Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 17: 17. Kapitel ----------------------- Das Meeting fand in einem Konferenzraum des Hotels statt, weshalb Cayden mit Emma zusammen alles in Ruhe vorbereiten konnte, bevor die hohen Gäste eintrafen und es richtig heikel wurde. Es war nicht so, dass Yamato grundsätzlich gegen alles war, was man ihm vorschlug – das absolut nicht – aber man musste es ihm auf genau die richtige Art und Weise schmackhaft machen und es vor allem so erscheinen lassen, dass auf jeden Fall Yamato der größte Gewinner von allen bei diesen Verträgen war. Man durfte weder buckeln, schleimen noch zu viel Rückgrat zeigen. Ein bestimmtes Gleichgewicht an Macht und Demut war schwer zu finden, aber genau darauf legte der Japaner wert. Cayden bemerkte nicht, wie er unruhig mit einem Stift in der Hand auf einem leeren Notizblock trommelte, während seine Augen starr auf den kleinen Laptopbildschirm gerichtet waren, der an den Projektor angeschlossen war. Er ging noch einmal alle Präsentationsfolien durch, obwohl er das gestern schon hundert Mal gemacht hatte, aber das musste er einfach tun, um sich selbst ein besseres Gefühl für dieses Meeting zu geben. Würde er wie ein gewöhnlicher Mensch schwitzen, säßen ihm bereits Schweißperlen auf der Stirn und bestimmt wären auch seine Handflächen verräterisch feucht. Zumindest das, war ein wunderbarer Vorteil seiner Art. Bei einem Händedruck würde nichts verraten, dass er nervös war.   Während sie alle Kugelschreiber parallel neben die Notizblöcke ausrichtete, die Tassen alle gleich drehte und dafür sorgte, dass kein Schmutzkörnchen auf einem der Stühle oder dem Tisch zu finden war, blickte Emma immer wieder kurz zum Kopfende des Tisches und damit zu ihrem Chef hinüber. Er war so vollkommen in den Anblick seines Laptops versunken, dass Emma hätte wetten können, selbst ein Schrei ihrerseits hätte ihn nicht davon losreißen können. Warum kam sie bloß immer auf solche Ideen? Was hätte sie denn davon, ihn jetzt auf sich aufmerksam zu machen? Vielleicht lag es einfach daran, dass sie Calmaro noch nie so angespannt gesehen hatte. Sein dickes Brillengestell war ein Stück seinen geraden Nasenrücken hinuntergerutscht, was ihn noch strenger aussehen ließ als normalerweise. Dazu trugen außerdem der diesmal korrekt geschlossene und hochstehende Kragen seines Oberteils und der starke Kontrast zwischen dem Schwarz seiner Kleidung und seinen roten Haaren bei. Emma beobachtete ihn noch eine Weile, bis auf dem Tisch alles zu ihrer Zufriedenheit aussah, sie alles noch dreimal im Geiste durchgegangen war und nur noch den Servierwagen mit dem Kaffee kontrollieren musste. Doch selbst das war keine große Aufgabe. In einer halben Stunde würde sie die heiße Milch in kleine Kännchen füllen, sie zu den Kaffeekannen auf den Tisch stellen und das war es dann. Jeder konnte sich selbst bedienen. Immerhin war Emma Calmaros Assistentin, keine Bedienung. Sie schob sich den geflochtenen Zopf, der ihr recht strenges Outfit mit dem hellgrauen Kostüm, der moosgrünen Bluse und den passenden Ohrringen vervollständigte, über ihre Schulter auf ihren Rücken und ging dann zum Kopf des Tisches hinüber, wo sie etwa zwei Schritte von ihrem Chef entfernt stehenblieb. „Geben Sie mir nachher einfach ein kurzes Kopfnicken, sobald ich die Jalousien etwas zudrehen soll. Dann brauchen sie nicht aus dem Japanisch zu fallen.“ Sie lächelte. Hoffentlich merkte er nicht, dass ihre Finger vollkommene Eiszapfen und ihr ganzer Körper von einer nervösen Gänsehaut überzogen waren. Emma war wirklich flau im Magen. Auch wenn sie eigentlich gar nicht viel falsch machen konnte.   Cayden nahm den Blick nicht vom Bildschirm oder änderte sonst irgendwie seine starre Haltung, als Emma näher an ihn herantrat. „Ja, vielen Dank“, war seine tonlose Antwort, da er immer noch tief in seiner Arbeit versunken war. Aber ein Teil von ihm entspannte sich ein winziges Bisschen, da er instinktiv wusste, dass er da jemanden an seiner Seite hatte, auf den er sich verlassen konnte. So war es ihm auch bei Stella immer gegangen, auch wenn es dort nur auf der Tatsache beruht hatte, dass sie ein Teil des gewohnten Umfelds in einer fremden Stadt war. Emma gab ihm da noch eine Spur extra. Eben ganz dem entsprechend, was er an ihr als das gewisse Etwas erkennen konnte.   ***   Das Meeting selbst war zwar das Anstrengendste an der ganzen Arbeit inklusive der intensiven Vorbereitungen, aber zumindest bot es auch so etwas wie einen Lichtblick, denn egal ob es gut oder schlecht verlaufen würde, es bedeutete einen Abschluss für viele arbeitsintensive Stunden. Wie immer hielt sich Yamato mit seinem Gefolge von Anwälten und Beratern im Hintergrund, während er Cayden mit ausdrucksloser Miene mehr als eineinhalb Stunden lang reden ließ. Das war das Nervenaufreibendste überhaupt an dem ganzen Meeting, denn jeder Neuling wäre von der Nichtbeteiligung Yamatos schon nach der ersten halben Stunde verunsichert worden und auch Cayden ließ es wie immer nicht ganz kalt. Aber er zeigte nicht seine Aufregung, hielt stattdessen einen sauberen Vortrag über die Vorteile eines positiven abgeschlossenen Vertrages, in dem ihre beiden Firmen sich gegenseitig in der Musikbranche unterstützen konnten, anstatt sich gegenseitig zu bremsen. Sie beide würden daran wachsen und doch jeder für sich unabhängig bleiben. Yamato war schon früher solche Verträge mit ihm eingegangen, dennoch erwartete er immer wieder das gleiche Prozedere, um Cayden zu prüfen und ob dieser mit seiner Genauigkeit nach einiger Zeit nachließ, oder trotz der bereits bestehenden Verträge stets bemüht war, sich immer wieder zu verbessern. Da Cayden es war, der etwas von Yamato wollte, war er es auch, der sich die ganze Mühe mit den Vorbereitungen und dem anschließenden Umwerben machen musste. Aber damit kam er klar. Wenn man etwas wollte, musste man dafür eben auch kämpfen. Auch mit Emma war er sehr zufrieden, die ihn wie ein unsichtbarer Geist während des Meetings unterstützte und ihm alles reichte, was er brauchte. Man musste es ihr sogar zugutehalten, dass sie sich nicht einmal zu langweilen schien, als der Vortrag bereits über eineinhalb Stunden dauerte, von dem sie kein einziges Wort verstehen dürfte. Cayden war stolz auf sie, denn selbst Stella, die etwas japanisch verstand, hatte mit der Zeit einen glasigen Blick bekommen. Wie immer war es etwas überraschend, dass nach einem so langwierigen Vortrag, der Vertragsabschluss selbst unvergleichlich schnell zu Ende ging. Positiv, wie Cayden erleichtert feststellen durfte und erst ganz zum Schluss bekam man einen Hauch von Yamatos Persönlichkeit mit, als sie sich überschwänglich und beide Seiten hochzufrieden verabschiedeten. Eigentlich mochte er den Mann wirklich gerne.   Die ungewohnte Sprache klang zuerst fast schroff in Emmas Ohren. Gar nicht so, wie sie sich das Japanische immer vorgestellt hatte. Aber sie musste vor sich zugeben, dass sie es vermutlich einfach mit ihrem Eindruck vom Chinesischen vermischt und es als eine Mischsprache hingenommen hatte. Umso interessierter folgte sie dem Vortrag, versuchte die Reaktionen der Zuhörer zu ergründen und irgendwie zu erraten, um was es ging. Da sie wusste, was der Inhalt der Verhandlung war, nahm Emma zu Anfang an, sie könne sich an den Folien orientieren. Doch da selbst diese mit Schriftzeichen gespickt waren, die ihr zwar gefielen, aber absolut nichts sagten, half das auch nichts. Nach einer Weile glaubte sie, so etwas wie ein Lächeln in den Augen von Calmaros Verhandlungspartner zu sehen. Winzig nur – so, als hätte man es für einen Schatten halten können – aber es war da. Emma war sich ziemlich sicher.   Nachdem Cayden wieder mit Emma alleine und alles vorüber war, setzte er sich endlich hin, nahm den Krug mit dem Wasser und ein Glas und schenkte sich zweimal nach, während er seinen Durst stillte und auch um seine etwas raue Kehle zu beruhigen. Erst jetzt gestattete er es dem Adrenalin, sich auch wirklich in seinem Körper auszubreiten und seine Wirkung zu tun, denn nun war es egal, wenn seine Finger leicht zitterten und sein Herz wie wild raste. Es schien, als würde ihm ein Haufen Gewicht von den Schultern abfallen, als er sich mit dem Glas in der Hand zurücklehnte und sich zu entspannen begann. „Vielen Dank. Sie waren mir wirklich eine große Unterstützung“, seufzte er schließlich leise und drückte sich dabei das Glas an die Schläfe, da ihm verdammt heiß geworden war. Er konnte vielleicht nicht schwitzen, aber sein Temperaturempfinden unterschied sich kaum von dem eines Menschen, außer dass er nicht besonders empfindlich war, da sich seine Körpertemperatur für gewöhnlich sehr gut selbst regulierte. Er würde nachher vermutlich als Belohnung endlich eine Runde schwimmen gehen.   Nachdem die Japaner sich verabschiedet und den Raum verlassen hatten, legte sich Stille über den Raum, die nur davon unterbrochen wurde, dass Calmaro sich Wasser einschenkte und in großen Schlucken trank, bevor er tief durchatmete. Emma war sich nicht schlüssig, ob das ein Zeichen von Erleichterung sein konnte. Zu Beginn hatte ihr Chef etwas angespannt gewirkt. Aber irgendetwas, das Emma partout die ganze Zeit nicht hatte einfallen wollen, fehlte. Ein Detail, das sie nicht direkt glauben ließ, dass ihm die Nervosität wirklich in den Knochen steckte. Das machte sie in diesem Moment sogar ein bisschen unsicher. Von den Reaktionen der Männer, den Unterschriften, die ausgetauscht worden waren, würde sie schätzen, dass alles gut verlaufen war. Aber genau sagen konnte sie es nicht. Erst als Calmaro sie ansprach, trat sie vom Fensterbrett an den Tisch und blieb dort mit gefalteten Händen stehen, während sie ihn weiter beobachtete. „Freut mich. Sehr gern geschehen. Ist denn alles zu Ihrer Zufriedenheit abgelaufen?“   Cayden hob den Blick von seinem Glas und schenkte Emma ein zufriedenes, wenn auch leicht erschöpftes Lächeln. „Ja, alles ist genau so verlaufen, wie ich es vorhatte. Herr Yamato ist zwar eine harte Nuss, aber wenn man ihn schon so lange kennt wie ich, ist es nur eine Frage der guten Vorbereitung, um diese Nuss richtig zu knacken. Auch Ihre Mühe hat sich also ausgezahlt.“ Sein Lächeln wurde warm, während er Emma betrachtete und sich langsam die Freude über den gelungenen Abschluss einstellte. Manchmal brauchte es immer ein bisschen, bis er seine Gefühle zulassen und alles realisieren konnte. Auch wenn er es nicht deutlich zeigte. „Wenn wir hier alles eingepackt haben, werde ich eine Runde schwimmen gehen. Haben Sie auch was Schönes mit dem restlichen Nachmittag vor? Treffen wir uns zum Abendessen?“ Warum genau er das wissen wollte, wusste Cayden zwar in diesem Augenblick nicht, aber irgendwie hatte er das Bedürfnis … nun ja, jetzt diesen kleinen Trumpf nicht einfach allein einsacken zu lassen, so wie er es meistens tat, sondern … er wusste ja auch nicht recht … „Haben Sie vielleicht Lust nachher noch einmal mit mir in die Stadt zu fahren? Ich habe gestern noch über unser Frühstück nachgedacht und finde, dass Sie mit Ihrem Interesse an den Sehenswürdigkeiten eigentlich recht haben. Nichts Großartiges, vielleicht nur in irgendeinen Souvenirladen. Aber eigentlich würde ich gerne etwas an die frische Luft.“ Nur eben nicht alleine. Er brauchte schon die nötige Motivation dazu.   „Oh, das freut mich.“ Eigentlich war es Emma gar nicht so wahnsinnig wichtig, was der Abschluss bedeutete. Wie viel Geld gerade mit den Unterschriften über den Tisch gegangen war oder welche Band von wo nach wo wechseln würde. Allein die Emotion auf Calmaros Gesicht, der Hauch von Freude und Gelassenheit, zauberte Emma ein breites Lächeln ins Gesicht. Sie war ohnehin empfänglich für die Gefühle Anderer. Vor allem, wenn es um Positives ging. Also strahlte sie ihrem Chef entgegen, dessen Mienenspiel sich allerdings – wie gewöhnlich – eher auf das Wesentlichste beschränkte. Das war es auch nicht, was Emma so beeindruckte. Es war die Tatsache, dass er etwas mitteilte. Und zwar nicht nur von sich, sondern sogar von sich aus. „Lassen Sie doch einfach mich die Sachen wegräumen. Es ist ja nur der Laptop und die paar Kabel.“ Das dreckige Geschirr musste sie nicht einmal auf den Servierwagen räumen. Das würde alles das Hotelpersonal erledigen. Genauso, wie es sich um die Notizblöcke und eventuellen Müll kümmern würde. So, wie Stella gesagt hatte. Von harter Arbeit konnte in Emmas Fall keine Rede sein. Um zu zeigen, dass es wirklich nicht der Rede wert war, zog sie sich schon einmal den Laptop herüber, schloss die Programme und wollte gerade auf seine Frage bezüglich des Abendessens antworten, als er sie vollkommen überraschte. Langsam drehte Emma ihren Kopf. Die Haare waren ihr schon wieder über die Schulter gefallen, als sie sich vorgelehnt hatte, um auf dem Laptop herumzutippen. Erst nachdem sie sich aufgerichtet und in Calmaros Gesicht nach einer Art Falle gesucht und keine Offensichtliche gefunden hatte, fing sie wieder an zu lächeln. Schüchtern diesmal, aber doch ziemlich fröhlich. „Klar. Ich hatte nichts Außergewöhnliches vor. Wir können einfach ... in die Stadt gehen.“ Und sehen, was sie fanden.   „Gut. Dann … schicke ich Ihnen nachher eine Nachricht, wenn ich mit meinen Bahnen fertig bin und wir treffen uns danach … sagen wir eine halbe Stunde später in der Lobby?“ Sofort wurde sein Lächeln breiter, als er daran dachte, einfach mal etwas zu unternehmen. Er durfte sich davon zwar nicht mitreißen lassen, da er in seinem Zimmer noch genug Arbeit herumliegen hätte, aber einmal konnte er es sich sicherlich leisten, zu entspannen. Erst recht nach dem großen Deal, den er heute erfolgreich über die Bühne gebracht hatte. Es war ohnehin nicht gut für ihn, zu lange angespannt zu bleiben, das erhöhte seinen Blutkonsum und gerade im Ausland war es nicht so einfach auf sicherem Wege an Nahrung zu kommen. Weshalb er meistens auch ganz darauf verzichtete.   ***   Das Schwimmen hatte ihm unwahrscheinlich gut getan, seine Muskeln wieder gelockert und seine Seele erfrischt. Während er in Ruhe seine Bahnen getaucht war, hatte Cayden sich gefragt, wie es zu diesem spontanen Ausbruch an Unternehmergeist gekommen war, aber so wirklich sagen, konnte er es immer noch nicht. Vermutlich war es nur ein etwas anderer Ausdruck auf seine Freude über den Abschluss dieses schwierigen Meetings gewesen. Zurücknehmen konnte er die Einladung auf keinen Fall und er wollte es auch nicht, obwohl es ihn schon wieder zu seinen Unterlagen gezogen hätte, schließlich stand kurz nach dem Aufenthalt hier ein weiteres Meeting in Wellington an. Es war zwar nicht einmal annähernd so bedeutend, aber er wollte …   Entschlossen hatte Cayden diesen Gedanken vorerst einen Riegel vorgeschoben, Emma seine Nachricht geschickt und war eilig in sein Zimmer gegangen, um sich für den Ausflug in die Stadt umzuziehen. Da es weder ein bürokratisches Treffen, noch sonst irgendetwas war, das ihn zu formeller Kleidung gezwungen hätte, zog er sich einfach eine schlichte schwarze Jeans an, dazu ein sauberes weißes Hemd, dessen oberen beiden Knöpfe er offen ließ und eine leichte Sportjacke in Beige darüber. In Japan würde er zwar immer wie ein Tourist aussehen, aber er konnte sich wenigstens auf der Straße dementsprechend kleiden. Außerdem waren die Sachen bequem und nichts lag ihm momentan ferner, als seinen Hals wieder in irgendwas zu stecken, das man bis obenhin zu machen musste. Da er schneller als die vereinbarte Zeit fertig geworden war, wartete er nun mit einem seltsam aufgeregten Gefühl auf Emma in der Hotellobby und beobachtete unauffällig die vorbei marschierenden Menschen.   ***   Immer wieder ließ sie sich von diesem unermesslich großen Menschenstrom fast gegen die Fassaden der Häuser oder vom Bürgersteig drängen. Es war sehr viel schwieriger, die Straße entlang zu laufen, wenn man gleichzeitig auf sich selbst achten und den Anschluss zu einem anderen Menschen nicht verlieren wollte. Emma hatte bloß Glück, dass Calmaro mit seiner Größe genauso, wie mit seiner Haarfarbe aus der Menge an Japanern hervorstach wie ein bunter Hund. Außerdem versuchte er seinerseits natürlich an ihrer Seite zu bleiben, bis sie es vor das riesige Einkaufszentrum geschafft hatten, wo sich Emma nun einfach nur durch die Schwingtüren drücken ließ, bis sie in der Lobby stand und sich nach ihrem Begleiter umsehen konnte. Erst, als er an ihrer Seite auftauchte, schälte Emma sich aus ihrer Jacke. „Egal wo auf der Welt, in diesen Einkaufszentren ist es entweder viel zu kalt oder viel zu warm.“ Sie hängte sich die Jacke halb über den Arm, halb über ihre Handtasche und sah sich dann nach einem der riesigen Schilder um, die in japanischer und auch englischer Sprache anzeigten, wo genau welche Abteilung zu finden war. Trotzdem wirkte der Bau eher wie ein Labyrinth, und Emma hoffte auch heute nicht darauf, dass sie das Einkaufszentrum durch die Türen verlassen würde, durch die sie gekommen war. „Möchten Sie etwas Bestimmtes?“ Vielleicht wollte er auch gar nichts kaufen. Emma sah ihren Chef nicht zum ersten Mal, seit sie unterwegs waren, verholen skeptisch von der Seite an. Zumindest ... passten sie heute irgendwie zusammen. Ansatzweise. Sein Hemd war immer noch auf den ersten Blick sehr viel teurer, als Emmas Jeans und der dünne, schwarze Strickpulli zusammen. Aber immerhin hatte ihr Boss sich nicht seiner Rolle ihr gegenüber gekleidet, sondern es heute etwas legerer angehen lassen. Emma fand, so ein Triumph nach einem schwierigen Meeting stand ihm ziemlich gut.   Cayden wusste schon nach den ersten Metern auf die freie Straße hinaus und in die Massen von Menschen hinein, warum er nur so selten einen Fuß direkt in die Stadt setzte. Es war für den ersten Moment erschlagend. Alleine was alles an Gerüchen zu ihm hin getragen wurde, war überwältigend, doch schon nach kurzer Zeit, fühlte er sich in der Masse wohl, sah sich zwar selbst als ein nicht dazu passendes Individuum an, aber als eines, das den anderen nicht weiter auffiel. Cayden mutierte zu einem kleinen Kind, wenn er nicht aufpasste, denn obwohl er immer glaubte, bereits alles gesehen zu haben, wollte er doch sichergehen, dass er nicht doch noch irgendetwas verpasst hatte und das ging eben einfach nur, wenn er sich aufmerksam umsah, alles beobachtete, was er auf einmal beobachten konnte und sich dabei gar nicht so sehr auf das nähere Umfeld konzentrierte. Darum riss er sich auch stark am Riemen, als sie das Einkaufszentrum betraten und Emma irgendetwas über die Temperatur in Kaufhäusern sagte. Bestimmt empfanden das viele Menschen so wie sie. Er persönlich hatte kein Problem damit, da er seine Jacke anlassen konnte und es ihm doch nicht zu warm sein würde. Oder er zog sie aus, allerdings ohne anschließend zu frieren. Vor einer der großen Tafeln, mithilfe derer man sich orientieren konnte, blieben sie schließlich stehen und Cayden musterte sie gründlich, um sich den Grundriss des Gebäudes noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. „Ich dachte mir, es wäre nett, etwas für Stella mitzubringen, da sie wegen der Schwangerschaft nicht mitkommen konnte“, meinte er nach einer Weile etwas nachdenklich. „Der übliche Geschenkkorb für werdende Mütter steht zwar auch auf dem Programm, aber es muss ja nicht immer alles vorhersehbar sein. Haben Sie vielleicht eine Idee, was man sonst noch so zu diesem Anlass herschenken könnte? Oder zumindest, wo wir etwas Passendes finden könnten?“   „Hm ...“ Emma ließ ihre Augen überlegend über den Plan auf der Tafel schweifen und zeigte dann mit dem Finger auf ein Eck im dritten Stockwerk. „Babyabteilung. Da werden wir wohl am ehesten fündig werden.“ Sie nickten sich beide zu, gerade so, als hätten sie einen schwierigen Schlachtplan entworfen, und stiegen dann auf eine der bunt beleuchteten Rolltreppen, über denen waghalsige Lichtinstallationen baumelten. „Ich habe ehrlich gesagt noch nicht oft für werdende Mütter eingekauft. Als mein kleiner Cousin geboren wurde, haben meine Mom und ich die kleinsten Windeln und Schnuller mitgebracht, die man so findet. Weil es einfach Dinge sind, die man als frischgebackene Eltern braucht.“ Kurz wurde ihre Aufmerksamkeit von einem riesigen, pinken Ungetüm in Plüsch abgelenkt, das auf einer Galerie kleine Geschenktüten an Kinder verteilte. „Sehen Sie mal.“ Emma beugte sich vor um Calmaro auf das Kostüm hinzuweisen, in dem sich der arme Angestellte zu Tode schwitzen musste. Dabei berührte ihr Arm seine Schulter. Nur ganz leicht, da Emma eine Stufe höher stand, als ihr Chef. Trotzdem zog sie ihre Hand schnell zurück, als ihre Blicke sich trafen und etwas in Calmaros Augen erschien, das Emma nicht lesen konnte. „Ähm ... Zu Hause würde ich vielleicht auch ein Buch für Stella kaufen. Etwas mit Kinderreimen oder Liedern, die sie dem Baby vorsingen kann. Aber das ist hier ja Blödsinn.“ Was sie wieder ins Grübeln brachte, bis sie am Ende der Rolltreppe angekommen waren und sich in Richtung der Babyabteilung wandten, die unschwer an den winzigen Strampelanzügen zu erkennen war, die bereits in Bonbonfarben hinter einer Glasfront hervorleuchteten. „Am besten ist es vermutlich, wir lassen uns inspirieren“, meinte Emma mit einem Grinsen und ging mutig auf die Abteilung zu, die sie sofort in Form einer kleinen Japanerin mit runden, geschwungenen Lippen schluckte. „Connichi ha!“ Emma erwiderte den Gruß mit einem Lächeln. Sie war ein bisschen stolz auf sich, dass sie auf Japanisch „Guten Tag“ sagen konnte, auch wenn sich der netten Angestellten, wie auch ihrem Chef bei Emmas Aussprache bestimmt der Magen umdrehen wollte. Mit einem winzigen Nicken ging die Angestellte in singendes Englisch über. „Sie suchen etwas für sich? Oder Geschenk?“   Cayden lauschte Emmas Ausführungen aufmerksam, während er das Kribbeln an der Stelle zu ignorieren versuchte, wo ihre Hand es an seiner Schulter ausgelöst hatte. Noch einmal warf er einen kurzen Blick zu dem rosa Plüschmonster hinüber, das von kleinen kreischenden Kindern umringt wurde, ehe ihn das Ende der Rolltreppe davon ablenkte. Als sie das Geschäft betraten, das in eine so völlig andere Welt zu führen schien, als Cayden vertraut war, musste er fasziniert und leicht verunsichert zu gleich feststellen, dass sich in den ungefähr sechzig Jahren, seitdem er das letzte Mal so einen Laden betreten hatte, so einiges anders geworden war. Natürlich waren ihm die Kleidung, das Spielzeug und das ganze andere Drumherum in der Öffentlichkeit nicht entgangen, aber es war etwas völlig anderes, plötzlich in einem wahren Dschungel von dem ganzen Zeug und noch dazu so dicht vor der Nase zu stehen. Cayden war im ersten Moment so abgelenkt von dem bunten, kindersicheren, Eltern verrückt machenden Plüschzeug, dass Emma auf die Frage der Verkäuferin antworten musste, da er derzeit nicht dazu im Stande war. „Was für Art von Geschenk?“, wollte die Verkäuferin weiter wissen und Cayden zwang sich, die Frau richtig wahrzunehmen und den Berg von gestapelten Babywindeln hinter hier zu ignorieren. „Für eine schwangere … Freundin. Praktisch, nicht zu groß und egal ob Junge oder Mädchen.“ Denn das wussten sie ja nicht. Zumindest hatte Stella noch nichts in diese Richtung erwähnt. Für Cayden war es immer noch erstaunlich, dass man das seit einigen Jahren auch schon vor der Geburt erfahren konnte. „Oh, da haben wir Einiges zur Auswahl. Bitte folgen sie mir.“ Während die Frau bereits fröhlich ein paar Möglichkeiten herunterrasselte und mit zusätzlichen Informationen versah, von denen Cayden zur Hälfte nicht verstand, was sie damit meinte, ließ er Emma absichtlich vor und seilte sich ein bisschen ab. Vielleicht war das eher so eine Sache, die er lieber ihr als Frau überlassen sollte. Zumindest müsste er dann nicht zugeben, dass er keine Ahnung von solchen Dingen hatte. Beim Vorübergehen blieb er mit seinem Ärmel an einem Kleiderständer mit verschiedensten Strampelanzügen hängen und konnte ein paar davon gerade noch vor dem Absturz bewahren. Als er den weichen Plüschstoff zwischen den Fingern spürte, drehte er sich ganz zu den Anzügen herum und nahm einen von der Stange. Er war hellblau und mit einem kleinen gelben Schmetterling vorne im Brustbereich darauf. Das Material fühlte sich gut an, aber doch irgendwie nicht ganz so, wie er sich etwas für Babys vorgestellt hätte. Es war weich, aber … so synthetisch. Und dann erst diese Farben … Okay, dieses helle Babyblau war noch angenehm, aber da gab es Strampelhöschen in einer Farbe, die förmlich in den Augen wehtaten und noch schlimmer waren dann erst diese Kostüme, mit denen die Kinder aussahen wie kleine Dinosaurier oder Sonnenblumen oder … Kätzchen. Cayden nahm einen Strampler mit einer Kapuze zwischen den Händen, an der weiße Katzenöhrchen wegstanden und sogar ein kleines Puschelschwänzchen hinten dranhing. Interessanterweise fiel es ihm bei dem hier nicht so schwer, sich ein kleines süßes Babygesicht darin vorzustellen und wie das aussehen musste. Er fand es … so total unmännlich sich das auch anhörte … ganz süß.   „Grün ist für beide gut.“ Da das als schlagendes Argument für die Japanerin zu gelten schien, hielt diese Emma nun schon den dritten Strampler zur Auswahl hin. Den einen, mit der Klappe am Po und den beiden Holzknöpfen zum Zumachen, fand Emma zwar hübsch, aber unpraktisch für so ein kleines Baby. Da es die meiste Zeit lag, waren die Knöpfe bestimmt eher unangenehm als erfreulich. Also schied dieses Modell schon einmal aus. „Gibt es ... einen schönen Schlafsack?“ Emma malte die ungefähre Form mit den Fingern in die Luft, erntete aber leider nur einen fragenden Blick. „Hm ... für die Nacht? Zum Anziehen, ziemlich dick? Damit es nicht kalt wird, wenn die Decke herunterrutscht?“ Das höfliche Lächeln der netten Dame wurde etwas unsicher, obwohl Emma ganz sicher glaubte, dass dieser riesige Laden so etwas hatte, was sie meinte. Hilfe suchend wollte sie sich zu Calmaro umdrehen und bemerkte erst jetzt, dass er gar nicht neben ihr stand. „Moment, ich ...“ Etwas irritiert, wo sie ihn auf dem kurzen Weg verloren haben könnte, wandte sie sich einmal im Kreis und wollte ihn rufen, als sie ihn entdeckte. Doch irgendetwas hielt Emma davon ab. Vielleicht war es die Haltung seiner Schultern, die leicht gerunzelte Stirn, mit der er die Anzüge betrachtete, die in seinen Händen irgendwie noch kleiner wirkten. Emma sah ihren Chef einfach nur an, drehte sich dann wieder zu der Verkäuferin um, die geduldig wartete, und senkte dann höflich den Kopf. „Vielen Dank. Sie haben uns sehr geholfen.“ „Ja?“ „Ja, danke. Ich ...“ Emma nahm die drei grünen Anzüglein an sich und deutete mit dem Kopf auf Calmaro, der immer noch nicht zu ihr gestoßen war. „Ich werde sie ihm zeigen.“ „Ja, gerne. Dankeschön.“ Es wurden noch ein paar 'Danke' ausgetauscht, bevor Emma sich loseisen konnte und mit den Strampelanzügen zu ihrem Chef hinüberging. Wenn sie sich auch ziemlich sicher war, dass sie keinen davon kaufen würde. Das mit dem Schlafsack – wenn das denn bei diesen Babydingern so hieß – fand sie eine bessere Idee. Oder ein Mobile! Emma sah in einer entfernten Ecke so etwas wie Spiele und Plüschtiere. Da würde sie möglicherweise etwas finden. „Ich hab noch eine Idee. Sie können sich ja kurz das hier ansehen. Das hat die nette Dame für uns herausgesucht.“ Sie drückte ihm die kleinen Kleidungsstücke in die Hände und steuerte dann direkt auf das Spielzeug zu. „Bin gleich wieder da.“   Verdutzt blickte Cayden auf die drei grünen Anzüge in seinen Händen und fragte sich, ob Emma sich gerade mit ihm einen Scherz erlaubte, doch vermutlich hatte sie das wirklich ernst gemeint und die Schuld war bei der Verkäuferin zu suchen. Nun, ob so oder so, diese Dinger würde er Stella auf jeden Fall nicht aufdrängen, also hängte er sie einfach zu den anderen Strampelanzügen dazu und sah sich weiter neugierig und teils auch irritiert um. Da Emma ihm erklärt hatte, sie wäre gleich wieder da, musste er sie nicht extra suchen gehen. Während Cayden sich umsah, gewann er teilweise den Eindruck, manche Dinge hier kämen nicht von dieser Welt, da er sich zwar immer für den neuesten Stand der Technik interessierte, aber in Sachen moderner Babyausstattung, war er weit im Rückstand. So blieb er einen Moment lang vollkommen verwirrt vor etwas stehen, das sich schließlich als Milchpumpe herausstellte. Perplex legte er das seltsame Teil wieder zurück und fragte sich, ob die Mütter von heute ihre Kinder denn nicht mehr selbst stillten oder was sonst der Grund dafür sein mochte, dass sie sich selbst … Milch abpumpten. Allein der Gedanke war schon mehr als skurril für ihn. Schließlich fand er etwas, das ihm zumindest schon vom Aussehen her etwas sagte – Tragetücher. Es gab sie in verschiedenen Farben, Muster und Textilien und sogar mit bildlicher Anleitung, auf welche Weise man die Tücher binden konnte, um das Baby unterschiedlich am Körper tragen zu können. Also das wäre zumindest schon einmal sehr praktisch.   Es war gar nicht so leicht, sich in der Spielzeugecke nicht ablenken zu lassen. Emmas Finger fanden doch ziemlich schnell einen Karton mit Sichtfenster, in dem ein Loch und ein kleines Schildchen prangten. Als sie auf den durchsichtigen Glitzerstern im Bauch des Hasen drückte, fing dieser an eine Melodie zu spielen, mit den Ohren zu wackeln und den Mund auf und zu zusperren. „Gruselig.“ Sie stellte die immer noch rappelnde, singende Schachtel zurück ins Regal zu den Anderen und widerstand diesmal der Versuchung aller Knöpfe, während sie einen Blick über ihre Schulter warf. Auf ihren Lippen zeichnete sich ein breites Lächeln ab. Wenn Emma eines gegen den Strich ging, war es mit jemandem einkaufen zu gehen, der drängelte. Das passierte meistens dann, wenn einer etwas Bestimmtes suchte oder bummeln wollte und der Andere mit dem Laden gar nichts anfangen konnte. Oder einfach auf alles keine Lust hatte. Dann fühlte Emma sich immer unter Druck gesetzt und fand meistens bestimmt nicht das, was sie suchte und bekam außerdem schlechte Laune. Da lohnte es sich gar nicht erst, loszugehen und mit dem Shoppen anzufangen. Über einen Begleiter wie Calmaro konnte man da nur glücklich sein. Er würde sich bestimmt keine Babysachen – geschweige denn das, was er da inspizierte – kaufen, aber er sah sich um, ohne irgendwelche Anstalten zu machen oder herumzunörgeln, wie lange sie wohl noch brauchen würden. Was Emma allerdings wieder dazu brachte, warum sie überhaupt hier waren. Sie durchforstete die Regale, bis sie ein paar Mobiles fand, die man über das Babybett hängen konnte. Anfangen bei kleinen, quietschbunten Plüschfiguren, über Sonne, Mond und Sterne, bis hin zu ... man rate dreimal … Hello Kitty. Alles war mit Leucht- oder Musikfunktion ausgestattet und gefiel Emma überhaupt nicht. Das würde vielleicht zu ihr selbst passen, wenn jemand ihrer guten Freunde ihr etwas schenkte, aber nicht zu Stella. Stella war aufgeräumt, auch im Bezug auf das Baby und alles, was damit zu tun hatte. Manchmal wirkte sie auf Emma sogar so, als müsse das Kind schon nach Zeitplan arbeiten, bevor es überhaupt auf der Welt war. „Vermutlich macht dir dein Baby in ein paar Monaten einen ganz schönen Strich durch die Rechnung.“ Was aber nicht schlimm war. Das tat Stella vielleicht sogar ganz gut. Außerdem wusste Emma ja nicht, ob ihr Mann möglicherweise der ausgleichende Pol für Stella war. So etwas gab es ja öfter. „Oh ... Na, du siehst doch so aus ...“ Sie zog eine der unteren Schachteln aus dem Regal, drehte sie um und besah sich das Mobile, das aus kleinen Stoffwimpeln und Halbedelsteinen bestand, die zu winzigen Tierfiguren gearbeitet waren. Alles nicht in solchen krachigen Farben, wie sie sonst hier vorherrschten. Was das Spielzeug in Emmas Augen sehr positiv hervorhob. Leider war es natürlich auch preislich eine ganz andere Liga. „Aber es ist wirklich hübsch.“ Emma drehte die Box wieder herum, strich mit der flachen Hand über den Deckel und zeichnete die Linien eines sehr natürlich gestalteten Bären aus Rosenquarz nach. Ja, wirklich sehr hübsch.   Cayden hatte Emma beobachtet, wie sie durch eines der Sichtfenster eines Spielzeuges griff und dort einen Knopf oder so etwas in der Art drückte, woraufhin das Spielzeug zum Leben erwachte. Er persönlich hatte sich nie für Kinderspielsachen interessiert, da er damals, als er selbst noch ein Kind gewesen war, solche Dinge wie Plastik, Plüsch oder Batterien nicht gekannt hatte. Was natürlich daran lag, dass es diese Sachen damals noch nicht hatte geben können, aber wenn man es nicht kannte, ging es einem auch nicht ab. Und groß geworden war er auch ohne diesen ganzen bunten Kram, von dem er das meiste für absolut überflüssig hielt. Aber Emma schien das Spielzeug mit dem Knopf und der Zappelfunktion interessiert zu haben, weshalb er sich unwillkürlich zu fragen begann, was sie noch alles interessierte.   „Haben Sie etwas gefunden?“ Er hatte sich schon zu ihr herumgedreht, als Emma ein ganzes Stück weit entfernt gewesen war. Wieder war dieses unsichere Gefühl in ihrem Magen hochgekommen, ob sie die ganze Zeit zu ihm hinsehen und grinsen oder doch lieber wegschauen sollte. Jetzt, da sie vor ihm stand, wusste Emma gar nicht mehr, für was sie sich eigentlich entschieden hatte. Und noch weniger wusste sie, warum Calmaro sie heute so … komisch nervös machte.   Als sie mit einem Karton in den Händen zu ihm herüberkam, wartete er bereits, hatte aber zuvor noch einmal die Beschreibung des Tragetuchs durchgelesen, so als hätte er es gerade erst entdeckt und nicht seine Assistentin beobachtet. „Ja“, beantwortete er ihre Frage, klemmte sich allerdings das Tragetuch unter den Arm und berührte den Karton, den Emma in der Hand hielt. „Sie offenbar ebenfalls.“ Neugierig darauf, was sie gefunden hatte, studierte er die Abbildung auf dem Karton und strich mit seinen Fingern über das Bild eines Bären aus Rosenquarz. Emma hatte ein Mobile gefunden und es war einmal nicht so verdammt bunt und übertrieben, wie alles andere hier, sondern, wirkte fast schon edel. Außerdem waren die richtigen Halbedelsteine immer etwas Gutes, vor allem der Rosenquarz. Also eine überaus gute Wahl, die sie da getroffen hatte. „Ich muss schon sagen, ob es nun daran liegt, dass Sie eine Frau sind oder eine sehr gute Intuition haben, ich denke, Sie habe den Gewinner als Geschenk für Stella gefunden. Das wird ihr mit Sicherheit gefallen.“ Cayden nahm seine Hände von dem Karton und lächelte Emma an, ehe er ihr das Tragetuch zeigte. „Was meinen Sie. Wäre das als kleine Beigabe obendrauf noch in Ordnung?“   Emma erkannte zuerst gar nicht, was er ausgesucht hatte. Es sah aus, wie ein hübsch bestickter Stoff, aber was man damit tun konnte ... Erst als sie die Fotos und die Anleitung sah, die dem Tuch beigelegt waren, machte es Pling und Emma nickte begeistert. „Oh ja, die sind toll. Hab ich zumindest gehört. Eine Freundin von mir trägt ihr Baby auch in solchen Tüchern und ist davon total hin und weg.“ Wenn sie allerdings einen flüchtigen Blick auf das Preisschild warf, konnte man in Emmas Welt nicht von 'kleiner Beigabe' sprechen. Sie hätte nicht gedacht, dass so ein Tuch so viel kosten würde. Allerdings hatte alles, was mit Babys zu tun hatte und auch noch gute Qualität sein sollte, natürlich seinen Preis. Und das war an sich auch gut so. „Super. Dann haben wir uns doch ganz gut geschlagen, oder?“ Sie grinste ihn an und sofort verschwamm der Ausdruck in ihrem Gesicht. Irgendwie schaffte Emma es einfach nicht, ihrem Chef gegenüber kumpelhaft unverbindlich zu bleiben. Sie selbst hatte das Gefühl, da war immer irgendwie ... mehr. Und dabei fiel ihr das bei vielen Männern so leicht. Es ärgerte sie sogar ein bisschen, dass sie bei Calmaro immer das Gefühl hatte, ein wenig anders zu sein. Nein, auch nicht anders. Aber irgendwie ... Emma konnte es selbst nicht erklären. Sie bemühte sich natürlich, nicht immer so geradeheraus zu sein, wie es normalerweise ihr Stil war. Immerhin war sie von dem Mann abhängig. Aber so viel Mühe sie sich auch gab, irgendwie klappte es einfach nicht. Ihr rutschte oft doch etwas mehr heraus, als sie vermutlich hätte sagen sollen. Oder sie berührte ihn, wie vorhin auf der Rolltreppe. Ganz so, als stünden sie sich näher, als bloß geschäftlich verbunden zu sein. Sie hoffte bloß, dass sie für diese Anwandlungen nicht irgendwann ganz schön eins auf den Deckel bekam.   Sein Lächeln wurde breiter, als Emma ihn begeistert angrinste und offenbar mit der Wahl des Tuches zufrieden war. Sehr schön. Mehr positive Bestätigung hätte er gar nicht verlangen können. „Das finde ich auch. Ich denke, wir haben uns dafür ein frühes Abendessen als Belohnung verdient. Lassen Sie uns doch sehen, was man hier so essen kann.“ Cayden nahm Emma das Mobile ab, um mit ihr gemeinsam zur Kasse zu gehen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)