Lover To Go - Leseprobe von CaitLin (Milchschaumschläger unter sich) ================================================================================ Kapitel 3: Und es hört nicht auf... ----------------------------------- (das verlorene kapitel =_=) Gerade eben hatte er sich vor seinem Chef geoutet. Und dieser hatte es als völlig normal und selbstverständlich hingenommen. Warum? Immerhin hatten die beiden Sex gehabt. Doch noch vor knapp zwei Wochen hatte Dylan ihn mit der Frau auf der Straße gesehen. Eng umschlungen, flirtend. Jetzt saß dieser vor ihm am Tisch und hatte Dylan auf eine unmissverständliche Weise klar gemacht, dass er an ihm interessiert war. „Bist du schwul?“ Dylan versuchte ruhig zu bleiben, er wusste nicht wohin mit seinen Händen. Immer wieder strich er mit ihnen nervös über seine Beine, bis er sie nur noch zu Fäusten ballte. Wie oft hatte er Jeremy diese Frage schon gestellt? Zwei Mal? Drei Mal? Jeremy stützte die Wange in seiner Hand und grinste ihn so frech an. „Warum interessiert dich das? Reicht es dir nicht, dass ich dich gevögelt habe? Und du dich großartig dabei gefühlt hast?“ Dylan starrte ihn fassungslos an, das schöne Gesicht musterte ihn auf eine irritierende Weise. „Nein!“, antwortete Dylan und man sah ihm deutlich an, dass er um Fassung ringen musste. Die zuvor winzige Röte auf seinen Wangen begann nun wild zu pulsieren. Sein Gesicht glühte, es brannte lichterloh. Ebenso seine Ohren… Er fühlte sich von Jeremy veralbert und mochte es überhaupt nicht im Dunkeln zu tappen und irgendwie wurde es um ihn herum keineswegs heller. Dafür sorgte dieser Kerl schon. Jeremys Schultern bebten amüsiert. Er lachte… Und wie er lachte… „Hör auf damit!“ Dylan hatte sich bis jetzt zurück halten können, doch es platzte aus ihm raus. Seine flache Hand schlug auf die Tischplatte, er hatte sich ein Stück zu Jeremy hinunter gebeugt. „Hör auf mich zu verarschen! Sag mir endlich die Wahrheit!“ Ihre Gesichter waren nicht mehr als einen Atemzug voneinander entfernt. Jeremy beruhigte sich ein wenig und grinste noch immer zu Dylan hoch. „Gehst du heute Abend mit mir was essen? Dann erzähle ich es dir vielleicht.“ Er hob den Finger, schnippte Dylan verspielt gegen die Nase. Dass er es genoss Dylan so aufgebracht zu erleben war wohl offensichtlich, immerhin machte er keinen wirklichen Hehl aus seiner Freude. „Nein!“, blaffte er und funkelte ihn aus wütenden Augen an. „Könntest du wohl einen Moment damit aufhören, ich muss es wissen!“ Jetzt erhob sich auch Jeremy, somit musste sich auch Dylan aufrichten. Die beiden Männer standen einander gegenüber, wobei Dylan leicht nach oben blicken musste, um ihm in die Augen zusehen. „Es schmeichelt mir, dass du mich jetzt plötzlich doch interessant findest.“, sagte Jeremy und richtete den Kragen seiner Lederjacke. Sein charmanten Augen ruhten in Dylans Gesicht. „Aber wenn du eine Antwort auf deine süße naive Frage willst, musst du schon eine weitere Nacht mit mir verbringen. Und egal wie sehr du dich dagegen sträubst…“ Seine Stimme wurde leiser. „…ich sehe in deinen Augen, dass du mich willst.“ Dylan starrte ihn nur noch mit großen Augen an, er wollte schreien, wollte toben. Doch er war völlig verstört. Sah man ihm all diese Dinge wirklich an…? Das gab es doch nicht! Er wirbelte herum, als Jeremy schon an ihm vorbei gelaufen war und sah ihm hinterher. Sein Mund riss weit auf, er wollte ihm etwas Wüstes hinterher schreien, wollte toben. Aber es kam kein einziger Ton aus seiner verdammten Kehle Dieser hob nur zum Abschied die Hand, ohne sich umzudrehen. Dylan atmete schwer aus, sein Atem bildete weiße Wölkchen in der Luft. Lautlos und sichtbar langsam lösten sie sich vor ihm auf. Ebenso wie ein anderes bedrückendes Gefühl, jedoch ohne, dass er es bemerkte. Einen Scheißdreck würde er tun, er würde sich nicht noch einmal auf seinen Chef einlassen! Ja war er denn völlig verrückt geworden?! Und so schlich sich der Tag langsam hin. Wenn es mal leer war, dann nur für ein paar wenige Minuten doch sobald zwei, drei Leute den Laden betraten, strömte fast augenblicklich die Masse hinterher und bald jagte Tasse um Tasse und Becher für Becher über die Ausgabe. Nicht einmal seine Pause nahm sich Dylan heute. Er ließ die anderen gehen, besonders die neuen Aushilfen waren fast sofort schlapp. Die Vorweihnachtszeit war wohl die wildeste und anstrengendste Zeit. Denn Weihnachten bedeutete viel Stress und wer viel Stress hatte trank auch Unmengen Kaffee. Zumindest war das Dylans Theorie. Erst spät am Abend schloss Dylan ab, winkte den anderen zum Abschied noch zu und sah ihnen hinterher. Er hätte sich selbst belogen, hätte er behauptet, dass er nicht an Jeremy gedacht hatte. In jeder freien Sekunde, auch wenn er dabei in kleine Wutausbrüche verfiel. Hätte er ihn anrufen sollen? Seine Nummer hatte er auf dem Handy gespeichert, er hatte sämtliche Nummern seiner Kollegen. Doch auch als er sich an einen der aneinander geketteten Tische lehnte und sein Handy hervor zog, brachte er es nicht einmal über sich die Nummer aus seinen Kontakten heraus zu suchen. Ob Jeremy wartete? Bestimmt nicht… der Arsch spielte sicher nur mit ihm, das war doch eigentlich ganz offensichtlich. Ständig veralberte er Dylan, nahm ihn mit seinen blöden Sprüchen auf den Arm. Er seufzte und ließ das schmale Handy wieder in seiner Tasche verschwinden. Seine Glieder fühlten sich so schwer und taub an, als er sich vom Tisch abstieß und in Bewegung setzte. Noch auf dem Weg zur Green Line sah er sich verstohlen um. Wurde er jetzt schon paranoid? Natürlich machte Jeremy sich nur lustig über ihn! Seine Gedanken rotierten, völlig mechanisch stieg er aus der Bahn und verließ die Longwood Station und lief langsam nachhause. Die Bäume des berühmten Emerald Necklace waren völlig nackt, der Park, direkt an der Haltestelle, wirkte völlig kahl und nicht besonders einladend. Die Chapel Street runter, schlenderte er auf die Longwood Ave. Etwa zweihundert Meter später stand er auch schon vor dem Apartment. Davor angekommen hatte er die Hände in die Taschen geschoben und blickte zum dunklen Fenster hinauf. Für gewöhnlich hatte dort oben immer Licht gebrannt, wenn er heim gekommen war. Mit einem schweren Seufzen kramte er den Schlüssel hervor und schloss auf. Noch ein weiterer trostloser Abend, in dieser elenden trostlosen Wohnung. Es wirkte schon fast ein wenig verloren, als er da so in dem Flur stand. Seine Hand hatte sich gehoben, wollte den Lichtschalter rechts von ihm betätigen, doch er brachte es einfach nicht fertig. Langsam zog er seine Hand wieder zurück. Wäre es nicht doch besser, wenn er nichts sehen würde? Hier im Flur hingen noch Bilder von ihnen… gemeinsame Fotos der letzten Jahre… ihre lachenden Gesichter, das frische Liebesglück, das in ihren Augen brannte. Es war so schnell erloschen, Dylan hatte es kaum gemerkt. Irgendwann war ihr gemeinsames Leben zu einem völligen alltäglichen Trott mutiert. Wann hatten ihre Augen aufgehört einander so anzulachen? Seine Finger strichen über einen Bilderrahmen an der Wand. Es war ein kleines Foto, er wusste auch genau welches. Es war eine Party, bei irgendeinem Freund von Daniel. Eine Faschingsparty. Daniel hatte rosafarbene Antennen mit dicken Kugeln auf dem Kopf, er war als rosa Alien gegangen, wobei Dylan das passende Outfit als Men in Black trug. Mit einem ebenso pinken Alien in Miniversion in seiner Brusttasche. Sie prosteten mit ihren Getränken in die Kamera. Seine Schritte gingen weiter durch den Flur, er berührte einen Rahmen nach dem anderen, bis er beim letzten angekommen war. Sie saßen in einem Cafe, trugen einfache Klamotten und lächelten recht steif. Das Foto war erst drei Wochen alt… Dylan griff danach, spürte den dicken Kloß in seinem Hals. Wie konnte er ihm das einfach so antun…? Nach so langer Zeit? Sie hätten wenigstens noch reden können… wenigstens ein letztes Mal einander in die Augen sehen können, wenn Daniel sich denn unbedingt trennen wollte. Vielleicht hatte er schon einen anderen gefunden..? War er deswegen so schnell abgezischt? Der Rahmen in seinen Händen begann zu zittern, als ihm potentielle Typen, die als Dan’s neue Partner in Frage kämen, einfielen. Da war dieser heiße Kellner im „PeaCock“, einer der beliebtesten Gay Bars im Lande. Oder Bekannte von ihm? Vielleicht auch einer der Typen, die jeden Samstag Baseball spielten. Immerhin liefen sie gelegentlich zufällig fast jeden Samstag mindestens ein Mal am Playground vorbei, das sich hinter ihrem Apartment befand. Das Bild knirschte in seinen Händen, wütend packte er es und schleuderte es auf das Parkett. Wieder klirrte und knallte es, bis er ein Bild nach dem anderen zu Boden warf. Sein Leben deformierte sich zu einem einzigen Scheißhaufen! Während seines Wutanfalls wünschte er sich die Tür würde sich öffnen, er wünschte sich irgendjemand würde sie öffnen und herein kommen! Daniel… oder… Jeremy… Aber das hier war kein beschissener Film… Niemand kam. Selbst dann nicht, als Dylan zwischen den Scherben hockte. Schließlich begann er die fielen Scherben irgendwann einzusammeln, nachdem seine Wut langsam wie ein schwerer nasser Sack von seinen Schultern plumpste. Seine Emotionen erstarrten, nach dem wilden Ausbruch und kristallisierten sich zu mächtigen Eiszapfen, die sich in seinen Leib bohrten. Denn die Klarheit überfiel ihn erbarmungslos. Er war alleine, Daniel hatte ihn verlassen und den Rest seines Lebens mitgenommen. Zumindest fühlte es sich gerade so an. Und er zweifelte daran, dass sich etwas daran ändern würde. Noch während er die zerbrochenen Teile einsammelte, schnitt er sich in die linke Handfläche. Ein kleiner Bluttropfen quoll hervor und lief ihm über die helle Haut, ehe er hinunter auf die restlichen Scherben tropfte. „Scheiße…“, murmelte er und verband sich schnell die Hand. War der Schnitt tief…? Nein, er glaubte nicht. Zumindest nicht so sehr, dass er ins nächste Krankenhaus stürmen musste. Der feste Verband tat es auch. Sein Blick huschte zur Uhr. Es war kurz nach eins. Jeremy wartete bestimmt nicht mehr auf ihn. Wenn er es denn wirklich getan hatte. Vielleicht hätte er einfach mit ihm essen gehen sollen, dann würde er jetzt hier nicht alleine zwischen den zerschmetterten Bildern hocken. Ein bedrückendes Gefühl der Einsamkeit übermannte ihn, er wollte einfach nur noch ins Bett. Noch schläfrig machte er sich am nächsten Morgen auf zur Arbeit, seine Gedanken allerdings schwebten irgendwo weit über den dunklen Wolken, die so schwer und unheilverkündend am Himmel hingen. Im Store war es brechend voll. Es war Heiligabend und die Menschen stürmten in Massen heran, um ihre letzten Einkäufe noch schnell zu erledigen. „Dyl! Super, dass du schon da bist!“, rief Rob, der zusammen mit Susann und Collin vorne stand. Zwischendurch hetzten zwei Aushilfen in die Küche hinein und wieder heraus, die Schwingtür stieß immer wieder von neuem auf, noch bevor sie in ihren Rahmen zurück schwingen konnte. Aber was hieß hier schon? „Bin gleich da…“ Er ging nach hinten, lief durch das Büro und hing sich dort seine Jacke an den Haken, ehe er sich seine Schürze dort wegnahm. Ein Blick auf den Plan und er erstarrte. Er hätte je erst in zwei Stunden anfangen sollen! Shit! Der Tag fing ja schon wieder beschissen an… nun, jetzt war er allerdings hier. Und machte sich auch irgendwie an die Arbeit. „Lässt du mich an die Kasse?“, fragte er Susann, ihren Shift Supervisor. Die junge Frau sah ihn überrascht an, als er ihr seine verletzte Hand hinhielt. „Ja, klar! Alles okay?“ fragte sie verunsichert und wechselte so schnell es ging mit ihm die Kasse. „Alles in Ordnung…“, hatte er ihr nur knapp bestätigt. Und kaum stand er dort an der Kasse, wurde er wieder ganz zum kleinen Roboter. Hier schaltete sich sein Gehirn wenigstens für einen Moment ab und hörte auf so laut nachzudenken. In seiner Pause allerdings begab er sich nach hinten. Zwar hatte er seine linke Hand so gut wie gar nicht benutzt, doch es pulsierte schon noch ziemlich. Er hatte sich etwas zu trinken genommen und wollte sich ins Büro setzen. Hungrig war er nicht, er wusste nicht einmal wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte. Noch während die anderen durch den Laden stürmten, der Durchgang zur Küche führte am Büro vorbei, saß er dort und warf einen Blick auf den Plan. Jeremy stand nicht darauf, war ja klar. Nun, sie würden ja in wenigen Stunden schließen, da lohnte es sich nicht, wenn das ganze Team sich hier gegenseitig auf die Füße trat. Aber erleichtert war er schon, denn immerhin musste er seinem Chef nicht ins Gesicht sehen, weil er ihn gestern sitzen gelassen hatte. „Scheiße, wir haben keine Milch mehr!“, schrie Jamie, die Aushilfe, aus der Küche. „Dann renn schnell los in die anderen Stores und sieh zu dass man dir etwas mitgibt!“ Er sah Susann, die aufgebracht das Telefon in der Hand hielt und die Nummern der anderen Läden zu wählen. Das war wohl das praktische an einer Kette, besonders wenn weitere Filialen dicht beieinander lagen. Die Panik war groß, es war ihnen noch nie passiert, dass die Milch einfach ausgegangen war. „Ich gehe schon!“ Dylan erhob sich und stellte seinen Becher beiseite. Susann, die gerade vor dem Büro stand, hob verblüfft den Kopf. „Echt? Kannst du mit deiner Hand fahren? Ich gebe dir die Schlüssel, du kannst meinen Wagen nehmen!“ Sie drückte ihm sofort die Schlüssel in die Hand, warf aber einen skeptischen Blick auf seine Linke. „Das geht schon!“ Er ging mit schnellen Schritten durch den kleinen Flur, stieß die Schwingtür auf. „Warte, Dyl! Ich hab grad Sally dran!“, rief Susann hinter ihm und eilte ihm nach. Dylan bemerkte es nicht, er hatte die linke Hand an den Türrahmen gelegt und einen Moment lang vergessen, dass die Tür auch wieder zurück geflogen kam. Besonders wenn man sie ein wenig mit Kraft aufstieß. Und die Tür flog tatsächlich zurück. Noch bevor er reagieren konnte, stieß die Tür hart gegen die Hand auf dem Rahmen und zerquetschte sie ihm so schmerzhaft, dass ihm die Luft wegblieb. Der Schmerz jagte wie die Bisse kleiner raffgieriger Vampire durch seinen Körper, die an seinen Venen und Nerven zerrten. „Dylan!“, rief Susann hinter ihm, sie schleuderte entsetzt das Telefon zu Boden. Er zog seine Hand langsam zurück, sie war rot und pulsierte… Dylan hatte die Zähne fest zusammen gepresst, hielt sich mit der rechten Hand das linke Handgelenk und keuchte. Jemand packte ihn ruckartig an den Schultern und stieß ihn in die Küche. „Eis!! Bringt Eis her!“, brüllte Jeremys Stimme dicht an seinem Ohr und schubste ihn weiter. Jamie war schon vorgerannt und hatte das Eis in einen Eimer gefüllt, hielt es Jeremy hin. Dieser hatte Dylan’s Hand gepackt und steckte sie sofort zwischen die Eiswürfel. Dylan zischte laut auf und wollte seine Hand reflexartig zurück reißen, doch Jeremy ließ ihm dazu keine Gelegenheit, sondern drückte die Hand noch tiefer in den Eimer hinein. „Oh Gott!“, wimmerte Susann. „Mensch, du bist vielleicht schusselig in letzter Zeit!“, fuhr sie ihn an und schickte dann doch Jamie los, um die Milch zu holen. Schließlich ging auch sie wieder nach vorne, um den anderen zu helfen. Dumpf pochte seine Hand zwischen den Eiswürfeln, auf die Dylan hinunter starrte. Der Schmerz war zwar etwas weniger geworden, zog sich aber durch seinen Arm, bis hin zu seiner Schulter. Jeremy sagte erst einmal nichts, sondern schnaufte nur. „Langsam hab ich die Schnauze voll von dir!“, blaffte er Dylan so laut an, dass dieser zusammen fuhr. Sein Chef schritt an ihm vorbei und verließ schnell die Küche. Dylan war fast schon nach heulen zumute. Er wollte ersaufen, im Meer seines Selbstmitleides ertrinken und sich so klein machen, dass ihn niemand sehen konnte. Plumpsend ließ er sich auf den Hocker nieder und zog den Eimer auf seinen Schoß. Warum war er nicht zuhause geblieben…? Vorsichtig zog er seine Hand ein kleines Stück raus und sah einen großen roten Fleck auf seinem Verband. Das seltsame rötliche Farbenspiel, das sich in den Eiswürfeln brach, hatte ihn verwundert. Jetzt wusste er was es war. Seine Hand blutete. Vielleicht würde er ja glücklicherweise verbluten, wenn er hier noch länger saß? Oder verschimmeln. Jamie kam schon zurück, mit ein paar neuen Kisten und erkundigte sich immer zwischendurch, ob Dylan etwas brauchte. Jamie war ein lieber Junge, er hatte gerade angefangen hier in Boston zu studieren und war wohl kaum älter als neunzehn oder zwanzig. Seine Familie war seinetwegen hierher nach Boston gezogen, um ihn nicht allein zu lassen. Ein kleines, humorloses Lächeln zierte seine Lippen. Seine eigene Familie hielt ihn für einen Nichtsnutz, weil er nichts aus seinem Leben gemacht hatte, wie sie so schön sagten. Er stammte aus einer Familie, die eine Reihe von Diplomaten und Rechtsanwälten hervor gebracht hatte. Und weil er keine Lust aufs studieren gehabt hatte, hatte man ihm den Rücken gekehrt. Irgendwann, etwa eine Stunde später, kam Jeremy zurück. Dass er noch immer zornig war, sah man ihm deutlich an, er brodelte wie ein heißer Vulkan. Sofort senkte Dylan wieder den Kopf. „Komm, wir fahren ins Krankenhaus.“, knurrte er und zog Dylan am rechten Arm wieder auf die Beine. „Schon okay…“, murmelte Dylan und versuchte seine blutige Hand zu verstecken, aber Jeremy hatte es längst gesehen. „Ich warne dich, treib es nicht zu weit!“ Das war sein letztes Wort, er schleppte Dylan einfach mit sich zu seinem roten Mustang. Beim letzten Mal war Dylan gar nicht aufgefallen, dass das Ding neu zu sein scheinen musste. Zumindest war er sicher, dass es keinen Wunderbaum mit „neuer Wagen“ Duft gab. Eigentlich verdiente doch Jeremy auch nicht gerade viel, wie konnte er sich da so einen Wagen leisten? Der kostete doch sicher mehr als zwanzigtausend Dollar! Und das war nur eine grobe Schätzung seinerseits, denn von Autos hatte er auch recht wenig Ahnung. Woher auch, er hatte selbst noch nie ein eigenes besessen. Das Leder schmiegte sich an seinen Körper und für einen Moment musste er sich zusammen reißen, um nicht einzuschlafen. Er verfiel in einen dösigen Zustand und kaum pennte er ein, da hielt der Wagen auch schon am Krankenhaus an. „Steig aus!“, war alles was Jeremy sagte, bis man Dylan versorgt und wieder entlassen hatte. Sie hatten warten müssen, doch die Schwestern waren freundlich. Der Arzt meinte, es sei nur eine Prellung, nichts schlimmes. Auch der Schnitt war nicht tief, wurde aber so gut wie möglich versorgt. Schließlich saßen sie wieder im Wagen, der Verband um Dylan’s Hand war schon weitaus angenehmer als sein eigener. Diesmal konnte sich Dylan jedoch wirklich nicht mehr halten und die Stille zwischen den beiden Männern trug dazu bei, dass er fast sofort einschlief. Irgendwann öffnete er die Augen und schielte durch ein halb geöffnetes Lid nach vorne. Er sah Jeremys schönes Gesicht direkt über seinem eigenen. Der andere fummelte gerade mit dem Schlüssel herum und bemerkte nicht, dass Dylan halb wach geworden war. Er stieß die Wohnungstür auf und da merkte Dylan erst, dass sein Chef ihn auf den Armen trug. Jeremy hatte ihn nachhause gebracht… Deutlich sah er Jeremys überraschtes Gesicht, denn dieser musste noch die restlichen Scherben auf dem Boden gesehen haben und die dazu gehörigen zerstörten Bilderrahmen. Mit ruhigen, halbgeöffneten Augen beobachtete Dylan das schöne Profil und in diesem Augenblick musste Jeremy eine Regung gespürt haben. Er sah zu Dylan hinunter und ein kleines Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen. „Schlaf ruhig weiter.“, murmelte seine angenehme, tiefe Stimme. Ihm war, als würde er schweben und wollte fast schon protestieren, als Jeremy ihn ins Bett legte. Die warme, breite Schulter unter seiner Wange war wunderbar angenehm gewesen, jetzt fühlte er sich nackt, selbst unter der Decke, die Jeremy über ihn legte. Jetzt war Dylan jedoch wach und hörte, wie Jeremy leise durch die Wohnung lief. Ging er…? Nein… Er war in der Küche. Und doch fiel es ihm schwer, die Augen offen zu halten. Müde schloss er sie wieder und war eingeschlafen, mit dem letzten, panischen Gedanken, dass Jeremy fort sein würde, sobald er wach wurde. Beim nächsten Mal, als er erwachte stellte er allerdings fest, dass Jeremy in der Küche saß. Er hatte sich einen Kaffee gemacht, es war schon dunkel draußen und blickte zu Dylan auf. Dylan selbst stand etwas verwirrt in seiner Küche. Warum war Jeremy noch hier? „Wie geht es deiner Hand?“, fragte er. Noch immer etwas irritiert, hob Dylan die Hand und bewegte seine Finger. Der Schmerz war kaum noch zu spüren. Der Schnitt allerdings schon. „Es tut kaum noch weh…“, murmelte er und stand wie ein Fremder in seinen eigenen vier Wänden dort. Warum? Weil er eine Anspannung spürte. Er wusste, Jeremy hatte schlechte Nachrichten für ihn. Bestimmt würde er ihn feuern… und dann? Dann würde sein Leben erst recht den Bach runter gehen. „Setz dich.“ Jeremy zog den Stuhl ein Stück zurück, so dass auch Dylan sich darauf niederlassen konnte. Stocksteif ließ der Jüngere sich darin sinken, er war völlig verkrampft. Jeremys Anwesenheit war seltsam. Sie war fast schon ein wenig unangenehm, doch zeitgleich war er froh, dass sein Chef hier war… denn irgendwie hatte er das Gefühl, dass ihn irgendwas an diesem Kerl anzog. Kaum seufzte sein Chef schwer, zog Dylan die Schultern ein wenig hoch. „Ich will dich in der nächsten Zeit nicht mehr im Store sehen.“ Die Worte trafen ihn hart wie Ziegelsteine. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)