war er noch so schweigsam und auf einmal schien es ihm prächtig zu gehen. Den sollte einer mal verstehen. Der hatte ja Stimmungsschwankung wie eine Schwangere. Ich drehte meinen Kopf und sah direkt hinter uns unsere Anhängsel. Hanna lächelte mir zu, Calvin und Lake sahen angepisst voneinander weg. Die beiden würden sich in tausend Jahren nicht verstehen. „Wir können...“, meinte Elias und zog an meinem Shirt. Ich sah zu ihm und dann zur Ampel. Sofort lief ich ungestüm voran und genoss die kühle Brise auf meinem Gesicht. Auf der anderen Straßenseite blieb ich kurz stehen und schloss meine Augen. Allerdings nicht lange, denn schon im nächsten Moment wurde ich von hinten unsanft angerempelt. Ich wankte und versuchte mein Gleichgewicht zu halten. Leider gelang mir das nicht und so fiel ich direkt in Lake's Arme. „Was stehst du auch wie eine Statue in der Gegend herum!“, meckerte er noch immer genervt. Ich sah zu ihm auf und fand es irgendwie blöd, dass ich nicht in Elias Armen gelandet war. Da Lake mich noch immer festhielt und Elias schon eifersüchtig zu uns sah, entwand ich mich Lake's Griff und stand wieder auf eigenen Beinen. Ich fand es ja genau so blöd, wie Elias. So schnell wie möglich gesellte ich mich wieder zu ihm und griff nach seiner Hand. Nicht ohne Lake noch einen bösen Blick zuzuwerfen. Auf seine dummen Kommentare könnte ich gut verzichten. „Lasst uns einen Platz suchen und dann ab ins Meer!“, rief Hanna uns zu, die sich nicht daran störte, dass schon wieder dicke Luft herrschte. Ohnehin war sie ziemlich locker und schien gut mit den anderen Jungs klar zu kommen. Sie hatte ja auch irgendwie etwas Mütterliches an sich. „Genau!“, stimmte ich ihr hastig zu und zerrte Elias hinter mir her, bevor gleich noch ein erneuter Streit ausbrach. Wir wollten gerade weitergehen, als ich jemanden bemerkte. Diese platinblonden Haare würde ich überall erkennen und schon sank meine gute Laune in den Keller. Wäre ich doch nur mit Elias alleine hierher gekommen! Maria drehte sich um und entdeckte uns. „Nein, wen haben wir denn da? Wenn das nicht der kleine Rennfahrer ist!“, meinte sie höhnisch. „Auch schön dich zu sehen! Von weitem siehst du aus wie eine alte Frau, weil deine Haare so hell sind!“, meinte ich sarkastisch. Die verwunderten Blicke um mich herum ignorierte ich gekonnt. Außer Elias kannten meine Freunde diese Furie ja nicht. „Maria? Was ist, wieso bleibst du stehen?“, kam auf einmal eine Stimme von hinten und augenblicklich wurde ich verlegen. „Oh! Da seid ihr ja!“, rief Samantha erfreut und trat hinter Maria hervor. Notgedrungen stellten sich jetzt alle noch einmal gegenseitig vor. „Und ihr kennt euch?“, fragte Hanna mich interessiert. Ich brachte nur ein Nicken hervor. In Samantha's Gegenwart, war ich irgendwie wie gelähmt. Das war doch nicht normal, oder? Nervös sah ich zu Elias, der davon nichts zu bemerken schien. Hoffentlich überstand ich diesen Tag ohne mich zu blamieren oder ein blaues Auge davon zu tragen. Denn zurzeit könnte beides noch eintreffen. „Ich habe gesehen, dass weiter hinten noch nicht so viel los ist!“, schlug Samantha vor. Erleichtert folgten wir ihr und tatsächlich war an dieser Stelle noch nicht der Bär los. Aber was hatten wir auch erwartet? Es war ja klar, dass bei so gutem Wetter der Strand recht schnell überfüllt war. Die Mädchen nahmen sofort alles in Beschlag, indem sie ihre Strandtücher ausbreiteten. Darüber konnte ich nur den Kopf schütteln. Ich sah mich um und blickte direkt auf das Meer hinaus. Es war ein tolles Gefühl. Die Leute hatten ihren Spaß im Wasser und die Kinder planschten vergnügt. Ich zog eine Augenbraue hoch. Jetzt fehlte irgendwie nur noch der große böse Hai. Dann wäre es perfekt! „Sam? Kannst du mir helfen?“, fragte Samantha mich und so wurde ich von meinen Gedanken abgelenkt. Ich sah zu ihr herunter. Sie hielt mir eine Tube entgegen und lächelte mich an, so dass meine Knie ganz weich wurden. „Kannst du mich eincremen?“, bat Samantha mich. Ich brachte nur ein Nicken hervor. Ich nahm unschlüssig die Tube in die Hand und betrachtete sie, während Samantha sich auf den Bauch legte und ihre dunkelblonden Haare zur Seite schob. Ich verzog meinen Mund. Eincremen war ja nicht so mein Ding. Davon bekam man immer so klebrige Hände. Ich setzte mich neben sie in den warmen Sand. Vergnügt vergrub ich meine Füße darin und spielte mit den Zehen im Sand. Samantha sah zu mir und grinste amüsiert. Sie packte meinen Fuß und kitzelte mich an der Fußsohle. Ich lachte und versuchte meinen Fuß wegzuziehen, was sie mir aber nicht so einfach machte. Ich öffnete die Tube und ließ die kalte Creme auf ihren Rücken fließen. „Ah! Ist das kalt!“, rief Samantha erschrocken und so konnte ich mich von ihr befreien. Da ich gerade so in Fahrt war, malte ich ihr ein Smiley auf den Rücken, auch wenn es ein wenig merkwürdig verzerrt aussah. „Sam, so viel brauchst du nicht!“, erklärte Samantha lachend. Ich zuckte nur mit den Schultern und stellte die geschlossene Tube neben ihr in den Sand. Dann begann ich damit die Creme auf ihrem Rücken gleichmäßig zu verteilen. Ich ließ meinen Blick wieder umherschweifen und stellte fest, dass die Anderen sich auch eincremten. Was mir so gar nicht gefiel, war, dass Elias sich von Lake eincremen ließ. Auch noch an Stellen, wo ich es nicht besonders gerne sah. Ich brummte und sah wieder auf Samantha's Rücken. Elias würde ich ja jetzt auch gerne eincremen, stellte ich bedauerlich fest. „Fertig!“, meinte ich nach einiger Zeit und sah meine Hände an. Hoffentlich kam ich schnell ins Wasser, dann wäre ich das Zeug endlich wieder los. „Sam, soll ich dir auch...“ - „Hey, Sam! Komm her! Du bist noch gar nicht eingecremt!“, rief Elias mir zu. Ich war von ihm völlig abgelenkt, so dass ich zu Elias hinrannte und Samantha's Vorschlag kaum mitbekam, der im Keim erstickt wurde. Ich ließ mich lächelnd vor Elias in den Sand gleiten, zog mir schnell noch mein Shirt aus und während Lake begann sich selbst einzucremen, ließ Elias sich das Zeug auf seine Hand träufeln. Bei dem Anblick kamen mir irgendwie etwas andere Gedanken. Hastig sah ich zur Seite und schon im nächsten Moment kniff ich die Augen zusammen, als ich Elias Hände auf meiner Brust spürte. Ich sah an meinem Bauch herunter und beobachtete ihn. Dabei hatte ich auch einen guten Blick auf Elias. Er war schon extrem blass, aber irgendwie gefiel mir der Anblick. Ich würde bestimmt wieder schnell braun werden. Bei mir ging das immer ziemlich schnell. Ich keuchte unterdrückt auf, als Elias immer mal wieder meine Brustwarzen streifte. Machte er das etwa absichtlich? Elias grinste. „Was ist los? Gefällt dir das?“, fragte er scheinheilig. Irgendwie bekam ich gerade nicht mehr als ein Nicken zustande. Elias hatte mit so einer ehrlichen Reaktion wohl nicht gerechnet, denn er sah mich ein wenig verblüfft an. „Dreh dich um!“, forderte er mich schließlich auf und ich tat ihm nur zu gern den Gefallen. Ich sah zu den Anderen. Die Mädchen unterhielten sich angeregt miteinander, was mir auch ganz recht war. Calvin hatte sich auf seinem Tuch ausgebreitet und sonnte sich erst mal ausgiebig. Lake versuchte sich derweil mühsam am Rücken einzucremen und bekam zu seiner Überraschung Hilfe von Hanna. Die beiden schienen sich ja recht gut zu verstehen, stellte ich zufrieden fest. Ich spürte Elias Hände an meinem Bauch und sein Kinn auf meiner Schulter. Genießerisch ließ ich mich gegen seine Brust sinken, auch wenn es mir vor meinen Freunden ein wenig peinlich war. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und sah auch nicht zu ihnen. Elias Hände sorgten sowieso schon für genug Ablenkung. Ich lehnte meinen Kopf nach hinten an seine Schulter und genoss es, wie dessen Finger über meinen Bauch glitten und überall ein angenehmes kribbeln hinterließen. Leider war Elias viel zu schnell fertig, für meinen Geschmack. Ich seufzte enttäuscht und öffnete meine Augen. Ich stellte fest, dass die Anderen schon längst im Wasser waren und herumalberten. Ich drehte meinen Kopf und sah zu Elias auf. Er war so schön warm. Elias überbrückte die letzten Zentimeter, die uns noch voneinander trennten und drückte mir seine weichen Lippen auf den Mund. Ich schloss meine Augen wieder und vergrub meine rechte Hand in seinen schwarzen Haaren und zog ihn somit noch etwas näher an mich heran. Eigentlich keine so gute Idee, wenn man bedachte, dass er mir erst vor kurzem ein Liebesgeständnis gemacht hatte und jetzt wahrscheinlich noch auf eine Antwort von mir wartete. Na ja, nach einer Antwort hatte er nicht wirklich verlangt. Zumindest hatte er nichts angedeutet. Der Kuss hielt leider nicht lange an. Gerade als Elias mir seine Zunge in den Mund schieben wollte, hörten wir wieder zwei Leute aus unserer Gruppe streiten. Wir sahen zum Wasser und wie sich herausstellte, waren es diesmal Maria und Lake, die sich zofften. „Was ist denn da los?“, fragte Elias überrascht. Ich zuckte mit den Schultern. „Lake kann nun mal nicht anders.“ „Er ist aber nicht der Typ, der sich mit Mädchen anlegt. Jungs öfter, aber nicht mit Mädchen!“, erklärte Elias und stand auf. Ich murrte. War doch egal! Ich wollte lieber mit Elias weiter kuscheln. Ächzend erhob ich mich und lief ihm träge hinterher. Das Gezanke wurde lauter, je näher wir dem Wasser kamen. Konnten die das nicht selber regeln? Außerdem verdarben sie allen den Spaß, wenn sie so schlechte Laune verbreiteten. „Das hast du doch mit Absicht getan!“, keifte Maria und sah Lake wütend an. „Was hätte ich davon? Als ob jemand dir freiwillig an die Wäsche gehen würde!“, schnauzte der schwarzhaarige Junge und erhob sich, da Maria ihn kurz vorher ins Wasser geschubst hatte. „Was ist los?“, fragte Elias und seine Stimme war schon irgendwie unheimlich, wenn er gereizt war. Er hatte ja schon eine recht tiefe Stimme, aber jetzt war sie noch dunkler. Ich bekam eine Gänsehaut. „Er hat mich angegrabscht! Ist ja mal wieder typisch für euch Kerle! Könnt ihr nicht eure Griffel bei euch behalten?“, meckerte Maria und schien es nun auf alle Männer in ihrem Umkreis abgesehen zu haben. „Dann lauf gefälligst nicht so freizügig herum!“, rief Lake ihr zu. „Du Hornochse! Wir sind am Strand! Da läuft jede Frau so durch die Gegend!“ „Leute, beruhigt euch!“, versuchte Elias sich dazwischen zu schieben. Allerdings wurde er von den Streithähnen ignoriert. „Lass sie doch, Elias! Ist doch nicht unser Problem! Solange sie nicht aufeinander losgehen, ist doch alles in Ordnung.“ Ich zog an Elias Arm und sah zu ihm auf. Er drehte sich zu mir herum und sah dann wieder zu den Anderen. „Es nervt einfach nur, wenn ständig alle am Streiten sind! Ich kann das einfach nicht mehr ab!“, erklärte er gereizt. Ich wusste genau, was er damit meinte, aber ich sagte lieber nichts dazu. „Komm, Elias! Lass uns zurück gehen!“, bat ich ihn und zog wieder an seinem Arm. Diesmal folgte er mir. Ich lächelte ihm zu und übersah beim Rückwärtsgehen eine scharfkantige Muschel. Ich trat genau darauf und schrie vor Schmerz auf. „Sam? Was ist?“, fragte Elias beunruhigt. Ich hob meinen Fuß an und wimmerte. Das tat richtig weh. Ich biss auf meine Unterlippe und versuchte mein Gleichgewicht zu halten. Das Blut tropfte herunter. „Ah! Warte, ich trage dich zu unserem Platz und schau mir das gleich mal an!“, meinte Elias fürsorglich und hob mich hoch. Ich hielt mich hastig an ihm fest und schlang meine Arme um seinen Hals. „Was ist los?“, riefen die Anderen und kamen uns besorgt hinterher. Der dumme Streit war längst vergessen. Elias setzte mich auf einem Tuch ab, damit kein Sand an die Wunde kam und griff dann nach meinem Fuß. Er untersuchte besorgt die Verletzung. „Sieht nicht so tief aus!“, meinte er erleichtert. Wieso war er so erleichtert? Ich war hier halb am verbluten und er meinte, es wäre nicht so schlimm?! Ich blickte halb liegend zu ihm auf und brummte. „Ist wirklich nicht so schlimm. Das verheilt bestimmt schnell wieder!“ Elias sah mich aufmunternd an. Wieso musste eigentlich immer ich dran glauben? Ständig passierte mir etwas und den Anderen gar nicht! Gelinde gesagt, war das ziemlich unfair! Ich konnte ja nicht mal mehr ins Wasser! Beleidigt starrte ich auf meinen Fuß und auch die Aufmunterungsversuche meiner Freunde brachten nicht wirklich viel. „Also eigentlich darf der Fuß ja nur nicht dreckig werden, oder?“, fragte Lake und sah in die Runde. „Die Blutung hört ja nicht auf!“, warf Elias ein und zeigte auf meinen Fuß. Enttäuscht knabberte ich auf meiner Unterlippe und ballte meine Hände zu Fäusten. Dabei hatte ich mich so auf den Tag heute gefreut und jetzt war ich drauf und dran wieder zu heulen. Ratlos saßen alle um mich herum und keiner wusste weiter. Es wollte aber auch niemand schon heimgehen. Wir waren ja gerade erst am Strand angekommen. Hanna setzte sich zu mir und begann erst mal damit mir den Fuß zu verarzten. Scheinbar hatte sie an alles gedacht, denn sie hatte ein kleines Kästchen für Erste-Hilfe dabei. Ich sah ihr zu und ließ mich seufzend auf das Tuch sinken. Genervt starrte ich in den Himmel und beobachtete einige Möwen. „Dann geht ihr halt schwimmen. Ich bleib solange hier und brutzele in der Sonne...“, kam es träge von mir und ich schloss einfach meine Augen. Da meine Freunde bei mir nicht mehr weiter kamen, ließen sie es bleiben und verzogen sich zurück ins Wasser. Mir war zum Heulen zumute. Ich öffnete wieder meine Augen und war überrascht neben mir Lake sitzen zu haben. „Wieso bist du noch hier?“, fragte ich gereizt. Er sah zu mir und zuckte mit den Schultern. „Elias ist kurz Eis kaufen gegangen und ich habe keine Lust mit der Viper da hinten im Wasser zu plantschen!“ Ich musste grinsen. Wenigstens waren wir uns beide in einem Punkt einig. Wir mochten Maria nicht. Ich betrachtete Lake im Liegen. Wenn er so ruhig auf das Meer hinaus sah, wirkte er irgendwie ganz nett. Auch wenn er ein Mundwerk hatte, das ich ihm manchmal wirklich gerne zunähen würde. „Stehst du eigentlich auf Hanna, Samantha oder Elias?“, fragte Lake mich plötzlich. Ich sah ihn verständnislos an. „Ich kann deine Lage verstehen, aber was ich nicht verstehe ist, dass du dich nicht klar entscheiden kannst. Wenn du dir nicht sicher bist, dann halte Elias gefälligst daraus! Ich will nicht, dass du so mit seinen Gefühlen spielst!“ Ich schluckte. Er hatte ja recht, aber es klang schon komisch direkt darauf angesprochen zu werden. „Was soll ich denn machen? Irgendwie wollen plötzlich alle etwas von mir und da soll ich mich für jemanden entscheiden?“, murrte ich. „Wieso lässt du dich nicht auf Elias ein? Ich meine, ihr habt schon ziemlich viel miteinander angestellt. Er hat dich geküsst und ich wette er hat dir auch schon einen runter geholt!“, kam es von Lake. Musste er so furchtbar direkt sein? Ich wurde knallrot und sah zur Seite. Unsicher schielte ich zu Lake und seufzte. Als ob das alles so einfach wäre. „Elias ist mein Freund. Ich kenne ihn schon seit Jahren. Wie soll ich mich da in ihn verlieben?“, fragte ich Lake. „Was fragst du mich das? Solche Probleme habe ich nicht. Ich will nur nicht, dass er wieder verletzt wird!“, meinte er und sah zu mir. Irgendwie konnte ich ihn ja verstehen, aber ich wusste selber nicht, wie ich damit fertig werden sollte. „Was soll ich machen?“, fragte ich Lake kleinlaut. Wieso ich ausgerechnet ihn fragte, wusste ich nicht. Lake zog seine Augenbrauen in die Höhe. Scheinbar hatte er damit nicht gerechnet. „Hast du schon mal daran gedacht, dich auf jemand Anderen außer Elias oder deinen Freunden einzulassen?“, schlug er vor. „Keiner aus meinem Freundeskreis?“, hakte ich skeptisch nach. „Wie soll ich da jemanden finden?“ „Na, auf Partys, oder so. Zumindest bekommst du dann mehr Erfahrung!“, warf Lake ein. Heftig schüttelte ich mit dem Kopf. Das wollte ich nicht. Nicht jemand Wildfremdes, den oder die ich gar nicht kannte. „Du weißt ja nicht mal, ob du auf Männer oder Frauen stehst. Stehst du überhaupt auf irgendwas?“ „Du bist gemein! Woher soll ich so was denn wissen? Ich war 12 Jahre im Koma und seit einigen Monaten bin ich wieder auf den Beinen. Ich weiß gar nicht, was alle von mir wollen?!“, brauste ich auf und setzte mich aufrecht hin. Anklagend sah ich Lake an. „Du bist so ein Kind!“, entfuhr es ihm. Ich rümpfte die Nase. „Entschuldigung, dass ich dir nicht erwachsen genug bin!“ „War das eine Aufforderung?“, fragte Lake und sah mich herausfordernd an. Ich verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Perplex sah ich ihn an. „Was meinst du?“, fragte ich Lake unsicher. Er grinste frech und fuhr mit seiner Hand mein Bein entlang. Ich sah ihm dabei zu und wusste nicht, was er damit bezwecken wollte. „Wenn du dich nicht entscheiden kannst, nehme ich dir die Frage eben ab.“ Lake beugte sich über mich und setzte sich breitbeinig auf meinen Bauch. Er drückte mich auf das Handtuch und sah auf mich herunter. Ich drückte meine Hände gegen seine Brust. Immer diese blöden Späße von ihm! „Hör auf damit!“, meinte ich wütend. Doch schon im nächsten Moment beugte er sich zu mir herunter und drückte mir seine Lippen auf meinen Mund. Ich verkrampfte mich und wollte ihn wegdrücken, aber das ging leider nicht so einfach von statten. Ich schnappte nach Luft und spürte Lake's Zunge in meinem Mund. Ich kniff die Augen zusammen und spürte seine Hände an meinem Körper. Es war anders als bei Elias, das hatte ich schon bei meinem ersten Kuss mit Lake bemerkt, wenn man es denn so nennen wollte. Ich mochte es nicht. Er küsste mich viel intensiver und gröber, als Elias, der es immer mit mehr Gefühl machte. Wieso küsste er mich überhaupt? Ich dachte, er mochte mich nicht? Er stand nicht mal auf Jungs! Ich keuchte in den Kuss und spürte, wie Lake sich komplett auf mich legte und leicht an mir rieb. Es schien nicht mal den Strandbesuchern aufzufallen. Mein Körper stellte sich gegen mich und ich spürte, wie ich langsam aber sicher eine Erektion bekam. Das war so gemein von ihm! Ich unterdrückte meine Tränen und versuchte ihn noch immer wegzuschieben. Wieso war ich so schwach? Plötzlich wurde Lake von mir weggerissen. Ich öffnete schwer atmend meine Augen und sah wie er in den Sand flog. Ich schnappte nach Luft und richtete mich auf. Meine Augen weiteten sich. Calvin beugte sich über Lake und stieß ihm mit voller Wucht die Faust ins Gesicht. Lake's Kopf flog zur Seite und er stöhnte schmerzhaft auf. Ich hörte die Mädchen im Hintergrund, wie sie versuchten die Jungs zu beruhigen, aber das brachte rein gar nichts. Lake ließ sich den Schlag nicht gefallen und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen Calvin, so dass dieser in den Sand fiel. Er landete auf dem Rücken und japste auf. Lake kletterte über ihn und wollte ihm gerade eine verpassen, doch Calvin konnte den Schlag gerade noch so eben abwehren. „Lake!“ Ich drehte mich zu der Stimme um und sah wie jemand zu uns rannte. Erleichtert stellte ich fest, dass es Elias war. Er ließ die Tüte mit dem Eis einfach in den Sand fallen und rannte zu den Raufbolden. Elias packte Lake von hinten und zog ihn mühsam von Calvin herunter. Calvin richtete sich auf und sah Lake wütend an. Elias hielt seinen Freund immer noch fest. Elias sah überrumpelt zwischen uns hin und her. „Was ist passiert?“, fragte er mich entgeistert. Ich schüttelte nur den Kopf. Ich wusste ja selber nicht, wie das alles aus dem Ruder laufen konnte. Mühsam stand ich auf und klaubte meine Sachen zusammen. Ich drehte mich um und verließ den Strand. „Sam? Wo willst du hin?“, rief Elias mir hinterher. Meine Lippen zitterten und ich hatte Mühe meine Tränen zurück zu halten. Ich wollte einfach nur noch nach Hause. Ich humpelte weg vom Strand und spürte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen. Die Blicke der Passanten ignorierte ich und wie mechanisch lief ich durch die Menschenmassen hindurch. ◆ ◆ ◆ Als ich erschöpft zuhause ankam, schloss ich die Tür und betrat die Wohnung. Es war noch früh und meine Eltern waren nicht daheim. Ich hörte ein Rauschen im Badezimmer und wusste nicht, wer da im Bad sein könnte. Unsicher blieb ich an Ort und Stelle stehen. „We-wer ist da?“, rief ich mit verheulter Stimme. Das Rauschen hörte plötzlich auf und ich hörte ein Klappern. Ein paar andere Geräusche vernahm ich, konnte sie aber nicht zuordnen. Dann hörte ich jemanden über die Fliesen laufen und wie die Türklinke herunter gedrückt wurde. Nervös schluckte ich. Die Tür öffnete sich und das Erste was ich zu sehen bekam waren blonde Haare. „Sam? Bist du das? Schrei doch nicht so laut. Ich habe immer noch einen ziemlichen Jetlag!“, stöhnte der junge Mann und band sich ein Handtuch um seine Hüften. „Jason...“, schluchzte ich und humpelte zu ihm. Ich umarmte ihn und drückte mich fest an Jason. Meinen Tränen ließ ich freien Lauf und ich war nicht mehr sicher, ob ich aus Frust oder Freude weinte. „Sam? Was ist? Wieso weinst du? Hey, Kleiner? Was hast du denn?“, vernahm ich seine tiefe Stimme und klammerte mich weiterhin an ihn. Ich schmiegte mich an seinen Körper und hatte nicht vor meinen Gegenüber so schnell wieder loszulassen. „Ich hab dich auch vermisst...“, flüsterte er mir zärtlich ins Ohr und umarmte mich fest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)