Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 6: 6. Kapitel --------------------- Einige Tage, nachdem Emma wieder zu arbeiten begonnen hatte, bekam Cayden endlich die Gelegenheit, um sie in seine Nähe zu holen. Denn es hatte nicht gereicht, dass er immer wieder in die Werbeabteilung gegangen war, um diverse Dinge zu erledigen und sie dabei heimlich zu beobachten. Dazu war sein Terminkalender zu eng gestrickt und es würde Aufsehen erregen, wenn er zu oft dort erschien. Doch nachdem Stella ihm endlich – nach mehreren Anläufen – gebeichtet hatte, dass sie schwanger war, bot sich ihm die perfekte Chance, dafür zu sorgen, dass er sowohl seine Assistentin entlasten wie auch Emma direkt vor seine Nase setzen konnte. Zwei Fliegen mit einer Klappe, denn er mochte vielleicht ein ehrgeiziger Boss sein, aber ein Mann, der schwangere Frauen zu Tode schindete, war er nicht, und wenn sich alles so einfügte, wie er hoffte, dann würde er sogar eine neue Assistentin haben, wenn Stella in den Mutterschaftsurlaub ging. Nun musste er Emma das Angebot nur noch schmackhaft machen, oder zur Not mit Kündigung drohen, obwohl er das wirklich ganz und gar vermeiden wollte. „Ich gratuliere Ihnen noch einmal ganz herzlich und lassen Sie mich wissen, wenn Sie etwas brauchen.“ Stella strahlte ihn förmlich über den Schreibtisch hinweg an, so als hätte sie eigentlich schon befürchtet, er würde sie wegen der Schwangerschaft zur Schnecke machen. Da er aber schon seit Wochen davon wusste, war er nicht nur darauf vorbereitet, sondern auch erleichtert gewesen, als sie es ihm endlich mitgeteilt hatte. Also konnte es von seiner Seite her nur Entwarnung geben. „Vielen Dank, Mr. Calmaro. Ich werde Ihnen Emma sofort raufschicken.“ Damit war sie schon freudestrahlend aus seinem Büro verschwunden und alles, was ihm jetzt noch blieb, war zu warten. Zu warten und zu hoffen. Etwas, das er schon eine ganze Weile nicht mehr getan hatte. Emma hielt sich ihren grünen Schal vor den Mund, als sie schon wieder gähnen musste. An ihrem Platz roch es nach Tee mit Honig, den sie sich extra in einer Thermoskanne von zu Hause mitgebracht hatte. Die halb durchwachten Nächte nagten noch mehr an ihr, seit sie wieder arbeitete und ständig war ihr kalt. Dagegen allerdings half der Tee, den sie sich aus der gelben Thermoskanne mit den bunten Blumen darauf in ihre Tasse goss und sehr heiß trank, während sie auf ihren Monitor starrte. Das neue Logo, das sie für eine Band entwerfen sollte, die auf Tour durch die Staaten ging, wollte Emma bis jetzt noch nicht gefallen. Es passte einfach nicht mit der Musik zusammen, die leise aus den Ohrstöpseln wummerte, die hinter der Tastatur auf Emmas Tisch lagen. Es sollte aber stimmig sein. Das machte gute Werbung aus und machte die richtigen Leute auf die Band aufmerksam. Es musste typisch sein, aber nicht abgedroschen. Und genau das war gerade ihr Problem. Das Logo wirkte so, als hätte es mit jeder anderen Band dieser Art einfach ausgetauscht werden können. Absolut nicht professionell. Was Emma zugegeben ziemlich ärgerte. Weshalb ihr Blick auch eher stechend auf das Telefon fiel, als es klingelte. Viele konnten das nicht sein, denn innerhalb des Büros rief man sich nicht besonders häufig an, da man den kurzen Weg auch einfach zu Fuß überbrücken konnte. Also musste es entweder eine andere Abteilung sein oder jemand hatte sich verwählt. „Werbeprintabteilung – Barnes. Hallo?“ Noch einmal nippte Emma an ihrem Tee, der ihr angenehm heiß die Kehle hinunter lief, bevor ihr wirklich bewusst wurde, wen sie da am Apparat hatte. Und eigentlich wusste sie es nur, weil Stella ihren Titel 'Mr. Calmaros Privatsekretärin' hinzugefügt hatte. Sofort setzte Emma sich überflüssigerweise gerade hin, stellte ihre Tasse ab und nickte, während sie Stella am anderen Ende der Leitung zuhörte. „Ja, in Ordnung. In ...“ Sie sah sich noch einmal die Datei auf ihrem Monitor an. „Wenn es recht ist, komme ich sofort.“ Dann konnte sie nachher mit ihrer Arbeit in Ruhe weitermachen. „Okay. Ja, ich bin unterwegs.“ Bevor sie allerdings 'unterwegs' war, gab sie noch Bescheid, dass Mr. Calmaro sie zu einer Besprechung gebeten hatte, und ging dann kurz bei den Toiletten vorbei, um ihr Aussehen im Spiegel zu kontrollieren. Ihre Jeans war dunkel und für Emmas Verhältnisse recht enganliegend. Ein breiter, schwarzer Gürtel sah unter dem cremefarbenen Strickpulli hervor und auch den grünen Schal mit den eingewebten Silberfäden behielt sie an. „Was er wohl will?“ Emma fuhr sich mit den Fingerkuppen unter den Augen entlang, was teilweise daran lag, dass sie sich immer noch müde fühlte, andererseits aber ein Zeichen für die steigende Nervosität war, die in ihr aufkam, seit sie den Fahrstuhl betreten hatte. Denn mal ehrlich: Was konnte Calmaro wollen? Emma fielen dazu nur zwei Möglichkeiten ein und keine davon gefiel ihr. Denn entweder wollte ihr Boss sie sehen, um sie zu feuern. Andrea war immerhin seit zwei Wochen wieder da und man merkte, dass sich die Arbeit sehr viel besser verteilte. Sogar so viel, dass Emma das Gefühl bekam, mit einem Mitarbeiter weniger wäre es auch gut getan gewesen. Zumindest, solange nicht wieder ein großer Auftrag anstand. Und wenn die Gerüchte stimmten, sollte noch jemand im nächsten Monat aus einer Beurlaubung zurückkehren. Vermutlich würde es also das sein. Er wollte ihr kündigen. Emma seufzte leise und wusste nicht, was sie von dem Anflug an Erleichterung halten sollte, der ihr kurz durch den Körper schwappte. War die Variante, wieder arbeitslos zu sein, denn wirklich angenehmer, als sich eventuellen Nachfragen zu diesem Abend zu stellen? Die Polizei hatte noch keine Spur von dem Kerl. Mehr könnte sie Calmaro ohnehin nicht sagen. Wieder etwas, das für die Kündigung sprach. Denn warum hätte er sie auch nur nach den Ermittlungen fragen sollen? Ihre Ankunft in der Chefetage hielt sie von weiteren Grübeleien ab. Immerhin würde sie sowieso gleich erfahren, was los war. „Hallo Stella.“ Emma sah sich gleich nach einem Stuhl um, auf dem sie warten konnte. Denn sie ging nicht davon aus, dass der Firmenchef gleich Zeit haben würde. Selbst wenn er sie um das Gespräch gebeten hatte. „Hallo, Emma.“ Stella strahlte die dunkelhaarige Frau über den Schreibtisch hinweg an und konnte einfach nicht das Leuchten hinter ihren Augen abschalten. Sie war so verdammt erleichtert, dass ihr Boss sich nicht wegen ihrer Schwangerschaft aufgeregt hatte. Obwohl er sich im Grunde selten aufregte, aber es waren meistens die subtilen Dinge an ihm, die einem mehr Angst einjagen konnten, als wenn er herumgebrüllt hätte. Trotzdem, er hatte ihr noch nicht einmal eingebläut, dass sie sofort Ersatz für die Zeit suchen sollte, in der sie in Mutterschaftsurlaub war und das wunderte sie dann doch ein bisschen. Doch vorerst schob Stella ihre Überlegungen beiseite und lächelte Emma an, die schon die Stühle im Wartebereich ins Auge fasste. „Nein, nein. Sie können gleich zu ihm reingehen. Mr. Calmaro wartet bereits auf Sie.“ Cayden blickte aus dem riesigen Fenster in das trübe Wetter hinaus. Es war nicht gerade ein Wetter, das die Stimmung hob, aber er mochte es ganz gern, da dann die ausgeblichenen Farben am Rande seiner Brillengläser nicht so sehr weiß blendeten und strahlten. Auf jeden Fall eine kleine Wohltat für seine Augen, während er noch einmal alles in seinem Kopf durchging, was er mit Emma besprechen und vor allem wie er es ihr sagen wollte. Als sie allerdings schließlich den Raum betrat und er sich mit dem Stuhl zu ihr herumdrehte, waren die Worte in seinem Kopf wie ausradiert. Er konnte sie einfach nur ansehen. Sofort sprangen ihm ihre blasse Hautfarbe, die Ringe unter ihren Augen, die leicht hochgezogenen Schultern und der Schal um ihren Hals ins Auge. Zudem kam auch noch der Geruch nach Honig und Tee, der sich mit ihrem vermischte. Sie duftete angenehm, aber durch den Teegeruch doch ungewöhnlich. Als wäre sie krank und ihr Erscheinungsbild schien diesen Eindruck noch zu untermalen. Trotzdem bot er ihr zuerst stillschweigend den Stuhl vor seinem Schreibtisch an und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Erst dann zog er sich näher an den Schreibtisch heran und legte seine Hände um die Tasse Kaffee, die direkt vor ihm stand. Es lagen keine offenen Akten herum. Keine Tabellen und Texte, die er noch durcharbeiten wollte. Keine Verträge, die noch durchgesehen und unterschrieben werden musste und auch keine Muster aus der Grafikabteilung, die er mit seinen Notizen versehen würde. Cayden hatte sich für Emma Zeit genommen und das hieß, dass er sich auch nur für sie Zeit nehmen würde. Alle anderen Arbeiten standen hinten an. „Wie fühlen Sie sich?“, wollte er schließlich nach einer weiteren Musterung ihres ausgezehrten Gesichts und einem Blick zu ihrer Wunde wissen, die von ihren Stirnfransen versteckt wurde. Er konnte nichts erkennen, aber vermutlich waren schon längst die Fäden gezogen worden und bereits alles auf dem besten Weg zur Heilung. Was den Kratzer auf seiner Wange anging, hatte man schon nach drei Tagen nichts mehr gesehen. Diese lange Zeit der Heilung war ungewöhnlich gewesen, aber nicht in Anbetracht dessen, wie er verletzt worden war. Bei dieser Frage bekam Emma das große Bedürfnis, sich mit den Fingern einmal durch den orange gescheckten Pony zu fahren. Allerdings biss sie nur kurz die Zähne aufeinander und verscheuchte den Drang dadurch, bevor sie Calmaro leicht forschend ansah und ihm antwortete. „Ganz gut. Danke.“ Das stimmte. Wenn man es im Verhältnis dazu sah, wie sie sich nachts fühlte. Oder noch vor zwei Wochen gefühlt hatte. Dagegen war sie jetzt das blühende Leben. Und auch ein bisschen stolz darauf. Jetzt blieb nur die Frage, was er von ihr erwartete. Sollte sie ihn auch fragen, wie es ihm ging? Hatte er sie nur zu einer kleinen Unterhaltung hergebeten? Emmas Blick schweifte zu seiner Wange. Zuerst wusste sie selbst nicht, warum. Dort war absolut nichts zu sehen. Nichts zumindest, was ihren Blick hätte anziehen können. Ihre Augen verengten sich fast unmerklich und so etwas wie ein fernes Raunen erklang in ihrem Hinterkopf. Doch, sie hatte einen Grund, dort hinzusehen. Bloß ... Als er den Kopf nur um ein paar Millimeter wandte, kam Emma das Gestell seiner Brille ins Blickfeld und sofort verstummte das dumpfe Geräusch, das sie auf irgendetwas hatte aufmerksam machen wollen. Emma glaubte sogar zu spüren, dass es wichtig war, aber wenn es ihr nicht einfiel, konnte es SO wichtig auch wieder nicht sein. „Hören Sie ... Ich möchte mich noch einmal bedanken. An dem Abend war ich etwas zu mitgenommen, aber ich hätte es trotzdem gleich tun sollen. Wirklich, vielen Dank. Für … alles.“ Dafür, dass er sie aus der Kabine gezogen und ins Krankenhaus gebracht hatte. Und dafür, dass sie nicht mit einem Taxi hatte nach Hause fahren müssen. Auch für alles Andere, an das sich Emma nur noch bruchstückhaft erinnern konnte. Manchmal war der menschliche Geist doch etwas Wunderbares. Auch wenn es Emma seltsam vorkam, dass sie sich so vieler Dinge nicht mehr entsinnen konnte und sie doch Nacht für Nacht wieder in ihren Träumen durchspielte. Irgendetwas ... stimmte da mit ihr nicht. „Das freut mich, zu hören. Sowohl, dass es Ihnen gut geht, wie auch Ihren Dank. Auch wenn das eine Mal völlig ausgereicht hätte.“ Cayden lächelte, auch wenn es nicht besonders ernst gemeint war. Denn während er lächelte, fragte er sich viel mehr, wie mitgenommen sie gewesen war. Wie viel sie wusste. Ob sie es schon jemandem erzählt hatte. Dass die Polizei sie befragt hatte, wusste er inzwischen aus zuverlässiger Quelle, weshalb es ihn irritierte, dass er nicht schon im Krankenhaus Fragen hatte beantworten müssen und auch nicht danach. Alles sah seiner Meinung nach ganz so aus, als hätte Emma der Polizei nicht erzählt, dass er den Täter verjagt hatte. Aber warum? „Aber bestimmt haben Sie sich schon gefragt, weshalb ich mit Ihnen sprechen wollte.“ Er würde es schon noch herausbekommen. Geduld – das war der Schlüssel zum Erfolg. „Sie haben bestimmt schon mitbekommen, dass in ihrer Abteilung momentan wenig Bedarf an Mitarbeitern herrscht und mit Mrs. Collins Rückkehr wir sogar schon überbesetzt sind. Da ich Sie aber wegen eines vorübergehenden Arbeitsmangels nicht einfach vor die Tür setzen möchte und meine Assistentin mir vor kurzem ihre Schwangerschaft verkündet hat, möchte ich Sie fragen, ob Sie Interesse hätten, ihr unter die Arme zu greifen. Ich kann natürlich verstehen, dass dieses Angebot Sie nicht besonders reizen wird, da es nicht ihren Zielen entspricht, doch Sie hätten Abwechslung, mehr Freizeit und das bei verhältnismäßig gleichbleibendem Gehalt, da der Assistentinnenposten in eine höhere Gehaltsstufe fällt. Zudem bliebe dadurch genug Zeit, um Ersatz für Stella zu finden, ohne ihr auch noch diese Aufgabe aufzubürden.“ Langsam setzte Cayden nach seiner kleinen Rede den Kaffee an seine Lippen und nippte daran, während er Emma über den Rand der Tasse hinweg gründlich beobachtete, um ihre Reaktion zu beurteilen. Sie sah ihn in etwa so an, als hätte er ihr gerade eröffnet, er wäre der Weihnachtsmann. Ihr linker Mundwinkel hatte sich ein bisschen gekräuselt und ihre Augen hatten sich skeptisch verengt, während sie den Kopf etwas senkte, in der Erwartung dessen, was er wirklich hatte sagen wollen. Das konnte doch nur ein Scherz sein. Emma war schon dabei, ihren Mund zu öffnen, als ihr dieser Abend vor dem Konzert einfiel. An dem ihr der kleine Witz entkommen war, ohne dass sie groß darüber nachgedacht hatte. „Sie meinen das ernst.“ Trotzdem hörte es sich mehr wie eine Frage an. Selbst nachdem Emma klar geworden war, dass Calmaro keine Scherze machte. Das konnte er gar nicht – war der arme Mann doch ohne einen Sinn für Humor geboren worden. Aber trotzdem wollte ihr Hirn Emma warnen. Das konnte nicht wahr sein! Das ergab überhaupt keinen Sinn! Wenn sie ihn jetzt fragte, ob er sicher war, würde er sie vermutlich gleich hochkant rausschmeißen. Aber das war doch wirklich ... albern. Emma hatte keine Ahnung, was man als Sekretärin tat. Sie kochte nicht einmal besonders guten Kaffee. Und sie vermutete, selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte ihr das nicht sonderlich viel weiter geholfen. Weder konnte sie Geschäftsbriefe aufsetzen, noch beherrschte sie Kurzschrift. Sie konnte nicht im Geringsten mit Excel umgehen, sobald es über Fettschrift und Italic hinausging. Sie – sollte besser darüber nachdenken, was ihre Alternativen waren. Calmaro bot ihr einen Job an. Obwohl er sie vor die Tür hätte setzen können. Das wäre sogar die sehr viel logischere Schlussfolgerung gewesen. Immerhin war sie diejenige mit der kürzesten Betriebszugehörigkeit. Wieder wollte das Raunen in ihrem Kopf lauter werden. Aber Emma schob es zur Seite, um sich konzentrieren zu können. Sie sollte Assistentin werden. Assistenzsekretärin des obersten Firmenchefs. „Dürfte ich Sie um eine weitere Probezeit bitten, wenn ich einwillige?“ Das würde bedeuten, dass Calmaro sie fristlos vor die Tür setzen konnte, wenn er das Gefühl hatte, sein Imperium breche wegen Emma zusammen. Aber auf der anderen Seite könnte auch sie jeden Tag das Handtuch schmeißen, wenn sie sich überfordert fühlte. Was durchaus passieren konnte. Eine weitere Probezeit wäre für sie beide durchaus fair. Und dass Emma damit andeutete, sie würde den Job nehmen, schwebte auf eine seltsam bedeutungsschwere Weise zwischen ihr und ihrem Chef. Cayden stellte die Tasse langsam wieder ab, ließ Emma dabei aber keinen Moment lang aus den Augen. Er wollte ihr keine Probezeit geben, erhöhte das doch ihre Chancen, einfach zu gehen, wann es ihr beliebte und das wollte er beileibe nicht – sie so einfach gehen lassen. Trotzdem meinte er schließlich mit einem gewissen Nachdruck in der Stimme: „Wenn Sie einwilligen, werde ich Ihnen eine weitere Probezeit einräumen. Allerdings würde sich diese Probezeit nur auf zwei Wochen belaufen. In dieser Zeit dürften Sie die Aufgabenstellung meiner Assistentin im Ganzen erfasst und sich entschieden haben, ob Sie sich den neuen Herausforderungen stellen möchten.“ Dabei berief er sich absichtlich auf ihr Bewerbungsgespräch, in dem Emma erklärt hatte, dass sie Neuem gegenüber aufgeschlossen war und Herausforderungen mochte. Einen Berufswechsel in eine völlig neue Richtung konnte man durchaus als Herausforderung bezeichnen. Zudem bekäme Emma auch die Möglichkeit, Stella näher kennenzulernen und die Chance dadurch auch etwas über sich selbst herauszufinden. Oh ja, Cayden hatte ihr Bewerbungsgespräch noch sehr deutlich im Kopf und das nicht nur dank seines hervorragenden Gedächtnisses. Dennoch setzte er noch eines drauf. Vielleicht auch, um Emma nicht nur dazu zu bewegen, seinem Angebot zuzustimmen, sondern sie auch auf gewisse Weise herauszufordern. Er glaubte inzwischen zu wissen, wie sie ungefähr tickte. Sie war niemand, der schnell aufgab. „Sollten Sie sich allerdings dagegen entscheiden, wäre es mir nur noch möglich, Ihnen einen Teilzeitjob in Ihrer jetzigen Abteilung anzubieten. Aber ich kann nicht sagen, ob das Ihren Ansprüchen genügen wird.“ Sowohl finanziell als auch leistungsbedingt. Es gab viele Menschen, die eine berufliche Unterforderung nicht lange aushielten, wenn sie eigentlich mehr leisten könnten. *** Der Reißverschluss klemmte genauso, wie beim letzten Modell, aber zumindest kam sich Emma nicht jetzt schon so vor, als würde ihre untere Körperhälfte von der oberen abgeschnitten werden. Sie zupfte noch ein bisschen an dem schwarzen Stoff herum und sah sich dann mit einem Stöhnen im Spiegel an. „Rauskommen!“ Emma verdrehte die Augen und griff nach dem dicken Vorhang, der die Kabine verschloss. Sie zog den Blickstopp auf und redete los, bevor es die Münder von Kathy und Amy es überhaupt schafften, sich zu öffnen. „Das ist doch Scheiße. In dem hier sehe ich so aus, als hätte ich eine Tonne Übergewicht. Außerdem kann ich in dem Ding nicht laufen. Mein Arsch ist auch so schon breit genug, das muss dieses … Teil nicht auch noch unterstreichen.“ Oh Gott, sie würde doch nicht etwa anfangen zu heulen und sich wie ein Kleinkind strampelnd auf den Boden werfen. Aber es kratzte allmählich wirklich an Emma, dass sie sich in allen Röcken, die nach Büroschick aussahen, dick und schwabbelig fühlte. Mit einem verzweifelten Seufzen ließ sie die Arme an ihre Seiten plumpsen und sah enttäuscht zu ihren Freundinnen hinüber. „Ich hab keine Lust mehr.“ „Ach Em, hör schon auf. Der Rock sieht doch ganz gut aus.“ Amy, von deren Figur Kathy und Emma selbst bei gemeinsamer Diät nur träumen konnten, war aufgestanden und ging im Halbkreis um ihre Freundin herum. „Ich glaube, das Problem ist, dass der Stil einfach nicht zu dir passt. Der Rock kann noch so gut sitzen, wenn du dich darin nicht wohl fühlst, bringt es nichts.“ Worin Emma ihr zu hundert Prozent zustimmte. Bloß leider half das überhaupt nicht weiter. „Na toll. Soll ich dann Morgen nackt ins Büro gehen?“ „Ach, Mr. Calmaro fände das bestimmt ganz neckisch.“ Emma warf einen Pulli nach Kathy, die daraufhin nur gackernd zu lachen anfing, was Amy und Emma zwar irgendwann ansteckte, das Problem mit dem Rock aber immer noch nicht löste. „Weißt du was, wir gehen einfach in einen anderen Laden und versuchen es in der normalen Abteilung. Wenn du einen hübschen Rock, der jetzt vielleicht nicht gerade Nadelstreifen und eng anliegend ist, mit einem schönen Pulli oder einer schicken Bluse kombinierst, sieht das auch gut aus.“ Amy schob Emma schon wieder in die Kabine, als diese noch protestierte. „Das riechen die Chefabteilungs-Typen doch schon, wenn ich das Gebäude betrete. Wenn Calmaro mich nach Hause schickt, damit ich mir was Ordentliches anziehe, werde ich auf der Stelle tot umfallen vor Scham!“ In den nächsten drei Läden fanden sie zwar nichts Ordentliches, aber etwas, in dem Emma sich bürofein vorkam. Vier verschiedene Röcke, unauffällige, elegante Blusen und Westen oder Pullunder dazu, die sie untereinander kombinieren konnte. Nachdem sich Emma auch noch ein Set sexy Unterwäsche gegönnt hatte, lud sie Kathy und Amy noch auf einen Kaffee ein. Wenn sie ihr Konto schon überzog, dann war das auch schon egal. *** „Vergessen Sie nie, die Termine so zu vereinbaren, dass Mr. Calmaros Terminplan mit denen der Kunden und der anderen Leute, die etwas von ihm wollen, übereinstimmt. Rufen Sie ruhig mehrmals zurück, um die Termine miteinander zu koordinieren und vergessen Sie nicht, auch die Zeit einzuplanen, die er braucht, um dorthin zu kommen, wenn ein Termin einmal nicht in seinem Büro stattfindet. Außerdem lassen Sie sich die Termine immer noch wenn möglich ein bis zwei Tage vorher bestätigen. Zu Mittag hat er eine Pause von 12:00 bis 13:00 Uhr. Zu dieser Zeit steht er nur in absoluten Notfällen zur Verfügung und mit absolutem Notfall meine ich, dass schon ein Sänger mit seinen Stimmbändern um den Hals hereingekrochen kommen muss, um von ihm empfangen zu werden. Ich hoffe, es ist Ihnen klar, dass jede Störung, die nicht absolute Berechtigung hat, Konsequenzen mit sich bringen, mit denen Sie lieber nicht zu tun haben wollen.“ Stellas Stimme beinhaltete eine Warnung, die man auf alle Fälle ernstnehmen sollte und das änderte sich auch nicht, nachdem sie einen weiteren Redeschwall auf Emma losließ, der sich gewaschen hatte. Inzwischen merkte man, dass sie langsam heiser zu werden begann, was nur daran lag, dass sie versuchte, so viel Wissen wie möglich an einem Tag in Emmas Gehirn zu quetschen, damit die Neue ihr schon bald eher eine Hilfe als eine Belastung war. Daher war sie auch nicht gerade erfreut darüber, wenn sie etwas zweimal erklären musste, tat es aber natürlich trotzdem, jedoch mit einer Miene, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen. Dennoch wurde sie dabei nicht laut, da ihr Chef bisweilen einem das Gefühl gab, als hätte er Ohren wie ein Luchs und es nicht gerne hatte, wenn man vor seinem Büro herumzeterte. „Ich möchte, dass Sie sich so bald wie möglich einen richtigen Terminkalender zulegen, damit Sie ihn mit dem von Mr. Calmaro abgleichen und sich besser organisieren können. Mit diesem Ding da werden Sie nicht weit kommen.“ Stellas manikürter Finger zeigte auf Emmas Notizblock, den diese schon viel genutzt hatte, seit sie vor wenigen Tagen in die Chefetage versetzt worden war. Gerade wollte die leicht gestresste Assistentin zu einer neuen Rede ansetzen, als sie plötzlich den Mund wieder abrupt schloss und zum Fahrstuhl hinüber starrte. Sofort richtete sie sich gerade auf und zupfte an ihrer Frisur und der hellen Bluse herum, als sie den blondgelockten Haarschopf von Mr. Calmaros Frau auf sich zukommen sah. Heute trug sie ein weißes Kostüm mit schwarzen Nadelstreifen, der sich an ihre perfekten Formen schmiegte, dazu eine schwarze Strumpfhose mit kleinen eingearbeiteten Mustern, schwarze Riemchenschuhe mit den wie immer mörderisch hohen Absätzen und eine silberne Kette, die ihr bis in den üppigen Ausschnitt hing, der wieder einmal mehr betont, als eingepackt worden war. Eine kleine Lederhandtasche und ein weißer Wildledermantel mit Pelzbesatz rundeten das ganze Bild von Reich und Schön ab. Stella könnte jedes Mal vor Neid grün werden, wenn sie nicht auch deutlichen Respekt, der schon fast in Furcht umschlug, für diese Frau empfinden würde. Wieder einmal zu Recht, wie sie im nächsten Augenblick feststellen konnte. Vanessa zog ihren Mantel aus und warf ihn zusammen mit ihrer Tasche auf Stellas Schreibtisch. „Aufhängen und dann sagen Sie mir, ob mein Mann schon Zeit hat.“ Sofort nahm die Assistentin den Mantel und die Tasche entgegen und drückte beides Emma mit einem gemurmelten „Auf einen Kleiderbügel aufhängen“ in die Arme. Danach wandte sie sich mit einem professionellen Lächeln wieder an das Supermodel. „Es tut mir leid, aber Mr. Calmaro ist noch in einer Besprechung. Kann ich Ihnen vielleicht mit einer Erfrischung die Wartezeit verkürzen? Wasser, Tee, Kaffee?“ Vanessa musterte Stellas leicht abgenutztes Make-up, die schon etwas ramponierte Frisur und die angeknitterte Bluse, ehe sie der Frau ein verächtliches Lächeln schenkte. „Kaffee. Schwarz. Ohne Zucker. Es könnte schließlich spät werden.“ Nun wurde das Lächeln eindeutig etwas … verwegen, ehe sie sich umdrehte und zu der Fensterfront stöckelte, um hinauszusehen. Während Stella noch einmal versuchte, ihre Bluse glatt zu streichen, obwohl nach zehn Stunden Arbeit wohl kaum jemand erwarten konnte, dass sie perfekt aussah, erst recht nicht, wenn sie bei all dem Stress auch noch jemanden einschulen musste, ging sie zu Emma hinüber und zischte ihr leise zu, sie solle schon mal den Kaffee kochen, während sie selbst das dazu nötige Geschirr auf einem kleinen Tablett herrichtete. Zuerst verdutzt und dann ein bisschen pikiert sah Emma zwischen Stella und ihrem Notizbuch hin und her. Auf den ersten Seiten war in ihrer kleinen, runden Handschrift alles säuberlich und übersichtlich notiert, was die Sekretärin ihr an Informationen ohne Punkt und Komma an den Kopf geworfen hatte. Schön und gut, noch heute würde sie sich einen Kalender kaufen. Aber das hieß bestimmt nicht, dass sie auf ihre Kladde verzichten würde! Bevor sie deswegen sauer auf Stella werden konnte, die sich wirklich Mühe mit ihren Erklärungen gab, klappte sie das kleine Buch zu und fuhr mit den Fingern streichelnd über das Cover. Ihre Mom hatte es für Emma gekauft und es ihr zum ersten Tag in der Chefetage geschenkt. Es war hellblau, mit dunkelblauen Paisley-Mustern darauf, die Emma so toll fand und einer praktischen Ringbindung. Sie hatte sogar den farblich passenden Füller dazubekommen. Gerade wollte Emma sich über die Pause in Stellas Redeschwall wundern, als sie aufsah und ihren Notizblock auf ihren behelfsmäßigen Schreibtisch warf, um sich gleichzeitig dahinter zu verstecken. Diese Reaktion war ihr schon am ersten Tag in Fleisch und Blut übergegangen. Denn so zu tun, als gehöre man zur Einrichtung, war auf jeden Fall besser, als von irgendeinem hohen Tier, das hier aus und einstampfte, blöd angeredet zu werden. Geschweige denn, eine Frage bezüglich irgendwelcher Vereinbarungen, Termine und Ähnliches beantworten zu müssen. Es war zwar nicht so, dass Emma nicht in dem großen Terminbuch auf Stellas Schreibtisch oder der elektronischen Kopie davon hätte nachsehen können, aber dann hätte sie Ärger bekommen. Von Stella, von dem wichtigen Tier und von Mr. Calmaro. Was sie alles dadurch vermeiden konnte, sich wie Luft zu verhalten. Zumindest so lange, bis man ihr etwas mehr als eben das zutraute. Von ihrem sicheren Platz aus folgte Emma Stellas Blick. Die Sekretärin sah fast so aus, als fühle sie sich auf dem Prüfstand. So, wie sie an sich herumzupfte, musste da jemand sehr Wichtiges im Büro aufgetaucht sein. Selbst für Calmaro schob Stella sich nicht jedes Mal die Frisur wieder perfekt zurecht. Schon gar nicht, wenn sie schon seit über neun Stunden für ihn auf den Beinen war. Neugierig versuchte Emma an der großen Kübelpflanze vorbeizulinsen, die ihr den Blick auf die Etage versperrte, und hatte einen perfekten, flachen Bauch vor Augen, der sie zurückprallen ließ. Naja, vielleicht waren es auch die beiden bis zum Bersten aufgepumpten Ballons über dem Bauch, die sie zurückwarfen. Jedenfalls war es im Gesamten diese Frau, die in Calmaros Vorzimmer stand und Stella so nervös machte, als wäre sie die Queen persönlich. „Aufhängen und dann sagen Sie mir, ob mein Mann schon Zeit hat.“ Scheiße. Emma fiel die Kinnlade herunter, die Stella ihr mit einem derart giftigen Blick wieder schloss, dass sie sich mit dem Mantel der Frau in die kleine Garderobe flüchtete. Die Tussi ... war die Queen! Als sie die Jacke über den Bügel schüttelte, damit sich keine Falte einnistete, zitterten Emmas Finger. Ihre Gesichtszüge hatten sich versteinert und das nicht gerade im Bilde personifizierter Fröhlichkeit. Sobald sie allerdings wieder ins Vorzimmer trat und Mrs. Calmaro am Fenster stehen sah, die perfekte Silhouette von den Lichtern der Stadt erhellt, blinzelte Emma den Anflug des seltsamen Gefühls einfach fort, das sie so unerwartet überfallen hatte. Stattdessen kochte sie Kaffee für das Ehepaar Calmaro – gab sich diesmal mit dem Abmessen des Kaffeepulvers sogar besonders viel Mühe – und ging anschließend Stella so gut sie es konnte aus dem Weg. Wenn Mrs. Calmaro die Sekretärin derart aus der Bahn werfen konnte, wollte Emma nicht noch mit daran Schuld sein. Da setzte sie sich lieber an ihren Schreibtisch und tippte noch das Diktat der E-Mail ab, die morgen früh nach Dunedin abgeschickt werden sollte. Die Besprechung dauerte länger als angenommen und ausgerechnet heute musste Mr. Calmaros Frau auch noch früher kommen. Stellas Blick schoss immer wieder zu der blonden Schönheit hinüber, während sie sich für den Feierabend fertigmachte und noch einmal den Terminplan für morgen durchging. Auch Emma gab sie in gedämpfter Lautstärke Bescheid, dass sie sich schon einmal langsam fertigmachen könne, da sie bald früher gehen durften. Währenddessen saß Vanessa mit übergeschlagenen Beinen und den Schlitz in ihrem Rock bis über jeden Anstand hinweg gespreizt, auf einem der gemütlichen Sessel im Wartebereich. In der einen Hand hielt sie ihren Kaffee, in der anderen ihr Handy, auf das sie starrte, ohne auch nur einmal hochzublicken. Ihre Finger mit den langen Nägeln tippten dabei ungeduldig gegen das Gehäuse, ansonsten erschien sie überraschend friedlich zu sein. Endlich öffnete sich die Tür zu Mr. Calmaros Büro und der Boss persönlich trat zusammen mit einem großen Japaner lachend aus dem Raum, ehe er diesem noch einmal die Hand schüttelte und sich schließlich überschwänglich und über geschäftliche Zuneigung hinaus, verabschiedete. Mr. Yamato war ein langjähriger Kunde der Firma und dadurch bestimmt auch so etwas wie ein Freund. Doch darüber würde Stella nicht spekulieren. So etwas ging sie schlichtweg nichts an. Calmaro begleitete seinen Kunden noch bis zum Fahrstuhl, ehe er zu ihnen zurückkam und von Vanessa bereits erwartet wurde. Er schenkte den beiden Assistentinnen keinen Blick, sondern hielt seine Frau an der Wespentaille fest und küsste sie zur Begrüßung, während er breit lächelte. Würde Stella ihren Boss nicht schon so viele Jahre lang kennen, sie hätte ihm die Szene abgekauft und würde sich immer noch fragen, wie ein so angenehmer Mann es nur mit so einer Schreckschraube aushielt. Aber offenbar war da etwas zwischen ihnen, das all diese kleinen Ungereimtheiten erklärte, die sie schon so lange beobachtete. Darum erwartete sie gar nicht, dass die Freude auf seinen Lippen sich auch auf den Rest seines Gesichtes ausbreitete. Denn das tat es nicht. Schließlich konnte er sich doch vom Anblick seiner Frau losreißen und sah Stella an. „Sie dürfen dann gehen. Sie beide.“ Sein Blick schwenkte zu Emma hinüber, woraufhin sein Lächeln ein bisschen breiter wurde. Seltsam. Bevor Stella dem noch einen zweiten Blick schenken konnte, war das Ehepaar auch schon in seinem Büro verschwunden. Eiligst sprang sie von ihrem Stuhl auf, um das Kaffeegeschirr wegzuräumen, bevor es dort drin zur Sache gehen konnte. Nur einmal hatte sie sich vorgenommen, an einem Tag wie heute Überstunden zu machen. Doch ein einziges Stöhnen hatte ihr gereicht und sie war sofort verschwunden. So etwas wollte sie nun wirklich nicht hören und dabei vielleicht auch noch vom Boss erwischt werden, war wirklich das Letzte, was sie wollte. Da ging sie lieber Heim zu Sean. Emma hatte Calmaros Stimme im Ohr, die ruhig und geordnet die E-Mail diktierte, die sie sich mühte, einigermaßen fehlerfrei abzutippen. Sie würde noch eine Weile brauchen, bis sie so schnell tippen konnte, wie er diktierte. Aber das war alles nur eine Frage der Übung. Stellas Finger waren bestimmt auch nicht von Anfang an in der Lichtgeschwindigkeit über die Tasten gerauscht, wie es jetzt der Fall war ... Es war ein seltsames Gemisch, das ihre Brauen aufeinander zuwandern ließ, als sich Calmaros fast monotone Stimme auf einmal mit etwas vermischte, das sie vorher noch nie gehört hatte. Irgendwie wirkte es fremd und zugleich doch vertraut. Als spreche es etwas in ihr an, das gar nicht unbedingt verstehen musste, um zu begreifen. Wie von selbst wanderten ihre Mundwinkel zu einem Lächeln in die Höhe und ihre Finger lagen still auf der Tastatur, obwohl das Diktat in den Kopfhörern weiter ging. Er lachte. Da, direkt vor ihr. Emma konnte seine strahlend weißen Zähne und tatsächlich auch ein paar Fältchen um seine Augen sehen, als er aus seinem Büro kam und den Geschäftspartner zum Fahrstuhl begleitete. Er konnte also lachen. So seltsam es auch war, Emma freute sich für ihren Chef. Weil er anscheinend doch nicht als ernster Klotz geboren worden war, sondern was den Humor betraf, einfach nur ein bisschen Übung gebrauchen konnte. Na, da hatte er sich genau die Richtige – Ihr Lächeln gefror zuerst auf ihrem Gesicht, bevor es splitterte und von prallen Kurven, auf die sich Calmaros Hände legten, vollkommen pulverisiert wurde. Als er mit glücklichem Gesichtsausdruck seine Frau zur Begrüßung küsste, folgte Emma nur zu gern Stellas Rat und zog schon einmal die Schublade an ihrem Rollcontainer heraus, in der ihre Tasche lag. Eine Tasche, die mit den bunten Buttons und dem kleinen Plastikanhänger eines Liebespüppchens bestimmt nicht zum Schick des Büros passte. Genauso wenig wie Emmas Notizbuch! Sauer darüber, dass sie sich in den letzten drei Tagen hatte vormachen können, hier zurechtzukommen, wollte sie zu ihrem Bildschirm hochsehen und ihn mit einem wütenden Blick für alles Unrecht in der Welt strafen. Und starrte stattdessen für Sekunden in Calmaros lächelndes Gesicht. Hitze legte sich auf Emmas Nacken und sie senkte ein wenig den Kopf, um ihr Erstaunen und ihre Überraschung zu verbergen. Denn es war ... ein wirklich hübsches Lächeln. Als sie sich allerdings besann und wieder hinsah, um es nett zu erwidern, war er – nein, da war das Ehepaar Calmaro bereits im Büro verschwunden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)