Von wilden Schwänen, Pfefferkuchenhäuschen und ganz normalen Hexen... von Salix ================================================================================ Kapitel 4: Elisas Entscheidung ------------------------------ Author’s note: Anscheinend sind die Märchenhexen nicht bekannt, deswegen mache ich jetzt ein Ratespiel draus. In der Geschichte werden insgesamt vier Hexen/Zauberinnen vorkommen. Wer mir drei von vier errät, der darf sich eine Kurzgeschichte von mir wünschen, allerdings schreibe ich nur eigene Serien und kann kein Horror und keine Liebesgeschichten schreiben. Ich bin aber bereit vieles auszuprobieren. Hier noch ein paar Tipps. Zu jeder einer, nicht in der Reihenfolge wie sie in der Story auftauchen. Die erste der Märchenhexen hat in ihrem ursprünglichen Märchen keinen Namen, aber sie mochte Schleckermäuler und sprach mit dem Wind. Bekannt wurde sie durch die Brüder Grimm. Die zweite kommt ursprünglich aus Russland, sie fliegt mit einem Mörser durch die Gegend, hat ein Haus, welches auf Hühnerbeinen durch die Gegend läuft und frisst Kinder. Die dritte kommt ebenfalls aus Russland und ist eigentlich eine Zauberin. Ihre Schönheit kostete viele Männer das Leben, welche um sie freiten, bis einer sie doch noch überlistete, indem er sich als Stecknadel in ihrem Zauberbuch versteckte. Die vierte wurde durch Andersen berühmt. Sie gebietet über die Mächte der Natur, stiehlt Kinder und ihr Herz kann nur als tiefgefroren bezeichnet werden. Noch ein letzter Hinweis, alle Namen, die ich ihnen geben habe, haben etwas mit ihren Bezeichnungen in den Ursprungsmärchen zu tun, außer bei der namenlosen Hexe. Die Überfahrt auf der Fähre verbrachte Elisa unter Deck. Sie hatte nämlich sehr schnell herausfinden müssen, dass ihre Brüder ebenfalls mitreisten. Kaum hatte sie einen Schritt aufs Deck getan, waren ihre Brüder auf sie zu geflattert und hatten erneut versucht sie umzustimmen. Um ihren Brüdern, die sich irgendwo auf dem Dach der Fähre aufhielten, aus dem Weg zu gehen, war Elisa ins Restaurante unter Deck gegangen. Dort hatte sie sich an einen Tisch gesetzt, einen Kakao bestellt und betrübt aufs Meer hinaus gestarrt. Noch wagte sie es nicht ihren Vater anzurufen. Sie fragte sich auch, wie Tante Walpurga auf ihren Spontanbesuch reagieren würde, insbesondere da sie auch ihre Tante noch nicht angerufen hatte. Der Weg von der Fähre zum Bahnhofsgebäude war nicht weit und rasch zurückgelegt. Im Bahnhof kaufte sie eine Einzelfahrkarte nach Maribo. Die halbe Stunde bis der Zug abfuhr verbrachte sie damit auf ihr Handy zu blicken um dann doch keine der Nummern zu wählen, die sie wählen sollte. Sie war im Bahnhofsgebäude geblieben, weil sie fürchtete ihre Brüder würden sie auf dem Bahnsteig abfangen. Erst kurz bevor der Zug abfuhr, ging sie zum Bahnsteig. Hastig blickte sie sich nach den Schwänen um, konnte sie jedoch nicht entdecken. Der Zug war voll mit Urlaubern, weswegen Elisa eine ganze Weile brauchte um ein recht leeres Abteil zu finden. Schließlich entdeckte sie ein Abteil, in dem nur zwei Frauen saßen. Beherzt öffnete Elisa die Abteiltür. „Entschuldigung, ist hier noch ein Platz frei?“, fragte sie auf Deutsch, ehe ihr einfiel, dass sie das vielleicht besser auf Englisch oder Dänisch getan hätte. Dänisch konnten sie und ihre Brüder, weil ihre Mutter Dänin gewesen war. Die Jüngere der beiden Frauen antwortete ihr ebenfalls auf Deutsch: „Ja, hier sind noch Plätze frei.“ „Danke.“ Elisa betrat das Abteil und setzte sich. Die Frau, welche ihr geantwortet hatte, war etwa so alt wie Justus. Sie hatte glattes schwarzes Haar und ihre erstaunlich grau-grünen Augen waren leicht mandelförmig. Ihr Gesicht war herzförmig. Ihre Haut war hell und ebenmäßig. Sie war schlank, hochgewachsen und hätte sicherlich als Model arbeiten können. Zumindest sah sie so aus, als hätte sie Modelmaße. Die andere Frau war erheblich älter. Ihr gelocktes weißes Haar fiel ihr ins von vielen Fältchen durchzogene Gesicht, weil sie über ihr Strickzeug gebeugt war. Doch trotz ihres Alters strahlte sie eine gewisse Eleganz aus, wie sie manche Frauen von Natur aus zu besitzen scheinen. Elisa ließ sich in einen Sitz sinken, stellte ihren Rucksack neben sich und kramte ein Butterbrot hervor. „Bist du allein unterwegs?“, erkundigte sich die junge Frau. „Ja, ich besuche meine Tante.“, antwortete Elisa. „Ach, dann hast du schon Ferien.“, stellte die Frau fest. „Es sind gerade Zeugnisferien.“, behauptete Elisa frech. Die junge Frau betrachtete Elisa lange, dann lächelte sie und zog ein Buch hervor, in dem sie zu lesen begann. Elisa aß ihr Brot und blickte danach aus dem Fenster. Zum Glück versuchte keine der beiden Frauen erneut ein Gespräch anzufangen. In Maribo verließen alle drei den Zug. Elisa seufzte und zog zögerlich ihr Handy hervor. Jetzt musste sie Tante Walpurga aber wirklich mal anrufen, schließlich wusste sie nicht genau, wo in Maribo ihre Tante wohnte. Mit ihrem Handy beschäftigt merkte sie nicht, wie die beiden Frauen aus dem Zug von einer Frau mit roten Haaren begrüßt wurden. Erst der Ausruf: „Elisa, was machst du denn hier?“, brachte Elisa dazu aufzublicken. „Tante Walpurga, wieso bist du hier? Ich hab dich doch noch gar nicht angerufen!“, staunte sie. „Ich bin hier, weil ich meine Freundinnen abhole.“, teilte Walpurga ihr mit. Neben ihr standen die beiden Frauen aus Elisas Abteil. Die Ältere musterte Elisa aus eisblauen Augen. „Wie es scheint ist deine Nichte zu dir gereist um dich um Rat zu bitte, Walpurga.“, meldete sie sich erstaunlicherweise in Deutsch mit nordischen Akzent zu Wort. „Also Elisa, was ist los? Warum bist du hier?“, erkundigte sich Walpurga. „Äh, können wir das bei dir besprechen. Es ist etwas... speziell.“, murmelte Elisa. „In Ordnung. Jelena, Regina, dies ist meine Nichte Elisa von Blankensee. Elisa dies sind meine Freundinnen Jelena Weise und Regina Navis. Kommt, bei einer Tasse Tee ist es sicher angenehmer zu reden.“ Walpurga führte sie zum Parkplatz, wo ein kleiner weinroter Twingo auf sie wartete. Elisa wurde zusammen mit Jelena auf die hintere Sitzbank verfrachtet, weil sie beide noch jung genug wären um dort hin zu klettern, während Regina auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Die ganze Fahrt lang schwieg Elisa. Regina unterhielt sich mit Walpurga über deren Gewürz- und Teehandel, wobei sie immer noch strickte. Jelena hingegen hielt sich aus dem Gespräch raus und musterte Elisa eingehender. Walpurgas Haus entpuppte sich als Backsteingebäude mit Reeddach. Ein großer Garten wurde von einem blauen Zaun umrahmt. Elisa konnte nur den Gartenteil vorm Haus und bei der Auffahrt sehen. In einem runden Beet vorm Haus blühten erste Narzissen und letzte Krokusse. Das Grundstück grenzte an einen lichten Fichtenwald. Als Elisa hinter Jelena aus dem Auto kletterte, rauschten Schwingen und sieben Schwäne landeten auf der Auffahrt. Elisa hörte Walpurga seufzen, ehe diese sich an die Schwäne wandte. „So kommt ihr mir nicht ins Haus!“, erklärte ihre Tante fest. Elisa schluckte. Ihr Blick huschte zu Walpurgas Freundinnen. „Ähm, Tante... ich.... da gibt es ein Problem...“, begann sie. „Walpurga, wir bringen unser Gepäck rein und du kümmerst dich um deine Nichte.“, schlug Jelena vor. „Jelena, Liebes du hast nicht gut hingesehen und Walpurga auch nicht. Hier werden wir alle gebraucht.“, ließ sich Regina vernehmen. Elisa starrte die alte Frau an. Was meinte die damit? „Schätzchen, Walpurga, Jelena und ich, sind die leitende drei Hexen des nordeuropäischen Hexenzirkels. Das ein Bann auf diesen Schwänen und dir liegt, seh’ ich sogar ohne Lesebrille.“, teilte ihr Regina mit. „Ein Bonbon zur Beruhigung?“, fragte sie dann, wobei sie Elisa eine Pulmolldose hinhielt. Elisa schüttelte den Kopf. „Wenn das soweit geklärt ist, dann lasst uns alles Weitere im Wohnzimmer besprechen, sobald meine Neffen wieder gesellschaftsfähig sind!“, seufzte Walpurga. „Aber das ist doch das Problem!“, rief Elisa. „Sie können sich nicht verwandeln!“ Jelena hatte derweil die Schwäne umrundet und musterte den größten Schwan nun genauer. Sie ging in die Hocke. „Sag mal Elisa, so viele von Blankensees gibt es nicht, oder?“, erkundigte sie sich. „Stimmt.“, gab Elisa zur Antwort. „Kennst du einen Adalar von Blankensee?“, wollte Jelena wissen. Der große Schwan vor ihr raschelte mit den Flügeln, senkte seinen Kopf und stupste sanft ihr Knie an. „Uhm, ja. Er ist mein ältester Bruder und äh... steht vor dir.“, stammelte Elisa. Wenn Jelena und Regina Hexen waren, dann wussten sie auch von der Existenz der Gestaltwandler, also konnte sie es Jelena gleich sagen. Jelenas Augen verengten sich. Sie streckte ihre Hand aus und strich dem Schwan über den Rücken. „Du hast dich seit Weihnachten nicht mehr gemeldet, Adalar! Ich hoffe die Erklärung dafür ist gut!“, fuhr sie den Schwan an, der nun wirklich den Kopf hängen ließ. „Wollen wir das nicht doch lieber drinnen klären?“, fragte Regina, woraufhin die drei Hexen und Elisa das Haus betraten. Die sieben Schwäne watschelten hinterher. Im Wohnzimmer versammelten sie sich. Es war ein großer Raum mit hellem Ahornparkett und großen Fenstern. Eine Terrassentür führte in den Garten. Auf dem gedeckten Wohnzimmertisch thronte ein Schloss aus Lebkuchen. Elisa fragte sich abwesend, wie Walpurga es geschafft hatte, dieses Wunderwerk zu bauen. Als sie sich einmal an Lebkuchenhäuschen versucht hatte, waren selbst die ganz einfachen Häuschen zusammengekracht. „Setzt euch doch schon mal. Ich koche eben rasch einen Tee, bevor wir reden.“, bat Walpurga sie und verschwand in der Küche. Jelena warf Adalar noch einen bösen Blick zu, ehe sie Walpurga folgte. Regina ließ sich majestätisch auf einem Stuhl nieder. In der Wartezeit strickte sie wieder. Kurz darauf kehrten Walpurga und Jelena wieder. Walpurga trug eine dampfende Kanne Tee. Jelena brachte ein Gedeck für Elisa. Als alle saßen und die Schwäne sich um sie herum verteilt hatten, erkundigte sich Walpurga: „Was genau ist denn jetzt los?“ Also begann Elisa zu erzählen. Auf Nachfragen berichtete sie schließlich so ziemlich alles, was seit Weihnachten geschehen war. „Kröten, also wirklich. Wo hat die Frau zaubern gelernt!“, mokierte Jelena sich. „Was meinst du damit?“ Elisa verstand Jelenas Aussage nicht. „Ach Schätzchen, Jelena spricht von einem alten Zauber bei dem die Hexe Kröten verflucht, damit diese sich auf Stirn und Herz derjenigen setzen, die verflucht werden soll. Dadurch soll die verfluchte Person hässlich werden und einen schlechten Charakter bekommen. Zum Glück besitzt du ein reines Herz und bist Tierlieb, weswegen der Fluch bei dir eh nicht funktioniert hätte. Im Gegensatz zu dem Fluch auf deinen Brüdern.“, klärte Regina sie auf, die nun endlich zum Teetrinken ihr Strickzeug weggepackt hatte. „Der scheint ziemlich vertrackt und fies zu sein.“, fuhr Walpurga fort. Sie deutete auf die Fotos und den Gazestoff. „Damit hat Babsy sicher gestellt, dass deine Brüder vergessen haben, dass sie jemals Menschen waren. Jetzt ist er allerdings gebrochen. Anders sieht es mit dem Fluch aus, der über ihnen liegt.“ Jelena nickte langsam. Sie wärmte sich ihre Hände an ihrer Tasse. „Der lässt sich nicht so leicht brechen. Es gibt nur eine Person, die ihn brechen kann und dabei bleibt ein gewisses Risiko. Am liebsten würde ich Babsy jetzt schon für ihren Missbrauch der Magie bestrafen, aber dafür muss dieser Fluch gebrochen sein!“ Jelena klang zornig. „Wie kann sie es wagen! Solche Flüche sind schon lange verboten!“ Elisa räusperte sich. „Und wer kann den Fluch brechen, wenn ihr es nicht könnt?“ „Ach Schätzchen, nur du kannst den Fluch brechen, aber dass wird sehr anstrengend und schmerzhaft für dich. Wir können ihn nur etwas eindämmen.“, antwortete Regina ihr. „In Ordnung, was muss ich tun?“ „Du musst die Brennnesseln, welche hier im Garten oder auf Friedhöfen wachsen, zu Garn verarbeiten, aus welchem du sieben Pullis stricken musst. Wenn diese fertig sind, streife sie den Schwänen über und der Fluch ist gebrochen.“, Regina klang ernst. „Wo ist der Haken?“ Elisa kannte genug Märchen um zu wissen, dass das noch zu harmlos war. „Sobald du die erste Nessel gebrochen hast um mit deinem Werk zu beginnen, darfst du kein Wort mehr sprechen, sonst fährt dieses Wort wie ein Dolch in die Herzen deine Brüder und sie sterben.“, fügte Walpurga hinzu. „Außerdem ist es dir verboten zu weinen, egal welche Schmerzen du leidest. Jede Träne die du weinst, fügt einem deiner Brüder eine Wunde zu.“, wies Jelena sie auf eine weitere Gemeinheit des Fluches hin. „Ich habe eine Frage: Ich darf nicht sprechen? Heißt das ich darf nur kein Wort sagen? Kann ich denn etwas aufschreiben oder Gebärdensprache benutzen?“, wollte Elisa wissen. „Kluges Kind. Es darf nur kein Laut von deinen Lippen kommen und keine Träne aus deinen Augen rinnen. Du kannst zur Kommunikation schreiben und Gebärdensprache verwenden, aber und gib gut acht: du darfst niemandem, der nicht schon von dem Fluch weiß, etwas über den Fluch mitteilen.“, erklärte Regina ruhig. „Wie ist es, kann ich mit meinen Brüdern in der Schwanensprache...“, begann Elisa. Walpurga schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, kein Laut und dazu brauchst du Laute.“ „Gut, ich mach’s, solange ich dabei hier bei dir bleiben darf!“, entschied sich Elisa. Entsetztes Flügelschlagen und Schnattern setzte ein. Elisa hörte den lautstarken Protest ihrer Brüder und deren Argumente gegen ihre Entscheidung. Anscheinend war sie nicht die Einzige, denn Walpurga rief über den Lärm hinweg: „Ruhe! Es ist ihre Entscheidung! Wenn ich könnte, würde ich es ihr abnehmen, aber das geht nicht! Und die Option, dass ihr für immer wilde Schwäne bleibt und eure Menschlichkeit verliert, gäbe es zwar, aber sie kommt für eure Schwester nicht in Frage. Es ist ganz alleine Elisas Entscheidung!“ Es dauerte eine Weile bis die Schwäne Ruhe gaben. „Wir können helfen. In Maßen, aber es ist möglich.“, meldete sich Jelena leise zu Wort. „Wir können euren Fluch so abschwächen, dass ihr nur noch solange die Sonne am Himmel steht Schwäne seid und nach Sonnenuntergang Menschen. Ihr dürft Elisa zwar nicht helfen, aber ihr könnt dann zumindest ein wenig für sie da sein. Und wenn der Fluch gebrochen ist, werden wir uns diese Babsy vornehmen.“ Svante schmiegte sich an Elisas Bein. „Willst du das wirklich tun?“ „Ja, ich werde es tun, denn ich will meine Brüder zurück. Ich will nicht, dass ihr für den Rest eures Lebens wilde Schwäne seid und euch darin verliert! Ich schaffe das, ganz sicher!“, beteuerte sie laut. „In Ordnung. Du kannst bei mir bleiben. Ich regel das mit deinem Vater, dem Jugendamt und melde dich an einer Schule an.“, gab Walpurga bekannt. „Aber...“, begann Elisa. „Du bist noch minderjährig und schulpflichtig. So gerne du dich auch die ganze Zeit dem Lösen des Fluches widmen würdest. Es ist nicht möglich, wir müssen uns an die geltenden gesellschaftlichen Regeln halten.“, Jelena lächelte entschuldigend. „Ich zeige dir die Nessel und wie du die Fasern daraus gewinnst. Ich habe das von meiner Urgroßmutter gelernt.“ „Ich werde dir Spinnen und Stricken beibringen.“, bot Regina an. „Dann bin ich wohl für den ganzen restlichen Kram zuständig.“, meinte Walpurga. „Noch jemand Lebkuchen?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)