Dark Night's Kiss von Darklover ================================================================================ Kapitel 3: 3. Kapitel --------------------- „Ich hab einen Job!“ Quietschend hopste Emma einmal im Kreis und stellte sich dann wieder neben Kathy an den Herd. Dabei wippten ihre Hüften im Takt der Musik, die sie aufgelegt hatten und hin und wieder stieß sie ihre Mitbewohnerin vor Begeisterung mit der Hüfte an. „Ich weiß. Und noch dazu einen Schreibtisch“, meinte Kathy mit einem Grinsen, das genau zeigte, welche Reaktion sie von Emma erwartete. Die Gleiche, die schon fünf Mal gekommen war, wenn jemand ihren neuen, eigenen Arbeitsplatz erwähnte. „Ja!“, erklang es, gepaart mit einem Hüpfen, das den Sekt in Emmas Glas fast zum Überschwappen brachte. „Einen Schreibtisch, einen Mac und einen Eingangs- und Ausgangskorb! Ich bin so wichtig!“ Sie quietschte noch einmal und rannte ins Wohnzimmer hinüber, wo Rob vor dem Fernseher saß und gerade die Sonnenblume vom Gehäuse zupfte. „Sag mir, wie wichtig ich bin!“ Der Dunkelhaarige sah kurz irritiert auf und räusperte sich dann, bevor er antwortete. „So wichtig, dass du einen Eingangs- und Ausgangskorb hast!“ „Richtig! Oh man, ich sag’s euch, ich brauch noch irgendwas, mit dem ich den Platz ein bisschen aufmotzen kann. Ist alles in Grau. Vielleicht nehm ich ein paar Postkarten mit.“ Noch überlegend schlenderte sie wieder in die Küche, machte einen Abstecher in ihr Zimmer und kam mit einer Karte zurück, auf der ein Comicfrosch zu sehen war, der die Zunge herausstreckte. „Ob du so wichtig bist, dass du dir das erlauben kannst, weiß ich aber nicht.“ Rob war in die Küche gekommen und stand etwas unschlüssig herum, da nichts mehr zu tun war. Daher schnappte er sich einfach ein frisches Bier aus dem Kühlschrank. „Warte mit der Karte noch bis nächste Woche.“ ***   Cayden beendete das Telefonat und ging wieder zurück an Brads Krankenbett. Eigentlich sollte es für Geschäftsmänner erlaubt sein, direkt im Krankenzimmer zu telefonieren, da dieses ganze Hin und Her genauso lästig wie unnötig war. Vor allem wenn man alle fünf Minuten angerufen wurde. Dieses Mal blieb er jedoch für einige Minuten von weiteren Anrufen verschont, so dass er sich ans Fenster stellen und hinausblicken konnte. Hinter sich hörte er Brads tiefen Atem und die geschäftigen Schritte vor der Zimmertür im Flur. Er selbst konnte Krankenhäuser nicht ausstehen und war ganz froh, dass er es bisher nicht nötig hatte, sich in eines zu legen. Aber wenn es um Brad ging, zwang er sich sogar dazu seine Geschäfte vom Korridor aus zu führen. Warum Cayden das tat, wusste er nicht wirklich. Bradley war nur ein weiterer Mensch in seinem Leben, dem er begegnet war. Den er von Anfang an sympathisch gefunden hatte und bei dem es ihm nur allzu leicht fiel, so etwas wie eine lockere Freundschaft aufrechtzuerhalten. Bei Gott, er suchte wirklich keine Freunde, aber keiner konnte ihm nachsagen, dass er sich nicht um die wenigen kümmerte, die er dann doch irgendwie hatte, ohne es bewusst zu wollen. Trotzdem scherte es ihn kaum, dass Brad hier lag und sich beinahe zu Tode gesoffen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen und würde es auch immer bleiben. Nicht nur bei Brad, sondern bei allen, denen er begegnete. Sterben taten sie so oder so. Ob früher oder später. Es war unvermeidlich. Aber in manchen Fällen, so wie bei dem von Brad, ließ es Cayden nicht vollkommen kalt, stattdessen fühlte es sich für ihn mehr wie eine Verbindung zu verblassenden Erinnerungen aus seiner Vergangenheit an. Auch er hatte um Ehefrauen getrauert. Mehr als ein Mann jemals in einem Leben haben konnte, und doch bei weitem nicht so intensiv, wie Brad es schon seit zwei Jahren tat. Letztendlich war alles vergänglich, und wenn man nicht loslassen konnte, landete man am Ende vermutlich genau dort, wo sein Freund nun lag. Dort wo Cayden selbst niemals liegen würde. „Ich vermisse sie“, kam es schwach vom Bett herüber. „Ich weiß“, antwortete er mit angemessener Schwere in der Stimme. Cayden warf noch einen letzten Blick aus dem Fenster, ehe er zur Tür ging und im Rahmen noch einmal stehenblieb, ohne sich umzudrehen. „Du wirst dir Urlaub nehmen und du wirst dir darüber Gedanken machen, was du eigentlich willst. Willst du sterben, um bei ihr zu sein? Dann tu es, aber richtig. Willst du leben, um deine restlichen Jahre und Talente zu nützen und ihr Andenken und alles, was sie sich für dich gewünscht hat, zu ehren? Dann mach es. Aber hör auf, den Mittelweg zu nehmen. Den gibt es nicht. Und bevor du nicht trocken bist, brauchst du erst gar keinen Fuß in mein Büro zu setzen. Machs gut, mein Freund.“ Cayden verließ das Krankenhaus, ohne zu wissen, ob er je wieder etwas von Brad hören würde, doch so war es nun einmal. Also schob er das dumpfe Gefühl in seinem Magen zur Seite, setzte sein Headset wieder auf und organisierte einen neuen Bandmanager, der vorerst für Brads Klienten sorgen würde, bis dieser sich endgültig für einen Weg entschieden hatte. ***   Einen Stöpsel im Ohr, der ihr die Musik der Band Banana Orange näher brachte, an deren Stickern sie gerade arbeitete, schob Emma mit ihrem Stift das Logo über das GT auf dem Bildschirm herum. Sie war fast fertig. Banana Orange war die letzte Band, deren Schriftzug sie noch so setzen musste, dass er auf die Stickervorlage passen würde und dann konnte sie – „Hey!“ Zuerst riss sie sich den Stöpsel aus dem Ohr, bevor sie sich mit den Fingerkuppen darüber rubbelte und genervt den Monitor anstarrte. Darauf war kurz eine Art Blitz zu sehen, der sich durch die Benutzeroberfläche schoss und dann wurde alles blau. Blau, wie das Blau, das bei Computern nie ein gutes Zeichen war. Emma lehnte sich in ihrem Stuhl so zurück, dass die Lehne nachgab und sie an der Trennwand vorbei zu den nächsten Schreibtischen sehen konnte. Allerdings poppte ihr gleich ein weiterer verwirrt dreinblickender Kopf entgegen. „Ist dein Mac auch tot?“ Emma nickte und ließ die Lehne dann wieder hochschnellen, während sie auf der Tastatur herumklickte, den Mac neu startete und dann ganz aufstand. Die Kollegen schienen alle das gleiche Problem zu haben, denn alle sahen sich entweder verwirrt nach jemandem um, der ihnen sagte, was passiert war oder hämmerten auf ihre Tastaturen ein. „Scheiße.“ Mit einem Blick auf die Tasche, in der ihr privater Laptop und die Unterlagen für den Unikurs ruhten, schickte Emma ein Stoßgebet zum Himmel. Dabei war ihre Probezeit bis jetzt so gut gelaufen! Cayden war natürlich wie immer noch in seinem Büro gewesen, als der Notruf aus der Medienabteilung gekommen war. Computerabsturz. Schon der Zweite in diesem Jahr und das wieder einmal zu einem perfekten Zeitpunkt, in dem sie ohnehin schon bis zum Hals in Aufträgen steckten. Noch dazu dürften die meisten Mitarbeiter schon nach Hause gegangen sein. Wäre Zeitdruck nicht schon gang und gäbe für ihn, wäre das vermutlich der perfekte Zeitpunkt gewesen, um eine ausgewachsene Krise zu bekommen. Aber wenn man die Geduld hatte, tagelang in einer einzigen Bewegung starr in einem Baum zu sitzen, vom Wetter, schmerzenden Muskeln und Insekten gepeinigt, nur mit einem Messer bewaffnet, um reglos darauf zu warten, seinem eigenen Tod gegenüberzustehen, war das hier dagegen nur noch ein Klacks. Auf dem Weg in den sechsten Stock rief Cayden noch bei der IT-Abteilung an, damit sie das Problem so rasch wie möglich behoben. Schnell stellte er fest, dass Bea ausgerechnet heute einen Tag Urlaub hatte und somit die ganze Abteilung oder zumindest der Rest, der davon übriggeblieben war, mehr oder weniger kopflos herumlief. Was bei weitem nicht so schlimm war, wie es sich anhörte, denn auf die Mitarbeiter konnte man zählen. Trotzdem lagen merklich Nervosität und Spannung in der Luft, die fast greifbar wurde, als auch noch der oberste Boss erschien. Kurz wurde ihm von Beas Assistentin Kim die Notlage erklärt und dass sie die Abgabefrist für das anstehende große Konzert nicht schaffen würden, wenn nicht noch ein paar Mitarbeiter dazu bereit waren, Überstunden zu machen. Wobei sie hier von den verbleibenden noch vorhandenen Mitarbeitern sprach, die noch anwesend waren. Cayden ließ Kim die übrigen Mitarbeiter zusammenrufen, damit er an ihr Engagement appellieren konnte. „Die Sache sieht folgendermaßen aus …“, begann er ruhig zu erklären, ganz so, als säße ihm nicht der Druck im Nacken. Aber es half nichts, Panik zu schieben und das an seinen Mitarbeiter auszulassen. Vor allem, da es nur noch mehr Stress und Hektik gefördert hätte und gerade das schlechte Arbeit hervorrief, wenn man damit nicht umgehen konnte. „Anhand der ausgedruckten Unterlagen müssen die nötigen Gestaltungen der Plakate, Flyer, Eventplaner, Sticker usw. noch einmal zusammengestellt werden, da derzeit kein Zugriff auf unsere Server möglich ist und die IT-Abteilung nicht sagen kann, wie lange das noch dauert. Also muss alles, was an extern gespeicherten Daten, Zetteln, Notizen, etc. zu finden ist, zusammengetragen werden. Damit der Druckerei so bald wie möglich etwas Greifbares in die Hand gegeben werden kann. Dazu bräuchte ich so viele Freiwillige wie möglich.“ „Dazu bräuchte ich so viele Freiwillige wie möglich.“ Mr. Calmaro war keine zwanzig Minuten später bei ihnen im Büro aufgetaucht und sah so aus, als hätte er die Sache auch ohne sie alle locker im Griff. Emmas Blick glitt einmal über sein Gesicht, aber erstaunlicherweise konnte sie keine einzige Falte finden, die auf so etwas wie eine Reaktion auf solchen Stress schließen ließ. Vielleicht hatte der Mann keine Nerven im Leib. Erst als sich immerhin zwei der noch anwesenden fünf Mitarbeiter meldeten und die anderen beiden – außer Emma – mit einer sehr guten Entschuldigung aufwarteten, schien der Augenwinkel von Calmaro kurz zu zucken. Sein Blick, der trotz der Dämmerung draußen, immer noch hinter den getönten Gläsern versteckt war, richtete sich auf Emma. Es war nicht so, dass sie zusammenzuckte. Aber es bereitete ihr schon Bauchschmerzen, dass sie zu entscheiden hatte, ob sie den Kurs heute Abend ausfallen lassen sollte, um hierzubleiben. Andererseits konnte für so einen Serverabsturz niemand etwas. Das war höhere Gewalt. Etwas, gegen das man nur im Team ankam. „Ich müsste nur kurz in der Uni anrufen.“ Was so viel hieß wie: Ich bleibe. Denn Calmaro nickte nur kurz und stieß sich dann von dem Schreibtisch ab, an dem er gelehnt hatte, um zum nächsten Telefonhörer zu greifen und die IT-Abteilung noch einmal ein bisschen zur Eile anzutreiben. Oder ihnen Feuer unterm Hintern zu machen, was der Tonfall eher vermuten ließ.   Natürlich musste so etwas immer dann passieren, wenn Mitarbeiter knapp waren und man die restliche Belegschaft nicht mehr stören konnte. Cayden hätte natürlich trotzdem stören können, aber seine Mitarbeiter waren nicht dazu verpflichtet, von Zuhause extra herzukommen, wenn er es ihnen auftrug. Was das anging, war die Firmenpolitik unter den einzelnen Abteilungen sehr eindeutig. Trotzdem wusste er, dass dafür die restlichen drei Mitarbeiter sich vermutlich die halbe Nacht um die Ohren hauen mussten. Von ihm selbst ganz zu schweigen. Aber das wäre nichts Neues. Er war dankbar, dass sich überhaupt jemand dazu bereit erklärt hatte, und konzentrierte sich daher lieber auf eine effiziente Arbeitseinteilung, anstatt sich wegen der unzuverlässigen Technik zu ärgern. Als er vorhin noch einmal in der IT-Abteilung angerufen hatte, konnte ihm noch nicht einmal jemand sagen, wo das Problem lag, also würde es vermutlich noch Stunden dauern und die hatten sie nun einmal nicht, um einfach darauf zu warten, dass ein Wunder geschah. Da Kim ebenfalls gegangen war, teilte Cayden persönlich die Arbeit auf die verbliebenen Mitstreiter auf, nachdem sie alles Erdenkliche, was sie für dieses Banana Orange Konzert zusammenkratzen konnten, auf einem großen Zeichentisch angehäuft und grob sortiert hatten. Dabei spannte er die Neue ebenso voll ein, wie die langjährigen Mitarbeiter und für die restliche Arbeit zog er sich in Beas Büro zurück, um dort allein arbeiten zu können. Es war nicht so sehr der Drang nach Ruhe und Konzentration, der ihn dorthin trieb, sondern viel mehr das verminderte Risiko, dass jemand bemerkte, wie schnell er arbeitete. Caydens Finger konnten, wenn er überhaupt nicht mehr darauf achtete, sondern tief in seiner Arbeit versunken war, so schnell über die Tastatur oder das GT fliegen, dass kein Mensch sie mit bloßem Auge mehr sehen konnte und auch die Hochleistungsrechner kaum mitkamen. Leider waren die hohen Reflexe und die übernatürlich schnelle Auffassungsgabe gerade bei Computerarbeiten äußerst anstrengend. Trotzdem, die Arbeit musste getan werden, also biss Cayden sich eine ganze Weile lang durch, bis das Bild langsam vor seinen Augen zu verschwimmen begann und es Zeit für eine Pause wurde. Irgendwann war Emma zur Toilette gegangen. Allerdings nicht, um dort das Übliche zu tun. Sie brauchte nur ein bisschen Bewegung und vor allem Abstand zu ihrem Schreibtisch. Da Not am Mann war, hatte man ihr mehr Aufgaben übertragen, als sie bisher hatte durchführen müssen. Und wie es Emmas Art war, hatte sie mit dem, was ihr am Schwierigsten erschien, angefangen. So konnte sie am meisten Konzentration darauf verwenden und wusste, dass zum Ende hin noch etwas Luft blieb, da sie den Rest leicht hinbekommen würde. Als sie dort allerdings mit gesenktem Kopf, die Hände neben dem Waschbecken abgestützt in der Toilette stand, hätte sie nur noch schreien wollen. Schon dreimal war ihr der Flyer misslungen, da sie den Befehl im Programm nicht fand, mit dem sie das Logo der Band in die Stadtansicht einfügen konnte, ohne dass es wie der Angriff des Killerobstkorbs auf Wellington aussah. Man hatte ihr einmal gezeigt, wie sie die beiden Hintergrundebenen an einer bestimmten Achse trennte, um dann einen Teil in den Vordergrund zu ziehen. Aber sie hatte den dummen Button zwar gefunden, aber irgendein Detail vergessen, weshalb es immer die gesamte Skyline aus dem Fenster löschte, sobald sie das Logo einsetzte. Mit den Fingerspitzen zählte Emma die Schritte einzeln auf dem Waschtisch ab. Irgendwo musste der Fehler liegen, den sie immer wieder machte und der das Ganze dann gehörig versaute. Natürlich hätte sie irgendjemanden fragen können, aber gerade jetzt hätte sich das wirklich schlecht gemacht und außerdem hatten die Anderen schon Stress genug. Emma wollte nicht auch noch den Klotz am Bein des Teams mimen. Schon gar nicht, wenn der Oberboss im Büro nebenan saß. Da hätte sie ja gleich zu ihm reinspazieren und ihm sagen können, dass sie für den Job im Allgemeinen zwar geeignet war, aber unter Druck gar nichts hinbekam. Worauf ein 'Dann machen Sie’s gut. War nett sie hier gehabt zu haben', folgen musste. Emma sah hoch und in die Augen ihres Spiegelbilds, das wirklich zum Stein erweichen aus der Wäsche guckte. „Oh bitte. Nimm dir 'nen Keks und stell dich nicht so an, Emma“, ermahnte sie sich selbst und ging zurück ins Büro. Leider hatte sie keine Kekse, aber zumindest wieder einen freien Kopf, mit dem sie ihr Problem von einem anderen Winkel her angehen konnte. Emma löschte ihre bisher erstellten Ebenen im Programm, sodass sie nur noch die Stadtansicht über dem Ankündigungstext sehen konnte, und fing dann noch einmal von vorne an. Als sie an den Punkt kam, an dem beim letzten Mal die Killerfrüchte Wellington zermatscht hatten, legte sie den Stift auf ihr GT, schob ihren Stuhl ein Stück zurück und betrachtete das Ganze. Vorhin hatte sie es so gemacht ... „Der Button, dann reinziehen und ... hm.“ Ihr Finger, mit dem sie aus der kleinen Entfernung die Maus nachgeahmt hatte, streifte die Menüleiste und Emmas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was passierte eigentlich, wenn sie ...? „HA!“ Erschrocken zog Emma den Kopf ein und sah sich kurz um. Ihre Fingerspitzen lagen auf ihren Lippen und sie wedelte kurz damit, während ihr ein breites Grinsen im Gesicht baumelte und sie sich gerade so beherrschen konnte, eine Runde mit ihrem Bürostuhl vor dem Schreibtisch zu drehen. Leise kichernd sicherte sie die Datei auf den USB-Stick, überprüfte noch einmal alles, änderte noch winzige Details, bevor sie noch einmal speicherte und den USB-Stick dann abzog, um ihn auf das Vorlagenblatt des Flyers zu legen. Fertig. „Fertig, fertig, fertig!“ Diesmal jubelte sie in angemessenem Murmeln und schob den nächsten USB-Stick in den Slot, um die Sticker anzufangen. Das war zwar viel Kleinkram, musste aber auch gemacht werden. Und wenn sie damit fertig war, konnte sie jemand anderem helfen. So es denn dann überhaupt noch etwas zu tun gab. Irgendwie hoffte Emma ja doch, dass sie vor Mitternacht nach Hause kam. Es war schon längst dunkel, als er aus dem Büro trat und direkt auf die kleine Küche zusteuerte, die es in jedem Stockwerk und für jede Abteilung gab. Der letzte Kaffee war schon längst kalt, also machte er neuen und füllte ihn in vier Tassen, mit dem C&C Firmenlogo darauf. Bei Kent und Thalia wusste er, wie sie ihren Kaffee mochten, da sie sich schon öfters gemeinsam die Nächte um die Ohren gehauen hatten. Ms. Barnes oder besser Emma, war in dieser Hinsicht ein Geheimnis für ihn. Also nahm er die vier Tassen an den Henkeln in eine und ein paar Päckchen Zucker und Sahne in die andere Hand. Thalia war die Erste, der er einen Koffeinkick spendierte, während er mit ihr ihre bisherigen Fortschritte durchging, das eine oder andere anmerkte und hinzufügte, da er sich noch sehr genau an Details erinnern konnte, die sie bei den ganzen Notizen und Daten nicht hatten finden können. Zum Glück hatte er sich in den letzten Tagen nicht nur mehrmals mit der Band, sondern auch mit den Medien beschäftigt, dadurch war einiges hängen geblieben. Auch Kent kam gut voran und ließ Cayden hoffen, dass sie hier noch fertig wurden, bevor sie sich ein Matratzenlager auf dem Teppichboden bauen mussten. Sie unterhielten sich kurz darüber, ob eigentlich das Angebot noch stand, dass jeder Mitarbeiter von C&C bei der Putzkolonne angefangen bis hin zur Chefetage, Freikarten für jedes Konzert oder für jeden Auftritt auf Anfrage bekommen konnte, bei denen die Firma mitwirkte. Natürlich stand das Angebot noch. War sogar gern gesehen, denn die Bands, die Caydens Firma vertrat, waren meistens noch nicht sehr populär und umso mehr Karten an den Mann oder die Frau gebracht wurden, umso mehr Werbung war es. Billige Werbung noch dazu. Weshalb man gleich mehrere Karten auf einmal bekommen konnte. Zum Schluss trat er hinter Emma und blickte über ihre Schulter auf den Bildschirm vor ihr und begutachtete ihre Arbeit. Bevor sie sich dabei unwohl fühlen konnte, da er es ja selbst hasste, wenn er jemanden so direkt in seinem Rücken stehen hatte, stellte er schließlich ihre Tasse mit dem Kaffee neben der Hand mit dem Stift und dem GT ab und legte die verbliebenen Zuckerpäckchen und den kleinen Sahnebecher dazu. Löffel stand bereits in ihrem Kaffee. Sein eigenes Getränk behielt er in der Hand und nippte kurz daran. „Ich wusste nicht, wie Sie ihn trinken“, meinte er nur und musterte erneut eingehend ihre Arbeit, ehe er seufzend seinen Kaffee abstellte, die Brille abnahm und mit Daumen und Zeigefinger in seine Nasenwurzel kniff. Manchmal hasste er die modernen Errungenschaften wirklich, obwohl sie einem das Leben auch sehr angenehm gestalten konnten. Trotzdem war er froh, dass wenigstens die Sonne untergegangen war und er seine Brille schließlich nachlässig in die Brusttasche seines Hemdes stecken konnte, ehe er seinen Kaffee wieder zur Hand nahm. Das war schon besser. Viel besser, da seine Sicht nicht mehr vom Rand seiner Brille eingeengt wurde. Oh man, sie hoffte nur, dass derjenige, der da gerade Kaffee kochte, genug für alle machte. Vorhin war sie noch an der halbvollen Kanne vorbeigelaufen, da sie normalerweise um diese Zeit keinen Kaffee mehr trank. Aber als jetzt der Geruch aus der kleinen Teeküche herüberwehte, wusste Emma, dass sie nicht würde widerstehen können. Um den Kaffee dann aber auch heiß trinken zu können, stand sie von ihrem Platz auf, tauchte aber sofort wieder ab, als sie Calmaro mit vier Tassen aus der Küche kommen sah. Er kochte Kaffee für seine Mitarbeiter? Emmas Brauen hüpften nach oben und sie spitzte die Lippen zu einem tonlosen Pfiff, bevor sie sich wieder an ihren Mac setzte und die ersten Sticker erstellte. Nicht schlecht, dass der oberste Boss der Firma nicht nur bei so einem Notfall aushalf, sondern auch noch Kaffee kochte. Das war irgendwie ... ziemlich schwer einzuschätzen. Genauso, wie seine Geste, wortlos hinter ihr stehenzubleiben und ihr über die Schulter zu sehen, während sie arbeitete. Wie sie das hasste! Da konnte man doch nur Fehler machen. Wussten Chefs das denn nicht? Eigentlich sollte es verboten – „Ich wusste nicht, wie Sie ihn trinken.“ Emma sah über ihre Schulter zu ihm hoch. „Vielen Dank. Das ist nett.“ Zu ihrer Gewohnheit, was Kaffee anging, sagte sie nichts, sondern schüttete sich die restliche Sahne und ein Päckchen Zucker in die Tasse, bevor sie klingelnd umrührte. Dass Calmaros Seufzen mit der Betrachtung ihres Bildschirms zusammenfiel, war vielleicht nur ein Zufall, aber es machte Emma nervös. Sie nippte an ihrem Kaffee und warf ihrem Chef einen Seitenblick zu. Ach. Sie waren grün. Ziemlich grün sogar. Die Augen des Rothaarigen hatten hinter den roten Gläsern seiner Brille immer einen leichten Schlammton, der sich schlecht zuordnen ließ. Und so nah wie jetzt war Emma ihm sowieso noch nicht gekommen und hatte daher noch nicht näher über die wirkliche Farbe seiner Augen nachgedacht. Jetzt fiel ihr aber auf, dass sie ziemlich blutunterlaufen und fertig aussahen mit den kleinen Pupillen. „Ich wusste nicht, dass Sie selbst auch Gestalter sind“, meinte Emma ehrlich. Stille lag ihr nicht besonders. Vor allem nicht in der Gegenwart von Leuten, bei denen sie nicht wusste, wie sie diese einschätzen sollte. „Privates Interesse“, war seine kurze Antwort. Denn er war nicht wirklich bereit dazu, zu erklären, dass er sich vor einer Firmengründung jahrelang mit den unterschiedlichsten Fachgebieten diesbezüglich beschäftigte, um alles verstehen und wenn nötig auch kontrollieren zu können. So wäre er zum Beispiel auch in der Lage, im Tonstudio, der Buchhaltung oder sogar in der Druckerei zu arbeiten. Auf diese Art konnte ihm keiner so schnell etwas vormachen und er sammelte im Laufe der Jahrhunderte ein umfangreiches Wissen in den verschiedensten Gebieten, ohne – wie so viele seiner Artgenossen – den Anschluss an die moderne Zivilisation zu verlieren. Die sich ständig mit riesigen Schritten weiter entwickelte. Vor allem in den letzten 150 Jahren. Zudem hatte er durchaus Spaß am Gestalten und dem Colorieren am Computer, trotz der anstrengenden Bildschirmarbeit. Es war schließlich ein weiteres Medium, um künstlerisch kreativ zu sein und Cayden malte für sein Leben gern. Zumindest in den Jahren der Ruhe und Zurückgezogenheit. Vielleicht verbrachte er auch deshalb so gerne seine knapp bemessene Zeit in der Grafikabteilung, um so seinen Drang nach einem seiner liebsten Hobbys etwas zu beruhigen. Obwohl es nur selten half. Das waren allerdings alles Dinge, die nie jemand erfuhr und erst recht keine Mitarbeiterin, die sich noch im Probemonat befand. Obwohl sie es bald hinter sich hatte. „Und Sie?“, fragte er schließlich höflich, aber ehrlich interessiert. „Konnten Sie sich schon einigermaßen in der Abteilung einleben?“ Cayden zog sich vom nebenanliegenden Büro einen Stuhl heran, da er seinen Kaffee genauso gut hier trinken und nebenbei auch noch etwas über seine neueste Mitarbeiterin erfahren konnte. Das machte sie nicht unbedingt zu etwas Besonderem, denn diese Art des Gesprächs führte er mehr oder weniger mit allen Leuten, die er längerfristig behalten wollte. Es war schließlich immer gut, seine Mitarbeiter zu kennen. So wurden viele Probleme, vor allem die internen, schon im Vorfeld geklärt. Cayden wusste so ziemlich über alles Bescheid, was er über die einzelnen Abteilungen wissen musste. Selbst wer es mit wem zur Mittagspause in der Behindertentoilette trieb. Wobei das eher unfreiwillig erlangte Informationen waren. Denn bei seinem feinen Geruchssinn war es fast unmöglich, solche Details nicht mitzubekommen. Solche pikanten Dinge musste man einfach ignorieren. Immerhin war er selbst in der ganzen Firma als derjenige bekannt, der es am häufigsten in seinem Büro trieb und keiner erwähnte es auch nur mit einem Wort, wenn er in der Nähe war. Cayden lehnte sich in dem Stuhl gemütlich zurück, rieb sich etwas den verspannten Nacken und nippte an seinem Kaffee, während er herauszufinden versuchte, was genau ihn an Emmas derzeitiger Arbeit störte. Es konnte nicht viel sein, sonst käme er sofort darauf, denn an sich passte alles bisher Erarbeitete, aber sie war mit den Stickern ja auch noch nicht fertig. Vielleicht verschwand die Irritation, sobald alles komplett war. Emma hielt sich an ihrer Tasse fest und bemerkte erst jetzt, dass das typische Phänomen der kalten, rechten Hand sich wegen des langen Arbeitens am Computer bei ihr breitgemacht hatte. Umso mehr spürte sie die Wärme des Getränks nicht nur im Magen, sondern auch in ihren Fingern. Die Gegenwart ihres Chefs machte sie innerlich ein wenig unruhig. Das merkte sie, als er sich einen Stuhl heranzog und sich neben sie setzte. Was bedeuten musste, dass er vorhatte, länger als nur dieses abgehakte Abwiegeln ihrer Frage hier zu bleiben. Die Nervosität war nicht schlimm, aber spürbar. Emma ärgerte sich hauptsächlich darüber, da Calmaro ja nichts getan oder gesagt hatte, was diese Anspannung gerechtfertigt hätte. Außer, dass er ihr eine Frage gestellt hatte. Emma wandte ihren Bürostuhl so, dass sie schräg zu ihrem Schreibtisch saß und ihren Boss besser ansehen konnte, während sie sich die Antwort überlegte. Vermutlich war es kein Test. Denn so, wie Calmaro aussah, wollte er sich nicht auch noch mit einem Mitarbeitergespräch auseinandersetzen. Ein paar Minuten den Kopf frei zu bekommen, ein bisschen an der frischen Luft zu sein, hätten ihm wahrscheinlich besser getan. „Ja, doch. Es gefällt mir. Die Arbeit ist interessant und macht mir Spaß. Die Kollegen sind nett.“ Okay, wenn sie ehrlich war, gab es natürlich auch hier im Büro jemanden, den ihre Mom als 'Trainingseinheit' bezeichnet hätte – Bryan, der aussah wie ein zu klein geratener Bodybuilder und den emotionalen Quotienten eines störrischen Vierjährigen hatte. Er schrie und maulte Leute gern am Telefon an und dachte, dass er die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte. Aber da Emma nicht oft mit ihm zusammenarbeiten musste, konnten Kopfhörer und gute Musik wahre Wunder wirken. Als Emma ihren Chef wieder ansah, die angestrengten Augen musterte, hatte sie das Gefühl, dass ihm die Antwort nicht genügte. Er selbst war nicht gerade der Plauderer, aber er konnte einem auch ohne Worte zeigen, dass er mehr von einem wollte, als ein kurzes Ja oder Nein. „Ehrlich gesagt bin ich sehr froh, dass die Leute hier so freundlich sind, mir ab und zu Sachen zweimal zu erklären. Trotz des ganzen Stresses haben alle immer Zeit und ein offenes Ohr. Die Abteilung ist wirklich toll.“ Das war nicht gelogen. Das Team machte es jedem Neuankömmling einfach, sich hier einzuleben und wohlzufühlen. Allein Emmas persönlicher Drang immer alles richtig zu machen und ihre Fehler allein auszubügeln, standen ihr manchmal ein bisschen im Weg. Aber bis jetzt war sie gut zurechtgekommen. Cayden nickte zustimmend. Dass diese Abteilung so angenehm war, hatten sie hauptsächlich auch Bea zu verdanken. Die Frau konnte die reinste Glucke und zugleich der fieseste kleine Teufel sein. Man respektierte sie, fühlte sich zugleich aber auch in ihrer Nähe wohl. Da er mit ihr im Übrigen auch schon über Ms. Barnes gesprochen hatte, wusste er, dass Emma sich bisher gut in das Team eingefügt hatte, sich mit den Leuten verstand und ernsthaft und mit gutem Gewissen ihrer Arbeit nachging. Genau das, was sie in seiner Firma gebrauchen konnten. „Das freut mich, zu hören.“ Das klang mehr nach einer höflichen Floskel, aber er war immer noch zum Teil auf den Bildschirm konzentriert, während die Stelle zwischen seinen Augenbrauen sich schon daran machte, eine winzige Falte zu bilden. Was war das nur, was ihn störte? „Bisher habe ich nur Gutes über Sie gehört. Aber sollten Sie irgendwelche Wünsche, Beschwerden oder Anregungen haben, melden Sie sich einfach bei Bea. Probleme zwischen den Mitarbeitern oder irgendwelche Unzufriedenheiten besprechen wir gerne, so früh als möglich, um entsprechend handeln zu können.“ Der letzte Mitarbeiter, der einen anderen gemobbt hatte, flog unverzüglich. Wer nicht im Team arbeiten, als Team handeln und für das Team einstehen konnte, hatte hier nichts zu suchen. Gerade wollte Cayden dazu ansetzen, noch einen Schluck von seinem Kaffee zu nehmen, als ihm endlich einschoss, was ihn die ganze Zeit gestört hatte. „Moment ... darf ich?“ Ohne überhaupt auf eine Antwort abzuwarten, stellte er seine Tasse weg, nahm den Zeichenstift in die Hand und begann in wenigen kurzen Schritten, den Farbwert des Banana Orange-Schriftzugs zu ändern. Es war nur um zwei Punkte, die kaum einen Unterschied in der Farbe ausmachten, aber so sah es für ihn endlich richtig aus. Immerhin sollten sie auf jedem Plakat, Flyer oder eben Sticker denselben Farbwert für den Schriftzug haben. Vermutlich war es nur ein Versehen gewesen oder was auch immer. Mit Sicherheit wäre es noch nicht einmal aufgefallen, wenn er nicht so lange draufgestarrt hätte. Aber manchmal konnte sein Hang zur Perfektion einfach ziemlich akribisch sein. Zufrieden nahm er wieder seine Tasse zur Hand und widmete sich nun vollkommen seinem Gegenüber. „Im Übrigen muss ich Ihnen danken, dass Sie noch hier geblieben sind trotz ihres Kurses.“ Emma rutschte nur ein Stück in ihrem Stuhl vom Schreibtisch weg und hatte trotzdem nicht das Gefühl, schnell genug aus dem Weg gekommen zu sein. Oh, Calmaro konnte nur froh sein, dass er der Boss des Ladens war. Denn sonst hätte Emma den selbstverständlichen Übergriff auf ihr GT als Kriegserklärung gewertet. Sie mochte es nicht, wenn man davon ausging, dass ihre Sachen auch allen Anderen gehörten. Normalerweise hatte Emma überhaupt kein Problem, was das Teilen, Beschenken oder Ähnliches anging. Aber wenn jemand es sich erlaubte, in ihrer Arbeit oder einem Projekt herumzumalen, dann wurde es schnell ernst. Was in diesem Fall aber Calmaros Glück war, denn Emma konnte verstehen, dass er bei einer Mitarbeiterin, die gerade knapp einen Monat hier arbeitete, einfach davon ausging, dass er mit seiner Erfahrung das Recht hatte, etwas zu ändern. Auch wenn Emma beim besten Willen nicht feststellen konnte, dass es jetzt besser aussah, als zuvor. Trotzdem war es faszinierend, dass ihr Gegenüber die Farbwerte wohl alle im Kopf hatte und ihm aufgefallen war, dass sie nicht mit Emmas Vorlage übereinstimmten. Davon konnte man sich neidlos ein bisschen beeindrucken lassen. „Naja, ich hoffe, dass Sie mich auch dafür bezahlen, anstatt mir nur zu danken.“ Am liebsten hätte sie sich an ihrem eigenen Lachen verschluckt, und zwar richtig. Dann hätte sie in diesem Moment, da ihr aufging, was sie sich gerade erlaubt hatte zu sagen, einfach tot umfallen können. So aber nahm sie einfach noch einen großen Schluck aus ihrer Tasse und versuchte ein wenig ihren Scherz zu überspielen, der vollkommen ins Leere gelaufen war. Calmaro hatte noch nicht einmal mit der Wimper gezuckt. „Nein, ich meine ...“ Sie sah ihn an und lächelte ein bisschen entschuldigend. „Kein Problem. Hab ich gern gemacht.“ „Ich halte mein Wort. Sollte es dennoch einmal Probleme mit der Abrechnung geben, dürfen Sie sich gerne an die Buchhaltung wenden. Die können Ihnen dort auch genau erklären, wie Ihr Lohnzettel aufgebaut ist.“ Der Schluck, den Cayden dieses Mal von seinem Kaffee nahm, war deutlich größer, als das bisherige Nippen daran. Er hatte den Scherz zu spät als das erkannt, was er war. Weshalb er seinen Mangel an Humor auch gleich mit einer weiteren Erklärung übertünchte und schließlich auf die Uhr blickte. Es war Zeit, die Pause zu beenden und Emma wieder arbeiten zu lassen. Also stand er auf und stellte den Sessel wieder ins Büro nebenan zurück, ehe er den leeren Sahnebehälter und die restlichen Zuckerpäckchen nahm. „Hat mich gefreut, ein wenig mit Ihnen zu plaudern, Emma. Wenn Sie damit fertig sind, können Sie gerne gehen. Danke noch mal für die Hilfe.“ Sein Lächeln war charmant wie immer, aber leer, da es nicht bis zu seinen Augen vordrang. Mit einem kurzen Abstecher zur Kaffeeküche, wo er alles entsorgte und den Rest seines Kaffees wegschüttete, ging er wieder in Beas Büro, um weiterzuarbeiten. Im Gegensatz zu den anderen hatte er noch viel zu tun. Daher war es unwahrscheinlich, dass er dieses Mal vor zwei ins Bett kam. Aber er war ohnehin ein Nachtmensch. Auch wenn er sich Besseres vorstellen konnte, das er hätte tun können. Seine Nerven waren schon leicht überreizt und die Anspannung wollte einfach nicht mehr aus seinem Nacken weichen. Vanessa war in der Toskana. Vielleicht sollte er Helen morgen Nacht einmal einen Besuch abstatten. Sobald Calmaro den Stuhl weggestellt, seinen Kaffeebecher eingesammelt und sich von ihr verabschiedet hatte, um in der Küche zu verschwinden, knallte sich Emma die flache Hand vor die Stirn. „Scheiße“, zischte sie leise und rubbelte sich mit den Fingerknöcheln über die Schläfe, so dass diese ein bisschen rot wurde, bevor sie sich ihrem Mac zuwandte. „Mir den Lohnzettel erklären. Alles klar.“ War der Kerl so humorlos oder spielte er nur verdammt gut den harten Brocken? Wenn man sich als Chef schon dazu herabließ, seinen Mitarbeitern Kaffee nicht nur zu kochen, sondern ihn an den Schreibtisch zu bringen und dann auch noch für einen kurzen Plausch zu bleiben ... konnte man dann einen kleinen Scherz nicht vertragen? Das konnte sich Emma wirklich fast nicht vorstellen. Allerdings wollte ihr Hirn genauso wenig begreifen, dass jemand keinen Funken Humor im Leib hatte. Vielleicht hatte Calmaro auch irgendeine schreckliche Muskelkrankheit, die es ihm nicht möglich machte, zu lachen? Mit einem Kopfschütteln verscheuchte Emma die peinliche Szene von eben aus ihrem Kopf und schob sich lieber den Kopfhörer über die Ohren und drehte Banana Orange ziemlich laut, während sie sich wieder ihrer Arbeit widmete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)