Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 26: 26. Kapitel ----------------------- "Gott, ist das kalt."
 Emma schlang sich die Strickjacke fester um die Schultern und sah sich ihre Zehen an, die in einem normalen und einem Paar Wollsocken steckten. 
"Guten Morgen." 
Kathy trug wie Emma auch noch ihren Schlafanzug, dazu aber kuschelige Hausschuhe und einen dicken Pullover. Ihre Mitbewohnerin holte gerade Milch aus dem Kühlschrank und schüttete sie in einen kleinen Topf auf dem Herd, in den Emma interessiert hinein linste.
 "Morgen. Was machst du denn?" 
Zuerst breitete sich ein Grinsen auf Kathys Gesicht aus, aber als sie Emma wirklich ins Gesicht sah, änderte sich ihre Miene. Sehr zum Negativen. 
"Du hast wieder schlecht geschlafen." 
Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Man brauchte Emma inzwischen nicht sonderlich gut zu kennen, um die Augenringe deuten zu können, die sich langsam einen ständigen Platz in ihrem Gesicht erkämpften. Die Albträume waren mal schlimmer, mal weniger schlimm - aber sie waren immer da. 
"Aber es ist Sonntag. Ich kann mich später nochmal hinlegen und heute Abend früh schlafen gehen." 
"Dann mach das aber auch." 
Emma legte ihr Kinn auf Kathys Schulter und setzte das liebste Lächeln auf, das sie im Repertoire hatte.
 "Versprochen."
 Ein Zittern ging durch ihren Körper und sie rubbelte sich die Arme warm, während sie zum Schrank hinüber ging und das Toastbrot heraus holte. 
"Dann bekommst du auch Kakao zum Frühstück."
 "Danke Kathy."
 Emma deckte den Tisch für drei, auch wenn nicht so sicher war, dass Rob um diese Zeit schon aus den Federn finden würde. Es gab Toast, Marmelade, Schinken, Käse und Kathy zog gerade wieder die Kühlschranktür auf, um die Packung Eier heraus zu holen.
 "Gerührt oder geschüttelt?", wollte sie mit einem Lachen wissen. 
Doch Emma schien in diesem Moment irgendetwas in den Magen gefallen zu sein. Sie sah Kathy an. Dann die Packung mit Eiern in deren Hand.
 "Ich glaub... ich verzichte. Danke." 
Emma konnte fühlen, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich, bevor sie auch schon losstürmte und es gerade noch so schaffte, die Badtür hinter sich zu schließen, bevor sie sich über die Kloschüssel hängte. Da es in letzter Zeit wieder sehr viel Arbeit auf seiner Seite gab, kam Cayden nicht großartig dazu, über die Geschehnisse kurz vor der Jubiläumsfeier nachzudenken, die da passiert waren. Er war froh, dass dieses unangebrachte Ereignis vorüber war, aber es tat ihm leid, dass sich seitdem irgendwie wieder etwas verändert zu haben schien. Stella ging inzwischen bereits zu Mittag heim und übertrug Emma immer mehr ihrer Aufgaben, so dass diese nun vollkommen ausgelastet war und regelmäßig Überstunden machen musste. Cayden kam nicht allzu oft aus seinem Büro raus und hatte ein Meeting nach dem anderen, während das Geschäft boomte, aber ihm entging bei seinen Auswärtstreffen nicht, wie die Augenringe unter Emmas Augen immer dunkler zu werden schienen, wenn er an ihr vorbei ging. Sie hatten schon lange nicht mehr privat miteinander gesprochen, sondern nur beruflich, weil keiner von ihnen beiden wirklich zu mehr Zeit hatte. Zumindest wollten sie das wohl gerne glauben. Cayden hatte den Vorfall mit Vanessa kein einziges Mal erwähnt und er drückte sich auch offensichtlich davor. Doch langsam konnte er eine Sache nicht mehr leugnen. Er vermisste Emma… Ja, sie sahen sich jeden Tag im Büro, aber das war einfach nicht das Selbe. Gerne wollte er wissen, ob er sie überforderte. Ob sie vielleicht krank war oder einfach nur schlecht schlief. Er wollte wissen, wie es ihr einfach so ging. Er wollte … einfach wieder mit ihr reden. Es war kein besonderer Tag. Die gewohnten Überstunden. Der gewohnte Ablauf und noch nicht einmal eine ungewöhnliche Zeit, doch als Cayden hörte, wie Emma ihren Schreibtischstuhl zurück schob und in die Teeküche ging, stand er einfach auf und ließ seine Arbeit links liegen, obwohl es wichtig war. Bei Überstunden ließ er oft die Bürotür offen, um mitzubekommen, wer noch da war und wer ging, weshalb er durchaus hörte, wie sie in der Teeküche handierte. Inzwischen gelang es ihm, ohne mit der Wimper zu zucken, über den Abwehrmechanismus zu gehen und auch wenn er sich nicht ganz wohl damit fühlte, so war es dennoch nicht mehr so schlimm, wie noch am Anfang. "Hi.", begrüßte er sie leise mit einem Lächeln und trat näher. "Wenn ich dir helfe, bekomme ich dann auch einen?" Sie gähnte ungefähr zum zehntausendsten Mal in den letzten zwei Stunden und wischte sich mit den Fingern über das kratzende linke Auge. Emma rubbelte nicht gern über das Make-up, das sie neuerdings trug, um nicht mehr ganz so fertig auszusehen. Das hieß nämlich, dass sie alles verschmierte und bloß noch müder und abgekämpfter wirkte, als es ohnehin der Fall war. 
Noch ein Gähnen und die Buchstaben auf dem Bildschirm verschwammen vor ihren Augen.
 Zeit für einen Tee.
 In letzter Zeit schien sie sich an das Teetrinken gewöhnt zu haben. Stella trank überhaupt keinen Kaffee mehr und auch Emma schien das starke Getränk nicht gut zu tun. Sie hatte irgendwie überhaupt kein Bedürfnis danach. In der Früh schon gar nicht, wenn die anderen Angestellten der Chefetage sich zum Schwatz in der Kaffeeküche trafen und der Duft auch zum Vorzimmer herüber wehte. 
Im schlimmsten Falle wurde Emma von dem Duft, den sie sonst wirklich gerne mochte, so übel, dass ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. 
Jetzt stand sie auf, ging in den kleinen Nebenraum hinüber und schaltete den Wasserkocher an. Da die Auswahl an Teesorten seit Stellas Schwangerschaft gestiegen war, musste Emma sich zwischen vier Sorten entscheiden. Schwarzer Tee kam nicht in Frage. Also entweder Hagebutte, Kamille oder Pfirsich. 
Emma zog sich einen Beutel Pfirsichtee aus der Packung und hätte ihn beinahe mitsamt ihrer Tasse fallen lassen, als auf einmal Cayden hinter ihr stand. 
"Hi!"
 Oh man, konnte es wirklich sein, dass sie sich so freute ihn zu sehen? 
"Klar. Such dir einen aus, ich hab eh viel Wasser aufgesetzt."
 Emma hielt ihm die Teepäckchen hin und lächelte, als ihr der typische Duft nach Caydens Rasierwasser in die Nase stieg. Sie hatte wirklich das Gefühl, schon ewig nicht mehr mit ihm gesprochen zu haben. 
"Wie geht's dir? Ist ja ziemlich viel los in letzter Zeit." Cayden bediente sich bei der Pfirsichteesorte und holte sich eine Tasse aus dem Schrank, während das Wasser erst heiß werden musste. "Ganz gut. Die Arbeit läuft, das merkt man wirklich." Er lehnte sich mit dem Rücken an die Arbeitsplatte, die leere Teetasse mit dem Beutel darin in der Hand, die andere auf der Kante abgestützt und ließ Emma dabei nicht aus den Augen. Sie sah heute besser aus, auch wenn er das Gefühl hatte, dass das an dem Make-up lag, das sie trug. Es war zwar dezent, aber er konnte dennoch mit seinem scharfen Sehsinn auf diese Entfernung den feinen Puderstaub sehen. Sie roch auch irgendwie … anders. Intensiver und- Cayden rutschte näher an die Zuckerdose und somit auch an Emma heran, um sie besser wittern zu können. Ja, eindeutig. Sie duftete ausgesprochen gut. Vielleicht ein neues sehr dezentes Parfum? "Ich würde dich ja auch gerne fragen, wie es dir geht. Aber irgendwie glaube ich, die Antwort schon zu kennen.", meinte er schließlich sanft und auch deutlich besorgt. "Emma, du musst mir sagen, wenn es dir zu viel wird. Ich bin schließlich kein Sklaventreiber, der das nicht berücksichtigen würde." Sie konnte gar nichts weiter tun, als zurück zu lächeln. Schon allein, dass er näher gerutscht war, verursachte ihr ein warmes Klopfen im Bauch. Aber dass er auch noch so nett zu ihr war... irgendwie war das nach dem Desaster mit seiner Frau vor dem Hochzeitstag fast unfassbar. Emma hätte weiterhin ziemliche Funkstille erwartet. Auch wenn ihr das Gegenteil jetzt natürlich umso mehr Freude bereitete.
 "Und ich bin kein kleines Mädchen mehr, Cayden. Ich würde es dir sagen, wenn ich nicht mit der Arbeit zurecht käme."
 Der Wasserkocher fing an zu rappeln und Emma machte ihn aus, bevor das heiße Wasser vorne heraus spritzen konnte. Sie machte diese Dinger immer zu voll.
 "Ich schlafe einfach nicht gut. Und ich befürchte, dass ich mir an irgendwas den Magen verdorben habe. Wenn das nicht bald aufhört, werde ich aber zum Arzt gehen." 
Sie schenkte zuerst Cayden und dann sich selbst Wasser in die Tassen und beobachtete dann den Teebeutel, wie er aufgeblasen darin herum schwamm. Das Wasser war zu heiß, um jetzt schon den Tee trinken zu können, außerdem musste er sowieso erst noch ziehen, weshalb Cayden seine Tasse abstellte und stattdessen nun wirklich besorgt aussah. "Ich weiß, dass du kein kleines Mädchen mehr bist. Aber ich halte dich auch für ziemlich stur, wenn du willst und das verträgt sich nicht unbedingt gut, mit einem vom Schlafentzug geschwächten Körper. Hast du denn immer noch Alpträume?" Er richtete sich wieder auf und trat noch ein Stück näher, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können. "Vielleicht eine Magendarmgrippe. Hast du denn Fieber?" Bevor er großartig darüber nachdenken konnte, lag schon seine Hand auf ihrer Stirn. Sie war sogar etwas kühler als sein eigener Körper. Auch, als er seine Hand über ihre Wange streichen ließ. "Nein. Normale Temperatur würde ich sagen.", meinte er leise, weil ihn gerade mehr die Tatsache ablenkte, wie ungewöhnlich gut es sich anfühlte, Emma nach all den Wochen zu berühren und zwar weil er es bewusst wollte. Irgendwie schienen die Stellen auf seiner Haut zu prickeln, dort wo er sie berührte und das verwirrte ihn etwas. Aber es war auch sehr angenehm. "Stur?"
 Sie hauchte das Wort nur, obwohl es eigentlich ein bisschen aufmüpfig hatte klingen sollen. So stark und abwiegelnd wie immer. 
Aber so klang es nicht. Und Emma fühlte sich auch nicht so, wie sie es normalerweise gewohnt war. Sie war ehrlich kurz überrascht, als er einfach seine Hand auf ihre Stirn legte und ihr damit noch ein Stück näher kam. Doch anstatt wie sonst einfach zurück zu weichen und so zu tun, als ginge es ihr blendend, schloss Emma kurz die Augen und genoss Caydens Gegenwart und den Eindruck von jemandem, der sich um sie sorgte. Vielleicht würde er sie auch einfach umarmen, wenn- 
Emma schlug die Augen wieder auf, bevor sie sich einfach an Cayden lehnen und sich diesem Gefühl von Schwäche hingeben konnte. Ja, sie war müde. Und wenn man ihr Gespräch von damals bedachte, konnten sie sich auch Freunde nennen. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie sich an ihm anlehnen durfte. 
Und dabei war es so schön, dass er über ihre Wange streichelte... 
"Ich bin nicht krank, glaub mir. Nur ein bisschen... na gut, ziemlich müde." 
Sie lächelte und sah zu ihm auf. So nahe waren sie sich schon ewig nicht mehr gekommen. Vom Gefühl her, das sich in Emma ausbreiten wollte, waren sie sich sogar trotz dieser Nacht in Tokyo noch nie so nah gekommen.
 "Cayden?" 
Selbst wenn er sie gleich fragen sollte, wusste Emma nicht, was sie eigentlich hatte sagen wollen. Emma wusste nur, dass sie eigentlich ihre Hände auf seine Seiten legen wollte. Dass sie sich an ihn kuscheln wollte und ... dass sie das nicht tun durfte. Vielleicht war es die Art, wie Emma unter seiner Berührung langsam die Augen schloss. Wie sich dabei ihre Lippen eine Spur öffneten, sie sich eine Sekunde lang einfach nur dem Moment hinzugeben schien, oder nur diese kleine gehauchte Frage, was ihre Sturheit anging. Cayden konnte es nicht genau beschreiben. Vielleicht war es auch einfach nur das Gefühl einer warmen Berührung, das sein Herz zunächst einen unkontrollierten Sprung machen und es dann wie wild weiterschlagen ließ. Zudem prickelte es in seinem Bauch wie Sektperlen und ohne es zu bemerken, war er noch ein Stückchen näher gerutscht, bis Emma erneut die Augen öffnete und dennoch irgendwie nicht die Anziehung … diese seltsame Nähe zwischen ihnen brechen konnte. Ihr Lächeln war wunderschön, wenn auch müde und erschöpft. Ein Anblick, der in ihm noch mehr Dinge auslöste und seine Hand ihre Wange herab bis zu ihrem Hals streicheln ließ, wo sie warm und beschützend auf ihrer nackten Haut liegen blieb. Ihr Puls war kräftig und stark. Berauschend, wie er noch gut in Erinnerung hatte, doch er reizte ihn momentan überhaupt nicht. Cayden konnte sich nicht aus dem Bann von Emmas Blick befreien. Nicht einmal, als sie seinen Namen sagte. Eine Frage, die noch älter als er selbst zu sein schien und keine Worte bedurfte, wenn alles in ihm sie richtig verstanden hatte. Vielleicht war es auch nur reines Wunschdenken. Vielleicht wollte er etwas, was nicht wirklich da war, weil er es schon so lange nicht mehr gespürt hatte. Aber ob nun real oder nicht, er konnte sich dem nicht entziehen. Cayden trat noch näher heran. Seine andere Hand schloss sich automatisch um Emmas Teetasse und nahm sie ihr aus der Hand, um noch näher zu kommen. Er beugte sich weiter zu ihr herab, während er das dampfende Gebräu auf der Arbeitsfläche abstellte, aber immer noch nur Augen für Emma hatte. Ein Zittern lief durch seinen Körper, als er sich bewusst wurde, was er da eigentlich tat. Ein köstliches Zittern. Seine Nasenspitze berührte fast die ihre, doch es waren schließlich seine Lippen, die sie streiften und gegen die er hauchzart flüsterte: "Ja?" Dass er keine Antwort erwartete, machte sein Mund Emma zärtlich klar, in dem er sanft an den ihren nippte. Sie auskostete, wie er es schon beim ersten Mal hätte tun sollen und dabei seine Augen sich langsam und genießend schlossen. Bestimmt hätte sie die Tasse festhalten sollen. Anstatt sie sich aus den warmen Händen nehmen zu lassen und sich danach ein bisschen so zu fühlen, als wisse sie nicht, was sie mit ihren Fingern anstellen sollte.
 Mit jedem Atemzug roch sie seine Gegenwart. Es fühlte sich warm an. Und sogar so viel mehr als das. Er war anziehend und strahlte gleichzeitig aus, dass er sie festhalten würde. Vielleicht war es auch nur Wunschdenken. Oder Einbildung.
 Emma schmiegte sich trotzdem unbedacht der Hand entgegen, die sich sanft auf ihren Hals gelegt hatte und wollte schon wieder die Augen schließen. 
Sich einfach kurz fallen lassen. Nur für einen Moment. Das konnte gar nicht falsch sein...
 Doch Cayden hielt sie mit seinem Blick gefangen. Auf eine Art, die Emma noch nie erlebt hatte und unter der sie dahin schmolz, wie Eis in der Sonne.
 Sie sah, wie er sich zu ihr hinunter beugte, sie glaubte sogar die Wärme seiner Haut zu spüren, bevor sie sich überhaupt berührten. Und kurz wunderte sie sich, dass da nichts war, was gegen das protestierte, was gleich passieren würde. Im Gegenteil drängte alles in ihr sogar auf Cayden zu, strahlte mit ihrem klopfendem Herzen um die Wette, als sie seine Lippen auf ihren schließlich mehr erahnen als wirklich spüren konnte.
 "Ist... nicht so wichtig..."
 Emmas Augen fielen ihr nun doch zu und ihre Hände fanden endlich den Ort, wo sie sich festhalten konnten. Bald gab sie ihren eigenen Widerstand auf und kuschelte sich so weit sie konnte in Caydens Arme. 
Sie ließ sich von ihm küssen. Und sie küsste ihn sanft zurück. 
Es war... so viel besser. Als ihre Hände tastend an ihm entlang strichen und schließlich etwas fanden, woran sie sich festhalten konnten, verlagerte Cayden seine eigene Haltung ebenfalls. Zuerst war es nur zögerlich und immer auf der Hut, so wie sich ihre gegenseitigen Küsse anfühlten. Doch schließlich schlossen sich seine Arme ganz um Emmas Körper und zogen sie näher an sich heran. Ihre Wärme war wie eine streichelnde Liebkosung an seiner Brust und ihre Küsse waren ebenso sanft und vorsichtig, wie sie zu knistern schienen. Es fühlte sich so gut an. So unglaublich gut. Mit einem leisen Seufzen des Genusses schob Cayden seine Hand in Emmas Nacken, um seine Lippen etwas deutlicher auf ihre legen und den Kuss intensiver spüren zu können. Ihr Mund war warm, weich und nachgiebig an seinem und schmeckte so gut, dass- Cayden erschauderte, als seine Fänge sich langsam aus seinem Zahnfleisch schoben und sich von innen gegen seine Lippen drängten, so wie sein Mund an den von Emma drängte. Er zögerte. Wusste, dass es klüger wäre, sich zurück zu ziehen und sich wieder zusammen zu nehmen, dennoch stahl er sich noch ein paar weitere Küsse, bis das Risiko – enttarnt zu werden – einfach zu groß wurde. Dennoch ließ Cayden schließlich nicht ganz von Emma ab. Ganz im Gegenteil, er schmiegte seine Wange an ihren Hals, schlang seine Arme noch deutlicher um sie und hielt sie einfach fest, während der Duft ihres Haars ihm in die Nase strömte. Er wollte sie gar nicht loslassen. Hatte er doch das Gefühl, sie gerade jetzt festhalten zu müssen. Sie … beschützen zu müssen. Es ging ihr nicht gut. Dass hatte er nicht vergessen. Seine Hand streichelte über ihr Haar, die Wirbelsäule hinab und blieb schließlich in ihrem Kreuz kraulend liegen. "Hast du heute schon etwas Richtiges gegessen?", wollte er sanft und leise wissen. Die anstehende Arbeit war im Augenblick mehr als nur zweitrangig. Emma ging vor. So zögerlich hatte Emma noch nie einen Mann geküsst. Sie war voller Freude, wagte es aber nicht in dem Maße zu zeigen, wie sie es gern getan hätte. Denn wenn sie den Gefühlen voll und ganz nachgegeben hätte, wenn sie sich erlaubt hätte, sehr deutlich das auszudrücken, was sie ihm gern mitteilen wollte, hätte sie sehr viel mehr getan, als sich nur sanft an ihm festzuhalten, während er sie umarmte. 
Denn es war eine wirkliche, echte, warme und vor allem ehrlich wirkende Umarmung.
 Das war alles so... Cayden war so...
 Es lief Emma eiskalt und stechend den Rücken hinunter, als sie sein Zögern in jeder Faser ihres Körpers spüren konnte. Sofort war es für sie vorbei mit der kuscheligen Wärme, der sie sich wahrscheinlich schon viel zu leichtgläubig hingegeben hatte. 
Fast so etwas wie Verzweiflung wollte in ihr aufsteigen, die augenblicklich von Erleichterung abgelöst wurde, als Cayden sie nicht losließ. Noch ein paar gestohlene Augenblicke mehr durfte sie sich in seinen Armen wohlfühlen. Durfte vergessen, dass- 
"Hast du heute schon etwas Richtiges gegessen?" 
Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Augen immer noch geschlossen hatte.
 "Nein... Du?" Wie er es sich gedacht hatte. "Nicht wirklich.", war seine eigene Antwort. Aber das wäre im Grunde egal gewesen, da er ohnehin keinen Hunger hatte, sondern es hier rein um Emma ging. Sie brauchte zumindest einmal am Tag etwas Richtiges im Magen. Diese Snackautomaten in der Firma waren zwar nicht schlecht, aber auf Dauer konnten sie auch nicht gesund sein. "Hmm…" Cayden tat überlegend, doch eigentlich brauchte er noch mehr Zeit. Noch einmal strich er sich mit der Zungenspitze über seine obere Zahnreihe … sie waren immer noch da, auch wenn das Pochen in ihnen sich sehr zurückhielt, so weigerten seine Fänge sich doch hartnäckig, sich wieder zurück zu ziehen. Seine Hand strich noch einmal über ihren Rücken, ehe er sich zögerlich und unwillig von Emma löste. Er hätte sie die ganze Nacht so halten können. Selbst im Schlaf… "Dann gehen wir jetzt etwas essen." Das war keine Bitte, sondern ein Befehl, auch wenn die Strenge davon durch seine Fingerspitzen zerschlagen wurde, die über Emmas Wange strichen. Cayden lächelte sanft, ohne die Zähne zu zeigen und war dankbar dafür, dass er schon sehr lange die Fähigkeit besaß, zu sprechen, ohne dabei vampirisch auszusehen. Als er sie schließlich ganz los ließ, war da ein deutliches Verlustgefühl in ihm, das ihn sofort wieder dazu bringen wollte, sie fest zu halten. Doch er hatte – obwohl er wünschte, es wäre anders – nicht das Recht dazu. Also ließ er die Teetassen stehen und holte stattdessen Emmas Mantel. Soweit er wusste, hatte das Restaurant an der Ecke auch um diese Zeit immer noch geöffnet. "Okay." 
Sie nickte und schaffte es dann sogar zu lächeln. Obwohl sie leise Enttäuschung spürte, als er sie schließlich ganz losließ und auch Emma gezwungener Maßen ihre Hände von seinem Hemd lösen musste. Beinahe hätte sie etwas schamhaft die Augen nieder geschlagen, als ihr auffiel, dass sie sich dabei sogar unter sein Jackett gewagt hatte. 
"Sehr gerne." 
Verunsicherung steckte ihr in den Knochen, als Cayden ihr in ihren Mantel half und sie noch ihre Handtasche holte, um ihm zum Fahrstuhl zu folgen. Gerade weil noch ein paar Leute hinter ihren Computern saßen, brachte es Emma nicht über sich, wirklich vom Fußboden aufzusehen. Irgendwie nagte zu viel Angst an ihr, man könne an ihrer Nasenspitze erkennen, was sie gerade getan hatte. Zwar kam sie sich bestimmt nicht wie eine Verbrecherin vor, aber allein die Möglichkeit, dass sie jemand beobachtet haben könnte, saß Emma unangenehm im Nacken. 
Das änderte sich allerdings schon im Aufzug, wo sie wieder absolut allein mit Cayden war und diesen garantiert unbeobachteten Moment dazu nutzte, kurz seine Hand zu nehmen. 
Es fühlte sich... bemerkenswert an. Emma schien in einer Seifenblase zu sitzen, die sich in buntesten Regenbogenfarben um sie und ihren Begleiter wölbte. Und selbst als sie ihn wieder loslassen musste, um an der Theke in der Lobby nach draußen zu gehen, brachte das ihre kleine, schillernde Welt nicht zum Platzen. Im Gegenteil warf Emma einen strahlenden Seitenblick auf Cayden, während sie ihm zu dem Restaurant folgte, in dem sie schon einmal zusammen gegessen hatten. 
Der gleiche Tisch war zwar nicht frei, aber dafür einer in der Nähe der Fensterfront, von wo aus sie nach draußen sehen konnten, aber nicht direkt auf dem Präsentierteller saßen.
 Sobald sie sich ihre Plätze gesucht hatten, sah Emma in die Karte, nahm aber fast gar nichts von dem auf, was ihre Augen lasen, sondern entschied sich einfach für das Nächstbeste. Immerhin hieß das, dass sie sich wieder Cayden widmen konnte, von dem sie noch viel weniger als jemals zuvor, glaubte, dass er wirklich neben ihr saß. Und dass er sie gerade geküsst hatte. Einfach so. Caydens Gefühlswelt war auf eine Art durcheinander, wie er sie – wenn überhaupt – schon sehr lange nicht mehr gespürt hatte. Er fühlte sich irgendwie euphorisch, aufgewühlt mit einer seltsamen Erregung im Bauch. Zugleich war er aber auch vollkommen ruhig und entspannt, fühlte sich wohl in Emmas Nähe und genoss ihre Gesellschaft einfach sehr. Er sog diese Gefühle förmlich in sich auf, wie ein Schwamm den man viel zu lange im Trockenen gelassen hatte. Während Emma kurz die Menükarte überflog, beobachtete er sie mit leicht schief gelegtem Kopf. Eine Hand ruhte entspannt auf dem Tisch, mit der anderen stützte er sich auf der Sitzbank ab Es war so anders, als bei ihrem ersten Mal, wo sie hier gemeinsam gegessen hatten. Diese Anspannung war einfach weg, die damals über ihnen gelegen hatte. Dieses Gefühl, etwas Falsches getan zu haben und das aus den falschen Gründen, war verblasst. Sie hatten es inzwischen akzeptiert und auch wenn Cayden sich immer noch fragte, was damals wirklich passiert war oder besser gesagt, wie es dazu überhaupt gekommen war, so plagte ihn diese Frage nur noch ab und zu. Ein anderer Teil in ihm fragte sich stattdessen, ob er Emma näher gekommen wäre, wenn die Reise nach Tokyo tatsächlich rein geschäftlich geblieben wäre. Ob er nicht doch seine Fassade aufrecht erhalten und sie jetzt immer noch gesiezt hätte. Nein, eigentlich war er ganz froh darüber. Vielleicht hätten die Umstände besser sein können, aber das Ergebnis war auf jeden Fall erfreulich. Cayden konnte und wollte diese Nacht mit ihr nicht bereuen, ebensowenig den Kuss vorhin, der einfach so über ihn gekommen war. Gott, er hatte sie so vermisst… Sobald Emma die Menükarte weggelegt hatte, ergriff Cayden nun seinerseits ihre Hand und hielt sie sanft zwischen dem Freiraum auf der Bank fest, den ihre beiden Körper bildeten. Der Kellner kam, ehe er auch nur ein Wort hatte sagen können und so bestellte er sich kurz einen kleinen Salat, mit extra vielen Kirschtomaten darin. Soviel dürfte sein appetitloser Zustand noch bewerkstelligen können. Als der Kellner schließlich abrauschte, um ihre Getränke zu bringen, richtete Cayden seine volle Aufmerksamkeit wieder auf Emma. Er sah ihr in die Augen, ehe er ein bisschen unsicher lächelnd auf ihre beiden ineinander verschlungenen Hände hinab blickte. "Ich weiß, das klingt vielleicht etwas seltsam … aber ich habe dich vermisst.", gestand er schließlich und sah wieder in ihre Augen. Seine Unsicherheit war zwar immer noch in Form von knisternder Aufregung in seinem Bauch vorhanden, aber sein Blick zeigte nur Offenheit und auch Ehrlichkeit, so weit er es ihr zeigen konnte. "Ich meine, wir haben uns zwar jeden Tag gesehen, aber irgendwie war das … einfach nicht das gleiche." Er seufzte und lachte leise über seine eigenen Worte. "Das hört sich selbst in meinen Ohren, ziemlich dumm an. Aber was soll ich sagen … so sehe ich das nun einmal. Außer mit dir, hatte ich schon lange keinen solchen Spaß mehr und in den letzten Tagen … ist mir das immer deutlicher bewusst geworden." Emma lächelte verstohlen und folgte kurz Caydens Blick hinunter auf ihre Hände, die schon fast zu perfekt in einander lagen und sich gegenseitig festhielten. Seine Finger waren ungewöhnlich warm und doch kein bisschen feucht, wie es ihre Handflächen leider wurden, als sie zu sehr über die Situation nachdachte, in der sie sich gerade befanden. 
Mit heißen Ohren und einem nervösen Flattern im Magen hörte sie Cayden zu, ließ ihn ausreden und sah ihn dann groß an. Es war nicht so leicht, ihm seine Worte zu glauben. Und das, obwohl es Emma genauso ging. Gerade jetzt, da sie ihn so nah bei sich hatte, seine Hand halten durfte und es sich wirklich gemütlich anfühlte, mit ihm hier zu sitzen, fiel ihr auf, wie wenig sie in letzter Zeit mit einander wirklich zu tun gehabt hatten. Und dass sie ihn auch 'vermisst' hatte.
 "Das ist... süß von dir, das zu sagen."
 Emma lächelte und drückte ein wenig seine Hand. Unter Anderem deshalb, um sich zu vergewissern, dass er sie nicht sofort wieder loslassen würde.
 "Und es hört sich gar nicht dumm an. Ich... fühle mich auch sehr wohl mit dir." Cayden schenkte Emma ein strahlendes Lächeln, das erst wieder kleiner wurde, als der Kellner ihre Getränke brachte. Er hielt ihre Hand immer noch fest, während er an seinem Mangosaft nippte und in seinem Inneren vor Freude Luftsprünge hätte machen können. Wie viele Menschen hatten ihm denn in letzter Zeit gesagt, sie fühlten sich wohl bei ihm? Und bei wie vielen, bedeutete es ihm auch etwas? Die Antwort war ziemlich einfach und klar definiert. Es war eine Person gewesen und nur weil es Emma war, freute es ihn umso mehr. "Erzähl mir von deinen Alpträumen. Deshalb schläfst du doch so schlecht, nicht wahr? Immer noch die gleichen?" Caydens Daumen strich wie von selbst beruhigend über ihren Handrücken, während er sich insgeheim Vorwürfe machte. Er war schuld an den schlechten Träumen und wenn er irgendetwas deswegen unternehmen könnte, er würde es auf der Stelle tun. Aber vermutlich konnte er nichts tun. Wow...
 Emma war so perplex, dass sie kurz gar nicht auf den Kellner reagieren konnte, der einen Orangensaft vor ihr abstellte. Erst als er sich schon grinsend zum Gehen wandte, bedankte sie sich ein bisschen stotternd und konnte immer noch nicht glauben, was gerade passiert war. 
Cayden hatte... sie angestrahlt. Wirklich angestrahlt, wie man es tat, wenn man sich über etwas freute. Oder über jemanden.
 Emma grinste wie albern in ihr Saftglas. 
Das hatte er noch nie gemacht. Nicht ihr gegenüber und auch sonst hatte sie ihn nie so derartig lächeln sehen, dass ihr ganz warm davon geworden wäre. Emma fühlte sich einerseits sehr geehrt. Andererseits war es irgendwie ... verdammt sexy. 
Deshalb behielt Emma auch immer noch ihr eigenes Grinsen bei, obwohl Cayden ein ganz anderes Thema ansprach und sie damit schließlich noch mehr aus dem Konzept brachte. 
"Was?"
 Wieder warf sie einen kleinen Kontrollblick auf ihre Finger und war beruhigt, dass Caydens Hand immer noch ihre hielt. Trotzdem versteifte sie sich ein bisschen, bevor sie noch einen Schluck Orangensaft trank und sich dann überlegte, wie genau sie seine Frage beantworten sollte.
 "Ja, immer noch der Gleiche. Mal schlimmer, mal weniger schlimm. Aber meistens irgendeine undefinierbare Bestie, die mich verfolgt." 
Emma seufzte schwer und schüttelte etwas abgekämpft den Kopf. 
"Das ist alles so blöd. Ich würde so gern etwas dagegen tun, aber..."
 Sie warf Cayden einen Seitenblick zu und lehnte sich dann in die gepolsterte Bank zurück. "…aber du weißt nicht wie.", beendete Cayden für sie den Satz und sprach somit das aus, was er sich schon gedacht hatte. Er wusste ja selbst nicht, wie man gegen Alpträume ankam. Meistens hatte er keine und wenn, dann waren sie eine einmalige Sache, die selten vorkam. Selbst nach all den Dingen, die er bereits in seinem Leben gesehen hatte, verfolgte ihn das nicht. Vielleicht, weil es nur wenig gab, vor dem er wirklich Angst hatte und das nicht wirklich gruselige Monster waren, die ihn verfolgten. Mit denen würde er kurzen Prozess machen und das wusste er auch instinktiv. Aber Emma… Gerade jetzt sah sie wirklich erschöpft und viel mehr als nur müde aus. Ausgezehrt, könnte man fast schon sagen und doch schien das alles für sie kein Ende zu nehmen. Cayden tat es unendlich leid, dass er ihr das angetan hatte. Jetzt, mehr denn je. "Verzeih mir die Frage, aber gibt es niemanden, der bei dir ist? Ich meine nachts, wenn du aufwachst? Keiner der die Träume verjagt?" Sein Daumen hatte bei dieser Frage inne gehalten und auch das glückliche Glitzern war aus seinen Augen verschwunden. Er wollte sich gerade nicht vorstellen, wie Emma neben einem anderen Mann schlief. Von ihm gehalten wurde und noch viel mehr als das. Die Vorstellung alleine daran, wollte die Bestie in ihm wecken, auch wenn die Eifersucht erst jetzt so richtig urplötzlich zugeschlagen hatte. Beinahe hätte er geknurrt. Wenn sie ihn schon vorher etwas irritiert angeblickt hatte, sah Emma jetzt wohl so aus, als hätte sie einen dummen Scherz nicht verstanden. Ihre Miene blieb irgendwo zwischen einem verunsicherten Lachen und einem fragenden Ausdruck stehen und sie wusste wirklich einen Moment nicht, ob er sie veralbern wollte. 
Langsam zog sie ihre Hand ein Stück zurück, sodass sich ihre Finger entwirrten und sie mit den Fingerkuppen über Caydens Handrücken streichen konnte. Ein Bild flackerte kurz vor ihrem inneren Auge auf, bis Emma es mit einem nachdenklichen Lächeln zur Seite schob. 
"Willst du mich jetzt ärgern?"
 Fragend sah sie wieder zu ihm auf und fand einen Gesichtsausdruck bei Cayden vor, der sie noch mehr verwirrte.
 Emma nickte zu seiner anderen Hand hinüber, um sich ein bisschen zu erklären und hob dann ihre eigenen Finger so, dass er sie nackt vor sich sehen konnte.
 "Ungebunden. Also nein zu deiner Frage. Niemand, zu dem ich mich nachts flüchten kann." 
Ihre Stimme war bei den letzten Worten leiser geworden. Denn Emma war sich nicht sicher, ob es so etwas wie eine versteckte ... Bedeutung oder Bitte enthalten hatte. Emma trug keinen Ring, so wie er. Weshalb er auch nicht angenommen hätte, sie wäre verheiratet. Aber gerade in diesem Zeitalter, hieß ein Ring noch lange nichts. Weder, dass man frei war, noch dass man für den Rest seines Lebens an diesem einen Partner hängen bleiben wollte, der das goldene Gegenstück zu dem eigenen Ring trug. Cayden schüttelte über seine eigene Unachtsamkeit innerlich den Kopf. Manchmal konnte er wirklich ganz schön dumm sein. Wie zur Hölle noch mal musste das alles auf Emma wirken? Er fragte sie um mehrere Ecken, ob sie gebunden war, dabei war doch für sie sofort ersichtlich, dass er es war. Mehr oder weniger. Seine geistige Haltung hatte da eindeutig noch ein Wörtchen mitzureden. "Nein… Nein, tut mir leid, ich wollte dich damit nicht ärgern…" Cayden zog seine beringte Hand vom Tisch und ließ sie in seinen Schoß sinken. Bevor er noch etwas hinzufügen konnte, kam der Kellner und brachte ihnen das Essen, ehe er sich auch schon wieder mit einem leicht fragenden Ausdruck auf dem Gesicht verzog. Offenbar verwirrten ihn die Stimmungsschwankungen an diesem Tisch. Cayden wartete, bis der Kellner ganz verschwunden war, ehe er seine Hand von Emma weg zog und damit den Ring an seinem Finger nachdenklich hin und her drehte. "Vielleicht…", begann er nun vorsichtig, ohne Emma in die Augen zu blicken. "…fangen wir das alles vollkommen falsch an. Oder ich fange das vollkommen falsch an. Ich weiß auch nicht genau." Er strich sich über den Nacken. Ein Zeichen von Nervosität bei einem Mann, der nie nervös wirkte. Aber Cayden fiel das Momentan nicht einmal auf, weil er nachdachte. Schließlich zog Cayden den Ehering von seinem Finger und hielt ihn vor Emma hoch. Er wusste, er ging damit ein verdammt großes Risiko ein, aber er glaubte, dass er bei ihr darauf vertrauen konnte, dass sie nicht gleich zur nächsten Klatschpresse ging. "Emma … der hier bedeutet nicht das, was du denkst. Er zeigt zwar an, dass ich mit Vanessa verheiratet bin, aber darüber hinaus sagt er nichts darüber aus, wie diese Ehe aufgebaut ist." Cayden schob sich den Ring wieder zurück auf den Finger, obwohl er das Teil am liebsten einfach weggeworfen hätte. Er konnte Emma nicht ansehen, während er weiter sprach. "Ich liebe sie nicht und habe sie auch nie geliebt. Was uns beide verbindet ist ein Vertrag. Nicht mehr und auch nicht weniger. Sie besitzt etwas, das ich brauche und im Gegenzug dafür, bekommt sie etwas von mir, das sie braucht. Ein Deal. Und eine Lüge, für die allgemeine Öffentlichkeit. Aber für mich hat es bis auf den geschäftlichen Teil nicht die geringste Bedeutung und soweit ich das beurteilen kann, für sie auch nicht. Ich weiß allerdings nicht, ob du das verstehen kannst." Und das Gefühl in seiner Brust, das ihm da das Herz zuschnüren wollte, machte ihm plötzlich doch klar, dass er vor etwas Angst hatte. Nämlich davor, dass er mit dieser Offenbarung, Emma verjagt hatte. Vielleicht gehörte sie nicht zu den Menschen, die das verstehen konnten und ihn deshalb für schlecht oder sonst was hielt. Emma legte den Kopf etwas schräg und versuchte mit ihren Blicken mehr aufzunehmen, als allein das, was sie sehen konnte. Caydens Satz gerade war so unglaublich gewesen, dass Emma nicht ganz sicher war, ob sie sich nicht verhört hatte. Ihr Herz schlug hart in ihrer Brust, weil es ebenfalls nicht genau wusste, was los war. 
Manchmal konnte man doch wirklich sein Gehirn verfluchen, weil es so einen Satz nicht hinnehmen konnte, sondern sofort damit begann, ihn in seine Einzelteile zu zerpflücken. Hoffnung quoll in Emma hoch, wurde von Zweifeln herunter gedrückt, nur um sich dann wieder zu erheben und neuerdings gestoppt zu werden. Es war ein Hin und Her, das sich in Sekunden abspielte und Emma absolut unsicher zurück ließ.
 Und ihr blieb auch keine Zeit, sich zu seinem Kommentar zu äußern, denn Cayden überfuhr sie mit mehr Informationen, als Emma jemals erwartet hätte. 
Mit einem flachen Atemzug drückte Emma sich noch mehr in die weiche Lehne der Bank und legte ihre Arme über ihren Bauch. Vor ihr dampfte ihre Tomatensuppe in einer Schale, die Emma aber gerade herzlich wenig interessierte.
 Sie starrte eine ganze Weile vor sich hin, in der sie versuchte, Caydens Worte zu sortieren. Und sie auf mögliche Fallen und doppelte Böden zu durchleuchten. Erzählen konnte er ihr viel. Möglicherweise war sie auch nicht die Erste, der er sagte, das mit Vanessa sei nur eine Scheinehe. Aber trotzdem... 
"Nein... Nein, ich denke nicht, dass ich das verstehen kann." 
Weil sie irgendwie ihre Finger beschäftigen wollte, nahm sie ihren Löffel von der Serviette und drehte ihn zwischen ihren Fingerspitzen hin und her.
 "Aber vielleicht muss ich das auch gar nicht."
 Sie sah zu Cayden und betrachtete einmal wieder seine ungewöhnlichen Augen, die inzwischen hinter sehr viel schöner geschliffenen Brillengläsern steckten.
 "Cayden, es... Was genau hast du gemeint mit: etwas anfangen?" Sie musste es nicht verstehen. So viel gab er vor sich selbst zu. Es reichte ihm schon, wenn sie es akzeptieren konnte oder wenn sie wenigstens nicht gleich aufstand und wegging. Ja, das genügte ihm schon, weshalb er fast erleichtert darüber sein wollte, dass sie blieb. Aber eben nur fast. Irgendwie schien das alles noch nicht vorüber zu sein. "Um ehrlich zu sein, ich weiß es selbst nicht genau.", gestand er leise und blickte sie über den Rand seiner Brille hinweg an, rührte sich dabei keinen Millimeter, obwohl er wieder zu gerne ihre Hand ergriffen hätte. "Ich weiß nur, dass … ich mir mehr Sorgen um dich mache, als normal wäre. Ich weiß, dass du mich meine Arbeit öfter vergessen lässt, als etwas anderes seit mehr als zehn Jahren. Ich … es fühlt sich gut an, dich zu küssen, wenn ich nüchtern bin. So viel besser, als diese Nacht damals…" Er schloss kurz die Augen und schüttelte ganz sachte den Kopf. Nein, eigentlich wollte er nicht an damals denken. "Ich weiß nicht genau, was das alles zu bedeuten hat. Aber ich weiß, dass ich bei dir irgendwie loslassen kann. Alles, das ich normalerweise zurückhalten muss." Und dass er sehr wohl nach Berührungen dieser Art, wie sie sie austauschten, hungerte. Cayden war kein Einzelgänger, obwohl er so wirkte. Er war ein Familienmensch. Er brauchte Nähe, Intimität und Geborgenheit, wie die Luft zum Atmen. Lange Durststrecken konnte er zwar ertragen, aber das hieß nicht, dass er es nicht umso mehr zu schätzen wusste, wenn er diese Gefühle wieder geschenkt bekam. Als er Emma vorhin umarmt hatte, war ihm so richtig warm in der Brust geworden und etwas in ihm war wieder für kurze Zeit aufgeblüht, was sonst im ewigen Winterschlaf verharren musste. "Was ich eigentlich sagen will, ist, dass ich im Grunde nichts weiß und somit ebenfalls im Dunklen tappe. Aber zumindest will ich, dass du über die Ausgangssituation aufgeklärt bist. Ich bin verheiratet, das ja. Aber im Herzen, im Verstand und in der Seele bin ich niemals an diese Frau gekettet." Emma brachte ein Lächeln zustande. Allerdings ein undurchsichtiges, denn so wie jetzt hatte sie sich eigentlich nicht fühlen wollen. Nicht, nachdem sie in der Teeküche so begonnen hatten. Nicht, nachdem sie sich so wohl gefühlt hatte und vergessen konnte, was er ihr gerade zu erklären versuchte.
 Irgendwie wurde ihr Körper immer schwerer und Emma lehnte ihren Kopf erschöpft an die Wand, um kurz die Augen zu schließen. Die einzige Frage, die sich ihr stellte, war die: Was sollte sie bloß tun?
 "Das hört sich alles sehr... schön an.", begann sie leise, öffnete aber dabei die Augen nicht. "Dass du mit positiven Gefühlen an mich denkst, dass du... mich gerne küsst." 
Eine Pause trat ein, in der Emma nun doch die Lider wieder öffnete und sich Caydens Anblick stellte, von dem sie geglaubt hatte, er würde ihre innere Mauer einfach einreißen. Und sie hätte ihm in diesem Moment sogar gern dabei geholfen. 
"Ich küsse dich auch gern. Ich unterhalte mich gern mit dir. Ich lache gern mit dir und würde dir oft am liebsten die Akten vom Schreibtisch zerren, damit du nicht immer darüber brütest, anstatt dich um dich selbst zu kümmern und es dir gut gehen zu lassen."
 Sie lächelte und streckte die Hand nach eben der Hand aus, die Cayden immer noch unter dem Tisch versteckte. Er gab sie ihr nach kurzem Zögern und Emmas Zeigefinger berührte den goldenen Ehering.
 "Du bist verheiratet...
Cayden, für mich ist das... ein Problem. Egal, wie du dich in deiner Ehe fühlst, ob du Vanessa liebst oder nicht. Du bist mit ihr verheiratet - zehn Jahre schon. Was bedeutet..." 
Nun sah sie weg und zog auch ihre Hand zurück, um sie wieder auf ihren Bauch zu legen.
 "Was immer wir da 'anfangen'... so wie es jetzt aussieht, wird es eine Affäre sein. Und dazu hab ich dir schon einmal meine Meinung gesagt. Ich tauge nicht dazu. Ich will es nicht, weil..." 
Emmas Augen schimmerten, als sie ihm jetzt direkt ins Gesicht sah. 
"Ich kann nicht einfach teilen. Egal, wie es weiter gehen würde, ich hätte immer im Kopf, dass deine Frau... Vorrechte hat. Das kann ich einfach nicht." Als Emma ihren Kopf zurück legte und die Augen schloss, verfluchte er sich selbst innerlich. Er sollte sie ins Bett stecken und sie nicht auch noch auf den Beinen halten bei einem Essen, das sie noch nicht einmal anrührten. Aber er sagte nichts. Schluckte dieses schlechte Gefühl einfach runter, weil er es verdiente und wartete ab, was Emma zu sagen hatte. Egal wie schwer es ihm fiel, einfach dabei zuzusehen, wie es ihr schlecht ging. Da drang noch nicht einmal die Freude ganz zu ihm durch, die ihre weiteren Worte auslösten und bestätigten, dass es ihm mit ihr nicht alleine so ging. Doch das Nächste war wohl der schwerste Brocken, den er schlucken musste und eine für ihn komplett neue Erfahrung. In so einer Lage war er noch nie gewesen. Bei seinen anderen Ehefrauen war es nie eine Frage gewesen, ob er eine Affäre anfing oder nicht. Entweder es hatte ihn ohnehin zu sehr die Arbeit in Anspruch genommen, oder die Frau hatte ihm zumindest so viel bedeutet, dass sie ihm das gegeben hatte, was er an Zuneigung brauchte. Dadurch war Ehebruch für ihn nie in Frage gekommen. Eigentlich hielt Cayden sich sogar für ziemlich treu, auch wenn der Begriff bei Ehefrauen wie Vanessa eine war, sehr weit strapaziert werden konnte. Denn wenn nichts vorhanden war, das man auch nur mögen könnte, warum sollte man dieser Person dann die Treue halten? "Ich verstehe sehr gut, was du meinst.", meinte er schließlich leise und nachdenklich. "Ich könnte auch nicht einfach teilen." Dennoch tat er es bei Vanessa immer wieder. Aber sie war eine Schlange. Er war ganz froh, wenn sie sich ihren Spaß wo anders abholte. Wenn er jedoch daran dachte, dass Emma… Der Gedanke alleine genügte, um sich zu verspannen und … nun ja, den Stich der Eifersucht zu verspüren, mit dem er durchaus vertraut war. Auch wenn sein Verstand ihm immer noch sagen wollte, dass er kein Recht dazu hatte. "Und ich verstehe, dass du keine Affäre sein willst. Das verstehe ich sogar nur allzu gut. Es ist nur…" Er holte tief Luft und sah Emma schließlich ehrlich an. "…der Vertrag, der mich an Vanessa bindet, ist für mich … zurzeit noch sehr wichtig. Ginge es nur um die Ehe, hätte ich schon vor fünf Jahren das Handtuch geworfen, weil sie total… sagen wir einfach, keine leichte Gesellschaft ist, wie du ja leider schon bemerkt hast. Daher kann ich nicht einfach sagen, dass ich mich von ihr Scheiden lasse und du somit keine Affäre wärst. Das geht einfach nicht. Tut mir leid." Cayden rückte seine Salatgabel auf der Serviette zurecht und versuchte seine Gedanken richtig zu formulieren. Doch er hatte keine Erfahrung in diesen Dingen, er musste also einfach ganz frei aussprechen, was er dachte. "Ich meine, wir wissen doch noch nicht einmal genau, was das zwischen uns eigentlich ist. Aber das heißt nicht, dass ich nicht herausfinden möchte, was es werden könnte. Denn das würde ich sehr gerne. Es heißt nur, dass ich mich vorerst nicht von Vanessa scheiden lassen kann und das aus geschäftlichen Gründen. Aber wenn dir das mit ihren Vorrechten so wichtig ist … kann ich dir versprechen, dass sie keine hat. Das was alle über uns denken und wie glücklich wir in dieser Ehe sind und das ganze Tamtam rundherum, ist eine Lüge, um die Presse von uns fern zu halten. In Wahrheit schlafe ich öfter alleine in meinem Appartment, als man meinen würde und darüber bin ich ganz froh. Ich will sie gar nicht öfter sehen, als ich es muss." Emma lehnte sich nach vorn, stützte einen Ellenbogen auf den Tisch und legte ihr Kinn auf ihre flache Hand, um Cayden ruhig anzusehen. Im ersten Moment hatte sie wirklich keine Idee, was sie darauf antworten sollte. Ihr Kopf war müde und fing an wehzutun und doch war es ein anderer Teil von Emma, der das hier nicht so einfach zu den Akten legen wollte. Sie wollte so gern wissen, woran sie war. Und doch konnte man alles Mögliche und irgendwie auch Verwirrende aus Caydens Worten lesen. 
Zuerst einmal, dass er gern so etwas wie vorhin, wieder mit ihr tun würde. Was Emma ein sanftes, warmes Kribbeln in die Magengegend schickte. Mit einem winzigen Lächeln erinnerte sich wieder an den Kuss - das Verspielte und Vorsichtige daran, das ihr so gut gefallen hatte. Und ihr wurde gleich wieder ein bisschen wärmer, als bisher. 
Aber zugleich sagte Cayden auch klipp und klar, dass er sich nicht scheiden lassen würde. Das versetzte Emma einen dumpfen Schlag in den Magen. Sie schob ihre Suppe von sich und sah dabei zu, wie das Rot zuerst aufwirbelte und sich dann wieder legte, um eine spiegelnde Fläche zu bilden.
 "Nein, wissen wir nicht. Aber vielleicht..."
Gott, wie konnten ihr in diesem Moment die Lider so schwer werden? Wie konnte sie nur daran denken, zu gähnen, wenn ihr... wenn so viele Gefühle auf dem Spiel standen? 
"Ich... kann mir nicht ansehen, wie du sie küsst." Das hörte sich fast träge an, aber allein die Vorstellung, wie Vanessa ins Büro gestakst kam, ihre dünnen Arme um seinen Hals schlang und ihre Modellippen auf seinen Mund presste... Jetzt wurde Emma wirklich schlecht. Nein, das könnte sie sich nicht ansehen. Und allein das Wissen, dass Vanessa das tun durfte - es in der Öffentlichkeit tun würde - machte Emma geradezu krank. Ihm entging keine noch so kleine Geste. Wie müde Emma doch schon sein musste und dass das Gespräch eigentlich für heute nicht mehr wirklich sinnvoll war. Cayden zweifelte nicht daran, dass Emma alles ernst meinte, was sie zu ihm sagte. Denn das war es. Aber es war wohl besser, sie nicht länger wach zu halten, als nötig. Dennoch musste die Entscheidung jetzt fallen. Irgendwie hatte er es im Gefühl, dass es nicht von Vorteil wäre, noch länger damit zu warten. Cayden rutschte näher und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht, während er sie ernst ansah. "Emma … wenn wir uns wirklich darauf einlassen… Wenn wir wirklich herauszufinden versuchen, was es sein könnte, dann wird Vanessa in dieser Art und Beziehung für mich keine Rolle mehr spielen. Es ist mir egal, was die Presse dazu sagen wird, oder andere, die sich dafür interessieren. Wenn … wir uns wirklich darauf einlassen, dann wird es für mich nur noch dich geben." Seine Fingerknöchel streichelten über ihre Wange, während seine Stimme sich zu einem warmen Flüstern herab senkte. "Wenn du es kannst, dann bitte ich dich, mir in dieser Sache zu vertrauen. Ich werde mich zwar immer noch mit Vanessa wegen des Vertrages treffen müssen. Aber darüber hinaus, hast du mein Wort, dass da nichts sein wird, was dich verletzen könnte. Denn das ist das Letzte, was ich will." Und er wäre zugleich unendlich erleichtert, wenn er nicht mehr bei dieser Farce von einer Ehe mitspielen müsste. Sie konnten immer noch verheiratet sein und doch nicht wie Eheleute zusammen leben. Das Gesetz machte es möglich, solange keiner von ihnen beiden Einspruch dagegen erhob und sein Hauptwohnsitz immer noch das Haus war, in dem er eigentlich ohnehin nicht lebte. Die Frage war am Ende nur, ob das Emma momentan genügte. Aber eigentlich wollte er ihr jetzt keine Antwort abringen. Denn sie sah so aus, als würde sie gleich am Tisch einschlafen. "Du musst dich nicht gleich entscheiden, Emma. Viel lieber würde ich dich jetzt ins Bett stecken und dich schlafen lassen. Du siehst unglaublich müde aus." Seine Hand berührte sie immer noch. Streichelte über ihre Wange, hinab zu ihrem Nacken, der sich total verspannt anfühlte. Sie gab einen murmelnden Ton von sich und schüttelte leicht den Kopf. Als das allerdings Caydens Streicheln zum Erliegen brachte, erschrak Emma und ihr wurde bewusst, dass er ihre Reaktion auch falsch hätte verstehen können. Sofort kam wieder Leben in ihren Körper und Emma legte so schnell ihre Hand auf seine Seite, dass sie gar nicht wirklich darüber nachdenken konnte. Ihre Augen weiteten sich ein bisschen, doch dann wurde ihr Blick weich und Emmas Daumen streichelte ganz leicht über den Stoff von Caydens teurem Hemd.
 "Ich denke nicht, dass ich schlafen könnte." 
Mit einem blassen Lächeln setzte Emma sich wieder auf und nahm sich nun auch noch heraus, sich ein Stück weiter an ihren Begleiter heran zu schieben und endlich ein bisschen zu gähnen. Dabei wurden ihre Augen wässrig und Emmas Blick trübte sich für einen Moment, bevor sie sich wieder fing und diesmal schon breiter lächelte. 
"Eins solltest du gleich über mich wissen. Ich bin zwar schrecklich neugierig, aber nicht in dem Maße, dass es unkontrollierte Folgen für mich haben könnte. Cayden..." 
Emma nahm vorsichtig seine Hand - diejenige, an der immer noch der Ehering steckte - und streichelte darüber, während sie weitersprach.
 "Ich hätte mich gar nicht von dir küssen lassen. Und ich hätte dich gar nicht geküsst, wenn ich es nicht würde versuchen wollen." 
Die Stimme in ihr, die sie davor warnte, war ziemlich laut. Aber vielleicht war sie zu müde, vielleicht wollte sie auch zu naiv sein, um auf ihren Verstand und die verletzte Seite zu hören, auf der schon so viele Männer herum getrampelt hatten. Cayden musste lächeln, als er Emmas Gähnen sah. Sie wehrte sich so deutlich gegen die Müdigkeit, dass es einfach nicht zu übersehen war und ihn zur gleichen Zeit amüsierte und auch seine Sorge verstärkte. Sanft strich er ihr mit den Fingerspitzen die Kieferpartie nach, streichelte mit seinem Daumen ihr Kinn und sah ihr tief in die Augen. "Ich bin froh, dass du das sagst. Weil ich nicht wüsste, was ich tun soll, wenn ich dich nicht noch einmal hätte küssen dürfen." Cayden kam auch Emma entgegen und beugte sich weiter zu ihr hinüber, doch anstatt sie zu küssen, wischte er sanft mit dem Daumen eine Wimper von ihrer Wange und auch ein kleines Bisschen Make-up, das verschmiert war. Ihre Augen glänzten vor Müdigkeit, sie brauchte also gar nicht erst zu versuchen, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. "Ich hätte da einen Vorschlag.", begann er sanft mit einem beruhigenden Ton in der Stimme, der leicht als Schnurren hätte durchgehen können. "Wie wäre es, wenn wir es ab heute - ab diesem Zeitpunkt jetzt miteinander versuchen, ohne noch einmal eine Nacht darüber zu schlafen und im Ausgleich für dein Vertrauen verspreche ich dir, dass du heute keine Alpträume haben, sondern endlich einmal durchschlafen wirst. Wäre das in Ordnung für dich? Wenn nicht, rufe ich dir ein Taxi, damit du wenigstens so schnell wie möglich ins Bett kommst." Wenn auch nicht in seines… Emma blinzelte und spürte noch eine ganze Weile die sanfte Berührung auf ihrer Wange. Es war ein bisschen schade gewesen, dass er sie nicht geküsst hatte. Nicht einmal auf die Stelle, an der sein Daumen ihr Gesicht flüchtig gestreift hatte. Aber noch war es vielleicht... ein bisschen früh. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass ihr Gehirn eingeschlafen war, ohne dem Rest von ihr vorher Bescheid zu geben. Denn um ganz ehrlich zu sein, verstand Emma nur zum sehr geringen Teil, was Cayden gerade gesagt hatte. Allerdings war das, was zu ihr durchgedrungen war, sehr in ihrem Sinne.
 Sie lächelte. An einem anderen Tag wäre es ein glückliches Strahlen geworden, das sich jetzt allerdings auf ihre blitzenden Augen beschränkte. 
"Ist gut."
 Emmas Lächeln wurde sogar breiter und sie kniff ihn mit ihrer freien Hand ganz sanft in die Seite. Oh ja, sie wollte es versuchen. Sehr gern sogar - jetzt gleich. Und ohne Nachdenken. 
"Ich hoffe doch, dass du mich nicht betäuben willst oder so etwas in der Art?" 
Der Hinweis mit dem guten Schlaf war ein bisschen zu kompliziert für sie gewesen. Zumindest für heute. Wollte Cayden ihr tatsächlich etwas gegen die schlechten Träume geben? Etwas... Gegenständliches? Mit schief gelegtem Kopf sah sie ihn an, zwinkerte wieder müde und wartete kurz ab, bevor ein leises Knurren die Situation unterbrach. 
Zuerst kapierte Emma auch das nicht, da sich ihre Gedanken wie in Sirup getaucht, verhielten. Aber als das Geräusch sich wiederholte und sie diesmal das Rumpeln auch in ihrem Inneren spüren konnte, schaffte es Emma, sich von Caydens Anblick für eine Sekunde zu lösen und begierig auf die Suppe zu spähen, die immer noch auf dem Tisch stand. 
"Ich bin gerade wirklich zu müde, um anständig zu sein, mein Lieber. Was war das denn genau für ein Angebot?"
 Sie stibitzte sich ein Stückchen Brot, tunkte es in die nur noch lauwarme Suppe und schob es sich in den Mund, kaute und schluckte hinunter, bevor sie hinzu fügte: "Und lass' das mit dem Taxi gleich mal weg." "Okay. Kein Taxi. Keine einschläfernden Drogen und du bist zu müde, um anständig zu sein. Lass' mich mal überlegen…" Cayden begann zu grinsen und lehnte sich noch weiter zu Emma hinüber, die endlich zu essen begonnen hatte. Wenigstens konnte sein Salat nicht kalt werden. Dicht an ihr Ohr flüsterte er schließlich: "Ich werde heute einmal den Job deines Sandmännchen übernehmen. Bin mal gespannt, wer die bessere Arbeit macht. Und versprochen, ich werde anständig genug für uns beide sein." Cayden hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfe, ehe er sich gerade hinsetzte und nach seiner Gabel griff. Seine Hand lag auf Emmas unterem Rücken, ohne noch weiter nach unten zu tendieren, während er sich eine Kirschtomate in den Mund schob. Sein Hunger war zwar immer noch nicht wieder gekehrt, aber wie lange würde Emma schon für ihre Suppe brauchen? Und wie lange, bis er sie endlich ins Bett bringen durfte? Vor allem … in seines? Ohne Taxi wäre eine andere Alternative äußerst schwierig, weshalb er annahm, dass sie damit einverstanden war. Schließlich war es von hier nicht weit zu Fuß. Eben genau so weit, wie ins Büro. Cayden hatte die Arbeit dabei schon vollkommen vergessen. Die Suppe war wirklich großartig! Emma war sich schon irgendwie im Klaren darüber, dass er vermutlich nicht an der Spitzenqualität, sondern an der Mischung aus Bärenhunger und guter Laune bei ihr lag. Aber das war egal, solange das Endergebnis stimmte. 
Nachdem Cayden so lieb erklärt hatte, dass er sie wirklich nur ins Bett bringen wollte und das ausschließlich zum Schlafen, stürzte Emma sich geradezu auf das Essen. Wenn man es recht bedachte, hatte sie den ganzen Tag hauptsächlich von Porridge, Tee und einem Müsliriegel gezehrt. Oh! Und einem Apfel, den Stella ihr gegeben hatte - wegen der Vitamine. Jetzt fiel der Hunger wie ein wütender Wolf über Emma her und ließ sie die Tomatensuppe so schnell verputzen, dass sie kaum mitbekam, dass die Speise nicht mehr so heiß war, wie sie hätte sein sollen. Naja, so verbrannte sie sich wenigstens nicht die Zunge und der Geschmack war trotzdem gut. 
Nachdem auch Cayden aufgegessen hatte, war Emma stolz, dass sie nicht eingeschlafen war. So nah neben einem Mann, bei dem man sich wohl fühlte, seinen Arm ein bisschen um sie gelegt... das konnte schon ganz schön viel Gemütlichkeit ausstrahlen, die Emmas Körper noch mehr nach dem lange vermissten Schlaf und der Erholung gieren ließ, die Cayden versprochen hatte.
 Wie er das anstellen wollte, war ihr allerdings immer noch ein Rätsel. Da empfand sie ihre stürmische Begegnung in Tokyo fast schon als etwas Beruhigendes. Denn wenn sie eines daraus schlussfolgern konnte, war es wohl, dass Cayden nicht zu übertriebener Romantik neigte. Er würde ihr keine Gedichte rezitieren oder ihr die Füße durchkneten. Emma hoffte zumindest, dass seine Unterstützung für sie darin bestehen würde, dass er auch ins Bett ging und sie sich an ihn kuscheln konnte.
 Oh ja... Allein bei der Vorstellung bezahlte sie voller Schwung ihre Suppe und stand dann auf, um leicht fröstelnd in den Abend hinaus zu treten und zum Bürogebäude hinüber zu gehen. Immer wieder schüttelte sie ein unterdrücktes Gähnen und Emma war so unendlich dankbar, dass sie nicht mehr bis nach Hause mit dem Bus fahren musste. Sie wollte einfach nur noch in einem Bett liegen, sich in eine große Decke mummeln und schlafen. Tief und fest und... ohne Albträume. 
Sobald sie allerdings das Gebäude betraten und die beiden Sicherheitsmänner an der Theke Cayden ein wenig ehrfürchtig grüßten, wurde Emma nervös. Die beiden hatten sie gesehen. Wenn es sein sollte, würden sich die Männer am nächsten Tag daran erinnern, dass Emma nicht wieder aus dem Büro gekommen war.
 Mit einem seltsamen Gefühl im Bauch versuchte sie nicht daran zu denken. Oder sich zumindest kein schlechtes Gewissen selbst einzureden. Stattdessen ging sie zielstrebig auf den Lift zu, den sie immer benutzte, wenn sie ins Büro hinauf fuhr, und überließ Cayden den Rest. Dass neben dem Knopf für das Penthouse ein Schloss prangte, war ihr schon früher aufgefallen. Aber erst jetzt, als er einen dazu passenden Schlüssel aus der Tasche zog und der Knopf hellblau aufleuchtete, bekam das wirklich eine Bedeutung für Emma. 
Gespannt sah sie auf die Anzeige über der Tür und nahm wieder Caydens Hand. Schon ein bisschen seltsam, mit ihm in seine Wohnung zu fahren. Um dort zu übernachten. Ohne... Sachen zum Übernachten dabei zu haben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)